Verdauung - Gastro

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Ratgeber für Patienten
Verdauung
- Über Aufbau und
Funktion des
Magen-Darm-Kanals
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Krankheiten von Magen, Darm
und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung e.V.
Aufbau und Funktion des Magen-DarmKanals
Der Magen-Darm-Kanal erstreckt sich vom Mund bis zum
After und hat insgesamt eine Länge von etwa 6 m (Abb. 1),
wobei der Dünndarm mit knapp 4 m den längsten Anteil darstellt. Hauptaufgabe des Magen-Darm-Kanals und der anhängenden Organe ist eine Überführung der aufgenommenen Nahrung in resorbierbare Bestandteile (Verdauung) und
deren Aufnahme in den Körper (Resorption). Für die Verdauung unerlässlich sind die in den verschiedenen Verdauungssäften enthaltenen Enzyme, die eine Spaltung der hochmolekularen Nährstoffe in ihre einzelnen Bausteine bewirken.
Gesteuert werden die einzelnen Vorgänge durch das unwillkürliche Nervensystem und Botenstoffe (Hormone).
Nach mechanischer Zerkleinerung (Kauen) und Zugabe von
Speichel gelangt die aufgenommene Nahrung über die SpeiSpeiseröhre (Ösophagus)
Leber
Magen
Dünndarm
Dickdarm
(Kolon)
Abb. 1:
Schematische
Darstellung des
MagenDarmkanals
Sigma
Mastdarm (Rektum)
After (Anus)
2
seröhre (Ösophagus) in den Magen. Hier verweilt die Nahrung für einen Zeitraum von 1 bis 5 Stunden (Reservoirfunktion) und wird in dieser Zeit zerkleinert und zu einem Speisebrei (Chymus) durchmischt. Ein Rückfluß in die Speiseröhre
wird durch einen muskulären Verschlussmechanismus am
Übergang in den Magen (Ösophagussphinkter), ein vorzeitiger Übertritt in den Dünndarm durch den Pförtnermuskel (Pylorus) am Magenausgang verhindert. Nach ausreichender Zerkleinerung und Durchmischung wird der Speisebrei portionsweise durch den Magenpförtner in den Dünndarm transportiert. Der Dünndarm gliedert sich in drei Abschnitte: der Zwölffingerdarm (Duodenum) mit einer Länge
von ca. 20-30 cm, das Jejunum (1,5-2,0 m lang) und das Ileum
(2 - 3 m lang). Im Dünndarm erfolgt eine Durchmischung des
Speisebreis mit den Verdauungssekreten des Dünndarms
und eine Aufnahme der gespaltenen Nahrungsbestandteile
in den Körper. Von entscheidender Bedeutung für die Verdauung sind die im alkalischen Sekret der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) enthaltenen Enzyme sowie die über die
Gallenwege freigesetzte Galle. Beide Sekrete werden in das
Duodenum abgegeben.
Am Übergang von Dünn- zum Dickdarm befindet sich ein
weiterer Verschlussmechanismus, die Dickdarmklappe (Bauhin-Klappe), die den Rücktritt von Dickdarminhalten in den
Dünndarm verhindert. Um eine optimale Aufnahme der Nahrungsbestandteile zu gewährleisten, weist die Dünndarmschleimhaut kleine Vorwölbungen, sogenannte "Zotten"
(Villi) auf. Zusätzlich besitzt jede Darmzelle an ihrer Oberfläche Ausstülpungen ("Mikrovilli"). Hierdurch wird die Oberfläche um ein Vielfaches vergrößert und die Aufnahmekapazität des Darms gefördert.
Zu der Flüssigkeit, die mit der Nahrung und dem Trinken aufgenommen wird, werden ca. 5 Liter Verdauungssekrete im oberen Magen-Darm-Kanal zum Speisebrei zugegeben. Ein Teil
der Flüssigkeit wird in den unteren Abschnitten des Dünndarms resorbiert, ein nicht unerheblicher Anteil gelangt jedoch mit unverdaulichen Nahrungsbestandteilen in den Dick3
darm, wo der Hauptteil der Flüssigkeit wieder aufgenommen
wird. Der Dickdarm (Kolon) mit seiner Länge von etwa 1,5 m
spannt sich wie ein "umgedrehtes U" vom rechten bis in den
linken Unterbauch und umgibt den Dünndarm wie einen
Rahmen. Über einen gewundenen Abschnitt, das Sigma,
geht der Darm in den Mastdarm (Rektum) über und endet
mit dem After (Anus). Im Dickdarm erfolgt der Transport des
Darminhaltes deutlich langsamer als in den vorangegangenen Abschnitten. Hierdurch werden optimale Voraussetzungen für seine Hauptaufgabe geschaffen, der Rücküberführung von Wasser in den Körper. Der Dickdarm beherbergt
eine große Anzahl an Bakterien (physiologische Flora). Diese
spalten unverdauliche pflanzliche Faserstoffe (z.B. Zellulose)
teilweise auf und behindern eine Besiedlung mit krankmachenden Keimen. Nach einer Verweildauer von 5 bis 70 Stunden werden die unverdaulichen Nahrungsbestandteile sowie
Bakterien als Stuhl ausgeschieden, wobei Bakterien über
50 % des Stuhlgewichtes ausmachen.
Anders als der Dickdarm sind Magen und oberer Dünndarm
keimarm, d.h. dort finden sich kaum Bakterien. Diese Keimarmut wird durch eine Reihe von Faktoren gewährleistet.
Durch den hohen Säuregehalt des Magens (pH von 1) wird
eine Ansiedlung von Bakterien verhindert und die Mehrzahl
der mit der Nahrung aufgenommen Bakterien abgetötet.
Eine Ausnahme bildet der Keim Helicobacter pylori, der aufgrund von Schutzmechanismen in der Schleimschicht oberhalb der Magenschleimhaut überleben kann. Im oberen
Dünndarm sind u.a. Galleflüssigkeit und Pankreassaft für das
Verhindern einer Keimansiedlung verantwortlich. In tieferen
Dünndarmabschnitten werden körpereigene „Antibiotika“,
die sogenannten Defensine, immer wichtiger.
Ablauf der Nahrungsverdauung und
-aufnahme
Bereits in der Mundhöhle wird die Speise durch Kauen zerkleinert, um die Speiseröhre passieren zu können und die
4
Abb. 2: Schematische
Darstellung der Verdauung
im oberen MagenDarmkanal
pH 2-4
Mechanische
Zerkleinerung
Enzymatische
Spaltung
pH 6-7
Lösung in Wasser
Oberfläche zu vergrößern und so die nachfolgende Aufspaltung durch Fermente (Enzyme) zu erleichtern. Der von den
Speicheldrüsen abgegebene Speichel (bis zu 1,5 Liter pro
Tag) erleichtert das Gleiten der Nahrung durch die Speiseröhre (Abb. 2). Durch die im Speichel enthaltenen Enzyme
Amylase und Lipase wird eine Spaltung von Stärke und Fett
schon in der Mundhöhle eingeleitet. Im Magen erfolgt durch
die Magensäure neben einem Abtöten von Keimen eine
Entfaltung der in der Nahrung enthaltenen Eiweißmoleküle
(Denaturierung), die damit für die eiweißspaltenden Enzyme
zugänglich gemacht werden. Zusätzlich beginnt das vom
Magen freigesetzte Enzym Pepsin mit der Spaltung der Eiweiße in kleinere Bestandteile (Polypeptide).
Vom Magen aus gelangt der vorverdaute Speisebrei (Chymus) in den oberen Dünndarm (Duodenum) und löst dabei
eine Freisetzung von alkalischem Sekret durch die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) sowie eine Freisetzung von Galle in
das Duodenum aus. Durch das alkalische Sekret der Bauchspeicheldrüse wird die Magensäure neutralisiert und optimale Bedingungen für die ebenfalls im Sekret enthaltenen
Enzyme geschaffen.
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Viele wichtigen Verdauungsenzyme werden in der Bauchspeicheldrüse gebildet, sie bewirken eine komplette Aufschlüsselung der Nährstoffe in ihre Bausteine. Die in der Galle
enthaltenen Gallensäuren dienen als Emulgatoren bei der
Fettverdauung und fördern die Spaltung der Fette in Fettsäuren durch das Enzym Lipase (Abb. 3).
Zusätzlich bilden Gallensäuren mit den Fettsäuren Komplexe
(Mizellen) und erleichtern dadurch die Aufnahme durch die
Dünndarmschleimhaut.
Gemischte
Gallensalzmizelle
Fetttröpfchen
Emulgierung
Emulsionspartikel
Colipase
Lipase
Aufspaltung
Mizellenbildung
Abb. 3: Schematische Darstellung der Fettverdauung im Zwölffingerdarm
Die durch die Verdauung entstandenen Bausteine der Nährstoffe werden im Jejunum und Ileum von den Dünndarmzellen (Enterozyten) aufgenommen. Diese Zellen sind spezialisiert für die Aufnahme der einzelnen Substanzen. Dabei vollbringen die Zellen eine hohe, ja erschöpfende Leistung. Sie
werden nach wenigen Tagen abgestoßen und durch neue
Zellen ersetzt. Eiweiße werden in Form von Aminosäuren,
Kohlenhydrate in Form von einfachen Zuckern und Fette in
Form von Fettsäuren und Glyzerin resorbiert. Nur diese Einzelbausteine können von den Zellen aufgenommen werden.
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Zusätzlich werden im Dünndarm Vitamine und Spurenelemente resorbiert. Von den Dünndarmzellen aus gelangen die
resorbierten Einzelbausteine in die versorgenden Blutgefäße.
Alle Blutgefäße des Dünndarms führen über die Pfortader in
die Leber, eines der größten Organe des Organismus mit
einer zentralen Bedeutung für den Stoffwechsel. Hier wird
ein Teil der Nährstoffe entnommen und gespeichert oder
umgewandelt.
Während kurz- und mittelkettige Fettsäuren ebenfalls von
den Dünndarmzellen in die Blutgefäße abgegeben werden,
entstehen aus den langkettigen Fettsäuren nach Aufnahme
in die Dünndarmzellen dort wieder Neutralfette (Triglyzeride) (Abb. 4). Diese gelangen über eine zentrale Lymphkapillare der Zotten, Lymphgefäße und den großen Lymphgang
des Brustkorbes (Ductus thoracicus) als Lymphe in Höhe der
linken Schlüsselbeingrube ins Blut und werden hier von der
Leber und anderen Organen aufgenommen.
Gemischte
Mizelle
Schleimschicht
Oberflächenmembran
der Darmzelle
{
Einbau in
Neutralfette
Abb. 4: Schematische Darstellung der Aufnahme von freien Fettsäuren
in die Darmzelle
Die Aufschlüsselung der Nahrung und die Aufnahme in den
Organismus erfolgt also nach einem exakt geregelten, kom7
plizierten, jedoch sehr wirksamen System. Hierdurch wird
gewährleistet,dass nahezu 100 % der zugeführten Nährstoffe
aufgenommen werden können. Die unverdaulichen Nahrungsbestandteile wie Faserstoffe gelangen in den Dickdarm. Obwohl nicht für den Organismus verwertbar, können
Faserstoffe durch Bindung von Wasser zu einem weichen
und voluminösen Stuhl beitragen und die Darmpassage beschleunigen. Ein hoher Verzehr an Ballaststoffen geht mit
einer niedrigeren Dickdarmkrebsrate einher und vermindert
das Risiko einer Entstehung von Darmausstülpungen (Divertikeln).
Die dunkle Stuhlfarbe ist durch die Galleflüssigkeit bedingt.
Der gelbe Blutfarbstoff (Bilirubin), der als Abfallprodukt des
roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) entsteht, wird in der Leber
in eine wasserlösliche Form überführt und über die Galle in
den Dünndarm ausgeschieden. Im Dickdarm wird der gelbe
Blutfarbstoff durch die dort vorhandenen Bakterien abgebaut. Die hierbei entstehenden Substanzen bewirken die
braune Farbe des Stuhls. Ist der Abfluß der Galle gestört,
kann dieser Abbau nicht stattfinden und der Stuhl besitzt
entsprechend eine helle Farbe.
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RATGEBER FÜR PATIENTEN
In dieser Reihe sind bisher erschienen:
SPEISERÖHRE
● Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden
MAGEN
● Der Magen
Aufgaben und Erkrankungen – ein Überblick
● Entzündungen (Gastritis) und Geschwüre des Magens und
Zwölffingerdarms
● Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) – ein häufiges Krankheitsbild
● Kampf dem Magenkrebs
Auch Sie können selbst dazu beitragen
● Schmerzmittel und Magen
LEBER
● Fettleber
● Funktion der Leber / Galle
● Was Sie schon immer über Gelbsucht wissen wollten und
sollten!
● Was Sie über Leberzirrhose wissen sollten!
DARM
● Obstipation (Verstopfung)
● Kampf dem Darmkrebs
Auch Sie können selbst dazu beitragen
● Blähsucht – Meteorismus
Was Sie selbst zur Behebung Ihrer Beschwerden beitragen
können!
● Pilze im Stuhl
● Chronisch entzündliche Darmerkrankungen –
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
● Was Sie schon immer zum Reizdarmsyndrom wissen wollten
BAUCHSPEICHELDRÜSE
● Die Bauchspeicheldrüse und ihre Erkrankungen
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RATGEBER FÜR PATIENTEN
In dieser Reihe sind bisher erschienen (Fortsetzung):
DIAGNOSTISCHE VERFAHREN
● Die Computertomographie des Bauchraumes (Abdomen-CT)
● Magnetresonanztomographie in der Gastroenterologie
● Ultraschall (Sonographie)
● Färbeverfahren und Laserdiagnostik in der Gastroenterologie
WEITERE THEMEN
● Schutzimpfungen im Erwachsenenalter
● Probiotika
● Was Sie schon immer über Operationsverfahren wissen
wollten und sollten.
● Der Stoffwechsel – Was in unserem Körper passiert
● Gesunde Ernährung
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Telefax 06 41-9 74 81 - 18
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Verfasser:
Prof. Dr. Wolfgang Stremmel
Abteilung Innere Medizin IV
Universitätsklinikum Heidelberg
Bergheimerstr. 58
D 69115 Heidelberg
Prof. Dr. Wolff-H. Schmiegel
Medizinische Universitätsklinik
Ruhr-Universität Bochum
Knappschaftskrankenhaus
In der Schornau 23-25
D 44892 Bochum
Abbildungen 2, 3 und 4 (modifiziert) aus:
Dietze, G.; Grünert, A.; Kleinberger, G.; Wolfram. G. (Hgs.);
Clinical Nutrition and Metabolic Research, Basel, Karger, 1982, Seiten 101-118
Mit freundlicher Genehmigung der S. Karger AG, Basel
Copyright S. Karger AG, Basel
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und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung e.V.
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