Chinesische Forscher verändern Erbgut menschlicher Embryonen H s

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7.6.2015
Umstrittene Wissenschaft: Chinesische Forscher verändern Erbgut menschlicher Embryonen ­ Wissen ­ Tagesspiegel Mobil
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23.04.2015 20:32 Uhr
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Umstrittene Wissenschaft
Chinesische Forscher verändern Erbgut menschlicher
Embryonen
von Hartmut Wewetzer
Chinesische Wissenschaftler haben erstmals in das Erbgut
menschlicher befruchteter Eizellen eingegriffen – mit fraglichem Erfolg.
Kritiker sehen sich bestätigt.
Bisher waren es nur Gerüchte. Aber nun sind aus ihnen Tatsachen geworden.
Weltweit vermutlich zum ersten Mal haben chinesische Wissenschaftler das
Erbgut menschlicher Embryonen gezielt verändert. Die Forscher versuchten,
das Gen für Thalassämie (Mittelmeeranämie), eine Blutkrankheit, zu
korrigieren. Dabei waren sie weitgehend erfolglos, wie das Team um Junjiu
Huang von der Sun Yat­sen Universität in Guangzhou im Fachmagazin
„Protein & Cell“ berichtet.
Experimente wie diese sind in Deutschland und vielen anderen Ländern
verboten und auch unter Wissenschaftlern umstritten. Denn sie betreffen
sämtliche Zellen eines Organismus und werden an die Nachkommen vererbt
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(mit unvorhersehbaren Folgen), weshalb man von Eingriffen in die Keimbahn
spricht. Auch ist es nicht möglich, vorher die Einwilligung des Betroffenen
einzuholen – anders als bei der Gentherapie, bei der nur Körperzellen
verändert werden.
Die "Crispr"­Methode ermöglicht präzise genetische Eingriffe
Die chinesischen Forscher benutzten eine neue Technik namens „Crispr“
(sprich: „Krisper“). Sie ermöglicht es auf einfache und gezielte Weise,
Erbanlagen zu verändern oder auszutauschen. Die Grundlage für das
Verfahren wurde erst vor wenigen Jahren in Bakterien entdeckt. Diese
Mikroorganismen benutzen es, um die Erbinformation von Viren abzuwehren.
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„Crispr“ hat innerhalb kurzer Zeit einen Siegeszug durch die Labors
angetreten und wird heute in der medizinischen Grundlagenforschung, der
Pflanzenzüchtung und in der Gentherapie eingesetzt. Und natürlich hat die
Methode die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern aus der
Reproduktionsmedizin geweckt. Die wollen mit seiner Hilfe vererbbare
Krankheiten heilen, indem sie schon im Embryo schadhafte Abschnitte der
Erbinformation DNS durch intakte austauschen.
Wie sich nun zeigt, ist das weit schwieriger als gedacht. Für den
Stammzellforscher George Daley von der Harvard Medical School in Boston
sind die jetzt bekannt gewordenen Ergebnisse sogar ein „abschreckendes
Beispiel“, wie er dem Fachblatt „Nature“ sagte.
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Die verwendeten Embryonen waren nicht entwicklungsfähig
Die chinesischen Forscher griffen bei ihren Experimenten auf 86 Embryonen
aus Kliniken für künstliche Befruchtung zurück. Diese waren über ein frühes
Stadium hinaus nicht entwicklungsfähig, weil jede Eizelle von zwei Spermien
befruchtet worden war. Jeder Embryo enthielt drei statt zwei Erbgut­Sätze.
Die Möglichkeit, den Embryo auszutragen, war von vornherein
ausgeschlossen.
Huang und seine Mitarbeiter injizierten die „Crispr“­Moleküle zusammen mit
der Austausch­DNS in die befruchteten Eizellen und gaben der Methode 48
Stunden Zeit, um die embryonale Erbinformation zu „verbessern“. Dann
zogen sie eine ernüchternde Bilanz: Von den 86 Embryonen hatten 71
überlebt. 54 von ihnen wurden genetisch getestet. Dabei stellte sich heraus,
dass bei 28 Embryonen die DNS durch „Crispr“ verändert worden war. Aber
nur bei vier Eizellen war es zur erwünschten Gen­Reparatur gekommen, bei
sieben weiteren gab es zumindest einen Teilerfolg. „Wenn Sie das bei
normalen Embryonen machen wollen, müssen Sie annähernd 100­
prozentigen Erfolg haben“, sagte Huang dem Magazin „Nature“. „Das ist der
Grund, weshalb wir aufgehört haben. Wir denken, die Zeit ist noch nicht reif.“
Manipulationen und Mutationen ­ das Risiko ist größer als gedacht
Besonders auffällig war, dass die Wissenschaftler ungezielte genetische
Veränderungen (Mutationen) in den Embryonen entdeckten, die vermutlich
auf „Crispr“ zurückzuführen waren. Die Mutationen hatten „gestreut“. Ganz so
präzise wie gedacht arbeitet das Verfahren an menschlichen Embryonen also
nicht. Huang plant nun, an menschlichen Zellkulturen und im Tierversuch an
der Zielgenauigkeit zu arbeiten.
Mutationen als potenziell gefährliche Kollateralschäden des neuen Verfahrens
gehören zu jenen Problemen, die Wissenschaftler Ende März zu einem Aufruf
in „Nature“ veranlassten. Darin plädierten Edward Lanphier, Chef der Allianz
für Regenerative Medizin in Washington, und vier weitere Kollegen für ein
Moratorium – genetische Veränderungen an Embryonen sollten wegen
ernsthafter Risiken unterbleiben. „Diese Forschung könnte für Veränderungen
benutzt werden, die nicht therapeutisch sind“, schrieben die Wissenschaftler.
„Wir befürchten, dass der öffentliche Aufschrei über einen solchen ethischen
Dammbruch vielversprechende medizinische Entwicklungen behindern
könnte.“ Der Versuch, „Designerbabys“ zu erzeugen, träfe womöglich all jene,
die sich um einen verantwortungsvollen Umgang mit der neuen Technik, etwa
in der Gentherapie, bemühen.
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"Wir müssen eine Pause einlegen", sagen Skeptiker
Der Mahner Lanphier sieht sich durch Ergebnisse von Huang nun bestätigt.
„Es unterstreicht, was wir zuvor gesagt haben: Wir müssen mit dieser
Forschung eine Pause einlegen und sicherstellen, dass wir eine breit
angelegte Diskussion darüber führen, in welche Richtung wir gehen wollen“,
sagte Lanphier.
Huang zufolge war seine Studie von den führenden Wissenschaftsjournalen
„Nature“ und „Science“ zum Teil aus ethischen Motiven für die
Veröffentlichung abgelehnt worden, ehe sie von „Protein & Cell“ angenommen
wurde. Der Genforscher verteidigt die Publikation dennoch, weil sie Klarheit
über den von ihm verfolgten Forschungsansatz bringe.
Ob der Aufruf zum Moratorium beachtet wird, muss auch nach dem
öffentlichen Zurückrudern von Huangs Wissenschaftlerteam bezweifelt
werden. Natürlich ist das Bedürfnis in Familien mit vererbten Krankheiten
groß, die Leiden mit Hilfe eines genetischen Eingriffs aus der Welt zu
schaffen. Laut „Nature“ experimentieren allein in China mindestens vier
Forschergruppen an Embryonen mit dem Ziel, ihr Erbgut zu verändern.
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