T R E F F P U N K T FO R SC H U N G | Z E L L B I O LO G I E | Mutationen in Mitochondrien verkürzen das Leben Ein Phänomen des Alterns ist die Zunahme an Mutationen in der zellulären DNA, insbesondere der DNA in den Mitochondrien. Bisher war unklar, ob diese phänotypische Beobachtung Ursache oder Wirkung ist. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine erhöhte Mutationsrate in den Mitochondrien die vielen verschiedenen Merkmale des Alterungsprozesses zumindest bei Mäusen auslösen kann. A B B . Kryopräparation einer Hefezelle: Aufsicht auf ein Mitochondrium. Bild: Elektronenmikroskopie der Universität Ulm 210 | Um die Mutationsrate in den Mitochondrien von Mäusen zu verändern, tauschten Wissenschaftler in einer Kooperation zwischen dem Karolinska Institut Stockholm in Schweden und der Universität Tampere in Finnland eine einzige Aminosäure in der mitochondrialen DNA-Polymerase aus. Diese DNA-Polymerase ist im Genom des Zellkerns codiert und wird erst als Protein in die Mitochondrien importiert. Die Aminosäure spielt eine zentrale Rolle in der Korrekturlesefunktion dieser DNA-Polymerase. Die Kontrollfunktion ist notwendig, damit die DNA-Polymerase Fehler, die sie selbst macht, oder solche, die durch Mutationen entstehen, wieder korrigieren kann. Wenn die veränderte DNA-Polymerase Fehler nicht mehr verbessern kann, sollten sich in den Mitochondrien von Mäusen mit dieser veränderten DNA-Polymerase Mutationen anhäufen. In homozygoten Mäusen mit zwei Kopien der veränderten DNA-Polymerase im Genom traten tatsächlich drei- bis fünfmal mehr Punktmutationen auf als in normalen Mäusen. Zusätzlich waren Deletionen in der mitochondrialen DNA stark erhöht. Es ist ein aufwändiger Prozess, eine Maus homozygot für eine Mutation zu machen: Zuerst muss dieses mutierte Gen in eine Linie von embryonalen Stammzellen so eingebaut werden, dass über homologe Rekombination das intakte vorhandene Gen ausgeschaltet wird. Dann werden diese Zellen in Embryovorstufen eingebaut, wo einige dieser transformierten Stammzellen in die Keimbahn eingehen. Dann müssen aus die- Biol. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2004 Nr. 4 | sen Zellen auch noch ganze Mäuse heranwachsen! Diese werden dann miteinander gekreuzt, bis die beiden Allele der homologen Chromosomen die mutierten Gene enthalten. Als diese Mäuse dann herumliefen, zeigten sie schon früh die typischen Merkmale eines hohen Mäusealters. Verlieren normale Mäuse erst nach einem bis anderthalb Jahren ihr Haar und laufen immer langsamer und mit gekrümmtem Rückgrat herum, so begannen die mutierten Mäuse bereits nach sechs Monaten an Gewicht abzunehmen, einen Buckel auszubilden und ihre Haare zu verlieren. Dies sind die typischen Zeichen des Alterns auch bei Menschen, die allerdings erst ab einem Alter von über 60 Jahren zu sehen sind – der lokal beschränkte Haarausfall in jüngeren Jahren bei Männern ist auf andere Ursachen zurückzuführen. Parallel zu diesen äußerlich sichtbaren Merkmalen entwickelten die mutierten Mäuse auch den Knochenschwund der Osteoporose und einen Abbau von Fettpolstern. Diese Beobachtungen deuten an, dass Mutationen in den Mitochondrien eine Ursache für die Vielzahl von verschiedenen Merkmalen des Alterns bei Wirbeltieren sein können. Eine verringerte Reparatur von Mutationen in den Mitochondrien wirkt sich besonders brisant aus, weil in diesen Organen bei der normalen Energieerzeugung Sauerstoffradikale entstehen, die die DNA schädigen und so vermehrt Mutationen auslösen. Normalerweise werden diese Sauerstoffradikale durch Stoffe wie beispielsweise Vitamin C abgefangen und neutralisiert. Wird aber die Menge solcher Radikalfänger in den Mitochondrien verringert, beispielsweise durch Rauchen, kann die Mutationsrate schneller als normal ansteigen und – wie die Mäuse zeigen – das betroffene Individuum altert schneller. Mit dem neuen Mausmodell kann man untersuchen, ob bestimmte Verhaltensweisen oder eine zusätzliche Aufnahme von Radikalfängern die mutierenden Wirkungen der veränderten DNA-Polymerase aufheben können. Diese Verhinderung von Mutationen ist aber nur möglich, wenn die Mutationen noch nicht im mitochondrialen Genom etabliert sind. Die Fehler der DNA-Polymerase scheinen nur in einem kurzen Zeitfenster zu Beginn der Embryonalentwicklung fixiert zu werden, da die etablierten Mutationen in den verschiedenen Geweben der erwachsenen Tiere überall die gleichen sind. Dies deutet an, dass die Mutationen während der Entwicklung und des Älterwerdens des Tieres nicht weiter zunehmen, obwohl die veränderte DNA-Polymerase während des Wachstums und der normalen ständigen Zellerneuerung die mitochondriale DNA laufend repliziert. Das Mausmodell bietet daher den Vorteil, dass es wahrscheinlich eine in vivo Untersuchungsmethode darstellt, mit der sich relativ schnell untersuchen lässt, welche Nahrungsmittel in diesen Mäusen eine lebensverlängernde Wirkung haben. Der Nachteil: In den Versuchen wurde zunächst das Leben der Mäuse verkürzt und nicht verlängert. Entsprechend schließt der zu diesem Artikel verfasste Kommentar mit der Hoffnung, dass das nächste Ziel der Forschung eine verbesserte DNAPolymerase ist, die weniger, statt mehr Fehler bei der DNA-Replikation macht. [1] G. M. Martin, L. A. Loeb, Nature 2004, 429, 358-389. [2] A. Trifunovic et al., Nature 2004, 429, 417-423. Axel Brennicke, Ulm