Affektive Störungen

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Vorlesung: Affektive Störungen I
Michael Deuschle
[email protected]
Fragen zur letzten Vorlesung ?
Affektive Störungen
•
•
•
•
Störungen der Emotionen und Gefühle
Erkrankungen der Stimmung
„Gemütskrankheiten“
„mood disorders“
Depression
 Krankhaft niedergedrückte Stimmung
 > 2 Wochen
Manie
 Krankhaft gehobene Stimmung
 > 1 Woche
Wer versorgt ambulant psychiatrische Patienten ?
3.28 von 9.92 Millionen Versicherter von Ersatzkassen und Dt. Rentenversicherung mit psych. Erkrankungen
98 % wiesen mindestens eine somatische Diagnose auf
Gaebel, Kowitz, Fritze, Zielasek; Dt. Ärzteblatt
Ablauf der Vorlesung
Affektive Störungen I
1. Depression erkennen
2. Verlaufstypen erkennen
3. Klinische Subtypen erkennen
4. Epidemiologie
5. Konsequenzen affektiver Störungen
6. Psychologische Aspekte bei Depressionen
7. Neurobiologische Aspekte bei Depressionen
Depressionen erkennen:
Beschwerden der Depression – Psalm 38
Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe und nichts Heiles an meinen Gebeinen.
Hypochondrische Idee
Denn meine Sünden gehen über mein Haupt. Wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden.
Schuld- / Versündigungsidee
Insuffizienzidee ?
Energiemangel ? Somatische Symptome ?
Ich gehe krumm und sehr gebückt.
Den ganzen Tag gehe ich traurig einher. Den meine Lenden sind ganz verdorrt.
Durchgehende Verstimmung
Libidostörung
Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe. Ich bin matt geworden und ganz zerschlagen.
Müdigkeit / Energieverlust
Ich schreie vor Unruhe meines Herzens. Innere Unruhe / Anspannung
Mein Herz erbebt, meine Kraft hat mich verlassen, und das Licht meiner Augen ist auch dahin
Meine Lieben und Freunde scheuen zurück vor meiner Plage; meine Nächsten halten sich ferne.
Die mir nach dem Leben trachten, stellen mir nach; und die mein Unglück suchen,
bereden, wie sie mir schaden: sie sinnen auf Trug den ganzen Tag.
Beeinträchtigungsidee ?!
Ich bin wie taub und höre nicht, und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut.
Ich muss sein wie einer, der nicht hört und keine Widerrede in seinem Munde hat. Sozialer Rückzug ?
Denn ich bin dem Fallen nahe und mein Schmerz ist immer vor mir.
Todes- / Suizidgedanken
Depressive Syndrome (ICD-10)
• Gedrückte Stimmung
• Interessenverlust / Freudlosigkeit
• Verminderung des Antriebs
•
•
•
•
•
•
•
Konzentration / Aufmerksamkeit 
Selbstwertgefühl / -vertrauen 
Gefühl von Schuld / Wertlosigkeit
Neg. / Pessimistische Perspektive
Suizidgedanken / -handlungen
Schlafstörung
Verminderter Appetit
•
•
•
•
(Libidominderung)
(Insuffizienzerleben / Angst)
(psychomotorische Störung)
(körperliche Symptome)
Was unterscheidet Depression von alltäglicher
Verstimmung ?
Dauer
Depressionen halten mindestens zwei
Wochen an.
Durchgängigkeit
Schlechte Laune kommt und geht –
Depressionen halten durchgehend an.
Alltagsbeeinträchtigung
Depressionen erschweren erheblich die
Alltagsbewältigung.
Abgrenzung Persönlichkeitsstörung
Aktueller Zustand klar abgrenzbar von
früheren Zuständen = episodischer
Charakter.
Epidemiologie in Deutschland
•
Rund 5% der Bevölkerung
leiden gegenwärtig unter
einer depressiven
Erkrankung
•
Frauen doppelt so häufig
betroffen wie Männer
ca.
5%
•
Erkrankung betrifft alle
Gesellschafts- und
Altersgruppen
Ca. jede 4. Frau und jeder 8. Mann erkranken im
Laufe des Lebens an einer Depression.
Die verschiedenen Ebenen der
Depression
Psyche
Körper
Verhalten
Merkmale einer Depression:
Psychische Symptome
Denken, Fühlen, Motivation sind beeinträchtigt

Niedergeschlagenheit

Gefühl der Sinnlosigkeit

Interesselosigkeit

Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit

Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen

Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit

Gefühl der Gefühllosigkeit

Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven

Suizidgedanken
Merkmale einer Depression:
Verändertes Verhalten

Sozialer Rückzug

Psychomotorische Hemmung / Agitiertheit

Veränderte (Körper) - Sprache

Antriebslosigkeit / Apathie

Suizid, Suizidversuche, Suizidankündigungen
Merkmale einer Depression:
Körperliche Symptome

Gewichtsabnahme, verminderter Appetit

Schlafstörungen: Durchschlafstörungen, Morgentief

Druck- und Engegefühl im Hals und über der Brust

Schweißausbrüche, Herzklopfen,

rheuma-ähnliche chronische Schmerzzustände

Sexuelle Lustlosigkeit

Kraftlosigkeit und fehlende Frische, rasche Erschöpfbarkeit
Presentation influences psychiatric diagnosis
in primary care
Presenting Complaint
Correct Diagnosis
100
100
94%
80
Correct Diagnosis (%)
Patients with
Psychiatric Disorders (%)
83%
60
40
17%
20
0
80
60
50%
40
20
0
Somatic
complaints
Psychological
complaints
N=500
Bridges KW, Goldberg DP. J Psychosom Res. 1985;29:563-569.
Somatic
complaints
Psychological
complaints
Beschwerdeprofil von Depressionspatienten beim Hausarzt:
häufig nicht erkannt !
31% andere
69%
körperliche
Beschwerden
Kopfschmerz
Rückenschmerz
Nackenverspannungen
69% der Patienten mit Depression
suchen ihren Hausarzt ausschließ-lich
aufgrund
von
körperlichen
Beschwerden im Rahmen der
Depression auf
Erschöpfung
Herzklopfen
Beklemmungen in der Brust
Abdominelle Beschwerden
Magenbeschwerden
Schwindel
Simon et al. (1999): Studie an 1146 Patienten
Depression:
Risiko für rezidivierenden Verlauf
1 Episode
50%
2 Episoden
80% - 90%
3 Episoden
>90%
Kupfer DJ. J Clin Psychiatry. 1991;52(suppl 5):28-34.
Verlaufsformen: wiederkehrende depressive Störung
und einzelne depressive Episode





Kennzeichnend: wiederkehrende depressive Episoden
Lebenszeitprävalenz: Frauen 20 %; Männer 10 %
Erstmanifestation: Adoleszens - Senium
Episodendauer: meist mehrere Monate
Mittlere Episodenzahl: 4 - 6
Suizidalität beachten ! Rezidivprophylaxe !
Antidepressiva und / oder Verhaltenstherapie
Verlaufsformen: Dysthymia




Kennzeichnend ist eine chronische depressive Verstimmung
Geringerer Schweregrad als bei Depression
Häufige Erkrankung (ca. 5 % der Bevölkerung)
Meist können noch wesentliche Alltagsanforderungen erfüllt
werden.
Häufig übersehene Diagnose !
Psychotherapie (Cognitive Behavioral Analysis System Psychotherapy, CBASP)
und / oder Antidepressiva
Anpassungsstörung
 Depressives Syndrom
 Schweregrad oder Zeitkriterium für Depression nicht erreicht
 In zeitlichem Zusammenhang mit Belastungssituation
Krisenintervention
Ggf. Einleitung von Psychotherapie
Organisch und Substanz-bedingte Depression
= wichtigste Differentialdiagnosen
 Depression als Folge anderer Erkrankung
- 8 % bei Niereninsuffizienz
- 25 % nach Herzinfarkt
- 60 % bei Cushing-Erkrankung
- bei Substanzmißbrauch
- bei Demenz
- bei Schilddrüsenerkrankungen
- bei Infektionen
 Depression als Folge von Substanzen
Corticoide, Reserpin, fraglich ß-Blocker...
 Konsequenzen:
- immer Therapie der Grundkrankheit
- zusätzliche antidepressive Therapie
- bei Depression immer körperliche Ursachen
ausschließen
Haben Sie Hochphasen - oder nicht ?
Verlaufsformen: bipolare Störung
 Kennzeichnend: wiederkehrende depressive und manische
Episoden
 Seltenere Erkrankung (ca. 1 - 2 % der Bevölkerung bipolar I)
 Erstmanifestation: häufig ca. 20 Lebensjahr
 Mittlere Episodenzahl: 10
 Frauen und Männer gleichermaßen betroffen
Komplizierte Pharmakotherapie !
Gehört in die Hand des Facharztes !
Melancholischer Subtyp (DSM-IV)
...mit somatischen Symptomen (ICD-10)
Konzept:
„biologische“, schwer ausgeprägte Depression
Biologie:
recht hohe Rate von DST non-suppression
Klinik (mindestens 4 der folgenden):
 Anhedonie
 Fehlende Reagibilität gegenüber angenehmen Stimuli
 Frühmorgendliches Erwachen > 2 h
 Morgentief
 Psychomotorische Störung: meist Hemmung
 Deutlicher Appetitverlust
 Deutlicher Gewichtsverlust > 5%
Therapie:
wohl „dual wirksame Antidepressiva“ (Mirtazapin,
Venlafaxin, Trizyklika) wirksamer als SSRI ?
Depression mit psychotischen Symptomen
Konzept:
Klinik, Biologie, fam. Häufung, Verlauf und TX-response: distinktes Syndrom
Klinik:

Wahn oder Sinnestäuschung oder depressiver Stupor




Fast immer schwere Depression
Psychomotorische Störungen, meist Hemmung
Wahn: Versündigung / Schuld, Verarmung, Hypochondrie,
bevorstehende Katastrophe
Sinnestäuschung: meist diffamierende / anklagende Stimmen
Therapie:
Antidepressivum plus Antipsychotikum
EKT
Atypische Depression
Ursprung:
Suche nach Prädiktoren für MAO-I
Patienten:
junge Erstmanifestation
eher Frauen
Klinik:
Schwingungsfähigkeit (50 % besser bei positivem Ereignis)
Hypersomnie
Hyperphagie
„bleierne Schwere“
„Dramatischer Distress bei Verlusten“ / Empfindlichkeit gegenüber Kritik
Verlauf:
eher Neigung zu Chronifizierung, hohe Episodenzahl
Auslöser: eher geringe Rate von Stressoren vor der Episode
Therapie:
gutes Ansprechen auf SSRI / MAO-I !
Heterogenität der affektiven Störungen
____________________________________________
Klinisch
Biologisch
Psychosozial
Polarität*
Genetik
“early life stress”
Schweregrad
Biochemie
Akute Stressoren
Periodizität
Bildgebung
Unterstützung
GeschlechtsElektrophysiologie
verteilung Ansprechen auf Therapie
Alter bei EM
Komorbidität
*Unipolar versus bipolar
Risikofaktoren für Depression
•
•
•
•
•
•
Frühere Episode
Positive FA
Belastende Lebensereignisse
Fehlende soziale Unterstützung
Angst in der Vorgeschichte
Postpartal Zeit
•
•
•
•
•
•
•
Salazar. Med Clinics of North America. 1996;80:431-454
Substanzmißbrauch
Körperliche Erkrankung
Single
Höheres Alter
Niedrige soziale Schicht
Weiblich
Verlust eines Elternteils vor
dem 10. Lebensjahr
Wann beginnen Depressionen? Alter
beim ersten Auftreten (Wittchen et al 1999)
35
Any
depressive
Anxiety
disorders disorder
30
25
Major depression
cum.
20
hazard %
rate
15
10
5
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
Erkrankungsbeginn
45
50
55
60
Komorbidität ist ein fundamentales
Charakteristikum
Prüfe immer bei einer Depression das Vorliegen anderer
psychischer Störungen !
(gleichzeitige und früher bestehende)
Denn Komorbidität hat einen starken Einfluß auf den
Spontanverlauf !
Ätio-pathogenetische Implikationen ?
Natürlicher Verlauf unbehandelter Depression
40% Remission
Euthymie
20% Teilremission
40% chronische Depression
Depression
1 Jahr
Stahl. Essential Psychopharmacology. 1996
Verlauf von Depressionen
“The Five Rs”
Remission
Recovery
Relapse
Recurrence
Response
x
x
Symptome
Syndrom
Behandlungsphase
x
Akut
6-12
Wochen
Erhaltung
4-9 Monate
Kupfer DJ. J Clin Psychiatry. 1991;52(suppl 5):28-34
Prophylaxe
>1 Jahr
Therapie von Depressionen
Therapie muß „maßgeschneidert“ werden !
Wichtig ist ein „Gesamttherapie-Konzept“ mit






Antidepressiva
Psychotherapie
Andere Verfahren: Schlafentzug, EKT, Licht, rTMS
Klärung belastender Faktoren
Krankheitsaufklärung
Aktivierenden Maßnahmen
Das Konzept orientiert sich an:





Zielsymptomen
Körperlichen Erkrankungen
Sozialer Situation des Patienten
Alter des Patienten
.....
Katecholamin-Hypothese der Depression
Klinische Evidenzen
• Reserpin-induzierte Depressionen
• Amphetamin-induzierte Manien / Psychosen
• Wirkmechanismus der Antidepressiva
„Some, if not all, depressions are associated with an
absolute or relative deficiency of catecholamines,
particularly norepinephrine, at functionally important
adrenergic receptor sites in the brain. Elation conversely
may be associated with an excess of such amines.“
Schildkraut, Am J Psychiatry, 1965
Wissenswertes zu Antidepressiva
Wirkmechanismus
Depressionen: gestörtes Gleichgewicht von Neurotransmittern.
Antidepressiva gleichen dieses Ungleichgewicht aus.
Antidepressiva...








Kaum Effektivitätsunterschiede
Unterschiedliche Nebenwirkungen
Wirken zuverlässig (bei 70 % Besserung innerhalb von 2-6 Wochen)
Therapieresistenz ca 10 %
Machen nicht abhängig
Wirken nur bei regelmäßiger Einnahme in ausreichender Dosierung
Wirken auch vorbeugend
Erfahrung seit über 50 Jahren
Antidepressiva: bei schweren Depressionen „Standbein“ der Behandlung.
...oder doch Psychotherapie ?
Psychotherapie oder Antidepressiva ?
Prädiktoren ? Schweregrad !
Elkin et al., 1989
3-42 Wenn ein alleiniges Behandlungsverfahren in Betracht
gezogen wird, soll bei ambulant behandelbaren Patienten mit
akuten mittelschweren- bis schweren depressiven Episoden
eine alleinige Psychotherapie gleichwertig zu einer alleinigen
Psychotherapie oder Antidepressiva ?
Prädiktoren ? Komorbidität !
Elkin et al., 1989
Shea e al., 1990
Vorteil der Psychotherapie ?
Langzeit-Prognose !
Shea e al., 1990
Psychotherapie oder Antidepressiva ?
Wirklatenz !
Depression +/- „early life stress“
Schulberg et al., 1996
Wirken Antidepressiva überhaupt ?
•
•
•
•
Kleine, nicht repräsentative Auswahl von Antidepressiva
Nur Teilmenge der Studien zu gewählten Antidepressiva
Remission - nicht mittlere Besserung ist entscheidend
Intensive Betreuung in Studien erhöht Placebo-Effekt
Kirsch et al 2008; Kirsch
PLoS etMed
5(2):PLoS
e45
al., 2008;
Leichte Depression
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie:
Unipolare Depression (Konsultationsfassung, Juni 2009)
3-6
Bei einer leichten depressiven Episode kann, wenn
anzunehmen ist, dass die Symptomatik auch ohne aktive
Behandlung abklingt, im Sinne einer aktiv abwartenden
Begleitung zunächst von einer depressions-spezifischen
Behandlung abgesehen werden. Hält die Symptomatik nach
einer Kontrolle nach spätestens 14 Tagen noch an oder hat
sie sich verschlechtert, soll mit dem Patienten über die
Einleitung einer spezifischen Therapie entschieden werden.
(0)
3-7
Antidepressiva sollten nicht generell zur Erstbehandlung bei
Psychotherapie und/oder Pharmaka
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie:
Unipolare Depression (Konsultationsfassung, Juni 2009)
3-40 Zur Behandlung akuter leichter- bis mittelschwerer
depressiver Episoden soll eine Psychotherapie angeboten
werden. (A)
3-41 Bei akuten schweren Depressionen soll eine
Kombinations-behandlung mit medikamentöser Therapie
und Psychotherapie angeboten werden. (A)
3-42 Wenn ein alleiniges Behandlungsverfahren in Betracht
gezogen wird, soll bei ambulant behandelbaren Patienten
mit akuten mittelschweren- bis schweren depressiven
Episoden eine alleinige Psychotherapie gleichwertig zu
einer alleinigen medikamentösen Therapie angeboten
werden. (A)
Welches Antidepressivum ?
APA Practice Guideline for Major Depression
Hauptkriterium = Nebenwirkung
“The effectiveness of antidepressant medications is
generally comparable between classes and within
classes of medications.
Therefore, the initial selection of an antidepressant
medication will largely be based on the anticipated side
effects for individual patients, patient preference,
quantity and quality of clinical trial data regarding the
medication, and its cost.”
APA Practice Guideline for Major Depressive Disorder in Adults, 2000
Welches Antidepressivum wählen ?
Welches Antidepressivum ?
Hauptkriterium = pharmakol. Wirkmechanismus ?
Noradrenalin
Bupropion
Serotonin
+
Dopamin
+
+
SSRIs
Venlafaxin / Duloxetin
+
+
Mirtazapin
+
+
Desipramin / Reboxetin
+
Andere Trizyklika
+
+
Antrieb
Zwang
Angst
Anhedonie
Libido
Unruhe
Schwitzen
Übelkeit
sex. Funktionsst.
Schlafstör‘g
Richelson. J Clin Psychiatry. 1994
+
Welches Antidepressivum ?
Meta-Analyse zu Wirksamkeit und Akzeptanz
Cipriani et al., Lancet 2009
Cipriani et al., 2009
Ansprechen auf Antidepressiva
Normale Stimmung
67% Responder
Beginn
Medikation
33% Nonresponder
Depression
8 Wochen
Stahl. Essential Psychopharmacology. 1996
Toxizität von Antidepressiva
“1993-1999, Single ingestions + alcohol: England,Wales & S
FTI = fatal toxicity index expressed as deaths per million prescriptions.
Buckley & McManus, BMJ 2002 325 : 1332-1333
Wie lange geben wir ein AD ?
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie:
Unipolare Depression (Konsultationsfassung, Juni 2009)
3-18
In den ersten 4 Behandlungswochen wird ein
wöchentliches Monitoring, danach in Intervallen von 2-4
Wochen und nach 3 Monate in längeren Intervallen
empfohlen.
Spätestens nach 3-4 Wochen sollte eine genaue
Wirkungsprüfung erfolgen und entschieden werden, ob ein
Wechsel oder eine Ergänzung der Behandlungsstrategie
indiziert ist oder nicht.
Ist keine Verbesserung erkennbar, sollte die
Mitarbeit des Patienten und … der Plasmaspiegel geprüft
werden.
Grundsätzlich angeraten sind
Plasmaspiegelkontrollen bei … Maximaldosis,
V t ä li hk it
bl
lti di i t
d
Non-response
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie:
Unipolare Depression (Konsultationsfassung, Juni 2009)
3-30
Der Wechsel des Antidepressivums ist bei Nichtansprechen
nicht die Behandlungsalternative erster Wahl.
Jeder Wechsel sollte daher sorgfältig geprüft werden.
Augmentation
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie:
Unipolare Depression (Konsultationsfassung, Juni 2009)
3-25 Ein Versuch zur Wirkungsverstärkung (Augmentation) mit
Lithium sollte vom erfahrenen Arzt bei Patienten erwogen werden,
deren Depression auf Antidepressiva nicht angesprochen hat. (B)
3-26 … 2-4 Wochen nach Erreichen wirksamer Lithium-spiegel
keine Wirkung festzustellen:…Lithium wieder abgesetzen. (KKP)
3-27 [Dauer Lithium-Augmentation]: mindestens 6 Monate (B)
3-28 Augmentation von Antidepressiva mittels Carbamazepin,
Lamotrigin, Pindolol, Valproat, Dopaminagonisten, Psychostimulanzien, Schilddrüsen- oder anderen Hormonen wird als
Routineeinsatz bei therapieresistenter Depression nicht empfohlen.
(0)
Lithium Augmentation bei Therapieresistenz:
Placebo-kontrollierte Studien
Response
40%
17%
Crossley & Bauer
Kombinationstherapie
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie:
Unipolare Depression (Konsultationsfassung, Juni 2009)
3-32
Bei einem Patienten, der auf eine Antidepressivamonotherapie nicht respondiert hat, kann als einzige
Antidepressivakombination die Kombination von Mianserin
(unter Berücksichtigung des Agranulozytoserisikos) oder
Mirtazapin einerseits mit einem SSRI oder einem TZA
andererseits empfohlen werden. Nur für diese Kombination
wurde in mehreren randomisierten und doppelblinden
Studien gezeigt, dass sie wirksamer ist als die Monotherapie
mit nur einem der Wirkstoffe. (S)
EKT vs. Pharmakotherapie
UK ECT Review Group 2003
EKT: Indikationen
• Therapieresistenz
• Depression mit psychotischen Symptomen
• Schwere Depression mit
psychomotorischen Störungen
• Depression mit bedrohlichem
Gewichtsverlust oder
Suizidalität
3-50
EKT soll bei schweren, therapieresistenten depressiven
Episoden als Behandlungsalternative in Betracht
gezogen werden. A
Schlafentzug / Wachtherapie
•
•
•
•
•
Total oder partiell
Ansprechrate: ca. 60%
Cave: Nickerchen
Anhaltende Wirkung: ca. 10%
Ggf. Schlafphasen-Verlegung
3-52 Wachtherapie sollte in der Behandlung depressiver
Episoden als Behandlungsform erwogen werden, wenn eine
rasche, wenn auch kurz anhaltende Response therapeutisch
gewünscht wird oder eine andere leitliniengerechte
Schlafentzug
•
•
•
•
Wirksam bei ca. 60 % aller Patienten
Kurze Nickerchen heben die Wirkung vollkommen auf
Wirkung hält meist nur einen Tag an
Durch “Schlaf-Phasen-Verschiebung” kann der Effekt über einen Tag
anhalten.
Folgen von Depressionen
 Persönliches Leid
 Probleme in der Familie und im sozialen
Umfeld
 Schwierigkeiten am Arbeitsplatz
 Chronifizierung
 Mißbrauch von Alkohol und
Beruhigungstabletten
 Gefährdung durch Suizid
Prognose affektiver Störungen
 Meist gute Prognose = Gesundung zwischen den Episoden
 Medikamentöse Prophylaxe verhindert neue Episoden
Aber
 Zunahme der Phasenfrequenz (rapid cycling, ca. 10 %)
 Chronizität: 10 - 20 % unvollständige Remission
 Suizidrisiko: ca. 10 - 15 %
Daher sind Früherkennung, ausreichende Behandlung
und Vorbeugung von Bedeutung
Todesursachen im Vergleich: BRD 2007
9.402
Suizid
1.394
Drogen
Verkehr
Mord /
Totschlag
Aids
5.011
734
461
(Daten des Bundesamtes für Statistik/Gesundheitsberichterstattung des Bundes)
Suizidraten in Deutschland 2007
80
70
Männlich
Anzahl der Suizide pro 100.000
60
Weiblich
50
40
30
20
10
0
Quelle: Todesursachenstatistik, Statistisches Bundesamt
Problem: Suizid
http://www.kompetenznetz-depression.de
Risikofaktoren für Suizid
•
•
•
•
Männer
Alter > 45
Kaukasier
Getrennt, geschieden,
single
• Allein lebend
• Ruhe nach Entschluss
• Anamnese:
Substanzmißbrauch
• Frühere Suizidversuche
• Suizidversuche im
Umfeld
• Allgemeinmedizinische
Erkrankung
• Psychotische
Symptome
Salazar. Med Clinics of North America. 1996;80:431-454
Abschätzung der Suizidalität
Ausmaß der Suizidideation Nach Suizidversuch
•Todesgedanken
•Gedanken an eigenen Tod
•Passiver Todeswunsch
•Suizidgedanken
•Konkrete Suizidvorstellung
•Suizididee
•Suizidplan
•Suizidvorbereitung
•Abgebrochener Suizidversuch
•Todesabsicht = Suizidversuch
•billigend in Kauf genommen = Parasuizid
•Frühere Suizidversuche ?
•Umstände / Abschiedsbrief ?
•Protektive Faktoren ?
•Belastende Faktoren ?
•Appellativer Charakter ?
Psyche statt Herz:
Ursachen für Berufsunfähigkeit
100%
90%
17%
9%
70%
8%
28%
32%
6%
50%
40%
37%
Psychische
Erkrankungen
Neubildungen
14%
30%
15%
5%
13%
4%
11%
20%
10%
21%
Sonstiges
80%
60%
18%
23%
22%
1983
2002
Stoffwechsel/Verdauung
Herz/Kreislauferkrankungen
Skelett/Muskeln/Bindegewebe
17%
0%
Alte Länder
2006
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 2007, S. 74f
Alter bei Erstmanifestation von Depression
Depression ist mit erhöhter KHK-Mortalität
assoziiert
Penninx BW, et al. Arch Gen Psychiatry. 2001;58:221-227.
Depression und ihre Folgen
viszerale Adipositas - Umverteilung des Körperfettes
Stresshormone normal
Fett %: 15 ± 3
Stresshormone erhöht
Fett %: 25 ± 5
Hamann et al.,Psychosom Med, 2002
Erklärungsmodelle für affektive Erkrankungen
Hintergrund
Erklärungsansatz
Psychoanalyse
Frühe Störungen
Psychodynamik
Ich-Struktur Defekte
Soziologie
Schicht- und Desintegrationsannahmen
Neurobiologie
Transmitter / Hormone / Genetik
Neuroanatomie / pathologie
Neuronale Schädigung / „Netzwerk“-Theorien
Lerntheorie
Psychische Störungen werden gelernt
Dysfunktionale Einstellungsmuster
Psychophysiologie
...
Gestörte Regelkreise
...
Verstärker-Verlust Modell
(Lewinsohn)
Modell der erlernten Hilflosigkeit (Seligman)
Modell der dysfunktionalen Kognitionen und
Schemata
Neurobiologische Ansätze
1. Nervensignale /
Neurotransmission
2. Hirnstoffwechsel
3. Gehirnstruktur
4. Psychotrope / toxische Stoffe
5. Kandidatengene
6. Aktivierung von StressSystemen
7. Funktionelle Bildgebung
Neurotransmission und -modulation
“Mangel”-Hypothesen
“Exzess”-Hypothesen
Serotonin
Acetylcholine
Noradrenalin
Substance P
Dopamin
CRH
GABA
Brain-derived neurotrophic
factor (BDNF)
Somatostatin
Bedeutung der Depletionsstudien
Untersuchtes Kollektiv
Gesunde
Früher depressiv, remittiert, derzeit
ohne Medikation
Depressiv, ohne Medikation
Remittiert, SSRI
Remittiert, NRI
Remittiert, NaSSA
SerotoninDepletion
KatecholaminDepletion
-
+/-
+++
+++
-
-
++++
+
+
++++
++++
++++
nach Delgado et al., 1997
Befunde zur Noradrenalin / Serotonin
bei Depression

CSF: erniedrigtes 5-HIAA

CSF: erhöhtes MHPG

Neuroendokrine Tests: Prolaktinantwort
 auf Fenfluramin, Tryptophan, CMI

Neuroendokrine Tests:
alpha-2 adrenerge Antworten 

Thrombozyten:
5-HT2A Rezeptor: erhöhte Dichte

Thrombozyten:
alpha2-Rezeptor: erhöhte Dichte

“Tryptophan-Depletion”:
Depression bei SSRI-remittierten
Patienten

Depletion mit AMPT: Depression bei
nor-adrenerg-behandelten, rem.
Patienten

Postmortem Gehirne:
Transporter PFC 
5-HT2A Rezeptoren im PFC 
Transporter & 5-HT1a Autorezeptoren im Hirnstamm 

Postmortem Gehirne:
alpha2-Rezeptoren im Cortex 
(Meana et al., 1992; Callado et al., 1998)
(Mallison et al., Drevets et al.)

Kandidatengene: Transporter, Trpt
Hydroxylase, Rezeptoren

Kandidatengene: TH, COMT & MAO
Heritabilität psychiatrischer Störungen
= Anteil der genetisch determinierten Varianz
Phänotyp
Heritabilität*
Bipolar disorder
Schizophrenia
Cigarette smoking
Divorce
Social phobia
Neuroticism
Novelty Seeking
Panic disorder
Major depression
Extraversion
Generalized anxiety disorder
Religious affiliation
.62
.60
.60
.52
.52
.52
.45
.42
.40
.38
.35
.00
Erheben Sie die Familienanamnese !
Konkordanzrate bei Depression:
ein- vs. zwei-eiige Zwillinge
“Genetik-Dominanz”: I.T. > F.T.
<100 %: Umweltfaktoren
Hypercortisolämie
bei Depression
„StressHypothese“ der
Depression
 hippocampal volume
 declarative memory
 GR regulation
Modelle der Depression: „neuronale Plastizität“
Altar, TIPS, 1999
Wie regulieren Antidepressiva BDNF ?
• Chronisch gestresste Tiere (forced
swim) zeigen reduziertes BDNF und
hippocampale Atrophie.
• Antidepressiva normalisieren BDNF
bei chronischem Stress und BDNF
schützt vor hippocampaler Atrophie.
• Chronische Gabe von
Antidepressiva:
hochreguliertes cAMP
• hochregulierte CREB mRNA im
Hippocampus
• Trophische Wirkungen:
z.B. BDNF für serotonerge Neurone
Duman, Malberg, Thome, Biol Psychiatry, 1999
Fazit
Depressionen:
- sehr häufige Erkrankungen
- auch im nicht-psychiatrischen setting
- schwerwiegend und oft tödlich
- gut behandelbar ?
- Klären wir in der nächsten Vorlesung !
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
Haben Sie Fragen ?
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