10. Teilbarkeit in Ringen

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Teilbarkeit in Ringen
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Teilbarkeit in Ringen
Ein wichtiges Konzept in Ringen, das ihr für den Fall des Ringes Z bereits aus der Schule kennt, ist
das von Teilern — also der Frage, wann und wie man ein Ringelement als Produkt von zwei anderen
schreiben kann. Dies wollen wir jetzt in allgemeinen Ringen untersuchen, wobei die Polynomringe
über Körpern letztlich neben Z die wichtigsten Anwendungsbeispiele sein werden. Um die Theorie
dazu nicht zu kompliziert werden zu lassen, wollen wir uns dabei auf den Fall von Ringen beschränken, bei denen bei einem Produkt von zwei Elementen nur dann 0 herauskommen kann, wenn schon
einer der beiden Faktoren 0 war.
Definition 10.1 (Integritätsringe). Ein Ring R heißt Integritätsring, wenn er außer der Null keine
Nullteiler besitzt, d. h. wenn für alle a, b ∈ R gilt: Ist ab = 0, so ist bereits a = 0 oder b = 0.
Beispiel 10.2.
(a) Nach Lemma 7.9 (c) ist jeder Körper (also z. B. Q, R, C oder Z p für eine Primzahl p) ein
Integritätsring.
(b) Jeder Unterring eines Integritätsrings (also z. B. Z als Unterring von Q) ist offensichtlich
wieder ein Integritätsring.
(c) Ist n ∈ N>1 keine Primzahl, so ist Zn kein Integritätsring, denn wenn wir eine Zerlegung
n = p · q mit 1 ≤ p, q < n haben, so ist zwar p, q 6= 0, aber p · q = n = 0.
Ein weiteres wichtiges Beispiel für Integritätsringe sind Polynomringe über einem Integritätsring.
Lemma 10.3. Für jeden Integritätsring R gilt:
(a) (Gradformel) Für f , g ∈ R[t] ist deg( f · g) = deg f + deg g, d. h. in Lemma 9.7 (a) steht bei
der Multiplikation von Polynomen stets die Gleichheit.
(b) R[t] ist ein Integritätsring.
(c) Die Einheitengruppe des Polynomrings über R ist R[t]∗ = R∗ , besteht also genau aus den
konstanten Polynomen mit Wert in R∗ .
Beweis.
(a) Für f = 0 oder g = 0 ist die Formel wegen deg 0 = −∞ trivialerweise richtig. Ist ansonsten
n = deg f und m = deg g, so können wir f und g als
f = ant n + · · · + a1t + a0
und
g = bmt m + · · · + b1t + b0
mit an , bm 6= 0 schreiben. Damit ist
f · g = an bm t n+m + (Terme mit niedrigeren Potenzen von t).
Da R ein Integritätsring ist, folgt nun an bm 6= 0 und damit deg( f · g) = n + m = deg f + deg g.
(b) Sind f , g 6= 0, also deg f , deg g ≥ 0, so ist nach (a) auch deg( f · g) ≥ 0 und damit f · g 6= 0.
(c) Offensichtlich ist jede Einheit von R auch eine von R[t]. Ist umgekehrt f ∈ R[t]∗ , so gibt
es ein g ∈ R[t] mit f · g = 1. Aus der Gradformel (a) folgt daraus deg f + deg g = 0, also
deg f = deg g = 0. Damit liegen f = a0 und g = b0 in R, und wegen f · g = a0 · b0 = 1 muss
sogar f = a0 ∈ R∗ gelten.
Aufgabe 10.4. Ist der Potenzreihenring R[[t]] über einem Integritätsring R ebenfalls wieder ein Integritätsring?
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Andreas Gathmann
Bemerkung 10.5. Beachte, dass die analoge Aussage von Lemma 10.3 für Polynomfunktionen
falsch wäre: Betrachten wir noch einmal die Polynomfunktion t 7→ t 2 + t = t(t + 1) über Z2 aus
Beispiel 9.13, so ist diese ja die Nullfunktion — wir können sie aber auch als Produkt der beiden Polynomfunktionen t 7→ t und t 7→ t + 1 schreiben, die beide nicht die Nullfunktion sind. Die
Polynomfunktionen über einem Integritätsring bilden also in der Regel nicht wieder einen Integritätsring. Dies zeigt erneut, dass Polynome aus algebraischer Sicht die „schöneren“ Objekte sind als
Polynomfunktionen.
Die wichtigste (wenn auch nahezu triviale) Eigenschaft von Integritätsringen ist, dass in ihnen die
Kürzungsregel gilt:
Lemma 10.6 (Kürzungsregel). Es seien R ein Integritätsring und a, b, c ∈ R mit c 6= 0. Dann gilt
ac = bc genau dann, wenn a = b.
Beweis. Ist ac = bc, so folgt (a − b)c = 0. Da R ein Integritätsring ist und nach Voraussetzung c 6= 0
gilt, muss a − b = 0 und damit a = b sein. Die umgekehrte Folgerung a = b ⇒ ac = bc ist natürlich
trivial.
Bemerkung 10.7. Die Kürzungsregel ist in allgemeinen Ringen falsch: In Z6 ist z. B. 2 · 3 = 0 · 3,
aber 2 6= 0.
Wir können nun zur Definition der Teilbarkeit in Ringen kommen.
Definition 10.8 (Teiler). Es seien R ein Integritätsring und a, b ∈ R. Man sagt, dass b ein Teiler
von a ist (in Zeichen: b | a), wenn es ein c ∈ R gibt mit a = b · c. Man sagt dann auch, dass a ein
Vielfaches von b ist.
Beispiel 10.9.
(a) Die Teiler von 4 im Ring Z sind −4, −2, −1, 1, 2 und 4.
(b) In jedem Integritätsring R ist jedes b ∈ R ein Teiler von 0, denn 0 = b · 0. Die Teiler von 1
dagegen sind nach Definition genau die Einheiten von R.
(c) Das Polynom 2t ist im Integritätsring Q[t] ein Teiler von t 2 (denn t 2 = 2t · 21 t), nicht jedoch
in Z[t].
Bemerkung 10.10. Es seien R ein Integritätsring und a, b, c ∈ R.
(a) Gilt c | b und b | a, also b = dc und a = be für d, e ∈ R, so ist auch a = dec, also c | a. Die
Teilbarkeitsrelation ist damit transitiv im Sinne von Definition 5.1 (b). Man schreibt statt
c | b und b | a daher oft auch direkt hintereinander c | b | a.
(b) Gilt c | a und c | b, also a = dc und b = ec für d, e ∈ R, so ist auch a + b = (d + e)c und damit
c | a + b.
Der Begriff der Teilbarkeit hängt sehr eng mit dem des Ideals aus Kapitel 8 zusammen, wie das
folgende Lemma zeigt.
Lemma 10.11 (Teilbarkeit und Ideale). Es seien R ein Integritätsring und a, b ∈ R. Wie in Beispiel
8.8 (a) bezeichne h a i bzw. h b i das von a bzw. b erzeugte Ideal in R. Dann gilt:
(a) b | a ⇔ h a i ⊂ h b i.
(b) b | a und a | b ⇔ h a i = h b i ⇔ es gibt ein c ∈ R∗ mit a = bc. Man sagt in diesem Fall auch,
dass a und b zueinander assoziiert sind bzw. sich nur um eine Einheit unterscheiden.
Beweis.
(a) Nach Beispiel 8.8 (a) ist h a i = {ax : x ∈ R}. Damit folgt:
„⇒“: Ist b | a, so gibt es ein c ∈ R mit a = bc. Damit ist a ∈ h b i, nach Lemma 8.6 (b) also
auch h a i ⊂ h b i.
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„⇐“: Es sei h a i ⊂ h b i. Insbesondere ist dann a ∈ h b i, also a = bc für ein c ∈ R. Damit gilt
b | a.
(b) Die erste Äquivalenz ergibt sich natürlich sofort aus (a). Wir zeigen noch die Äquivalenz der
ersten zur dritten Aussage.
„⇒“: Ist b | a und a | b, so gibt es c, d ∈ R mit a = bc und b = ad. Setzt man dies ineinander
ein, ergibt sich a = acd und b = bcd. Sind nun a oder b ungleich 0, so ergibt sich daraus
mit der Kürzungsregel aus Lemma 10.6 sofort cd = 1 und damit c ∈ R∗ . Andernfalls
ist a = b = 0 und die zu zeigende Aussage trivial.
„⇐“: Es sei a = bc mit c ∈ R∗ . Dann können wir auch b = ac−1 schreiben, und es folgt
sofort b | a und a | b.
Aufgabe 10.12. Man zeige:
(a) Eine natürliche Zahl ist genau dann durch 3 teilbar, wenn ihre Quersumme (also die Summe
aller ihrer Ziffern) durch 3 teilbar ist.
(b) Für a, b ∈ Z gilt 17 | a + 3b genau dann, wenn 17 | b + 6a.
Bemerkung 10.13. Wie ihr vom Fall der ganzen Zahlen Z wisst, spielt bei der Untersuchung der
Teilbarkeit vor allem der größte gemeinsame Teiler (und das kleinste gemeinsame Vielfache) von
zwei gegebenen Zahlen eine große Rolle. Wir wollen ein derartiges Konzept daher auch in allgemeinen Integritätsringen einführen. Dabei haben wir jedoch zunächst das Problem, dass wir auf einem
allgemeinen Integritätsring R keine „Ordnung“ haben, mit deren Hilfe wir sagen könnten, welchen
gemeinsamen Teiler zweier Elemente von R wir als den größten ansehen wollen.
Wir können dieses Problem dadurch lösen, dass wir „auch die Größe eines Teilers mit Hilfe der Teilbarkeit messen“. Betrachten wir z. B. die beiden ganzen Zahlen 18 und 24, so sind die gemeinsamen
Teiler von ihnen −6, −3, −2, −1, 1, 2, 3 und 6. Von diesen ist 6 natürlich die größte Zahl — aber die
6 ist auch in dem Sinne „am größten“, dass jedes andere Element dieser Liste ein Teiler davon ist. Es
ist diese zweite Eigenschaft, die wir zur Definition eines größten gemeinsamen Teilers verwenden
wollen und die so auch in jedem Integritätsring anwendbar ist.
Definition 10.14 (ggT und kgV). Es seien a, b zwei Elemente in einem Integritätsring R.
(a) Ein Element g ∈ R heißt größter gemeinsamer Teiler von a und b, wenn gilt:
(1) g | a und g | b („g ist ein gemeinsamer Teiler“);
(2) ist c ∈ R mit c | a und c | b, so gilt auch c | g („g ist der größte gemeinsame Teiler“).
Wir bezeichnen die Menge aller größten gemeinsamen Teiler von a und b mit ggT(a, b). Ist
1 ∈ ggT(a, b), so heißen a und b teilerfremd.
(b) Ein Element k ∈ R heißt kleinstes gemeinsames Vielfaches von a und b, wenn gilt:
(1) a | k und b | k („k ist ein gemeinsames Vielfaches“);
(2) ist c ∈ R mit a | c und b | c, so gilt auch k | c („k ist das kleinste gemeinsame Vielfache“).
Wir bezeichnen die Menge aller kleinsten gemeinsamen Vielfachen von a und b mit
kgV(a, b).
Beachte, dass durch unsere vielleicht etwas eigenwillig erscheinende Definition der „Größe“ eines
Teilers bzw. Vielfachen zunächst einmal überhaupt nicht klar ist, ob größte gemeinsame Teiler und
kleinste gemeinsame Vielfache überhaupt existieren, und ob sie im Fall der Existenz eindeutig sind.
Wir haben ggT(a, b) und kgV(a, b) daher vorsichtshalber erst einmal als Mengen definiert (die auch
leer sein können oder mehr als ein Element enthalten können).
In der Tat werden wir uns nun für den Rest dieses Kapitels mit dieser Existenz und Eindeutigkeit von
größten gemeinsamen Teilern beschäftigen (der Fall der kleinsten gemeinsamen Vielfachen wird sich
in Aufgabe 11.12 dann relativ einfach daraus ergeben). Wir beginnen dabei mit der Eindeutigkeit,
da deren Untersuchung deutlich einfacher ist als die der Existenz.
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Andreas Gathmann
Beispiel 10.15 ((Nicht-)Eindeutigkeit des ggT). Im Ring R = Z betrachten wir die beiden Zahlen
und
4
mit den Teilern −4, −2, −1, 1, 2, 4
6
mit den Teilern −6, −3, −2, −1, 1, 2, 3, 6.
Die gemeinsamen Teiler von 4 und 6 sind also offensichtlich −2, −1, 1 und 2. Von diesen sind −2
und 2 nach Definition 10.14 (a) größte gemeinsame Teiler, denn alle diese vier Teiler von 4 und 6
sind offensichtlich auch Teiler von −2 und 2. Also ist
ggT(4, 6) = {−2, 2}.
Insbesondere ist der größte gemeinsame Teiler also nicht eindeutig. Diese Nichteindeutigkeit besteht
hier aber nur im Vorzeichen, also in der Möglichkeit, einen größten gemeinsamen Teiler noch mit der
Einheit −1 von Z zu multiplizieren. Dies ist in der Tat ein allgemeines Phänomen, wie der folgende
Satz zeigt.
Satz 10.16 ((Nicht-)Eindeutigkeit des ggT). Es sei R ein Integritätsring und g ein größter gemeinsamer Teiler zweier Elemente a, b ∈ R. Dann ist ggT(a, b) = R∗ g = {cg : c ∈ R∗ }.
Ein größter gemeinsamer Teiler zweier Elemente in einem Integritätsring ist also stets eindeutig bis
auf Multiplikation mit Einheiten.
Beweis.
„⊂“: Es sei g0 ∈ ggT(a, b). Damit sind g und g0 größte gemeinsame Teiler von a und b. Wenden
wir Teil (1) von Definition 10.14 (a) auf g0 an, so sehen wir also, dass g0 | a und g0 | b. Damit
können wir dann Teil (2) mit c = g0 anwenden und erhalten g0 | g. Durch Vertauschen der
Rollen von g und g0 ergibt sich genauso g | g0 . Nach Lemma 10.11 (b) folgt damit g0 = cg für
ein c ∈ R∗ .
„⊃“: Es sei g0 = cg für ein c ∈ R∗ . Dann folgt g | g0 und g0 | g nach Lemma 10.11 (b). Unter Benutzung der Transitivität der Teilbarkeitsrelation aus Bemerkung 10.10 (a) erfüllt daher mit
g auch g0 die beiden Eigenschaften aus Definition 10.14 (a):
(1) es gilt g0 | g | a und g0 | g | b;
(2) ist d ∈ R mit d | a und d | b, so folgt d | g | g0 .
Also ist auch g0 ein größter gemeinsamer Teiler von a und b.
Bemerkung 10.17. Der Beweis von Satz 10.16 lässt sich durch „Umkehren der Teilbarkeitsrelationen“ ganz analog auch für den Fall des kleinsten gemeinsamen Vielfachen führen.
Nach der Eindeutigkeit kommen wir nun zur Existenz eines größten gemeinsamen Teilers. Mit der
Vorstellung des Ringes Z im Hintergrund würden wir wahrscheinlich erwarten, dass zwei Elemente
stets einen größten gemeinsamen Teiler besitzen. Leider ist dies im Allgemeinen jedoch nicht der
Fall, wie die folgende Aufgabe zeigt.
√
Aufgabe 10.18 ((Nicht-)Existenz des ggT). Wir betrachten noch einmal den Ring R = Z[ 5 i] wie
in Aufgabe 7.24.
√
√
(a) Bestimme alle Teiler von 2, 1 + 5 i, 2(1 + 5 i) und 6 in R.
√
(b) Zeige, dass die Elemente 2(1+ 5 i) und 6 in R keinen größten gemeinsamen Teiler besitzen.
Die Frage nach der Existenz eines größten gemeinsamen Teilers gestaltet sich also etwas schwieriger
als erwartet. Gleichzeitig wollen wir von einem größten gemeinsamen Teiler natürlich auch nicht
nur sehen, ob er existiert, sondern ihn im Fall der Existenz auch konkret berechnen können. Die
Hauptidee hierfür liegt im folgenden Lemma.
Lemma 10.19. Es seien R ein Integritätsring und a, b, q ∈ R. Dann gilt:
(a) a ∈ ggT(a, 0);
(b) ggT(a, b) = ggT(a, b + qa).
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Teilbarkeit in Ringen
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Beweis.
(a) Da jedes Element von R nach Beispiel 10.9 (b) ein Teiler von 0 ist, sind die Eigenschaften
eines größten gemeinsamen Teilers aus Definition 10.14 (a) für a trivialerweise erfüllt.
(b) Für alle c ∈ R gilt nach Bemerkung 10.10 (b)
c | a und c | b
⇒
c | a und c | b + qa
⇒
c | a und c | (b + qa) + (−qa) = b.
Damit haben a und b die gleichen gemeinsamen Teiler wie a und b + qa. Insbesondere ist
damit also ggT(a, b) = ggT(a, b + qa).
Beispiel 10.20. Unsere Strategie zur Berechnung eines größten gemeinsamen Teilers (und somit
auch zum Nachweis seiner Existenz) wird es nun sein, in Lemma 10.19 die Relation (b) mehrfach
geschickt so anzuwenden, dass wir letztlich den Fall (a) erreichen, in dem wir einen größten gemeinsamen Teiler direkt ablesen können. Wir können also jeweils zu einem der Elemente ein beliebiges
Vielfaches des anderen addieren und wollen so nach mehreren Schritten den Fall erreichen, bei dem
eines der Elemente gleich 0 ist. Möchten wir z. B. ggT(44, 10) in Z berechnen, so könnten wir mit
dem Ergebnis aus Lemma 10.19 wie folgt vorgehen:
(b)
ggT(44, 10) = ggT(44 − 4 · 10, 10) = ggT(4, 10)
(b)
= ggT(4, 10 − 2 · 4) = ggT(4, 2)
(b)
= ggT(4 − 2 · 2, 2) = ggT(0, 2)
(a)
3 2.
Natürlich ist klar, welche Strategie wir hier angewendet haben: Wir haben jeweils die größere Zahl
mit Rest durch die kleinere geteilt und konnten sie mit Hilfe von (b) dann durch den Rest dieser
Division ersetzen. Da die beteiligten Zahlen bei dieser Vorgehensweise in N bleiben und immer
kleiner werden, ist klar, dass letztlich einmal eine der Zahlen gleich Null werden und das Verfahren
somit funktionieren muss.
Die entscheidende Idee bei diesem Verfahren ist also eine Division mit Rest. Eine solche gibt es
zwar nicht in jedem Integritätsring, aber doch (wie wir sehen werden) in deutlich mehr Ringen als
nur in Z. Wir wollen die Existenz einer solchen Division mit Rest daher jetzt als Eigenschaft eines
Ringes definieren.
Definition 10.21 (Euklidische Ringe). Ein Integritätsring R heißt euklidischer Ring, wenn es eine
Abbildung δ : R\{0} → N mit der folgenden Eigenschaft gibt: Für alle a, b ∈ R mit b 6= 0 gibt es
q, r ∈ R mit a = qb + r, so dass r = 0 oder δ (r) < δ (b) ist. (Es muss also eine Division mit Rest
geben, wobei der Rest r — sofern er nicht Null ist — „gemessen mit der Funktion δ “ stets kleiner
ist als das Element, durch das man geteilt hat.)
Eine Funktion δ mit dieser Eigenschaft wird als euklidische Funktion bezeichnet.
Beispiel 10.22. Der Ring Z ist mit der Funktion δ (n) := |n| ein euklidischer Ring.
Beachte, dass die Division mit Rest im Sinne von Definition 10.21 in diesem Fall nicht eindeutig ist:
Wollen wir z. B. a = −5 mit Rest durch b = 2 teilen, so wären sowohl −5 = (−3) · 2 + 1 als auch
−5 = (−2) · 2 − 1 wegen |1| = | − 1| < |2| erlaubte Ergebnisse. Dies ist jedoch nicht weiter schlimm,
denn eine Eindeutigkeit der Division mit Rest wird im Folgenden nicht benötigt (und wurde in
Definition 10.21 ja auch nicht verlangt).
Bevor wir untersuchen, wie man mit der Idee aus Beispiel 10.20 in einem euklidischen Ring einen
größten gemeinsamen Teiler zweier Elemente berechnen kann, wollen wir zuerst noch ein sehr wichtiges Beispiel eines weiteren euklidischen Ringes kennenlernen: den Polynomring über einem beliebigen Körper. In ihm existiert mit der sogenannten Polynomdivision ebenfalls eine Division mit
Rest.
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Andreas Gathmann
Satz 10.23 (Polynomdivision). Es sei K ein Körper. Dann ist der Polynomring K[t] mit der Gradfunktion δ ( f ) := deg f ein euklidischer Ring.
Mit anderen Worten gibt es also zu je zwei Polynomen f , g ∈ K[t] mit g 6= 0 stets Polynome q, r ∈ K[t]
mit f = qg + r und deg r < deg g.
Beweis. Es seien n = deg f ∈ N ∪ {−∞} und m = deg g ∈ N. Wir zeigen den Satz mit Induktion über
n. Der Induktionsanfang ist dabei trivial, denn für n < m können wir einfach q = 0 und r = f setzen.
Es sei nun also n ≥ m. Man kann f und g dann schreiben als
f = ant n + · · · + a1t + a0
und g = bmt m + · · · + b1t + b0
mit an , bm 6= 0. Wir dividieren nun die jeweils höchsten Terme von f und g durcheinander und
erhalten
an n−m
q0 :=
t
∈ K[t]
bm
(beachte, dass wir bamn bilden können, weil K ein Körper ist, und t n−m , weil wir n ≥ m vorausgesetzt
haben). Dies wird unser erster Term im Ergebnis der Division. Subtrahieren wir nun q0 g von f , so
erhalten wir
an n−m
t
· (bmt m + · · · + b1t + b0 ).
f − q0 g = ant n + · · · + a1t + a0 −
bm
Da sich in diesem Ausdruck der Term ant n weghebt, ist deg( f − q0 g) < n. Damit können wir die
Induktionsvoraussetzung auf f − q0 g anwenden und erhalten so Polynome q00 , r ∈ K[t] mit deg r <
deg g und
f − q0 g = q00 g + r, also f = (q0 + q00 )g + r.
Setzen wir nun q = q0 + q00 , erhalten wir offensichtlich genau den gewünschten Ausdruck.
Beispiel 10.24. Der Beweis von Satz 10.23 ist konstruktiv, d. h. er gibt auch ein Verfahren an, mit
dem man die Division von f ∈ K[t] durch g ∈ K[t]\{0} konkret durchführen kann: Man muss einfach den höchsten Term von f durch den höchsten Term von g teilen, dies als ersten Teil q0 des
Ergebnisses hinschreiben, und das Verfahren dann mit f − q0 g fortsetzen — so lange, bis der Grad
dieses Polynoms kleiner ist als der von g. Wollen wir z. B. in R[t] das Polynom f = 2t 2 + 1 durch
g = t − 2 dividieren, so können wir dies wie folgt aufschreiben (wobei wir im ersten Schritt zur
Verdeutlichung die Notationen von oben noch mit an die Rechnung geschrieben haben):
q0 g
f − q0 g
(2t 2 + 1) : (t − 2) = 2t + 4
− (2t 2 − 4t)
2
= 2tt =: q0
4t + 1
− (4t − 8)
9
Das Ergebnis ist also 2t 2 + 1 = (2t + 4) · (t − 2) + 9 (d. h. q = 2t + 4 und r = 9). Zur Kontrolle der
Rechnung kann man diese Gleichheit durch Ausmultiplizieren natürlich auch direkt überprüfen.
Wir wollen nun zeigen, dass wir in einem euklidischen Ring einen größten gemeinsamen Teiler
zweier gegebener Elemente stets wie in Beispiel 10.20 konkret berechnen können. Darüber hinaus
erhalten wir aus demselben Verfahren auch noch ein anderes sehr nützliches Resultat, nämlich dass
wir einen solchen größten gemeinsamen Teiler dann immer als Linearkombination der ursprünglichen Elemente schreiben können.
Satz 10.25 (Euklidischer Algorithmus zur Bestimmung eines ggT). Es seien R ein euklidischer
Ring und a0 , a1 ∈ R zwei gegebene Elemente von R, von denen wir einen größten gemeinsamen
Teiler bestimmen wollen.
10.
Teilbarkeit in Ringen
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Wir konstruieren nun wie folgt rekursiv eine (abbrechende) Folge a0 , a1 , a2 , . . . , aN in R: Sind
a0 , . . . , an−1 ∈ R für ein n ≥ 2 bereits bestimmt und ist an−1 6= 0, so teilen wir an−2 wie in Definition 10.21 mit Rest durch an−1 und erhalten so eine Darstellung
an−2 = qn an−1 + rn
für gewisse qn , rn ∈ R. Wir setzen dann an := rn = an−2 − qn an−1 .
Für die so konstruierte Folge gilt:
(a) Das Verfahren bricht nach endlich vielen Schritten ab, d. h. es ist aN = 0 für ein N ∈ N.
(b) aN−1 ∈ ggT(a0 , a1 ). Das letzte an , das nicht Null ist, ist also ein größter gemeinsamer Teiler
von a0 und a1 .
(c) Für alle n = 0, . . . , N lässt sich an in der Form an = dn a0 + en a1 für gewisse dn , en ∈ R
schreiben (an ist also eine Linearkombination von a0 und a1 ). Insbesondere ist der größte
gemeinsame Teiler aN−1 ∈ ggT(a0 , a1 ) damit eine Linearkombination von a0 und a1 .
Beweis. Der Beweis aller dieser Aussagen ist sehr einfach und folgt im Prinzip der Idee von Beispiel
10.20:
(a) Angenommen, die Folge a0 , a1 , a2 , . . . würde nicht abbrechen, d. h. es wäre an 6= 0 für alle
n ∈ N. Nach der Definition eines euklidischen Ringes wäre dann δ (an ) = δ (rn ) < δ (an−1 )
für alle n ≥ 2. Die Zahlen δ (an ) müssten für n ≥ 2 also eine unendliche, streng monoton
fallende Folge natürlicher Zahlen bilden, was offensichtlich nicht möglich ist.
(b) Für alle n ≥ 2 gilt
ggT(an−1 , an ) = ggT(an−1 , rn )
(Definition von an )
= ggT(an−1 , an−2 − qn an−1 )
= ggT(an−2 , an−1 )
(Lemma 10.19 (b)).
Damit ist
ggT(a0 , a1 ) = ggT(a1 , a2 ) = · · · = ggT(aN−1 , aN ) = ggT(aN−1 , 0) 3 aN−1
nach Lemma 10.19 (a).
(c) Wir zeigen die Aussage mit Induktion über n; für n ∈ {0, 1} ist sie wegen a0 = 1 · a0 + 0 · a1
und a1 = 0 · a0 + 1 · a1 (also mit d0 = e1 = 1 und d1 = e0 = 0) offensichtlich richtig. Gilt nun
an−2 = dn−2 a0 + en−2 a1 und an−1 = dn−1 a0 + en−1 a1 für ein n ≥ 2, so setzen wir analog zu
an = an−2 − qn an−1 auch dn := dn−2 − qn dn−1 und en := en−2 − qn en−1 , und erhalten
an = an−2 − qn an−1
= (dn−2 a0 + en−2 a1 ) − qn (dn−1 a0 + en−1 a1 )
= dn a0 + en a1 ,
was die Behauptung zeigt.
Beispiel 10.26. Wir wollen mit dem euklidischen Algorithmus einen größten gemeinsamen Teiler
der ganzen Zahlen 11 und 9 berechnen und diesen als Linearkombination d · 11 + e · 9 mit d, e ∈ Z
schreiben.
Dazu setzen wir also a0 = 11 und a1 = 9 und berechnen wie in der linken Spalte der Tabelle unten
dargestellt die Folge an . Für n ≥ 2 entsteht an einfach dadurch, dass man von an−2 so oft wie möglich
an−1 abzieht, also den Rest der Division von an−2 durch an−1 hinschreibt. Dies ist durch die Pfeile
auf der linken Seite der Tabelle angedeutet. Die letzte Zahl ungleich Null ist hierbei a3 = 1 (im
dunkelgrauen Kästchen), d. h. 1 ist ein größter gemeinsamer Teiler von 11 und 9.
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Andreas Gathmann
an dn en
11 − 1 · 9 = 2
9−4·2 = 1
2−2·1 = 0
11
9
2
1
0
1
0
1
−4
0
1
−1
5
(1, 0) − 1 · (0, 1) = (1, −1)
(0, 1) − 4 · (1, −1) = (−4, 5)
Wollen wir diesen größten gemeinsamen Teiler 1 auch noch als Linearkombination von 11 und 9
schreiben, so müssen wir zusätzlich die rechten beiden Spalten der Tabelle ausfüllen, in denen die
Koeffizienten dn und en stehen. Wie im Beweis von Satz 10.25 (c) beginnen wir dazu mit den beiden
Zeilen (1, 0) und (0, 1), und machen in den weiteren Zeilen (wie durch die Pfeile auf der rechten
Seite der Tabelle angedeutet) exakt die gleichen Zeilenumformungen wie in der linken Spalte. Die
Zeile, in der der größte gemeinsame Teiler steht, liefert dann die gewünschte Linearkombination —
im Fall oben also 1 = −4 · 11 + 5 · 9. Man bezeichnet diese Vorgehensweise, bei der zusätzlich noch
diese Linearkombination bestimmt wird, als erweiterten euklidischen Algorithmus.
Bemerkung 10.27. Der euklidische Algorithmus besagt natürlich insbesondere, dass in euklidischen Ringen (also z. B. in Z und in dem Polynomring über einem Körper, siehe Satz 10.23) stets
ein größter gemeinsamer Teiler zweier Elemente existiert. Fassen wir also die Ergebnisse dieses Kapitels zur Existenz und Eindeutigkeit von größten gemeinsamen Teilern zusammen, so sehen wir
also:
In einem euklidischen Ring existiert zu je zwei Elementen stets ein größter gemeinsamer Teiler. Er ist bis auf Multiplikation mit Einheiten eindeutig bestimmt und kann
mit dem euklidischen Algorithmus berechnet werden.
Notation 10.28 (ggT und ggt). In den für uns wichtigsten Fällen von euklidischen Ringen können
wir die Nichteindeutigkeit des größten gemeinsamen Teilers in Bemerkung 10.27 leicht durch eine
Konvention beseitigen:
(a) Im Ring R = Z ist die Einheitengruppe Z∗ = {1, −1}. In diesem Fall besitzen zwei beliebige
ganze Zahlen m, n ∈ Z also stets einen eindeutigen nicht-negativen größten gemeinsamen
Teiler, den wir im Folgenden mit ggt(m, n) ∈ Z bezeichnen werden — im Unterschied zur
Menge ggT(m, n) = {ggt(m, n), − ggt(m, n)} ⊂ Z.
(b) Im Polynomring R = K[t] über einem Körper K ist K[t]∗ = K ∗ = K\{0} nach Lemma 10.3
(c), d. h. der größte gemeinsame Teiler zweier Polynome ist eindeutig bis auf Multiplikation
mit einer Konstanten ungleich 0. In diesem Fall existiert zu zwei Polynomen f , g ∈ K[t],
die nicht beide gleich Null sind, also stets ein eindeutiger normierter größter gemeinsamer
Teiler, den wir wieder mit ggt( f , g) ∈ K[t] bezeichnen.
Aufgabe 10.29. Bestimme Im f für den Gruppenhomomorphismus
f : Z × Z → Z, (m, n) 7→ 693m + 483n,
und gib für jedes a ∈ Im f explizit ein Urbild in f −1 ({a}) an.
Aufgabe 10.30.
(a) Berechne alle größten gemeinsamen Teiler der Polynome f = t 5 + t + 1 und g = t 4 + t 2 + 1
in Z2 [t] und stelle diese in der Form a f + bg mit a, b ∈ Z2 [t] dar.
(b) Die reelle Funktion f : R → R, f (x) = x4 +2x3 −x2 −2x+2 besitzt an einer Stelle x0 > 0 ein
lokales Minimum mit Funktionswert f (x0 ) = 1. Berechne diese Stelle x0 . (Die Ergebnisse
über lokale Extrema reeller Funktionen aus den Grundlagen der Mathematik dürfen hierbei
natürlich verwendet werden. Gesucht ist die exakte Lösung und nicht eine Näherung!)
10.
Teilbarkeit in Ringen
77
Aufgabe 10.31. Zeige, dass der Ring Z[i] = {a + b i : a, b ∈ Z} (siehe Aufgabe 7.24 (a)) mit der
Funktion δ (z) := |z|2 ein euklidischer Ring ist.
√
Ist Z[ 5 i] ebenfalls ein euklidischer Ring?
Aufgabe 10.32. Zeige, dass für alle q, m, n ∈ N>0 mit q 6= 1 gilt, dass
ggt(qm − 1, qn − 1) = qggt(m,n) − 1.
Bemerkung 10.33. Nach dem (erweiterten) euklidischen Algorithmus aus Satz 10.25 lässt sich von
zwei Elementen a, b eines euklidischen Ringes R stets ein größter gemeinsamer Teiler g bestimmen
und als Linearkombination g = d · a + e · b der Ausgangselemente mit d, e ∈ R schreiben. Beachte,
dass sich dann auch jeder größte gemeinsame Teiler von a und b als derartige Linearkombination
schreiben lässt: Jeder solche größte gemeinsame Teiler ist ja nach Satz 10.16 von der Form cg für
ein c ∈ R∗ und kann damit natürlich als cg = cd · a + ce · b geschrieben werden.
Eine sehr wichtige Anwendung des euklidischen Algorithmus ist, dass wir mit seiner Hilfe multiplikative Inverse in den Ringen Zn konkret berechnen können. Bisher hatten wir hierzu ja nur in Satz
7.13 gesehen, dass in Zn für eine Primzahl n jedes Element ungleich 0 ein multiplikatives Inverses
besitzt — wir wussten aber noch nicht, wie wir dieses ohne Ausprobieren bestimmen können.
Folgerung 10.34 (Inversenberechnung in Zn ). Es sei n ∈ N>1 und k ∈ Z. Dann gilt
k ∈ Z∗n
⇔
ggt(k, n) = 1.
Schreiben wir in diesem Fall mit dem erweiterten euklidischen Algorithmus 1 = dk + en gemäß
−1
Bemerkung 10.33, so ist außerdem k = d in Z∗n .
Beweis.
„⇒“ Ist k eine Einheit in Zn , so gibt es ein d ∈ Z mit d · k = 1. Es ist also 1 − dk ∈ nZ und damit
dk + en = 1 für ein e ∈ Z. Ist nun c ein gemeinsamer Teiler von k und n, so teilt c nach
Bemerkung 10.10 (b) damit auch die Zahl dk + en = 1 und muss also gleich 1 oder −1 sein.
Der (positive) größte gemeinsame Teiler von k und n ist also gleich 1.
„⇐“ Ist ggt(k, n) = 1, so können wir (nach Bemerkung 10.33) dk + en = 1 für gewisse d, e ∈ Z
schreiben. Durch Übergang zu den Restklassen in Zn erhalten wir daraus 1 = d k +e n, wegen
−1
n = 0 also d k = 1 und damit k = d.
Beispiel 10.35. Aus der Gleichung 1 = −4 · 11 + 5 · 9 von Beispiel 10.26 erhalten wir sofort 5
in Z11 .
−1
=9
Zum Abschluss dieses Kapitels wollen wir nun noch sehen, wie man mit Hilfe von größten gemeinsamen Teilern Ideale, die durch mehrere Elemente erzeugt werden, einfacher schreiben kann.
Lemma 10.36. Es seien R ein euklidischer Ring, a, b ∈ R und g ein größter gemeinsamer Teiler von
a und b. Dann ist
h a, b i = h g i.
Beweis. Wir zeigen die beiden Inklusionen der behaupteten Gleichheit separat.
„⊂“ Wegen g | a gilt h a i ⊂ h g i nach Lemma 10.11 und damit insbesondere a ∈ h g i. Genauso
folgt b ∈ h g i. Das Ideal h g i enthält also die Menge {a, b} und nach Lemma 8.6 (b) damit
auch das davon erzeugte Ideal h a, b i.
„⊃“ Nach Bemerkung 10.33 können wir g = da + eb für gewisse d, e ∈ R schreiben. Also ist
g ∈ h a, b i nach Definition 8.5 und damit auch h g i ⊂ h a, b i nach Lemma 8.6 (b).
Bemerkung 10.37. Die Aussage von Lemma 10.36 lässt sich leicht verallgemeinern: Ist R ein euklidischer Ring und sind a1 , . . . , an ∈ R sowie g ∈ ggT(a1 , a2 ), so gilt
h a1 , a2 , a3 , . . . , an i = h g, a3 , . . . , an i
12
78
Andreas Gathmann
mit dem gleichen Beweis wie in Lemma 10.36. Ist R ein euklidischer Ring, in dem nach Satz 10.25
ja zu zwei beliebigen Elementen stets ein größter gemeinsamer Teiler existiert, so kann man dieses
Verfahren also rekursiv anwenden und jedes Ideal, das von endlich vielen Elementen erzeugt wird,
auch als von einem Element erzeugt schreiben: Man muss nur fortlaufend zwei Erzeuger durch einen
größten gemeinsamen Teiler von ihnen ersetzt.
Ideale, die von nur einem Element erzeugt werden können, haben nach Beispiel 8.8 (a) natürlich eine
sehr einfache Darstellung: Sie bestehen gerade aus den Vielfachen dieses einen Elementes. Derartige
Ideale haben daher einen besonderen Namen.
Definition 10.38 (Hauptideale). Es sei R ein Integritätsring.
(a) Ein Ideal der Form h a i für ein a ∈ R (also eines, das von nur einem Element erzeugt werden
kann) nennt man ein Hauptideal.
(b) Man bezeichnet R als einen Hauptidealring, wenn jedes Ideal in R ein Hauptideal ist.
Nach Bemerkung 10.37 ist in einem euklidischen Ring R also jedes Ideal, das von endlich vielen
Elementen erzeugt werden kann, ein Hauptideal. Beachte, dass dies noch nicht besagt, dass R auch
ein Hauptidealring ist, da ein Ideal ja nicht notwendig von endlich vielen Elementen erzeugt werden
muss. Dennoch ist diese Aussage richtig — wir benötigen nur einen anderen Beweis dafür:
Satz 10.39. Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring.
Beweis. Es sei I ein Ideal in einem euklidischen Ring R. Ist I = {0}, so sind wir offensichtlich fertig,
denn dann ist ja I = h 0 i. Andernfalls wählen wir ein Element g ∈ I\{0}, für das die euklidische
Funktion δ minimal ist — ein solches Element existiert in jedem Fall, da δ ja nur natürliche Zahlen
als Werte annimmt und jede nicht-leere Menge natürlicher Zahlen ein Minimum besitzt.
Wir behaupten nun, dass I = h g i gilt und I somit ein Hauptideal ist. Die Inklusion I ⊃ h g i ist dabei
wegen g ∈ I klar nach Lemma 8.6 (b). Für die umgekehrte Inklusion I ⊂ h g i sei a ∈ I beliebig. Wir
dividieren a gemäß Definition 10.21 mit Rest durch g und erhalten
a = qg + r
(∗)
für gewisse q, r ∈ R mit r = 0 oder δ (r) < δ (g). Wegen a ∈ I und g ∈ I ist nun aber auch r = a−qg ∈ I
nach Definition 8.1. Da g ein Element mit minimaler euklidischer Funktion in I war, kann also nicht
δ (r) < δ (g) gelten. Damit ist notwendigerweise r = 0, und mit (∗) folgt a = qg ∈ h g i.
Beispiel 10.40. Nach Beispiel 10.22 und Satz 10.23 sind Z sowie der Polynomring K[t] über einem
Körper K euklidische Ringe, mit Satz 10.39 also Hauptidealringe. In der Tat sind dies ohne Zweifel
die beiden wichtigsten Beispiele für Hauptidealringe.
Bemerkung 10.41. Der Beweis von Satz 10.39 zeigt auch, wie man ein gegebenes Ideal I in einem
euklidischen Ring R als Hauptideal schreiben kann: Es gilt stets I = h g i für ein beliebiges g ∈ I\{0}
mit minimaler euklidischer Funktion.
Beispiel 10.42. Betrachten wir das von zwei Elementen erzeugte Ideal I = h 4, 6 i E Z, so können
wir jetzt auf zwei verschiedene Arten sehen, dass sich dieses Ideal auch einfacher als Hauptideal
schreiben lässt:
(a) Wegen ggt(4, 6) = 2 ist I = h 2 i nach Lemma 10.36.
(b) Nach Definition 8.5 ist I = {4n + 6m : n, m ∈ Z}. Offensichtlich liegt weder 1 noch −1 in I,
da jedes Element von I eine gerade Zahl ist. Andererseits ist aber 2 = 2 · 4 − 1 · 6 ∈ I. Also
ist 2 ein Element mit minimalem Betrag in I\{0}. Da der Betrag im Ring Z nach Beispiel
10.22 ja als euklidische Funktion gewählt werden kann, folgt also auch hieraus I = h 2 i mit
Bemerkung 10.41.
Aufgabe 10.43. Betrachte noch einmal die Polynome f = t 5 + t + 1 und g = t 4 + t 2 + 1 in Z2 [t] aus
Aufgabe 10.30 (a).
Liegt das Polynom t 3 + t 2 in dem von f und g erzeugten Ideal h f , g i?
10.
Teilbarkeit in Ringen
79
√
√
Aufgabe 10.44. Es sei R = Z[ 5 i] wie in den Aufgaben 7.24 und 10.18. Zeige, dass h 2, 1 + 5 i i
kein Hauptideal in R ist.
Aufgabe 10.45. Es sei R ein Integritätsring. Zeige, dass dann die folgenden drei Aussagen äquivalent
sind:
(a) R ist ein Körper.
(b) R[t] ist ein euklidischer Ring.
(c) R[t] ist ein Hauptidealring.
Aufgabe 10.46. Es sei K ein Körper. Zeige, dass jedes Ideal I E K[[t]] mit I 6= h 0 i von der Form ht n i
für ein n ∈ N ist. Insbesondere ist K[[t]] also ein Hauptidealring.
Aufgabe 10.47. Es sei I0 ⊂ I1 ⊂ I2 ⊂ · · · eine Folge von Idealen in einem Ring R, von denen jedes im
nächsten enthalten ist (man spricht in diesem Fall auch von einer aufsteigenden Kette von Idealen).
Man zeige:
(a) Die Vereinigung
S
n∈N In
aller dieser Ideale ist wieder ein Ideal in R.
(b) Ist R ein Hauptidealring, so ist die Kette von Idealen ab einem gewissen Glied konstant, d. h.
es gibt ein n0 ∈ N mit In = In0 für alle n ≥ n0 .
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