Untersuchung des bakteriellen Zytoskeletts

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WISSENSCHAFT · S PECIA L: BI O-I MAGI NG
Fluoreszenzmikroskopie
Untersuchung des bakteriellen
Zytoskeletts
PETER L. GRAUMANN
MIKROBIOLOGIE, FAKULTÄT FÜR BIOLOGIE, UNIVERSITÄT FREIBURG
Bakterien besitzen alle Zytoskelett-Elemente, die man seit langem aus
eukaryotischen Zellen kennt. Die prokaryotischen Homologe von Tubulin,
Aktin und Intermediärfilamenten sind Bestandteile mehrerer zentraler
Zellvorgänge. Erst die Visualisierung der Zytoskelett-Elemente durch Fluoreszenzmikroskopie hat ihre wirkliche Funktion preisgegeben und gezeigt,
dass in bakteriellen Zellen gerichtete Proteinbewegungen stattfinden.
hinaus bestehen bleibt. Das IF-Protein Crescentin (CreS) aus Caulobacter crescentus bildet rigide Filamente in vitro. CreS verläuft
entlang der kürzeren, konkaven Seite des
gekrümmten Bakteriums. Die Deletion des
creS-Gens erzeugt gerade, stäbchenförmige
Zellen, was belegt, dass CreS die Zellkrümmung induziert[2]. Zytoskelett-Elemente sind
also prokaryotischen Ursprungs, haben sich
aber in Pro- und Eukaryoten unterschiedlich
entwickelt.
Ein dynamisches Zytoskelett
Evolutionäre Plastizität von Aktin und
Tubulin
Die Funktion von bakteriellem Tubulin und
Aktin ist invers zu derjenigen in eukaryotischen Zellen. Hier bildet Tubulin den Spindelapparat, in dem die Mikrotubuli die Chromosomen in entgegengesetzte Richtung ziehen. Bakterielles Tubulin, genannt FtsZ, formt
in der Zellmitte einen dynamischen Ring und
initiiert die Zellteilung (Abb. 1A)[1]. In vielen
eukaryotischen Zelltypen wird die Teilung
durch einen Aktin-Ring getrieben; im Gegensatz dazu spielt bakterielles Aktin, MreB, eine
Rolle in der Chromosomensegregation und
in der Bildung der Zellform[1]. Allein intermediäre Filamente (IF) scheinen ihre morphologische Funktion in Pro- und Eukaryoten behalten zu haben. Die IF geben vielen
tierischen Zellen mechanische Stabilität, die
in Hautzellen sogar noch über den Zelltod
Obwohl die Gene ftsZ und mreB schon in den
80er-Jahren identifiziert wurden, blieb die
Ähnlichkeit der Genprodukte zu Tubulin und
Aktin bis zur Auflösung der 3D-Struktur verborgen; ihre Funktion wurde erst durch
Immunfluoreszenz und GFP-Markierung
erkannt. FtsZ bildet in der Zellmitte von Bakterien eine Ringstruktur (Abb. 1A), die alle
weiteren Zellteilungsproteine in der Teilungsebene anordnet, so Penicillin-bindende
Proteine (Pbp), welche die Zellwand des Sep-
¯ Abb. 1: Epi-fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen
von Bacillus subtilis, die (A, C, D) exponentiell wachsen,
oder B, mit der Sporulation beginnen. FtsZ-CFP bildet
einen Ring in der Zellmitte (A) oder zunächst spiralförmige Filamente und später zwei Ringe in der Nähe der Zellpole (B; durch Dreiecke angedeutet). C, GFP-MreB bildet
helikale Filamente unterhalb der Zellmembran, D, YFPRecA akkumuliert in DNA-Reparaturzentren (durch Punkte angedeutet), von denen filamentöse Strukturen ausgehen (weiße Linien). Septen zwischen den Zellen sind
durch weiße Striche gekennzeichnet, der rote Balken entspricht 2 μm.
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tums synthetisieren (Abb. 2A). Der FtsZ-Ring
ist dynamisch. Er polymerisiert und depolymerisiert unter Verbrauch von GTP und
erneuert sich ständig[3]. Zu Beginn der Sporulation in B. subtilis bildet FtsZ spiralförmige Filamente, die sich von der Mitte in Richtung der Zellpole ausdehnen (Abb. 1B), bis
zwei FtsZ-Ringe in Polnähe entstehen[4]. Nur
einer der Ringe ist in der asymmetrischen
Zellteilung aktiv.
Das MreB-Protein bildet ausschließlich helikale Filamente, die unterhalb der Zellmembran lokalisiert sind (Abb. 1C)[5], wobei es,
wie Aktin, ATP verbraucht. Wir haben gezeigt,
dass sich die Filamente in Zellen von B. subtilis rapide bewegen. Im Minutentakt laufen
mehrere Filamente auf helikalen Bahnen
durch die Zelle[6]; MreB könnte demnach eine
Motorfunktion ausüben. Vermutlich ist die
Funktion von bakteriellem Aktin dual. Die
Abschaltung der MreB-Synthese führt zur
Änderung der Zellmorphologie; die Zellen
werden rund und lysieren schließlich. MreB
interagiert mit dem Membranprotein MreC
(Abb. 2A), welches wiederum essenziell für
die Zellmorphologie ist und mit Proteinen
wechselwirkt, die an der Zellwandsynthese
beteiligt sind (Pbps, Abb. 2A). In stäbchenförmigen Bakterien wie B. subtilis erfolgt auch
die Inkorporation von neuem Zellwandmaterial helikal entlang der Zellachse und orientiert sich demnach an zytosolischen AktinFilamenten. Bevor jedoch die Bazillen ihre
Zellform verlieren, tritt nach Abschalten der
MreB-Synthese ein drastischer Defekt bei der
Segregation der Schwesterchromosomen auf.
MreB ist direkt oder indirekt mit dem Chromosom verknüpft, was eine aktive Rolle bei
dem Mitose-analogen Prozess in Bakterien
belegt. Die Verdopplung des zirkulären Chromosoms in E. coli und B. subtilis erfolgt in der
Zellmitte durch einen stationären DNA-Polymerase-Komplex. Das Chromosom wird durch
die Replikationsmaschinerie gespult, und neu
replizierte Bereiche werden zu den Zellpolen
transportiert (Abb. 2B). Wir vermuten, dass
MreB bei diesem Transportprozess entweder
die treibende Kraft durch Bewegung der Filamente ausübt oder die Schienen für ein Motorprotein stellt. Wie die Verknüpfung von MreB
mit dem Chromosom auf molekularer Ebene
aussieht, ist Gegenstand intensiver Forschung.
Weitere dynamische Proteinfilamente
in Bakterien
Nicht nur MreB und FtsZ bilden filamentöse
Strukturen in Bakterien, sondern auch die
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¯ Abb. 2: Modell für das bakterielle Zytoskelett. A, Interak-
tion von FtsZ mit mehreren Membranproteinen (FtsQLW),
welche spezialisierte Proteine (Pbps) rekrutieren, die das
Septum bilden; Interaktion von MreB mit dem Membranprotein MreC, welches wiederum mit Zellwand-Syntheseproteinen (Pbps) interagiert. B, Modell für die Reparatur
von DNA-Doppelstrangbrüchen, an denen sich ein Reparaturzentrum bildet, von dem aus sich RecA-Filamente zum
Schwesterchromosom bewegen. Die hellblauen Bereiche
stellen die verdoppelten Chromosomen dar. Min-Proteine
wandern in E. coli zwischen den Zellpolen hin und her
(durch die gestrichelte Min-Helix angedeutet).
Min-Proteine in E. coli, die eine Zellteilung in
Polnähe durch Inhibition der FtsZ-Polymerisation verhindern (Abb. 2B). Wir haben kürzlich zeigen können, dass auch während der
Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen
Filamente entstehen, die das Protein RecA
enthalten. An einem DNA-Bruch formiert sich
ein Reparaturzentrum, in welchem in definierter Abfolge eine Reihe von Reparaturproteinen binden. RecA wird durch mehrere
Proteine an einem DNA-Bruch rekrutiert und
dort auf einzelsträngige (ss) DNA geladen,
welche enzymatisch erzeugt wird. RecA bildet
Nukleoprotein-Filamente mit ssDNA in vitro,
sucht nach homologen DNA-Strängen, und
führt ssDNA in einen DNA-Duplex ein, um
Strangaustausch zu katalysieren. Dies hat die
Bildung von Cross-over zur Folge, welche die
Sequenzinformation des intakten Schwesterchromosoms zugänglich machen. In B. subtilis bildet RecA dynamische filamentöse
Strukturen, die sich von einem Reparaturzentrum in die andere Zellhälfte bewegen, wo
das Schwesterchromosom liegt (Abb. 1D,
2B)[7]. Die RecA-Filamente scheinen ssDNA
vom Reparaturzentrum zum Schwesterchromosom hin und her zu transportieren und
dadurch Cross-over über eine große Distanz
aufzubauen. Eine ähnliche Funktion erfüllen
RecA-Filamente auch in kompetenten Zellen.
Diese können DNA aus der Umgebung aufnehmen und bei vorhandener Homologie in
ihr Chromosom integrieren. Diese Fähigkeit
besitzen auch pathogene Bakterien, die so
effizient Resistenzgene erwerben. Kompetente Zellen von B. subtilis nehmen DNA nur
an einem Zellpol auf, von dem sich RecA-Filamente ausbilden[8]. Auch diese Filamente sind
hoch dynamisch und scheinen DNA zum
Chromosom zu transportieren. Bakterien
besitzen also offensichtlich eine Art ssDNATransportmaschinerie im Zytosol, die auf
einem Filament-bildenden Protein basiert.
Zellbiologie von Bakterien
Hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie hat
die ungeahnt ausgeprägte subzelluläre Organisation von Prokaryoten ans Licht gebracht.
Bakterien besitzen innen wie außen definierte
Strukturen, die an Replikation, Chromosomensegregation und Zellteilung bis zur Zellwandsynthese beteiligt sind. Viele dieser
Strukturen basieren auf Proteinen, die Filamente ausbilden, oft mit hochdynamischen
Eigenschaften, die es ermöglichen, dass sich
die Filamente bewegen. Die Untersuchung
von Zytoskelett-Elementen in Pro- und Eukaryoten bleibt weiterhin spannend, da noch
viele grundlegende Fragen unbeantwortet
sind.
ó
Danksagung
Literatur
[1] Graumann, P. L. (2004): Cytoskeletal elements in bacteria.
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[7] Kidane, D., and Graumann, P. L. (2005): Dynamic formation of RecA filaments at DNA double strand break repair centres in live cells. J. Cell Biol. 170: 357–366.
[8] Kidane, D., and Graumann, P. L. (2005): Intracellular protein and DNA dynamics within competent Bacillus subtilis
cells. Cell 122: 73–84.
Korrespondenzadresse:
Prof. Peter L. Graumann
Mikrobiologie, Fakultät für
Biologie, Albert-Ludwigs
Universität Freiburg
Schänzlestr. 1
D-79104 Freiburg
Tel.: 0761-2032630
Fax: 0761-2038349
[email protected]
Ich bedanke mich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der
Chemischen Industrie für die Förderung der
Forschung.
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