Der Stellenwert von Umwelt und Gesundheit in der Industriellen

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Dietmar Hexel
Rede
Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands
Der Stellenwert von Umwelt und
Gesundheit in der
Industriellen Wissensgesellschaft
Eröffnungsbeitrag zur DGB/BMU-Konferenz
„Die soziale Dimension von Umwelt und Gesundheit“
am 11. November 2009 im dbb forum in Berlin
Es gilt das gesprochene Wort!
Gliederung
I. Auf dem Weg in die industrielle Wissensgesellschaft
II. Umwelt- und Gesundheitsschutz im Betrieb
III. Umwelt, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit – drei Seiten einer Medaille
IV. Mehr Partizipation ist nötig
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I. Auf dem Weg in die industrielle Wissensgesellschaft
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
zunächst auch ein herzliches Willkommen von mir. Ich freue mich, dass so viele
Menschen der gemeinsamen Einladung von BMU und DGB gefolgt sind.
Wir haben es weltweit mindestens mit vier Krisen zu tun: Die Klimakrise, die
Nahrungskrise, die Energie- und Rohstoffkrise und nun auch noch die Finanzkrise.
Letzte ist am einfachsten zu bewältigen. Sie ist von Menschen gemacht – und sie
kann auch von Menschen beendet werden. Dabei geht es schließlich nur um „totes“
Geld. Bei den anderen Krisen geht es um lebendige Systeme und komplexere
Dinge.
Ganz sicher wird die Nahrungs-, Energie- und Rohstoffkrise größer statt kleiner,
wenn wir die Klimaveränderung und damit die Umweltbedingungen nicht ernst
nehmen. Beim Klima, der Umwelt, geht es um die Existenz des Planenten. Bei der
DGB-Bundesvorstand
Web: http://www.dgb.de
Henriette-Herz-Platz 2
10178 Berlin
Tel.: 030 / 240 60 - 0
Fax: 030 / 240 60 - 324
Dietmar Hexel
Eröffnungsbeitrag zur DGB/BMU-Konferenz
„Die soziale Dimension von Umwelt und Gesundheit“
Berlin, 11. November 2008
Gesundheit geht es um die Existenz jedes Einzelnen von uns. Umwelt ist also kein
Neben-Thema, auch nicht für die Gewerkschaften. Und Gesundheit ist es erst recht
nicht.
Die heutige Konferenz soll dazu dienen, die unterschiedlichen Facetten von Umwelt
und Gesundheit zu beleuchten – und insbesondere den Zusammenhang von
Umweltbelastungen und gesundheitlichen Belastungen stärker in den Fokus zu
nehmen. Es geht also um die gesellschaftlichen und sozialen Folgen.
Soziale Gerechtigkeit ist für alle Menschen wichtig. Für uns, die Gewerkschaften als die Experten der Arbeitswelt - ist Freiheit ohne Not und soziale Gerechtigkeit das
Hauptanliegen. Die Frage lautet: Wie können wir Produktions- wie
Führungssysteme so gestalten, dass sie weder krank machen noch die Umwelt über
Gebühr belasten, obwohl dies technologisch vermeidbar ist. Wenn ich sage „über
Gebühr“, dann schließt dies die Erkenntnis ein, dass jedes menschliche Handeln,
dass auf die Veredelung von natürlichen Ressourcen gerichtet ist, natürlich ein
Eingriff in die Umwelt darstellt und wir diesen Eingriff auch wollen.
Wenn ich mir die Entwicklungen der Industriegesellschaften der letzten 10 bis 20
Jahre ansehe, so kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sie von einem
ebenso rasanten wie vielschichtigen Wandel gekennzeichnet sind:
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-
-
Beispielsweise sind im Bereich der Physik und Gehirnforschung
grundlegende Annahmen revidiert worden, die völlig neue Chancen
eröffnet haben. Die Gentechnologie hat den Eingriff in die Veränderung
von Lebewesen hervorgebracht. Die
Nanotechnologie
ist
etwas
phantastisches, wobei wir noch nicht wissen, wie sich die kleinen Teile
auf unseren Organismus und die Kläranlagen auswirken.
Positiv sind auch die fortschreitende Technologisierung, mehr Produkte
mit weniger Arbeitsvolumen; verbesserte Produktionsverfahren, die
weniger Rohstoffe und Energie verbrauchen, obwohl die eigentliche
Revolution, der Quantensprung hier noch aussteht.
Arbeitserleichterungen besonders im Bereich der schweren körperlichen
Arbeit für die Beschäftigten, denken wir nur an die Abschaffung der
Überkopf-Arbeit. Last but not least die wachsende Zahl an
Wissensarbeitern, die über größere Handlungsspielräume verfügen und
mehr Verantwortung tragen.
Dies alles kennzeichnet Übergang von der uns bekannten Industriegesellschaft in
eine wissensbasierte Industriegesellschaft von morgen. Darin wird das menschliche
Vermögen zum wichtigsten und zugleich knappsten Produktionsfaktor. Der Wert von
Menschen im Arbeitsprozess steigt, weil die Qualität von Leistungen und Produkten
wieder stärker von ihren Qualifikationen und ihrem persönlichen Einsatz abhängen.
Diese Chance sollten wir nutzen.
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Dietmar Hexel
Eröffnungsbeitrag zur DGB/BMU-Konferenz
„Die soziale Dimension von Umwelt und Gesundheit“
Berlin, 11. November 2008
Gleichzeitig hat der Wandel weltweit Ungerechtigkeiten verschärft. Selbst in
Demokratien wie unserer scheinen in einigen Bereichen wieder Neo-FeudalStrukturen zu entstehen. Ich denke da nicht nur an Managergehälter.
Die Technologien der letzten zwanzig Jahre sind nicht überwiegend so eingesetzt
worden, dass sie das Leben der Menschen erleichtern. Doch gerade das ist Sinn
des Wirtschaftens: sie soll das Leben von uns allen erleichtern und nicht nur wenige
reich und berühmt machen.
Wir haben aktuell erlebt, wie ein globaler Shareholder-Value-Kapitalismus mit der
Freiheit einiger weniger Eliten sich durchsetzt. Hier sind die Renditeerwartungen
wichtiger als eine gemeinwohlorientierte Unternehmensführung.
Jeder wusste auch schon vor der Finanzkrise, dass man keine 25 % Gewinn – oder
auch nur 12 % Rendite jährlich einfahren kann: es sei denn, man zerstört andere
Unternehmen, nimmt auf Beschäftigte und ihre Gesundheit keine Rücksicht oder
beutet sie und die Umwelt aus. Nun ist dem letzten klar: Shareholder-Value ist ein
Irrweg. Er führt zur Zerstörung, nicht zur Erleichterung menschlichen Lebens. Das
gilt für alle Ebenen.
Diese Art des Wirtschaftens führt zu einer Vergeudung von menschlichen
Ressourcen, zu Druck in den Belegschaften, zu Angst um den Arbeitsplatz und
schließlich zu demotivierten Mitarbeitern. Disfunktionaler Stress, Angst und
Unsicherheit statt Freude und Begeisterung prägen manche Betriebe und
Arbeitsplätze. „Gute Arbeit“ sieht anders aus. Wir haben hier mit unserem DGBIndex „Gute Arbeit“ ein wissenschaftliches und repräsentatives Instrument
geschaffen, dass ich Ihnen allen ans Herz lege.
Die Veränderungen in den Betrieben zeigen auch: Die Rücken- und
Verschleißerkrankungen haben abgenommen. Die psychischen Belastungen
dagegen
Besorgnis
erregend
zugenommen,
ebenso
Herzund
Kreislauferkrankungen.
-
Nach Aussagen des Fehlzeiten-Reports 2003 sind psychische
Erkrankungen inzwischen die vierthäufigste Ursache für Arbeitsausfälle
im Unternehmen. Als wichtigster Grund wird dafür die Angst um den
Verlust des Arbeitsplatzes genannt.
-
Darüber hinaus lag bereits 2006 der wirtschaftliche Schaden durch
psychische Erkrankungen in den Unternehmen bei 3,6 Mrd. Euro, wie die
Bundesagentur für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ermittelte.
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Solche Entwicklungen können auch aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen nicht
im Interesse der Unternehmen sein. Wir brauchen die Einsicht und Rückbesinnung
der Unternehmen auf nachhaltiges und langfristiges Wirtschaften, wo der Mensch
wieder zum eigentlichen Wertschöpfer wird und besonnen mit seinen Ressourcen
umgegangen wird.
Moral und Ethik sind plötzlich in aller Munde – und das ist gut so. Nur: Moral ist
langweilig, wenn sie keine Folgen hat. Manager und Unternehmensführer richten
sich dann nach Moral und Ethik, wenn es Gesetze, Regeln und eine aktive
Arbeitnehmerschaft gibt, die dies einfordert.
Ohne die aktive Beteiligung der Arbeitnehmer wird der Übergang zu einer
industriellen Wissensgesellschaft keine Erfolgsgeschichte. Das gilt für alle Bereiche:
-
für die Innovation in Forschung und Technik,
für Produkte, die von den Kunden gewünscht werden,
für Produktionssysteme, die Energie und Rohstoffe sparen,
für soziale Systeme, die den Menschen nicht als ökonomische Größe,
sondern als soziales Wesen betrachten,
und natürlich für das Verhältnis zwischen Arbeit und Umwelt – oder
genauer: zwischen Gesundheit und Umwelt.
II. Umwelt- und Gesundheitsschutz im Betrieb
Die betriebliche Mitbestimmung sorgt in diesem Veränderungsprozess für
Transparenz, Motivation und Vertrauen – alles in allem gesundheitsförderliche
Faktoren. Zum anderen übt sie gegenüber den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern eine wichtige Schutzfunktion aus. Durch sie werden sowohl im
betrieblichen Umweltschutz, als auch beim betrieblichen Arbeits- und
Gesundheitsschutz die Interessen von Beschäftigten stärker integriert. Denn auch
hier gilt: die Beschäftigten sind Experten in eigener Sache.
Um diesen Aspekt stärker hervor zu heben wurden 2001 von der rot-grünen
Bundesregierung - im Rahmen der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes die Mitspracherechte des Betriebsrates hinsichtlich des betrieblichen
Umweltschutzes gestärkt. Hier bestehen seitdem erweiterte Unterrichtungs- und
Beratungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat. Bis dahin galt und
gilt zum Teil auch heute noch: Umweltschutz ist „Chefsache“ – vorausgesetzt
Umweltschutz ist überhaupt ein Thema im Betrieb. Die Belegschaft wird lediglich
informiert und Top-down angewiesen.
Der umweltpolitische Druck von außen hat und wird letztendlich die
Innovationsprozesse in den Betrieben und Unternehmen voran bringen. Doch nun
gilt es, auch den innerbetrieblichen Druck zu erhöhen. Auf der Seite der
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„Die soziale Dimension von Umwelt und Gesundheit“
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betrieblichen Interessenvertretung ist bereits erkennbar, dass Fragen des
betrieblichen Umweltschutzes stärker in den Fokus rücken, weil damit auch aktive
und attraktive Interessenpolitik im Sinne der Belegschaften gemacht werden kann.
Im Kontext des Arbeitsschutzgesetztes hat der Betriebsrat bereits seit 1996
weitgehende Mitbestimmungsmöglichkeiten beim betrieblichen Arbeits- und
Gesundheitsschutz. Dazu zählt unter anderem die systematische Einbeziehung
psychischer Belastungen über den bis dahin „klassischen“ Arbeitsschutz von
materiellen und stofflichen Belastungen hinaus. Die betrieblichen Erfahrungen wie
auch
die
Einschätzungen
und
Erkenntnisse
der
modernen
Gesundheitswissenschaften belegen darüber hinaus, dass die Beschäftigten auch
hier die Experten ihrer eigenen Arbeitsbedingungen sind und als solche ernst
genommen werden müssen.
Im internationalen Vergleich zählt Deutschland zu den Ländern, die einen
weitreichenden Katalog zur Vermeidung von Gefahrenstoffen haben. Er wurde nicht
zuletzt
durch
gesetzliche
Regelungen
und
die
darin
verankerten
Mitbestimmungsrechte von betrieblichen Interessenvertretungen begründet. Die
qualitativ am weitesten entwickelten Gefährdungsbeurteilungen werden von
Betriebsräten und Gewerkschaften initiiert. Das müssen wir ausbauen und
verbreitern.
Die neue Chemikalienverordnung der Europäischen Union ist ein aktuelles
Beispiel dafür, dass unter Mitwirkung deutscher und europäischer Gewerkschaften
mit REACH (Registrierung, Evaluierung/Bewertung, Autorisierung/Zulassung von
Chemikalien) sowohl die menschliche Gesundheit als auch die Umwelt vor
Belastungen durch chemische Stoffe, künftig besser geschützt werden. Nach
heftigem Streit gelang ein ausbalanciertes Verfahren.
Seit dem 01.01.2007 müssen Hersteller und Importeure von Chemikalien diese auf
ihre Gefährlichkeit hin untersuchen und bei der neuen Europäischen Agentur für
chemische Stoffe in Helsinki/Finnland (vor-)registrieren lassen. Das betrifft etwa
30.000 Stoffe, die bereits heute als Zwischenprodukte oder auch in Konsumgütern,
wie Kunststoffartikeln oder Textilien, verwendet werden.
Dass durch REACH die Beweislast von Behörden und betroffenen Gruppen auf die
Industrie umgekehrt wurde, ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer
Gerechtigkeit im Sinne einer gerechten Lastenverteilung, die bislang doch stark auf
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt wurde.
REACH zeigt aus meiner Sicht, wie gesundheits- und umweltpolitische Maßnahmen
ineinander greifen, und dass Gesundheitsschutz ein zentrales Aufgabenfeld der
Umweltpolitik ist.
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Mut macht auch, dass wir im globalen Maßstab durchaus lern- und handlungsfähig
sind. Die Dioxin-Produktion wie die FCKW-Produktion wurden weltweit verboten, bei
Asbest gilt ein weitgehendes Verarbeitungs- und Anwendungsverbot.
III. Umwelt, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit – drei Seiten
einer Medaille
Bisher wurden Umweltprobleme nicht zwingend in Abhängigkeit von
gesundheitlichen Gefährdungen diskutiert und noch viel weniger mit sozialer
Gerechtigkeit in Verbindung gebracht. Im Vergleich zu anderen Ländern – wie den
USA – stecken wir damit noch in den Kinderschuhen.
Doch zunächst die gute Meldung:
Wie in allen reichen Industriegesellschaften steigt auch in Deutschland die
durchschnittliche Lebenserwartung pro Jahrzehnt um mehr als ein Jahr an. Und: wir
haben insgesamt nicht nur mehr Lebensjahre, sondern wir werden im Durchschnitt
auch immer gesünder älter. Die 75-jährigen Frauen sind heute im Durchschnitt so
gesund wie es die 65 bis 70-jährigen Frauen vor 10 Jahren waren.
Die schlechte Nachricht lautet:
Gesundheitsrisiken und –chancen sind höchst ungleich verteilt. Wer in Deutschland
das Pech hat, mit seiner Ausbildung, seinem Einkommen und seiner beruflichen
Stellung zum untersten Fünftel der Bevölkerung zu gehören, der hat auch
gesundheitlich schlechte Karten. Diese Menschen tragen über ihr ganzes Leben
hinweg ein ungefähr doppelt so hohes Risiko, ernsthaft zu erkranken oder vorzeitig
zu sterben wie Menschen aus dem obersten Fünftel.
Die sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen ist allerdings nicht nur ein
Problem der Armen oder von gesellschaftlichen Randgruppen. Vielmehr verringern
sich die Chancen auf ein langes und gesundes Leben mit jedem Schritt, der auf der
gesellschaftlichen Leiter abwärts geht. Die Unterschicht, also ein Großteil unserer
Kolleginnen und Kollegen, sind davon besonders betroffen.
Umweltstandards und Schadstoffgrenzwerte sind auch Maßnahmen eines aktiven
Gesundheitsschutzes. Trotz dieser objektiv vorhandener Schnittstellen zwischen
Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz, ist eine Verzahnung bisher kaum
gelungen. Zu weit liegen die Güter „Gesundheit“, „Lebensbedingungen“ und “Natur“
gewissermaßen quer zur betriebswirtschaftlichen Logik heutiger Unternehmen. Und
die gesundheitsrelevanten Kosten können immer noch viel zu leicht auf die
Allgemeinheit verschoben werden.
Bei dem Versuch, soziale Interessenlagen und gesellschaftliche
Entwicklungsdynamiken miteinander in Verbindung zu bringen, stoßen wir im
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Betrieb und Gesellschaft an die Grenzen bisheriger Logik von Ökonomie,
Ökologie und Soziales.
Merkwürdig, denn gerade der Begriff Ökonomie bezeichnet doch ursprünglich die
„Ordnung des ganzen Hauses“ – und ohne die Kosten der sozialen wie
ökonomischen Schäden bleibt die Betrachtung unvollständig.
Vor
dem
Hintergrund
der
sich
verändernden
gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen können wir uns diese Trennung auf Dauer nicht mehr leisten.
Auch im betrieblichen Alltag ist zunehmend interdisziplinäres Denken und Handeln
gefragt. Nur die Unternehmen werden künftig im internationalen Wettbewerb
bestehen können, die nachhaltig wirtschaften und alle Bereiche betrieblichen
Handelns einbeziehen – und die Talente der Arbeitnehmer beteiligungsorientiert
nutzten.
IV. Mehr Partizipation ist nötig
Die Welt neu denken, damit die globalen Katastrophen abgewendet werden können,
das bedeutet auch über neue gesundheits- und umweltpolitische Politikformen und
betriebliche Beteiligungsmöglichkeiten verstärkt nachzudenken.
Dreh- und Angelpunkt auf diesem Weg ist die aktive Einbeziehung der
Beschäftigten.
Dass dies gelingt, wird entscheidend davon abhängen, ob Werthaltungen sowie die
Verhaltensweisen von Führungskräften auf die Wertschätzung von Menschen und
deren Herstellung bzw. Erhaltung von Gesundheit und umweltgerechten Arbeitsund Lebensbedingungen orientiert werden können. Damit verbinde ich die
Grundidee eines Ressourcenorientierten Ansatzes. Das heißt, der Blick muss auf
die betrieblichen Ressourcen und nicht deren Defizite gelegt werden. Dazu gehören
die technischen und informatorischen Ressourcen ebenso wie die Potentiale der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Selbstverständlich gibt es Defizite im Betrieb, die durch eine Gefährdungsanalyse
aufgedeckt werden können und sollen. Doch auf dieser Ebene kann allein, keine
Motivation zum autonomen Handeln entstehen. Nur das, was Beschäftigte selbst
wahrnehmen, erkennen und entscheiden, kann Strukturen nachhaltig verändern.
Und
aus
dem
Erfahrungswissen
der
Belegschaften
können
Verbesserungsvorschläge entstehen, die sowohl die Effizienz als auch die
Arbeitsbedingungen, wie Unfallschutz, Ergonomie, und Krankheitsverhütung
gleichermaßen verbessern helfen.
Dazu ist eine tragfähige und entscheidungsrelevante Beteiligung von Belegschaften
nötig.
Die
Rechte
des
Betriebsverfassungsgesetzes
als
auch
des
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Arbeitsschutzgesetzes dafür stärker zu nutzen, wird eine vorrangige Aufgabe
betrieblicher Interessenvertretungen heute und in Zukunft sein.
Gefordert ist außerdem ein höheres Maß an Sensibilität und
Verantwortungsbewusstsein – von den Beschäftigten selber und ihren
Interessenvertretungen – was ihre eigene Gesundheit und Lebensgrundlagen
angeht, aber auch für die kommender Generationen. Auch die Problemlagen
und Aufgabenstellungen für die Präventionsdienstleister ändern sich:
Über ermutigende Modelle aus Skandinavien werden wir noch etwas hören. Auch in
Deutschland werden unter dem Stichwort „Regionale Kompetenzzentren“ solche
Ansätze diskutiert. Verzahnt mit dem Aufbau betrieblicher und überbetrieblicher
Gesundheits- und Umweltzirkel wären regionale Kooperationsnetzwerke denkbar, in
denen die Bedürfnisse der Menschen, mit dem Erfahrungs- und Fachwissen von
Experten „Hand in Hand“ gehen. Hier sehe ich einen relevanten Ansatzpunkt für
den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, solche Entwicklungen im Sinne der
Beschäftigten zu unterstützen.
Auf diese Weise könnten betriebliche und überbetriebliche Gesundheits- und
Umweltzirkel initiiert werden, die von persönlicher Erfahrung der Beschäftigten, ihrer
aktiv wahrgenommenen individuellen Verantwortung und sozialem Engagement
getragen und fachlich begleitet werden. Damit ist das langfristige Ziel verbunden,
eine neue Leitidee für die wissensbasierte, industrielle Arbeitsgesellschaft und ein
nachhaltiges Wirtschaften zu formulieren.
Wir kommen so der Vision näher, eine angemessen entlohnte und sinnvolle
Tätigkeit in einer förderlichen Umgebung für alle Menschen zu schaffen, die arbeiten
wollen.
Einer Vision, die den Gesundheitsbegriff der WHO ernst nimmt, nach der
Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit ist, sondern der Zustand
vollständigen körperlichen, seelischen und geistigen Wohlbefindens. Ein hoher
Anspruch, doch die Kenntnisse und Entwicklung der Technologien, die wir haben,
ermöglichen uns, eine solche Arbeitswelt und Umwelt zu realisieren.
Einer Vision, die soziale, ökonomische und politische Systeme schafft, die unsere
Bedürfnisse als Menschen befriedigen können, ohne die lebenserhaltende Umwelt
zu schädigen.
Eine Vision, die unseren kollektiven Forderungen nach rein materiellen Wohlstand
und Wachstum durch die Realisierung von sozialer Gerechtigkeit, kultureller
Entwicklung, gesundheitlichem Wachstum und einer gesunden Umwelt verändert.
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So gesehen kann es uns gelingen, eine andere Güter-, Energie- und besonders
Nahrungsproduktion und -verteilung, eine präventive Gesundheitsvorsorge und
soziale Sicherungssystem bei uns weltweit zu entwickeln, die uns als Menschen in
den Mittelpunkt stellt und nicht kurzfristiges Shareholder-Value-Profitdenken.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine produktive Konferenz.
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