Dissoziation - Sucht und Selbsthilfe

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Dissoziation
Der Begriff Dissoziation beschreibt laut Definition des DSM-IV die
Unterbrechung der normalerweise integrativen Funktionen des
Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität oder der Wahrnehmung der
Umwelt. Dissoziation im psychiatrischen und/oder psychotherapeutischen
Sinne kann als ein Defekt der mentalen Integration verstanden werden,
bei der eine oder mehrere Bereiche mentaler Prozesse vom Bewusstsein
getrennt werden und unabhängig voneinander ablaufen (Abspaltung von
Bewusstsein). Demgegenüber umfasst Konversion somatische, also
sensorische und motorische Phänomene.
Dagegen werden in der Klassifizierung der ICD 10 die Begriffe
dissoziative Störung und Konversionsstörung synonym verwendet. Das
allgemeine Kennzeichen der dissoziativen oder Konversionsstörungen
besteht danach in teilweisem oder völligem Verlust der normalen
Integration der Erinnerung an die Vergangenheit, des
Identitätsbewusstseins, der Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen sowie
der Kontrolle von Körperbewegungen.
Bei Dissoziationen handelt es sich um eine vielgestaltige Störung, bei
der es zu einem teilweisen oder völligen Verlust von psychischen
Funktionen wie des Erinnerungsvermögens, eigener Gefühle oder
Empfindungen (Schmerz, Angst, Hunger, Durst, …), der Wahrnehmung der
eigenen Person und/oder der Umgebung sowie der Kontrolle von
Körperbewegungen kommt. Der Verlust dieser Fähigkeit kann von Stunde zu
Stunde wechseln.
Geschichte
Das Dissoziationsmodell hat sich im 19. Jahrhundert aus der
Assoziationspsychologie entwickelt und wurde anfangs zur Interpretation
von Hysterie, Vorgängen bei Hypnose und von Beobachtungen von
Verdoppelungen oder Vervielfachungen von Persönlichkeiten angewandt.
Theorien um 1880 betrachteten vor allem das Trauma als Auslöser von
Dissoziationen. Nachdem es zwischen 1920 und 1970 deutlich weniger
aktuell war, fand das Dissoziationsmodell ab 1970 wieder Beachtung.
Dissoziation bedeutet eine Unterbrechung des Stroms des Bewusstseins,
die Abspaltung von Gefühlen, Körperwahrnehmung und Emotionen, der
Erinnerung, der Identität und der Wahrnehmung der Umwelt.
Nach neueren Forschungen (um 2006) werden die Psychosomatische Störung
und Konversionsstörung dem Oberbegriff Somatoforme Dissoziation
zugeführt und (in Abgrenzung zur psychoformen Dissoziation) den
dissoziativen Störungen zugeordnet. Nijenhuis, Hart und Steele vertreten
das durch neurobiologische Befunde unterstützte Konzept der Strukturellen Dissoziation.
Hiernach werden bei sehr schweren und kontinuierlichen
Psychotraumatisierungen, insbesondere in der Kindheit, die
symptomatischen Empfindungs- und Verhaltensmuster dauerhaft
unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen (ego states)
zugeordnet. Die Autoren vertreten die Hypothese, dass die entsprechenden
Verhaltensweisen, Empfindungen und Einschätzungen auch im späteren
Leben, unabhängig von traumatisierenden Situationen, kaum vermieden
werden könnten.
Patienten mit dissoziativen Störungen leiden oftmals unter chronischen
Körpersymptomen, welche der Behandler als Dissoziationen seines
Patienten verstehen sollte sowie als Zeichen der Desintegration der
Gesamtpersönlichkeit. Die Symptome sind hier das Ergebnis einer
instinktiven Überlebensreaktion des Menschen, ähnlich der von Tieren,
und erzeugen Erregungs- oder Betäubungszustände. Die Betrachtung der
Endorphin-Neurotransmitter auf biochemischer Ebene zeigt ein neuartiges
Verständnis der Dissoziation auf der Verhaltensebene.
Dissoziative Störungen
Es gibt unterschiedliche dissoziative Phänomene, die als Störung mit
unterschiedlicher Intensität verlaufen. Im ICD-10 aufgeführt sind
(u.a.):
dissoziative Amnesie (F44.0): Der betreffenden
Person fehlen wichtige Erinnerungen zur eigenen Geschichte, weit über
das Maß der normalen Vergesslichkeit hinaus.
dissoziative Fugue (F44.1): Hierunter wird das unerwartete
Weggehen von der gewohnten Umgebung (Zuhause, Arbeitsplatz) verstanden,
https://www.suchtundselbsthilfe.de/forum/wcf/lexicon/index.php?entry/254-dissoziation/
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das bis zur Annahme einer neuen Identität bei gleichzeitiger
Desorientiertheit zur eigenen Person führen kann (siehe auch:
Wandertrieb).
Dissoziative (psychogene) Bewegungsstörungen (F44.4):Sie
machen 2,6 – 25% der Bewegungsstörungen in neurologischen Abteilungen
aus. Davon wiederum fallen 32,8% auf den psychogenen Tremor, 25% auf die
psychogene Dystonie, 25% auf den psychogenen Myoklonus, 6,1% auf den
psychogenen Parkinsonismus und 10,9% auf die psychogene Gangstörung.
Dissoziative Krampfanfälle (F44.5): dazu gehört der
klassische Arc de cercle. Sigmund Freud hat eine Reihe von Fällen unter
dem Begriff Hysterie beschrieben.
Ganser-Syndrom (F44.80) bzw. die Pseudodebilität
dissoziative Identitätsstörung (landläufig: Multiple
Persönlichkeit) (F44.81): Nach dem DSM-IV (dem Diagnostischen und
Statistischen Manual Psychischer Störungen) müssen zwei oder mehr
getrennte, völlig unterschiedliche Identitäten oder
Persönlichkeitszustände vorhanden sein und im Wechsel das Verhalten des
Betroffenen bestimmen. Diese Störung gehört nicht zu der Gruppe der
Schizophrenie, auch wenn dies im landläufigen Begriff Spaltungs-Irresein nicht ganz deutlich wird.
Weitere dissoziative Phänomene ohne ausdrückliche Nennung im ICD-10 (bis auf F48.1 in ICD 10):
Depersonalisation:
Hierbei handelt es sich um eine Veränderung der Selbstwahrnehmung, die
Person fühlt sich fremd im eigenen Körper – sie beobachtet sich von
außen. Dabei reagieren die Personen völlig angemessen auf ihre Umwelt.
Allerdings können Sinneswahrnehmungen oder auch Körpergefühle wie Hunger
und Durst gestört sein.
Derealisation: Dabei wird durch ein Gefühl der
Unwirklichkeit die Umwelt als fremd oder verändert wahrgenommen. Sowohl
Depersonalisation als auch Derealisation sind selten isoliert. Meist
treten sie als ein Symptom anderer Störungen auf, z. B. im Zusammenhang
von Panikattacken
Licht- und Geräuschempfindlichkeit
Tunnelblick oder Thousand-yard stare
das Gefühl, als wäre der eigene Körper ausgeweitet (expandiert), so dass er sich breiter anfühlt als
sonst
das Gefühl, als wäre der Körper "eingegangen", also winzig proportioniert
stationäre Gegenstände scheinen sich zu bewegen
Zeitverlust (die Empfindung, nur unvollständige Erinnerung an kurz zurückliegende Ereignisse zu
haben)
Diagnostische Instrumente
Es gibt verschiedene Instrumente zur Diagnostik von Dissoziation. Diese
lassen sich unterteilen in Fragebögen zur Selbst- und zur
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Fremdbeurteilung:
Selbstbeurteilung:
Dissociative Experience Scale (DES)/ Fragebogen zur dissoziativen
Symptomen (FDS) Impact of Event Scale (IES) – Misst Intrusion und
Vermeidungsverhalten nach Trauma
Fremdbeurteilung:
Structured Clinical Interview for DSM-IV Dissociative Disorders (SCID-D) Dissociative Disorders Interview
Schedule (DDIS)
Dissoziation als therapeutische Technik
Diese Fähigkeit des Menschen zur Dissoziation kann therapeutisch genutzt
werden: In der Psychotherapie steht der Begriff für eine bewusst
vorgenommene Veränderung der Wahrnehmung weg vom vollständig
identifizierten Erleben zu einer "Meta-Position", aus der heraus sich
der Mensch quasi "von außen" betrachtet (Heautoskopie), um seine Gefühle
oder mentalen Vorgänge wertfrei zu erkennen (beispielsweise so, als ob
man eine Situation, bei der man beteiligt ist, in einem Kinofilm
betrachten würde). In der Gesprächstherapie, der Neurolinguistischen
Programmierung und der systemischen Therapie ist die Dissoziation ein
wichtiges Element der therapeutischen Arbeit, ebenso in der
Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie (PITT).
Zitat
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