Molekulare und chemische Dynamik in flüssiger Phase Experimente und Modelle 5. Vorlesung 11.11.2008 Quantenmechanik II Harmonischer Oszillator, Schwingungsspektren Peter Gilch Lehrstuhl für BioMolekulare Optik Fakultät für Physik Ludwig-Maximilians-Universität München Nachtrag: Dichtematix und zeitabhängige Störungen Wir wollen mittels des Dichtematrix-Formalismus den Absorptionsprozess im 2-Niveau-System beschreiben. Der Absorptionsprozess kann mit einer zeitabhängige Störung V(t) beschrieben werden. Wir gehen von einem monochromatischen Lichtfeld aus, das wir klassisch behandeln. Ea Eb Das System wechselwirkt über das elektrische oder magnetische Dipolmoment mit dem elektrischen und magnetischen Feld. Wir nehmen an, dass die Basiszustände Φa und Φb keine Dipolmomente haben. Der zeitabhängige HamiltonOperator nimmt dann folgende Form an: Die Liouville-Gl. i d ρˆ (t ) = − [ Hˆ 0 , ρˆ (t )] (zunächst noch ohne Störung und h dt Relaxation) lautet: Mit der Lösung: Wir „bauen“ die Phasenfaktoren in die Variablen ein: Die Liouville-Gl. dρ11 dt dρ 22 dt dρ~12 dt dρ~21 dt i d ρˆ (t ) = − [ Hˆ , ρˆ (t )] (mit Störung) lautet: h dt i = − E0 cos ωt ( µ12 e −iωt ρ~21 − µ 21eiωt ρ~12 ) h i = − E0 cos ωt ( µ 21e −iωt ρ~12 − µ12 e iωt ρ~21 ) h i = −iηρ~12 − E0 cos ωte −iωt µ12 ( ρ 22 − ρ11 ) h i = iηρ~12 − E0 cos ωte −iωt µ 21 ( ρ11 − ρ 22 ) h Wir benutzen die „Rotating Frame Approximation“ Jetzt berücksichtigen wir longitudinale und transversale Relaxation: Und erhalten die optischen Bloch-Gleichungen … dρ z E 0 µ ~ = ρ y − k r ( ρ z − ρ z ,eq ) dt h dρ~x = −ηρ~y − k d ρ~x dt dρ~y E0 µ ~ = ηρ x − ρ z − k d ρ~y dt h Von der Bloch-Gleichung zum Spektrum Ea Eb Wir betrachten ein 2-Niveau-System, das kontinuierlich mit monochromat. Licht bestrahlt wird. Es stellt sich ein stationärer Zustand ein, bei dem mit konstanter Rate EM-Feldenergie in Wärme umgewandelt wird. Wie groß ist diese Rate, wie ist Ihre Frequenz-Abhängigkeit? Stationaritätsbedingung für Bloch-Gl.: dρ z E 0 µ ~ ρ y − k r ( ρ z − ρ z ,eq ) = dt h dρ~x = −ηρ~y − k d ρ~x dt dρ~y Eµ = ηρ~x − 0 ρ z − k d ρ~y dt h … liefert Lorentz-Funktion: Absorbierte Leistung 20 15 10 5 0 0 1 2 3 4 5 Frequenz ω Das nächste Spielzeugsystem: Der harmonische Oszillator Der klassische und der quantenmechanische harmonische Oszillator ist in der Molekülphysik omnipräsent. Beispiele Schwingungsspektroskopie Elektrontransfer-Theorie Infrarot Raman Aus W.W. Coblentz (1905) Investigations of Infrared Spectra Thermische Bäder Strahlungsfeld Abschätzung zur harmonischen Näherung für die Kernbewegung in Molekülen Bei einem (stabilen) Molekül resultiert aus jeder Auslenkung ∆ri der Atomkerne eine rücktreibende Kraft. Vornehmer: Ein Molekül ist ein (lokales) Minimum auf einer Born-Oppenheimer (BO) Hyperfläche. Die Kraft kann daher über das Hooksche Gesetz genähert werden das Potenzial über eine Parabel Für ∆ ri gegen null ist die Parabel sicher eine gute Näherung, wie es bei typischen Auslenkungen aus? Betrachten wir dazu ein zweiatomiges Molekül, z.B. HCl. Dessen BO-“Fläche“ ist eine Kurve, die sich mit dem Morse-Potenzial nähern lässt. De Dissoziationsenergie, k harmonische Kraftkonstante 40000 Anharmonizität ist 35000 -1 Energie E [cm ] 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 0 1 2 3 4 5 Abstand HCl r [A] Situation ist bei polyatomaren Molekülen noch „günstiger“, da bei der Auslenkung eines Atoms mehrere Bindungen rücktreibend wirken. 4000 -1 Energie E [cm ] 3000 2000 1000 0 1.15 1.20 1.25 1.30 Abstand HCl r [A] 1.35 1.40 Habil. Peter Gilch 2004 Zeitunabhängige Schrödinger-Gl. des harmonischen Oszillators Wir betrachten ein zweiatomiges Molekül, das durch die die Massen m1 und m2 der beiden Atome, eines Gleichgewichtsabstandes x0 und einer Kraftkonstante k charakterisiert sei. Im Folgenden legen wir den Ursprung der Ortskoordinate auf den Gleichgewichtsabstand, d.h. x0 = 0. Die zeitunabhängige Schrödinger-Gl. für dieses Problem lautet: Mit dimensionslosen Orts- und Impulsoperatoren (ω ist klassische Eigenfrequenz) Lösung (Eigenwerte und -funktionen). Die Eigenfunktionen bilden (wie immer) eine ONB. Hn : Hermitsche Polynome, einige Beispiele Nn : Normierungsfaktor Typische Werte für ω und k Einige Eigenschaften der Lösungen - Energie-Niveaus äquidistant - Nullpunktsenergie - Zahl der Knoten steigt mit der Quantenzahl n - Verhalten wird mit n „klassischer“ - Parität wechselt ab - Erwartungswerte für die Ortskoordinate x Wie groß ist eine typische Auslenkung für n=1? http://www.pci.tu-bs.de/aggericke/PC3/Kap_III/Oszi_3.gif Harmonischer Oszillator und die zeitabhängige Schrödinger-Gl. Wir untersuchen die Zeitentwicklung eines Zustandes χ(x,t), der kein Eigenzustand des harmonischen Oszillators ist. Dieser Zustand kann in der ONB der Eigenfunktionen dargestellt werden: Für die zeitabhängigen Entwicklungskoeffizienten cn(t) gilt: Für alle Koeffizienten gilt: Die Wellenfunktion ist periodisch mit T=2π/ω! Wir betrachten den wichtigen Spezialfall, bei dem die Funktion χ(x,t=0) durch eine verschobene Gauß-Funktion gegeben ist: χ ( x, t = 0) = Die Lösung lautet: χ ( x, t ) = Mit: α −(1/ 2 )α e π 2 α −(1/ 2 )α e π 2 ( x − x0 ) 2 [ x − x ( t )]2 + ( i / h ) p ( t )[ x − (1 / 2 ) x ( t )] Vergleich mit klassischer Schwingung Zeitentwicklung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit: Wellenpakete und Femtosekunden-Spektroskopie Die kohärente Überlagerung von Schwingungswellenfunktionen stellen ein Wellenpaket dar. Ein Wellenpaket lässt sich durch elektronische Anregung eines Moleküls (S0 →S1) mit einem kurzem Laserimpuls präparieren. Im Zustand S1 sei die Kraftkonstante k unverändert, aber der GGW-Abstand x0 größer. S 1 S0 Präparation über chemische Reaktion T. Kühne, P. Vöhringer, J. Chem. Phys. 105 (1996) 10788 Schwingungen in polyatomaren Molekülen – Normalmoden Ein nicht-lineares Molekül mit N Atomen besitzt 3N-6 innere Freiheitsgrade. Die potenzielle Energie hängt in der harmonischen Näherung wie folgt von diesen Freiheitsgraden ab (wir legen wieder den Ursprung auf die GGWGeometrie): Definition der Krafkonstante kij Klassische Bewegungsgleichung Massegewichtete Größen Matrix-Darstellung System von gekoppelten Differentialgleichungen. Es kann wieder durch Diagonalisierung mit Hilfe einer Matrix T aus Eigenvektoren gelösten werden. Man erhält 3N-6 unabhängige harmonische Oszillatoren Jeder Oszillator wird dann getrennt quantenmechanisch behandelt. Die Gesamtwellenfunktion für die Schwingungen ergibt sich als Produkt. Die Eigenvektoren bezeichnet man als Normalmoden. Die zugehörigen Bewegungen der Atome berechnen sich aus: Beispiele: Normalmoden von H2O und CO2 Matrixelemente und Auf- und Absteigeoperatoren Bei der Behandlung von Schwingungsspektren und der Schwingungsrelaxation sind Matrixelemente der Form von großer Bedeutung (Dipolmoment!) In der harmonischen Näherung lassen sich diese Matrixelemente nach Einführung von Auf- und Absteigeoperatoren besonders leicht berechnen. Wirkung dieser Operatoren (|n> = χn) Ins Matrixelement eingesetzt: {|n>} ist ONB Damit gilt für einen Dipolübergang (~ |<n|x|n´>|2): Experimentelle Methoden der Schwingungsspektroskopie Fluoreszenz- und Absorptionspektroskopie Raman-Spektroskopie IR-Spektroskopie Wellenpakete und Fourier-Transformation Schwingungsdaten aus Absorption- und Emissionsspektren In der Absorption- und Emissionsspektroskopie im UV/Vis-Bereich beobachtet man Übergänge zwischen elektronischen Zuständen. Bei diesen Übergängen kann sich auch der Schwingungszustand eines Moleküls ändern. Man spricht von vibronischen (= vibratorischen + elektronischen) Übergängen. Wir gehen davon aus, dass im Ausgangszustand nur der vibratorische Grundzustand besetzt ist. Absorption liefert Daten über Emission liefert Daten über S1 S1 S0 S0 Die Intensität eines vibronischen Übergangs hängt vom Franck-Condon-Faktor ab: Harmonische Näherung und gleiche Kraftkonstanten in S0 und S1: Da in einem Molekül nicht alle Moden FC-aktiv sind, liefern Absorption- und Fluoreszenz-Spektren nur begrenzte Informationen. Zudem kommt es in Lösung zu homogen und inhomogen Verbreiterungen. Absorptionsspektren von Benzol Man beobachtet eine so genannte Schwingungsprogression mit der Differenzfrequenz Warum sind Linienbreiten bei vibronischen Übergängen größer als bei reinen Schwingungsübergängen? Aus “Molekülphysik und Quantenchemie” H. Haken, H.C. Wolff IR-Spektroskopie Unter IR-Spektroskopie versteht die Absorptionsspektroskopie im Spektralbereich des mittleren Infraroten (ca. 400 – 3500 cm-1). Man induziert direkt Übergänge zwischen Schwingungsniveaus (meist bei n=0 beginnend). In der IR-Spektroskopie wird meist Interferogramm gemessen, aus dem man durch Fouriertransformation ein Spektrum erhält (FTIR). Für den Extinktionskoeffizient einer IR-Bande gilt (Dipolmoment µ): Beispiel CO2 IR-aktiv? http://www.ir-spektroskopie.de/ Raman-Spektroskopie Gestreute Lichtintenstität In der Raman-Spektroskopie beobachtet das an Molekülen inelastisch gestreute Licht. Frequenz ω Die Frequenz des „Primärlichtes“ liegt im NIR- bis UV-Bereich. Die Intensität des gestreuten Lichtes ist proportional zu (Polarisierbarkeit α): Beispiel CO2 Raman-aktiv? Für centro-symmetrische Moleküle (nur für diese!) gilt ein Ausschlussprinzip: IR aktiv ↔ Raman inaktiv und IR inaktiv ↔ Raman aktiv. Polarisation liefert zusätzliche Information: Depolarisationsverhältnis liefert Informationen über Symmetrie der Schwingung (hängt von Detektionsgeometrie ab) Was schwingt wo im Spektrum? Ein Beispiel OH O H H H H O N + O Raman/IR Atlas of Organic Compounds, B. Schrader, W. Meier, Verlag Chemie 1974 Jenseits der harmonischen Näherung: Anharmonizitäten Die harmonische Näherung ist der Anfangspunkt bei der Beschreibung molekularer Schwingung. Sie ist aber nicht immer der Endpunkt. Viele Phänomene lassen sich nicht im Rahmen der harmonischen Näherung beschreiben, z.B: Ober- und Kombinationstöne Fermi-Resonanzen H 20 S. Il Nam et al. Bull. Korean Chem. Soc. 22 (2001) 989 http://www.lsbu.ac.uk/water/vibrat.html#r130 Umverteilung von Schwingungsenergie Behandlung von Anharmonizitäten Man entwickelt wieder das Potenzial um die Gleichgewichtslage, bricht aber nicht nach dem zweiten Term ab: Meist werden Terme bis zur vierten Ordnung berücksichtigt. Für die Energien ergibt sich dann (n1, n2,.. sind die Quantenzahlen der Moden): Xij sind die Anharmonizitätskonstanten Xii diagonale Anharmonizität (am Beispiel des Morse-Potenzials) Xij außerdiagonale Anharmonizität Besetzung der Mode j beeinflusst die Frequenz der Mode i. Wichtig für der Verständnis von Temperatur-Effekten! Wegen der Nullpunktamplitude „sehen“ die Kerne auch bei T= 0 K ein anharmonisches Potenzial. Auch Nullpunktenergien werden von Anharmonizitäten verändert. http://www.consol.ca/downloads/MathCad/Morse.pdf Anharmonizität und 2-Niveau-System: Fermi-Resonanzen IR Absorption In einem polyatomaren Molekül kann es passieren, dass zufällig die Energie einer fundamentalen Anregung mit der eines Obertons zusammenfällt. Ohne Anharmonizität Mit Anharmonizität Frequenz ω Diese Aufspaltung bezeichnet man als Fermiresonanz. Sie liefert direkte Informationen über Anharmonizitäten. Ist die Energie der fundamentalen Anregung oder des Obertons abhängig vom Lösungsmittel, dann kann die Fermi-Resonanz durch das Lösungsmittel „an- und abgeschaltet“ werden. Ausblick: Anharmonizitäten und Energiefluss Bei der Erhaltung der Normalmoden wurde die Kraftkonstanten Matrix diagonalisiert. Dies bedeutet, dass die Normalmoden von einander völlig unabhängig sind. Es findet demnach auch kein Energiefluss zwischen den Moden statt. Energiefluss ist demnach ein anharmonischer Effekt! Beispiel: Energiefluss in CCl2CH2 Ingmar Hartl, Dissertation 1999 Reader