2 Grundlagen aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung

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Grundlagen aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung
In diesem Abschnitt sind die wichtigsten Konzepte der Wahrscheinlichkeitsrechnung zusammengestellt, die für die Zwecke unserer Vorlesung wichtig sind. Sie
beschränken sich der Einfachheit halber auf den Fall endlicher und abzählbar
unendlicher Wahrscheinlichkeitsräume.
Eine sehr gute Einführung in die Thematik ndet sich im Buch Probability
and Computing Randomized Algorithms and Probabilistic Analysis von M.
Mitzenmacher und E. Upfal.
2.1 Grundbegrie, Beispiele
Denition 2.1.1 Ein Wahrscheinlichkeitsraum (W-Raum ) ist ein
(Ω, p), wo Ω eine endliche oderPabzählbar unendliche Menge und
p : Ω → [0, 1] eine Funktion ist, mit
p(ω) = 1. Wir schreiben oft pω
Paar
ω∈Ω
statt
p(ω).
Eine solche Funktion
p : Ω → [0, 1]
heiÿt auch Verteilung
oder Wahrscheinlichkeitsverteilung.
Bemerkung 2.1.2 Man weiÿ, dass in der Situation der Denition für jedes
Ω
A⊆
P
pω absolut (d. h. ohne Rücksicht auf die Summationsreihenfolge)
ω∈A
konvergiert, also einen wohldenierten Wert hat.
die Reihe
Ein Wahrscheinlichkeitsraum ist eine mathematisch exakte Formulierung für das
(informale, intuitive) Konzept eines Zufallsexperiments : Es wird zufällig ein
Ω ausgewählt; dabei ist die Wahrscheinlichkeit, gerade ω zu erhalpω gegeben. Man teste diese intuitive Auf fassung an den folgenden
Element aus
ten, durch
Beispielen.
Beispiele 2.1.3 (a) Zur Modellierung des Zufallsexperiments, einen fairen Würfel einmal zu werfen, benutzt man den Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, p) mit Ω =
{1, . . . , 6} und p(ω) = 61 für jedes ω ∈ {1, . . . , 6}.
Bei einer fairen Münze wird man (mit 0 für Kopf und 1 für Zahl) den
1
W-Raum Ω = {0, 1} und p(ω) =
verwenden. Ist die Münze gefälscht, könnte
2
man z. B. p(0) = 0,55 und p(1) = 0,45 setzen.
(b) Zur Modellierung des Zufallsexperiments, zwei Würfel zu werfen und die
Summe der Augenzahlen als Resultat zu nehmen, wird man etwa
1
Ω = {2, . . . , 12}
1
2
6
1
, p(3) =
, . . ., p(7) =
, . . ., p(12) =
wählen. Man beachte,
36
36
36
36
dass hier die Wahrscheinlichkeiten unterschiedlich sind.
und
(c)
p(2) =
U 6= ∅
sei eine endliche Menge. Wir modellieren das Zufallsexperiment, ein
U zu wählen, wobei jedes Element die gleichen Chancen haben soll,
Ω = U und pω = |U1 | , für alle ω ∈ Ω. Man spricht von der uniformen
Verteilung auf U . Gewöhnlich ist implizit diese Verteilung gemeint, wenn über
Element aus
wie folgt:
die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Elemente gar nichts gesagt wird oder wenn
die Formulierung wähle zufällig ein Element aus
U
benutzt wird.
(d) Wir wollen wiederholt mit einem Würfel würfeln und warten, bis die erste
5 i−1 1
· 6 als die Wahr6 erscheint. Dazu setzen wir Ω = {1, 2, 3, . . .} und pi = ( )
6
scheinlichkeit, dass beim i-ten Versuch zum ersten Mal eine 6 gewürfelt wird.
Man sieht, mit der Summenformel für geometrische Reihen:
P
i≥1
pi =
1
6
·
5 i−1
i≥1 ( 6 )
P
=
1
6
·
1
1− 56
= 1.
Damit haben wir tatsächlich einen Wahrscheinlichkeitsraum deniert.
(e) Es sei
U 6= ∅
eine endliche Menge und
n ≥ 1.
Der W-Raum
(Ω, p)
mit
Ω = U n = {(a1 , . . . , an ) | a1 , . . . , an ∈ U }
1
, ω ∈ Ω, das ist also die uniforme Verteilung auf
|U |n
Zufallsexperiment, bei dem eine Folge von n Elementen aus
und
pω =
wird, bzw.
n-mal
hintereinander ein Element aus
U
U n , entspricht dem
U zufällig gewählt
zufällig gewählt wird.
U 6= ∅ endlich, 1 ≤ n ≤ |U |. Die Menge Ω = {A ⊆ U | |A| = n} mit der
|U | −1
Verteilung, die durch pω =
für alle ω ∈ Ω gegeben ist, deniert einen Wn
Raum, der das Zufallsexperiment Wähle eine zufällige n-elementige Teilmenge
von U modelliert.
(f ) Es sei
(g) Für die Durchschnittsanalyse von Sortierverfahren, die
angeordneten Universum
n
Schlüssel aus dem
(U, <) sortieren, ist die folgende Verteilung zentral. Für
Sortierverfahren, die auf Schlüsseln nur Vergleiche und keine anderen Operationen durchführen, ist der Ablauf des Verfahrens im wesentlichen durch den Ordn
nungstyp der Eingabe (a1 , . . . , an ) ∈ U bestimmt, das ist die Permutation π von
{1, . . . , n}
mit
aπ(1) < · · · < aπ(n) .
Diese ist eindeutig bestimmt, wenn
a1 , . . . , a n
verschieden sind. Daher betrachten wir
Ω = {π | π
Permutation von
p(π) = 1/|Ω| = 1/n! gegebenen Verteilung. Dieser Raum entspricht
Experiment, für n beliebig vorgegebene Elemente von U die Anordnung
mit der durch
dem
{1, . . . , n}},
zufällig zu wählen.
2
(h) Beim Hashing betrachtet man n Schlüssel x1 , . . . , xn und n Funktionswerte
h(x1 ), . . . , h(xn ) ∈ {0, 1, . . . , m − 1}. Man macht verschiedene Wahrscheinlichkeitsannahmen, die zu verschiedenen Wahrscheinlichkeitsräumen führen. Wenn
man etwa die Uniformitätsannahme für eine Hashfunktion macht, meint man
damit, dass der Hashwert eines jeden Schlüssels unabhängig von den anderen
jeden Wert in
{0, 1, . . . , m − 1}
mit derselben Wahrscheinlichkeit annimmt. Der
zugehörige Wahrscheinlichkeitsraum ist
Ω = {0, 1, . . . , m − 1}n = {(v1 , . . . , vn ) | v1 , . . . , vn ∈ {0, 1, . . . , m − 1}}
mit der durch
p((v1 , . . . , vn )) =
1
mn
denierten Verteilung.
(Dies
ist
derselbe
U = {0, 1, . . . , m − 1}
Wahrscheinlichkeitsraum
wie
der
in
(e),
wenn
man
setzt.)
Denition 2.1.4 Ein Ereignis ist eine Menge
Die Wahrscheinlichkeit (W.) von
A
A ⊆ ΩP
.
:=
pω .
ist Pr(A)
ω∈A
ω ∈Ω
A = {ω ∈ Ω | ϕ(ω)} ein Ereignis. Oft
schreibt man hierfür kurz {ϕ}. Die Wahrscheinlichkeit Pr(A) wird dann als Pr(ϕ)
Notation: Ist
ϕ
eine Eigenschaft oder (synonym) eine Aussage, die für
gelten oder nicht gelten kann, so ist
abgekürzt.
In den folgenden Beispielen sieht man, dass der intuitive Name Ereignis und
die abkürzende Schreibweise für durch Aussagen gegebene Ereignisse und ihre
Wahrscheinlichkeiten recht gut passt. Man beachte, dass in der Notation der WRaum immer unterdrückt wird.
Beispiel 2.1.5 (a) In Beispiel 2.1.3 (b) ist
A = {ω ∈ Ω | ω ≥ 6} = {Augensumme ≥ 6}
ein Ereignis, das die Situation modelliert, dass die Summe der Augen mindestens
26
.
6 beträgt. Man schreibt Pr(Augensumme ≥ 6) für Pr(A). Es gilt Pr(A) =
36
(b) In Beispiel 2.1.3 (h) ist
A = {(v1 , . . . , vn ) | v1 = v2 = v3 }
ein Ereignis, das man auch
Pr(A)
{h(x1 ) = h(x2 ) = h(x3 )}
schreiben kann. Es gilt
= Pr(h(x1 ) = h(x2 ) = h(x3 )) = |A|/mn = mn−2 /mn = 1/m2 .
3
Beachte allgemein :
(Ω, p) die Gleichverteilung (oder uniforme Verteilung )
1/|Ω| für alle ω ∈ Ω, so ist Pr(A) = |A|/|Ω|.
Ist
auf
Ω,
d. h.
pω =
Fakt 2.1.6
(a)
Pr(∅)
(b) Sind
= 0,
Pr(Ω)
A1 , . . . , An
= 1,
Pr({ω})
= pω ,
Pr(Ω − A)
= 1 − Pr(A).
disjunkte Ereignisse, so ist
Pr(A1
X
∪ · · · ∪ An ) =
Pr(Ai ).
1≤i≤n
(c) Sind
A1 , . . . , An
beliebige Ereignisse, so ist
Pr(A1
X
∪ · · · ∪ An ) ≤
Pr(Ai ).
1≤i≤n
(Vereinigungs-Schranke oder englisch
(d) Ist
A1 ⊆ A2 ,
so ist
Pr(A1 )
union bound .)
≤ Pr(A2 ).
Formel 2.1.6(d) wird oft folgendermaÿen benutzt: Wenn aus der Aussage
die Aussage
ψ(ω)
folgt, dann gilt Pr(ϕ)
ϕ(ω)
≤ Pr(ψ).
Die Aussagen von Fakt 2.1.6 sind leicht mittels Def. 2.1.4 nachzukontrollieren.
Beispiel 2.1.7 In Beispiel 2.1.3 (h) ist für jedes
Pr(∃i
∈ {1, . . . , n} : h(xi ) = v) ≤
X
1≤i≤n
v ∈ {0, 1, . . . m − 1}
Pr(h(xi )
= v) = n ·
1
.
m
(Übung : Man mache die hier benutzten Ereignisse explizit und benenne die Regeln, die angewendet werden.)
4
2.2 Zufallvariablen und Erwartungswerte
Denition 2.2.1 Ist
R
R
eine Menge, so heiÿt eine Funktion
eine Zufallsfunktion. Ist
solches
X
R
numerisch (also
eine Zufallsvariable (ZV ), im Fall
X: Ω →
R ⊆ R), so heiÿt ein
R ⊆ Rk für ein k ≥ 1
auch ein Zufallsvektor.
Die Idee dabei ist natürlich, dass man ein
der Verteilung
p : Ω → [0, 1]),
ω ∈Ω
zufällig wählt (gesteuert von
und dass dadurch auch ein zufälliger Wert
X(ω)
festgelegt wird.
0
Zur Schreibweise: Soweit möglich, schreibt man X statt X(ω). Beispiel: Ist R ⊆
R, betrachtet man das Ereignis {X ∈ R0 } = {ω | X(ω) ∈ R0 }, und die Wahr0
scheinlichkeit Pr(X ∈ R ), usw.
Beispiel 2.2.2 Betrachte wieder Beispiel 2.1.3 (h). (ω
(a) Für
1≤i≤n
(b) Für
0≤v<m
ist die Funktion
ω 7→ vi = h(xi )
ist die Funktion
= (v1 , . . . , vn ).)
eine Zufallsvariable.
ω 7→ Bv = {i | vi = v} = {i | h(xi ) = v}
eine Zufallsfunktion (der Wert ist eine zufällige Menge oder Zufallsmen-
xi entspricht, die von h auf den Wert v abgebildet
werden); die Funktion bv : ω 7→ |Bv | der Anzahl dieser Schlüssel ist eine ZV.
ge, die den Schlüsseln
Jede Zufallsvariable
X
induziert einen neuen Wahrscheinlichkeitsraum, wie folgt:
Ω0 := X[Ω] = {X(ω) | ω ∈ Ω}; p0 (α) := Pr(X = α)
Die Verteilung
p0
heiÿt die
Verteilung von
X.
für
α ∈ Ω0 .
(1)
Wenn es bequem ist, kann man
auch eine (endliche oder abzählbare) Obermenge von
X[Ω]
als Grundmenge be-
nutzen.
Bemerkung 2.2.3 Für jeden Wahrscheinlichkeitsraum
einer passenden Zufallsvariablen. Man wählt einfach
0
0
auf ω abbildet, und erhält Ω = Ω und p = p.
(Ω, p) ist p Verteilung
X = idΩ , die Identität, die
ω
Beispiel 2.2.4 (a) Beim Werfen von zwei Würfeln ist folgender Wahrscheinlichkeitsraum sehr natürlich:
Ω = {1, . . . , 6}2 ; p((i, j)) =
5
1
36
für
(i, j) ∈ Ω.
Die durch
X((i, j)) := i + j
denierte Abbildung
X
ne Zufallsvariable. Die Verteilung von
X : Ω → {2, . . . , 12}
ist ei-
ist gerade die Verteilung des in Bei-
spiel 2.1.3(b) beschriebenen Wahrscheinlichkeitsraums.
(b) Beim Spiel Würfeln, bis eine
6
erscheint ist folgender Wahrscheinlichkeits-
raum sehr natürlich:
Ω = {(a1 , . . . , ai ) | i ≥ 1, a1 . . . , ai−1 ∈ {1, . . . , 5}, ai = 6};
1
p((a1 , . . . , ai )) = i .
6
Ein Elementarereignis ist hier eine Folge von Würfen mit ihren Ergebnissen, die
6 erschienen ist. Jede solche Folge hat, intuitiv gesehen,
(1/6). Die durch X((a1 , . . . , ai )) = i gegebene Zufallsva-
abbricht, sobald die erste
die Wahrscheinlichkeit
riable zählt die Anzahl dieser Versuche. Ihre Verteilung liefert den Wahrscheinlichkeitsraum aus Beispiel 2.1.3(d).
Beispiel 2.2.5 Wir führen Beispiel 2.2.2 noch etwas weiter. Die Zufallsvariable
b0 = |B0 |
induziert eine Verteilung auf
b0 [Ω] = {0, 1, . . . , n}.
Dabei ist
|{(v1 , . . . , vn ) ∈ Ω | (v1 , . . . , vn ) enthält genau i Nullen}|
.
mn
i n−i
n
(m − 1)n−i
n
1
1
=
·
=
·
· 1−
.
i
i
mn
m
m
p0 (i) =
(Dies ist eine Binomialverteilung.) Natürlich ergibt sich für jedes
von
0
E(X)
:=
X
X(ω) · pω =
ω∈Ω
wert
(3)
v ∈ [m] anstelle
dieselbe Verteilung.
Denition 2.2.6 Der Erwartungswert einer ZV
Wenn
(2)
X
X
X≥0
ist
α · Pr(X = α).
α∈X[Ω]
auch negative Werte annehmen kann, betrachten wir den Erwartungs-
E(X) von
X
Wert der Summe
P
X(ω) ·
P
|X(ω)| · pω < ∞. In diesem Fall ist der
ω∈Ω
pω von der Summationsreihenfolge unabhängig.
nur dann, wenn
ω∈Ω
Die zweite Darstellung des Erwartungswertes in Denition 2.2.6 lässt sich leicht
durch Umstellen von Summen bzw. Reihen beweisen, was hier kein Problem ist,
weil alle Reihen absolut konvergieren. Man kann die zweite Darstellung auch
so auf fassen: Man betrachtet die Verteilung von
6
X,
die jeder Zahl
α ∈ X[Ω]
p0 (α)
eine Wahrscheinlichkeit
zuordnet, und bildet den Mittelwert dieser Zahlen,
gewichtet mit diesen Wahrscheinlichkeiten.
Fakt 2.2.7 Ist
X: Ω → N
eine Zufallsvariable, so gilt:
E(X)
=
∞
X
Pr(X
≥ i).
i=1
Beweis : Setze
pi = Pr(X = i), qj = Pr(X ≥ j).
Dann gilt:
qj =
X
pi ,
also
i≥j
E(X)
=
X
i · pi =
X
i≥0
i · pi =
i≥1
X X
pi =
i≥1 1≤j≤i
Fakt 2.2.8 Für beliebige Zufallsvariable
XX
pi =
j≥1 i≥j
X
qj .
j≥1
X, Y, X1 , . . . , Xn gilt (unter der
Voraussetzung, dass alle Erwartungswerte deniert sind):
(a)
X≤Y
(b)
E(αX
(c)
E(X1
(d. h.
∀ω ∈ Ω: X(ω) ≤ Y (ω))
⇒
E(X)
≤ E(Y ).
+ βY ) = αE(X) + β E(Y ).
+ · · · + Xn ) = E(X1 ) + · · · + E(Xn ).
(Linearität des Erwartungswertes )
X ∈ {0, 1} (d. h. ∀ω ∈ Ω: X(ω) ∈ {0, 1}),
E(X) = Pr(X = 1).
(d) Ist
so ist
Die Beweise dieser Rechenregeln sind einfache Übungsaufgaben.
Beispiel 2.2.9 Betrachte Bsp. 2.2.2 (b). Wir berechnen
E(|Bv |).
Deniere ZVen
Xvi
Klar:
|Bv | = Xv1 + · · · + Xvn .
E(|Bv |)
=
X
1≤i≤n
i
E(Xv )
=
:=
1
0
falls
hi = v
sonst.
Also gilt
X
i
Pr(Xv
= 1) =
1≤i≤n
X
1≤i≤n
7
Pr(hi
= v) =
X 1
n
= .
m
m
1≤i≤n
2.3 Varianz und Ungleichungen von Markov, Chebychev
und Jensen
Fakt 2.3.1 (Marko/Markov-Ungleichung)
Es sei
Z≥0
eine beliebige Zufallsvariable, und
t>0
sei beliebig. Dann
gilt:
Pr(Z
Beweis. Setze
At = {Z ≥ t}.
Xt :=
Z ≥ t · Xt ,
t
t
.
1
0
falls
Z≥t
sonst.
also
≥ E(t · Xt ) = t · E(Xt ) = tPr(Z ≥ t).
E(Z)
Dividieren durch
E(Z)
Betrachte die Zufallsvariable
Oenbar ist dann
≥ t) ≤
liefert die Behauptung.
Denition 2.3.2 Für eine beliebige Zufallsvariable
denieren wir die Varianz von
Var(X)
X
X
mit E(X
2
)<∞
als
:= E((X − E(X))2 ).
Man sieht sofort, dass gilt:
Var(X)
= E(X 2 −2X E(X)+E(X)2 ) = E(X 2 )−2E(X)2 +E(X)2 = E(X 2 )−E(X)2 .
Folgerung : Da Var(X) Erwartungswert von
(X − E(X))2 ≥ 0 ist, ist Var(X) ≥ 0.
Daraus folgt
E(X)2
für jede Zufallsvariable
X,
≤ E(X 2 )
(4)
deren Varianz existiert.
Wenn wir auf die Zufallsvariable
Z = (X − E(X))2 ≥ 0
anwenden, erhalten wir:
8
die Markov-Ungleichung
Fakt 2.3.3 (Chebychev/Tschebysche-Ungleichung) Es sei X eine
Zufallsvariable mit
Beweis. Setze
E(X 2 )
< ∞.
Pr(|X
− E(X)| ≥ t) ≤
Z := (X − E(X))2 .
Pr(|X
t > 0:
Dann gilt für jedes
Var(X)
t2
.
Dann gilt nach der Markov-Ungleichung:
E(Z)
− E(X)| ≥ t) = Pr(Z ≥ t2 ) ≤
t2
=
Var(X)
t2
.
Wir können die Markov-Ungleichung verallgemeinern:
X sei eine beliebige Zufallsvariable, D ⊆ R, f : D →
D = Def(f ) ⊇ X(Ω), so dass E(f (X)) existiert.
t ∈ D:
Proposition 2.3.4
R+
sei monoton mit
Dann gilt für jedes
Pr(X
≥ t) ≤
E(f (X))
f (t)
.
f (X) an,
und verwendet, dass wegen der Monotonie von f die Aussagen X ≥ t und f (X) ≥
f (t) äquivalent sind.
2
Beweis : Man wendet die Markov-Ungleichung auf die Zufallsvariable
Beispiele :
•
Sei
α>0
beliebig. Dann gilt
Pr(X
•
Sei
k≥2
≥ t) ≤
eine gerade ganze Zahl und
Pr(|X
(Hier wird 2.3.4 auf die Zufallsvariable
9
tα
t≥0
− E(X)| ≥ t) ≤
angewendet.)
E(|X|α )
.
. Dann gilt:
E((X
− E(X))k )
.
tk
Z = |X − E(X)|
und
f (x) = xk
•
Sei
X
reellwertig, sei
a > 0,
und sei
Pr(X
(Dies ist die ursprüngliche
E(eaX ) deniert. Dann gilt
≥ t) ≤
E(eaX )
eat
.
Cherno-Schranke .)
2
2
Wir haben oben gesehen, dass stets E(X) ≤ E(X ) gilt. Anstelle der Funktion
2
x 7→ x kann man jede beliebige konvexe Funktion benutzen.
Denition 2.3.5
D ⊆ R
sei ein Intervall. Eine Funktion
heiÿt konvex, wenn für alle x, y ∈ D und
f ((1 − λ)x + λy) ≤ (1 − λ)f (x) + λf (y).
Sie heiÿt konkav, wenn −f konvex ist.
jedes
λ ∈ [0, 1]
f: D → R
gilt:
Grob gesprochen ist eine Funktion konvex, wenn an jeder Stelle der Graph der
Funktion unter jeder Sekante dieses Funktionsgraphen verläuft. Aus der Schule
oder aus der Analysis weiÿ man, dass für die Konvexität hinreichend ist, dass
f 00 (x) in D (bzw. im Inneren von D) existiert und positiv ist.
Beispiele :
(i) Die Funktion
f : x 7→ x2
für jede natürliche Zahl
(ii) Wenn
α ∈ R, α > 1,
ist konvex in
Allgemeiner gilt dies für
x 7→ x2d ,
d > 0.
dann ist die Funktion
α ∈ R, 0 < α < 1,
(iii) Wenn
R.
fα : x 7→ xα
dann ist die Funktion
konvex in
fα : x 7→ xα
[0, ∞).
konkav in
[0, ∞).
−α
dann ist die Funktion gα : x 7→ x
konvex in (0, ∞).
0
α+1
00
α+2
(Dierenziere zweimal: gα (x) = −α/x
, und: gα (x) = −α(−(α+1))/x
.
Dies ist immer positiv.)
(iv) Wenn
α ∈ R, α > 0,
(v) Die Funktion
h : x 7→ x ln x ist konvex in [0, ∞).
h0 (x) = ln x + 1, und h00 (x) = x−1 > 0.)
(Dierenziere zweimal:
(vi) Für
t∈R
ist die Funktion
k : x 7→ etx
10
konvex in
R.
Proposition 2.3.6 (Jensensche Ungleichung, allgemeine Form)
X eine reellwertige Zufallsvariable und f eine Funktion mit
D = Def(f ) ⊇ X(Ω). Wenn E(X) und E(f (X)) deniert sind, dann
Es sei
gilt :
(a) Wenn
f
konvex ist :
f (E(X)) ≤ E(f (X)).
(b) Wenn
f
konkav ist :
f (E(X)) ≥ E(f (X)).
Beispiele : Unter der Voraussetzung, dass jeweils die Erwartungswerte deniert
sind, gilt:
(i)
E(X)2d
(ii) Für
≤ E(X 2d ).
α>1
und
X≥0
X≥0
(iii) Für
0<α<1
und
(iv) Für
α>0
und
X>0
(v) Für
X≥0
gilt
(vi) Für
t∈R
gilt
gilt:
gilt
E(X)α
gilt:
≤ E(X α ).
E(X)α
E(X)−α
E(X) ln(E(X))
≥ E(X α ).
≤ E(X −α ).
≤ E(X ln X).
etE(X) ≤ E(etX ).
Beweis der Jensenschen Ungleichung: Wir beweisen nur (a). ((b) folgt durch Multiplikation der Ungleichung mit
−1.)
Setze
x0 :=
E(X). Dann ist
x0 ∈
Def(f ).
Nach einer Grundeigenschaft von konvexen Funktionen, die man in der Analysis
beweist, hat der Graph von
f
im Punkt
(x0 , f (x0 )) eine untere Stützgerade, das
ist eine Gerade, die durch den Punkt verläuft und stets unterhalb des Funktionsgraphen bleibt. Das heiÿt: Es gibt ein
α∈R
(die Steigung der Stützgeraden)
derart dass
f (x0 ) + α(x − x0 ) ≤ f (x)
(Wenn
f
dierenzierbar ist, wählt man
, für alle
α = f 0 (x0 ).)
x ∈ Def(f )
.
Daraus folgt, mit der Linea-
rität und der Monotonie des Erwartungswertes:
f (x0 ) + α(E(X) − x0 ) ≤ E(f (X)).
Nach der Wahl von
x0
folgt die behauptete Ungleichung.
2
Die Jensensche Ungleichung ist eine recht allgemeine Konvexitätsaussage. Um
ihre Kraft zu demonstrieren, beweisen wir kurz die Ungleichung zwischen dem
arithmetischen und dem geometrischen Mittel:
11
Proposition 2.3.7 (Arithmetisches versus geometrisches Mittel)
Für
a1 , . . . , a n ≥ 0
gilt :
a1 + · · · + an
≥ (a1 · · · an )1/n .
n
Allgemeiner : Wenn zudem
p1 , . . . , pn ≥ 0 sind mit p1 +· · ·+pn = 1, dann
gilt :
p1 a1 + · · · + pn an ≥ ap11 · · · apnn .
ai strikt positiv sind. Dann bea1 , . . . , an mit Wahrscheinlichkeiten p1 , . . . , pn annimmt, sowie die konkave Funktion f (t) = ln t (mit Def(f ) =
(0, ∞)). Nach Prop. 2.3.6(b) gilt f (E(X)) ≥ E(f (X)). Wenn man dies aus-
Beweis : Wir können o.B.d.A. annehmen, dass alle
trachten wir eine Zufallsvariable
X,
die die Werte
schreibt und die Logarithmus-Rechenregeln anwendet, ergibt sich
ln(p1 a1 + · · · + pn an ) ≥ p1 ln(a1 ) + · · · + pn ln(an ) = ln(ap11 · · · apnn ).
Die Monotonie der Logarithmusfunktion liefert die Behauptung.
12
2
2.4 Bedingte Wahrscheinlichkeiten, bedingte Erwartungswerte
Denition 2.4.1 Ist
A⊆Ω
Pr(B
ein Ereignis mit Pr(A)
| A) :=
Pr(A ∩ B)
Pr(A)
> 0,
,
und nennen dies die bedingte Wahrscheinlichkeit von
Bedingung
A),
für beliebige Ereignisse
Es ist leicht zu sehen, dass
Ω
setzen wir
B
(unter der
B.
mit der durch
Pr( ·
| A)
denierten Verteilung
A
ebenfalls ein Wahrscheinlichkeitsraum ist. (Elementarwahrscheinlichkeiten: pω =
/ A.) Auch in diesem Wahrscheinlichkeitspω /Pr(A) für ω ∈ A und pA
ω = 0 für ω ∈
raum lassen sich Erwartungswerte von Zufallsvariablen
E(X | A)).
X
bilden (geschrieben
Man sieht leicht:
Pr(A
| A) = Pr(Ω | A) = 1;
E(X
| A) =
X
1
pω X(ω).
·
Pr(A)
ω∈A
Fakt 2.4.2 Basisformel für bedingte Wahrscheinlichkeiten:
Pr(A ∩ B)
Im Fall
Pr(A)
=0
ist
Pr(B
| A)
= Pr(A)Pr(B | A).
nicht deniert. Solange man bedingte Wahr-
scheinlichkeiten nur über diese Basisformel benutzt, kann man so tun, als ob
Pr(B
| A)
irgendeinen Wert hätte. Die Formel kann man auf den Durchschnitt
mehrerer Ereignisse verallgemeinern:
Pr(A1 ∩· · ·∩An )
= Pr(A1 )Pr(A2 |A1 )Pr(A3 |A1 ∩A2 ) · · · Pr(An |A1 ∩· · ·∩An−1 ).
13
2.5 Unabhängigkeit bei Ereignissen und Zufallsvariablen
Denition 2.5.1
(a)
Ereignisse
A
und
Pr(A ∩ B) = Pr(A)Pr(B).
(b)
Ereignisse
A1 , . . . , A n
B
unabhängig,
heiÿen
falls
heiÿen unabhängig, falls
!
Pr
\
Ai ∩
i∈I
für beliebige
\
(Ω − Ai )
=
i∈J
Y
Pr(Ai ) ·
i∈I
Y
(1 − Pr(Ai )),
i∈J
I, J ⊆ {1, . . . , n}, I ∩ J = ∅.
Beispiel 2.5.2 (a) In Bsp. 2.1.3 (h) sind die Ereignisse
unabhängig, für beliebige
v10 , . . . , vn0 ∈ {0, . . . , m − 1}
(b) In Bsp. 2.1.3 (h) sind die Ereignisse
{v1 = v10 }, . . . , {vn = vn0 }
fest.
{v1 6= 0}, . . . , {vn 6= 0}
Denition 2.5.3 Zufallsfunktionen
unabhängig.
Xi : Ω → Ri , 1 ≤ i ≤ n, heiRi0 ⊆ Ri die Ereignisse {X1 ∈
ÿen unabhängig, wenn für beliebige
R10 }, . . . , {Xn ∈ Rn0 } unabhängig sind. (Dies gilt genau dann, wenn
Pr(Xi
∈ Ri0
für
1 ≤ i ≤ n) =
Y
Pr(Xi
∈ Ri0 )
1≤i≤n
für beliebige
Ri0 ⊆ Ri .)
gi : Ri → Si beliebig,
1 ≤ i ≤ n, dann sind die Zufallsfunktionen g1 ◦ X1 , . . . , gn ◦ Xn unabhän-
Fakt 2.5.4 Sind
X1 , . . . , X n
unabhängig und sind
gig.
(Ωi , pi ), 1 ≤ i ≤ n, W-Räume, so wird durch (Ω, p) mit Ω :=
Ω1 × · · · × Ωn , p := p1 × · · · × pn , wo p(ω1 , . . . , ωn ) = p1 (ω1 ) · . . . · pn (ωn ), für
ω = (ω1 , . . . , ωn ) ∈ Ω, ein neuer W-Raum (der Produktraum) deniert. In Ω
sind die n Projektionsfunktionen Xi : ω = (ω1 , . . . , ωn ) 7→ ωi ∈ Ωi unabhängig;
nach Fakt 2.5.4 ist also jede Folge Y1 , . . . , Yn von Zufallsfunktionen, wo Yi = gi ◦Xi
Fakt 2.5.5 Sind
14
(d. h.
Yi
hängt nur von der i-ten Komponente
ωi
ab), unabhängig. (Beispiel : Der
Wahrscheinlichkeitsraum in Beispiel 2.1.3 (h) ist ein Produktraum.)
Fakt 2.5.6 Bei Unabhängigkeit multiplizieren sich Erwartungswerte,
Varianzen addieren sich. (Erwartungswerte addieren sich immer, siehe
Fakt 2.2.8(c).)
(a) Sind
E(X1
X1 , . . . , Xn Q unabhängige
· . . . · Xn ) =
E(Xi ).
Zufallsvariable,
so
gilt
1≤i≤n
X1 ,P
. . . , Xn unabhängige
Xn ) =
Var(Xi ).
(b) Sind
Zufallsvariable, so gilt
Var(X1 +· · ·+
1≤i≤n
Beweis.
(a) Wir beweisen die Aussage für zwei Zufallsvariable
X
und
Y.
Die
n Zufallsvariable ergibt sich durch vollständige Induktion.
X
E(X · Y ) =
pω X(ω)Y (ω)
Verallgemeinerung auf
ω∈Ω
=
X
X
αβ · Pr(X = α ∧ Y = β)
α∈X[Ω] β∈Y [Ω]
=
=
X
X
α∈X[Ω]
β∈Y [Ω]
X
αβ · Pr(X = α) · Pr(Y = β)
X
αPr(X = α)
β Pr(Y = β)
α∈(X)[Ω]
=
β∈(Y )[Ω]
E(X)E(Y ).
15
X = X1 + · · · + Xn .
(b) Deniere
= E((X − E(X))2 )
X
2 = E
(Xi − E(Xi ))
Var(X)
1≤i≤n
E
=
X
(Xi − E(Xi ))(Xj − E(Xj ))
1≤i,j≤n
X
=
E((Xi
− E(Xi ))(Xj − E(Xj )))
1≤i,j≤n
X
=
E((Xi
1≤i≤n
X
=
=
E((Xi
X
− E(Xi ))2 ) +
(Xi − E(Xi ))(Xj − E(Xj ))
E
(Xi − E(Xi ))(Xj − E(Xj ))
1≤i6=j≤n
X
Var(Xi ) +
1≤i≤n
wobei die
E
1≤i6=j≤n
1≤i≤n
X
X
− E(Xi ))2 ) +
cov(Xi , Xj ),
1≤i6=j≤n
Kovarianz cov(Y, Z) von Y und Z als cov(Y, Z)
= E((Y − E(Y ))(Z −
E(Z))) deniert ist. Um die behauptete Gleichung zu beweisen, genügt es zu
zeigen, dass
cov(Y, Z)
= 0
gilt, falls
Y
und
Z
unabhängig sind. Wir rechnen,
unter Benutzung von Linearität des Erwartungswertes und von Teil (a):
cov(Y, Z)
= E(Y Z)−E(Y E(Z))−E(E(Y )Z)+E(E(Y )E(Z)) = E(Y Z)−E(Y )E(Z) = 0.
Damit ist auch Teil (b) bewiesen.
Bemerkung : Für den Beweis von Teil (b) haben wir nicht die volle Unabhängigkeit
eingesetzt, sondern nur die Tatsache, dass
Eigenschaft nennt man
Xi , Xj
unabhängig sind für
i 6= j . Diese
paarweise Unabhängigkeit.
Xi 0-1-wertig ist, ist Xi2 = Xi , also E(Xi2 ) = E(Xi ). Damit
erhält man für X = X1 + · · · + Xn :
X
X
X
Var(X) =
Var(Xi ) =
(E(Xi2 ) − E(Xi )2 ) ≤
E(Xi ) = E(X).
Beachte noch: Wenn
1≤i≤n
(Gleichheit gilt nur, wenn alle
1≤i≤n
Xi
1≤i≤n
gleich
0
16
sind.)
2.6 Die Hoeding-Ungleichung
Satz 2.6.1 (Hoeding)
im Intervall
[0, 1].
X1 , . . . , X n
seien unabhängige Zufallsvariable mit Werten
Deniere
X := X1 + · · · + Xn ;
m := E(X) .
Dann gilt:
Pr(X
≥ m + a) ≤
Pr(X
≤ m − b) ≤
m
m+a
m+a m
m−b
m−b n−m
n − (m + a)
n−m
n − (m − b)
n−(m+a)
,
für
0≤a≤n−m;
(5)
n−(m−b)
,
für
0 ≤ b ≤ m.
(6)
Bevor wir diese Ungleichungen beweisen, wollen wir sie ein wenig diskutieren.
Die Hoeding-Ungleichung gehört zu der Familie der tail inequalities, das sind
Ungleichungen, die Schranken dafür liefern, dass Verteilungen weit auseinandergezogen sind, d. h. dafür dass Zufallsvariable Werte weit weg von ihrem Erwartungwert annehmen. Wir werden weiter unten sehen, dass die Hoeding-Schranke
relativ kräftig ist, wenn
(in
[0, 1])
m
nicht zu klein ist: Summen von vielen beschränkten
unabhängigen Zufallsvariablen sind eng um ihren Erwartungwert kon-
zentriert.
Man beachte, dass über die einzelnen
sie in
[0, 1]
Xi
nichts weiter angenommen ist als dass
eingeschlossen sind. Insbesondere können sie auch ganz verschiedene
Verteilungen haben.
Korollar 2.6.2 In der Situation von Satz 1 gilt:
Pr(X
≥ m + a) ≤
Pr(X
≤ m − b) ≤
m
m+a
m+a
m
m−b
m−b
ea ,
e−b ,
für
für
0 ≤ a ≤ n − m;
0 ≤ b ≤ m.
(7)
(8)
Der Beweis von Korollar 2.6.2 ist sehr einfach, wenn man sich die folgende auch
17
sonst nützliche Ungleichung in Erinnerung ruft:
x
1+
y
y
< ex
für
y>0
und
x ≥ −y ;
(9)
x = 0 sind beide Seiten gleich 1. Dabei folgt (9) aus der Ungleichung 1+z ≤ ez
x
für jedes z ∈ R, mit Gleichheit genau für z = 0, wenn man z =
setzt.
y
für
Wenn man (9) für den zweiten Faktor
n−m
n − (m + a)
n−(m+a)
in (5) einsetzt, ergibt sich (7) für
=
a
1+
n − (m + a)
n−(m+a)
0 ≤ a < n − m.
m m+a
An dieser Stelle beobachten wir, dass (wieder mit (9)) der Faktor (
)
=
m+a
a
m+a
−a
in (7) immer kleiner als e
ist,. Daher ist die rechte Seite in (7)
(1 − m+a )
kleiner als 1 und stellt damit eine echte Schranke für eine Wahrscheinlichkeit dar.
(Dazu später mehr.)
Ganz analog ergibt sich (8) aus (6) mit Hilfe von (9).
2
Korollar 2.6.3 In der Situation des Satzes gilt:
m
eε
Pr(X ≥ (1 + ε)m) ≤
,
(1 + ε)1+ε
m
e−ε
Pr(X ≤ (1 − ε)m) ≤
,
(1 − ε)1−ε
n
m
für
0≤ε≤
für
0 ≤ ε ≤ 1.
− 1;
Korollar 2.6.3 ergibt sich aus Korollar 2.6.2 einfach dadurch, dass man
b
bzw. ε =
setzt.
m
(10)
(11)
ε =
a
m
Korollar 2.6.3 besagt folgendes: Wenn man eine tolerierbare prozentuale Abwei-
ε = 0,01, was 1 Prozent entspricht) vorgibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass X weiter als diese Toleranz von seinem Erwartungswert m = E(X)
abweicht, durch eine in m exponentiell fallende Funktion beschränkt. Je kleiner
ε wird, desto näher an 1 liegt die Basis dieser Exponentialfunktion.
chung (z. B.
Um einen Eindruck zu bekommen, hier eine Skizze des Verlaufs der Funktion
eε
ε 7→ (1+ε)
1+ε :
18
e^x/(1+x)^(1+x)
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
1
2
x
4
3
Nun beweisen wir Formel (5) aus Satz 2.6.1.
a = 0 ist trivial, weil auf der linken Seite von (5) eine Wahrscheinlichkeit
steht, auf der rechten Seite 1. Den Fall a = n − m behandeln wir am Ende. Es
sei also 0 < a < n − m beliebig, aber fest. Für jedes beliebige t > 0 erhält man
tX
durch Anwenden der Marko-Ungleichung auf die ZV e
folgendes:
Der Fall
≥ m + a) =
Pr(X
Pr(e
tX
≥ et(m+a) )
E(etX )
≤
et(m+a)
Y
= e−t(m+a) E(
etXi ).
1≤i≤n
Weil
X1 , . . . , Xn unabhängig sind, sind auch etX1 , . . . , etXn
unabhängig (Fakt 2.5.4)).
Daher (Fakt 2.5.6(a)) multiplizieren sich die Erwartungswerte, und wir erhalten:
Pr(X
≥ m + a) ≤ e−t(m+a) E(
Y
etXi )
1≤i≤n
−t(m+a)
= e
Y
1≤i≤n
Was können wir über die Zahlen
Lemma 2.6.4 Sei
(i)
t>0
etx ≤ 1 + x(et − 1),
E(etXi ) sagen?
beliebig. Dann gilt :
für
0 ≤ x ≤ 1.
19
tXi
E(e
).
(12)
(ii) Ist
Y
eine Zufallsvariable mit
≤ 1 + E(Y )(et − 1).
0 ≤ Y ≤ 1,
dann gilt
E(etY )
Beweis : (i) Die Funktion
g : u 7→ (et )u
ist konvex. Daher gilt für
0 ≤ x ≤ 1:
(et )x ≤ (1 − x) · g(0) + x · g(1) = (1 − x) · (et )0 + x · (et )1 = 1 + x(et − 1).
tY
(ii) Wegen (i) gilt e
tY
riablen e
und 1 + Y
und der Linearität
≤ 1 + Y (et − 1) (als Ungleichung zwischen den Zufallsva(et − 1)). Die Behauptung folgt nun wegen der Monotonie
der Erwartungswerte. 2
Mit Lemma 2.6.4 erhalten wir aus (12):
Pr(X
≥ m + a) ≤ e−t(m+a)
Y
(1 + E(Xi )(et − 1)).
(13)
1≤i≤n
Hier benutzen wir die Ungleichung zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Mittel, Proposition 2.3.7. Wenn wir diese Ungleichung in (13) auf die
t
nichtnegativen Zahlen ai = 1 + E(Xi )(e − 1), 1 ≤ i ≤ n, anwenden, und uns
erinnern, dass
X = X1 + · · · + Xn
Pr(X
und
m = E(X)
ist, ergibt sich
!n
1 X
(1 + E(Xi )(et − 1))
n 1≤i≤n
≥ m + a) ≤ e−t(m+a)
n
m(et − 1)
= e
· 1+
n
n
m(et − 1)
−t(m+a)/n
= e
· 1+
n
n
m(z − 1)
−(m+a)/n
= z
· 1+
,
n
−t(m+a)
mit
(14)
(15)
(16)
z = et .
Um aus der Ungleichung (16) optimalen Nutzen zu ziehen, sollten wir den bisher
t
noch freien Parameter t bzw. z = e so festlegen, dass der Kern
z −(m+a)/n · (1 +
m
(z − 1))
n
möglichst klein wird. Wir wählen
z=
m+a
n−m
·
.
m
n − (m + a)
(17)
(Dass dieser Wert tatsächlich (16) minimiert, sieht man durch Dierenzieren.)
Man sieht, dass (wegen
a > 0)
beide Faktoren in (17) gröÿer als
20
1
sind, so dass
sich
z>1
und
t>0
ergibt. Wir setzen (17) in die obere Schranke (14) ein und
erhalten
Pr(X
≥ m + a) ≤
m(n − (m + a))
(m + a)(n − m)
m+a n
m (m + a)(n − m)
+
· 1−
(18)
.
n
n(n − (m + a))
Eine leichte (Bruch-)Rechnung ergibt, dass der zweite Faktor in (18) einfach
n−m
)n ist. Passendes Zusammenfassen ergibt dann
( n−(m+a)
Pr(X
≥ m + a) ≤
m
m+a
m+a ·
n−m
n − (m + a)
n−(m+a)
,
(19)
und das ist (5).
Es fehlt noch der Fall
a = n − m.
Damit die Formel auf der rechten Seite von
(5) überhaupt deniert ist, muss man sich daran erinnern, dass per Konvention
00 = 1 ist. Wir benutzen hier, dass die rechte Seite in (5) für a → n − m (von
links) stetig ist, die linke Seite für
a → n−m
(von links) monoton fällt. Damit
erhält man:
Pr(X
≥ n) ≤
lim
a→(n−m)−
Pr(X
≤
=
lim
a→(n−m)−
m n
n
≥ m + a)
m
m+a
m+a n−m
n − (m + a)
n−(m+a)
.
Um schlieÿlich (6) zu beweisen, könnte man analog vorgehen. Stattdessen führen
wir diesen Fall aber auf (5) zurück, wie folgt. Wir denieren Zufallsvariable
Xi = 1 − Xi , 1 ≤ i ≤ n,
und
X = X1 + · · · + X n ,
m = E(X) = E(n − X) = n − E(X) = n − m. Weiter setzen wir a = b (dann
0 ≤ a < m = n − m). Nun wenden wir (5) an und erhalten:
m+a n−(m+a)
m
n−m
Pr(X ≥ m + a) ≤
·
,
(20)
m+a
n − (m + a)
und
ist
Wenn man diese Ungleichung wieder in die Xi -Notation überführt, ergibt sich
wegen
m + a = n − m + b = n − (m − b) und n − m = m:
n−(m−b) m−b
n−m
m
Pr(X ≤ m − b) ≤
·
,
n − (m − b)
m−b
und das ist gerade (6).
21
(21)
2.7 Weitere Ungleichungen
Die folgende Behauptung ist eine Verallgemeinerung von Ungleichung (4) auf zwei
Zufallsvariable:
Proposition 2.7.1 (Cauchy-Schwarz-Ungleichung) Für Zufallsvariablen
X
und
Y,
deren Erwartungswert und Varianz deniert ist, gilt:
p
E(X 2 )E(Y 2 ).
|E(XY )| ≤
Beweis : Wir zeigen: E(XY
)2 ≤ E(X 2 )E(Y 2 ).
Für
λ∈R
betrachte
f (λ) := E((X + λY )2 ) = E(X 2 ) + 2λE(XY ) + λ2 E(Y 2 ).
Wenn
E(Y 2 )
= 0
ist, dann ist
Y = 0,
und die Ungleichung gilt trivialerweise.
f (durch Dierenλ0 = −E(XY )/E(Y 2 ). Der Wert f (λ)
Sonst sucht man die Minimalstelle der quadratischen Funktion
zieren und Null-Setzen) und ndet sie bei
ist als Erwartungswert einer nichtnegativen Zufallsvariablen selbst nicht negativ,
also gilt
0 ≤ f (λ0 ) = E(X 2 )−2E(XY )2 /E(Y 2 )+E(XY )2 /E(Y 2 ) = E(X 2 )−E(XY )2 /E(Y 2 );
daraus folgt
E(XY )2
2
≤ E(X 2 )E(Y 2 ).
Proposition 2.7.2 (Chebychev-Cantelli-Ungleichung) Wenn
X
eine Zufallsvariable ist derart dass E(X) und Var(X) existieren, dann
gilt für alle
Pr(X
t ≥ 0:
≥ E(X)+t) ≤
Var(X)
Var(X) + t2
und Pr(X
≤ E(X)−t) ≤
Var(X)
Var(X) + t2
.
Beweis : Die zweite Ungleichung folgt, indem man die erste auf die Zufallsvariable
0
X = E(X) − X
anwendet, die dieselbe Varianz hat wie
X.
Wir zeigen die erste
Ungleichung. Wir können o.B.d.A. annehmen, dass E(X) = 0 ist (sonst betrachte
X 0 = X − E(X)); dann ist Var(X) = E(X 2 ). Wenn A ⊆ Ω ein Ereignis ist,
cA für die charakteristische Funktion (cA (ω) = 1 für ω ∈ A und
cA (ω) = 0 für ω ∈
/ A). Dann gilt für alle t ∈ R, dass t − X ≤ (t − X) · c{X<t} , also
schreiben wir
t = E(t − X) ≤ E((t − X) · c{X<t} ).
Für
t≥0
können wir dann mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung wie folgt wei-
22
terrechnen:
t2 ≤ E((t − X)2 )E((c{X<t} )2 )
= E((t − X)2 )Pr(X < t)
= (Var(X) + t2 )Pr(X < t).
Umstellen ergibt:
Pr(X
≥ t) = 1 − Pr(X < t) ≤ 1 −
t2
=
Var(X) + t2
Var(X)
Var(X) + t2
,
2
wie gewünscht.
Bemerkung : Wir vergleichen Proposition 2.7.2 mit der Chebychev-Ungleichung
(Fakt 2.3.3). Für die Wahrscheinlichkeit einer beidseitigen Abweichung liefert die
Chebychev-Ungleichung engere Schranken; sie wirkt aber nur für
t>
p
Var(X).
Die Chebychev-Cantelli-Ungleichung ist geeignet, wenn man die Wahrscheinlichkeit der Abweichung nur nach einer Seite begrenzen will; sie wirkt für alle
t > 0.
Pr(X
6= 0)
Wir wollen noch Ungleichung (4) benutzen, um eine Schranke für
herzuleiten, falls
X 6= 0
Werte in den natürlichen Zahlen annimmt.
Proposition 2.7.3 Für eine Zufallsvariable
X 6= 0
mit Werten in
N,
deren Erwartungswert und Varianz deniert ist, gilt:
E(X)2
E(X 2 )
≤ Pr(X 6= 0) ≤ E(X).
Beweis : Die zweite Ungleichung folgt aus der Markov-Ungleichung, da Pr(X
0) = Pr(X ≥ 1). Für die erste Ungleichung wenden
auf {X 6= 0} bedingten Wahrscheinlichkeit an:
E(X
6=
wir Ungleichung (4) mit der
| X 6= 0)2 ≤ E(X 2 | X 6= 0).
Weiter gilt
E(X
| X 6= 0)2 =
E(X)
Pr(X
6= 0)
2
und
E(X
2
| X 6= 0) =
E(X 2 )
Pr(X
6= 0)
.
Kombinieren dieser (Un-)Gleichungen, Kürzen und Umstellen liefert die Behaup-
2
tung.
23
A
Ungleichungen aus der Analysis und der Kombinatorik
Proposition A.0.4
Für alle
x ∈ R : 1 + x ≤ ex ,
mit Gleichheit genau für
x = 0.
Proposition A.0.5
(a) Für alle
x ≥ −1
(b) Für alle
y>0
und alle
und alle
z > 0: (1 + x)z ≤ exz .
x ≥ −y : (1 + x/y)y ≤ ex .
Proposition A.0.6
Für alle
x ∈ R, |x| < 1: ex ≤
1
, mit Gleichheit genau für
1−x
x = 0.
Proposition A.0.7
Für alle
x > 0: ln x ≤ x − 1,
Proposition A.0.8 Für alle
mit Gleichheit genau für
x = 1.
n, k ∈ N, 0 ≤ k ≤ n:
n
nn
1
≤ k
=
,
k
k (n − k)n−k
(αα (1 − α)1−α )n
wobei
α=
k
. Weiterhin:
n
n
en k
≤
.
k
k
Beweis : Für
k=0
und
k=n
ist nichts zu zeigen die rechte Seite ist
24
1.
Sonst
deniere
α=
k
und betrachte
n
X n
1 = (α + (1 − α)) =
αi (1 − α)n−i ,
i
0≤i≤n
n
n
αk (1 − α)n−k . Daher ist
k
zweite Ungleichung folgt, weil
also
1≥
n
n−k
n−k
= 1+
n
k
k
n−k
≤ 1/(αk (1 − α)n−k ) =
n−k
nn
. Die
kk (n−k)n−k
< (ek/(n−k) )n−k = ek ,
2
mit Prop. A.0.5(b).
25
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