DGB-Stellungnahme zur EU-Energie

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Deutscher
Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand
23.02.2007
Stellungnahme des
Deutschen Gewerkschaftsbundes
zur
EU-Energie-Strategie
„Eine Energiepolitik für Europa“
vom 10.01.2007
für den Frühjahrsgipfel am 08.03.2007
Herausgeber:
DGB-Bundesvorstand
Bereich Energie- und Umweltpolitik
Verantwortlich:
Dietmar Hexel
Henriette-Herz-Platz 2
10178 Berlin
Telefon 030/24060-303
Telefax 030/24060-677
Stellungnahme zur EU-Energie-Strategie vom 10.01.2007
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I. Kurzfassung
Der DGB unterstützt die EU-Kommission in ihren Zielen:
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in einer energiepolitischen Strategie die Ziele Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz in Einklang zu bringen
Selbstverpflichtung der EU für eine Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen bis
2020 um 20% gegenüber dem Stand von 1990
Selbstverpflichtung der EU für eine Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen bis
2020 um 30% gegenüber dem Stand von 1990, sofern die Industrieländer außerhalb
der EU mitziehen
weltweites Treibhausgas-Reduzierungsziel bis 2050 um 50% (darunter die
Industrieländer um 60-80%) gegenüber dem Stand von 1990
Anteil von 20% erneuerbare Energieträger an der Gesamtenergieerzeugung bis 2020
mit einem Mindestanteil der Biokraftstoffe in Höhe von 10%
Senkung des Gesamtverbrauchs an Primärenergie in der EU bis 2020 um 20%
Europa zum Vorreiter eines energieeffizienten und CO2-armen Wachstums zu machen
Förderung des Baus und Betriebs großmaßstäblicher Demonstrationsanlagen zur
nachhaltigen Nutzung fossiler Brennstoffe in der Stromerzeugung
Der DGB fordert die EU auf:
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die Energiestrategie kohärent zur Lissabon-Strategie und dem in Göteborg vereinbarten Nachhaltigkeitsziel auszugestalten
zu einer offeneren Formulierung zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS)
Der DGB fordert die Bundesregierung auf:
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ein schlüssiges nationales Energiekonzept vorzulegen, welches die Energieeffizienz
weiter erhöht (z.B. durch KWK), die mittel- bis langfristige Sicherung der Energieversorgung im Rahmen eines nachhaltigen Energiemix gewährleistet, die heimische
Kohle mit einschließt und die EU-Energie-Strategie als Chance für produkt- und beschäftigungspolitische Innovationen begreift
den Ausstoß an Treibhausgasen in Deutschland bis 2020 um 40% gegenüber dem
Stand von 1990 zu reduzieren, wenn die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2020
um 30% verringert
die Anreizregulierung der Netzentgelte so auszugestalten, dass neben den Vorgaben
zur Effizienzsteigerung auch geeignetere Anreize dafür geschaffen werden, ausreichende Investitionen in den Erhalt und Ausbau der Netze zu tätigen, Beschäftigung
zu generieren, Tarifvereinbarungen, betriebliche Standards und Arbeitsbedingungen
zu erhalten und Umwelt- und Klimaschutz zu optimieren. Dabei muss die Regulierung
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der Netzentgelte einhergehen mit einer integrierten Netzentwicklungsplanung, einem
Ausbau von Kuppelstellen und Netzinfrastruktur sowie einer Beschleunigung diesbezüglicher Genehmigungsverfahren
an ihrem Beschluss zum Kernenergie-Ausstieg festzuhalten
zu Anreizen für eine investitionsorientierte Innovationspolitik
Der DGB fordert die deutsche Industrie auf:
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die Klimaschutzziele nicht als Belastung, sondern als Chance für Innovationskraft und
Beschäftigungswirksamkeit zu begreifen, insbesondere im Hinblick auf den Ausbau
der Nutzung der regenerativen Energiequellen, der Steigerung der Energieeffizienz
und der Verminderung der Importabhängigkeit bei Energieprodukten
II. Die EU-Energie-Strategie
Am 10. Januar 2007 hat die Europäische Kommission ein integriertes Energie- und Klimapaket für eine neue energiepolitische Strategie für Europa zur Bekämpfung der Klimaänderung
und zur Verbesserung der Energieversorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der EU
vorgelegt.
Diese EU-Energie-Strategie schließt den öffentlichen Konsultationsprozess zum EnergieGrünbuch vom März 2006 ab, mit dem die Kommission erstmals seit 1996 (Verhandlungen
zum Amsterdamer Vertrag) ein energiepolitisches Gesamtkonzept erarbeitet und zur Diskussion gestellt hatte. Auf der Basis dieses Dokumentes werden das Europäische Parlament
und die zuständigen Ministerräte über die Grundlinien einer gemeinsamen Energiepolitik
diskutieren. Am 8. März 2007 schließlich soll der Europäische Rat einen Grundsatzbeschluss
fassen.
Deutschland hat zum 1. Januar 2007 für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft und
zugleich für ein Jahr den Vorsitz in der Gruppe der G8-Staaten übernommen. Gerade durch
das zeitliche Zusammenfallen beider Aufgaben kann Deutschland einen Beitrag zur richtungweisenden Gestaltung der europäischen Politik leisten.
Energiepolitik muss das Zieldreieck Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Umweltverträglichkeit berücksichtigen und zugleich andere Politikbereiche wie Technologie- und
Strukturpolitik, Innovationspolitik, Ressourceneffizienz und Beschäftigungssicherung beachten. Nach Auffassung des DGB ist zentrales Instrument einer Energie-Strategie ein langfristiger, nachhaltiger Energiemix, der den drei Zielen gerecht wird. Energieträger müssen so
effizient wie möglich eingesetzt werden, um Kosten zu reduzieren und Umwelt und Klima zu
schonen. Jede Maßnahme zur effizienteren Energienutzung in Europa ist ein Beitrag zur
nachhaltigen Energieversorgung. Es gilt die Abhängigkeit Deutschlands von Rohstoff- und
Energieimporten zu minimieren. Im Energiebereich kann diese Abhängigkeit durch den wei-
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teren Ausbau regenerativer Energieträger langfristig verringert werden, ebenso wie durch
eine effizientere und umweltgerechtere Kohlenutzung.
Der DGB unterstützt die Europäische Kommission in ihrem grundlegenden Ansatz, die
Ziele Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz in Einklang zu bringen. Die Energiestrategie der EU muss jedoch kohärent zur Lissabon-Strategie und
dem in Göteborg vereinbarten Nachhaltigkeitsziel ausgestaltet sein.
Ohne energiepolitische Unterfütterung wird die EU industriepolitisch nicht mit den
führenden Industrieregionen der Erde Schritt halten können. Dann würde Europa die
Wirtschafskraft fehlen, auf die es auch angewiesen ist, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen und seiner klimapolitischen Verantwortung in der Welt gerecht
werden zu können.
III. Zu den Vorschlägen der EU-Strategie im Einzelnen
1. Klimaschutz
Die Kommission schlägt eine Selbstverpflichtung der Europäischen Union für eine Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20% gegenüber dem Stand von 1990 vor.
Sollten die Industrieländer außerhalb der EU mitziehen, ist eine Reduktion von 30% vorgesehen. Darüber hinaus müssen die weltweiten Emissionen bis 2050 um bis zu 50% gegenüber dem Stand von 1990 reduziert werden, was für die Industrieländer bedeutet, dass sie
ihre Emissionen um 60-80% absenken müssen.
Der DGB unterstützt die EU-Kommission in ihren Klimaschutzzielen. Ein Nachlassen im Klimaschutz würde in offensichtlichem Widerspruch zu neuen Erkenntnissen der Klimaforschung stehen. Der am 02.02.2007 veröffentlichte vierte Bericht des IPCC (Zwischenstaatlicher Ausschuss zum Klimawandel) stellt fest, dass die Erwärmung des Klimasystems ohne
jeden Zweifel vorhanden und sehr wahrscheinlich durch vom Menschen freigesetzte (anthropogene) Treibhausgase verursacht worden ist. Der Klimawandel schreitet rascher voran als
bisher angenommen. Die Zuwachsrate des Kohlendioxid-Gehaltes der Luft der letzten zehn
Jahre ist die größte seit 50 Jahren. Die Temperaturzunahme der letzten 50 Jahre ist doppelt
so hoch wie die der letzten 100 Jahre, und die Arktis hat sich doppelt so stark erwärmt wie
im globalen Mittel. Weltweit schrumpfen die Gletscher und tragen gegenwärtig mit 0,8 mm
pro Jahr zum Meeresspiegelanstieg bei. Insgesamt ist der Meeresspiegel seit 1993 durchschnittlich um etwa 3 mm pro Jahr gestiegen, im 20. Jahrhundert also um 17 cm. Davon ist
etwas mehr als die Hälfte verursacht durch thermische Ausdehnung des wärmeren Ozeans,
etwa 25% durch Abschmelzen der Gebirgsgletscher und etwa 15% durch das Abschmelzen
der Eisschilde. Klimasimulationen für die nächsten 100 Jahre sagen eine globale Erwärmung
von 1,8 bis 6,4 Grad Celsius voraus und einen Anstieg des Meeresspiegels von 18 bis 59
cm. Der Niederschlag wird in höheren Breiten zunehmen, während es in den Tropen und
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Subtropen (einschließlich der Mittelmeerregionen) wahrscheinlich zu einer Verminderung
des Niederschlages kommen wird.
Es ist also abzusehen, dass der von Menschen verursachte Klimawandel langfristig zu irreversiblen Schäden führt, die die natürlichen Lebensgrundlagen gefährden. Auch enorme
volkswirtschaftliche Schäden werden verursacht: Der Stern-Bericht der britischen Regierung
schätzt diese Kosten auf bis zu 20% der globalen Wirtschaftsleistung. Nach Berechnungen
des DIW Berlin müssen von der deutschen Volkswirtschaft bis zu 800 Milliarden US-$ in den
kommenden 50 Jahren allein für die Behebung globaler Klimaschäden aufgewendet werden.
Das sind im Durchschnitt jährlich etwa 3% des Bruttosozialprodukts. Demgegenüber sind die
Kosten einer aktiven Klimaschutzpolitik, die auf eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen setzt, deutlich geringer. Sie könnten bis auf 1% des Bruttosozialprodukts reduziert werden.
Der DGB unterstützt die EU-Kommission in ihren Klimaschutzzielen Der DGB fordert
die Bundesregierung auf, sich für Deutschland zu einer Reduzierung der Treibhausgase um 40% bis 2020 gegenüber 1990 zu verpflichten, wenn die EU ihrerseits die
Treibhausgase um 30% bis 2020 verringert.
Die deutsche Industrie fordert der DGB auf, die Klimaschutzziele nicht als Belastung,
sondern als Chance für Innovationskraft und Beschäftigungswirksamkeit zu begreifen,
insbesondere im Hinblick auf den Ausbau der Nutzung der regenerativen Energiequellen, der Steigerung der Energieeffizienz und der Verminderung der Importabhängigkeit bei Energieprodukten.
2. Energiebinnenmarkt
Unter den in der EU-Strategie vorgeschlagenen Maßnahmen wird der Schaffung eines
„echten“ Energiebinnenmarktes am meisten Raum eingeräumt. Im Zentrum der Überlegungen der EU steht hierbei die radikale Trennung von Energieerzeugung und -verteilung über
die Strom- und Gasnetze. Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass alle Energieerzeuger
europaweit einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen haben und zugleich auch die
Verbraucher ihren Anbieter frei wählen können. Die Kommission schlägt vor, die Energiekonzerne zum Verkauf ihrer Netze zu zwingen oder die Bewirtschaftung der im Besitz der
Versorger verbleibenden Netze unabhängigen Netzbetreibern zu übertragen. Darüber hinaus
regt die Kommission eine Stärkung der europäischen Netz-Regulierung an, entweder durch
eine verbindlichere Koordination der nationalen Regulierungsbehörden oder der Schaffung
einer Regulierungsinstanz auf europäischer Ebene.
Der DGB lehnt ungezügelten Neoliberalismus ab. Europa ohne Rücksicht auf Verluste
zu einer energiepolitischen Freihandelszone zu machen, führt in die Irre. Die Liberalisierung des europäischen Energie-Binnenmarktes hat lediglich die Senkung der Energiepreise im Blick. Der DGB warnt davor, einen Wettbewerb im Bereich der Energieversorgung allein über den Preis bewerkstelligen zu wollen. Notwendig ist vielmehr
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ein Gesamtkonzept, das sich an den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Umweltschutz und Beschäftigungssicherung orientiert. Die Verfolgung des
singulären Zieles einer Senkung der Energiepreise führt hingegen nicht zu einem
nachhaltigen Wettbewerb.
Der DGB lehnt eine zwangsweise eigentumsrechtliche Entflechtung der deutschen
Strom- und Gasnetze ab. Das im Jahr 2005 neu geregelte Energiewirtschaftsrecht
sieht bereits die gesellschaftsrechtliche Entflechtung integrierter Unternehmen und
die Regulierung der Netzentgelte durch eine Bundesnetzagentur vor. Die zukünftig
vorgesehene Methode der Anreizregulierung der Netzentgelte ist so auszugestalten,
dass neben den Vorgaben zur Effizienzsteigerung auch geeignetere Anreize dafür geschaffen werden, ausreichende Investitionen in den Erhalt und Ausbau der Netze zu
tätigen, Beschäftigung zu generieren, Tarifvereinbarungen, betriebliche Standards und
Arbeitsbedingungen zu erhalten und Umwelt- und Klimaschutz zu optimieren.
Regulierung der Netzentgelte muss einhergehen mit einer integrierten Netzentwicklungsplanung. Notwendig ist aus Sicht des DGB der Ausbau der Kuppelstellen und
der Netzinfrastruktur. Genehmigungsverfahren dafür sind zu beschleunigen.
3. Beschleunigte Umstellung auf Energieträger mit niedrigem CO2-Austoß
3.1 Erneuerbare Energieträger
Die Kommission schlägt als Ziel einen Anteil von 20% der erneuerbaren Energieträger an
der Gesamtenergieerzeugung für 2020 vor. Dieses Ziel soll durch einen Mindestanteil der
Biokraftstoffe von 10% ergänzt werden.
Der DGB hat am 15.08.2006 in einer gemeinsamen Erklärung mit dem BDI gefordert,
die regenerativen Energieträger im Wettbewerb in den nächsten 25 Jahren zu einem
tragenden Teil der Energieversorgung in Deutschland zu machen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein schlüssiges nationales Energiekonzept zu schaffen, welches die Energieeffizienz weiter erhöht (z.B. durch Kraft-Wärme/Kälte-Kopplung), die
mittel- bis langfristige Sicherung der Energieversorgung im Rahmen eines nachhaltigen Energiemix gewährleistet und die heimische Kohle mit einschließt. In diesem Sinn
unterstützt der DGB das Ziel der Kommission ausdrücklich.
3.2 Energietechnologien
Die Kommission beabsichtigt, einen europäischen Strategieplan für Energietechnologien
vorlegen, der die Ziele verfolgt, die Kosten sauberer Energie zu senken und eine Vorreiterposition der EU-Industrie im sich schnell entwickelnden Sektor kohlenstoffarmer Technologien zu erreichen. Dazu werden die jährlichen Forschungsausgaben im Energiebereich in
den nächsten sieben Jahren um mindestens 50% erhöht.
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Der DGB unterstützt die Kommission in ihrem Anliegen, Europa im Sinne einer neuen
„industriellen Revolution“ zum Vorreiter eines energieeffizienten und CO2-armen
Wachstums zu machen. Die deutsche und die europäische Industrie können so ihre
Technologieführerschaft weiter entwickeln und eine Schlüsselrolle für Wachstum und
Beschäftigung einnehmen. Der DGB unterstützt den breiten Ansatz für eine derartige
Initiative, von der Gebäudesanierung über Brennstoffzellen bis zur Offshore-Windenergie und der CO2-armen Kohle- und Gastechnologie. Die technologische Entwicklung muss zum integralen Bestandteil der Energiepolitik werden.
Damit der technologische Innovationsfortschritt auch zum Einsatz kommt, sind gerade
im Bereich der Energieversorgung aus Sicht des DGB Anreize für eine investitionsorientierte Innovationspolitik notwendig.
3.3 CCS
Die Kommission spricht sich für eine Zukunft mit CO2-armen fossilen Brennstoffen aus: im
Jahr 2020 sollten alle neuen Kohlekraftwerke mit CCS-Technologien ausgestattet sein [CCS
bedeutet Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid] und die bereits vorhandenen
Kraftwerke schrittweise nachgerüstet werden.
Der DGB fordert eine offenere Formulierung zu CCS. Hier stellen sich noch viele Fragen hinsichtlich Machbarkeit, Wirkungsgrad, Transportwegen, langfristiger Sicherheit,
Nachhaltigkeit, Kosten, Akzeptanz, Rechtsrahmen usw.
Der DGB unterstützt die Kommission in ihrem Vorhaben, ein System zur Förderung
des Baus und des Betriebs großmaßstäblicher Demonstrationsanlagen für Technologien zur nachhaltigen Nutzung fossiler Brennstoffe in der kommerziellen Stromerzeugung zu entwickeln, und fordert - parallel zu den dort gewonnenen Erfahrungen - weitere Schritte und zeitliche Perspektiven.
3.4 Kernenergie
Die Kommission empfiehlt, die Entscheidung über die Nutzung von Kernenergie jedem Mitgliedsstaat selber zu überlassen, weist aber darauf hin, bei einem Ausstieg aus der Kernenergie diesen Rückgang durch die Einführung anderer zusätzlicher kohlenstoffarmer Energiequellen für die Stromerzeugung auszugleichen, da es ansonsten schwierig sein dürfte, die
Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und die Erhöhung der Versorgungssicherheit zu erreichen.
Der DGB bedauert, dass die Kommission in ihrem Energiepapier Nachhaltigkeit überwiegend mit Klimaschutz gleichsetzt. Zwar ist die Kernenergie eine weitgehend CO2freie Energieform, jedoch keineswegs nachhaltig. Leider behandelt die Kommission
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Fragen der Betriebssicherheit von Kernkraftwerken oder der Lagerung von radioaktivem Abfall nicht in gebührender Weise.
Der DGB fordert die Bundesregierung auf, an ihrem Beschluss zum Ausstieg aus der
Kernenergie festzuhalten. Anders als die EU-Kommission strebt der DGB eine europaweite und internationale Vereinbarung des Verzichts auf Kernenergie an.
4. Effiziente Energienutzung
Die Kommission bekräftigt ihr Ziel, den Gesamtverbrauch an Primärenergie bis 2020 um
20% zu senken. Dazu schlägt die Kommission u. a. vor, schnell kraftstoffsparende Fahrzeuge einzuführen, Geräte besser zu kennzeichnen, die Energieeffizienz im Gebäudebereich
zu verbessern bis hin zum Abschluss eines internationalen Energieeffizienz-Abkommens.
Auch dieses Effizienzziel wird vom DGB ausdrücklich begrüßt, insbesondere der vorgesehene europäische Strategieplan für Energiespartechnologien und eine Zukunft
mit CO2-armen fossilen Brennstoffen.
Aus Sicht des DGB sind Programme zur Effizienzsteigerung und Energieeinsparung
insbesondere für kleine und mittlere Industrie und Gewerbe und für Haushalte im Zuge
der Liberalisierung vielfach wegen fehlender Wirtschaftlichkeit eingestellt worden. Sie
müssen wieder möglich werden. Für geeignet hält der DGB die Einrichtung eines
Energiesparfonds in ausreichender Höhe. Aus diesem Fonds erhalten Energiedienstleister (EVU, Energieagenturen, private Anbieter) finanzielle Unterstützung,
wenn sie Energiesparberatung und Energiespardienste durchführen.
IV. Ausblick
Grundsätzlich begrüßt der DGB die von der EU-Kommission vorgelegte Energiestrategie und
fordert die Bundesregierung auf, sich für einen nachhaltigen Energie-Aktionsplan einzusetzen und das integrierte Energie- und Klimapaket als Chance für produkt- und beschäftigungspolitische Innovationen zu begreifen.
Nach Auffassung des DGB können nachhaltige, sozial und ökologisch ausgerichtete Innovationsstrategien zu erheblichen Beschäftigungswirkungen führen. Produkte und Verfahren
haben nicht nur schadstoffarm zu sein, sie müssen den Verbrauch an Energie, Rohstoffen
und Flächen so gering wie möglich halten. Dies ist das Qualitätskriterium für Energieeffizienz
und Nachhaltigkeit. Dies ist zugleich Qualitätskriterium für die Wettbewerbsfähigkeit moderner Volkswirtschaften. Denn die Nachfrage nach energieeffizienten Gütern und Dienstleistungen wird in Zukunft steigen. Eine nachhaltige Energiepolitik ist moderne Industriepolitik,
die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sichert.
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Technologische Einzelinnovationen allein werden dabei nicht ausreichen. Die ökonomische
und ökologische Entwicklung der Rohstoff- und Energiewirtschaft hängt nicht nur von der
Innovation der Techniken und Produkte, sondern auch von der Innovation der Prozesse und
Strukturen ab.
Gerade im Klimaschutz bestehen enorme Innovationspotentiale für eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere in den Bedarfsbereichen Infrastruktur, Energie, Mobilität sowie Wohnen und Konsum. Wesentlich sind Innovationen für Energieeinsparung, zur effizienteren
Nutzung von Primärenergien sowie zum Ausbau regenerativer Energieträger. Bei allen Maßnahmen muss jedoch darauf geachtet werden, dass neue Produkte und Verfahren von den
Verbrauchern angenommen und bezahlt werden können. Notwendig hierfür ist deren Einbeziehung durch Anreize für einen nachhaltigen Konsum. Denn wer Klimaschutz als Einschränkung erlebt und nicht als Chance, wird ihn nicht aktiv unterstützen.
Qualitativ muss es darum gehen, den Erhalt natürlicher Ressourcen mit den Ansprüchen
einer hochentwickelten Industriegesellschaft zu verknüpfen. Dies stellt Anforderungen sowohl an das Innovationsfeld Ressourceneffizienz als auch an eine erneuerte energetische
Grundlage.
Ob die von der EU vorgelegte Energie-Strategie ausreichend tragfähig ist, die genannten
Ziele Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz zu erreichen, kann
heute noch nicht abschließend beantwortet werden. Hierzu sind in regelmäßigen Abständen
Evaluation und Anpassung notwendig.
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