Mutationen Mutationen (Veränderungen) des Erbguts treten in der Natur ständig auf. Solange die Keimzellen nicht davon betroffen sind, macht sich eine Mutation meist nur bemerkbar, wenn die Zellen ihre Teilungskontrolle verlieren (⇒ Entstehung von Krebs). Aber auch bei Alterungsprozessen, denen vor allem die somatischen Zellen unterliegen, spielen Mutationen eine Rolle. Die Keimzellen werden durch verschiedene Maßnahmen vor unerwünschten Mutationen geschützt. Während Mutationen der Somazellen nur das Individuum selbst betreffen, werden Mutationen an den Keimzellen an die Nachkommen weitergegeben. Nur im letzteren Fall tritt eine nachhaltige Veränderung des Genpools einer Art ein. Bei Bakterien tritt in jedem 10 Millionsten Fall eine Veränderung eine Gens auf (Mutationsrate = 10-7). Durch die rasante Vermehrung kommt es dennoch recht häufig zu Veränderungen, so dass Bakterien sich schnell an neue Umweltbedingungen anpassen. So treten bei vielen Bakterien recht schnell Resistenzen gegenüber bakterioziden Mittel wie Antibiotika auf. Einzeller reagieren empfindlicher auf Mutationen als vielzellige Organismen, da eine für eine Zelle letal wirkende Mutation beim vielzelligen Lebewesen durch die vielen Zellen ausgeglichen werden kann. Bei vielzelligen Lebewesen treten Mutationen häufiger auf (Mutationsrate pro Gen = 10-6). Da diese Organismen auch noch eine größere Anzahl von Genen aufweisen, kommen Mutationen bei den Vielzellern häufiger vor als bei Bakterien. Ob sich eine Mutation tatsächlich auswirkt, hängt ganz allein von der Sequenz der DNA ab, die betroffen ist. Man schätzt, dass z.B. über 90% der menschlichen DNA niemals für die Herstellung von Proteinen verwendet wird (DNA-Müll). Hier wirkt sich eine Mutation kaum aus. Bei Bakterien wird die genetische Information auch noch dadurch verändert, dass einzelne Gene über sogenannte Plasmid-DNA zwischen Bakterien ausgetauscht werden. Sogar der Einbau von Plasmid-DNA in Pflanzen ist möglich. Durch den ständigen Austausch von DNA zwischen den Bakterien können Resistenzgene gegenüber Antibiotika zwischen völlig verschiedenen Bakterien ausgetauscht werden. Rekombination Auch ohne Genom-Mutation kommt es ständig zu Veränderungen im Erbgut der Individuen einer Population. Durch das crossing-over während der Meiose entstehen ständig neue Chromosomentypen mit jeweils unterschiedlichem Genbestand. Durch die Meiose und Verschmelzung von Eizelle und Spermium entstehen dann nochmal neue Genotypen, so dass auch ohne Mutationen für eine genetische Vielfalt innerhalb einer Art gesorgt ist. Die Erfindung der Sexualität im Laufe der Evolution war daher ein Meilenstein in der Entwicklung des Lebens. Durch die Rekombination wird noch stärker als durch Mutationen die Bildung neuer Genotypen erreicht. Populationsgenetik Ideale Populationen Wie verschiedene Mutationen, die normalerweise ein Nachteil für eine Population sind, auch Vorteile bringen können zeigt das Beispiel der Sichelzellenanämie. Dabei handelt es sich um eine rezessiv vererbte Veränderung der roten Blutkörperchen. Diese sehen dann im Gegensatz zur Plättchenform der normalen roten Blutkörperchen sichelförmig aus. Die Folgen liegen in einer schlechteren Sauerstoffversorgung verbunden mit multiplen Organschädigungen und letztlich einer stark verringerten Lebenserwartung. Bei Individuen, die das Gen heterozygot in sich tragen, ist nur jedes 100. Blutkörperchen deformiert, die Krankheit bleibt weitgehend unbemerkt. Die Sichelzellenanämie wird also rezessiv vererbt und ist in Deutschland recht selten (300 Neufälle pro Jahr). In Gegenden mit höherem Malariabefall tritt das Sichelzellenanämie-Gen viel häufiger auf: in Schwarzafrika sind 0,4% aller Neugeborenen von der Sichelzellenanämie betroffen. Die Ursache für diese starke Verbreitung liegt in der Malariaresistenz aller Personen, die das Merkmal Sichelzellenanämie heterozygot in sich tragen. Diese Menschen haben einen Vorteil gegenüber denen, die das Merkmal gar nicht genotypisch besitzen und haben also eine größere Fitness im Darwinschen Sinne gegenüber allen anderen. Hardy und Weinberg haben für solche Fälle eine aus der binomischen Formel abgeleitete Berechnungsmethode entwickelt, um aus dem homozygot auftretenden Anteil den Anteil der heterozygoten bei einer idealen Population zu berechnen. Unter einer idealen Population verstanden sie • eine sehr große Population, in der der Verlust einzelner Individuen die Verteilung der Gene nicht wesentlich beeinflusst, • eine Population in der Panmixie herrscht: die Chance für zu Paare sich zusammenzufinden ist für alle Kombinationen von Genotypen gleich groß • eine Population, in der keine Mutationen stattfinden p=0,063 q=0,937 • eine Population ohne Selektionsdruck • eine Population, die nicht durch Zu- oder Abwanderungen gestört wird. Für die gesamte Population gilt dann das an der Seite am Beispiel der p=0,063 p²=0,004 p·q=0,059 Sichelzellenanämie dargestellte Vererbunggschema. Ist der Anteil der Gene für Sichelzellenanämie p und der Anteil der Gene, die nicht zu Sichelzellenanämie führen, ist q. Insgesamt muss gelten p + q = 1. (Beide Anteile q=0,937 p·q=0,059 q²=0,877 müssen in ihrer Summe 100% enstprechen.) Aus dem Anteil der an Sichelzellenanämie erkrankten http://schuetz.ohost.de Häufigkeit der Genotypen 1 0,8 Häufigkeit (bei denen das Sichelzellenallel homozygot vorkommt) = p² lässt sich p berechnen p=√p²=0,063. Daraus lässt sich ableiten, dass q = 1- p = 0,937 ist. Der Anteil der Heterozygoten ist dann 2·p·q = 0,118. Der Anteil derjenigen, die keine Veranlagung zur Sichelzellenanämie aufweisen ist dann also q² = 0,877 (=1- 2·p·q-p²). Obwohl die Krankheit nur sehr selten (0,4%) auftritt, ist doch ein vergleichsweise hoher Anteil der Bevölkerung (11,8%) gegenüber der Malaria geschützt. Mit der oben genannten Methode kann man allgemein die Allelhäufigkeit selten auftretender, rezessiv vererbter Krankheiten bestimmen. Bei selten auftretenden reszessiv vererbten Merkmalen (q≈1), ist der Anteil der Heterozygoten bezüglich dieses Merkmals in etwa 2·p – also doppelt so hoch wie die Häufigkeit des Allels. Die nebenstehende Grafik zeigt die Verteilung der Genotypen in Abhängigkeit von der Häufigkeit des Allels p. homozygot p 0,6 homozygot q 0,4 heterozygot pq 0,2 0 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 Häufigkeit p Reale Populationen Die für die ideale Population gemachten Annahmen, sind in realen Populationen nicht haltbar. Die Panmixie ist bei vielen höher entwickelten Arten dadurch nicht gegeben, dass sich nur die männlichen α-Tiere einer Gruppe fortpflanzen. Die Panmixie kann auch durch geographische Gegebenhieten – wie Populationen in abgelegenen Regionen – behindert sein. Auch sind nachteilige Eigenschaften, wie im obigen Fall die Sichelzellenanämie durchaus Selektionsmerkmal. Daneben tritt oft auch Migration von Teilen einer Population auf. Bei kleinen Populationen kommt es durch zufällige Ereignisse wie Naturkatastrophen, dass alle Träger eines bestimmten Allels umkommen und dieses Allel aus der Gesamtheit der Gene, dem Genpool einer Art, verschwindet ⇒ Gendrift. Aus diesen Gründen lässt sich das Gesetz von Hardy-Weinberg auf reale Populationen nicht voraussetzungslos anwenden. Aufgaben: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Bevor die gezielte Änderung von Genen in Bakterien eine Stadndardmethode der Gentechnik wurde, haben Firmen die in der Biotechnologie gearbeitet haben, ihre Bakterienstämme kontrolliert UV-Strahlen ausgesetzt und auf Veränderung der gewünschten Eigenschaften hin untersucht. Erläutere diese Methode. Obwohl die Generationsdauer von höher entwickelten Lebewesen wesentlich länger ist, haben höher entwickelte Lebewesen dennoch eine sehr große Anpassungsfähigkeit. Nenne die Gründe dafür. Die Häufigkeit mit der die rezessiv vererbte Krankheit Mukoviscidose in der Bevölkerung auftritt, liegt bei etwa 0,04%. Wieviele Menschen tragen das Merkmal in sich? Die dominant vererbbare Krankheit Chorea Huntington (auch Veitstanz genannt: Symptome sind manigfaltige psychische Defekte) tritt mit einer Häufigkeit von 0,0001 (0,01%) auf und führt nach 15 a zum Tod. In welchem Lebensalter wird die Krankheit wohl ausbrechen und wie groß ist die Allelhäufigkeit für diese Krankheit? Erkläre, warum die Bedingungen für eine ideale Population in der Realität nicht gegeben sind, und warum sie zu Abweichungen in dem Hardy-Weinberg-Gesetz führen. Begründe, warum die Allele für eine seltene, rezessive Erbkrankheit durch Selektion nur sehr langsam in ihrem Anteil am Genpool verringert werden. Warum gilt das für dominant vererbte Erbkrankheiten nicht ohne weiteres? Bei einer Mäuseart, die in einer schwarzen und grauen Varietät vorkommt (Häufigkeit Allelschwarz= 0,75 und Häufigkeit Allelgrau= 0,25) ist die Fitness der beiden Varietäten zunächst gleich. Das Allel für schwarz ist dabei dominant. Durch die Einwanderung eines Fressfeindes unterliegen die schwarzen Mäuse plötzlich einem größeren Selektionsdruck. Von den schwarzen Mäusen kommt nur noch jede zweite Maus zur Fortpflanzung, während die grauen Mäuse sich unverändert fortpflanzen. Berechne aus diesen Angaben: den Anteil der homozygoten schwarzen Mäuse, der heterozygot schwarzen Mäuse und der grauen Mäuse. Berechne die Veränderung der Häufigkeiten des Fellfarbenallels und der Anteile der verschiedenen Genotypen nach einer Generation (nach zwei Generationen). Man vermutet, dass die Indianer auf dem amerikanischen Kontinent auf eine kleine Gruppe zurückzuführen ist, die währende der letzten Eiszeit über die vereiste Behringstraße (und somit kurzzeitige Landbrücke zwischen Russland und Alaska) eingewandert ist. Auffälligerweise fehlt bei den Indianern die Blutgruppe B. Welche möglichen Erklärungen lassen sich dafür finden? Begründe, warum bei Tieren, deren Population weitgehend nur noch in Zoos existiert und bei denen keine Neufänge aus der Natur möglich sind, Zuchtbücher geführt werden, nach denen die weitere Zucht der Tiere geplant wird. http://schuetz.ohost.de