1.10 Artbildung Manchmal werden Populationen durch Naturereignisse in zwei Gruppen gespalten. Ein Fluss kann zum Beispiel plötzlich seinen Lauf ändern und dadurch den Lebensraum einer Kaninchengruppe zerteilen. Der Austausch von Erbinformationen zwischen Mitgliedern der Population, der so genannte Genfluss, ist dann unterbrochen. Eine solche Unterbrechung des Genflusses bezeichnet man als Separation. Die Separation ist der erste Schritt bei der Artbildung, der Entstehung neuer Tier- oder Pflanzenarten. Wenn in einer Population eine vorteilhafte Mutation auftritt, so kann sie sich nur innerhalb dieser Population ausbreiten. Selbst bei gleichen Umweltbedingungen entwickeln sich daher getrennte Populationen langsam auseinander. Wesentlich schneller verläuft die Auseinanderentwicklung, wenn die beiden Populationen unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt sind. Da die Umweltbedingungen die Richtung der Evolution durch die natürliche Auslese steuern, verläuft die Evolution der beiden Populationen unterschiedlich. Am Anfang sind sich die Individuen der beiden Populationen noch recht ähnlich. Sie könnten sich noch paaren und fruchtbare Nachkommen hervorbringen, wenn sie nicht getrennt wären. Die Tiere gehören also noch der gleichen Art an (Abb. 1). Je länger die Separation andauert, desto mehr Mutationen treten auf, die das Aussehen und das Verhalten der Tiere verändern. Die Mutationen können sich in den Populationen ausbreiten, wenn sie nicht nachteilig sind. Einige der Mutationen verhindern die Fortpflanzung zwischen Tieren der beiden Populationen. Man sagt, Lebewesen, die sich nicht miteinander fortpflanzen können, sind voneinander isoliert. Alle Faktoren, die dazu führen, fasst man unter dem Begriff Isolationsmechanismen zusammen. Weibchen der einen Population finden zum Beispiel Männchen der anderen Population nicht mehr attraktiv, weil diese ein anderes Balzverhalten entwickelt haben, oder die Tiere der einen Population sind nachtaktiv, die der anderen 32 dagegen tagaktiv. Selbst wenn nach langer Zeit die für die Separation verantwortlichen Faktoren wegfallen, verhindern jetzt die entstandenen Isolationsmechanismen einen Genfluss zwischen beiden Populationen. Aus den beiden Populationen der einen Art sind zwei neue Arten entstanden. Es hat eine Artaufspaltung stattgefunden. So entstehen immer wieder neue Arten, es sterben allerdings auch Arten aus, wenn sie nicht so gut wie ihre Konkurrenten an die Umweltbedingungen angepasst sind. Heute sind es meist durch den Menschen verursachte Umweltveränderungen, die für das Aussterben von Arten verantwortlich sind. heute zwei Arten M Trennung in zwei Gruppen durch Gletscher und Kältegebiete während der Eiszeit; unterschiedliche Entwicklung durch Mutation und Selektion vor vielen 100 000 Jahren eine Art Goldhähnchen Wintergoldhähnchen M M M Mutationen Sommergoldhähnchen 1 Artbildung am Beispiel der Goldhähnchen Geschichte+Verwandtschaft, Variabilität+Angepasstheit, Reproduktion Grundwissen 2 Erdhörnchenart vom Süd- bzw. vom Nordrand des Grand Canyon 1 Grundbegriffe. Erläutere die 2 Goldhähnchen. Beschreibe Begriffe Population, Mutation, genetische Variabilität, Selektion, Angepasstheit, Separation, Isolationsmechanismus, Artbildung und Artaufspaltung an selbst gewählten Beispielen dieser Doppelseite. anhand der Abbildung 1 die Artbildung bei Winter- und Sommergoldhähnchen. 3 Erdhörnchen. Zwei Erdhörnchenarten bewohnen die gegenüberliegenden Ränder des Grünspecht Grauspecht beide Arten Nebelkrähe Rabenkrähe Rabenkrähe und Nebelkrähe Grand Canyon in den USA (Abb. 2). Die eine Art lebt am Südrand, die andere Art am Nordrand. Die Art, die am Nordrand lebt, ist etwas kleiner als die Südrand-Art und hat einen Schwanz mit auffälliger weißer Unterseite. Dagegen haben sich Vögel, die auf beiden Seiten des Grand Canyon leben, nicht in unterschiedliche Arten aufgespalten. a) Erläutere, wie es zur Artaufspaltung bei den Erdhörnchen gekommen sein könnte. b) Warum kam es bei den Vögeln nicht zu einer vergleichbaren Artaufspaltung? 4 Vogelevolution. Beschreibe anhand der Abbildung 3 die Evolution der abgebildeten Vögel. Rabenkrähe und Nebelkrähe haben im Überschneidungsgebiet fruchtbare Nachkommen untereinander. 3 Vorkommen von Grauspecht (links) und Grünspecht sowie von Rabenkrähe (links) und Nebelkrähe 33 Arbeitsmaterial