Vorlesung Affektive Störungen SS 2005

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Vorlesung Affektive Störungen
SS 2005
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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der J.W. Goethe-Universität Frankfurt/Main
Vorlesung Affektive Störungen SS 2005 – B. Weber
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Folie 1
I. Überblick
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Folie 2
Synonyma
Affektive Störungen = umfangreiche Krankheitsgruppe
Gesamte Gruppe:
•
manisch-depressive Erkrankung oder Psychose (Irresein)
•
Zyklothymie (selten Zyklophrenie) oder Affektpsychose
Elemente:
•
endogene oder endomorphe (unipolare oder bipolare) Depression
•
Major Depression, Melancholie
•
Manie
•
reaktive (psychogene oder neurotische) Depression
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Folie 3
Charakteristika
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
häufiges Vorkommen
Schwankungen der Grundstimmung in beide Richtungen
Veränderungen des allgemeinen Aktivitätsniveaus
formale, seltener auch inhaltliche Denkstörungen
regelhaft episodischer Verlauf mit Rückfällen
weitere Biorhythmusstörungen
allgemein gute Prognose
Kombination mit anderen psychischen Störungen
Hinweise auf Abwandlungen der neuronalen Transmission
gehäuftes familiäres Auftreten
Beobachtung in allen Kulturen und zu allen Zeiten
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Folie 4
Prognose
•
gute Prognose der Einzelerkrankung auch bei schweren
Krankheitsepisoden
aber
•
oft lebenslanger episodischer Verlauf
•
Chronifizierung in 20% (bes. bei Altersdepressionen)
•
Patientengruppe mit schwereren Depressionen weist die
höchste bekannte Suizidrate (bis 15%) auf
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disability in medical conditions
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Folie 6
Behandlung
Die Behandlung affektiver Störungen hat sich in den letzten 40
Jahren durch die stürmische Entwicklung der Psychopharmaka
und Anwendungen weiterer somatischer Verfahren stark
differenziert in eine
antidepressive, antimanische und rezidivprophylaktische
Therapie,
zu deren Flankierung Psychotherapie und Soziotherapie
unverzichtbar sind.
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Folie 7
Kraepelin (1893)
Emil Kraepelin (1893): erstmals Abgrenzung der manischdepressiven Erkrankung von der später als Schizophrenie
bezeichneten Krankheitsgruppe
Wesentliche Unterscheidungsmerkmale:
• remittierender und rezidivierender, aber prognostisch
günstiger Verlauf
• zeitlich versetztes Auftreten von gehobener und gesenkter
Stimmungslage
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Folie 8
‚psychogen‘ und ‚endogen‘
Später im europäischen Raum, vor allem in Deutschland,
Differenzierung herausgearbeitet in
•
reaktive oder psychogene Depression
entsteht als psychische Reaktion auf belastende Ereignisse
oder pathogene Entwicklungen
•
endogene (zyklothyme) Depression
gilt als im wesentlichen anlagebedingt und ist definiert über
eine endomorphe bzw. vitale Symptomatik:
Gefühl der Gefühllosigkeit, Vitalstörungen, Hemmung,
phasischer Verlauf
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Einteilung
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Folie 10
ICD-10: F30-39
F30 - F39 Affektive Störungen
F30
F31
F32
F33
F34
F38
F39
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manische Episode
bipolare affektive Störung
depressive Episode
rezidivierende depressive Störungen
anhaltende affektive Störungen
sonstige affektive Störungen
nicht näher bezeichnete affektive Störungen
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ICD-10: F30-39
F30 - F39 Affektive Störungen
F30
F31
F32
F33
F34
F38
F39
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manische Episode
bipolare affektive Störung
depressive Episode
rezidivierende depressive Störungen
anhaltende affektive Störungen
sonstige affektive Störungen
nicht näher bezeichnete affektive Störungen
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Folie 12
ICD-10: F30
F30
manische Episode
F30.0 Hypomanie
F30.1 Manie ohne psychotische Symptome
F30.2 Manie mit psychotischen Symptomen ( ... )
F30.8 sonstige manische Episoden
F30.9 nicht näher bezeichnete manische Episode
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ICD-10: F30-39
F30 - F39 Affektive Störungen
F30
F31
F32
F33
F34
F38
F39
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manische Episode
bipolare affektive Störung
depressive Episode
rezidivierende depressive Störungen
anhaltende affektive Störungen
sonstige affektive Störungen
nicht näher bezeichnete affektive Störungen
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Folie 14
ICD-10: F31
F31
bipolare affektive Störung
F31.0
F31.1
bipolare affektive Störung, gegenwärtig hypomanische Episode
bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode, ohne
psychotische Symptome
bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode, mit
psychotischen Symptomen ( ... )
bipolare affektive Störung, gegenwärtig mittelgradige oder leichte
depressive Episode ( ... )
bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode,
ohne psychotische Symptome
bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode
mit psychotischen Symtomen ( ... )
bipolare affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode
bipolare affektive Störung, gegenwärtig remittiert
sonstige bipolare affektive Störungen
nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung
F31.2
F31.3
F31.4
F31.5
F31.6
F31.7
F31.8
F31.9
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ICD-10: F30-39
F30 - F39 Affektive Störungen
F30
F31
F32
F33
F34
F38
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manische Episode
bipolare affektive Störung
depressive Episode
rezidivierende depressive Störungen
anhaltende affektive Störungen
sonstige affektive Störungen
nicht näher bezeichnete affektive Störungen
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ICD-10: F32
F32
depressive Episode
F32.0 leichte depressive Episode ( ... )
F32.1 mittelgradige depressive Episode ( ... )
F32.2 schwere depressive Episode ohne psychotische
Symptome
F32.3 schwere depressive Episode mit psychotischen
Symptomen ( ... )
F32.8 sonstige depressive Episoden
F32.9 nicht näher bezeichnete depressive Episode
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ICD-10: F30-39
F30 - F39 Affektive Störungen
F30
F31
F32
F33
F34
F38
F39
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manische Episode
bipolare affektive Störung
depressive Episode
rezidivierende depressive Störungen
anhaltende affektive Störungen
sonstige affektive Störungen
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ICD-10: F33
F33
rezidivierende depressive Störungen
F33.0 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
leichte Episode( ... )
F33.1 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
mittelgradige Episode ( ... )
F33.2 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
schwere Episode ohne psychotische Symptome
F33.3 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
schwere Episode mit psychotischen Symptomen ( ... )
F33.4 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
remittiert
F33.8 sonstige rezidivierende depressive Störungen
F33.9 nicht näher bezeichnete depressive Störung
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ICD-10: F30-39
F30 - F39 Affektive Störungen
F30
F31
F32
F33
F34
F38
F39
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manische Episode
bipolare affektive Störung
depressive Episode
rezidivierende depressive Störungen
anhaltende affektive Störungen
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Folie 20
ICD-10: F34
F34
anhaltende affektive Störungen
F34.0 Zyklothymia
F34.1 Dysthymia
F34.8 sonstige anhaltende affektive Störungen
F34.9 nicht näher bezeichnete anhaltende affektive Störung
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Folie 21
ICD-10: F30-39
F30 - F39 Affektive Störungen
F30
F31
F32
F33
F34
F38
F39
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manische Episode
bipolare affektive Störung
depressive Episode
rezidivierende depressive Störungen
anhaltende affektive Störungen
sonstige affektive Störungen
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Folie 22
ICD-10: F38/F39
F38
sonstige affektive Störungen
F38.0 sonstige einzelne affektive Störungen ( ... )
F38.1 sonstige rezidivierende affektive Störungen ( ... )
F38.8 sonstige näher bezeichnete affektive Störungen
F39
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nicht näher bezeichnete affektive Störungen
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II. Depressive Störungen
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Episode
Episode im Sinne der ICD-10:
• zeitlich eingrenzbarer manischer, depressiver oder
gemischter Krankheitszustand unabhängig von der Intensität
(synonym: Phase, Attacke)
• dauert im Mittel 4-5 Monate an, manische Episoden eher
kürzer, depressive Episoden eher etwas länger
Die depressive Episode ist eine
• klinisch relevante Senkung der Stimmungslage
• mit oder ohne begleitende Angst
• in Verbindung mit einer Minderung des allgemeinen
körperlichen und psychischen Aktivitätsniveaus
• von durchgehend mindestens 2 Wochen Dauer
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Depressives Syndrom Hauptsymptome
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ICD-10 Kriterien Depressive Episode
… leidet die betreffende Person gewöhnlich unter gedrückter
Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und einer Verminderung des
Antriebs. Die Verminderung der Energie führt zu erhöhter Ermüdbarkeit und
Aktivitätseinschränkung. Deutliche Müdigkeit tritt oft nach nur kleinen
Anstrengungen auf.
Andere häufige Symptome sind:
1. Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
2. Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit (sogar bei leichten depressiven
Episoden)
4. Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen
6. Schlafstörungen
7. Verminderter Appetit
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diagnosis
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Symptomatik: Affektstörungen (1)
•
Veränderungen im emotionalen Gefüge
•
negative Gestimmtheit, gesenkte Gesamtstimmungslage
(„depressive Verstimmung“)
•
freudlos, lustlos, „Gefühl der Gefühllosigkeit“, nicht einmal
mehr traurig sein können, „erlebte Leblosigkeit“,
Hoffnungslosigkeit, Wertlosigkeit
•
nicht mehr in der Lage situativ mitzuschwingen, emotionale
Reagibilität oder Resonanzfähigkeit erheblich eingeschränkt
oder aufgehoben („Affektstarre“)
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Folie 29
Symptomatik: Affektstörungen (2)
•
diffuse, frei flottierende ziellose Angst vor allem,
selbst vor kleinsten Anforderungen
•
organ- oder leibnahe Ängste, im Herz, in der Brust, in der
Enge des Halses („Vitalstörungen“), in der Atmung, hörbar
für den Beobachter in Stoßseufzern … bis hin zum Ausspruch,
selbst Angst zu sein
•
Angst auch zeitbezogen als Angst vor der Vergangenheit und
vor der Zukunft
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Folie 30
Symptomatik: Antriebsstörungen (1)
•
Veränderungen des Wollens, des Triebes, des Handelns, der
psychischen und körperlichen Aktivität, die als Antrieb
zusammengefasst werden
•
Hemmung der Entschlusskraft (Ambivalenz), Kreativität, des
Interesses, der sogenannten Lebensenergie und Spontaneität
•
Eindruck von Willenlosigkeit, Durchhalteschwäche und
Handlungsfragmentierung, die im Extremfall in
Handlungsunfähigkeit und Reglosigkeit einmündet
(= „depressiver Stupor“)
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Symptomatik: Antriebsstörungen (2)
In anderen Fällen:
•
eigenartige ziellose Unruhe und Getriebenheit
•
Agitiertheit, als Ausdruck von ängstlicher Ratlosigkeit
•
„Was wird aus mir, wie geht es weiter, es geht überhaupt nicht
weiter“
•
leeres Klagen, körperliche Rastlosigkeit und
psychomotorische Unruhe, die nicht nur den Patienten, sondern
auch sein Umfeld belasten kann
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Folie 32
Symptomatik: Denkstörungen
Das Denken des Depressiven weist
•
formale
und bei schwereren Ausprägungsgraden
•
inhaltliche Störungen
auf
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Folie 33
Symptomatik: Formale Denkstörung
•
Typisch: formale Denkverlangsamung,
•
Patient wirkt schwerfällig, aspontan, einförmig in seinen
Gedanken („Denkhemmung“, „Denkverlangsamung“,
„Einengung“),
•
Gedankenkreisen gelegentlich auch drängend immer um
gleiche Inhalte („Grübeln“),
•
Patient fühlt sich deshalb als konzentrationsunfähig
•
Ein verlangsamtes Sprechtempo spiegelt objektiv die
allgemeine Hemmung wider
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Folie 34
Symptomatik: Inhaltliche Denkstörung
Überwertige Vorstellung der Wertlosigkeit, nichts mehr zu
können, für andere einen Hemmfaktor darzustellen und vielleicht
unheilbar krank zu sein
Bei besonders schwerer Ausprägung depressiver Wahn mit den
Inhalten
•
Schuld
•
Armut
•
Krankheit
nach K. Schneider (1950) die drei Urängste des Menschen.
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Folie 35
Symptomatik: Schuldwahn
•
Schuldwahn etwa bei 20% der Patienten
•
unkorrigierbare Gewissheit des persönlichen Versagens in
der Vergangenheit, das zu seinem jetzigen Zustand geführt hat,
schweres vermeintliches Leid über ihm Nahestehende gebracht
hat, Unglück für die ganze Menschheit heraufbeschwört oder
gar zum Weltuntergang führt
•
In solchen schweren Fällen wähnen sich die Patienten als
Verbrecher, die sich verfolgt fühlen können, um ihre gerechte
Strafe zu empfangen („Verfolgungswahn“).
•
Ein Suizid kann hier motivational Selbstjustiz bedeuten.
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Folie 36
Symptomatik: Verarmungswahn
Im Verarmungswahn
teilweise noch lebensnahe existentielle Sorgen:
• „ich kann meine Miete nicht mehr bezahlen"
auch merkwürdig hyperkonkret anmutende Inhalte:
• „meine gesamte Wäsche ist mir gestohlen worden"
schließlich auch extreme Vorstellungen:
• „ich habe kein Gehirn mehr"
• „ich habe nie Kinder gehabt„
•
auch als „nihilistischer Wahn“ bezeichnet
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Folie 37
Symptomatik: Hypochondrischer Wahn
Inhalte beim Krankheitswahn (hypochondrischen Wahn):
noch rückbezügliche Krankheitsbefürchtungen
• „chronischer Husten“
wahngewisse bösartige Krankheiten
• „Prostatakrebs“
fließende Übergänge zum nihilistischen Wahn möglich
• „ich habe keine Verdauung mehr; mein Bauch ist nur noch
ein Eitersack, in den das Essen fällt, verfault und dann verloren
geht“
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Folie 38
Symptomatik: Stimmungskongruenz
•
Die beschriebenen Wahnformen lassen sich aus der
depressiven Gestimmtheit herleiten
•
stimmungskongruenter (synthymer, holothymer) Wahn
•
In seltenen Fällen auch kurzzeitig stimmungsinkongruente
(dysthyme, katathyme) Wahnformen möglich
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Folie 39
Symptomatik: veget. und somat. Störungen
•
Appetitstörungen (Appetitverlust, in seltenen Fällen
atypischerweise auch Appetitvermehrung),
•
Gewichtsverlust
•
deutlicher Libidoverlust
•
Sistieren von Menstruation und Potenz
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Folie 40
Symptomatik: Biorhythmusstörungen
•
herausragendes Kennzeichen für den endomorphen
Charakter affektiver Störungen
•
Funktionsabwandlungen der normalen biologischen Zeitgeber,
mit denen alle seelischen und körperlichen Abläufe verkoppelt
sind
•
Modelle, die manisch-depressiven Psychosen als biologische
Rhythmusstörung definieren
Einzelne Störungen folgen ->
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Folie 41
Symptomatik: Schlafstörungen
•
müssen genau erfragt werden
•
charakteristische Abwandlungen des gewohnten Schlafmusters
•
regelhaft gut einschlafen,
•
aber nachts häufig aufwachen und wieder einschlafen
(„zerhackter Schlaf“)
•
oder frühzeitig (gegen 4.00 Uhr) erwachen bzw. beides.
•
nach dem Erwachen meist sofort hellwach
•
größere REM-Schlaf-Variabilität im EEG
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Folie 42
Symptomatik: Tagesschwankungen
•
Nach dem vorzeitigen Erwachen ist die gesamte Symptomatik
am stärksten ausgeprägt (Morgentief)
•
„es sind die schlimmsten Stunden am Tage“
•
Suizide Depressiver häufig am Morgen
•
häufig Stimmungsumschwung zwischen dem späten
Vormittag und dem frühen Nachmittag
•
„abends denke ich immer, ich hab es überwunden“
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Tagesschwankung
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Folie 44
Symptomatik: Zeitempfinden
•
häufig subjektiv aufgehobenes Zeitempfinden in der
Depression
•
die Vergangenheit ist ganz herangerückt
•
Zukunft gibt es keine
•
„die Zeit steht stille“
•
äußerst quälendes Gefühl
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Folie 45
Symptomatik: intraphasische Schwankungen
•
Während des Ablaufs einer Krankheitsepisode häufig starke
intraphasische Schwankungen
•
Vermeintliche Besserungen des Befindens über Tage lassen
auf ein Phasenende hoffen, plötzlich aber kann eine neuerliche
Verschlechterung - manchmal über Nacht - eintreten
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Folie 46
Symptomatik: Suizidalität
•
höchste suizidale Gefährdung überhaupt
•
mindestens gelegentliche Suizidgedanken bei fast allen
Patienten zu irgendeinem Zeitpunkt
•
Suizidversuche sehr häufig in depressiver Verstimmung, aber
nicht zwangsläufig bei affektiver Störung
•
Suizide oft in tiefer Depressivität
•
sehr konsequent, violent
•
im Handlungsablauf wenig berechenbar (raptus
melancholicus)
•
äußerst selten: erweiterter Suizid
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Folie 47
Symptomatik: Wahrnehmungsstörungen
•
Intensitätsminderungen der Empfindungen:
Essen schmeckt schal,
Umwelt erscheint unplastisch oder grau in grau
•
innere Stimme des Gewissens als akustische Halluzination
•
Stimmen des Jüngsten Gerichts, Hilferufe der eigenen,
gequälten Kinder, Hahnenschrei vor dem eigenen Todesurteil
oder ähnliche Lautausmalungen depressiver Szenerie
•
Geruchshalluzinationen in Form von Fäulnis und Verwesung
als Todesanzeichen
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Folie 48
Symptomatik: Ich-Störungen
•
Depersonalisationserleben und Derealisationserleben
•
bei anhaltendem nihilistischen Wahn völliger „Verlust des
Existenzgefühls“
•
Körpergefühlsstörungen allgemeiner Art: Kraftlosigkeit,
Schweregefühl, Mattigkeit, allgemeines Krankheitsgefühl
•
Körpergefühlsstörungen lokalisierter Art:
Kopf: Schmerzen, Druck, Leere, Rauschen;
Augen: Druck, Flimmern, Stechen;
Hals: zugeschnürt, dick, Schluckbeschwerden;
Thorax: Brennen, Herzjagen, Reifengefühl;
Abdomen: Druck, Unruhe, Hitze usw.
•
somatische Fehldiagnosen möglich
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Folie 49
Symptomatik: Schweregrade
•
leichte depressive Episode
•
mittelgradige depressive Episode
•
schwere depressive Episode
•
Zahl und Intensität der bestehenden Symptome
•
Auswirkungen auf berufliche, soziale und häusliche Aktivitäten
©
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Folie 50
Psychotische Symptome
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Folie 51
Somatisches Syndrom
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Folie 52
Depressive Syndrome (1)
•
herkömmliche, klinisch bewährte Syndrome
•
ohne Eingang in die moderne Klassifikation des ICD-10 oder
anderer Diagnosemanuale
•
spezielle Ausprägungen von Symptomkonstellationen
•
oder auch multi- oder komorbide Störungen
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Folie 53
Depressive Syndrome (2)
•
gehemmt-depressives Syndrom
•
agitiert-depressives Syndrom
•
wahnhafte Depression, meist dringend stationär
behandlungsbedürftig
•
hypochondrisch-depressives Syndrom: ängstliche
Klagsamkeit krank zu sein
•
anankastische Depression
•
vegetative Depression (auch larvierte Depression)
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Folie 54
Depressive Syndrome (3)
•
Jammerdepression: extreme Klagsamkeit auf der Grundlage
von schwerer diffuser Angst und Krankheits-, Zukunfts- oder
anderer Furcht
•
Involutionsdepression: evtl. mit klimakterischen Symptomen
gemischt
•
Altersdepression: mit multiplen Altersbeschwerden und Hang
zu Chronifizierung
•
organische Depression: bei primären oder sekundären
Hirnaffektionen nicht selten auftretende symptomatische
Depression
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Folie 55
Depressive Syndrome (4)
Pharmakogene Depression:
•
unter der Behandlung schizophrener Störungen mit
Neuroleptika auftretende symptomatische Depression
•
Abgrenzung zum beginnenden, neuroleptikabedingten
Parkinson-Syndrom wie auch
•
zum depressiven Syndrom bei unbehandelter Schizophrenie
im Prodromal- oder im postpsychotischen Zustand
•
Auch andere Medikamente L-DOPA, Bromocriptin und
Kortikosteroide; eher zweifelhaft bei lbuprofen, Sulfonamiden,
ACE-Hemmern, Clomethiazol u. a.
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Folie 56
III. Rezidivierende depressive Störung
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Folie 57
Charakterisika
•
charakterisiert durch wiederholte depressive Episoden
•
unabhängig vom Schweregrad
•
Auftreten von Hypomanie sofort nach einer depressiven
Episode zulässig
•
Zwischen den Episoden typischerweise vollständige Remission
•
Krankheitsepisode plus nachfolgendes Intervall = Zyklus
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Folie 58
Verlauf rez. depr. Störung
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Folie 59
Differentialdiagnose
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Folie 60
comorbidity
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Folie 61
Erkrankungsalter
•
erste Episode oft abgeschwächt, verkürzt, reaktive Züge
•
Erkrankungsalter lässt sich oft nur ungenau bestimmen
•
Median bei Bipolaren um 25 Jahre
•
Median bei Unipolaren um 35 Jahre
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Folie 62
Diagnosestabilität
•
Unipolare sind bis zu 1/3 „noch nicht“ bipolare Verläufe
•
Stabil ist eigentlich nur die Diagnose einer bipolaren Störung
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Folie 63
Episoden- und Zyklusdauer
•
Episodendauer durchschnittlich 5 Monate
•
Unipolare länger, Bipolare kürzer
•
keine sichere Verkürzung durch Antidepressiva
•
Verkürzung durch EKT und Lithium
•
Episodendauer im Lebens- bzw. Krankheitsverlauf
durchschnittlich gleich
•
Zyklusdauer verkürzt sich im Lebens- bzw. Krankheitsverlauf
durch zeitliche Abnahme des Intervalls
Rapid cycling >= 4 affektive Episoden pro Jahr
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Folie 64
Prognose und Prädiktion
Allgemeine Prognose ist gut
Einschränkungen durch:
• Suizid (15%)
• Herz-Kreislauf-Mortalität
• Chronifizierung (15-30%)
•
Rezidivneigung
•
•
Prädiktion schwierig, allenfalls Risikofaktoren
Episodenrezidiv: Hauptprädiktor ist der bisherige Verlauf
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Epidemiologie
Depression = häufigste psychische Störung
Risikofaktoren:
•
Geschlecht (w: x 2-3)
•
soziale Faktoren
•
Familienanamnese
•
prämorbide Persönlichkeit („typus melancholicus“)
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Epidemiologie
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epidemiology
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Folie 68
Ätiopathogenese (1)
Multikausales Bedingungsgefüge aus:
•
endogenen Faktoren
•
psychogenen Faktoren
•
sozialen Faktoren
•
life events
•
chronische Streßsituationen
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Folie 69
Ätiopathogenese (2)
Biochemisches Korrelat an zentralen Synapsen:
•
verminderte Aktivität noradrenerger und serotonerger
synaptischer Transmission
•
verringerte Sensitivität postsynaptischer Rezeptoren
•
Transmitter-Balancestörung \ Biorhythmusstörungen
zentrale Bedeutung bei Entstehung und Unterhaltung der
Krankheit
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Folie 70
Familienuntersuchungen
Empirische Befunde aus Familienuntersuchungen:
•
Erkrankungsrisiko unter Verwandten
•
Typus melancholicus als pramorbide Persönlichkeit bei
unipolaren Depressiven
•
Stressbedingungen durch psychische und körperliche
Stressoren
•
Wechselwirkung zwischen genetischen und sozialen
Faktoren mit unterschiedlicher zeitlicher Dimension
•
Verlustmodell, Modell der gelernten Hilflosigkeit verlieren
im Lebenslauf an Bedeutung durch „Einebnung“ im zeitlichen
Verlauf; priming
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Epidemiologie - Genetik
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Folie 72
Ätiopathogenese (3)
•
Konstitutionelle (genetische) Faktoren
+ (frühkindliche) psychologische und/oder körperliche
Traumatisierungen
biologisches „priming", latente Überempfindlichkeit für
erregende Neurotransmitter
•
spätere erneute psychische oder körperliche Belastungen
Reaktivierung der biologischen Narbe, Einleitung einer
Überstimulation aus zentralen Hirnstrukturen
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Folie 73
Ätiopathogenese (4)
•
Auslösung einer erhöhten Stressbereitschaft und -reaktion via
Störung der Reagibilität/Signaltransduktion von
Glukokortikoidrezeptoren
•
umfangreiche, mehrheitliche Störungen von feed-backMechanismen in der HPA-Achse (hypothalamic-pituitaryadrenocortical-/Hypothalamus-Hypophyse-NebennierenrindenAchse)
•
pathologische psycho-biologische Stressreaktion mit
Störungen im Kortisolsystem und der Transmitterbalance
(Depression)
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Folie 74
Ätiopathogenese (5)
•
Erste depressive Episoden: stärkere reaktive (umweltbedingte)
Auslösemechanismen,
•
Rezidive: zunehmende Automatisierung („Endogenisierung“)
des nächsten Rezidivs,
•
Tendenz zur Verselbständigung der Episoden, Verkürzung der
symptomfreien Intervalle ( Rapid cycling und evtl. bipolarer
Verlauf = Pathomechanismus des Kindling-Phänomens
(Anbrenn-Phänomen, d.h. „Erlernen“ der Krankheit).
•
Rezidivprophylaktisch wirksame Psychopharmaka:
Profil einer Antikindling-Wirkung
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Folie 75
Therapie (1)
•
Hinweise auf erhebliche diagnostische und therapeutische
Defizite bei depressiven Patienten:
•
52% gehen nicht zum Arzt,
•
25% werden fehldiagnostiziert,
•
15% werden zu kurz oder unterdosiert therapiert
•
5-8% werden „lege artis“ behandelt.
•
Untersuchung von Dilling et al. (1984): fast alle depressiven
Psychosen, aber nur die Hälfte der sogenannten „depressiven
Neurosen“ wurde behandelt
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Folie 76
Therapie (2)
•
Multikausales ätiopathogenetisches Bedingungsgefüge mehrdimensionaler Ansatz der Therapie
•
Somatische Therapie: Psychopharmaka (Antidepressiva,
Tranquilizer, Neuroleptika, Rezidivprophylaktika),
Schlafentzug, Elektrokrampftherapie, Lichttherapie, in
Erprobung auch transkranielle Magnetstimulation und die
Vagusnerv-Stimulation
•
Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie u.a.
•
Soziotherapie: Ergotherapie, Angehörigenarbeit, Tagesklinik,
sozialpsychiatrischer Dienst, berufliche Rehabilitation,
Musiktherapie u.a.
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Folie 77
Therapie (3)
•
Gewichte werden unterschiedlich verteilt, auch bei einem
Patienten zu unterschiedlichen Zeiten.
•
Die somatische Therapie steht bei den rezidivierenden
Depressionen im Vordergrund, oft Langzeitbehandlung mit
Höhen und Tiefen und erheblicher Bedeutung psychologischer
und psychotherapeutischer Faktoren
•
Gefahren bei der Therapie Depressiver:
nicht nahe genug am Patienten sein, der sich oft anlehnen
möchte, in großer Angst aber Distanz sucht oder innerlich
vereinsamt bis erstarrt
- Verkennung von Suizidgefahr
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Folie 78
Therapie Allgemeine Regeln
Allgemeine Regeln der Therapie
•
Beziehungsaufbau: Empathie zeigen
•
Stützung: supportives Basisverhalten
•
Information (Edukation): Grundwissen über Krankheit und
Therapiearten
•
Behandlungsplan: Setting, symtomorientierte Hierarchie
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Folie 79
Episoden- und Therapieverlauf
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Folie 80
Medikamentöse Therapie (1)
•
Vorrang neuerer Antidepressiva
•
Neuere (moderne) Antidepressiva
•
tri- und tetrazyklische AD
•
chemisch andersartige AD
•
irreversible MAO-Hemmer
•
Phytotherapeutika
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Folie 81
Moderne Antidepressiva
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Folie 82
Klassische vs. moderne Antidepressiva
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Folie 83
Medikamentöse Therapie (2)
Wirkungslatenz: grundsätzlich 1-3 Wochen
Weitere Medikamente bei
•
Angst, Suizidalität? - Tranquilizer
•
Wahn? - Neuroleptika
•
Erhaltungstherapie: 3-6 Monate
•
Beziehungen zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie,
Dauerbehandlung (Rezidivprophylaxe); Response,
Rückbildung; Relapse und Recurrence
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Folie 84
Medikamentöse Therapie (3)
Non-Response: Therapieänderung
•
Medikamentenwechsel
•
Schlafentzug
•
Lichttherapie
•
Elektrokrampftherapie
•
repetitive transkranielle Magnetstimulation
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Folie 85
Medikamentöse Therapie (4)
Chronifizierung: > 2 Jahre, kontrolliertes Vorgehen:
•
Augmentation mit Lithium (Carbamazepin, Valproat)
•
Schilddrüsenhormone
•
Eisenstoffwechsel
•
Nootropika
•
Absetzversuch
•
Psychotherapie
•
Vagusnerv-Stimutation
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Folie 86
Medikamentöse Therapie (5)
Rapid cycling
•
Behandlung schwierig
•
Antidepressiva allein genügen nicht
•
Provokation manischer Phasen möglich
•
Kombination mit einem Phasenprophylaktikum oder dessen
alleinige Gabe
•
Carbamazepin gegenüber Lithium zu bevorzugen
•
Erfahrungen mit Valproat beschränken sich auf bipolares
Rapid cycling
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Folie 87
Psychotherapie
Supportive Psychotherapie
Spezifische antidepressive Psychotherapieformen:
•
Depressionsbewältigungstraining
•
Selbstsicherheitstraining
•
Selbstkontrolltherapie
•
kognitive Verhaltenstherapie
•
psychodynamische Kurzzeittherapie
•
Interpersonale Therapie
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Folie 88
Lithiumbehandlung (1)
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Folie 89
Lithiumbehandlung (2)
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Folie 90
Carbamazepinbehandlung
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Folie 91
Antidepressiva Langzeitbehandlung
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Folie 92
Weitere Möglichkeiten der Rezidivprophylaxe
•
L-Thyroxin
•
Lichttherapie
•
Erhaltungs-EKT
•
Spezialambulanzen für Rückfallprophylaxe bewährt
•
Psychotherapie
©
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Folie 93
IV. Bipolare affektive Störungen
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Folie 94
ICD-10: F31
F31 bipolare affektive Störung
F31.0
F31.1
F31.2
F31.3
F31.4
F31.5
F31.6
F31.7
F31.8
F31.9
©
bipolare affektive Störung, gegenwärtig hypomanische Episode
bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode, ohne
psychotische Symptome
bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode, mit
psychotischen Symptomen ( ... )
bipolare affektive Störung, gegenwärtig mittelgradige oder leichte
depressive Episode ( ... )
bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode,
ohne psychotische Symptome
bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode
mit psychotischen Symtomen ( ... )
bipolare affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode
bipolare affektive Störung, gegenwärtig remittiert
sonstige bipolare affektive Störungen
nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung
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Folie 95
ICD-10: F30
F30
manische Episode
F30.0
F30.1
F30.2
F30.8
F30.9
Hypomanie
Manie ohne psychotische Symptome
Manie mit psychotischen Symptomen ( ... )
sonstige manische Episoden
nicht näher bezeichnete manische Episode
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Folie 96
Geschichte (1)
•
Hippokrates (460-377 v. Chr.): Beschreibung der Melancholie
mit Essensverweigerung, Schlaflosigkeit, Gereiztheit und
Ruhelosigkeit
•
Galen (201-131 v. Chr.): Manie und Melancholie sind chronische,
wiederkehrende Erkrankungen.
•
Aretaeus von Cappadocia (2. Jhd v. Chr.): Zusammenhang
zwischen den Krankheitsbildern Manie und Melancholie
•
Falret und Baillarger (Frankreich 19. Jhd.) beschrieben
unabhängig voneinander Manie und Depression als Ausprägung
derselben Krankheit („La folie a double forme“ und „folie
circulaire“)
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Folie 97
Geschichte (2)
•
Griesingers Beschreibungen (1845) von jahreszeitlichen
Verlaufsveränderungen und rascher Phasenabfolge erinnern
sowohl an die „saisonal abhängigen Störungen“, als auch an das
„rapid cycling“.
•
Kraepelin (1899): dichotome Aufteilung in „manischdepressives Irresein“ (zirkuläre Psychosen und einfache Manien)
und „Dementia praecox“ (schizophrene Verläufe). Diese
Dichotomie beeinflusste die psychiatrische Klassifikation über
Jahrzehnte.
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Folie 98
Geschichte (3)
•
Eugen Bleuler (1924) sah „Die Gruppe der Schizophrenien" als
einen Pol eines Kontinuums, dessen anderes Ende „manischdepressive Erkrankungen“ darstellten.
•
Leonhard (1957) führte aufgrund von Verlaufs- und
Familienuntersuchungen die Trennung zwischen unipolaren und
bipolaren Verläufen ein.
•
Jules Angst und Carlo Perris belegten unabhängig von einander
1966, dass zwei Krankheitsbilder mit den unipolaren und den
bipolaren affektiven Störungen bzw. Erkrankungen vorliegen.
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Folie 99
Symptomatik
Allgemein Beeinträchtigung von:
• Befindlichkeit
• Antrieb
• Affizierbarkeit
• Biorhythmus
In der Manie:
• Euphorische/dysphorische Stimmung
• Hyperaktivität
• Rededrang
• vermindertes Schlafbedürfnis
•
Belastung für Familie und soziale Beziehungen
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Folie 100
Hypomanie
•
•
leichtere Ausprägung als die Manie
keine Halluzinationen oder Wahn
•
anhaltende leicht gehobene Stimmung (wenigstens einige Tage
hintereinander)
gesteigerter Antrieb und Aktivität
auffallendes Gefühl von Wohlbefinden
körperliche und seelische Leistungsfähigkeit
Häufig gesteigerte Geselligkeit, Gesprächigkeit, übermäßige
Vertraulichkeit, gesteigerte Libido und vermindertes
Schlafbedürfnis
meist keine Beeinträchtigung der Berufstätigkeit
•
•
•
•
•
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Folie 101
Manie
•
•
Stimmung situationsinadäquat gehoben
Schwanken zwischen sorgloser Heiterkeit und
unkontrollierbarer Erregung
•
•
•
•
•
•
vermehrter Antrieb (Überaktivität, Rededrang)
vermindertes Schlafbedürfnis
verminderte Aufmerksamkeit, erhöhte Ablenkbarkeit
Verlust von sozialen Hemmungen
überhöhte Selbsteinschätzung, maßloser Optimismus
evtl. synthymer Wahn
Episode muss mindestens eine Woche anhalten
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Folie 102
Bipolare affektive Störung
•
mindestens 2 affektive Episoden (Manie bzw. Hypomanie oder
Depression)
•
Frauen und Männer gleich häufig betroffen
•
depressive Phasen dauern länger (ca. 6 Monate)
•
manische Episoden beginnen eher abrupt
•
Rezidivierende manische Episoden sehr selten (werden ebenfalls
als bipolare affektive Störung diagnostiziert)
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Folie 103
bipolare affektive Störung – DSM-IV
DSM-IV
•
unterscheidet auch zwischen unipolar und bipolar
•
eine manische Phase bipolare Störung
•
Bipolar l (Vollbild der Manie und Vollbild der Depression)
•
Bipolar II (Vollbild der Depression und nur Hypomanie)
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Folie 104
Zyklothymia
Kennzeichen:
•
anhaltende Stimmungsinstabilität
•
zahlreiche Perioden leichter Depression
•
zahlreiche Perioden leicht gehobener Stimmung
•
Keine dieser Perioden darf ausreichend schwer oder lang genug
gewesen sein, um die Kriterien für bipolare affektive Störungen
oder rezidivierende depressive Störungen zu erfüllen
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Folie 105
gemischte affektive Episode
Kennzeichen:
rascher Wechsel (innerhalb weniger Stunden) von
•
hypomanischen,
•
manischen oder
•
depressiven Symtomen
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Folie 106
Differentialdiagnose (1)
Manische Episode:
•
organische Ursachen (MS, Gehirntumore, Hyperthyreose etc.)
•
psychotrope Substanzen (Amphetamine, Kokain etc.)
Bipolare Erkrankung:
•
gemischte affektive Episode
•
Schizophrenie (massive Wahnideen, unverständliche Sprache und
Aggressivität können die grundlegende Störung des Affekts
verdecken)
•
Schizoaffektive Störung
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Folie 107
Differentialdiagnose (2)
Hypomane Episode:
•
Hypomane Phase während AD-Therapie ist ein Hinweis auf
bipolare Erkrankung
•
hyperkinetisches Syndrom („Attention-Deficit Disorder“ ADDF90, früher Beginn in der Kindheit und keine abgesetzten Phasen).
Depressive Episode im Rahmen der bipolaren Erkrankung:
•
Abgrenzung von rezidivierenden unipolaren Depressionen wegen
unterschiedlicher Rückfallprophylaxe wichtig
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Folie 108
Differentialdiagnose (3)
Bipolare Erkrankungen:
•
Zyklothymie (deutliche Stimmungsschwankungen in beide
Richtungen ohne Vollbild von Manie oder Depression)
•
Bipolar-II-Störung (kein Vollbild einer Manie im Verlauf)
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Psychotische Symptome
•
in der manischen oder depressiven Form möglich
•
gleichzeitig oder nur durch wenige Tage getrennt eindeutig
schizophrene und eindeutig affektive Symptome innerhalb
derselben Krankheitsepisode -> schizoaffektive Störung
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Verlauf und Prognose (1)
•
Ersterkrankungsalter 25. bis 30. Lebensjahr (zehn Jahre vor den
unipolaren affektiven Störungen)
•
Häufig fünf bis zehn Jahre zwischen Ersterkrankung und
Erstbehandlung
•
Bei Männern ist die erste Krankheitsphase häufig manisch, bei
Frauen meist depressiv
•
Oft haben die Patienten mehrere depressive Phasen, bevor die
erste manische Phase auftritt
•
Unbehandelt lebenslang über zehn Krankheitsepisoden
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Verlauf und Prognose (2)
•
Massive psychosoziale Probleme
•
Scheidungsraten sind zwei- bis dreifach erhöht
•
Suizidrate 15% (30-fach erhöht)
•
Lebenszeitprävalenz der Bipolar-I-Störungen: 1%
•
Lebenszeitprävalenz der Bipolar-ll-Störungen: 0,5%
•
Mit leichten (subsyndromalen) Formen: bis zu 5%
•
„Rapid cycling“ - f : m = 3 : 1
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Folie 112
Verlauf und Prognose (3)
•
Bipolar-II-Störungen: Überwiegen der Frauen
•
Prognose im Einzelfall schwer, insgesamt Tendenz zu häufigeren
Krankheitsphasen und kürzeren freien Intervallen
•
Extremfall: freie Intervalle verschwinden gänzlich, Patient
schwankt chronisch zwischen beiden Polen der Erkrankung
•
Frühzeitige Einstellung auf „Mood Stabilizer“ kann diese
Entwicklung abmildern bzw. verzögern
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Folie 113
Verlaufskurven
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Folie 114
Ätiologie
multifaktoriell
•
biologisch (gestörte noradrenerge Funktion im ZNS)
•
psychosozialen Faktoren angenommen
genetische Komponente stärker als bei unipolarer Depression
•
Verwandte 1. Grades zehnfach höheres Erkrankungsrisiko
•
beide Elternteile bipolare Störung -> Risiko für Kinder 50%
•
Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen: 80%
(bei unipolaren affektiven Störungen 50%)
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Folie 115
Therapie
Ziel der Behandlung bipolarer Störungen:
•
Senkung der Morbidität und Mortalität
•
Häufigkeit, Schweregrad und psychosoziale Folgen der
Krankheitsphasen reduzieren
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Folie 116
Therapie: Akute Manie
•
meist keine Krankheitseinsicht, stationäre Behandlung sinnvoll
•
Kein ideales Medikament für die Manie
•
Lithium (14 bis 21 Tage), Valproat (3 bis 10 Tage)
•
atypische Neuroleptika
•
Benzodiazepine
•
Abwägen zwischen den einzelnen Behandlungsalternativen im
Hinblick auf Wirkungseintritt, Nebenwirkungen und notwendige
Compliance
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Folie 117
Therapie: Akute Depression
•
Prinzipiell kein Unterschied zur Behandlung der unipolaren
Depression
•
Induktion eines raschen Wechsels (innerhalb von Stunden) aus der
Depression in die Manie möglich („Kippen in die Manie“).
•
„Switch-Rate“ bei trizyklischen Antidepressiva deutlich höher
als bei SSRI
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Folie 118
Therapie: „Phasenprophylaxe“
•
Akuttherapie
•
Erhaltungstherapie (im ersten Jahr nach Abklingen der
Akutphase, Ziel: Symptomfreiheit)
•
prophylaktische Therapie
•
Meist langjährige, oft auch lebenslängliche medikamentöse
Phasenprophylaxe notwendig
•
vor allem plötzliches Absetzen kann zu schweren Rückfällen
führen, Compliance daher besonders wichtig
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Indikation zur Prophylaxe
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„Mood Stabilizer“
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Folie 121
Therapie: Lithium
Indikation (1. Wahl):
• euphorische Manie
• positive Familienanamnese
• freies Intervall
• Suizidalität
Nebenwirkungen
• feinschlägiger Tremor
• Struma (euthyreot)
• Polydipsie
• Polyurle
• Gewichtszunahme
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•
Bei ca. 40% der Patienten
keine oder keine ausreichende
Wirkung
•
Gabe in der Schwangerschaft
nur nach sorgfältiger
Risikoabwägung
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Therapie: Carbamazepin
Indikation:
• Lithium non responder, z. B. schizoaffektive Störung
• Lithium partial responder
Nebenwirkungen:
• Appetitlosigkeit
• Übelkeit
• Schwindel
• dermatologische Reaktionen
• Wechselwirkung mit anderen Medikamenten (z. B. Herabsetzung
der Wirkung hormoneller Kontrazeptiva
• Teratogenität.
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Therapie: Valproinsäure
Indikation: Phasenprophylaxe bei
•
dysphorischer Manie
•
rapid cycling
direkte antimanische Wirkung
Nebenwirkungsprofil günstig
Teratogenität -> in der Schwangerschaft kontraindiziert
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Therapiekontrolle
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