Workshop Soziale Medien und medienassoziierte Störungen, VSJ-Tagung, Pfäffikon, 18.09.15 Dr. Bilke-Hentsch, Modellstation SOMOSA, Winterthur Die Bewertung interaktiven medialen Verhaltens bei Jugendlichen erfolgt ebenso wie eine juristische oder entwicklungspsychiatrische Einschätzung auf dem Boden einer Kriterienfolge. 1. Zunächst ist zu klären, wie intensiv der Gebrauch von (sozialen) Medien erfolgt und ob es sich um einen schädlichen Gebrauch im Sinne der ICD-10 oder um die (eher seltene) Internetabhängigkeit handelt. Diese entspricht in der ICD-10 der Diagnose F63.8 (Impulskontrollstörungen) und kann mit Hilfe der Klassifikation DSM5 als „Internet Gaming Disorder“ beschrieben werden. Hierzu sind folgende Kriterien zu überprüfen: 2. Bestehen berechtigte Anhaltspunkte auf eine Internet- und Medienassoziierte Störung, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob es sich um einen alters- und geschlechtsbezogen ungewöhnlichen Benutzertyp handelt, wobei folgende Benutzertypen unterschieden werden (ansteigende Häufigkeit 6-35%): Produzenten, Selbstdarsteller, Profilierte, Netzwerker, spezifisch Interessierte, Kommunikatoren, Infosucher 3. Des Weiteren ist die Art und Weise der Spieltätigkeit zu beschreiben, wobei zwischen 5 HauptSpielarten (online/offline) unterschieden werden kann: Shooter, Strategie, Arcade, Rollenspiel, Simulation. Während die Egoshooter-Spiele durch vielstündiges Training antisoziale Verhaltensweisen theoretisch einüben, sind es Simulationsspiele, die auf innerseelische Konflikte hinweisen können und OnlineRollenspiele, die ein suchtartiges Verhalten im engeren Sinne befördern. 4. Um die „Diagnose“ einer medienassoziierten Störung zu stellen, ist auf eine Einteilung nach dem Hauptauffälligkeitsmuster sinnvoll. Hierbei unterscheidet man: Pathologisches Gamen Pathologisches Glücksspiel Pathologisches Recherchieren Pathologischer Gebrauch von sozialen Medien Pathologische Nutzung von Pornografie Pathologisches Kaufen und Ersteigern 5. In der Realität liegen häufig Mischformen vor und es bedarf eines Abgleichs im Einzelfall, in wie weit die epidemiologisch gefundenen Verhaltensweisen eines Grossteils der Jugendlichen (vergleiche JAMESStudie, CH) mit einer in möglicherweise justitiables Verhalten eingewobenen medienassoziierten Störung zusammenhängen. Einfache Kausalitäten und simplifizierende Zuschreibungen sind zu vermeiden, dagegen hilft ein multimodales und vor allem entwicklungs- und peerorientiertes Vorgehen.