Vom Gen zum Genprodukt

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4.3 Molekulare Genetik
Vom Gen zum Genprodukt
Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese
Mit ihrem klassischen Experiment zeigten Beadle und Tatum (1941), dass
Gene den Phänotyp bestimmen, indem sie die Bildung von Enzymen codieren. Die so gebildeten Enzyme katalysieren dann Reaktionen, die zum entsprechenden Phänotyp führen.
Beadle und Tatum erzeugten
durch Bestrahlung verschiedene
Mutationen beim Schimmelpilz
Neurospora crassa. Einige dieser
Gen 1
Gen 2
Gen 3
Mutationen führten dazu, dass
Enzyme des Argininstoffwechsels
der Pilz die Aminosäure Arginin
nicht mehr bilden konnte. Diese
Mangelmutanten waren bei ihEnzym 1
Enzym 2
Enzym 3
rem Wachstum auf Arginin bzw.
Vorstufe
Ornithin
Citrullin
Arginin
Vorstufen des Arginin-StoffAbb. 4.16: Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese am
wechsels angewiesen.
Beispiel des Arginin-Stoffwechsels
Die Forscher isolierten drei verschiedene Typen von Mangelmutanten, die sich in ihrem Gendefekt und
ihren Ansprüchen an das Nährmedium unterschieden. So wuchs beispielsweise Typ II nur dann, wenn dem Nährboden Arginin oder ­Citrullin zugesetzt
wurde. Die Zugabe von Ornithin führte zu keinem Wachstum.
Minimalnährboden und
Ornithin
Citrullin
Arginin
Typ I
+
+
+
Typ II
–
+
+
Typ III
–
–
+
+ = Wachstum – = kein Wachstum
Beadle und Tatum folgerten, dass bei der Typ II-Mutante dasjenige Enzym
fehlte oder defekt war, das die Umwandlung von Ornithin in Citrullin katalysiert. Nur so war es zu erklären, dass diese Mangelmutante bei Zugabe von
Ornithin nicht wuchs, wohl aber nach Zugabe von Citrullin. Auch die übrigen
Mangelmutanten ließen sich nur dadurch erklären, dass in der Stoffwechselkette zum Arginin jeweils ein bestimmtes Enzym ausgefallen war. Sie verallgemeinerten ihre Erkenntnisse: Jedes Gen codiert die Synthese nur eines
bestimmten Enzyms (Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese).
George Beadle
(1903 – 1989),
US-amerikanischer
Biologe
Edward L. T
­ atum
(1909 – 1875),
­US-amerikanischer
Genetiker; Nobelpreis
für Medizin und
­Physiologie (1858)
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4Genetik
Ein-Gen-ein-Polypetid-Hypothese
Enzyme bestehen aus Polypeptiden. Nicht jedes Polypeptid ist jedoch auch
notwendigerweise ein Enzym. Ein Gendefekt kann also – umfassender und
genauer gesagt – zu einem veränderten Polypeptid führen. Man hat daher
die Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese zur Ein-Gen-ein-Polypeptid-Hypothese
erweitert. Demnach enthält ein Gen die genetische Information für die Synthese eines Polypeptids.
Beispiel
Die roten Blutkörperchen gesunder Menschen enthalten das Protein
Hämoglobin A. Bei der Erbkrankheit Sichelzellenanämie ist dieses Protein
verändert, sodass das veränderte Hämoglobin S weniger Sauerstoff transportieren kann.
Die genetische Ursache ist ein einziger Basentausch in dem betreffenden
Globin-Gen (Austausch von Adenin gegen Thymin). Dies führt zu einer
veränderten Polypeptidkette des Hämoglobins (Austausch der Aminosäure
Glutaminsäure gegen Valin in Position 6) und einer eingeschränkten Funktion des Proteins.
Aminosäuresequenz der
β-Globin-Kette (Ausschnitt)
G lu
7
al ―
is ― V
Thr ― Leu ― H
1
2
3
4
―G
lu ― Pro
―
6
5
G lu
7
al ―
is ― V
hr ― Leu ― H
1
2
3
4
― Va
l ― Pro ― T
6
5
Nucleotidsequenz des
β-Globin-Gens (Auschnitt)
G
C
A
G
C
T
A
G
C
G
C
C
G
T
C
T
A
C
G
C
C
G
T
A
A
G
B
G
Abb. 4.17: Molekulare Ursachen der Sichelzellenanämie;
A Normale Blutkörperchen; B Sichelzellen
G
C
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