Klimafolgen weltweit: Eine Risikoanalyse Ergebnisse aus dem sektorenübergreifenden Modellvergleichsprojekt ISI-MIP www.isi-mip.org Jacob Schewe, PIK Klimamodellierung: Modellvergleich und -entwicklung • CMIP: koordinierter, systematischer Prozess – Modelle rechnen gemeinsame Szenarien, vergleichbare Experimente. • dutzende Forschungsgruppen nehmen teil, Daten frei verfügbar • Jede Runde liefert aktuellen Stand der Forschung, verbleibende Unsicherheiten und Forschungslücken • Kontinuierliche Weiterentwicklung und Ergänzung der Modelle, Verbesserung der Aussagekraft → inzwischen relativ gute Kenntnis über Veränderungen des Klimasystems – bzw. Kenntnis über die Unsicherheiten Temperatur Niederschlag Änderung unter BAU (RCP8.5) bis Ende 21. Jh Gepunktet = hohe Übereinstimmung der Modelle IPCC AR5 Jacob Schewe, PIK Klimafolgen: Fragmentarisches Wissen • Klimafolgen können in verschiedensten natürlichen und menschlichen Systemen auftreten → viele Disziplinen beteiligt • Bisher: Viel Fachliteratur vorhanden, aber… • ...Studien basieren i.d.R. auf einzelnen impact-Modellen; Abschätzung der Unsicherheiten schwierig • verwendete Szenarien und Experimente sind nicht konsistent, Ergebnisse nicht direkt vergleichbar • Studien oft lokal oder regional begrenzt → quantitative Kenntnis der durch Klimawandel verursachten Schäden ist lückenhaft und mitunter wenig belastbar Globale Erwärmung (ggü. 1980-1999) IPCC AR4, WGII, Table 20.8 Jacob Schewe, PIK Modellvergleichsprojekte in der Klimafolgenforschung In den letzten Jahren: Modellvergleichsprojekte in einzelnen Sektoren (Landwirtschaft, Wasserressourcen, Ökosysteme) Wasser Landwirtschaft VIC H08 WaterGAP MacPDM WBM MPI-HM PCRGLOBWB DBH MATSIRO LPJmL JULES GEPIC EPIC pDSSAT DAYCENT IMAGE PEGASUS LPJ-GUESS MCWLA + MAgPIE GLOBIOM LPJmL JULES Küsteninfrastruktur Gesundheit MIASMA MARA VECTRI WHO CCRA Malaria LMM 2005 Biome Hybrid SDGVM JeDi VISIT LPJmL JULES ORCHIDEE DIVA Zusammenarbeit von Forschergruppen aus 11 Ländern Koordiniert am PIK, Unterstützung von BMBF, IIASA, CSC Seit 2012: ISI-MIP (Inter-sectoral Impact Model Intercomparison Project Sektorübergreifender Impakt-Modellvergleich) ISI-MIP: >30 Modelle aus 5 Sektoren • global • angetrieben von den gleichen Klimaszenarien und –modellen (CMIP5, RCPs) • gleicher Experimentaufbau, harmonisierte Datenprozessierung, Daten öffentlich zugänglich → Vergleichbarkeit über alle Modelle und Sektoren hinweg → Unsicherheiten können quantifiziert und verschiedenen Quellen (Klimamodelle, Impaktmodelle, Szenarien) zugeordnet werden → Aktueller Stand der Forschung bei der Modellierung von Klimawandelfolgen Jacob Schewe, PIK Ergebnisse der ersten Projektphase (Auswahl) Jacob Schewe, PIK Wasserressourcen Relative Änderung des jährlichen Abflusses, Mittel über alle Modelle Robuste Zunahme: hohe nördliche Breiten, Ostafrika, Indien… Robuste Abnahme: Mittelmeerraum, Südosteuropa, Naher & Mittlerer Osten, südl. Afrika, Teile von USA und Südamerika… Gebiete mit großer Unsicherheit: z.B. China, Australien… Jacob Schewe, PIK Schewe et al., 2013 Wasserknappheit Business-as-usual-Szenario (RCP8.5, SSP2): ca. 12% der Weltbevölkerung wird in von absoluter Wasserknappheit betroffenen Ländern leben (Mittelwert aller Modelle). absolute Wasserknappheit Grund: Zusammenspiel von Bevölkerungsentwicklung und Klimawandel Klimawandel verstärkt den Effekt des Bevölkerungswachstums um weitere 40% % globale Erwärmung relativ zu 1980-2010, C Verstärkung durch Klimaw. Stärkste Klimawandeleffekte bereits bei geringer Erwärmung! globale Erwärmung relativ zu 1980-2010, C Jacob Schewe, PIK Schewe et al., 2013 Grundwasser Grundwasserneubildung, Ende 21. Jh. Grundwasser bereits heute stark übernutzt (Gleeson et al., 2012) Veränderung in % 1 hydrologisches Modell, 5 Klimamodelle Portmann et al., 2013 Jacob Schewe, PIK hydrologische Dürren Alle Modelle, Mittelwert • Häufung/Verschärfung von Dürreperioden wahrscheinlich unter allen Klimaszenarien Alle Modelle, S/N ratio RCP8.5, end of century % Änderung in Dürretagen • • Prudhomme et al., 2013 Jacob Schewe, PIK Insgesamt hohe Unsicherheit, teilweise wegen CO2 -Düngungseffekt Aber: Klares Signal auf globaler Ebene und für einige hotspots Hochwasser Änderung des 30-Jahres-Hochwassers (alle Modelle, Mittelwert) • Zunahme des Hochwasserrisikos v.a. in Asien, Teilen von Nord- und Südamerika und Afrika. • Großräumige Muster sind ähnlich in verschiedenen hydrologischen und Klimamodellen, … • …jedoch große Unsicherheiten auf lokaler Ebene RCP8.5, Ende 21. Jh. Dankers et al., 2013 Jacob Schewe, PIK Landwirtschaft: potentielle Erträge Alle Modelle, BAU-Szenario (RCP8.5) > +50% mit CO2-Düngungseffekt • • • Rückgang in Tropen und Subtropen Zunahme in hohen Breiten (jedoch: Bodenqualität ausreichend?) Starkes Signal bei Mais und Weizen, weniger bei Reis und Soja Rosenzweig et al., 2013 Jacob Schewe, PIK < -50% Landwirtschaft: potentielle Erträge Modelle mit expliziter Stickstoffdüngung • • • Stickstoffdüngung und CO2Düngung interagieren; bei limitiertem Stickstoff ist CO2Düngung weniger effektiv Stärkere Verluste in Tropen und Subtropen, weniger Potential in hohen Breiten Vgl: 2012 Dürre in USA – bis zu 25% Ernteverlust bei Mais Modelle ohne explizite Stickstoffdüngung < -50% > +50% Jacob Schewe, PIK Rosenzweig et al., 2013 Landwirtschaft: Anpassungsoptionen Ausweitung der Bewässerungsflächen (Wasserverfügbarkeit berücksichtigt) Mit CO2-Effekt und Ausweitung der Bewässerung Petakalorien Mit CO2-Effekt, ohne Ausweitung der Bewässerung Ohne CO2-Effekt, mit Ausweitung der Bewässerung Ohne CO2-Effekt, ohne Ausweitung der Bewässerung Globale Produktion an Mais, Weizen, Reis, Soja unter BAU (RCP8.5) ...kann vorübergehend Klimaeffekt ausgleichen, aber nicht langfristig. Plus: Steigender Bedarf durch Bevölkerungswachstum; weitere Klimarisiken (Schädlinge, Dürren, Landverlust durch Meeresspiegelanstieg) Elliott et al., 2013; Frieler et al., in prep. Jacob Schewe, PIK Weitere Anpassungsmöglichkeiten: • Ausweitung der Anbauflächen? (auf Kosten natürlicher Ökosysteme/CO2Senken, Platz für Energiepflanzen...) • Technologischer Fortschritt, mehr Düngereinsatz? Überflutung von Küstengebieten Durch Meeresspiegelanstieg wären jedes Jahr hunderte Millionen Menschen Überflutungen ausgesetzt. So weit wird es nicht kommen: Verstärkung des Küstenschutzes und/oder Verlagerung des Siedlungsbaus → Hohe Kosten für Bau und Erhaltung von Deichen etc. → Hohes Katastrophenrisiko bei Deichbruch → ggf. Aufgabe von Land und Siedlungen an den Küsten C Hinkel et al. (2013) Jacob Schewe, PIK Natürliche Ökosysteme Anteil der natürlichen Vegetation Risiko schwerwiegender Verschiebungen der Landbiome (z.B. Nadelwald vs. Laubwald, Strauchland vs. tropischer Wald…) → u.a. Veränderung der Kohlenstoffflüsse und –speicher; Gefahr von Klimafeedbacks Temperatur Zeit Risiko steigt mit der Temperatur, unabhängig von der Geschwindigkeit globale Erwärmung relativ zu 1980-2010, C Bei 4 C sind ca. 30-50% der heutigen Vegetation betroffen Jacob Schewe, PIK Warszawski et al., 2013 Verbreitung von Krankheiten Beispiel: Malaria Global: Zunahme der von Malaria bedrohten Bevölkerung; insbes. in bestimmten Gebieten (Afrikan. Hochland, Südamerika, Südostasien) Aber: Wenig Übereinstimmung zwischen Modellen; quantitative Forschung steht noch am Anfang – umso mehr für andere Krankheiten! Caminade et al. (2014) Jacob Schewe, PIK Hotspots Räumliches Zusammenfallen von starken Klimawandelfolgen in zwei oder mehr Sektoren, bei ungebremstem Klimawandel (4.5 C) Beispiel Mittel- und Südeuropa: • Abnehmende Wasserressourcen • Risiko starker Veränderungen der Ökosysteme • Evtl. abnehmende landwirtschaftliche Produktivität Piontek et al., 2013 Jacob Schewe, PIK Zusammenfassung: Was sagen uns globale Modellstudien zum Thema Anpassung? 1. Das Ausmaß der nötigen Anpassung ist enorm. - ungebremster Klimawandel führt in jedem der untersuchten Sektoren zu starkem Anpassungsdruck (Wasser, Landwirtschaft, Ökosysteme, Küsten, …) – zusätzlich zu ohnehin bestehenden Stressoren (z.B. Bevölkerungswachstum) - dabei sind verstärkende Wechselwirkungen zwischen den Sektoren noch kaum berücksichtigt - Anpassung ist weltweit notwendig; auch in Europa werden starke Auswirkungen erwartet 2. Jedes Grad zählt. - Risiken steigen mit der globalen Temperatur, oft unabhängig vom Szenario. → jede Begrenzung des Klimawandels vermeidet Schäden. - In manchen Fällen besonders starker Anstieg bereits bei niedrigen Temperaturen. → Unterschied zwischen 1.5 , 2 , 3 C. 3. Anpassung muss mit Unsicherheit leben. - lückenhaftes Prozessverständnis, natürliche Variabilität, unklare Stabilisierungsziele… - quantitative Vorhersagen nur begrenzt möglich - nicht nur Veränderung des mittleren Klimas, sondern auch Zunahme der Schwankungsbreite → angepasste Systeme sind flexibel und fehlertolerant Jacob Schewe, PIK Wie geht es weiter? Verbesserungsbedarf bei den hier verwendeten Modellen → ISI-MIP soll ein dauerhafter Prozess von Modellvergleich und –verbesserung werden, von der Forschungsgemeinde vorangetrieben (ähnlich CMIP) Offene Fragen: • Was sind die direkten ökonomischen Folgen der hier gezeigten Impakts? • Gibt es indirekte Schäden (z.B. durch Störung von Handelswegen, Märkten etc.)? • Sind die Auswirkungen von Extremereignissen ausreichend berücksichtigt? • Was ist mit weiteren Sektoren? • Was ist mit Wechselwirkungen zwischen Sektoren? ...erst so entsteht ein vollständiges Bild der Auswirkungen von 2, 3, 4 C globaler Erwärmung. Zusammenarbeit mit bestehenden Projekten ISI-MIP2: • • • • • Weitere Sektoren regionale und globale Modelle Modellverbesserung insbes. im Hinblick auf Extremereignisse Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Sektoren Integration verschiedener Sektoren durch ökonomische Modellierung Jacob Schewe, PIK Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Jacob Schewe, PIK