Erbliche Stoffwechselstörungen M E D I K A M E N T E F Ü R M E N S C H E N Was sind erbliche Stoffwechselstörungen? Die einzelnen erblichen Stoffwechselstörungen sind zwar selten, doch insgesamt als Gruppe betrachtet treten sie relativ häufig auf. Einzelgendefekte führen zu Anomalien bei der Synthese oder dem Abbau von Proteinen, Kohlenhydraten oder Fetten. Meist sind sie auf einen Defekt in einem Enzym oder in einem Transportprotein zurückzuführen, so dass die Verstoffwechslung der betroffenen Stoffe durch den Körper beeinträchtigt ist. Durch die Ansammlung von toxischen Abbauprodukten kann es dann zu schwerwiegenden Folgen kommen. 1/4 Fast jede Stoffwechselkrankheit tritt in verschiedenen Formen auf, die sich im Manifestationsalter, in ihrem klinischen Schweregrad und häufig auch darin unterscheiden, wie sie an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Die Art der Vererbung bestimmt den Anteil von Männern zu Frauen unter den Betroffenen. Viele erbliche Stoffwechselstörungen treten in mehreren Formen auf, die sich in der Art ihrer Vererbung unterscheiden. Bei Störungen, die durch Chromosomenveränderungen verursacht werden und zu einer autosomal-dominanten oder autosomal-rezessiven Vererbung führen, beträgt das Verhältnis von Frauen zu Männern 1:1. Auch bei X-chromosomal-dominantem Erbgang beträgt es 1:1, wenn die Störung von Mutter zu Kind übertragen wird. Die Krankheiten können jedes Organ betreffen, und gewöhnlich ist mehr als ein Organ betroffen. Die Symptome sind häufig eher unspezifisch und normalerweise auf eine schwere Organfunktionsstörung oder -insuffizienz zurückzuführen. Das Spektrum der erblichen Stoffwechselstörungen reicht von akuten lebensbedrohlichen Erkrankungen bis hin zu weniger gefährlichen, degenerativen Störungen. Sie können durch Umweltfaktoren, wie z.B. die Ernährung oder andere Erkrankungen, ausgelöst oder verschlimmert werden. Wer ist von erblichen Stoffwechselstörungen betroffen? Sie können jederzeit auftreten, auch im Erwachsenenalter. In der EU wird die Inzidenz auf eine von 5000 Lebendgeburten geschätzt. Die Häufigkeit der einzelnen Stoffwechselkrankheiten schwankt je nach ethnischer Zusammensetzung der Bevölkerung, und die meisten sind sehr selten. Die Krankheiten lassen sich in Störungen des Eiweißstoffwechsels, Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels und andere einteilen. Sie manifestieren sich meist bereits unmittelbar nach der Geburt oder im frühen Säuglingsalter und schreiten oft rasch fort. Weniger schwere Varianten treten gewöhnlich erst im späteren Verlauf des Säuglingsalters oder in der Kindheit zutage und verlaufen oft episodisch. Ihre kaum merklichen neurologischen oder psychiatrischen Kennzeichen bleiben oftmals bis ins Erwachsenenalter hinein unerkannt. In dieser Übersicht ist es nicht möglich, alle diese Varianten erschöpfend zu beschreiben. Deshalb konzentriert sich die Übersicht auf Bereiche, in denen in letzter Zeit erhebliche therapeutische Fortschritte erzielt wurden. Die Pompe-Krankheit ist eine lebensbedrohliche erbliche Erkrankung, die weltweit 5.000 bis 10.000 Menschen betrifft. Die meisten betroffenen Säuglinge versterben in ihrem ersten Lebensjahr. Die Pompe-Krankheit gehört zur Kategorie der lysosomalen Speicherkrankheiten, beruht auf einem Mangel an dem Enzym saure Maltase (eine Alpha-Glucosidase) und verursacht eine schwere Muskeldegeneration, die motorische Fähigkeiten und Funktionen von Herz und Lunge in Mitleidenschaft zieht. Weitere Beispiele für lysosomale Speicherkrankheiten sind die Niemann-Pick-Krankheit vom Typ B (mit extrem niedriger Prävalenz; der Enzymdefekt liegt hier bei der sauren Sphingomyelinase) mit Milz- und Leberfunktionsstörung und Muskeldegeneration, die GaucherKrankheit, die Fabry-Krankheit sowie Mucopolysaccharidosen verschiedener Typen. N N N N G T N N N T T G T T T T N T N T G G T T T T G T G N G G G G G F Ü R Nicht betroffen Träger Gaucher-Krankheit Morbus Gaucher: Vererbungsmuster M E N S C H E N Morbus Fabry tritt Schätzungen zufolge bei 1:40.000 Geburten auf und betrifft weltweit etwa 5000 Menschen. Die Krankheit beruht auf einem Mangel des Enzyms Alpha-Galaktosidase A, der zur fortschreitenden Anhäufung von Lipiden in Niere, Herz und anderen Organen führt. Symptome sind unter anderem Niereninsuffizienz, Schlaganfall, Herzerkrankungen und Schmerzen. Die durchschnittliche Lebenserwartung für Patienten mit dieser Krankheit beträgt 50 Jahre. N M E D I K A M E N T E Etwa 1 von 60.000 Menschen leidet an der Gaucher-Krankheit. Bei Juden osteuropäischer Abstammung (Aschkenasim) leidet jedoch einer von 450 Menschen an der Erkrankung, und die Trägerrate beträgt etwa 1 von 14. Der Trägerstatus kann durch einen einfachen Bluttest festgestellt werden. Alle drei Formen des Leidens beruhen auf einem Mangel des Enzyms Glucocerebrosidase, das zum Abbau eines bestimmten Fettstoffs, des so genannten Glucocerebrosids, erforderlich ist. Diese Substanz wird vermehrt gespeichert, vor allem in bestimmten Zellen von Knochenmark, Milz und Leber. Gaucher-Zellen im Knochenmark verursachen Knochen- und Gelenkschmerzen sowie Frakturen. Die Akkumulation in Milz und Leber führt zur Vergrößerung dieser Organe sowie Anämie, häufigen Blutergüssen und Blutgerinnungsstörungen. Bei einigen wenigen Patienten reichert sich das Glucocerebrosid auch im Zentralnervensystem an und führt dadurch zu neurologischen Schädigungen. Als erbliche Stoffwechselstörungen wird eine Gruppe von Krankheiten bezeichnet, die durch verschiedene Gendefekte verursacht werden. Sie sind zwar relativ selten, können jedoch verheerende Folgen für die Patienten und ihre Angehörigen haben. Die Forschung der pharmazeutischen Industrie hat zur Entwicklung vieler spezieller Medikamente geführt. Dennoch sind weitere Verbesserungen nach wie vor dringend erforderlich. 2/4 Von der seltenen Erbkrankheit der Mucopolysaccharidose Typ 1 sind weltweit 3000 bis 4000 Menschen betroffen. Sie wird durch einen Mangel des Enzyms Alpha-L-Iduronidase verursacht. Die Symptome sind fortschreitende Schädigungen von Herz, Lunge, Leber, Nieren und mitunter auch verminderte geistige Funktionen. Die schwerste Form, das Hurler-Syndrom, führt zu schwerer geistiger Retardierung, obstruktiver Atemwegserkrankung, und die betroffenen Kinder versterben noch vor dem zehnten Lebensjahr. Kinder mit der weniger schweren Form, dem Scheie-Syndrom, zeigen eine normale Intelligenz, weniger rasch fortschreitende körperliche Beschwerden, leiden jedoch an Hornhauttrübung, Gelenksteifigkeit und Herzerkrankungen. Die Lebenserwartung beträgt in diesen Fällen etwa 20 bis 30 Jahre. Bei den meisten Patienten wird die Krankheit innerhalb von zwei bis drei Jahren nach der Geburt diagnostiziert. Die Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist ein weiteres Beispiel für eine durch einen Gendefekt bedingte Krankheit, der in diesem Fall zum Fehlen des Proteins Dystrophin in den Muskelzellen führt. Die Krankheit betrifft, von seltenen Ausnahmen abgesehen, nur Männer. Wenn das Risiko einer DMD nicht aufgrund der Familienanamnese bekannt ist, wird die Krankheit meist erst im Alter von zwei bis drei Jahren diagnostiziert. Der Verdacht auf eine Erkrankung kann auch wegen einer geistigen Verlangsamung aufkommen. Eine geistige Behinderung entwickelt sich zwar nur bei einigen wenigen Patienten mit DMD, ist jedoch häufiger als bei anderen Kindern. Chromosom 12: Phenylketonurie (eine Stoffwechselstörung, welche zu Organschäden führt) Der Harnstoffzyklus ist im menschlichen Körper der Stoffwechselweg zur Umwandlung von Ammoniak in Harnstoff. Bei Kindern mit Mangel an N-Acetylglutamatsynthetase (NAGS) führt die Störung zur Ansammlung von Ammoniak im Blut, die zu irreversiblen Hirnschädigungen oder zum Tod führen kann. Die genaue Inzidenz des NAGSMangels ist nicht bekannt. Der Erbgang ist autosomal-rezessiv, d.h. die betroffenen Kinder haben von jedem Elternteil ein defektes Gen erhalten. Aktuelle Therapien: Die Behandlung der Gaucher-Krankheit mit einmal wöchentlichen Infusionen von rekombinanter Imiglucerase war die erste verfügbare Therapie für eine erbliche Stoffwechselkrankheit. Seit 2003 steht in der EU ein Glucosylceremidsynthetase-Inhibitor zur Behandlung von Patienten mit leichter bis mittelschwerer Gaucher-Krankheit vom Typ 1 zur Verfügung, für die eine Enzymersatztherapie mit Imiglucerase (Cerebrosidase) nicht geeignet ist. Es ist die erste orale Therapie für diese Krankheit. Seit August 2001 steht auch für die Fabry-Krankheit eine Enzymersatztherapie zur Verfügung. Sie besteht aus wöchentlichen Infusionen von Agalsidase beta. M E D I K A M E N T E F Ü R M E N S C H E N Seit Februar 2003 ist in der EU das rekombinante Infusionspräparat Laronidase zur Behandlung von Patienten mit Mucopolysaccharidose Typ I erhältlich. Es hat sich gezeigt, dass die neue Substanz eine signifikante Wirkung auf die Lungenfunktion und die Verbesserung der Belastungsfähigkeit hat. Bei Patienten mit Mucopolysaccharidose VI bietet eine Enzymersatztherapie mit wöchentlichen Infusionen von Arylsulfatase B einen anhaltenden Nutzen. 3/4 Bei Patienten mit NAGS-Mangel hat sich Carbamylglutamat als wirksames Mittel zur Normalisierung der Ammoniakspiegel erwiesen. Seit 2004 ist es in Europa zur Behandlung von Kindern mit NAGS-Mangel erhältlich. Was ist in der Entwicklung? Dank jüngster Fortschritte im Verständnis der Ursachen von erblichen Stoffwechselstörungen werden inzwischen neue therapeutische Ansätze mit rekombinanten Verbindungen erforscht. Die multizentrischen klinischen Studien zur Prüfung der Enzymersatztherapie bei der Pompe-Krankheit laufen weiter. Erprobt werden intravenöse Infusionen von Alpha-Glucosidase - dem Enzym, das den Menschen mit dieser Krankheit fehlt. Ein Glucosylceremidsynthetase-Inhibitor soll auch zur Behandlung der GaucherKrankheit vom Typ 3, der Niemann-Pick-Krankheit vom Typ C und einer weiteren Störung, der Spätform des Tay-Sachs-Syndroms, untersucht werden. Forscher haben unlängst herausgefunden, dass das Protein Utrophin das Protein Dystrophin ersetzen kann, das bei der Duchenne-Muskeldystrophie eine Rolle spielt. Diesem Ansatz wird weiter nachgegangen. Langzeitperspektiven Auch für andere seltene erbliche Stoffwechselstörungen wird künftig eine Enzymersatztherapie mit humanen rekombinanten Präparaten zur Verfügung stehen. Ein allgemeinerer Ansatz wird langfristig die Isolierung von Stammzellen mit dem Potenzial zur Differenzierung in verschiedene Arten von Geweben sein. Dabei könnten auch Gene in die Zellen eingeschleust werden, die in der Lage sind, die Erbkrankheit zu beheben, indem die Zellen die bei der Krankheit fehlende Substanz bilden. Diese Zellen könnten dann dem Patienten übertragen werden. M E D I K A M E N T E F Ü R M E N S C H E N HAFTUNGSABLEHNUNGSERKLÄRUNG EFPIA hat alle angemessenen Anstrengungen unternommen, um akkurate und aktuelle Informationen in dieser PDF zur Verfügung zu stellen, wobei keine Garantie für Vollständigkeit oder Richtigkeit übernommen werden kann. Im Falle spezifischer Fragestellungen oder Problemfälle sollten sie zusätzlich zu den in dieser PDF veröffentlichten Informationen/Materien einen Arzt oder Apotheker zu Rate ziehen. 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