Fachinformation 50 (02/14) | Molekulare Onkologie

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Fachinformation 50 (02/14) | Molekulare Onkologie
Update: Molekulare Marker für die Diagnostik
von Myeloproliferativen Neoplasien (MPN)
[D45, D47.1, D47.3, D47.4]
OMIM-Nummer: 608232 (CML), 151410 (BCR-ABL1),
263300 (PV), 147796 (JAK2), 614521 (ET), 147796
(JAK2), 159530 (MPL), 109091 (CALR), 254450 (PMF),
147796 (JAK2), 159530 (MPL), 109091 (CALR)
Dipl.-Ing. (FH) Tanja Hinrichsen
Wissenschaftlicher Hintergrund
Die häufigsten Erscheinungsformen von MPN sind
- Chronische myeloische Leukämie (CML)
- Polyzythämia vera (PV)
- Essentielle Thrombozythämie (ET) und
- Primäre Myelofibrose (PMF),
deren Gemeinsamkeit eine gesteigerte klonale und
autonome Proliferation hämatopoetischer Stammzellen, insbesondere im Knochenmark ist. Dabei werden
funktionstüchtige, reife Blutzellen einer oder mehrerer myeloider Zellreihen gebildet. Während des Krankheitsverlaufs ist nicht selten ein phänotypischer
Wandel der Erkrankung zu beobachten, was letztlich
auch in einer akuten Leukämie enden kann.
Für die sichere Abgrenzung der CML zu anderen MPN
wird seit vielen Jahren der zytogenetische Nachweis
der Philadelphia-Translokation t(9;22)(q34;q11.2)
bzw. der molekulargenetische Nachweis des BCRABL1-Fusionstranskripts eingesetzt. Die BCR-ABL1negativen MPNs können wiederum durch folgende
molekulare Marker von anderen Neoplasien abgegrenzt werden:
Janus-Kinase 2 (JAK2)-V617F-Mutation, JAK2-Exon
12-Mutationen
Laut Klassifikation der WHO (2008) für BCR-ABL1negative MPN gehört das Vorliegen einer JAK2-V617FMutation bzw. einer Mutation im JAK2-Exon 12 zu den
Hauptkriterien für die Diagnose einer MPN. Bei der
JAK2-V617F-Mutation kommt es zu einer Substitution
von Valin durch Phenylalanin an Aminosäureposition
617 des JAK2-Polypeptids, was zu einer dysregulierten
Kinaseaktiviät führt. Bei den JAK2-Exon 12-Mutationen handelt es sich um verschiedene somatische
Missense-, Deletions- oder Insertionsmutationen (z.B.
K539L, N542-E543del, F537-K539delinsL, H538Q,
K539L, R541-E543delinsK, H538-K539delinsL, E543D544del), bei denen die Aminosäuren in Position 538543 involviert sind. Es wird vermutet, dass Mutationen im Exon 12 des JAK2-Gens zu einer veränderten
JAK2-Signaltransduktion führen. Die JAK2-V617FMutation kann bei nahezu allen Patienten mit PV
nachgewiesen werden und ist zudem bei ca. 50-60%
der Patienten mit ET bzw. mit PMF detektierbar. Bei
JAK2-V617F-negativen Patienten mit PV oder idiopathischer Erythrozytose ist meist eine JAK2-Exon 12Mutation nachzuweisen [2 - 6].
Mutationen im Myeloproliferative Leukemia Virus
Onkogen (MPL)
Die Mutationen W515L, W515K und W515A im MPLGen (codiert für den Thrombopoetin-Rezeptor) kommen etwa in 5-10% der JAK2-V617F-negativen Fälle
mit ET bzw. PMF vor. Bisher bekannte Mutationen im
MPL-Gen führen zu einem Aminosäureaustausch von
Tryptophan nach Leucin (W515L), Lysin (W515K) oder
Alanin (W515A) und somit zu einer konstitutiven
Aktivierung des JAK-STAT-Signalweges. Eine weitere
Mutation (MPL-S505N) ist im Zusammenhang mit
familiärer ET beschrieben. Es können auch andere,
seltenere MPL-Varianten (A506T, A519T, L510P)
gefunden werden [7 - 9].
Mutationen im Calreticulin-Gen (CALR)
CALR codiert für ein endoplasmatisches Retikulum
Ca2+-bindendes Chaperon. Mutationen im CALR-Gen
finden sich in ca. 70-80% der Patienten mit ET oder
PMF, die keine Mutationen im JAK2- bzw. MPL-Gen
aufweisen. Dabei handelt es sich um verschiedene
somatische Deletions- bzw. Insertionsmutationen
(häufigste: L367fs*46 und K385fs*47) in Exon 9 des
CALR-Gens, die zu einem Frameshift und somit zu
einem spezifischen, alternativen Leserahmen führen.
Vermutlich kommt es so zu einer Aktivierung des JAKSTAT-Signalweges. CALR-Mutationen finden sich nicht
bei Patienten mit PV [10,11]. ET-Patienten mit CALRMutationen sind im Vergleich zu JAK2-V617F- bzw.
MPL-mutationspositiven ET-Patienten jünger, haben
eine deutlich erhöhte Thrombozytenzahl, niedrigeres
Hämoglobin, verminderte Leukozytenzahlen sowie
ein geringes Thromboserisiko [12,13].
Expression des Polycythämia rubra vera-1 (PRV-1)Gens
Eine PRV-1-Überexpression wird in ca. 70-80% der
Patienten mit PV, in ca. 20-50% der Patienten mit ET
und in ca. 50% der Patienten mit PMF beobachtet. Die
PRV-1-Überexpression korreliert hierbei mit dem
Auftreten von EPO-unabhängigen, erythroiden
Kolonien und ist daher langfristig mit der Ausbildung
einer PV assoziiert [14].
Hinweis
Im Zusammenhang mit MPN sind ebenfalls Mutationen in den Genen TET2, EZH2, ASXL1 und CBL
beschrieben, die in Zusammenhang mit Mutationen in
JAK2, MPL und CALR auftreten können.
Bei Erstdiagnose einer PV, ET oder PMF kann ein veränderter Karyotyp nachgewiesen werden. Spezifische
zytogenetische Veränderungen sind in diesem
Zusammenhang jedoch nicht beschrieben. Zu den
häufigsten zytogenetischen Veränderungen zählen
numerische Aberrationen der Chromsomen 1, 8 und
9, Deletionen der Chromsomen 5q, 13q und 20q
sowie Zugewinne von Chromsom 9p15 Aus diesem
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Grund erscheint eine zytogenetische bzw. molekularzytogenetische Analyse ebenfalls sinnvoll.
Indikation
Verdacht auf Myeloproliferative Neoplasie (PV, ET,
PMF)
Anforderung/Versand
Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben
Ausnahmekennziffer: 32012
Diagnose: MPN (ICD-10 Code: [D47.1]), Polyzythämia
vera (ICD-10 Code: [D45]), Essentielle Thrombozythämie (ICD-10 Code: [D47.3]), Primäre Myelofibrose
(ICD-10 Code: [D47.4])
Auftrag: JAK2-V617F-Mutation, JAK2-Exon12Mutationen, MPL-W515-Mutation, CALR-Exon9 –
Mutationen, PRV1-Expression humangenetisches
Gutachten
Material
5-10 ml EDTA-Blut
Methode
Mutationanalysen:
Aus dem eingesandten Probenmaterial werden
mittels Magnet-Beads Granulozyten angereichert,
DNA extrahiert und Exon 12 und 14 des JAK2-Gens,
Exon 10 des MPL-Gens sowie Exon 9 des CALR-Gens
mittels PCR amplifiziert und sequenziert. Der
Sequenzabgleich und die Verifikation von
Polymorphismen und Mutationen erfolgt mit Hilfe der
EMBL- und NCBI-Datenbanken (GenBank, dbSNP).
Expression des PRV-1-Gens:
Aus dem eingesandten Probenmaterial werden
mittels Magnet-Beads Granulozyten angereichert,
Gesamt-RNA extrahiert und die RNA durch quantitative RT-PCR auf die Expression des PRV-1-Gens untersucht. Als Referenz für die relative Quantifizierung der
PRV-1-Transkripte dient die Expression von Glycerinaldehyd-3-Phosphatdehydrogenase (GAPDH).
Dauer der Untersuchung
5-7 Werktage
Literatur
[1] WHO Classification of Tumours of Haematopoietic
and Lymphoid Tissues (2008)
[2] Tefferi et al, Leukemia, 22:14 (2008)
[3] Pietra et al, Blood 111:1686 (2008)
[4] Li et al, Blood 111:3863 (2008)
[5] Scott et al, NEJM 356:459 (2007)
[6] Williams et al, Exp Hematol. 35:1641 (2007)
[7] Koppikar et al, Acta Haematol, 119:218 (2008)
[8] Kilpivaara et al, Leukemia, 22:P106 (2008)
[9] Chaligne et al, Leukemia 22: 1557 (2008)
[10] Klampfl et al, NEJM 369(25):2379 (2013)
[11] Nangalia et al, NEJM 369(25):2391 (2013)
[12] Rumi et al, Blood 121(21):4388 (2013)
[13] Rotunno et al, Blood, Epub ahead of print (2013)
[14] Sirhan et al, Haematologica, 90: 406 (2005)
[15] Kralovics, Leukemia, 22:1841 (2008)
BCR-ABL1-negave MPN
ET
PV
PMF
50%
5%
60%
JAK2-Exon 12-Mutaon
10%
35%
95%
5%
JAK2-V617F
25%
MPL-W515
CALR-Exon 9-Mutaon
JAK-STAT-Pathway
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