Motivation für mehrwertige Logik • Vage/unscharfe Begriffe: Die Antarktis ist bewohnt“. ” • Kategorienfehler: Diese Idee ist farbig“, diese Zahl ist symmetrisch“. ” ” • Nicht eindeutig referenzierende Kennzeichnungen: Mein Bruder ist größer als ich“. ” • Behandlung partieller Funktionen • Anwendungen (in der Informatik): – Hardware-Design (z.B. Pegelstände in Schaltnetzen) – KI/Expertensysteme (Fuzzy-Logik) 1 Literatur zur Mehrwertigen Logik Geschichte: • Jan Lukasiewicz. O logice trojwartosciowej (On 3-valued logic), Ruch Filozoficzny, Vol. 5, 1920. • Jan Lukasiewicz. Philosophische Bemerkungen zu mehrwertigen Systemen des Aussagenkalküls, Comptes rendus des seance de la Societe des Sciences et des Lettres de Varsovie, Classe III, Vol. 23, 1930. • S. McCall. Polish Logic: 1920 - 1939, OUP, 1967. • Emil Post. Introduction to a general theory of elementary propositions, American J. of Math., Vol. 43, 1921. • S.C.Kleene. On a notation for ordinal numbers, J. of Symbolic Logic, Vol. 3, 1938. • J.B. Rosser, A.R. Turquette. Many-valued Logics, North-Holland, 1952. 2 • N. Rescher. Many-valued Logic, McGraw-Hill, 1989. Aktueller: • Alasdair Urquhart. Kapitel über mehrwertige Logik in Band III des Handbook of Philosophical Logic, 1986. • Siegfried Gottwald. Kapitel im Sammelband Einführung in die Nichtklassische Logik, Akademie-Verlag, Berlin, 1990. • Bolc und Borowik. Many-Valued Logics, Springer Verlag 1992. • Reiner Hähnle. Automated Deduction in Multiple-valued Logics, Clarendon Press, Oxford, 1993. • Grzegorz Malinowski. Many-Valued Logics, Oxford Logic Guides, Vol. 25, Clarendon Press, Oxford, 1993. • Matthias Baaz, Christian Fermüller und Gernot Salzer. Automated Deduction for Many-Valued Logics. In Handbook of Automated Reasoning (Hrsg. A. Robinson und A. Voronkov), Bd. II, S. 1355 – 1402, Elsevier North-Holland, 2001. 3 Aussagenlogik: Partielle Interpretationen Partielle Interpretationsfunktion ι : A → {⊥, >}, wobei A eine Teilmenge der aussagenlogischen Prädikatszeichen der Sprache ist. Eine Interpretationsfunktion ι erweitert eine partielle Interpretationsfunktion ι0, falls ι0 ⊆ ι (Funktion interpretiert als Menge geordneter Paare). Fortsetzung einer partiellen Interpretationsfunktion ι0 auf beliebige aussagenlogische Formeln (am Beispiel der Konjunktion): ι0(A ∧ B) = ⊥ gdw für alle totalen ι mit ι0 ⊆ ι : ι(A ∧ B) = ⊥ und entsprechend für den zweiten Wahrheitswert ι0(A ∧ B) = > gdw für alle totalen ι mit ι0 ⊆ ι : ι(A ∧ B) = > 4 Wahrheitstafeln für die partielle Logik Im folgenden benutzen wir 0 und 1 für die Wahrheitswerte ⊥ bzw. >. ∧ 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 ∨ 1 0 1 1 1 1 1 0 1 0 5 Mehrwertige Aussagenlogik: Syntax Zuerst ist die Anzahl m der Wahrheitswerte festzulegen. Wie diese bezeichnet werden ist unerheblich. Fürs erste wollen wir die Zahlen 0, ..., m−1 benutzen, und setzen M = {0, ..., m−1}. Als nächstes muß festgelegt werden, welche Basisjunktoren in der Logik vorkommen sollen. Die Menge dieser Operatoren bezeichnen wir mit O. Insbesondere können in O auch Konstanten, betrachtet als 0-stellige Operatoren, vorkommen, ebenso n-stellige Operatoren für n ≥ 3, auch wenn wir dafür bisher keine Beispiele kennengelernt haben. Die Menge der Formeln der zu beschreibenden Logik ist analog zur klassischen Aussagenlogik festgelegt. 6 Mehrwertige Aussagenlogik: Semantik Als nächstes muß den Operatoren aus O eine Bedeutung gegeben werden, z.B. durch die Angabe von Wahrheitstabellen. Wir wollen nur voraussetzen, daß jedem ◦ aus O eine Funktion ◦M derselben Stelligkeit auf der Menge M zugeordnet wird. Die Struktur M = hM, {◦M : ◦ ∈ O}i nennt man eine O-Algebra. Im Kontext m-wertiger Logik wird M häufig auch eine Matrix genannt. 7 Designierte Wahrheitswerte Ist F eine aussagenlogische Formel über einem Vokabular Σ und ι eine Abbildung, die jeder aussagenlogischen Variable in F eine Wahrheitswert in M zuordnet, so läßt sich durch Auswertung der Formel F in der Algebra M der Wahrheitswert ιM(F ) berechnen. Als letztes Bestimmungsstück der Logik ist eine nichtleere Teilmenge D ⊆ M anzugeben, die Menge der designierten Wahrheitswerte. Eine aussagenlogische Formel F heißt wahr in der Matrix M unter der Interpretationsfunktion ι, falls ιM(F ) ∈ D, F ist M-allgemeingültig oder eine M-Tautologie, falls für alle ι gilt ιM(F ) ∈ D. 8 Die Logik L3 Wahrheitswerte Operatoren D {1, u, 0} ∨, ∧, ¬, ∼ {1} ιM(A) = 1 (wahr) ιM(A) = u (unbestimmt) ιM(A) = 0 (falsch) 9 Wahrheitstafeln für ∧ und ∨ ∧ 1 u 0 1 1 u 0 u u u 0 0 0 0 0 ∨ 1 u 0 1 1 1 1 u 1 u u 0 1 u 0 Die Wahrheitstafeln für ∧ und ∨ kann man zusammenfassen zu ι(A ∧ B) = Minimum von ι(A) und ι(B) ι(A ∨ B) = Maximum von ι(A) und ι(B), wenn man sich die Wahrheitswerte in der Reihe 0 < u < 1 angeordnet denkt. 10 Wahrheitstafeln für Negationen A 1 u 0 ¬A 0 u 1 ∼A 0 1 1 ∼ ¬A 1 1 0 ∼∼ A 1 0 0 ¬¬A 1 u 0 ¬∼A 1 0 0 Für das Verständnis der Wahrheitstafeln für die Negationen ist es hilfreich, die folgende natürlichsprachliche Umschreibung im Kopf zu haben: v(A) = 1 ι(¬A) = 1 ι(∼ A) = 1 ι(∼ ¬A) = 1 gdw. gdw. gdw. gdw. A A A A ist ist ist ist wahr falsch nicht wahr nicht falsch. 11 Schwache Implikation Die aussagenlogischen Verknüpfungen → und ↔ werden als definierte Zeichen eingeführt, und zwar wie folgt: schwache Implikation A→B := ∼A∨B schwache Äquivalenz A↔B := (A → B) ∧ (B → A) 12 Wahrheitstafeln für die schwache Implikation und Äquivalenz A→B B\A 1 u 1 1 1 u u 1 0 0 1 0 1 1 1 A↔B 1 u 1 1 u u u 1 0 0 1 0 0 1 1 13 Starke Implikation starke Implikation A⇒B := ¬A ∨ B starke Äquivalenz A⇔A := (A ⇒ B) ∧ (B ⇒ A) A⇒B B\A 1 u 1 1 1 u u u 0 0 u 0 1 1 1 A⇔B 1 u 1 1 u u u u 0 0 u 0 0 u 1 14 L3-Formeln ohne starke Negation Satz: Sei F eine L3-Formel, die keine starken Junktoren enthält, und F 0 die klassische aussagenlogische Formel, die durch Ersetzung aller schwachen durch die entsprechenden klassischen Junktoren erhalten wird. Dann gilt: F ist eine L3-Tautologie genau dann, wenn F 0 allgemeingültig ist. Beweis: Erste Richtung: Sei F eine L3-Tautologie. Da die aussagenlogischen Wahrheitstafeln Projektionen der dreiwertigen Wahrheitstafeln sind, muß auch F 0 allgemeingültig sein. Andere Richtung: Sei F 0 allgemeingültig und ι eine beliebige L3-Interpretation. Dann sei ι0 die wie folgt definierte L3-Interpretation: 15 ι0(A) = ι(A) falls ι(A) 6= u 0 falls ι(A) = u Wegen der obigen Projektionseigenschaft ist ι0(F ) = 1. Nun gilt für alle L3-Formeln A, die keine starken Junktoren enthalten: 1. Falls ι(A) = 1, dann ist ι0(A) = 1 und 2. Falls ι(A) 6= 1, dann ist ι0(A) = 0. Das zeigt man leicht durch Induktion über die Komplexität von A. Da ι0(F ) = 1, folgt aus (der Kontraposition von) 2., daß ι(F ) = 1. 16 Standardfortsetzung Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Operatoren einer zweiwertigen Logik auf eine dreiwertige Logik zu erweitern. Eine besonders natürliche Erweiterung liefert das folgende Paradigma. Sei f : {0, 1}n → {0, 1} gegeben. Die Standardfortsetzung f ∗ : {0, u, 1}n → {0, u, 1} von f wird wie folgt bestimmt. Sei w ~ = hw1, ..., wni ein Argumenttupel aus {0, u, 1}n. Die Menge U (w) ~ ⊆ {0, 1}n entsteht, indem auf alle möglichen Arten die wi mit wi = u durch 0 und 1 ersetzt werden. 17 (Beispiel: U (u, 1, u) = {h0, 1, 0i, h0, 1, 1i, h1, 1, 0i, h1, 1, 1i}) ~ gilt f (~v ) = 0 0 falls für alle ~v ∈ U (w) 1 falls für alle ~v ∈ U (w) ~ gilt f (~v ) = 1 f ∗(w) ~ = u sonst Satz: Die Operatoren ∨, ∧, ¬, ⇒, ⇔ sind Standardfortsetzungen ihrer jeweiligen klassischen Gegenstücke. 18 Partielle Ordnungen auf Wahrheitswerten Die Wahrheitswerte 0, u, 1 lassen sich nach verschiedenen Kriterien ordnen. Zwei naheliegende partielle Ordnungen sind die nach dem Wahrheitsgehalt: (0 <w u <w 1) und nach dem Informationsgehalt: (u <i 0, 1). Wenn ≺ eine partielle Ordnung ist, dann wird diese wie üblich komponentenweise wie folgt auf Tupel erweitert: hu1, ..., uni ≺ hw1, ..., wni gdw. ui ≺ wi für alle 1 ≤ i ≤ n. 19 Monotone Funktionen Eine Funktion g : {0, u, 1}n → {0, u, 1} heißt monoton bzgl ≤, wenn für alle w, ~ ~v ∈ {0, u, 1}n mit w ~ ≤ ~v auch g(w) ~ ≤ g(~v ) gilt. Falls ≤ nicht genauer spezifiziert ist, nehmen wir die Ordnung nach dem Informationsgehalt ≤i als Standardordnung. Eine Funktion g : {0, u, 1}n → {0, u, 1} heißt maximal monoton bzgl. ≤, wenn sie monoton bzgl. ≤ ist und keine Funktion g 0 mit g < g 0 existiert, die monoton bzgl. ≤ ist. Dabei sei g1 ≤ g2 gdw. für alle w ~ : g1(w) ~ ≤ g2(w). ~ Satz: Für eine Funktion g : {0, u, 1}n → {0, u, 1} gibt es genau dann eine Funktion f : {0, 1}n → {0, 1} derart, dass g die Standardfortsetzung von f ist, wenn 1. für alle w ~ ∈ {0, 1}n gilt g(w) ~ ∈ {0, 1} und 2. g ist maximal monoton bezüglich der Ordnung nach ≤i. 20 Beweis: Die Notwendigkeit der beiden Bedingungen ist klar. Für die andere Richtung sei eine Funktion g gegeben, die die beiden Bedingungen erfüllt. Dann setzen wir f = g {0, 1}n Wegen (1.) bildet dann f in die Menge {0, 1} ab. Sei nun w ~ beliebig aus {0, u, 1}n. Wir zeigen, dass g(w) ~ = f ∗(w) ~ (Def. f ∗ s. S. 18). Nach Def. von U und ≤i gilt: U (w) ~ = {~v ∈ {0, 1}n | w ~ ≤i ~v } Wegen der Monotonie von g (2.) gilt damit für alle ~v ∈ U (w): ~ g(w) ~ ≤i g(~v ) = f (~v ) 21 Funktionale Vollständigkeit Eine mehrwertige Logik L mit M als Menge der Wahrheitswerte heißt funktional vollständig, wenn zu jeder Funktion g : M n → M eine aussagenlogische Formel A in L existiert mit f (A) = g. Hierbei sei der Funktionswert f (A)(w1, ..., wn) der Wahrheitswert der Formel A, wenn die aussagenlogischen Variablen mit den Wahrheitswerten w1, ..., wn belegt sind. Satz: L3 ist nicht funktional vollständig. L+ 3 entsteht aus L3 durch Hinzunahme einer aussagenlogische Konstante u, die stets den Wahrheitswert u annimmt. 22 Satz: Die Logik L+ 3 ist funktional vollständig. Beweis: Sei g : {1, u, 0}n → {1, u, 0} gegeben. Die Konstruktion der gesuchten aussagenlogischen Formel A geschieht durch Induktion über n. Der Induktionsanfang n = 0 ist trivial. Hierbei wird u.a. die Existenz der aussagenlogischen Konstanten u benutzt. Im Induktionsschritt von n − 1 nach n gibt es nach Induktionsvoraussetzung L+ 3Formeln A0, Au und A1 mit: f (A0)(w1, ..., wn−1) = g(w1, ..., wn−1, 0) f (Au)(w1, ..., wn−1) = g(w1, ..., wn−1, u) f (A1)(w1, ..., wn−1) = g(w1, ..., wn−1, 1) Seien x1, . . . , xn−1 die Prädikatszeichen in A0, Au, A1 und xn ein neues Prädikatszeichen. Wir benötigen die folgenden Hilfsformeln: 23 H0 =∼∼ ¬xn Hu =∼ xn∧ ∼ ¬xn H1 =∼∼ xn Die Bedeutung der Hilfsformeln wird durch die folgende Tabelle ersichtlich: xn 1 u 0 H1 1 0 0 Hu 0 1 0 H0 0 0 1 Setzt man jetzt A = (A0 ∧ H0) ∨ (Au ∧ Hu) ∨ (A1 ∧ H1), dann erhält man f (A) = g. 24 Beispiele zur Funktionalen Vollständigkeit 1. Gegeben sei die zweistellige Funktion g: g 1 u 0 1 0 u 0 u u u u 0 0 u 0 g(A, 1) g(A, u) g(A, 0) = = = f (A ∧ ¬A) f (u) f (A ∧ ¬A) Offenbar gilt: Somit ergibt sich nach Konstruktion, daß g(A, B) = f ((A ∧ ¬A ∧ ∼∼ B) ∨ (u ∧ ∼ B ∧ ∼ ¬B) ∨ (A ∧ ¬A ∧ ∼∼ ¬B)) 25 Dies kann man vereinfachen zu: g(A, B) = f ((A ∧ ¬A) ∨ (B ∧ ¬B)) 2. Gegeben sei die zweistellige Funktion ∧B (Bochvars Konjunktion): ∧B 1 u 0 1 1 u 0 u u u u 0 0 u 0 Nach obigem Konstruktionsverfahren erhält man: A ∧B B ≡ (¬A ∧ A ∧ ∼∼ ¬B) ∨ (u ∧ ∼ B∧ ∼ ¬B) ∨ (A ∧ ∼∼ B) Dies kann man vereinfachen zu: A ∧B B ≡ (A ∧ B) ∨ (A ∧ ¬A) ∨ (B ∧ ¬B) 26 Kriterien für Funktionale Vollständigkeit Gegeben eine beliebige m-wertige Logik Lm mit der Wahrheitwertmenge M = {0, . . . , m−1}. Als Methode, die funktionale Vollständigkeit von Lm zu bestimmen, bietet sich das folgende Kriterium an. Im folgenden benutzen wir die Bezeichnungen: • Für alle n > 1 und alle 0 ≤ i < m bezeichne cni die konstante Funktion, die durch cni(x1, . . . , xn) = i gegeben ist. • Für alle 0 ≤ i < m bezeichne Ji die wie folgt definierte einstellige Funktion: Ji(x) = m−1 falls x = i 0 sonst 27 Die Wertetabellen der Funktionen Ji sehen damit wie folgt aus: x 0 1 J0 m−1 0 m−2 m−1 0 0 J1 ··· 0 ··· m−1 · · · ··· 0 ··· 0 ··· Jm−2 0 0 Jm−1 0 0 m−1 0 0 m−1 28 Satz: Eine m-wertige Logik, in der alle konstanten Funktionen cni, alle einstelligen Funktionen Ji sowie die zweistelligen Funktionen min und max definierbar sind, ist funktional vollständig. Beweis: Sei g : M n → M gegeben. Wir zeigen, daß g(x1, . . . , xn) = (∗) max{min(cng(a1,...,an), Ja1 (x1), . . . , Jan (xn)) | ha1, . . . , ani ∈ M n} Sei hb1, . . . , bni ein beliebiges Argumenttupel. Dann ist für alle ha1, . . . , ani 6= hb1, . . . , bni : min(cng(a1,...,an), Ja1 (b1), . . . , Jn (bn)) = 0, und für ha1, . . . , ani = hb1, . . . , bni : min(cng(a1,...,an), Ja1 (b1), . . . , Jn (bn)) = cng(b1,...,bn) = g(b1, . . . , bn). Damit ist (∗) = g(b1, . . . , bn). 29 Die Logiken von Post Für alle natürlichen Zahlen m > 1, ist die entsprechende m-wertige Postsche Logik Pm wie folgt definiert: Wahrheitswerte Operatoren D {0, . . . , m−1} ∨, p {m−1} Die Operatoren ∨ und p sollen dabei wie folgt interpretiert sein (im folgenden bezeichnen wir mit − und + die Subtraktion bzgl. Addition modulo m): a∨b = max(a, b) pa = a−1 30 Funktionale Vollständigkeit der Postschen Logiken Lemma: Die folgenden Funktionen sind in Pm definierbar: 1. x − i für alle 0 ≤ i < m, 2. x + i für alle 0 ≤ i < m, 3. max(x1, . . . , xn) für alle n ≥ 1. Beweis: 1. x − i = pix := p| ·{z · · p} x, i mal 2. x + i = x − (m − i), eine Eigenschaft der Modulo-Rechnung, 3. max(x1, . . . , xn) = x1 ∨ · · · ∨ xn. 31 Lemma: Jede einstellige Funktion ist in Pm definierbar. Beweis: Die Funktion T (x) = max(x − 0, . . . , x − (m−1)) ist nach vorherigem Lemma in Pm definierbar. Dann gilt: T (i) = m−1 für alle 0 ≤ i < m. Nun seien für alle 0 ≤ i < m die Funktionen Ti wie folgt definiert: Ti(x) = max(max(T (x)−1, x) − (m−1), x+i) − (m−1) Nun gilt: Ti(x) = 0 falls x 6= m−1 i falls x = m−1 Dann gilt für jede einstellige Funktion g : M → M : g(x) = max{Tg(m−1−i)(x+i) | 0 ≤ i < m} 32 Theorem: Die Postsche Logik Pm ist funktional vollständig. Beweis: Zunächst folgt aus vorigem Lemma die Definierbarkeit der Funktion m−1−x. Damit ist die Minimumsfunktion definierbar, denn min(x, y) = m−1 − max(m−1 − x, m−1 − y) Aus dem vorigen Lemma folgt weiterhin die Definierbarkeit aller einstelligen konstanten Funktionen c1i . Da cni(x1, . . . , xn) = c1i (min(x1, . . . , xn) sind alle konstanten Funktionen definierbar und das o.g. Kriterium für die funktionale Vollständigkeit ist erfüllt. 33 Entscheidungsverfahren für endlichwertige Aussagenlogiken Satz: Die Menge/Sprache der erfüllbaren bzw. allgemeingültigen Formeln einer endlichwertigen Aussagenlogik ist in NP- bzw. coNP. Beweis der NP-Elementschaft: Raten einer Belegung und Auswerten geht in linearer Zeit. Für die bisher betrachteten Logiken sind diese Probleme/Sprachen auch NP- bzw. coNP-vollständig. Kalküle für mehrwertige Logiken • Axiomatische Kalküle • Mehrwertige Resolution • Tableaukalküle • Semantische Baumverfahren 34 Partielle Evaluierung Partielle Evaluierung ermöglicht das deterministische Auswerten einer Formel für eine partielle Belegung ι. Für eine partielle Belegung ι ist die partielle Evaluierung Eι einer Formel F durch ι für L3 wie folgt induktiv definiert. (Dazu erweitern wir die Variablen um die Menge der Wahrheitswerte (Disjunktheitsannahme), und setzen ι(i) = i.) Für alle Variablen p: Eι(p) = ι(p) falls ι(p) definiert p falls ι(p) undefiniert minw {Eι(F ), Eι(G)} 0 Eι(F ) Eι(F ∧ G) = Eι(G) F ∧G falls Eι(F ) und Eι(G) Wahrheitswerte falls Eι(F ) oder Eι(G) = 0 falls Eι(G) = 1 falls Eι(F ) = 1 sonst 35 maxw {Eι(F ), Eι(G)} 1 Eι(F ) Eι(F ∨ G) = Eι(G) F ∨G 1 0 Eι(∼ F ) = ∼F 1 u Eι(¬F ) = 0 ¬F falls Eι(F ) und Eι(G) Wahrheitswerte falls Eι(F ) oder Eι(G) = 1 falls Eι(G) = 0 falls Eι(F ) = 0 sonst falls Eι(F ) ∈ {0, u} falls Eι(F ) = 1 sonst falls Eι(F ) = 0 falls Eι(F ) = u falls Eι(F ) = 1 sonst 36 Korrektheit der Partiellen Evaluierung Wir nennen zwei Formeln F und G einer Logik stark äquivalent gdw. für alle Belegungen ι : ι(F ) = ι(G) und schreiben dann F ≡s G. Eine partielle Evaluierung ist korrekt gdw. F ι ≡s Eι(F ), wobei F ι aus F entsteht, indem alle in ι definierten Variablen durch ihre Wahrheitswerte ersetzt werden. Die für die Logik L3 präsentierte partielle Evaluierung E ist korrekt. Weiterhin lässt sich E effizient berechnen (linear). Effiziente und korrekte partielle Evaluierung ist eine der Grundtechniken im automatischen Beweisen und kann zu einem gewaltigen Effizienzgewinn führen. Der Korrektheitsbegriff lässt sich je nach Anwendung noch aufweichen, was zu weiteren Vereinfachungen führen kann. 37 Semantische Bäume für endlichwertige Logiken Gegeben sei eine Matrix M = hM, {◦M : ◦ ∈ O}i, wobei o.B.d.A. die Wahrheitswertmenge M = {0, . . . , n − 1}. Ein Semantischer Baum bzgl. M für eine Formel F der Logik M ist ein n-fach verzweigender Baum derart, dass • die Kanten K1, . . . , Kn aus einem Knoten mit hp, i−1i(1 ≤ i ≤ n) markiert sind, wobei p eine Variable ist, die in F vorkommt, • und auf keinem Ast eine Variable mehr als einmal in einem Paar vorkommt. Semantische Bäume realisieren eine systematische Suche durch die Menge aller Belegungen. 38 Partielle Evaluierung in Semantischen Bäumen Sei E eine partielle Evaluierung. Eine Formel F heisst bestimmt durch einen Ast eines Semantischen Baums für F gdw. eine partielle Evaluierung Eι(F ) ein Wahrheitswert ist, wobei ι die Menge der Kantenmarkierungen des Astes ist. Ein Semantischer Baum für eine Formel F mit einer partiellen Evaluierung heisst positiv bzw. negativ geschlossen gdw. alle Äste bestimmt und die entsprechenden Wahrheitswerte alle designierte bzw. nicht designierte Wahrheitswerte sind. Satz: Eine Formel F ist allgemeingültig gdw. es einen positiv geschlossenen Semantischen Baum mit einer korrekten partiellen Evaluierung für F gibt. Falls als partielle Evaluierung einfach die Anwendung der Belegung ι gewählt wird, d.h. Eι(F ) = F ι, dann degeneriert das Verfahren der Semantischen Bäume zur Wahrheitstafelmethode. 39 Die ∞-wertigen Logiken von Lukasiewicz Es macht auch Sinn, Logiken mit unendlich vielen Wahrheitswerten zu betrachten. Wir betrachten dazu zwei Logiken: Lℵ0 und Lℵ1 . Die entsprechenden Wahrheitswertmengen sind das rationale bzw. das reelle Intervall [0,1]. Der einzige designierte Wahrheitswert ist 1. Die Operatoren sind ¬, 7→, ∧, ∨, ↔, die wie folgt interpretiert sind: ¬a a 7→ b a∨b a∧b a↔b = = = = = 1−a min(1, 1 − (a−b)) max(a, b) min(a, b) 1 − |a − b| Der einzige designierte Wahrheitswert der beiden Logiken ist 1. Satz: Die Menge der Tautologien in Lℵ0 und Lℵ1 sind identisch. Da jede Interpretationen für Lℵ0 eine Interpretation für Lℵ1 ist, ist trivialerweise jede Lℵ1 -Tautologie eine Lℵ0 -Tautologie. 40 Sei nun für die andere Richtung F eine Lℵ0 -Tautologie. Das bedeutet, wenn i die Anzahl der Prädikatszeichen in F ist, daß für jedes i-Tupel ~r rationaler Zahlen aus [0,1] gilt: F (~r) = 1. Nun kann man (durch Induktion über den Aufbau von F ) zeigen, daß F eine stetige Funktion von dem reellen Intervall [0, 1]i in [0,1] induziert. Dazu wähle man für ein reelles Tupel ~r ∈ [0, 1]i eine Folge ~rk rationaler Tupel mit limk7→∞ ~rk = ~r, und es folgt, daß F (~r) = lim F (~rk ) = lim 1 = 1 k7→∞ k7→∞ 41 L3-Strukturen Eine L3-Struktur im Vokabular Σ, bezeichnet mit M = hM0, ιMi, besteht aus einer klassischen Interpretation I = hU, ιi für das Vokabular Σ, d.h. aus einem Universum zusammen mit der üblichen Interpretationsfunktion für Konstanten und Funktionssymbole, sowie einer Funktion ιM, die jedem Prädikatszeichen P und jedem n-Tupel s1, ..., sn von Elementen aus M0 (n = Stelligkeit von P ) einen der Wahrheitswerte 1, u oder 0 zuordnet. Die Bewertungsfunktion ιM läßt sich auf alle L3-Formeln fortsetzen. Dabei berechnen sich die aussagenlogischen Kombinationen mit Hilfe der Wahrheitstafeln. 42 Interpretation der Quantoren ιA(∀xF ) = 1 gdw. für alle m ∈ U gilt: x ιAm (F ) = 1 (dabei sei Axm = (A \ {hx, A(x)i}) ∪ {hx, mi}) ιA(∀xF ) = 0 gdw. ιA(∀xF ) = u es gibt ein m ∈ U: x ιAm (F ) = 0 sonst x ιA(∃xF ) = 1 gdw. es gibt ein m ∈ U: ιAm (F ) = 1 ιA(∃xF ) = 0 gdw. für alle m ∈ U gilt: ιAm (F ) = 0 ιA(∃xF ) = u x sonst 43 Anwendungen Mehrwertiger Logiken • Als technisches Hilfsmittel zum Nachweis der sog. Unabhängigkeit von Axiomen in einem axiomatisch gegebenen Logikkalkül • Zur Modellierung undefinierter Funktions- und Prädikatswerte in der Spezifikation und Verifikation von Programmen • in der Semantik natürlicher Sprache zur Modellierung sog. Präsuppositionen • in der Theorie der logischen Programmierung zur Angabe einer deklarativen Semantik zur operationalen Semantik der Negation. • zur Modellierung elektronischer Schaltkreise: – zur Darstellung von Spannungszuständen – zur Beschreibung von Fehlerzuständen und ihrer Propagierung • zur Modellierung von Vagheit und Unbestimmtheit in vielen Bereichen der Informatik und Mathematik (z.B. Intervallarithmetik) 44