Fallstudie zur Apfeltriebsucht in einer biologisch bewirtschafteten

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3/2011
Fallstudie zur Apfeltriebsucht in einer
biologisch bewirtschafteten Apfelanlage
Thomas Letschka, Sabine Öttl, Sanja Baric, Versuchszentrum Laimburg,
Ulrich Kiem, Beratungsring
Besonders in biologisch bewirtschafteten Anlagen stellt die Kontrolle der Apfeltriebsucht die Landwirte vor eine große Herausforderung. Die insgesamt rückläufigen Befallsraten in den letzten Jahren
geben jedoch Grund zu vorsichtigem Optimismus. Im folgenden
Artikel wird eine Fallstudie zum Befallsverlauf in einer stark betroffenen Anlage beschrieben.
Zur untersuchten
Apfelanlage
Objekt der Fallstudie ist eine 2002 erstellte, biologisch bewirtschaftete Apfelanlage der Sorte Golden Delicious
auf M9. Die 1.057 Bäume stehen
im Pflanzabstand von 3,3 m x 1,1 m.
Die Anlage befindet sich in Oberplars
(Algund) und somit in einem Gebiet
mit besonders hohen ApfeltriebsuchtBefallsraten.
Die Ausprägung der Apfeltriebsucht-
Symptome an den Bäumen wurde
von 2006 bis 2010 genau erfasst. Im
ersten Jahr der Beobachtungen, als
Südtirol-weit über eine halbe Million
an Apfeltriebsucht erkrankte Bäume
gerodet wurden, lag die Infektionsrate in der Anlage bei 4,8%. Im darauf
folgenden Jahr hingegen wurde eine
dreimal höhere Anzahl an Bäumen
mit spezifischen Krankheitssymptomen gezählt. Der Anteil der Bäume,
die zum ersten Mal eindeutige Apfeltriebsucht-Symptome aufwiesen, er-
reichte mit 14,4% seinen Höhepunkt.
In den Jahren 2008 und 2009 waren
jeweils rund 3% der Bäume von der
Krankheit betroffen, während die Infektionsrate im Jahr 2010 auf 1,5%
fiel (siehe Tabelle).
Die erhebliche Abnahme der Neuinfektionen in den letzten Jahren kann
u.a. auf die gewissenhafte Ausführung
sämtlicher empfohlenen Maßnahmen
zur Eindämmung dieser Krankheit zurückgeführt werden. Sowohl die Bekämpfung der Überträgerinsekten als
auch die konsequente Rodung aller
erkrankten Bäume erfolgten vorbildlich.
Verglichen mit den Auszählungsergebnissen im Burggrafenamt waren
die Infektionsraten in dieser Anlage
immer deutlich höher (siehe Tabelle).
Eine Ursache für die höheren Befallsraten während der letzten drei Jahre
könnte der erhöhte Infektionsdruck
durch eine unbewirtschaftete Nachbaranlage gewesen sein.
Diese Anlage ist seit einigen Jahren
aufgelassen und wurde erst im Herbst
2010 gerodet. Ein erhöhter Befallsdruck in der näheren Umgebung
zeigte sich durch erhöhte Befallszahlen und vermehrte Vektorenpräsenz
in den benachbarten Anlagen. So
wurden in den vergangenen vier Jahren in diesem Gebiet in Ertragsanlagen zwischen Anfang und Mitte Mai
immer noch Sommerapfelblattsauger
in den Gelbfallen oder den Klopfproben gefunden.
Laboruntersuchungen
Aufgrund des besonders hohen Anteils an symptomatischen Bäumen im
79
Jahr 2007 wurde die Anlage in Oberplars für Untersuchungen im Rahmen
des Schwerpunktprojekts Apfeltriebsucht, das am Versuchszentrum Laimburg durchgeführt wird, ausgewählt
(siehe obstbau*weinbau 7‑8/2009, S.
272-277). An drei Terminen wurden
insgesamt 36 Bäume beprobt und im
Molekularbiologischen Labor auf das
Vorhandensein des Phytoplasmas in
den Wurzeln untersucht. Von diesen
Bäumen wiesen 18 Bäume eindeutige Apfeltriebsucht-Symptome auf
und waren erwartungsgemäß auch
mit dem Erreger befallen. Als Kontrolle wurde in der Nähe eines jeden
symptomatischen Apfelbaumes ein
weiterer, bei der visuellen Bonitur als
gesund eingestufter Baum, beprobt.
Bei keinem dieser 18 optisch gesunden Nachbarbäume wurde das Phytoplasma diagnostiziert, sodass latente
Infektionen ausgeschlossen werden
konnten. Weitere Analysen zur näheren Charakterisierung des Erregers
ergaben, dass alle infizierten Bäume
dieser Anlage mit dem Typ AT-2 befallen waren, also jenem Stamm, der
sich seit 2006 in ganz Südtirol ausgebreitet hat (obstbau*weinbau 2/2010,
S. 70-73).
Trotz der konsequenten Durchführung
der Maßnahmen zur Eindämmung der
Apfeltriebsucht kamen in der Anlage
jedes Jahr neue Bäume mit Symptomen der Apfeltriebsucht auf. Als Ursache dafür kamen entweder anhaltende Neuinfektionen in Frage oder es
konnte angenommen werden, dass
die Bäume latente Infektionen aufweisen. Das bedeutet, dass diese bereits
in der Vergangenheit infiziert worden
sind, die Symptome sich aber erst
Jahre später zeigen. Dieses Phänomen wurde bereits durch die Untersuchungen in einer anderen Junganlage belegt, in welcher durch real-time
PCR-Analysen eine latente Infektionsrate von 10,5% festgestellt wurde. Die
Symptome zeigten sich erst 1,5 bis 2
Jahre nach erfolgter Infektion (siehe
Seite 77 - 78).
Um in diesem Fall einen Einblick über
die latenten Infektionsraten zu gewinnen, wurden im September 2009 über
80
Tabelle: Fünfjähriger Vergleich der Befallsquoten (%) zwischen der Modellanlage und den Ergebnissen der Befallsauswertungen SBR.
Modellanlage Algund
Ø Bioanlagen Burggrafenamt
2006
2007
2008
2009
2010
4,8
5,6
14,4
2,4
2,9
0,5
3,1
0,4
1,5
0,3
die ganze Anlage verteilt 50 symptomfreie Bäume zufällig ausgesucht
und im Molekularbiologischen Labor
auf das Vorhandensein des Phytoplasmas in den Wurzeln getestet. Das Ergebnis war, dass keiner der analysierten Bäume das Phytoplasma trug und
somit keiner der Bäume latent infiziert
war. Insgesamt wurden also rund 5%
der Bäume beprobt, sodass angenommen werden konnte, dass die latente
Infektionsrate unter diesem Prozentsatz lag. Jene Bäume, bei denen im
Rahmen der bisherigen Untersuchungen das Apfeltriebsucht-Phytoplasma
nicht nachgewiesen wurde, können
in der Folge weitere interessante Erkenntnisse über die zukünftige Entwicklung der Infektionsraten liefern.
Im November 2009 zeigten 21 Bäume in dieser Anlage eine für Apfeltriebsucht-Befall typische Rotfärbung.
Keiner dieser Bäume wurde jedoch
durch die Stichprobe im September
erfasst. Deshalb wurden alle 21 rotlaubigen Bäume beprobt und mittels
real-time PCR analysiert. Bis auf drei
konnte in sämtlichen Bäumen das
Phytoplasma nachgewiesen werden.
Damit hat sich einmal mehr erwiesen,
dass eine vollständige typische Rotfärbung bei der Sorte Golden Delicious
ein relativ eindeutiges Symptom für
Besenwuchsbefall darstellt und dass
eine zweite visuelle Bonitur nach der
Ernte erfolgen soll, um einen möglichst hohen Anteil an infizierten Bäumen frühzeitig identifizieren zu können.
Mit insgesamt 284 gerodeten Bäumen, beträgt der kumulative Befallsgrad dieser Anlage fast 27%, es wurde also von 2006 bis heute über ein
Viertel der Anlage gerodet.
Durch die konsequenten Nachpflanzungen und die optimale Pflege konnten trotz der hohen Befallsgrade vor
allem in den letzten beiden Jahren
wieder zufriedenstellende Erträge erzielt werden.
Schlussfolgerungen
Bei der Sorte Golden Delicious scheint
die typische frühzeitige Rotfärbung
der Bäume ein relativ sicheres Anzeichen für Apfeltriebsuchtbefall zu sein.
Die Beobachtungen aus dieser Anlage zeigen einmal mehr die besondere
Herausforderung, vor die biologische
bewirtschaftete Betriebe in manchen
Gebieten bei der Bekämpfung der Apfeltriebsucht gestellt wurden und immer noch werden.
Das beschriebene Beispiel zeigt aber
auch, dass im Bioanbau durch gewissenhaft durchgeführte Vektorenabwehr und – nicht weniger wichtig
– aufmerksames Beobachten, konsequentes Roden und Nachpflanzen
eine deutliche Verminderung des
Neubefalls erreicht werden kann.
Durch den hohen Befallsdruck und
die limitierten Möglichkeiten zur Vektorenabwehr ist in manchen Gebieten
im Bioanbau weiterhin mit nicht unbedeutenden Befallszahlen zu rechnen.
Davon betroffen werden vor allem ältere Anlagen sein, in denen ein gewisser Anteil an latent infizierten Bäumen
angenommen werden kann.
Die Abnahme der Vektorendichte in
den vergangenen drei Jahren und die
geringen Befallszahlen in Junganlagen
geben Grund zur Annahme, dass in
diesen Anlagen die Problematik der
Apfeltriebsucht nicht so stark zum Tragen kommen wird.
Dank
Ein Dank gilt dem Besitzer der Anlage
in Algund und Christine Kerschbamer
für die professionelle Durchführung
der Analysen im Molekularbiologischen Labor des Versuchszentrums
Laimburg.
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