Mehrwertige Logiken

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SE MODALLOGIK UND ANDERE
PHILOSOPHISCH RELEVANTE LOGIKEN
WS 2015/16 — ESTHER RAMHARTER &
GÜNTHER EDER
DAS ZWEIWERTIGKEITS- ODER
BIVALENZPRINZIP
•
Einer der Gründe warum PhilosophInnen / LogikerInnen sich mit
nicht-klassischen Logiken beschäftigen ist, dass klassische Logik
oft idealisierende Annahmen trifft, die für natürliche Sprachen
schwer zu rechtfertigen sind
•
Eines davon ist das Bivalenz- oder Zweiwertigkeitsprinzip:
Jeder Satz hat genau einen von zwei Wahrheitswerten, wahr oder
falsch
•
Das Prinzip der Zweiwertigkeit führt zu einer sehr einfachen Logik,
aber ist es korrekt für natürliche Sprachen?
„GEGENBEISPIEL I“: KONTINGENTE
ZUKUNFTSAUSSAGEN
•
Aristoteles’ Bestimmung von Wahrheit in seiner Metaphysik:
„Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist
falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nichtseiende sei
nicht, ist wahr.“ (Aristoteles: Metaphysik, 1011b)
•
Diese Stelle wird von den meisten als klassische Variante der
Korrespondenztheorie interpretiert, die oft auch so formuliert wird:
(W) Ein Satz ist wahr, wenn die Tatsachen so liegen, wie der Satz sagt,
dass sie liegen
(F) Ein Satz ist falsch, wenn die Tatsachen so liegen, wie die Negation
des Satzes sagt, dass sie liegen
„GEGENBEISPIEL I“: KONTINGENTE
ZUKUNFTSAUSSAGEN
„Bei den seienden und gewordenen Dingen muss also die Bejahung oder die Verneinung
wahr oder falsch sein […] Bei den einzelnen erst kommenden Dingen verhält es sich aber
nicht ebenso. Denn wenn hier jede Bejahung und Verneinung ohne Ausnahme wahr oder
falsch wäre und Alles entweder sein oder nicht-sein müsste und nun der Eine sagte, es
werde sein, der Andere aber, es werde nicht sein, so ist klar, dass dann einer von beiden
nothwendig die Wahrheit sagte […]
Wenn nun dies [Zweiwertigkeit, Anm.] auch für die erst kommenden Dinge gelten sollte,
so würde oder wäre nichts aus Zufall, oder so, wie es sich gerade trifft und dies gälte auch
für das erst in Zukunft Werdende. Alles würde vielmehr aus Nothwendigkeit und nicht wie
es sich gerade trifft. […] Widersinnig ist nun aber dies und andres der Art, was sich ergiebt,
wenn von jeder Bejahung und Verneinung […] nothwendig einer ihrer Gegensätze wahr
und der andere falsch sein muss, und wenn von dem, was geschieht, nichts so, wie es sich
gerade trifft, geschehen kann, sondern alles aus Nothwendigkeit sein oder werden müsste.
Man brauchte dann auch nicht zu berathschlagen und sich zu bemühen, damit, wenn man
so handle, dies geschehen werde und wenn man nicht so handle, dies nicht geschehen
werde.“ (Aristoteles: De Interpretatione, 9. Kapitel)
„GEGENBEISPIEL I“: KONTINGENTE
ZUKUNFTSAUSSAGEN
Aristoteles Argument:
(1)
Angenommen der Satz „Morgen wird eine Seeschlacht stattfinden“ ist schon heute
definitiv wahr / falsch
(2)
Dann muss es schon jetzt eine Tatsache geben, die den Satz „Morgen wird eine
Seeschlacht stattfinden“ wahr / falsch macht
(3)
Aber anzunehmen, dass schon heute feststeht, was morgen passieren wird, heisst
anzunehmen, dass alles schon vorherbestimmt ist (☛ Determinismus)
(4)
Determinismus ist aber falsch
_____________________________
(5) Also kann die Annahme, dass der Satz „Morgen wird eine Seeschlacht stattfinden“
definitiv wahr / falsch ist, nicht stimmen.
„GEGENBEISPIEL II“: SÄTZE DIE
VAGE PRÄDIKATE ENTHALTEN
•
Eine weitere Klasse von Sätzen, die oft als weder (definitiv) wahr, noch (definitiv)
falsch angesehen werden, sind Sätze die vage Prädikate beinhalten.
•
Achtung: Vagheit ≠ Ambiguitität/Mehrdeutigkeit!
•
•
Ein Prädikat P ist mehrdeutig wenn P mehrere klar voneinander abgegrenzte
Bedeutungen hat. Z.B. ist „Bank“ ambig mit Bedeutungen „Geldinstitut“,
„Sitzgelegenheit“, …
•
Ein (disambiguiertes) Prädikat P ist vage, wenn P keine klar abgegrenzte
Bedeutung hat und deshalb wenn P Borderline-Fälle zulässt, d.h. individuelle
Fälle a von denen nicht klar ist, ob Pa wahr ist oder falsch.
Aussagen, die vage Prädikate beinhalten sind auch logisch-philosophisch
interessant, da sie zu Paradoxien führen ☛ Sorites Paradox (= „Haufen Paradox“)
„GEGENBEISPIEL II“: SÄTZE DIE
VAGUE PRÄDIKATE ENTHALTEN
•
Folgende drei Annahmen zum Begriff „Glatze“ führen sehr einfach zu einem Widerspruch:
(i) Jemand mit keinem einzigem Haar auf dem Kopf hat eine Glatze
(ii) Durch Hinzufügen eines einzelnen Haares wird aus jemandem mit Glatze nicht jemand
ohne Glatze
(iii) Einige Leute (z.B. Herbert Prohaska in den 80ern) haben keine Glatze
•
Das Argument ist sehr einfach und benutzt nur wenige Ressourcen (i.W. Modus Ponens):
(1) Jemand mit 0 Haaren hat eine Glatze
(2) Wenn jemand mit 0 Haaren eine Glatze hat, dann hat auch jemand mit 1 Haar eine Glatze
(3) Jemand mit 1 Haar hat eine Glatze
(4) Wenn jemand mit 1 Haar eine Glatze hat, dann hat auch jemand mit 2 Haaren eine Glatze
…
(180.001) Jemand mit 90.000 Haaren (etwa Herbert Prohaska in den 80ern) hat eine Glatze
„GEGENBEISPIEL III“: DIE
LÜGNER-PARADOXIE
•
Im Brief des Paulus an Titus (Tit. 1,12 f) steht:
„Es hat einer von ihnen gesagt, ihr eigener Prophet: Die Kreter sind immer
Lügner, böse Tiere und faule Bäuche. Dieses Zeugnis ist wahr. Aus diesem
Grund weise sie scharf zurecht, damit sie gesund werden im Glauben.“
•
Das Zeugnis des Kreter-Propheten kann auf zwei Arten gelesen werden:
(Version 1) Der Kreter-Prophet sagt: „Alle Kreter lügen manchmal“
☛ führt zu keinem Widerspruch und kann wahr sein.
(Version 2) Der Kreter-Prophet sagt: „Alle Kreter lügen immer“
☛ führt zu keinem Widerspruch, muss aber falsch sein.
„GEGENBEISPIEL III“: DIE
LÜGNER-PARADOXIE
•
Obwohl der Kreter-Satz selbst noch nicht paradox ist, können wir einfache Sätze angeben, die
tatsächlich zu Widersprüchen führen:
(L)
•
L ist falsch
Klassischerweise können nur zwei Fälle eintreten: L ist wahr oder falsch
Fall 1: Angenommen L ist wahr. Dann ist das was der Satz sagt, der Fall. Also ist der Satz L falsch.
☛ Wenn L wahr ist, ist L falsch.
Fall 2: Angenommen L ist falsch. Dann ist das was der Satz sagt, nicht der Fall. L ist also nicht
falsch, d.h. wahr.
☛ Wenn L also falsch ist, dann ist L wahr
Insgesamt gilt also, dass L wahr ist gdw. L falsch ist—ein Widerspruch (wenn wir annehmen, dass
es nur zwei Wahrheitswerte gibt und das Haben des einen das Haben des anderen ausschließt)!
EINE UNIFORME LÖSUNG?
•
Ein wichtiger Ansatz zur „Auflösung“ dieser Probleme besteht
darin, das Prinzip der Zweiwertigkeit aufzugeben. Das führt zur
Mehrwertigen Logik
•
In den einfachsten mehrwertigen Logiken, den dreiwertigen
Logiken, gibt es zusätzlich zu den üblichen zwei Wahrheitswerten
auch noch einen dritten Wahrheitswert, der, je nach intendierter
Anwendung, als Wahrheitswertlücke oder Wahrheitswertballung
interpretiert wird
•
Mehrwertige Logiken können aber auch 4, 5, … 17 oder sogar
unendlich viele Wahrheitswerte enthalten (☛ Fuzzy-Logic)
GRUNDLEGENDES ZU
MEHRWERTIGEN LOGIKEN
•
Die Syntax / Grammatik der mehrwertigen Logiken, die wir uns ansehen wereden, ist dieselbe wie
in der klassischen AL, d.h. wir haben Aussagebuchstaben p, q, r…, Junktoren ∧, ¬, ∨, →, und
Klammern (auch im Fall der PL bleibt alles wie gehabt).
•
Um eine vernünftige Logik zu bekommen (zunächst beschränkt auf AL) und damit einen Begriff
von logischer Wahrheit / logischer Folgerung, müssen wir zuerst eine Semantik für diese Sprache
angeben!
•
Dazu müssen wir angeben,
(i) welche Wahrheitswerte atomare Aussagen annehmen können
(ii) wie die Wahrheitswerte komplexer Aussagen von den Wahrheitswerten der einfacheren
Teilaussagen abhängen. M.a.W.: jedem Junktor muss eine bestimmte Wahrheitsfunktion
zugeordnet werden.
•
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten! Welche wir wählen wird davon abhängen was die
intendierte Anwendung der jeweiligen Logik sind.
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE LOGIK L 3
UND KONTINGENTE ZUKUNFTSAUSSAGEN
•
Eine einfache dreiwertige Logik ist die Logik L3 von Jan Lukasiewicz, der mit
seiner dreiwertigen Logik mit kontingenten Zukunftsaussagen zurechtkommen
wollte.
•
In Lukasiewicz’ dreiwertiger Logik L3 haben wir drei Wahrheitswerte: wahr, falsch
und undefiniert, kurz: w, f und u.
•
In L3 wird der dritte Wahrheitswert u als Wahrheitswertlücke (d.h. als „weder wahr
noch falsch“) interpretiert — was plausibel ist: kontingente Zukunftsaussagen sind
ja (noch) nicht wahr und auch (noch) nicht falsch: only time will tell!
•
Die semantischen Festlegungen für die Junktoren L3 (d.h. die
Wahrheitsfunktionen, die den Junktoren entsprechen) kann man sich dann —
genau so wie im klassischen, zweiwertigen Fall — durch Wahrheitstafeln
veranschaulichen
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für Negation:
¬
w
P ¬P
f
u
f
w
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Negation wie
gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
f
u
w
f
w
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für Negation:
¬
P ¬P
w
f
w
f
u
u
u
u
f
w
f
w
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Negation wie
gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für Lukasiewicz-Konjunktion:
∧
w
w
w
u
f
P Q
P∧Q
f
w w
w
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Konjunktion
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
w u
u
f
•
f
f
w
f
f
u w
u
u
u
f
f
w
f
u
f
f
f
f
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für Lukasiewicz-Konjunktion:
∧
w
u
f
P Q
P∧Q
w
w
u
f
w w
w
u
u
w u
u
f
f
w
f
f
u w
u
f
u
u
u
f
f
w
f
u
f
f
f
f
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Konjunktion
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für Lukasiewicz-Konjunktion:
∧
w
u
f
P Q
P∧Q
w
w
u
f
w w
w
u
u
u
w u
u
f
f
w
f
f
u w
u
u
u
u
u
f
f
w
f
u
f
f
f
f
f
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Konjunktion
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für Lukasiewicz-Konjunktion:
∧
w
u
f
P Q
P∧Q
w
w
u
f
w w
w
u
u
u
f
w u
u
f
f
f
f
w
f
f
u w
u
u
u
u
u
f
f
f
w
f
f
u
f
f
f
f
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Konjunktion
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für die Lukasiewicz-Disjunktion:
∨
w
w
w
u
f
P Q
P∨Q
w
w w
w
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Disjunktion wie
gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
w u
u
f
•
w
f
w
f
w
u w
u
u
u
f
f
w
f
u
f
f
w
f
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für die Lukasiewicz-Disjunktion:
∨
w
u
f
P Q
P∨Q
w
w
w
w
w w
w
u
w
w u
w
f
w
w
f
w
u w
w
f
u
u
u
f
f
w
f
u
f
f
w
f
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Disjunktion wie
gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für die Lukasiewicz-Disjunktion:
∨
w
u
f
P Q
P∨Q
w
w
w
w
w w
w
u
w
u
w u
w
f
w
w
f
w
u w
w
u
u
u
u
f
f
w
f
u
f
f
f
w
f
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Disjunktion wie
gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für die Lukasiewicz-Disjunktion:
∨
w
u
f
P Q
P∨Q
w
w
w
w
w w
w
u
w
u
u
w u
w
f
w
u
f
w
f
w
u w
w
u
u
u
u
f
u
f
w
w
f
u
u
f
f
f
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich die Disjunktion wie
gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für das Lukasiewicz-Konditional:
⟶ w
w
w
u
f
P Q P⟶Q
f
w w
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich das Konditional
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
w
w u
u
f
•
w
w
w
f
f
u w
u
u
u
f
f
w
f
u
f
f
w
w
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für das Lukasiewicz-Konditional:
⟶ w
w
w
u
w
f
w
u
f
P Q P⟶Q
f
w w
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich das Konditional
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
w
w u
w
w
w
f
f
u w
w
u
u
u
f
f
w
w
f
u
w
f
f
w
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für das Lukasiewicz-Konditional:
⟶ w
u
f
P Q P⟶Q
w
w
u
f
w w
w
u
w
u
w u
u
f
w
w
w
f
f
u w
w
w
u
u
u
f
u
f
w
w
f
u
w
f
f
w
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich das Konditional
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier die Tafel für das Lukasiewicz-Konditional:
⟶ w
u
f
P Q P⟶Q
w
w
u
f
w w
w
u
w
w
u
w u
u
f
w
w
w
w
f
f
u w
w
u
u
w
u
f
u
f
w
w
f
u
w
f
f
w
•
Für klassische
Wahrheitswerte soll
sich das Konditional
wie gehabt verhalten
•
Was ist mit nichtklassischen Werten?
•
Klingt komisch, ist aber
so
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
Hier noch einmal eine Zusammenstellung der LukasiewiczJunktoren:
¬
∧
w
u
f
∨
w
u
f
⟶ w
u
f
w
f
w
w
u
f
w
w
w
w
w
w
u
f
u
u
u
u
u
f
u
w
u
u
u
w
w
u
f
w
f
f
f
f
f
w
u
f
f
w
w
w
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
Ähnlich wie im klassischen Fall auch, können wir jetzt die Begriffe der
logischen Wahrheit und der logischen Folgerung über den Begriff der
Interpretation definieren
•
Eine L3-Interpretation ist eine Funktion, die jedem atomaren Satz einen
der drei Wahrheitswerte w, f oder u zuordnet
•
D.h. eine L3-Interpretation für eine AL-Signatur {p, q, r, …} ist eine Funktion
•
•
I: {p, q, r, …} ⟶ {w, f, u}
Ein beliebig komplexer Satz α ist wahr / falsch / undefiniert in einer
Interpretation I, wenn gemäß unseren semantischen Festlegungen bzgl.
der Junktoren wahr / falsch / undefiniert ist.
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
Bevor wir die Begriffe der logischen Wahrheit / Folgerung für definieren
können, brauchen wir noch den Begriff des designierten Werts
•
In der klassischen Logik war die Wahl des Wertes, den ein Satz immer haben
muss, damit er eine logische Wahrheit ist, sehr einfach: er muss in jeder
Interpretation den Wert w (wahr) haben.
•
Ähnlich für den klassischen logischen Folgerungsbegriff: damit ein Satz A logisch
aus einer Menge von Prämissen folgt, muss A in jeder Interpretation den Wert w
haben, in der auch alle Prämissen den Wert w haben.
•
Man sagt auch, dass w klassischerweise der einzige designierte Wert ist.
•
Da es in mehrwertigen Logiken zusätzliche Wahrheitswerte gibt, gibt es hier
Spielraum: es kann auch mehrere designierte Werte geben.
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
In der Logik L3 gibt es, wie in der klassischen Logik, nur einen
einzigen designierten Wahrheitswert, nämlich w
•
Wir können jetzt definieren:
•
Ein Satz α ist eine L3-logische Folgerung aus S gdw. α in jeder
L3-Interpretation den Wert w hat, in der auch alle Sätze in S den
Wert w haben (in Zeichen: S ⊨L3 α)
•
Ein Satz α ist L3-logisch wahr (eine L3-Tautologie) gdw. α in jeder
L3-Interpretation den Wert w hat (in Zeichen: ⊨L3 α)
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
•
Logische Wahrheit / Folgerung können in L3 genauso wie in
klassischer Logik überprüft werden, nämlich mit Wahrheitstafeln!
P
P ∨ ¬P
w
w
u
u
f
w
Diese Wahrheitstafel zeigt, dass das Gesetz vom Ausgeschlossenen Dritten
P ∨ ¬P in L3 nicht mehr logisch wahr ist
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
•
Logische Wahrheit / Folgerung können in L3 genauso wie in
klassischer Logik überprüft werden, nämlich mit Wahrheitstafeln!
P
P ∨ ¬P
w
w
u
u
f
w
•
Logiken, in denen das
Gesetz vom
ausgeschlossenen Dritten
nicht mehr gilt, nennt
man manchmal auch
paravollständige Logiken
(„paracomplete“)
Diese Wahrheitstafel zeigt, dass das Gesetz vom Ausgeschlossenen Dritten
P ∨ ¬P in L3 nicht mehr logisch wahr ist
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
Logische Wahrheit / Folgerung können in L3 genauso wie in
klassischer Logik überprüft werden, nämlich mit Wahrheitstafeln!
P
P ∨ ¬P
P
P⟶P
w
w
w
w
u
u
u
w
f
w
f
w
•
Logiken, in denen das
Gesetz vom
ausgeschlossenen Dritten
nicht mehr gilt, nennt
man manchmal auch
paravollständige Logiken
(„paracomplete“)
•
Diese Wahrheitstafel zeigt, dass das Gesetz vom Ausgeschlossenen Dritten
P ∨ ¬P in L3 nicht mehr logisch wahr ist
•
Die zweite Wahrheitstafel zeigt, dass P ⟶ P auch in L3 noch logisch wahr ist
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
Folgende Wahrheitstafel zeigt, dass das Ex Contradictione
Quodlibet in L3 nicht allgemeingültig ist
P Q
(P ∧ ¬P) ⟶ Q
w w
w
w u
w
w
f
w
u w
w
u
u
w
u
f
u
f
w
w
f
u
w
f
f
w
•
Logiken, in denen das Ex
Contradictione nicht gilt, nennt man
auch Formel-parakonsistente Logiken
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
Folgende Wahrheitstafel zeigt, dass das Ex Contradictione
Quodlibet in L3 nicht allgemeingültig ist
P Q
(P ∧ ¬P) ⟶ Q
w w
w
w u
w
w
f
w
u w
w
u
u
w
u
f
u
f
w
w
f
u
w
f
f
w
•
Logiken, in denen das Ex
Contradictione nicht gilt, nennt man
auch Formel-parakonsistente Logiken
•
Logiken, in denen die entsprechende
Schlussform (P ∧ ¬P) ⊨ Q (auch oft Ex
Contradictione Quodlibet oder
„Principle of Explosion“ genannt) nicht
gilt, heissen Schluss-parakonsistent
oder einfach parakonsistent
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
In mehrwertigen Logiken ist es üblich, statt der Buchstaben w, f, u,
… reelle Zahlen zwischen 0 und 1 zu verwenden um
Wahrheitswerte zu bezeichnen (warum das nützlich ist, wird sich
gleich zeigen)
•
Die Wahrheitstafeln für die Junktoren in der Lukasiewicz-Logik L3
kann man sich also so anschreiben
¬
∧
1
1/
0
∨
1
1/
0
⟶ 1
2
2
1/
0
2
1
0
1
1
1/
0
1
1
1
1
1
1
1/
0
1/
1/
1/
1/
1/
0
1/
1
1/
1/
1/
1
1
1/
0
1
0
0
0
0
0
1
1/
0
0
1
1
1
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
LUKASIEWICZ’ DREIWERTIGE
LOGIK L 3
•
Gemäß dieser Konvention ist also eine L3-Interpretation eine
Funktion I: {p, q, r, …} ⟶ {1, 1/2, 0}
•
Wir können dann (re-)definieren:
•
Ein Satz α ist eine L3-logische Folgerung aus S gdw. α in jeder
L3-Interpretation den Wert 1 hat, in der auch alle Sätze in S den
Wert 1 haben (in Zeichen: S ⊨L3 α)
•
Ein Satz α ist L3-logisch wahr (eine L3-Tautologie) gdw. α in jeder
L3-Interpretation den Wert 1 hat (in Zeichen: ⊨L3 α)
MEHRWERTIGE LOGIKEN
ALLGEMEIN
•
Eine mehrwertige Logik kann man also auffassen als Tripel ⟨W, M, D⟩
•
wobei W eine Menge der Wahrheitswerten ist (im Fall L3 die Menge {1,
1
/2, 0}).
•
M eine Menge von Wahrheitsfunktionen (im endlichen Fall
repräsentiert durch Wahrheitstafeln) für die Junktoren ∧, ¬, ∨, und → ist
(im Fall von L3 die Wahrheitstafeln von vorhin).
•
D ⊆ W eine Menge von designierten Werten ist (im Fall von die Menge
L3 die Menge {1}).
Weitere mehrwertige Logiken erhält man also, indem man an einem
dieser drei Rädchen schraubt
KLEENES DREIWERTIGE LOGIK
K3
•
Eine Variante von L3, Kleenes dreiwertige Logik K3, erhält man, indem man die
Wahrheitstafel für das Konditional wie folgt abändert:
⟶ w
u
f
⟶ 1
1/
0
w
w
u
f
1
1
1/
0
u
w
u
u
1/
1
1/
1/
f
w
w
w
0
1
1
1
2
2
2
2
2
•
Das einzige, das sich ändert ist also, dass in K3 ein Konditional nur mehr undefiniert
ist wenn sowohl Antezedens als auch Konsequenz undefiniert sind (und nicht mehr
wahr ist, wie in L3)
•
Wie in L3 ist auch in K3 der einzige designierte Wert 1, d.h. K3 = ⟨{0, /2, 1}, M’, {1}⟩,
wobei M’ wie M von früher ist, nur dass wir die Wahrheitstafel für das KleeneKonditional verwenden, um die Wahrheitsbedingungen von ⟶ festzulegen
1
KLEENES DREIWERTIGE LOGIK
K3
•
Wie in L3 is auch in K3 das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten P
∨ ¬P nicht mehr logisch wahr, d.h. ⊭K3 P ∨ ¬P!
P
P ∨ ¬P
1
1
1/
1/
0
1
2
2
KLEENES DREIWERTIGE LOGIK
K3
•
Wie in L3 is auch in K3 das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten P
∨ ¬P nicht mehr logisch wahr, d.h. ⊭K3 P ∨ ¬P!
P
P ∨ ¬P
P
P⟶P
1
1
1
1
1/
1/
1/
1/
0
1
0
1
2
•
2
2
2
Andererseits ist aufgrund der neuen semantischen Eigenschaften
des Konditionals auch P ⟶ P keine logische Wahrheit mehr!
KLEENES DREIWERTIGE LOGIK
K3
•
(Fast) dieselbe Wahrheitstafel wie vorhin zeigt, dass das Ex
Contradictione Quodlibet auch in K3 nicht gültig ist
P
Q
(P ∧ ¬P) ⟶ Q
1
1
1
1
1/
1
1
0
1
1/
1
1
1/
1/
1/
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0
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0
1
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0
1/
1
0
0
1
2
2
2
2
2
2
2
2
KLEENES DREIWERTIGE LOGIK
K3
•
(Fast) dieselbe Wahrheitstafel wie vorhin zeigt, dass das Ex
Contradictione Quodlibet auch in K3 nicht gültig ist
P
Q
(P ∧ ¬P) ⟶ Q
1
1
1
1
1/
1
1
0
1
1/
1
1
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1/
1/
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0
1/
0
1
1
0
1/
1
0
0
1
2
2
2
2
2
2
2
2
•
Tatsächlich kann man zeigen,
dass es in K3 überhaupt keine
logischen Wahrheiten mehr
gibt!
KLEENES DREIWERTIGE LOGIK
K3
•
(Fast) dieselbe Wahrheitstafel wie vorhin zeigt, dass das Ex
Contradictione Quodlibet auch in K3 nicht gültig ist
P
Q
(P ∧ ¬P) ⟶ Q
1
1
1
1
1/
1
1
0
1
1/
1
1
1/
1/
1/
1/
0
1/
0
1
1
0
1/
1
0
0
1
2
2
2
2
2
2
2
2
•
Tatsächlich kann man zeigen,
dass es in K3 überhaupt keine
logischen Wahrheiten mehr
gibt!
•
Das bedeutet andererseits nicht,
dass es keine gültigen
Argumente mehr gibt!
KLEENES DREIWERTIGE LOGIK
K3
•
Folgende Tafel zeigt z.B. dass gilt: {P ⟶ Q} ⊨K3 ¬Q ⟶ ¬P
P
Q
P⟶Q
¬Q ⟶ ¬P
1
1
1
1
1
1/
1/
1/
1
0
0
0
1/
1
1
1
1/
1/
1/
1/
1/
0
1/
1/
0
1
1
1
0
1/
1
1
0
0
1
1
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
•
Andererseits ist (P ⟶ Q) ⟶ (¬Q ⟶
¬P) keine K3-logische Wahrheit mehr!
•
Das zeigt, dass in K3 der
Zusammenhang
α ⊨K3 β
⊨K3 α ⟶ β
(eine semantische Variante des
Deduktionstheorems) nicht mehr gilt!
PRIESTS DREIWERTIGE LOGIK LP
•
•
Eine Variante von Kleenes Logik K3, die dreiwertige Logik LP (manchmal
auch P3), ergibt sich, wenn man statt nur mehr einem designierten
Wahrheitswert (nämlich 1), auch noch 1/2 als designierten Wahrheitswert
dazu nimmt, d.h.
LP = ⟨{0, 1/2, 1}, M’, {1, 1/2}⟩
•
Die so erhaltene dreiwertige Logik LP („Logic of Paradox“) wurde von
Graham Priest vorgeschlagen, um mit dem Lügner-Paradox (und dessen
Verschärfungen) zurechtzukommen
•
Anders als in K3 und L3 ist die Idee hier, dass der dritte Wahrheitswert 1/2
nicht als Wahrheitswertlücke, sondern als Wahrheitswertballung verstanden
wird, d.h. ein Satz mit Wahrheitswert 1/2 ist beides, wahr und falsch.
PRIESTS DREIWERTIGE LOGIK LP
•
Die Tatsache, dass es in LP einen zusätzlichen designierten
Wahrheitswert gibt, ändert die Logik K3 drastisch
•
Anders als K3 ist LP nicht mehr paravollständig, d.h. das Gesetz vom
Ausgeschlossenen Dritten ist LP wieder gültig (siehe Wahrheitstafel
von früher); das zeigt auch, dass das Gesetz vom Ausgeschlossenen
Dritten nicht mit dem Bivalenzprinzip identifizierbar ist!
•
Anders als K3 und L3 ist LP nicht Formel-parakonsistent, d.h. (P ∧ ¬P)
⟶ Q ist auch in LP allgemeingültig (siehe Wahrheitstafel von früher)
PRIESTS DREIWERTIGE LOGIK LP
P
Q
(P ∧ ¬P)
Q
1
1
0
1
1
1/
0
1/
1
0
0
0
1/
1
1/
1
1/
1/
1/
1/
1/
0
1/
0
0
1
0
1
0
1/
0
1/
0
0
0
0
2
2
2
2
2
2
2
2
2
•
ABER: in LP gilt nicht mehr (P ∧ ¬P) ⊨LP Q, LP
ist also Schluss-parakonsistent oder einfach
parakonsistent. Von einem Widerspruch
kann nicht mehr auf Beliebiges geschlossen
werden!
•
Auch Modus Ponens (Schluss von P und P ⟶
Q auf Q) ist in LP nicht mehr gültig
(betrachte dazu die Interpretation, in der P
1
den Wert /2 hat und Q den Wert 0)
2
2
2
WEITERE VERALLGEMEINERUNGEN
— DIE LOGIKEN L N
•
Bisher haben wir uns nur mit 3-wertigen Logiken ⟨W, M, D⟩ mit
verschiedenen Ms (Definitionen der Junktoren) und verschiedenen Ds
(designierten Werten) beschäftigt
•
Um vernünftige endlich- und auch unendlichwertige Logiken zu
erhalten, muss man allgemein angeben wie sich die Wahrheitswerte
von Junktoren bzgl. dieser Wahrheitswerte angeben
•
Die Konvention, Wahrheitswerte mit bestimmten reellen Zahlen
zwischen 0 und 1 zu identifizieren, erweist sich hier als sehr nützlich, da
die Wahrheitswertfunktionen, die die Junktoren ausdrücken sollen,
(oft) sehr einfach durch arithmetische Funktionen dargestellt werden
können
WEITERE VERALLGEMEINERUNGEN
— DIE LOGIKEN L N
•
Sehr gut für Verallgemeinerungen geeignet ist etwa die
Lukasiewicz-Logik von früher
•
Die n-wertige Logik Ln = ⟨W, M, D⟩ ist folgendermaßen festlegt:
•
W = {1, n-2/n-1, n—3/n-1,… 1/n-1, 0}
•
D = {1}
•
M=…
WEITERE VERALLGEMEINERUNGEN
— DIE LOGIKEN L N
•
Die Semantik M der Junktoren ist durch folgende
Wahrheitswertfunktionen (jeweils für Negation, Konjunktion,
Disjunktion und Konditional) bestimmt:
f¬: W ⟶ W
mit f¬(x) = 1 — x
f∧: W2 ⟶ W
mit f∧(x,y) = min(x, y)
f∨: W2 ⟶ W
mit f∨(x, y) = max(x, y)
f⟶: W2 ⟶ W
mit f⟶(x, y) = min(1, 1 — x + y)
WEITERE VERALLGEMEINERUNGEN
— DIE LOGIKEN L N
•
In den Definitionen von vorhin steht max(x, y) für diejenige Funktion, die,
angewendet auf ein Paar ⟨x, y⟩ von Zahlen die größere von beiden als
Funktionswert hat. Eine Disjunktion ist also so wahr wie der höchste
Wahrheitswert seiner Disjunkte.
•
min(x, y) steht für die Funktion, die für ein Paar von Zahlen x, y die kleinere
als Funktionswert hat. Eine Konjunktion ist also so wahr wie das geringste
seiner Konjunkte.
•
Die Idee hinter der Wahrheitsfunktion min(1, 1 — x + y) für das Konditional α
⟶ β ist folgende: wenn α weniger wahr ist als β (oder gleich wahr), dann ist
das Gesamtkonditional automatisch wahr (hat Wert 1); wenn α „wahrer“ ist
als β, dann ist das Gesamtkonditional „weniger wahr“ als 1; und zwar genau
um so viel weniger als 1 wie β zu α abnimmt
WEITERE VERALLGEMEINERUNGEN
— DIE LOGIKEN L N
•
Beispiel: Angenommen wir betrachten die 7-wertige Logik L7 (d.h.
W = {1, 5/6, 4/6, 3/6, 2/6, 1/6, 0}).
•
Angenommen das Antezedens α des Konditionals α ⟶ β hat
Wahrheitswert 1/6 und das Konsequens β den Wahrheitswert
5/ . Dann ist der Wahrheitswert von α ⟶ β gleich 1.
6
•
Hat umgekehrt das Antezedens α den Wert 5/6 und β den Wert
1/ , dann hat das Konditional α ⟶ β den Wahrheitswert 2/ (ist
6
6
also „ziemlich falsch“).
WEITERE VERALLGEMEINERUNGEN
— FUZZY LOGIC
•
Man kann sich einfach davon überzeugen, dass diese
Wahrheitswertfunktionen für die Fälle W = {0, 1} (bzw. W = {0, 1/2, 1}) genau
die Wahrheitstafeln für klassische zweiwertige Logik (bzw. L3) liefern
•
Die endlich-wertigen Lukasiewicz-Logiken Ln haben den Vorteil, dass sie sich
auch einfach auf unendlich viele Wahrheitswerte verallgemeinern lassen
•
Die kontinuumwertige Logik Lℵ hat dieselben Wahrheitsfunktionen wie die
endlich-wertigen Logiken Ln und ebenfalls nur einen designierten Wert
(nämlich 1); Die Menge der Wahrheitswerte von Lℵ besteht jetzt aber aus
allen reellen Zahlen zwischen 0 und 1, d.h. W = [0, 1]
•
Die Logik Lℵ wurde gelegentlich als angemessene Semantik für Sätze, die
kontinuierliche vage Prädikate enthalten, vorgeschlagen
MEHRWERTIGE
PRÄDIKATENLOGIK
•
Drei— und mehrwertige Logiken kann man relativ geradlinig auf
Prädikatenlogik übertragen
•
Was sich beim Übergang von der klassischen AL zur PL ändert ist, dass
die atomaren Sätze p, q, r, … weiter zerlegt werden können in (n-stellige)
Prädikate und Individuenterme und dass Quantoren dazukommen
•
Was wir tun müssen, um eine Semantik für eine mehrwertige PL zu
bekommen (und damit einen Begriff von logischer Wahrheit / Folgerung),
müssen wir wieder festzulegen
•
was eine mehrwertige Interpretation ist und
•
was die Wahrheitsbedingungen für komplexe Sätze sind
L3
PL -STRUKTUREN
Definition. Eine L3PL-Struktur besteht aus einer nichtleeren Menge D
(der Domain) und einer Interpretationsfunktion I, die
(i) jedem Konstantensymbol a ein Individuem I(a) ∈ D zuordnet
(ii) jedem n-stelligen Funktionssymbol f eine Funktion I(f): Dn ⟶
D zuordnet
(iii) jedem n-stelligen Prädikatssymbol P ein Paar I(P) = (P1*, P2*)
zuordnet, wobei sowohl P1* als auch P2* Mengen von nTupeln von Elementen in D sind, sodass P1* ∩ P2* = { }
L3
PL -STRUKTUREN
•
Die ersten beiden Klauseln (i) und (ii) sind gleich wie im klassischen Fall
•
Die Idee hinter Klausel (i) ist die, dass
•
P1* die Menge von n-Tupeln ist, von denen das Prädikat P definitiv
wahr ist (man spricht auch von der Extension von P)
•
P2* die Menge von n-Tupeln, von denen das Prädikat P definitiv
falsch ist (man spricht hier auch von der Anti-Extension von P), und
•
der Rest (falls es so einen gibt) die Menge von n-Tupeln ist, für die
das Prädikat P undefiniert ist (P1* ∪ P2* muss also nicht die gesamte
Menge Dn sein!)
L3
PL -INTERPRETATIONEN
Definition. Variablenbelegungen s sind, wie im klassischen Fall, als
Funktionen definiert, die jeder Variable x einen Wert in D zuordnen. Dasselbe
gilt für x-Varianten s’ einer gegebenen Variablenbelegung s
Definition. Eine L3PL-Interpretation ist dann, ähnlich wie im klassischen Fall,
ein Paar (ℳ, s), bestehend aus einer L3PL-Struktur ℳ und einer
Variablenbelegung s
•
Die Interpretation I(t) eines (komplexen oder einfachen) Individuenterms t
(relativ zu einer Variablenbelegung) ist wie früher rekursiv definiert
•
Das einzige, was noch zu tun bleibt, ist Wahrheitsbedingungen anzugeben,
d.h. Bedingungen, unter denen ein komplexer Satz wahr, falsch bzw.
undefiniert ist
WAHRHEIT UNTER EINER L 3
INTERPRETATION
PL -
PL
Definition. Angenommen ⟨ℳ, s⟩ ist eine L3 -Interpretation. Dann gilt für beliebige
Formeln α, β:
*
(i) Wenn α = Pt1…tn ist, dann ist α wahr unter ⟨ℳ, s⟩, falls ⟨I(t1),…, I(tn)⟩ ∈ P1 ; falsch unter
*
⟨ℳ, s⟩, falls ⟨I(t1),…, I(tn)⟩ ∈ P2 ; und undefiniert unter ⟨ℳ, s⟩, sonst
(ii) Wenn α, β beliebige Formeln sind, dann sind ¬α, (α ∧ β), (α ∨ β), (α ⟶ β) wahr / falsch /
undefiniert unter ⟨ℳ, s⟩, wenn die L3-Wahrheitstafeln für die Junktoren das so festlegen
(iii) Wenn α eine Formel ist und x eine Individuenvariable, dann ist
• ∀xα wahr unter ⟨ℳ, s⟩ falls für jede x-Variante s’ gilt, dass α wahr unter ⟨ℳ, s’⟩ ist; ∀xα
ist falsch unter ⟨ℳ, s⟩, falls es eine x-Variante s’ gibt, sodass α falsch unter ⟨ℳ, s’⟩ ist;
∀xα ist undefiniert unter ⟨ℳ, s⟩, sonst
• ∃xα wahr unter ⟨ℳ, s⟩ falls es eine x-Variante s’ gibt, sodass α wahr unter ⟨ℳ, s’⟩ ist;
∃xα ist falsch unter ⟨ℳ, s⟩, falls für jede x-Variante s’ gilt, dass α falsch unter ⟨ℳ, s’⟩ ist;
∃xα ist undefiniert unter ⟨ℳ, s⟩, sonst
DIE QUANTOREN-KLAUSELN
• Man beachte, dass Klauseln für die Quantoren ∀ und ∃ im
Wesentlichen Verallgemeinerungen der der Klauseln für ∧ und ∨ sind
• Ein allquantifizierter Satz ist genau dann definitiv wahr, wenn alle
seine Instanzen definitiv wahr sind; definitiv falsch genau dann wenn
mindestens eine Instanz definitiv falsch ist; und in den anderen Fällen
weder wahr noch falsch
• Ein existenzquantifizierter Satz ist genau dann definitiv wahr, wenn
mindestens eine seiner Instanzen wahr ist; definitiv falsch genau
dann wenn alle seine Instanzen definitiv falsch sind; und in den
anderen Fällen weder wahr noch falsch
NOCH EINMAL SORITES…
• Wie könnte man das Sorites-Paradox mit Hilfe der mehrwertigen Logik
„lösen“ (oder „auflösen“)?
PL
L3
• Um das Paradox präziser zu formulieren legen wir fest:
H(x,y) stehe für „x hat y Haare auf dem Kopf“
G(x) stehe für „x hat eine Glatze“
Die Variable n sei auf natürliche Zahlen beschränkt und die Variable p auf
Personen
• P(n) := ∀p(H(p, n) → G(p)) steht steht dann für das Prädikat „Jemand mit n
Haaren hat eine Glatze“
NOCH EINMAL SORITES…
• Mit diesen Festsetzungen folgt offenbar der Widerspruch P(90.000) ∧
¬P(90.000) aus folgenden Prämissen:
(1) P(0)
(2) ∀n(P(n) ⟶ P(n+1))
(3) ¬P(90.000)
• Um zu sehen, was mit dem Argument aus dreiwertiger Sicht nicht stimmt,
sehen wir uns die Wahrheitswerte an, die alle beteiligten Prämissen
haben, unter der Voraussetzung, dass bestimmte Sätze der Form P(k)
(zwischen P(0) und P(90.000) ) den unbestimmten Wahrheitswert 1/2
haben, d.h. weder definitiv wahr noch definitiv falsch sind
NOCH EINMAL SORITES…
• Sowohl Prämisse (1) als auch (3) sind (zumindest gehen wir davon aus) definitiv
wahr, d.h. P(0) hat den Wert 1 und P(90.000) hat den Wert 0.
• Wenn wir davon ausgehen, dass irgendwo zwischen 0 und 90.000 der
1
1
Wahrheitswert 1 von P(k) auf /2 von P(k+1) „kippt“ und irgendwo später von /2
auf 0, dann hat zumindest ein Konditional der Form
P(k) ⟶ P(k+1)
1
• den Wahrheitswert /2 und damit (gemäß Wahrheitsbedingung für quantifizierte
1
Sätze) die Prämisse ∀n(P(n) ⟶ P(n+1)) ebenfalls Wahrheitswert /2.
Das Sorites-Argument ist, dieser Sichtweise zufolge, also gültig — aber nicht
schlüssig, weil eine der Prämissen nicht (definitiv) wahr ist!
DIE QUANTOREN-KLAUSELN
NOCH EINMAL VERALLGEMEINERT
• Beide Quantoren-Klauseln können auch sehr natürlich auf endlichund sogar unendlichwertige Lukasiewicz-Logiken verallgemeinert
werden.
• Der Wahrheitswert von ∀xα ist gleich dem Minimum (bzw. dem
Infimum im Fall von unendlich vielen Wahrheitswerten) der
Wahrheitswerte aller Instanzen
• Der Wahrheitswert von ∃xα ist gleich dem Maximum (bzw. dem
Supremum im Fall von unendlich vielen Wahrheitswerten) der
Wahrheitswerte aller Instanzen
ZUM LETZTEN MAL: SORITES…
• Man beachte, dass sich das Anti-Sorites Argument von vorhin verallgemeinern lässt auf
beliebig viele Wahrheitswerte!
• Angenommen wir nehmen an jede Aussage P(0), P(1), … P(90.000) hat ihren eigenen
Wahrheitswert (Wahrheit kommt also in „Graden“), etwa der Reihe nach
1,
89.999
/90.000 ,
89.998
1
/90.000, …, /90.000 , 0
• Für jede Aussage P(90.000 + n) setzen wir den Wahrheitswert vernünftigerweise ebenfalls
auf 0.
• Dann sind Prämisse (1) und (3) definitiv wahr (d.h. haben Wert 1), aber die zweite Prämisse
ist immer noch nicht definitiv wahr, denn bzgl. Lukasiewicz-Konditional ist der
89.999
Wahrheitswert für jedes der Konditionale P(k) ⟶ P(k+1) „nur“
/90.000.
• Gemäß Wahrheitsbedingung für allquantifizierte Sätze gilt also auch hier, dass ∀n(P(n) ⟶
P(n+1)) nur „fast“ ganz wahr ist.
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