Kinderängste (Sozial-) Psychologie der Angst Rostock, 31. August 2005 J. M. Fegert (Ulm) Kinderängste sind häufig In einer Befragung 2001 berichteten 53% der 6 – 14 jährigen Kinder in Deutschland über starke Ängste. In epidemiologischen Untersuchungen mit diagnostischen Interviews finden sich Häufigkeiten zwischen 5 und 18% (Labellarte et al. 1999). Schaffer betont (Schaffer et al. 1996) dass viele Kinder und Jugendliche, welche diagnostische Kriterien für eine Angststörung erfüllen keine nennenswerte Funktionsbeeinträchtigung aufweisen. Was ist anders an Kinderängsten? Ängste gehören zur normalen Entwicklung eines Kindes. Typische Angstthemen sind reifungsabhängige Phänomen, welche mit dem Erreichen bestimmter Entwicklungsstufen in den Vordergrund treten. Sie sind terminiert durch die angstauslösende Wirkung neuer Stimuli oder neuer Fähigkeiten. Nur etwa 10% der Ängste bei Kinder und Jugendlichen, die die Charakteristika für eine Angststörung erfüllen chronifizieren (sie sind dafür verantwortlich, das Angststörungen im Kindesalter generell das Risiko einer psychischen Störung im Erwachsenenalter erhöhen (Angststörungen, Depressionen, Substanzabhängigkeit, Woodward und Fergusson 2001). Ängste und Angststörungen von Kindern und Jugendlichen im Entwicklungsverlauf (modifiziert nach Scarr 1999) Alter Psychologische/soziale Kompetenz Quelleentwicklungstypischer Angst Alterstypische klinisch relavante Angst 0-6 Monate Sensorische Fähigkeiten dominieren, kleinkindliche Anpassung Intensive sensorische Reize, Verlust von Zuwendung, laute Geräusche 6-12 Monate Sensumotorische Schemata, Ursache und Wirkung, Objektkonstanz Fremde Menschen, Trennung 2-4 Jahre Präoperationales Denken, Fähigkeit zu Imaginieren, aber unfähig Fantasie und Realität zu trennen Fantasiekreaturen, potenzielle Einbrecher, Dunkelheit Trennungsangst 5-7 Jahre Konkret-operationales Denken, Fähigkeit, konkret-logisch zu denken Naturkatastrophen (Feuer, Überschwemmung), Verletzungen, Tiere, medienbasierte Ängste Tierphobie, Blutphobie 8-11 Jahre Selbstwert basiert auf akademischen und sportlichen Leistungen Schlechte schulische und sportliche Leistungen Schulangst 12-18 Jahre Formal-operationales Denken, Fähigkeit, Gefahr zu antizipieren, Selbstwert durch Alterskameraden bestimmt Ablehnung durch Alterskameraden Soziale Phobie, Agoraphobie, Panikstörung Klinisch relevante Ängste im Kindes- und Jugendalter - Definition: Klinisch relevante Ängste können die selben Angstthemen die alterstypisch zu erwarten sind aufweisen, sind aber besonders stark, halten über mehrere Monate und führen zu einer Beeinträchtigung der normalen Entwicklung des Kindes. Symptomtisch ist auch das persistieren in nicht mehr entwicklungstypische Phasen oder das besonders frühe Auftreten. Die häufigsten Angststörungen im Kindesund Jugendalter sind nach anglo-amerikanischen (AACAP 1997) Generalisierte Angststörungen 3,7% Trennungsangststörungen 2,4 – 4,7% Spezifische Phobien 2,4% Soziale Phobien 0,9 – 1,1% Aus dem deutschsprachigen Raum liegen aktuelle Studien aus Dresden (Federer et al. 2000), aus der Schweiz (Steinhausen et al. 1998) und wiederum aus Deutschland in zwei Altersgruppen (Essau et al. 1998) vor. Prävalenzraten von Angststörungen bei Kindern Alter (Jahre) Stichprobengröße Prävalenzzeitraum Angststörungen Gesamt Trennungsangst Spezifische Phobie Soziale Phobie Generalisierte Angststörung Federer et al. (2000) Steinhausen et al. (1998) Essau et al. (1998) 8 826 6 Monate 9,5 7-16 1964 6 Monate 11,4 12-17 1035 1 Jahr 11,3 14-24 3021 LZ 18,6 2,8 5,2 0,4 1,4 0,8 5,8 4,7 0,6 2,7 1,4 0,2 3,5 1,6 0,4 LZ Lebenszeit; - Prävalenzangaben liegen nicht vor. Alterstypische Trends zeigen sich auch bei den Kindern, die Krankheitsdefinitionen erfüllen Im Alter von 8 Jahren geben ca. 10% der Kinder an im letzten halben Jahr die Kriterien für Angsterkrankungen erfüllt zu haben. Spezifische Phobien im Kindes- und Jugendalter treten am häufigsten auf. Bei jüngeren Grundschulkindern ist die zweithäufigste Störung die Trennungsangst, später ab der Pubertät tritt die Sozialphobie als zweithäufigste Diagnose in den Vordergrund. Übergänge sind häufig und fließen. Angststörungen bei Kindern haben eine hohe Komorbidität untereinander. Bis zur Pubertät sind beide Geschlechter gleich betroffen. In der Adoleszenz stellt sich die bekannte Verteilung zu Ungunsten von Mädchen heraus. Sind Panikstörungen im Kindesalter möglich? (Nelles und Barlow 1988) Nach Pia.? können kleinere Kinder nicht internal artribuieren. Folge: die typischen körperlichen Empfinden der Angst können deshalb nur external artribuiert werden. Auslöser der Angst sind deshalb immer Tiere, Gegenstände etc. Panikanfälle bis zum Alter von 10 Jahren sind extrem selten 0,5 - 0,8%. Erste Häufungen treten erst in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter auf. Sensorischer Reiz-Input-AmygdalaReizsymptome Amygdala erhält sensorische Information über ihre lateralen und basolateralen Nuklie. Diese Kerne haben Projektionen in den zentralen Nukleus der Amygdala. Dieser wiederum hat Projektionen zu hypothalamischen- und Hirnstammzielregion, welche spezifische Angst- und Furchtzeichen auslösen. Zahlreiche Tierstudien unterstützen ein physiologisches zentrales Angstsystem. Die meisten Autoren gehen davon aus, dass die Amygdala für den physiologischen Angstausdruck wie auch über den Erwerb konditionierte Reaktionen zentral ist z. B. Davis 1997. Anatomisches Ziel Affekt Amydala Stimulation Furcht und Angstzeichen Lateraler Hyothalamus Sympatische Aktivierung Tachykardie, Änderung des Hautwiederstandes, Blässe, Pupillenerweiterung, Blutdrucksteigerung Dorsales Motorneuron des Vagus und Nucleus Ambiguus Parasympathische Magenreaktion, Aktivierung Übelkeit, Magengeschwüre, Einnäsen, Defikation, Bradykardie Sensorische Amygdala Stimuli Anatomisches Ziel Affekt Amydala Stimulation Furcht und Angstzeichen Parabrachialer Nucleus Verstärkte Atmung Hyperventilation bis zur Hyperventilationstet anie Sensorische Amygdala Stimuli Ventrales Tegmentum Locus Coeruleus und dorsolaterales Tegmentum In den drei Ebenen Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin Nervus Reticularis Gesteigerte Reflexe Aktivierung gesteigertes Arousal und gesteigerte Vigilance Gesteigerte Startlereaktion Sensorische Anatomisches Ziel Affekt Amydala Stimulation Furcht und Angstzeichen Motorkotex Verhaltensstop „wie angewurzelt stehen bleiben“ Friesing Hirnnerven, insbesonder Trigeminus und Socialis, offener Mund, Bewegung des Backenknochens, typischer Gesichtsausdruck der Angst Amygdala Stimuli Paraventrikulare ACTH Freigabe Nucleus (Hypothalamus) Hormonelle Streßresponse (Corticosteroide) Reaktionen auf massiven Stress Massiver Stress führt zur Schädigung im Hippocampus bis hin zur stressinduzierten ventritischen Atrophie und Umbildung pyramidaler Neurone. Dieser Mechanismus kann als Schutzmechanismus wie als erste Stufe einer bleibenden Schädigung gesehen werde. Vgl. zahlreiche Studien zu posttraumatischen Belastungsstörungen Brenner et al. 1995 und 1997 zeigten zuerst bei Vietnamvetaranen dann auch bei Kindern welche sexuell oder körperlich missbraucht wurden eine relative Verminderung des Volumens des Hippocampus von 8% resprektive 12%. Hohe Cortisolspiegel blockieren oder reduzieren CRF und Noradrenalinsynthese auf der Ebene des paraventrikularen Nucleus (PVN des Hypothalamus). Auf der hippocampalen Ebene bewirken Cortisol und Noradrenalin Erinnerungsverstärken (Schlüssel zu getrigerten Ängsten bei posttraumatischen Störungen. Therapeutische Konsequenzen der Neurobiologie und Entwicklungspsychologie im Kindesalter Angstkonditinierung und die Wahrnehmung der physischen Folgen hat eine Bedeutung für die Entstehung von Ängsten, ist Kindern aber vertraut auch aus der normalen Furchreaktion. Massive Ängste und Stress führen zu chronischen Veränderungen TDSD. Bis zur Vorpubertät werden Ängste immer externalisiert einem Auslöser zugeschrieben. Direkte verhaltenstherapeutische Interventionen müssen mit den körperlichen Symptomen, welche von Kindern stark wahrgenommen werden, sich auseinandersetzen oder die external wahrgenommen beeindruckenden Sinnesreize durch Habituation relativieren. Benzodiazepine wirken über zentrale Benzodiazepin und GABAA-Rezeptoren quasi als Stressfilter. ß-Blocker reduzieren die induzierte Symptomatik. Das seroternege System hat wohl die größte Bedeutung bei posttraumatischen Stress. Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen Angststörungen Zentrale Symptome Differenzierende Symptome Trennungsangst (F93.0) Unrealistische/anhaltende Sorge über Trennung von Eltern/Bezugspersonen Schulvermeidung nicht aufgrund von Angst vor bestimmten Ereignissen in der Schule, sondern aus Angst, dem Kind selbst oder der Bezugsperson könnte etwas zustoßen Starke Abneigung oder Vermeidung von Trennungssituationen (F93.1) Phobische emotionale Störung des Kindesalters vs. (F40.2) spezifische Phobie Übermässige/anhaltende Angst vor bestimmten Tieren, Objekten oder Situationen Starke Abneigung oder Vermeidung gefürchteten Situation Angst bezieht sich auf eine oder nur wenige spezifische Situation (F93.2) Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (F40.1) Soziale Phobie Angst/übertriebene Sorge vor Blamage und Peinlichkeit in sozialen Situationen (gegenüber fremden Erwachsenen und Kindern). Starke Abneigung/Vermeidung sozialer Situationen Berfriedigende soziale Beziehungen zu vertrauten Personen bestehen Genalisierte Angststörung (F93.8)/ Genalisierte Angststörung des Kindesalters Angst und Sorge um verschiedene Lebensbereiche; Sorgen können gar nicht oder nur schwer kontrolliert werden.Großes Bedürfnis nach Rückversicherung Sorge bezieht sich nicht auf Inhalt einer anderen psychischen Störung (z. B. Sorge von Eltern getrennt zu sein) Warum unterscheidet die ICD zwischen kindlichen und adoleszenten bzw. Erwachsenenangststörungen - Bei der phobischen emotionalen Störung des Kindesalters F93.1 handelt es sich um eine engumgrenzte Furcht z. B. vor engen Räume, welche in Entwicklungsphasen typisch ist - Bei der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters F93.2 treten alterstypische Ängste in sozialen Situationen mit allgemein typischer Ängstlichkeit (z. B. vor der Klassen singen, sprechen etc. auf) - Emotionale Störung mit Trennungsangst F93.0 ist eine typische Angststörung des Kindes- und Jugendalters - Bei der generalisierten Angststörung des Kindesalters F93.8 tritt eine Fülle anhaltender unkontrollierbarer und übermäßiger Sorgen und Ängste in mehreren Lebensbereichen auf. Hinzukommen Gefühle der Anspannung, ängstliche Erwartungshaltung, übermäßiges Bedürfnis nach Rückversicherung, Vermeidungsverhalten und geringes Selbstvertrauen Körperliche angstbegleitende Symptome - Herzklopfen Schwitzen Mundtrockenheit Erstickungsgefühl Hyperventilation Brustschmerz Beklemmungsgefühl Übelkeit Magendarmbeschwerden Schwindel Hitzegefühl und/oder Kälteschauer Parästhesien Ätiologie Genetische Disposition Familiäre Häufung Biedermann et al. 1997 erklärte Varianz durch genetische Faktoren (Zwillingsstudien) 30-40% (Edelbrock et al. 1995, Thapar und McGuffin 1997). Disposition bei Mädchen deutlicher ausgeprägt als bei Jungen, allerdings Bedeutung von Eltern vs. unabhängigen Einschätzungen (ängstliche Eltern raten die Ängstlichkeit ihrer Kinder höher). Genetische Prädisposition ängstlicher Persönlichkeitsmerkmale Plomin 1997, Lesch 2001. Prädisposition für erleichtertes Ansprechen auf Konditinierung Kagan et al. 1988. Schüchtern gehemmte und ängstliche Kinder zeigen sowohl in Ruhe wie in Streßsituationen ein erhöhtes Noradrenek vermitteltes sympathisches Erregungsniveau. Dieses erhöhte Erregungsniveau prädisponiert zu Rückzugsverhalten. Abstroy, Furcht und Rückzugsverhalten ist häufig temperamentsbedingt (behavioral in abition) bei ca. 15% der Kinder. Selektive Reizwahrnehmung Taghavi et al. 1999, Becker und Rinck 2000 - Negative Interpretation von harmlosen Ereignissen - Erwartungsängste - Selektive Reizwahrnehmung und Reizverarbeitung Anderseits haben Kinder mit Angststörungen häufiger als gesunde negative Lebensereignisse (Ollendick et al. 2001) Kinder mit Angststörungen zeigen ein vergrößertes Amygdala-Volumen (Debelis et al. 2000). Bei Erwachsenen im FMRI Differenz von Aktivierungsmustern bei aversiven Stimuli zu den Amygdalakern gesunder Birnbaumer et al. 1998. Art der Angststörung hängt eher von nicht genetischen Faktoren ab Kendeler etal. 1995 - - Temperament behavioral inhibition Irritabilität elterliches Model (Rosenbaum et al. 2000) - Kinder von Personen mit Panikstörungen und Argoraphopie sind deutlich häufiger verhaltensgehemmt. Behavioral inhibition führt signifikant häufiger zur Ausbildung von Angststörungen (Biederman et al. 1990 und 1993). Spezifische Reizverarbeitung und elterlicher Erziehungsstil Elterlicher Erziehungsstil der durch ein hohes Ausmaß an Kontrolle und ein geringes Ausmaß an Feinfühligkeit geprägt ist kann zur Entwicklung angstrelevanter Kognition beitragen S. Schneider 2004. Dieser Erziehungsstil findet sich vor allem bei Eltern, die selbst Angststörungen aufweisen. Bedeutung des elterlichen Models für ängstliche Interpretation in mehrdeutigen sozialen Situationen und des elterlichen Models für vermeidene Bewältigungsstrategien (Schneider et al. 2002). Overprotection ist zentraler Risikofaktor Überbehütung und Kritik im elterlichen Erziehungsstil haben eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung von Angststörungen (Rapee 1997).Andere Befunde deuten darauf hin das wenig emotionale Wärme bzw. Feinfühligkeit oder die Kombination beider Faktoren eine wesentliche Bedeutung hat. Für die Therapieplanung bei Kindern ist es deshalb absolut relevant die elterliche Angstanamnese zu erheben und in Bindungs- und Interaktionsstil zu erfassen. Bindungsstil und behavioral inhibition als Erklärung für Angstdisposition (Manassis und Bradley 1994, Manassis 2002) Behavioral inhibition-Attachment-Model Sichere Bindung als protektiver Faktor selbst bei genetisch und Temperamentsbedingter Verhaltenshemmung. Entwicklung einer Angststörung dann nur durch traumatische Erlebnisse. Gegenbeispiele: Kind mit ausgeprägter Verhaltenshemmung eines schwerdepressiven und daher im Erziehungsverhalten unvorhersagbaren vielleicht auch vernachlässigten Elternteils: Ausbildung eines desorganisierten Bindungsstils, hohes Risiko für Angsterkrankung. Zentraler Faktor elterliche Feinfühligkeit wird beeinflusst durch psychischen Zustand insbesondere der Mutter. Lerntheroretische Ansätze Kombination aus klassischer und operanter Konditinierung. Neurale Stimuli werden aufgrund von z. B. traumatischen Ereignissen mit Angstzuständen assoziiert die darauf folgende Vermeidung des Reizes wird durch den Abbau des unangenehmen Zustandes durch Vermeidung verstärkt. Preparedness-Theorie Seligmann 1971 Sinnhaftigkeit von klassische Kinderängsten aus evuluationstheroretischer Perspektive. Bestimmte Reizreaktionsverbindungen werden in bestimmten Altersstufen leichter gelernt, weil sie biologisch vorbereitet sind. Vorbereitete Angstreaktionen nach Seligmann zeichnen sich dadurch aus, dass sie: irrational, stabil und nicht bewusst sind und durch einmalige Lernerfahrungen erworben werden können. Laborexperimente und klinische Befunde bestätigen diese Theorie. Kognitive Ansätze chronische Überaktivierung von Gefahren und Bedrohungsschemata Chronische Fokussierung auf angstauslösende Reize in der Informationsverarbeitung dadurch kognitive Verzerrungen: Überschätzung von Gefahren, Beschäftigung mit katastrophierenden Gedanken, Unterschätzung eigener, Reaktionsmöglichkeiten und Kontrollmöglichkeiten (Externallogus of Controll). Negative Selbstverbalisation. Emotionale Störung mit Trennungsangst - Anhaltende unrealistische Sorgen von Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen dauerhaft getrennt zu werden über mindestens 4 Wochen (Eltern häufig selbst psychisch belastet) Ablehnung oder Vermeidung von Trennungssituation bzw. während Trennungssituationen starkes Leiden des Kindes Schwierigkeiten, tagsüber allein ohne Bezugsperson zuhause zu sein. Trennungsschwierigkeiten am Abend. Keine altersentsprechenden Erfahrungen mit Auswärtsübernachten bei Freunden Alpträume zu Trennungssituationen Einschlafprobleme etc. In der Trennungssituation wiederholt somatische Symptome (Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Erbrechen. Bei der so genannten „Schulphobie“ klassisch Übelkeit währende der Woche (nicht am Wochenende). Im späteren Grundschulalter kann es zu hohen Fehlzeiten kommen, stationäre kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung dann primär indiziert. Kindliche Phobien (phobische emotionale Störung des Kindesalters F93.1) Unmittelbare Angstreaktion bei auftreten des phobischen Reizes und Versuch der Reizvermeidung. Klassisches historisches Beispiel der „kleine Hans“ Freud 1909. Bei Kindern altersentsprechende klassische Angstthemen. Bei Vorschulkindern: Fremde, Dunkelheit, Tiere, Gewitter. Bei Grundschulkindern: Naturkatastrophen und von Menschen ausgelöste Katastrophen Bsp. 09/11. Vorpubertät bis Adoleszenz: die häufigsten Ängste sind Angst vor Blut, Blutentnahme, Angst vor Tieren, Angst vor spezifischen Situationen, enge Räume, Höhenangst, Naturund andere Katastrophen. Generalisierte Angststörung des Kindesalters Häufigstes Symptome: • • • • • • • • • • • Gefühl der Anspannung 98% Ängstliche Erwartung 95% Bedürfnis nach Rückversicherung 83% Reizbarkeit 81% negatives Selbstbild 74% körperliche Beschwerden 72% Müdigkeit 67% Grübeln 64% Konzentrationsprobleme 57% Schlafstörungen 53% Sorgen über eigene Person oder Sorgen über die Eltern über 50% Diagnosekriterien nach ICD-10: Generalisierte Angststörung des Kindesalters F93.8 - Intensive Ängste und Sorgen die die meiste Zeit vorhanden sind und sich auf mehrere Bereiche beziehen, über mindestens 6 Monate - Schwierigkeiten die Sorgen zu kontrollieren - Vorliegen von mindestens zwei der folgenden Symptome: Ruhelosigkeit, Gefühl überdreht, nervös zu sein, Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Muskelverspannung, Schlafstörungen - Es gibt mindestens zwei Situationen in denen die Ängste oder Sorgen auftreten - Ängste oder Sorgen beziehen sich nicht auf Symptome anderer Angststörungen - Ängste oder Sorgen sind nicht Symptome einer affektiven oder psychotischen Störungen - Beginn vor dem 18. Lebensjahr Prävention - Förderung der Feinfühligkeit Ziegenhain 2005 Vgl. Themenhefte Praxis der Frühforderungen - Behandlung elterlicher psychischer Probleme insbesondere Depression, Suchterkrankung und Angst - Beeinflussung des elterlichen Erziehungsstils - Mehr zulassen von Autonomieentwicklung - Zentraler Konflikt der Kinder mit Trennungsangst nach L. Wurmser - Trennungsschuld und Abhängigkeitsscham… Beides wird stark durch elterliche Konnersation bei entsprechenden Entwicklungsschritten beeinflusst. Orientierung am Mainstream. Nicht absondern in Privatschule, kein Fernhalten von Kindergarten etc. Korrigierende Bedeutung der Gleichaltrigen. Therapie 1. Reizkonfrontationsverfahren (systematische Desensibilisierung und Angstbewältigungstraining) - Konfrontation in Sensu - Konfrontation in Wiwo Cave: Konfrontation erst beenden wenn die angstauslösende Situation weitgehend angstfrei erlebt wird. Flucht und Vermeidungsverhalten des Kindes verhindern. Ethische Vorraussetzungen: Therapievertrag, Angstthermometer, Motivation. - Habituation Kognitive Verhaltenstherapie und fokussierte tiefenpsychologische Therapie - Psychoedukation und Beschreibung angstauslösender Situationen sowie von Angstgedanken und Angstsymptomen - Entwicklung von Bewältigungsstrategien, Weckung der Bereitschaft sich mit den Inhalten auseinander zu setzen - Altersbedingt variierte Zugänge (Spieltherapie) - Konkretes Üben dennoch unabdingbar Fallbeispiele Jugendliche mit massiver Angst vor dem Haare waschen Z. n. sexuellen Missbrauch im Grundschulalter (Verschiebung) Widerstand Bedeutung von Träumen, Spielhandlung Geringere Bedeutung von Übertragungsbeziehungen in der Kindertherapie Zitat Anna Freud Zitat Anna Freud Einführung in die Technik der Kinderanalyse 1927 „Das Kind ist nicht wie der Erwachsen bereit, eine Neuauflage seiner Liebesbeziehung vorzunehmen, weil – so könnte man sagen – die alte Auflage noch nicht vergriffen ist. Seine ursprünglichen Objekte, die Eltern, sind noch in Wirklichkeit, nicht wie beim Erwachsenen Neurotiker in der Phantasie, als Liebesobjekte vorhanden, zwischen ihnen und dem Kind bestehen alle Relationen des täglichen Lebens, alle Befriedigungen und Enttäuschungen werden noch realiter an ihnen erlebt.“ Der Analytiker tritt als eine neue Person in diese Situation ein, er wird sich wahrscheinlich mit den Eltern in die Liebe oder den Hass des Kindes zu teilen haben. Es besteht aber für das Kind keine Nötigung, ihn ohne weiteres mit den Eltern zu vertauschen, er bietet, den ursprünglichen Objekten gegenüber, nicht alle jenen Vorteile, die der Erwachsene findet, wenn er seine Phantasieobjekte gegen einen wirklichen Menschen vertauschen darf. Relativ starke Bedeutung von Erziehung und Verhaltensänderung in der Kindertherapie. Anna Freud 1927, S. 57 ff. „Die erziehlichen Aufgaben, die, wie Sie hören werden, sich mit der Analyse mischen, bringen es mit sich, dass das Kind sehr genau weiß, was dem Analytiker erwünscht oder unerwünscht scheint, was er billigt oder missbilligt. Eine solche klar umrissene und in vielen Hinsichten neuartige Persönlichkeit ist aber leider ein schlechtes Übertragungsobjekt, d. h. wenig brauchbar, wo es auf die Deutung der Übertragung ankommt. Das Kind bildet also aus diesen Gründen keine Übertragungsneurose Trotz aller zärtlichen und feinseeligen Regungen gegen den Analytiker spielt es seine abnormen Reaktionen weiter dort ab, wo sie vorher abgespielt wurden: „In der häuslichen Umgebung“. Einbeziehung der Eltern unabdingbar Anna Freud 1927 S. 58 ff. „Wir sind, wenn wir auf diesem Standpunkt stehen, auf einen ständigen Nachrichtendienst über das Kind angewiesen, wir müssen die Person seiner Umwelt kennen und ihre Reaktionen gegen das Kind in einem gewissen Maße sicher sein. Wir machen, wenn wir uns hier den idealen Fall ausmalen wollen, einen mit den wirklichen Erziehern des Kindes geteilte Arbeit; dazu passt es, dass wir wie vorher auseinander gesetzt, auch die Liebe oder den Hass des Kindes mit ihnen zu teilen haben.“ Notwendigkeit der stationären Behandlung Anna Freud, 1927 „Wo die äußeren Verhältnisse oder die Person der Eltern ein solches gemeinsames Handeln nicht zu Stande kommen lassen, bekommen wir den Erfolg als Entgang an Material in der Analyse zu spüren. Dies sei vor allem der Fall, wenn das Kind in einem ihm feindseelig gegenüberstehenden Milieu lebe.“ Es wird in diesem Fall notwendig sein, dass Kind aus der Familie zu entfernen und in irgendeiner geeigneten Institution unterzubringen. Da es solche Institutionen derzeit noch nicht gibt, haben wir die volle Freiheit sie uns vorzustellen, also etwa als eine Anstalt, welcher der Kinderanalytiker selber vorsteht oder weniger phantastisch – eine Schule, welche von analytischen Prinzipien beherrscht und auf die gemeinsame Arbeit mit dem Analytiker abgestimmt ist. In beiden Fällen bekämen wir zuallererst eine symptomfreie Zeit, in welcher das Kind sich in der neuen, günstigen und vorläufigen indifferenten Umgebung einlebt… erst wenn es sich eingelebt hat, d. h. wenn es unter dem Einfluss des realen täglichen Lebens eine Bindung an die neue Umgebung gemacht,… wenn es dann in dieser neuen Umwelt seine Symptome wieder aufleben lässt und seine abnormen Reaktion um neue Personen gruppiert, wenn es also seine Übertragungsneurose gebildet hat, wird es wieder analysier bar.“ Analyse und Erziehung in der Kinderbehandlung (Anna Freud 1927) „Der Analytiker vereinigt also zwei schwierige, und eigentlich einander widersprechende Aufgaben in seiner Person, er muss analysieren und erziehen, d. h. er muss in einem Atem erlauben und verbieten, lösen und wieder binden. Gelingt ihm das nicht, so wird die Analyse mit dem Kinde zum Freibrief für alle von der Gesellschaft verhöhnten Unarten. Gelingt es ihm aber, so macht hat er damit ein Stück verfehlte Erziehung und abnormer Entwicklung rückgängig und verschafft so dem Kinde oder demjenigen, die über das Schicksal des Kindes entscheiden noch einmal die Möglichkeit es besser zu machen.“ Chance der Veränderung im Kindesalter Anna Freud 1927, S. 84 ff „ Wir können beim Kind ganz andere Charakterveränderungen zu Stande bringen als beim Erwachsenen, das Kind, das durch den Einfluss einer Neurose den Weg einer abnormen Charakterentwicklung beschritten hat, muss nur einen kurzen Rückweg zurücklegen, um wieder in die normale und seinem eigentlichen Wesen angemessene Bahn zu geraten. Es hat noch nicht wie der Erwachsene sein ganzes künftiges Leben darauf aufgebaut, seinen Beruf in Folge dieser abnormen Entwicklung gewählt, Freundschaften auf dieser Basis geschlossen und Liebesverhältnisse auf dieser Grundlage angeknüpft, die dann wieder, Identifizierung ausgehen, seine Ich-Entwicklung beeinflussen. Zwei weitere Chancen: Beeinflussung des Über-Ichs durch korrigieren der Erziehungserfahrungen. Umgestaltung der…???? (Unterbrechung des Bandes) Abwehrmechanismen Anna Freud: „Das Ich und die Abwehrmechanismen“ (1936) „Triebabwehr aus Realangst in der infantilen Neurose S. 45 ff, Gegensatz zur Über-Ich-Angst des Erwachsen. Triebabwehr aus Angst vor der Triebstärke. Bedeutung vor allem für Angstentwicklungen in der Pubertät. Mechanismen wie Verleumdung (S. 58 ff), Vermeidung (S. 63). Verschiebung werden zunächst am Bsp. des Falls vom „kleinen Hans“ und dann an mehreren eigenen Kinderfällen ausführlich dargestellt. (Pflichtlektüre für jeden, der sich für Kindertherapie interessiert) Indikation für vollstationäre Behandlung nach Plantz 2003 - Ausgeprägte soziale Beeinträchtigung durch die Angstsymptomatik bzw. das Vermeidungsverhalten z. Bsp. soziale Isolation durch Vermeidung von Schulbesuch. - Ausgeprägte Begleitstörung - Ungünstige bzw. symptomverstärke Bedingungen in der Familie, die sich als schwer beeinflussbar erweisen - Negatives elterliches Modell, psychische Störungen der Eltern - Misserfolg vorausgegangener ambulanter Behandlung Psychopharmakotherapie Zweitrangig nach psychotherapeutischen und familienbezogenen Intervention. Insbesondere indiziert zur Überwindung besonders problematisch erlebter „Schwellensituation“. SSRI nähere Beschreibung von Fallserien bei Trennungsangststörungen (Birmaher et al. 1998, Labellarte et al. 1999, Walkup et al. 2001. z. B. Fluoxamin in Deutschland bei Kindern zugelassen für die Indikation Zwangsstörungen. Benzodiazepine Cave: Suchtpotential deshalb in Ausnahmefällen aber auf Tage oder wenige Wochen beschränkt. ß-Rezeptorenblocker dämpfen vegetative Begleitsymptome (nur Einzelerfahrungen keine Studien) Stationäre Behandlung von 20 Patienten mit Trennungsangststörung Ergänzen: Angst als Persönlichkeitszug Trait Angst bzw. Neurotizismus, Eysenck 1967. Stationäre Behandlung von 20 Patienten mit Trennungsangststörung Geschlechtsverteilung 15 Jungen / 3 Mädchen Alter 4 Kinder unter 12 Jahre 7 zwischen 13 und 15 Jahren 9 Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren Fehlzeiten Bei 6 Patienten ließen sich aus den Krankengeschichten keine genauen Zeitangaben entnehmen – es bestanden jedoch erhebliche Schulversäumnisse 5 Patienten fehlten über 2 Monate 6 Patienten fehlten über 4 Monate 3 Patienten hatten über 1 Schuljahr versäumt Juristische Maßnahmen In allen Fällen war von der Schulbehörde mit einer Schulversäumnisklage gedroht worden. 2 Patienten wurden durch Gerichtsbeschluss durch Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts stationär untergebracht. Eltern und Herkunftsfamilien Mehr als 1/3 der Patienten wurden von alleinerziehenden Müttern versorgt (7 von 20) 4 von diesen Frauen lebten getrennt 3 Väter waren gestorben (!) Psychiatrische Erkrankung der Eltern 4 Mütter litten unter einer Angstneurose (in einem Fall kombiniert mit einer Zwangsneurose) 4 Mütter litten unter einer Depression 1 Mutter hatte eine Psychose (und früher Drogenabusus) 3 Väter waren depressiv erkrankt