Molekulare Analyse pflanzlicher Symbiosen durch funktionelle Genomforschung Prof. Dr. Helge Küster, Abteilung IV - Pflanzengenomforschung Institut für Pflanzengenetik, Leibniz Universität Hannover Herrenhäuser Str. 2, D-30419 Hannover Kontakt: [email protected]; http://www.genetik.uni-hannover.de Mit über 700 Gattungen und fast 20.000 Arten bilden die Leguminosen (Hülsenfrüchtler) eine der größten Familie höherer Pflanzen. Die Vielfalt dieser Familie zeigt sich darin, dass ihre Mitglieder sowohl krautige Gewächse als auch Bäume umfassen. Bekannteste europäische Vertreter sind die Körnerleguminosen Erbse und Ackerbohne sowie die Futterleguminosen Luzerne und Klee. Die Familie der Leguminosen ist ein interessantes Objekt für Genetiker, da diese Pflanzen im Wurzelbereich Symbiosen mit Bakterien und Pilzen eingehen können, durch die eine optimale Versorgung mit limitierten Nährstoffen erreicht wird (Abbildung 1. Während eine Interaktion mit Bodenbakterien aus der Familie Stickstoffixierung der führt, Rhizobiaceae dient die zur biologischen Symbiose mit Glomeromycota Pilzen primär der optimierten Versorgung mit Phosphaten, aber auch der verbesserten Aufnahme von Wasser und Mineralien). Vor allem durch die Fähigkeit zur biologischen Stickstofffixierung weisen Blätter und Samen von Leguminosen einen hohen Anteil an Proteinen auf. Da die Abbildung 1: Die ModellLeguminose Medicago truncatula und der Fokus unserer Forschungsinteressen: die Wurzelknöllchensymbiose mit stickstofffixierenden Bakterien und die arbuskuläre Mykorrhiza mit Pilzen Bild:Martin Vieweg, Universität Bielefeld Gewinnung proteinreicher Pflanzengewebe von zunehmender Bedeutung in der nachhaltigen Landwirtschaft ist, rücken Leguminosen zunehmend ins Zentrum von Untersuchungen, die sich moderner Verfahren der funktionellen Genomforschung bedienen. Die bekannteste Eigenschaft von Leguminosen ist sicherlich ihre Fähigkeit, eine Symbiose mit Bodenbakterien aus der Familie Rhizobiaceae einzugehen. Im Zuge dieser Symbiose werden von den bakteriellen Mikrosymbionten sogenannte Wurzelknöllchen (Abbildung 1 und 2) an den Pflanzenwurzeln erzeugt und anschließend besiedelt. Die Bakterien differenzieren hierbei zu intrazellulären Symbiosomen und sind so in der Lage, molekularen Stickstoff aus der Luft in Ammonium zu überführen und der Pflanze zur Verfügung zu stellen. Zur Durchführung der sehr energieaufwändigen biologischen Stickstofffixierung werden die Bakterien mit KohlenstoffVerbindungen versorgt, die letztlich aus der pflanzlichen Photosynthese stammen. Aus ökologischer Sicht ist die biologische Stickstofffixierung besonders vorteilhaft, da sie ein Wachstum von Leguminosen ohne zusätzliche Stickstoffdüngung erlaubt. Die industrielle Produktion von "Kunstdünger" trägt durch die Verbrennung von fossilen Rohstoffen zum Treibhauseffekt bei und eine unsachgemäße Anwendung von Nitratdüngern kann zur Auswaschung ins Grundwasser sowie einer nachfolgenden Eutrophierung von Gewässern führen. Neben der Wurzelknöllchensymbiose können Leguminosen wie fast alle Landpflanzen noch eine zweite Interaktion mit Boden-Mikroorganismen eingehen. Hierbei handelt es sich um die arbuskuläre Mykorrhiza (AM; Abbildung 1 und 2). Im Zuge dieser Symbiose besiedeln Hyphen von Glomeromycota Pilzen den Wurzelkortex und wachsen dort als interzelluläre Hyphen. Die charakteristische Symbiosestruktur ist das sogenannte Arbuskel, eine stark verzweigte Endstruktur von Seitenästen der intraradikalen Abbildung 2: Reifes, stickstofffixierendes Wurzelknöllchen und arbuskuläre Mykorrhiza der ModellLeguminose Medicago truncatula Hyphen, die eine komplette Kortexzelle ausfüllt. Arbuskelstrukturen finden sich bereits in über 400 Millionen Jahre alten Versteinerungen. An den Arbuskeln kommt er zum Stoffaustausch zwischen den Symbionten: während die Mykorrhizapilze vor allem Phosphate, aber auch Wasser und Mineralien aus dem Boden ausserhalb des unmittelbaren Wurzelbereichs in die pflanzlichen Zellen abgeben, versorgt die Wirtspflanze die obligat biotrophen Pilze mit Zuckern. Die effiziente Versorgung mit Phosphaten ist vermutlich der entscheidende Schritt bei der Evolution der Landpflanzen vor mehr als 400 Millionen Jahren gewesen, da lösliches Phosphat in terrestrischen Habitaten stark limitiert ist. Durch die optimierte Phosphat- und Nährstoffversorgung weisen viele Pflanzen einen deutlichen Mykorrhizaeffekt auf, der sich in einem stärkeren Wuchs unter mykorrhizierten Bedingungen niederschlägt. Auch die passive Resistenz gegen biotische und abiotische Stressfaktoren wird durch eine effiziente Mykorrhizierung verbessert, so dass auch die arbuskuläre Mykorrhiza von großer Bedeutung für die Landwirtschaft ist. Sowohl die Knöllchensymbiose als auch die arbuskuläre Mykorrhiza weisen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. So kommt es in beiden Fällen zu einer intraradikalen Besiedlung von Pflanzenwurzeln durch Mikroorganismen, es werden in beiden Fällen Photosyntheseprodukte zur Versorgung der Mikrosymbionten von der Pflanze zur Verfügung gestellt und die Mikroorganismen übernehmen in beiden Fällen einen Teil der Nährstoffversorgung der Pflanze. Neben diesen funktionellen Aspekten gibt es auch auf genetischer Ebene interessante Gemeinsamkeiten zwischen beiden Interaktionen. So sind einige pflanzliche Mutanten weder in der Lage, Wurzelknöllchen auszubilden, noch kann eine arbuskuläre Mykorrhiza eingegangen werden. Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass diese Mutanten in einer gemeinsamen Signaltransduktionskette gestört sind, die bakterielle (Nod-Faktoren) und pilzliche Signalfaktoren (Myc-Faktoren) wahrnimmt und so erst eine Besiedlung der Wurzeln erlaubt. Es wird vermutet, dass die Evolution der Wurzelknöllchenbildung in Leguminosen vor ca. 65 Millionen Jahren durch den Rückgriff auf das sehr viel ältere genetische Programm, das in der frühen AM angeschaltet wird, möglich wurde. In Deutschland wurde die molekulare Erforschung der Mykorrhizasymbiosen bis zum Jahr 2007 durch das DFG-Schwerpunktprogramm "MolMyk: Molekulare Grundlagen der Mykorrhiza Symbiosen" (SPP1212) gefördert. Im Rahmen dieses Projekts haben wir begonnen, solche Gene zu identifizieren, die für die Mykorrhizasymbiose der Modell-Leguminose Medicago truncatula wichtig sind. Dies geschah auf zwei Ebenen: Zunächst wurden gezielt nur solche Gene sequenziert, die in mykorrhizierten Wurzeln aktiv sind. Hierfür haben wir mRNAs aus mykorrhizierten Wurzeln isoliert, cDNA-Genbibliotheken angelegt und anschließend sequenziert und annotiert. So konnten wir mehr als 4.000 Gene identifizieren, die in mykorrhizierten Wurzeln aktiv sind. Schätzungsweise sind dies 10% der Gene von M. truncatula. Im Anschluss daran haben wir cDNAund Oligonukleotid-Mikroarrays konstruiert, die mehr als 12.000 M. truncatula Gene repräsentieren. Unter Nutzung der Genomforschungs-Plattform und der angewandten Bioinformatik des Centrums für Biotechnologie der Universität Bielefeld konnten wir durch Mikroarray-Hybridisierungen einige hundert M. truncatula Gene identifizieren, die als Markergene für die arbuskuläre Mykorrhiza angesehen werden können, da sie entweder spezifisch oder sehr stark mykorrhiza-induziert exprimiert werden. Viele dieser Gene kodieren Proteine, die entweder an der Ausbildung der Symbiosestruktur "Arbuskel" beteiligt oder die Kandidaten für Signaltransduktionsprozesse und Regulatoren darstellen. Durch Kooperationen mit Projektpartnern der EU-Projekte MEDICAGO und GRAIN LEGUMES haben wir in den letzten Jahren eine webbasierte Transkriptom-Datenbank aufgebaut, welche die Genexpression von Medicago truncatula in symbiontischen, aber auch in verschiedenen phytopathogenen Interaktionen sowie in oberirdischen Geweben widerspiegelt. Durch den Vergleich von Genexpressionsprofilen unter verschiedenen symbiontischen und nicht-symbiontischen Bedingungen konnten wir das Set an mykorrhizaspezifischen Genen weiter vervollkommnen. Unsere aktuellen Schwerpunkte liegen in der Etablierung von genomweiten Genexpressionsprofilen durch Affymetrix GeneChips, wobei hier zunehmend durch Laser Capture Microdissection gewonnene zell- oder regionenspezifische Genexpressionsprofile der arbuskulären Mykorrhiza von Bedeutung sind. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass Expressionsdaten auf Basis gemischter Zellpopulationen keine Aussage über den Expressionsort differenziell exprimierter Gene liefern können. Der zweite Schwerpunkt unserer Arbeiten liegt in der transkriptionellen Analyse der frühen Signalerkennung zwischen Makro- und Mikrosymbiont in der arbuskulären Mykorrhiza. Besonders interessant und weitgehend unverstanden sind hier die Signaltransduktionsprozesse, welche eine erfolgreiche Infektion der Wurzel durch pilzliche Symbionten vermitteln. In Analogie zur Infektion von Wurzelhaaren durch symbiontische, stickstofffixierende Bakterien im Rahmen der Wurzelknöllchen-Symbiose setzen wir hier unter anderem auf die vergleichende transkriptionelle Analyse von Wildtyppflanzen und Mutanten, die an charakteristischen Schaltpunkten des Infektionsprozesses gestört sind. Aufbauend auf den Ergebnissen der Transkriptomstudien untersuchen wir die Promotoren mykorrhizarelevanter Gene und analysieren die symbiontischen Phänotypen von TransposonMutanten und RNAi-Linien, um die konkrete biologische Funktion von Genen zu identifizieren, die in verschiedenen Phasen der arbuskulären Mykorrhiza aktiv sind. Insgesamt erwarten wir uns von unseren Experimenten neue Erkenntnisse zur Umprogrammierung eukaryontische Zellen, die mit einer Besiedlung durch symbiontische Mikroorganismen einhergeht und die intrazelluläre Beherbergung symbiontischer Mikroben erst ermöglicht. Neben diesen unmittelbaren Erkenntnissen in Bezug auf pflanzliche Symbiosen können so möglicherweise aber auch generelle Mechanismen der Besiedlung eukaryontischer Zellen durch Mikroorganismen identifiziert werden, die vor allem für das Verständnis pathogener Interaktionen eine Rolle spielen.