Methoden 264 Analyse der differenziellen Genexpression in Staphylococcus aureus Petra Becker1, Georg Peters1, Mathias Herrmann2 1 Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Münster 2 Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Universität des Saarlandes, Homburg Staphylococcus aureus ist ein opportunistischer Erreger von erheblicher klinischer Bedeutung. Neben lokalen, oberflächlichen Infektionen verursacht dieses pathogene Bakterium auch lebensbedrohliche Erkrankungen (LOWY, 1998). Vor allem die Fähigkeit, inerte und lebende Oberflächen zu kolonisieren und einen Biofilm auf diesen ausbilden zu können, trägt zur Pathogenität dieses Krankheitserregers bei. Die Virulenz von S. aureus ist auf eine Vielzahl an Faktoren zurückzuführen. Insbesondere extrazelluläre Toxine und eine Reihe von Oberflächenproteinen fungieren bei diesem Bakterium als Virulenzfaktoren. Die Identifizierung und Charakterisierung von Genen, die spezifisch bei einer bestimmten Infektion oder in einer speziellen Infektionsphase exprimiert werden, könnten entscheidende Hinweise zur Vorbeugung und Bekämpfung von S. aureus-Infektionen liefern. In der Vergangenheit wurden zur Identifizierung solcher differenziell exprimierten Gene eine Reihe unterschiedlicher Methoden beschrieben (SAGERSTROM et al. 1997; HANDFIELD und LEVESQUE 1999). Zu diesen zählen „Differential Display PCR“ (DDPCR), „Arbitrarily Primed PCR“ (AP-PCR), Gen-Fusionen und subtraktive und differenzielle Hybridisierungstechniken. Auch wurden eine Reihe von „Microarray“-basierenden Methoden zur Detektion von differenziell exprimierten Genen beschrieben (DE SAIZIEU et al. 1998). Viele dieser Methoden haben den Nachteil, dass große Mengen an mRNA benötigt werden. Einige dieser Anwendungen, wie DD-PCR, APPCR und Gen-Fusionen, eliminieren die in beiden Populationen vorkommenden Sequenzen nicht. Diese Eigenschaft erschwert sowohl die Interpretation der Ergebnisse als auch die Identifikation der entsprechenden Gene. Die bisher beschriebenen subtraktiven und differenziellen Hybridisierungstechniken wurden zudem für die Anwendung bei eukaryonten Organismen entwickelt. Im Unterschied zu eukaryonter mRNA reichen Länge und Grad der Polyadenylierung bei bakteriellen mRNAs nicht aus, um diese Eigenschaft zur Abtrennung der anderen Abb. 1: Micro-RDA-Sensitivitätstest. Um die Nachweisgrenze von differenziell exprimierten mRNAs durch Micro-RDA zu bestimmen, wurden definierte Mengen an Kontroll-RNA (MS2-RNA) in Konzentrationen von einer Kopie pro Zelle sowie 5, 10, 50 und 100 Kopien pro Zelle in einen Hintergrund aus Staphylokokken-Driver-RNA gegeben. Die MS2-/Driver-RNA-Mischungen wurden in einer Micro-RDA-Subtraktion als Tester gegen ungemischte Driver-RNA eingesetzt. Die Abbildung zeigt die DP 3, die in einem 2%igen Agarosegel aufgetrennt und mit Ethidiumbromid gefärbt worden sind. RNA-Spezies nutzen zu können. Da diese bisher beschriebenen Methoden nicht für den Einsatz von Gesamt-RNA, sondern von mRNA etabliert worden waren, reicht die Stringenz dieser Techniken in der Regel nicht aus, um die rRNA vollständig aus dem System zu eliminieren. Daher wurde bisher vor Beginn einer solchen Subtraktion versucht, die bakterielle mRNA über eine Reihe von komplizierten Schritten anzureichern (PLUM und CLARK-CURTISS 1994; SU und SORDILLO 1998; GRAHAM und CLARK-CURTISS 1999). Diese Techniken waren nicht nur zeitaufwendig, sondern konnten auch zu dem Verlust von einigen mRNAs führen und so die Sensitivität der folgenden Subtraktionsmethode deutlich herabsetzen. Im Rahmen der kürzlich veröffentlichten vergleichenden Expressionsstudien von planktonischen und Biofilm-bildenden Bakterien-Populationen von S. aureus DSM20231, ist es uns gelungen, eine cDNASubtraktionsmethode für das S. aureus-System zu etablieren und zu validieren (BECKER et al. 2001). Die dort beschriebene Metho- de beruht auf dem von Lisitsyn et al. entwickelten und als „Representational Difference Analysis“ (RDA) bezeichneten Verfahren (Lisitsyn et al. 1993). Bisher wurden Adaptionen dieser Methode für Subtraktionen mit genomischer DNA, für eukaryonte cDNA-Subtraktionen (HUBANK und SCHATZ 1994) und für cDNA-Subtraktionen mit den Gram-negativen Bakterien Neisseria meningitidis (BOWLER et al. 1999) und Pseudomonas aeruginosa (WESTBROCK-WADMAN et al. 1999) veröffentlicht. Die von uns beschriebene „Micro-RDA“-Methode ist daher die erste beschriebene cDNA-Subtraktionsmethode, die für Untersuchungen an Gram-positiven Bakterien entwickelt wurde. Im Unterschied zu den früher beschriebenen cDNA-Subtraktionsmethoden ist Micro-RDA in der Lage, den hohen Anteil an rRNA-Molekülen in nur zwei bis drei Subtraktionsrunden zu eliminieren. Auf die Verwendung einer mRNA-Anreicherungsmethode oder die Zugabe von rRNA in die Driver-Fraktion (BOWLER et al. 1999) kann dabei vollständig verzichtet werden. BIOspektrum · 3/02 · 8. Jahrgang Methoden Die schematische Abfolge der einzelnen Reaktionsschritte stimmt bei Micro-RDA und der ursprünglich von LISITSYN et al. (1993) beschriebene Methode überein. Die beiden cDNA-Populationen werden zu Beginn in kleine, möglichst gleich lange Fragmente geschnitten. An diese Fragmente wird ein Adapter ligiert, welcher eine Vervielfältigung mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR) erlaubt. Das entstehende PCR-Produkt bezeichnet man als Amplikon. Anschließend wird ausschließlich an das „Tester“-Amplikon – also an die vervielfältigte DNA-Population, aus der die Fragmente isoliert werden sollen, die nicht oder in geringerer Konzentration in der zweiten DNA-Population („Driver“) vorhanden sind – ein anderer Adapter ligiert, welcher in den nachfolgenden selektiven PCR-Ansätzen als Primer-Anlagerungsstelle verwendet werden kann. Es folgen die subtraktive Hybridisierung von Tester- und Driver-DNA, ein Mungobohnen-Nuklease-Verdau und zwei selektive PCR-Amplifikationen. In den selektiven PCR-Schritten werden die entstandenen Tester-Tester-Moleküle exponentiell und die Tester-Driver-Hybride linear ampifiziert. Die Driver-Driver-Hybride und die einzelsträngigen Tester- und Driver-Moleküle können mangels einer Primer-Anlagerungsstelle nicht vervielfältigt werden. Sowohl die subtraktive Hybridisierung als auch die selektiven PCR-Amplifikationen müssen zwei- bis dreimal wiederholt werden, um die interessierenden DNA-Fragmente aus der komplexen Mischung heraus isolieren zu können. Der in Micro-RDA verwirklichte Fortschritt, der es erlaubt, den hohen Überschuss an rRNA-Molekülen zu eliminieren, wird durch den Einsatz der Phenol-EmulsionsReassoziations-Technik (PERT) während der subtraktiven Hybridisierung erreicht. Bereits frühere Studien belegten, dass die Hybridisierungsrate in einer phenolischen Emulsion durch eine Reduzierung des wässrigen Volumens deutlich gesteigert wird (KOHNE et al. 1977). Diese Verminderung des wässrigen Volumens ermöglicht zusätzlich eine signifikante Reduktion der benötigten Tester-Menge: nur 1 ng Tester-DNA wurde während der ersten und nur 0,1 ng während der zweiten subtraktiven Hybridisierung eingesetzt. Eine stabile phenolische Emulsion wurde während der Hybridisierung durch zyklisches Erhitzen auf 65°C und darauf folgendes rasches Abkühlen der Proben aufrecht erhalten (MILLER und RIBLET, 1995). Da der Tm-Wert der DNA-Doppelhelix in einer phenolischen Lösung stark erniedrigt wird, wurden durch das zyklische Erhitzen auf 65°C auch ein Teil der nicht homologen BIOspektrum · 3/02 · 8. Jahrgang DNA-Doppelhelices aufgeschmolzen und so die Anzahl an heterologen Hybrididmolekülen reduziert. Ob sich diese hohe Stringenz negativ auf die Sensitivität von Micro-RDA auswirkt, wurde in einem Sensitivitätstest überprüft. Bei diesem Test wurden genau definierte RNA-Mengen des Bakteriophagen MS2 (Roche Diagnostics) in einen Hintergrund aus Staphylokokken-RNA gegeben. Die Konzentrationen der eingesetzten MS2RNA lagen zwischen einer Kopie und 100 Kopien pro eingesetzter S. aureus-Zelle. Nach Abschluss der dritten Runde MicroRDA wurden die Differenzprodukte in einem 2%igen Agarosegel aufgetrennt, mit Ethidiumbromid gefärbt und mit dem ebenfalls aufgetrennten MS2-Amplikon verglichen (Abbildung 1). Bei einer Konzentration von einer Kopie MS2-RNA pro Zelle (Abbildung 1, Bahn 2) konnten weder ein Fragment der MS2-RNA noch unspezifisch amplifizierte Staphylokokken-RNA nachgewiesen werden. Bereits bei einer Konzentration von fünf Kopien MS2-RNA pro Zelle (Abbildung 1, Bahn 3) enthielt das DP 3 ein 400 bp großes Fragment, das typisch für das Bandenmuster des MS2-Amplikons (Abbildung 1, Bahn 7) war. Mit zunehmender Konzentration der MS2-RNA in der Tester-Fraktion stieg auch die Intensität und die Anzahl der für das MS2-Amplikon typischen Banden in dem DP 3 an (Abbildung 1, Bahnen 2 – 6). Das Bandenmuster des DP 3, dessen Tester 100 Kopien pro Zelle enthielt (Abbildung 1, Bahn 6), entsprach nahezu dem des MS2-Amplikons. Die hier beschriebene RDA-Adaption, ist eine hoch stringente, aber auch sehr sensitive Methode, die eine Identifizierung von differenziell exprimierten Genen in unterschiedlichen S. aureus-Populationen erlaubt. Selbst „low-copy“ mRNAs, von denen nur fünf Kopien pro Bakterienzelle vorliegen, können mit dieser Methode als differenziell exprimiert identifiziert werden. In Zukunft werden „Microarray“-basierte Methoden ebenfalls eine attraktive Möglichkeit darstellen, die differenzielle Genexpression von Staphylokokken zu untersuchen (DE SAIZIEU et al. 1998; RAMSAY 1998). Da im Rahmen von Genom-Sequenzierungsprojekten die Genome der S. aureusStämme 8325, Col, MRSA252, MSSA476, N315 und Mu50 sequenziert, analysiert und kartografiert werden oder wurden, stehen vermutlich in absehbarer Zeit Gen-Chips für diese Stämme zur Verfügung. Neben den enormen Kosten einer solchen Gen-ChipAnalyse kann man diese Methode auch nur bei den sequenzierten Stämmen anwenden, da gerade bei klinischen S. aureus-Isolaten eine relativ große Variabilität in den GenomSequenzen zu finden ist. Daher wird auch in der nahen Zukunft ein Bedarf für herkömmliche cDNA-Subtraktionstechniken wie die hier beschriebene Micro-RDA-Methode bestehen. Danksagung Wir danken J.D. Harper, K.T. Smith, P.B. Challoner und W. Hufnagle von der PathoGenesis Corporation in Seattle, Washington und P. Tudzinski (Universität Münster) für ihre Unterstützung. Die zugrunde liegende Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert (Schwerpunktprogramm 1047). Literatur Becker, P.; Hufnagle, W.; Peters, G.; Herrmann, M. (2001). Detection of differential gene expression in biofilmforming versus planktonic populations of Staphylococcus aureus using micro-representational-difference analysis. Appl. Environ. Microbiol. 67 (7): 2958–2965 Bowler, L. D.; Hubank, M.; Spratt, B. G. (1999). Representational difference analysis of cDNA for the detection of differential gene expression in bacteria: development using a model of iron-regulated gene expression in Neisseria meningitidis. Microbiology 145 (12): 3529–3537 de Saizieu, A.; Certa, U.; Warrington, J.; Gray, C.; Keck, W.; Mous, J. (1998). Bacterial transcript imaging by hy- bridization of total RNA to oligonucleotide arrays. Nat. Biotechnol. 16 (1): 45–48 Graham, J. E. und Clark-Curtiss, J. E. (1999). Identification of Mycobacterium tuberculosis RNAs synthesized in response to phagocytosis by human macrophages by selective capture of transcribed sequences (SCOTS). Proc. Natl.Acad. Sci. U.S.A 96 (20): 11554–11559 Handfield, M. und Levesque, R. C. (1999). Strategies for isolation of in vivo expressed genes from bacteria. FEMS Microbiol. Rev. 23 (1): 69–91 Hubank, M. und Schatz, D. G. (1994). Identifying differences in mRNA expression by representational difference analysis of cDNA. Nucleic Acids Res. 22 (25): 5640–5648 Kohne, D. E.; Levison, S. A.; Byers, M. J. (1977). Room temperature method for increasing the rate of DNA reassociation by many thousandfold: the phenol emulsion reassociation technique. Biochemistry 16 (24): 5329–5341 Lisitsyn, N.; Lisitsyn, N.; Wigler, M. (1993). Cloning the differences between two complex genomes. Science 259 (5097): 946–951 Lowy, F. D. (1998). Staphylococcus aureus infections. N. Engl. J. Med. 39 (8): 520–532 Miller, R. D. und Riblet, R. (1995). Improved phenol emulsion DNA reassociation technique (PERT) using thermal cycling. Nucleic Acids Res. 23 (12): 2339–2340 Plum, G. und Clark-Curtiss, J. E. (1994). Induction of Mycobacterium avium gene expression following phagocytosis by human macrophages. Infec. Immun. 62 (2): 476–483 Ramsay, G. (1998). DNA chips: state-of-the art. Nat. Biotechnol. 16 (1): 40–44 Sagerstrom, C. G.; Sun, B. I.; Sive, H. L. (1997). Subtractive cloning: past, present, and future. Annu. Rev. Biochem. 66: 751–783 Su, C. und Sordillo, L. M. (1998). A simple method to enrich mRNA from total prokaryotic RNA. Mol. Biotechnol. 10 (1): 83–85 Westbrock-Wadman, S.; Sherman, D. R.; Hickey, M. J.; Coulter, S. N.; Zhu, Y. Q.; Warrener, P.; Nguyen, L. Y.; Shawar, R. M.; Folger, K. R.; Stover, C. K. (1999). Charac- terization of a Pseudomonas aeruginosa efflux pump contributing to aminoglycoside impermeability. Antimicrob. Agents Chemother. 43 (12): 2975–2983 Korrespondenzadresse: Petra Becker Institut für Medizinische Mikrobiologie Universitätsklinikum Münster Domagkstraße 10 48147 Münster Tel.: 0251-8355345 Fax: 0251-8355350 E-mail: [email protected]