Leseprobe

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1 Beschreibung des Störungsbildes
1.1 Symptomatik der Sozialen Phobie
Viele Menschen fühlen sich in bestimmten sozialen Interaktionen ängstlich, sei es beim Halten einer Rede oder beim Ansprechen einer fremden
Person des anderen Geschlechts. Befürchtungen hinsichtlich der Frage
„Was könnte der andere von mir denken?“ regulieren öffentliches Verhalten in unserer Gesellschaft. Problematisch ist es allerdings, wenn die Befürchtungen zu stark und die Ängste zu belastend werden. Für die Beurteilung des Störungsbildes sollte nie vergessen werden, dass sozialphobische
Patienten eine schwerwiegende Beeinträchtigung in ihrem Leben erfahren;
die Störung sollte somit nicht verharmlost werden.
Geschichte des
Störungsbildes
In der Geschichte der Psychologie finden sich bereits früh Beschreibungen
von sozialphobischen Symptombildern (z. Β. Pierre Janet: „phobie des situations sociales“). In der neueren Zeit wurden klinische Fallbeschreibungen sowie eine mit Heute vergleichbare Definition der Störung von Marks
und Gelder (1966) eingeführt. Als eigenständiges Störungsbild wurde die
Soziale Phobie allerdings erst 1980 in das Diagnostische und Statistische
Manual (DSM-III; APA, 1980) aufgenommen. Neben Einfacher Phobie
und Agoraphobie zählte die Soziale Phobie dabei zu den „Phobischen Störungen“. Noch 1985 galt die Soziale Phobie als in der klinischen Forschung lange vernachlässigt (Liebowitz, Gorman, Fyer & Klein, 1985),
seitdem nimmt aber das Interesse stetig zu. Im DSM-III-R (APA, 1987) erfolgte dann eine Erweiterung der Definition, die im DSM-IV (APA, 1994)
und DSM-IV-TR (APA, 2000) weitgehend beibehalten wurde. Um dieser
und der starken Beeinträchtigung durch die Störung gerecht zu werden,
zeigte sich in den letzten Jahren eine steigende Tendenz, von „Sozialer
Angststörung“ statt von „Sozialer Phobie“ zu sprechen.
Definition der
Sozialen Phobie
Nach DSM-IV-TR (APA, 2000) versteht man unter Sozialer Phobie eine
Angst vor sozialen Situationen, in denen man mit Fremden konfrontiert
oder einer Bewertung durch andere ausgesetzt ist, z. Β. in der Kantine
essen oder vor einer Menschengruppe sprechen. Die Zahl der angstauslösenden Situationen kann zwischen Patienten mit Sozialer Phobie stark variieren. Einige Betroffene sind in den meisten Lebensbereichen sozial sicher
und fürchten nur einzelne Situationen, andere Patienten fürchten dagegen
nahezu sämtliche alltägliche Interaktionen mit anderen Personen wie Ver10
käufern, Kollegen oder Freunden. Zentrales Symptom ist die Befürchtung,
in der Situation ein bestimmtes Verhalten bzw. bestimmte Angstsymptome
zu zeigen, das oder die von anderen wahrgenommen und als peinlich bewertet werden könnten. Befragungen von Sozialphobikern ergaben, dass
die häufigsten Befürchtungen sich darauf richten, dass der Interaktionspartner Angstsymptome bemerkt, oder nervös und unsicher auszusehen,
erröten zu können oder durch Fragen von anderen im Mittelpunkt zu stehen (Fahlen, 1996).
Ein weiteres Kriterium ist, dass die gefürchteten Situationen vorrangig vermieden oder nur unter starker Angst ertragen werden. Da die meisten sozialen Situationen auf Dauer nur unter größten sozialen Nachteilen vermieden werden können, bedeutet dies für die meisten Betroffenen, dass sie
sich permanent in angstauslösende Situationen begeben und diese bewältigen müssen. Zudem ist die Intensität der von Sozialphobikern erlebten
Angst insbesondere vor und in solchen Situationen extrem hoch und nicht
vergleichbar mit der Belastung, die von verbreiteten sozialen Ängsten in
der Bevölkerung (z. B. Redeangst) ausgeht. Dies erklärt, warum Personen
mit Sozialen Phobien ein erhöhtes Anspannungsniveau erleben und oftmals auch unter einem hohen Leidensdruck stehen.
Nicht immer können die Betroffenen ihre Ängste als übertrieben erkennen.
Insbesondere wenn sie während der diagnostischen Untersuchung eine Situation beschreiben, kann dies zu erheblicher Angst und Scham führen, die
wiederum als Beweis für die „objektive“ Peinlichkeit erlebt wird.
Im Vergleich zum DSM-IV verlangt die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10; WHO, 1991) zusätzlich bestimmte körperliche Symptome. Von großer Bedeutung sind hierbei solche Angstsymptome, die für andere sichtbar sind: Erröten, Schwitzen und Zittern. Sehr
oft sind diese Symptome nicht objektiv in der Intensität beobachtbar, wie
Sozialphobiker diese erleben. Neben den sichtbaren Symptomen können
auch solche Symptome Gegenstand der Befürchtungen sein, die weniger
das Aussehen betreffen, sondern sich akustisch äußern (z. B. trockener
Mund, Stimmveränderungen oder Stottern).
Besonderheiten
im ICD-10
Für die Diagnosestellung ist weiterhin wichtig, dass die sozialen Ängste
zu bedeutsamen psychosozialen Beeinträchtigungen oder erheblichem
Leidensdruck führen. Die Beeinträchtigungen zeigen sich vor allem in den
sozialen Folgen der Vermeidung, also im Beruf, im öffentlichen Leben,
aber auch in den sozialen Beziehungen (Bekannte oder Freunde), sowie in
den schweren Fällen auch in Partnerschaft oder Familie.
Störung nicht
verharmlosen,
da sie mit
großem
Leidensdruck
verbunden ist
Weiterhin ist von Bedeutung, dass die sozialen Ängste nicht durch andere
körperliche oder psychische Störungen erklärt werden können. In der
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Differenzialdiagnostik beachten
Praxis sind eine Reihe von Krankheiten (z. B. essentieller Tremor, Tic-Störungen, entstellende Erkrankungen, etc.) oder auch andere psychische Störungen (z. B. Alkoholismus, Essstörungen, Schizophrenie) mit einer erheblichen Stigmatisierung in der Öffentlichkeit verbunden, die sich ebenfalls
in Sozialen Phobien äußern können. Zentral ist hierbei, dass Soziale Phobien irrationale und übertriebene Befürchtungen darstellen, die nicht auf
realistischen Wahrnehmungen der Reaktionen anderer beruhen.
Kasten 1:
Diagnosekriterien der Sozialen Phobie nach DSM-IV-TR (300.23)
A. Eine ausgeprägte und anhaltende Angst vor einer oder mehreren
sozialen oder Leistungssituationen, in denen die Person mit unbekannten Personen konfrontiert ist oder von anderen Personen beurteilt werden könnte. Der Betroffene befürchtet, ein Verhalten
(oder Angstsymptome) zu zeigen, das demütigend oder peinlich
sein könnte.
Beachte: Bei Kindern muss gewährleistet sein, dass sie im Umgang mit bekannten Personen über die altersentsprechende soziale
Kompetenz verfügen, und die Angst muss gegenüber Gleichaltrigen und nicht nur in der Interaktion mit Erwachsenen auftreten.
B. Die Konfrontation mit der gefürchteten sozialen Situation ruft fast
immer eine unmittelbare Angstreaktion hervor, die das Erscheinungsbild einer situationsgebundenen oder einer situationsbegünstigten Panikattacke annehmen kann.
Beachte: Bei Kindern kann sich die Angst durch Weinen, Wutanfälle, Erstarren oder Zurückweichen von sozialen Situationen mit
unvertrauten Personen ausdrücken. Die Person erkennt, dass die
Angst übertrieben oder unbegründet ist.
Beachte: Bei Kindern darf dieses Kriterium fehlen.
D. Die gefürchteten sozialen oder Leistungssituationen werden vermieden oder nur unter intensiver Angst oder Unwohlsein ertragen.
E. Das Vermeidungsverhalten, die ängstliche Erwartungshaltung oder
das starke Unbehagen in den gefürchteten sozialen oder Leistungssituationen beeinträchtigen deutlich die normale Lebensführung
der Person, ihre berufliche (oder schulische) Leistung oder soziale
Aktivitäten oder Beziehungen, oder die Phobie verursacht erhebliches Leiden.
F. Bei Personen unter 18 Jahren hält die Phobie über mindestens 6 Monate an.
G. Die Angst oder Vermeidung geht nicht auf die direkte körperliche
Wirkung einer Substanz (z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück und kann nicht besser durch
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eine andere psychische Störung (z. B. Panikstörung mit oder ohne
Agoraphobie, Störung mit Trennungsangst, Körperdysmorphe Störung, Tiefgreifende Entwicklungsstörung oder Schizoide Persönlichkeitsstörung) erklärt werden.
H. Falls ein medizinischer Krankheitsfaktor oder eine andere psychische Störung vorliegen, so stehen diese nicht in Zusammenhang
mit der unter Kriterium A beschriebenen Angst, z. B. nicht Angst
vor Stottern, Zittern bei Parkinsonscher Erkrankung oder, bei Anorexia Nervosa oder Bulimia Nervosa, ein abnormes Essverhalten
zu zeigen.
Bestimme, ob:
Generalisiert: Wenn die Angst fast alle sozialen Situationen betrifft
(ziehe auch die zusätzliche Diagnose einer Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung in Betracht).
Kasten 2:
Diagnosekriterien der Sozialen Phobie nach ICD-10 (F40.1)
A. Entweder 1. oder 2.:
1. deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder
sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten
2. deutliche Vermeidung im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten.
Diese Ängste treten in sozialen Situationen auf, wie Essen oder
Sprechen in der Öffentlichkeit, Begegnung von Bekannten in der
Öffentlichkeit, Hinzukommen oder Teilnahme an kleinen Gruppen,
wie z. B. bei Parties, Konferenzen oder in Klassenräumen.
B. Mindestens zwei Angstsymptome in den gefürchteten Situationen
mindestens einmal seit Auftreten der Störung, wie in F40.0, Kriterium B., definiert, sowie zusätzlich mindestens eins der folgenden Symptome:
1. Erröten oder Zittern
2. Angst zu erbrechen
3. Miktions- oder Defäkationsdrang bzw. Angst davor.
C. Deutliche emotionale Belastung durch die Angstsymptome oder
das Vermeidungsverhalten. Einsicht, dass die Symptome oder das
Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind.
D. Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich
auf die gefürchteten Situationen oder auf Gedanken an diese.
E. Ausschlussvorbehalt: Die Symptome des Kriteriums A. sind nicht
bedingt durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der
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Störungsgruppen organische psychische Störungen (F 0), Schizophrenie und verwandte Störungen (F2), affektive Störungen (F3) oder
eine Zwangsstörung (F42) und sind nicht Folge einer kulturell akzeptierten Anschauung.
Die Vielgestalt der unter dem Begriff „Soziale Phobie“ zusammengefassten Störungen soll anhand von zwei Fallbeispielen erläutert werden.
Kasten 3:
Fallbeispiele
Der 45-jährige Herr M. ist leitender Angestellter in einer großen
Firma und stellt sich zur Behandlung vor, weil er im Laufe der letzten Monate erhebliche Ängste habe, dass andere sehen könnten wie
er zittert. Eine gewisse Besorgnis diesbezüglich kenne er zwar schon
seit langem, aber erst jetzt werde es zunehmend unerträglich. In Folge
dieser Angst könne er auch keine Unterschriften mehr in Gegenwart
anderer Menschen, insbesondere solchen, die in der Hierarchie höher
stünden als er, leisten. Jetzt fürchte er, dass er erhebliche Schwierigkeiten bekommen könnte, da ein Vorgesetzter ihn kürzlich kritisiert
habe, nachdem er eine Unterschrift erst gemacht habe, nachdem er
das Blatt in sein eigenes Büro mitgenommen habe. Herr M. gibt an,
dass er mit seinem Leben ansonsten sehr zufrieden sei: er sei glücklich verheiratet, habe zwei schulpflichtige Kinder und verfüge über
einen zufrieden stellenden Freundes- und Bekanntenkreis.
Die 32-jährige Frau E. stellt sich zur Behandlung vor, da sie in der
letzten Zeit zunehmend die Hoffnung verloren habe, an ihrer Situation etwas verändern zu können. Sie gibt an, dass sie schon seit ihrer
Kindheit sehr schüchtern gewesen sei: sie habe seit sie sich erinnern
könne ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu anderen Menschen, aber auch eine kaum überwindbare Angst, abgelehnt zu werden. Sie habe es deshalb nie geschafft, engere zwischenmenschliche
Beziehungen einzugehen, sie habe nie eine enge Freundin oder einen
Partner gehabt; nach wie vor lebe sie in der Wohnung ihrer mittlerweile berenteten Mutter. Sie wisse selbst, dass das nicht angemessen
sei, fühle sich jedoch nicht in der Lage, eine eigene Wohnung zu suchen. Gegenüber anderen Menschen fühle sie sich unattraktiv und
uninteressant, sie wolle „am liebsten in den Boden versinken“. Ihren
Beruf als Zahnarzthelferin erlebe sie als positiv, auch wenn sie sich
häufig unterfordert fühle.
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Seit Einführung des DSM-III-R (APA, 1987) kann ein Generalisierter Subtypus der Sozialen Phobie diagnostiziert werden, wenn Personen „die meisten sozialen Situationen“ fürchten. Gewöhnlich wird der Generalisierte
Subtypus ab drei Situationen diagnostiziert auch wenn in der Literatur die
Definitionen schwanken, was unter „meiste soziale Situationen“ zu verstehen sei. So sehen Turner, Beidel und Townsley (1992) als Kriterium die Art
der auslösenden Situationen. Die Autoren diagnostizieren einen Generalisierten Subtyp, wenn häufige soziale Situationen, also z. B. das Beginnen
oder Aufrechterhalten eines Gespräches, gefürchtet werden, währenddessen
Leistungssituationen wie Vorträge, das Essen in der Öffentlichkeit oder das
Nutzen öffentlicher Toiletten zum Spezifischen Subtyp gehören unabhängig
davon, wie viele Leistungssituationen gefürchtet werden. Der Spezifische
Subtyp wird allerdings nicht codiert. Die Arbeitsgruppe um Heimberg
unterscheidet stattdessen drei mögliche Subtypen: Generalisierte Soziale
Phobie, Spezifische Soziale Phobie und Nicht-generalisierte Soziale Phobie
(Heimberg, Holt, Schneier, Spitzer & Liebowitz, 1993). Das Kriterium ergibt sich hier aus der Anzahl an gefürchteten Situationen: die Spezifische
Soziale Phobie wird bei nur ein bis zwei diskreten Situationen diagnostiziert, die Generalisierte Soziale Phobie bei den meisten sozialen Situationen, die Nicht-generalisierte Soziale Phobie bei vielen sozialen Situationen.
Letztere ist somit eine Zwischenkategorie, die jedoch nicht Verbreitung gefunden hat. In der Praxis wird die Unterscheidung zwischen Generalisierter
und Nicht-generalisierter Sozialer Phobie durch die Verwendung von Instrumenten zur Selbstbeurteilung (z. B. Social Interaction Anxiety Scale, vgl.
Kap. 4.1.2) und Fremdbeurteilung (z. B. Liebowitz Social Anxiety Scale,
vgl. Kap. 4.2.1) erheblich erleichtert.
Subtypen der
Soziale Phobie
Die Diagnose einer Sozialen Phobie schließt nicht die gleichzeitige Diagnose einer Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung aus. Dabei
ist zu beachten, dass sechs der sieben Kriterien mit denen der Sozialen Phobie überlappen. Der Zusammenhang zwischen beiden Störungsbildern lässt
sich am besten mittels der Kontinuumshypothese (vgl. Abb. 1) verdeutlichen: beide Störungen werden nicht als qualitativ unterschiedlich angesehen, sondern unterscheiden sich nur hinsichtlich des Schweregrades (z. B.
van Velzen, Emmelkamp & Scholing, 2000; Vriends, Becker, Meyer, Michael & Margraf, in Druck). Dieser dimensionale Ansatz lässt sich auch auf
den Vergleich zwischen Generalisierter und Spezifischer Sozialer Phobie
anwenden. Es zeigte sich sowohl hier als auch zwischen Generalisierter Sozialer Phobie und Vermeidend-Selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung, dass
Patienten mit der jeweils schwereren Störung eine höhere depressive Symptomatik bzw. eine größere Anzahl zusätzlicher Diagnosen haben sowie eine
stärkere Beeinträchtigung in bedeutsamen Lebensbereichen aufweisen und
damit über eine geringere Lebensqualität berichten.
Abgrenzung zur
VermeidendSelbstunsicheren Persönlichkeitsstörung ist
problematisch
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Ausmaß der sozialen Ängste
subklinische
soziale Ängste
spezifische
Sozialphobie
generalisierte
Sozialphobie
Vermeidend
Selbstunsichere
Persönlichkeitsstörung
Abbildung 1:
Kontinuitätshypothese der Sozialen Phobie
Kasten 4:
Diagnosekriterien der Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung nach
DSM-IV-TR (301.82)
Ein tief greifendes Muster von sozialer Gehemmtheit, Insuffizienzgefühlen und Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung.
Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter, und die Störung manifestiert sich in verschiedenen Situationen. Mindestens 4 der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
1. vermeidet aus Angst vor Kritik, Missbilligung oder Zurückweisung
berufliche Aktivitäten, die engere zwischenmenschliche Kontakte
mit sich bringen,
2. lässt sich nur widerwillig mit Menschen ein, sofern er/sie sich nicht
sicher ist, dass er/sie gemocht wird,
3. zeigt Zurückhaltung in intimeren Beziehungen, aus Angst beschämt
oder lächerlich gemacht zu werden,
4. ist stark davon eingenommen, in sozialen Situationen kritisiert oder
abgelehnt zu werden,
5. ist aufgrund von Gefühlen der eigenen Unzulänglichkeit in neuen
zwischenmenschlichen Situationen gehemmt,
6. hält sich für gesellschaftlich unbeholfen, persönlich unattraktiv
oder anderen gegenüber unterlegen,
7. nimmt außergewöhnlich ungern persönliche Risiken auf sich oder
irgendwelche neuen Unternehmungen in Angriff, weil dies sich
als beschämend erweisen könnte.
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Kasten 5:
Diagnosekriterien der Ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung nach
ICD-10 (F60.6)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60)
müssen erfüllt sein.
B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:
1. andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgtheit
2. Überzeugung, selbst sozial unbeholfen, unattraktiv oder minderwertig im Vergleich mit anderen zu sein
3. übertriebene Sorge, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden
4. persönliche Kontakte nur, wenn Sicherheit besteht, gemocht zu
werden
5. eingeschränkter Lebensstil wegen des Bedürfnisses nach körperlicher Sicherheit
6. Vermeidung beruflicher oder sozialer Aktivitäten, die intensiven zwischenmenschlichen Kontakt bedingen, aus Furcht vor
Kritik, Missbilligung oder Ablehnung.
1.2 Epidemiologische Daten, Komorbide Störungen
Die Lebenszeitprävalenz schwankt sehr stark zwischen den einzelnen Studien. Für neuere epidemiologische Studien aus Europa (ab DSM-III-R) ergaben sich Prävalenzraten zwischen 4 % und 14 % (Fehm, Pelissolo, Furmark & Wittchen, 2005). Die Soziale Phobie gilt damit als die häufigste
Angststörung. Betrachtet man den Verlauf der Störung, so zeigt sich, dass
die Störung chronisch ist und meist keine Spontanremission auftritt; allerdings liegen auch Studien vor, in denen die Stabilität deutlich geringer ist
(Vriends, Becker, Meyer, Williams et al., in Druck). In der Allgemeinbevölkerung kommt die Störung mit einem Verhältnis von ca. drei zu zwei
häufiger bei Frauen vor (Kessler et al., 1994), in klinischen Stichproben ist
das Verhältnis hingegen ausgeglichen (vgl. Fehm et al., 2005).
Soziale Phobie
ist häufig
Die meisten sozialphobischen Patienten leiden unter mindestens einer weiteren psychischen Störung; Untersuchungen zeigten, dass dies ca. 80 Prozent der Patient betrifft (Magee et al., 1996). Am häufigsten werden andere
Angststörungen wie Spezifische Phobien und Panikstörung berichtet, aber
Auch Depressivität erfassen
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auch Affektive Störungen und Störungen mit Substanzmissbrauch. Für das
diagnostische Vorgehen und für die Beurteilung des Therapieverlaufs sollte
dies berücksichtigt werden und entsprechende Verfahren, insbesondere aus
den Bereichen der Depressivität (Hautzinger & Meyer, 2002) und anderer
Angststörungen (Hoyer, Helbig & Margraf, 2005), eingesetzt werden.
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