2/2014 ISSN 0947-5435 E 12344 MAGAZIN ÜBER CHRISTLICHES LEBEN IM NAHEN OSTEN ZUM DIALOG VERPFLICHTET – DER INTERRELIGIÖSE NAHE OSTEN BENEFIZKONZERT FÜR DIE SCHNELLER-SCHULE IM LIBANON INHALT INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN Ohne Dialog bleibt nur die Verfeindung 2 Interreligiöser Honeymoon am Nil4 In Ägypten hat der Dialog Konjunktur „Gott hat gewollt, dass wir verschieden sind“ Über den Dialog in Ägypten aus muslimischer Sicht 7 Dialog und nicht Missionierung10 Über das Miteinander von Christen und Muslimen im Heiligen Land Respekt, Würde und Bürgerrechte für alle Der Rat der Religionsoberhäupter in Israel 14 Großer Beitrag einer kleinen Institution Das Engagement der NEST für den Dialog im Libanon 16 Dialog hat immer einen Kontext 15 Jahre „Studium im Mittleren Osten“ 18 NACHRICHTEN AUS DER SCHNELLER-ARBEIT Nachrichten20 Mit Beharrlichkeit gegen die Not Die Vorschule im Tal der Christen 23 Gute geschwisterliche Beziehungen24 Die Arbeit an der Schneller-Schule in Amman läuft erfreulich gut weiter Benefizkonzert für Syrische Flüchtlinge an der Schneller-Schule 26 Medien30 Impressum33 Titelbild: Mädchen an der Johann-Ludwig-Schneller-Schule im Libanon Foto: EMS/Martina Waiblinger EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, die Begegnung zwischen christlichen und muslimischen Kindern ist ein wesentliches Fundament der Arbeit der Schneller-Schulen. Die Einübung in gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wertschätzung und das Kennenlernen der religiösen Überzeugungen und Praktiken der Anderen gehören zum selbstverständlichen Erziehungsauftrag der Schulen. Immer wieder haben wir darüber berichtet; schwerpunktmäßig zuletzt im Heft 4/2012, als es um Feste und Rituale ging. In dieser Ausgabe möchten wir die Perspektive weiten hin zum größeren interreligiösen Miteinander in den unterschiedlichen Ländern des Nahen Ostens. Angesichts der enormen Umbrüche und der Gewalt, welche die Region momentan erlebt, erscheint es oftmals so, als sei der interreligiöse Dialog zerbrochen. Manche Stimmen ermahnen uns, der „christliche Westen“ müsse massiver für die christlichen Geschwister im Orient eintreten und ihr Überleben sichern. Mit diesem Argument wird Politik gemacht. Viele orientalische Christen halten dem jedoch entgegen: Der Westen kann bei uns gar nichts sichern. Wenn jemand einen entscheidenden Beitrag zur Fortexistenz des Christentums im Nahen Osten leisten kann, dann die vielen moderaten Muslime, die sich wie wir nach einem politischen System sehnen, in dem alle Bürgerinnen und Bürger eines Staates, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit, gleiche Rechte haben. Wir haben bei Menschen im Nahen Osten nachgefragt – vor allem bei muslimischen Gesprächspartnern, aber auch bei einer maßgeblichen rabbinischen Autorität aus Israel: Tragen die interreligiösen Beziehungen noch? Können sie denjenigen Schutz geben, die unter Druck stehen und oftmals keine andere Chance als die der Auswanderung sehen? Das Bild, das sich ergibt, ist hoch differenziert, und ganz sicher darf man nicht alle Länder des Nahen Osten über einen Kamm scheren. Bilden Sie sich einfach selbst ein Urteil! Das Redaktionsteam wünscht Ihnen zum Pfingstfest Gottes reichen Segen. Es ist der Nahe Osten, der uns am Herzen liegt. Hier erklang zum ersten Mal der Osterruf: „Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“ Ihr Pfarrer Dr. Uwe Gräbe, EVS-Geschäftsführer 1 BESINNUNG OHNE DIALOG BLEIBT NUR DIE VERFEINDUNG „Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.“ (Römer 8,10+11) D ie Angst vor dem Tod geht um im Nahen Osten. Christen und Kirchen geraten in Existenzangst, in Krieg und Bürgerkrieg. Ich schreibe Anfang April im sicheren Deutschland. Was Krieg ist, spüre ich seit ein paar Tagen. Mein Sohn Johannes war 14 Monate beim Roten Kreuz in Gaza. Wir betrachten Bilder. Eines packt mich. Es zeigt ihn, Heiligabend 2013 mit Rot-Kreuz-Kollegen. Sie prosten einander zu. Der Raum ist verschlossen, die Fenster abgedunkelt und mit Schutzplatten versehen gegen Bombendruck und Glassplitter. Die Gesichter zwischen Festfreude und Anspannung. Ich erinnere mich an mein Telefonat mit Johannes an jenem Heiligabend. Ich stelle mir vor, wie er die Bombardierungen in Gaza erlebte. Die Beklemmung des Kriegs erfasst auch mich. Dem Geruch des Todes stellt Paulus den lebendigen Geist Jesu entgegen, der von den Toten auferweckt ist. An Pfingsten wird dieser Geist nach dem Wort im Römerbrief gepredigt. Es ist nicht leicht, die Oster- und Pfingsthoffnung zu spüren und gar auszustrahlen, wenn das Gespenst des Todes nach Menschen greift. Wie sollen Christen im Nahen Osten in Zeiten des Krieges an ein gutes Leben mit ihren muslimischen Nachbarn glauben, an Zusam- 2 menleben, an Dialog? Verfeindung aus dem Nahen Osten droht nach Deutschland überzugreifen. Der Dialog ist ein Bekenntnis von Christen und Muslimen gegen Krieg und Tod, für Leben. „Living together“, „Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland“, „Miteinander leben lernen – Christen und Muslime in Württemberg“ – solche Überschriften markieren das gemeinschaftliche Leben als Grundthema – gegen den Tod, gegen die Feindschaft! Vor Ostern hat Jesus die Alternative benannt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh. 12,24). Wie klar zeigt er die Alternative von „allein bleiben“ und „viel Frucht bringen“! Es sind die Haltungen von „sich behaupten wollen“ und „sich hingeben“. Das Bild vom Weizenkorn steht – wie das Kreuzsymbol – für Jesu Leben und Handeln. Er hat immer die anderen gesucht, die Samaritaner, die Menschen in der griechisch-heidnischen Dekapolis, die Menschen im orientalisch-heidnischen Libanon, die römischen Hauptleute und Soldaten, offen, ungeschützt, glaubensvoll. Er konnte erleben, wie Menschen sich änderten, konnte Glauben den Andersgläubigen zusprechen, erlebte mit ihnen die Nähe des Gottesreiches. Er lebte den Dialog. Wie oft höre ich: Dialog mit Muslimen ist etwas für die Kirchen in Deutschland. Er funktioniert nur, wo die Machtfrage geklärt ist, für die Christen. – Welche Macht hatte Jesus? Foto: Heiner Rothe Pfarrer und Imame auf Pilgerreise in Jerusalem Nein, den christlich-islamischen Dialog brauchen Christen hier in Europa und im Nahen Osten. Nicht als geschlossene akademische Veranstaltung. Dialog braucht mehr als Worte, braucht Erfahrung, gemeinsames Erleben, Feiern oder auch mal eine gemeinsame Reise. Eine besondere Pilgerreise erlebte ich letztes Jahr mit zehn Pfarrerinnen und Pfarrern und zehn türkischen Imamen. In Jerusalem zogen wir die Via Dolorosa entlang in die Grabeskirche, waren zusammen in der AqsaMoschee und im Felsendom. Wir sangen viel. Wir hörten aufeinander in Andacht, Bibel- und Koranauslegung. Wir sprachen mit Menschen im Land, viel über Befreiungstheologie palästinensischer Christen. Miteinander erlebten wir den Konflikt, die Besatzung in Hebron, Bethlehem, Ramallah, Nablus. Miteinander besuchten wir Yad vaShem. Miteinander verstanden wir, welche Verantwortung für Menschenrechte wir selbst in unserer Gesellschaft haben – und dass wir uns zusammentun müssen, wenn wir etwas verändern wollen. Ich bin froh, dass es mehr werden, die solche Erfahrungen und Verbündete suchen, für gutes und faires Zusammenleben. Ich bin dankbar für die vielen engagierten Muslime, die auch für Christen eintreten. Gut, dass in diesem SchnellerMagazin Menschen aus dem Nahen Osten vom Dialog berichten. Sie zeigen, dass der Dialog dort seinen Ort hat. Ohne Dialog bleibt nur die Verfeindung. Die ist tödlich – nicht nur im Nahen Osten! Pfarrer Heinrich Georg Rothe, Islambeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg 3 INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN INTERRELIGIÖSER HONEYMOON AM NIL In Ägypten hat der Dialog Konjunktur Christen und Muslime haben es in Ägypten oft nicht leicht miteinander. Nachdem die Muslimbruderschaft für ein Jahr an der Macht war, sind aber immer mehr Ägypter davon überzeugt, dass das Land nur eine Zukunft hat, wenn Christen und Muslime gut miteinander auskommen. S Foto: Katja Buck cheich Mohammed ist Imam einer großen Moschee auf dem Moqattam. Der Höhenzug in Ägyptens Hauptstadt ist für zwei Sachen bekannt. In dem ruhigen Viertel ist es immer ein bisschen kühler und frischer als im restlichen Kairo. Auf dem Moqattam hatte aber auch die Muslimbruderschaft ihr Hauptquartier, jene Gruppierung, die von Sommer 2012 bis Sommer 2013 in Ägypten das Sagen hatte. In dieser Zeit hatten sie alles daran gesetzt, aus Ägypten einen islamischen Staat zu machen. Besonders Frauen und Christen litten unter ihrer Politik. „Ich lehne alles ab, was mit Gewalt zu tun hat“, sagt Scheich Mohammed. Der junge Theologe redet nicht gerne über Politik. Wichtiger ist ihm das tägliche Miteinander in seiner Gemeinde. Seit einigen Jahren ist er mit dem evangelischen Nachbarpfarrer gut befreundet. Einmal im Monat organisieren sie eine gemeinsame Abendveranstaltung, bei der die Christen und Musli- Scheich Mohammed und der evangelische Pfarrer Nadi Labib schauen sich die Flickenteppiche an, die in einem muslimisch-christlichen Entwicklungsprojekt in der Moschee des Imam entstanden sind. 4 Foto: Lilian Wagdy Christen ist, wie sehr wir ihn brauchen“, sagt Scheich Mohammad. „Gott hat allen Menschen das Leben gegeben.“ Ein ägyptischer Muslim trägt aus Solidarität zu den Christen in seinem Land ein Kreuz. me ihrer Gemeinden zum Essen zusammenkommen. Einzige Vorgabe: Über Politik wird nicht geredet. Von der Kirche zur Moschee sind es nur wenige Minuten mit dem Auto. Gerne zeigt Scheich Mohammed den frisch angelegten Garten mit zahlreichen, noch ­jungen Obstbäumen und vielen Gemüsebeeten. Die Leute, die zum Gebet in die Moschee kommen, sollen einen Blick für die Schönheit der Schöpfung bekommen, sagt er. In einem Nebenraum der Moschee stehen drei Webstühle. Hier können arbeitslose Gemeindemitglieder das Weben von Flickenteppichen erlernen. Der Verkauf derselben soll ihnen später ein kleines Einkommen bringen. Das Projekt funktioniert so gut, dass mittlerweile auch Christen aus der Nachbarschaft mitmachen. „Ich sage meiner Gemeinde immer, wie wichtig der Dialog mit den Scheich Mohammed ist keine Ausnahme. Im Bereich des christlich-muslimischen Miteinanders hat sich in letzter Zeit vieles zum Positiven gewendet. Nie war die Aufmerksamkeit der Muslime den Christen gegenüber größer. Kaum eine Talkshow kommt heute noch ohne einen christlichen Vertreter aus. Zeitungen fragen um die Meinung von Christen an. Und beim diesjährigen Ostergottesdienst in der koptisch-orthodoxen Hauptkirche in Kairo waren so viele Imame wie noch nie anwesend. Im vergangenen Jahr hatten die Muslimbrüder den Muslimen noch verboten, Christen überhaupt ein frohes Osterfest zu wünschen. „Mit ihrer Diskriminierungspolitik haben die Muslimbrüder die Christen für viele erst richtig interessant gemacht“, sagt Scheich Ibrahim Rida. Er ist Imam einer großen Moschee in Schubra, einem Stadtteil von Kairo, in dem etwa die Hälfte der Bevölkerung christlich ist. Scheich Ibrahim ist über sein Viertel hinaus bekannt. Zusammen mit dem Pfarrer der Nachbargemeinde hatte er lange Zeit eine eigene Fernsehsendung, in der sich beide über Dialog-Themen austauschten. Während der Herrschaft der Muslimbrüder hatte Scheich Ibrahim wegen seiner Haltung zu den Christen Drohungen erhalten. „Die Muslimbrüder wollten alle, die offener gesinnt sind, aus den Moscheen vertreiben“, sagt er. Immer wieder hätten sie dazu aufgerufen, sich gegen die Christen zu stellen. Er sei aber überzeugt davon, dass Pluralismus für Christen und Muslime in Ägypten keine Option, sondern eine Notwendigkeit ist. 5 Foto: Katja Buck INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN Scheich Ibrahim Rida ist Imam einer großen Moschee in Schubra. Wenn der Imam auf die erste Revolution im Januar 2011 angesprochen wird, die dem Militärregime von Hosni Mubarak ein Ende setzte, fängt er an zu schwärmen. Christen und Muslime hätten gemeinsam auf dem Tahrir-Platz in Kairo demonstriert. Als die Sicherheitskräfte auf die Demonstranten schossen, sei eine Kirche ganz in der Nähe zum Krankenhaus umfunktioniert worden. Die Nachbarmoschee wurde zum Rückzugsort für die Opposition. Christen hatten auf dem Tahrir auch immer wieder eine Menschenkette um die Muslime gebildet, die ihre Gebete hielten. Und Muslime hatten sich schützend um christliche Gruppen gestellt, die Gottesdienst feierten. Was Scheich Ibrahim von der Revolution berichtet, hat sich im Gedächtnis vieler Ägypter eingegraben. Die gemeinsamen Revolutionstage auf dem Tahrir waren wie ein interreligiöser Honeymoon. Die anschließende Herrschaft der Muslimbruderschaft hat vielen vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass Christen und Muslime sich nicht auseinanderdividieren ­lassen. 6 Zu den schärfsten Kritikern der Muslimbrüder gehören heute Vertreter der Azhar-Universität und des Religionsministeriums. Neben politischer Inkompetenz werfen sie Mursi und Co Verrat am Islam vor und dass sie versucht hätten, die Gesellschaft zu spalten. Islamistische Terrorgruppen setzen diese Politik heute fort. Im August 2013 zerstörten sie 63 Kirchen, Klöster und Häuser von Christen. Im Oktober starben bei einem Anschlag auf eine koptische Hochzeitsgesellschaft in Kairo fünf Menschen. Und im Februar brachte eine der Muslimbruderschaft nahestehende Gruppe sieben koptische Gastarbeiter in Libyen kaltblütig um. „Ich schäme mich dafür, dass Muslime Christen getötet haben“, sagt Zein Abedin Abdellatif von der lokalen Religionsbehörde aus dem oberägyptischen Sohag, woher die Opfer stammten. Abdellatif war selbst zur Beerdigung der Christen gegangen und hatte den Angehörigen kondoliert. „Der Islam ist keine Religion der Gewalt. Er respektiert alle anderen Religionen“, sagt er. Noch liegt vieles im Argen am Nil. Die zweifelhaften Todesurteile gegen mehr als tausend Muslimbrüder haben im Frühjahr die Weltöffentlichkeit ausgeschreckt. Im Kampf gegen den Terror schießen offizielle Stellen in Ägypten immer wieder bedenklich über das Ziel hinaus. Das achtsame Miteinander zwischen Christen und Muslimen, das derzeit an Boden gewinnt, könnte aber der Grund sein, auf dem wächst, was Ägypten für eine erfolgreiche Demokratisierung dringend braucht: eine funktionierende Zivilgesellschaft, die Pluralismus als Wert und nicht als Hindernis versteht. Katja Dorothea Buck „GOTT HAT GEWOLLT, DASS WIR VERSCHIEDEN SIND“ Über den Dialog in Ägypten aus muslimischer Sicht Warum braucht es überhaupt Dialog? Bevor wir mit dem Dialog beginnen, müssen wir zuallererst den Pluralismus und das Recht auf Unterschiedlichkeit akzeptieren. Gott hat gewollt, dass wir unterschiedlich sind. Wenn er gewollt hätte, dass wir alle gleich sind, dann hätte er uns so geschaffen. Gott macht keine Fehler. Er hat uns unterschiedlich geschaffen, damit wir uns ergänzen. Die Frage, die sich uns stellt, ist, wie wir diese Unterschiedlichkeit leben können? Dafür braucht es den ­Dialog. Welche Rolle spielt die christliche Minderheit in Ägypten? Ich mag das Wort Minderheit nicht. Es klingt so nach Minderwertigkeit, nach Anhängsel. Mir ist das Wort Pluralismus lieber. Dafür braucht es aber eine ganz neue Mentalität in dem Sinne, dass jeder begreift, dass alles, was er einem einzelnen antut, der gesamten Menschheit antut. Das große Problem des Dialogs ist, dass er nur in einer freien Gesellschaft und nicht in einer Diktatur möglich ist. Der Westen hat lange Zeit aus pragmatischen Gründen Diktatoren unterstützt. Sie galten als Garanten der Stabilität. Die Ereignisse Foto: Katja Buck Dr. Mahmud A‘zab ist stellvertretender Vorsitzender der Abteilung für interreligiösen Dialog der Azhar-Universität in Kairo. In dieser Funktion berät er den Scheich Al-Azhar, immerhin die höchste Instanz im gesamten sunnitischen Islam, in Dialogfragen. Er ist überzeugt, dass ein neues Ägypten nur auf einem funktionierenden Miteinander von Christen und Muslimen aufgebaut werden kann. Mahmud A’zab: „Die Azhar-Universität, die Kirchen und die Zivilgesellschaft müssen gut zusammenarbeiten.“ vom 30. Juni (als in Ägypten Präsident Mohammed Mursi, ein Muslimbruder, gestürzt wurde; Anm. d. Red.) waren eine echte Revolution und nicht ein Militärputsch, wie viele im Westen sagen. Die Initiative kam von Millionen von Ägyptern, die die Gesellschaft verändern, die zu ihren Werten zurückfinden wollten. Was braucht es, damit dieser Wandel gelingt? An der Entwicklung des Landes und der Gesellschaft müssen sich alle beteiligen. Die Azhar-Universität, die Kirchen und die Zivilgesellschaft müssen gut zusammenarbeiten, was sie übrigens bereits tun. Der Dialog mit den Kirchen und den säkularen Kräften funktioniert sehr gut, was man 7 Foto: Daniel Mayer INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN Innenhof der Azhar-Moschee in Kairo von den Salafisten und den Muslimbrüdern nicht sagen kann. Die Azhar-Universität hat vor zwei Jahren eine Charta veröffentlicht zur Zukunft Ägyptens. Wir haben mit Intellektuellen verschiedener Couleur über die Ereignisse vom 25. Januar 2011 (die sogenannte erste Revolution, bei der Präsident Hosni Mubarak gestürzt wurde, Anm. d. Red.) diskutiert und was das für die neue Ausrichtung des Landes heißt. Gemeinsam haben wir erklärt, dass ein neues Ägypten gegründet sein muss auf der Glaubensfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Freiheit der Wissenschaft und der menschlichen Kreativität, welche zum Beispiel die Kunst, das Kino, das Theater oder die Bildhauerei umfasst. Außerdem hat niemand das Recht, einen Nicht-Muslim als Ungläubigen oder Verräter zu bezeichnen. Die Herabwürdigung einer anderen Religion oder der Aufruf zur Dis- 8 kriminierung sehen wir als Verbrechen gegen die Nation. Können Sie konkrete Beispiele für den Dialog in Ägypten nennen? 2011, kurz nach dem großen Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria, haben wir das sogenannte Haus der Familie gegründet. Das ist ein landesweiter Verein mit verschiedenen Ortskomitees, in denen Vertreter der Azhar-Universität, der koptischen, katholischen, evangelischen und anglikanischen Kirche sowie der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Das Ziel ist, Ägypten als Ganzes zusammenzuhalten, die Werte der Religionen zu bewahren wie die Liebe im Christentum und die Barmherzigkeit im Islam. Im Vorsitz wechseln sich Christen und Muslime ab. Neben den Ortskomitees, die in verschiedenen Distrikten arbeiten, haben wir auch thematische Komitees gegründet wie zum Beispiel zum religiösen Diskurs. 70 Imame, Pfarrer und Priester sind im vergangenen Jahr zu einer Konferenz zum Thema Toleranz zusammengekommen. Sie haben über Gerechtigkeit, Gleichheit und die ägyptische Staatsbürgerschaft diskutiert. Danach haben sie gemeinsam öffentliche Einrichtungen in den Vierteln besucht, aus denen sie kommen. Es hat in der Bevölkerung großen Eindruck gemacht, dass ihr Priester und ihr Imam gemeinsam aufgetreten sind. Ein weiteres Komitee kümmert sich um interreligiöse Krisen. Sobald es ein Problem zwischen Christen und Muslimen gibt, gehen sie dorthin und versuchen zu versöhnen. Außerdem gibt es ein Komitee für Erziehung und Bildung. Seit zwei Jahren sind 14 Leute damit beschäftigt, alle Schulbücher durchzusehen. Sie schneiden alle Passagen aus, die zum Hass verleiten. Das ist eine riesige Aufgabe. Aber schließlich geht es darum, eine ganze Gesellschaft, nicht nur ein Regime zu verändern. Was spricht Ihrer Meinung nach dafür, dass es Christen in Ägypten gibt? Es tut mir leid, aber das ist eine absolut lächerliche Frage. Sie liegen total falsch, wenn sie die Christen in Ägypten mit den Muslimen in Europa vergleichen. Der Islam in Europa ist ein sehr junges Phänomen. Dagegen hat es das Christentum in Ägypten schon vor dem Islam gegeben. Der Monotheismus selbst ist im Ägypten der Pharaonen entstanden. Mose wurde in Ägypten geboren. Er ging in pharaonische Schulen. Ägypten hat im Laufe der Jahrtausende viele Religionswechsel erlebt. Aber beachten Sie bitte, dass bis heute niemand das Erbe der Pharaonen oder das christliche Erbe zerstört hat. Wir sehen uns in der Tradition des zivilisierten, gläubigen Ägypters. Wo sehen Sie Ägypten in fünf Jahren? Wir brauchen fünf Jahre oder mehr, um das Land wieder aufzubauen. Wir brauchen Zeit und viel Kraft. Die Fragen stellte Katja Dorothea Buck DIE AZHAR Die Azhar ist eine islamische wissenschaftliche Institution von internationalem Rang mit Sitz in Kairo. Sie wird vom ägyptischen Staat unterhalten. Sie umfasst unter anderem die Azhar-Universität, die Akademie für islamische Untersuchungen und die Azhar-Moschee und wird von einem islamischen Gelehrten, dem Scheich al-Azhar, geleitet. Der Lehrbetrieb an der Azhar wurde 988 begonnen, womit die Institution eine der ältesten islamischen Hochschulen der Welt darstellt. Ihr Name ist von az-Zahrā‘ abgeleitet, einem Beinamen von Fatima, der jüngsten Tochter des Propheten Mohammed. Heute sind knapp 400.000 Studierende an der Azhar eingeschrieben, der Lehrkörper umfasst etwa 16.000 Mitarbeitende. Die Institution hat nicht nur für Ägypten eine prägende Kraft. Sie gilt als höchste Institution im gesamten sunnitischen Islam. Der derzeitige Scheich alAzhar, Ahmed al-Tayyeb gilt als offen gegenüber dem Dialog mit Christen. Während der Herrschaft der Muslimbrüder wurde er deswegen immer wieder öffentlich kritisiert. 9 INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN DIALOG UND NICHT MISSIONIERUNG Über das Miteinander von Christen und Muslimen im Heiligen Land 1982 wurde das Al-Liqa‘-Zentrum für Religionswissenschaften und kulturelles Erbe im Heiligen Land gegründet. Es ist das erste Dialogzentrum, das sowohl von Muslimen als auch Christen gegründet wurde. Das Zentrum ist unabhängig von christlichen und islamischen Institutionen, arbeitet aber mit ihnen zusammen. F ür die Gründer des Al-Liqa‘-Zentrums war der Weg des Dialogs nicht mit Blumen gepflastert. Vielmehr war er voller Hindernisse, Herausforderungen und Schwierigkeiten. Die Herausforderungen bestanden in der Israelischen Besatzung und von einigen islamischen und christlichen Bewegungen, die auf die Gründer Druck ausübten. Doch jedes Mal, wenn jemand Zweifel an unserer Arbeit äußerte oder uns Missionierung unterstellte, antworteten wir: „Ihr liegt falsch. Es gibt einen Unterschied zwischen Missionierung und Dialog. Wir missionieren nicht, wir wollen uns aber einander begegnen und uns gegenseitig kennenlernen. Wir wollen unsere Herzen und Köpfe von der Angst vor dem anderen befreien und Brücken des Dialogs bauen, nicht um den anderen zu verändern oder zu beurteilen, sondern um seine Religion kennenzulernen. Schließlich sind wir Kinder des gleichen Volkes. Wir brauchen heute Dialog und nicht Missionierung. Und als ein palästinensischer Christ denke ich, dass Missionierung zurzeit in unserer Kirche keine Priorität haben sollte. Missionierung im Heiligen Land schwächt, schädigt und isoliert die Kirche. Im derzeitigen Kontext wäre sie 10 keine Gnade sondern ein Fluch. Das sollten sich Christen klarmachen, bevor sie Muslime zum Dialog einladen. Beim christlich-muslimischen Dialog geht es darum, dass Menschen über sich selbst hinauswachsen. Sie reden über Gott und ihren Glauben. So ein Gespräch kann nur unter Freunden und vollkommen aufrichtig stattfinden. Es muss das Ziel haben, die Religion und Lehre des anderen zu verstehen, so wie sie sind, und nicht so, wie wir sie gerne verstanden haben wollen. Es geht um Verständnis und Wissen und dafür braucht es Geduld und Kraft. Sowohl die Bibel als auch der Koran rufen den Einzelnen auf zu glauben und zu arbeiten. Dies sind die beiden Hauptdimensionen im Leben eines Gläubigen. Der Glaube bedeutet die Befreiung von dieser Welt und die Begegnung mit Gott. Die zweite Dimension ist die Arbeit für Gerechtigkeit und Frieden. Der christlich-muslimische Dialog kann auch die ökumenische Bewegung stärken. Für Muslime sind alle Christen „ein Volk des Buches“. (Der Islam unterscheidet bei anderen Religionen zwischen sogenannten Buchreligionen (Christentum und Judentum) und solchen, denen kein Heiliges Buch zugrunde liegt, Anm. d. Red.). Der Koran spricht nicht von Katholiken, Orthodoxen oder Protestanten, auch nicht von östlicher und westlicher Theologie. Als Christen, und als Palästinenser ganz besonders, müssen wir uns dieser Realität stellen und unseren theologischen Diskurs vor unseren muslimischen Brüdern vereinheitlichen. Ansonsten zwingen wir sie dazu, uns so zu behandeln wie die Osmanen es getan Foto: Motele Laxman den palästinensischen Kontext bezogene Theologie betreiben. Das ist eine ­ F rage des Lebensstil und der Überlebensstrategie. Die Kirche in Palästina muss den Dialog mit Muslimen führen. Dafür braucht sie eine auf den palästinensischen Kontext bezogene Theologie, weil sie die einzige Perspektive ist, die im Dialog eine Notwendigkeit sieht und Themen des täglichen Lebens objektiv und realistisch angeht. Ich sehe in der Theologie des Dialogs und der kontextuellen Theologie Die Kirche muss sich des Umfeldes bewusst sein, in dem sie sich befindet. die prophetische Stimme, die darauf hinarbeitet, die Kirhaben, die die Christen in einzelne Millet che lebendig zu halten, strahlend und von großer Spiritualität. Sie ist die Stimme, die (Religionsgemeinschaften) aufteilten und nicht als geeinte arabisch-palästinensische Christen in ihrem Land, in ihren Häusern, Christen in einer lokalen Kirche gesehen in ihrer Kirche hält. Christen müssen in haben. Als arabisch-palästinensischer ihrer Heimat bleiben um ihrer selbst wilChrist, der einer religiösen Minderheit len, aber auch zum Wohl der Kirche und angehört, die nicht einmal 1,5 Prozent der der Muslime. Sowohl Christen als auch Bevölkerung in der West-Bank, im GazaMuslime müssen verstehen, wie wichtig die Präsenz des jeweils anderen ist. Streifen und in Israel darstellt und welche gerade einmal vier Prozent der gesamten Im Gegensatz zu westlichen Christen palästinensischen Bevölkerung ausmacht, oder arabischen Muslimen vereinen arasage ich laut und deutlich, dass wir als arabische Christen zwei Wesensarten in sich. bische Christen nur eine ­Überlebenschance Deswegen sind sie in besonderer Weise in haben, wenn wir den Dialog und eine auf der Lage, Brücken des Verständnisses, des 11 INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN Foto: Efi Elian Westen und der Respekt westlicher Christen gegenüber islamischen Werten, der islamischen Lehre und den Muslimen unbedingt zu einem erfolgreichen Dialog beitragen und helfen, dass wir weiterhin zusammen leben können. Dialog bei uns im Osten kann nicht funktionieren, wenn er nicht auch im Westen stattfindet, und Dialog im Westen kann nicht erfolgreich sein, wenn er nicht im Osten funktioniert. Muslime und Christen dicht beieinander: Die Al-Aqsa-Moschee und die Kirche der Heiligen Maria Magdalena in Jerusalem Dialogs, der Freundschaft und der aufrichtigen Zusammenarbeit zwischen Ost und West zu sein. Ich möchte die lokale Kirche dazu aufrufen, diese Rolle auszufüllen. Christen im Westen und arabische Muslime müssen sich ernsthaft darum bemühen, die christliche Auswanderung zu stoppen und eine ermutigende Atmosphäre zu schaffen, damit ein Miteinander in gegenseitigem Respekt, in Liebe, Sicherheit und Stabilität gelingen kann. Gleichzeitig fordere ich die westlichen Kirchen auf, ihre Beziehungen zu den muslimischen Minderheiten in ihren Ländern zu stärken. Ich glaube, dass gestärkte christlich-muslimische Beziehungen im 12 Die muslimischen Minderheiten in westlichen, mehrheitlich christlichen Ländern unterscheiden sich stark von den christlichen Minderheiten in der arabischen Welt. Arabische Christen sind eine religiöse Minderheit, wir gehören aber zum gleichen Volk, haben die gleiche Kultur und Geschichte wie die arabischen Muslime. Dagegen sind muslimische Minderheiten im Westen verstreut auf verschiedene Länder und leben aus verschiedenen Gründen im Westen, aus wirtschaftlichen, politischen und sozialen. Diese muslimischen Minderheiten haben im Allgemeinen keine nationalen, sozialen oder kulturellen Bindungen zu den westlichen Ländern, sie müssen aber mit den Menschen dieser Länder auskommen, weil sie dort mit ihnen leben, arbeiten und lernen. Deswegen müssen diese Minderheiten einerseits in die Aktivitäten des täglichen Lebens integriert werden, auf der anderen Seite müssen sie ihr spirituelles und kulturelles Erbe bewahren dürfen. Alles andere führt zu einem Erstarken von Extremismus und Fundamentalismus, welche der Gesellschaft schaden und das Christentum und den Islam verunglimpfen. Dr. Geries S. Khoury leitet das Al-Liqa‘-Zentrum in Jerusalem. Richard Heinzmann, Peter Antes, Martin Thurner und Mualla Selcuk (Hg.) Lexikon des Dialogs Verlag Herder 2013 2 Bände, zusammen 856 Seiten, Euro 38,00 Ein Schmöker für den Dialog Wenn zwei dasselbe Wort verwenden, müssen sie nicht unbedingt dasselbe meinen. Diese Erfahrung machten vor einigen Jahren Wissenschaftler aus der Türkei und Deutschland, die sich über den Islam und das Christentum austauschen wollten. Die Muslime sprachen türkisch, die Christen deutsch – und die Übersetzer kamen ins Schwitzen. Ein Wörterbuch für die Grundbegriffe der jeweiligen Religion gab es nämlich nicht. Jetzt ist der Büchermarkt um ein Lexikon reicher, das allen, die sich für den Dialog interessieren, wärmstens empfohlen sein soll. Das „Lexikon des Dialogs“ ist eine theologische Pionierarbeit. Erstmals stehen die christliche und die muslimische Sicht zu Grundbegriffen des jeweiligen Glaubens nebeneinander, wobei nicht jedes Stichwort auch von beiden Seiten erklärt wird. Welche Begriffe in den Kanon aufgenommen wurden, hatte jede Seite für sich entschieden. So darf es nicht wundern, dass es für „Himmel“ nur eine christliche Erklärung gibt. Wer sich trotzdem über Jenseitsvorstellungen im Islam schlau machen möchte, sollte bei „Paradies“ nachschlagen oder eben bei „Hölle“. Sieben Jahre lang haben 24 christliche Theologen aus Deutschland und 54 muslimische Theologen aus der Türkei an dem Lexikon gearbeitet. Zu empfehlen ist es nicht nur für die zielgerichtete Suche nach dialogrelevanten Themen wie „Absolutheitsanspruch“, „Frauenbild“ oder „Konversion“. Das Lexikon kann auch als wunderbarer Schmöker genutzt werden. Wer einfach mal nach Lust und Laune von Stichwort zu Stichwort springt, kann beispielsweise die feinen Unterschiede zwischen muslimischen und christlichen Engeln entdecken, in die jeweilige Welt der Wunder einsteigen oder die Gemeinsamkeiten beim Fasten ausmachen. Auf der theologischen Ebene gibt es zwischen Christentum und Islam sowieso mehr Gemeinsamkeiten als allgemein bekannt. Viele Unterschiede, die das Zusammenleben manchmal schwer machen, liegen im kulturellen Bereich. So darf beispielsweise nicht verwundern, dass unter den Stichworten „Kopftuch“ oder „Hijab“ nur ein Verweis auf „Kleiderordnung“ zu finden ist. Und auch dort geht nur der christliche Vertreter auf die Verschleierung der Frau während des Gottesdienstes ein. Der islamische Kollege geht in seinem kurzen Artikel zur Kleiderordnung überhaupt nicht auf das Kopftuch ein. Das macht stutzig und führt zu der Vermutung, dass das Thema im Gegensatz zur deutschen Debatte um das Kopftuch für die islamische Theologie vielleicht überhaupt keines ist. Kurzum: Dem Lexikon ist eine breite Leserschaft zu wünschen. Die kurzen und verständlich geschriebenen Artikel sind nicht nur für Theologen und Religionswissenschaftler gewinnbringend. Jeder, der privat oder beruflich mit Menschen aus der jeweils anderen Religion zu tun hat, kann darin auf unaufgeregte Weise etwas lernen – auch über die eigene Religion. Katja Dorothea Buck 13 INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN RESPEKT, WÜRDE UND BÜRGERRECHTE FÜR ALLE Der Rat der Religionsoberhäupter in Israel Israel ist das, was man vielleicht eine sich voneinander abschottende Gesellschaft nennen könnte. Trotzdem gibt es bezogen auf die Größe des Landes mehr interreligiöses Engagement als irgendwo sonst auf der Welt. A ls sei es ein Gesetz, leben in Israel nicht nur Araber und Juden voneinander getrennt. Innerhalb der arabischen Gesellschaft gibt es fast rein drusische, muslimische oder christliche Dörfer. Und in jüdischen Städten findet man Viertel, in denen überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich entweder religiös orientierte, säkulare oder ultraorthodoxe Bewohner leben. Die große Mehrheit der Israelis wird es wohl nicht wissen, doch gibt es in Israel wahrscheinlich mehr interreligiöse Begegnungen als irgendwo sonst auf der Welt, wenn man betrachtet, wie klein das Land eigentlich ist. Die meisten Juden, Christen und Muslime, die sich im interreligiösen Dialog engagieren, sind durch ihr Studium oder ihren Beruf dazugekommen, es sei denn, sie haben einen westlichen Hintergrund. Der Interreligiöse Koordinierungsrat von Israel (ICCI) umfasst etwa 70 Organisationen, die meisten davon mit Sitz in Jerusalem, die sich für ein besseres Verständnis zwischen Christen, Juden und Muslimen einsetzen. Zur interreligiösen Begegnungsgesellschaft in Israel gehören Basisorganisationen mit verschiedenen religiösen Hintergründen aus dem ganzen Land. Diese Aktivitäten gehen nicht nur von Dozenten und Akademikern aus, sondern auch von Vertretern von Kirchen und christlichen Institutionen aus der ganzen Welt, 14 die Mehrheit sind diejenigen, die als ­Multiplikatoren für Pilger, Touristen, Bildungseinrichtungen oder Glaubensgemeinschaften arbeiten. Bis vor kurzem waren kaum jüdische und muslimische Gemeinden Teil dieser Aktivitäten. In den vergangenen fünfzehn Jahren haben sich die Dinge aber geändert. Eine wichtige Rolle hat dabei der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Heiligen Land im Jahr 2000 gespielt. Vor etwa sechs Jahren wurde erstmals überhaupt ein Rat der Religionsoberhäupter in Israel gegründet. In ihm sind all die vielen verschiedenen religiösen Gemeinschaften, ob sie offiziell oder nur halboffiziell vom Staat anerkannt sind, vertreten. Der Rat hat das Ziel, die Kommunikation miteinander, das Wissen übereinander und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften in Israel zu stärken. Seit Beginn gibt es einmal im Jahr ein großes Treffen, bei dem Hunderte von offiziellen Religionsvertretern von jüdischer und muslimischer Seite sowie aus den einigen Dutzend christlichen Gemeinden zusammenkommen. Auch kommen Vertreter von kleinen Gemeinschaften wie den Samaritanern, Baha’is oder der Ahmadiyya. Zur ersten Konferenz lud das Oberrabbinat von Israel ein. Später richteten die muslimische Gemeinde von Kfar Kara und Shfaram, die drusische Gemeinde im Heiligen Schrein des Nabi Shueib, die christliche Gemeinde im Domus Galiläa auf dem Berg der Seligpreisungen, sowie die Baha’i- Gemeinde in ihrem Welt-Zentrum in Haifa die Treffen aus. Foto: Uwe Gräbe Von rechts nach links: Rabbi David Rosen zusammen mit Pfarrer Uwe Gräbe (damals evangelischer Propst in Jerusalem), Haj Ibrahim Abu El-Hawa und Eliyahu McLean von den Jerusalem Peacemakers Neben dem Engagement für ein tieferes Verständnis von und zwischen den Religionsgemeinschaften arbeitet der Rat auch auf der Basis gemeinsamer Werte und gemeinsamer sozialer Themen zusammen. Im Mittelpunkt dieser Zusammenarbeit steht der Kampf gegen Bigotterie, Diffamierung sowie gegen alle Angriffe auf heilige Stätten oder religiösen Besitz. Im Fall von gewalttägigen Auseinandersetzungen bringt er führende Religionsvertreter zusammen und bringt gleichzeitig die Solidarität gegenüber der betroffenen Gemeinde zum Ausdruck gebracht. Vielleicht ist das Wichtigste am Rat der Religionsoberhäupter, dass er als Zeugnis dafür dient, was Israel vorgibt, sein zu wol- len und für dessen Garantie es noch viel mehr kämpfen muss, nämlich ein Staat des jüdischen Volkes, in dem alle zugehörigen Religionen und deren Anhänger mit Respekt, Würde und vollen Bürgerrechten behandelt werden. Rabbi David Rosen engagiert sich in zahlreichen Organisationen für die Beziehungen zwischen Judentum und den anderen Weltreligionen. Unter anderem ist er Berater für interreligiöse Angelegen­ heiten beim Oberrabbinat Israels, Direktoriumsmitglied beim King Abdullah Ibn Abd al-Aziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue sowie Co-Präsident der World Conference of Religions for Peace. 15 INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN GROSSER BEITRAG EINER KLEINEN INSTITUTION Das Engagement der NEST für den Dialog im Libanon Der kleine Libanon ist im Nahen Osten eine Besonderheit. Verschiedene Gemeinschaften von Muslimen, Christen und Angehörigen anderer Religionen sind hier beheimatet. Jede ist wiederum gespalten in eine Vielzahl unterschiedlicher Konfessionen oder Sekten. Die Near East School of Theology (NEST) baut Brücken zwischen ihnen. C hristen werden im Libanon von orthodoxen Kirchen (syrisch, armenisch, griechisch), von verschiedenen mit Rom unierten Kirchen (vor allem Maroniten) und von einer kleinen Anzahl von protestantischen Kirchen repräsentiert. Libanesische Muslime wiederum sind vor allem Sunniten oder Schiiten. Daneben gibt es aber auch noch einige Seitenlinien des Islams wie zum Beispiel die Drusen und die Alawiten. Kurzum: Im Libanon leben und arbeiten Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen zusammen. Das führt manchmal zu Konflikten, der schlimmste war der libanesische Bürgerkrieg von 1975 bis 1990. Und in jüngster Zeit erfasst die syrische Tragödie immer mehr den Libanon, was zu Zusammenstößen zwischen Sunniten und Schiiten führt. Aber sowohl auf muslimischer als auch auf christlicher Seite gibt es viele Menschen, denen bewusst ist, dass ein guter Dialog zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen für den Libanon überlebenswichtig ist. Sie setzen sich für eine offene, interreligiöse Kommunikation ein und versuchen, Brücken des Verständnisses und des Vertrauens zu bauen. Sie glau16 ben daran, dass der respektvolle Austausch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede für alle Libanesen ein Vorbild für das friedliche Zusammenleben und für Konfliktlösung ist. Für diese Überzeugung ist auf christlicher Seite die Near East School of Theology (NEST) in Beirut bekannt. Seit vielen Jahrzehnten bildet sie Führungskräfte für die presbyterianische, anglikanische, lutherische und armenisch-evangelische Kirche im Nahen Osten aus. Der Lehrplan beinhaltet verschiedene Seminare zum Islam und zu den christlich-muslimischen Beziehungen. Diese Kurse sind nicht nur ein Muss für Theologie-Studierende, welche Pfarrer im Nahen Osten werden wollen, sie werden auch von angehenden Theologinnen und Theologen aus dem Westen, vor allem aus Deutschland, besucht. Diese kommen im Rahmen des Studiums im Mittleren Osten (SiMO) für ein Jahr an die NEST. Seminare wie „Einführung in den Islam“ oder „ChristlichMuslimische Beziehungen“ helfen den Studierenden nicht nur Geschichte, Glaubensinhalte und religiöse Praktiken des Islam kennenzulernen. Sie lernen dabei auch, wie sie die Wirklichkeiten des Islams Daneben organisiert die NEST eine Reihe von Exkursionen. Kürzlich haben wir beispielsweise in Sidon zwei Moscheen besucht und ­wurden von Scheich Muhammad Abu Zaid empfangen. Er erklärte uns die verschiedenen Merkmale eines islamischen Gottesdienstes. Außerdem konnten wir beim Freitagsgebet dabei sein. Beim Besuch der Islamischen Universität in Khaldeh führte uns Scheich Muhammad Choukeir in die schiitische Sicht auf die islamische Geschichte und Theologie ein. Foto: NEST Teilnehmende eines NEST-Seminars werden im Januar 2014 von Scheich Muhammed Choukeir an der Islamischen Universität in Khaldeh empfangen. in ihre christliche Theologie integrieren und wie sie Freundschaft zu ihren muslimischen Nachbarn knüpfen können. Diese islamkundlichen Seminare werden zwar von einem christlichen Professor an der NEST gegeben, doch kommen auch immer wieder muslimische Dozenten zu Besuch und bringen eine islamische Sichtweise auf verschiedene Themen ein. Erst kürzlich hat Scheich Muhammad Abu Zaid, oberster sunnitischer Richter in Sidon, uns besucht. Er erklärte, wie wichtig das Konzept der Umma (Gemeinschaft) für libanesische Muslime ist. Die Privatdozentin Hosn Abboud zeigte uns die Herausforderung des konservativen Islams für muslimische Frauen auf. Tarif Khalidi, Professor an der American University of Beirut, diskutierte mit uns die Wichtigkeit, welche der Prophet Jesus in der klassischen sufischen Literatur hat. Des Weiteren stellen beim „Forum für christlich-muslimischen Austausch“ muslimische und christliche Dozenten etwa einmal im Semester verschiedene theologische Aspekte vor. Muslimische Referenten werden außerdem oft als Referenten für die öffentlichen Vorlesungen an der NEST eingeladen oder schreiben für die Theological Review, die akademische Zeitschrift der NEST. Sicherlich ist die NEST nur eine kleine Hochschule, ihr Beitrag zur Stärkung des Dialogs und des Verständnisses zwischen Christen und Muslimen im Libanon ist aber wesentlich umfangreicher als ihre institutionelle Größe! Pfarrer Dr. Peter Ford ist Lehrbeauftragter für Islamkunde an der NEST und Redaktionsmitglied der Theological Review. 17 INTERRELIGIÖSER NAHER OSTEN DIALOG HAT IMMER EINEN KONTEXT Foto: NEST 15 Jahre „Studium im Mittleren Osten“ Eine Gruppe aus der NEST besucht die Hariri-Moschee in Sidon. Wer erlebt hat, wie unterschiedlich sich das christlich-muslimische Verhältnis in Bochum-Stahlhausen, Leipzig oder Tübingen gestaltet, mag ahnen, welch große Divergenzen zwischen verschiedenen Orten im Nahen Osten bestehen, wo Christen und Muslime seit vielen Jahrhunderten zusammenleben. An der Near East School of Theology (NEST) in Beirut lernen deutsche Studierende neue Aspekte des Dialogs kennen. W arum wird im Libanon der Islam zunächst durch christliche Lehrer vermittelt? Und warum öffnen sich christliche Bildungseinrichtungen nicht viel mehr für ihre muslimischen Nachbarn?“, fragte mich kürzlich eine junge deutsche Theologiestudentin an (NEST). Ich versuche, ihr zu erklären, dass das christlich-muslimische 18 Verhältnis im Libanon zuallererst das Ergebnis eines jahrhundertelangen Ringens ist, bei dem die Existenz von einigen der daran beteiligten Akteure mehr als einmal auf dem Spiel stand. Deswegen geht dem Dialog mit den Anderen immer die Selbstvergewisserung in der eigenen Gemeinschaft voraus: Was ist möglich, was wäre grenzverletzend oder stellt sogar eine Gefährdung derer dar, denen meine Loyalität zuerst gilt? Je kleiner eine Gemeinschaft ist, und die Protestanten im Libanon sind eine sehr kleine Gemeinschaft, umso nachdrücklicher werden solche Fragen gestellt. Die christlich-muslimische Begegnung hat im Nahen Osten eine Tradition von dreizehn Jahrhunderten. Hohe Ausdifferenzierungen sind entstanden, die mit Loyalität, Identität, Zugehörigkeit zu Familien- und Konfessionsverbänden und nicht zuletzt mit dem Überleben der eigenen Gemeinschaft zu tun haben können. Ganz andere Regeln gelten im Norden Europas, wo jahrhundertelang nur eine Religion unangefochtene Bezugsgröße war und wo sich die Gesellschaften erst seit kurzem für die Begegnung mit Angehörigen anderer Religionen öffnen. Das Programm „Studium im Mittleren Osten“ (SiMO), für das sich Studierende über die Evangelische Mission in Solidarität (EMS) bewerben können, hat sich vor 15 Jahren bewusst für die Partnerschaft mit der NEST, einer relativ kleinen protestantischen Ausbildungsstätte im Libanon, entschieden. Seit diesem Jahr ist das SiMO, vertreten durch die EMS, offiziell beratendes Mitglied im Verwaltungsrat der NEST. Die Loyalität, welche aus einer solchen „Familienzugehörigkeit“ resultiert, macht den christlich-muslimischen Dialog zum „Dialog des Lebens“. Er wird immer wieder rückbezogen auf das Ergehen der eigenen Gemeinschaft. Wie viel in diesem Rahmen möglich ist, zeigt sich beispielhaft an den lebendigen Begegnungen ­zwischen der NEST und einer Moscheegemeinde in der libanesischen Hafenstadt Sidon. Dass dieser Dialog nie individuell und unvermittelt beginnt, sondern stets im Kontext eines komplexen Gesellschaftsgefüges steht, ist eine Erfahrung, die noch vielen Studierenden gegönnt sein möge. Uwe Gräbe Weitere Informationen unter: www.ems-online.org/weltweit-aktiv/studienprogramme/ EUROPA UND SEINE MUSLIME Mit ihrer Veröffentlichung „Islam in Europa – Zum Verhältnis von Religion und Verfassung“ wagt sich die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) an ein aktuelles und kontrovers diskutiertes Thema. Zwar taugt das schmale Heft kaum zum Einstieg in die Gesamtthematik. Überblicksartikel fehlen gänzlich. Für wen das Thema aber kein Neuland ist, den belohnt die Durchquerung der gehaltvollen Bleiwüste mit interessanten Überlegungen und klugen Argumenten. Allein wegen des Artikels von Mustafa Ceric´, der in zahl- reichen internationalen Kontexten für den Dialog mit anderen Religionen eintritt, lohnt sich die Anschaffung. Der muslimische Theologe mit bosnischen Wurzeln geht der Frage nach, wie die Gemeinschaft der Muslime in Europa, die ja von religiösen Normen zusammengehalten wird, Teil der europäischen Zivilgesellschaft werden kann. Diese hingegen wird vom gemeinsamen Interesse am Gemeinwohl zusammengehalten. Mit wohltuender Klarheit plädiert Ceric´ für einen muslimischen Gesellschaftsvertrag in Europa, der sowohl Rechte als auch Pflichten der in Europa lebenden Muslime definiert. (kb) Friedmann Eißler, Michael Borchard (Hg.): Islam in Europa – Zum Verhältnis von Religion und Verfassung EZW-Texte 227, Berlin 2013, 108 Seiten, gegen Spende 19 NACHRICHTEN AUS DER SCHNELLER-ARBEIT PALMSONNTAG, KARFREITAG UND OSTERN Besonderer Festgottesdienst an der Johann-Ludwig-Schneller-Schule Vor den Osterferien haben die Internatskinder und Mitarbeitende der JLSS einen Schulgottesdienst gefeiert. Und was das für ein Gottesdienst war! Nacheinander klangen in der Liturgie der Palmsonntag, der Karfreitag und Ostern an. D er Gottesdienst, zu dem christliche und muslimische Kinder gekommen sind, beginnt mit einem Loblied auf Jesus. Auch einige Flüchtlingsfrauen aus Syrien sitzen in der Kirche. Die Schule hat sie in ihre Ausbildungsprogramme aufgenommen. Die Frauen tragen Kopftücher, sind sunnitische Muslimas. Inbrünstig singen sie mit. Nach dem Eingangsgebet erklingt in arabischer Sprache das fröhliche „Hosianna“ des Palmsonntags aus Jerusalem. Und schließlich das tieftraurige „Wa-Habibi“ („Du, mein Geliebter“), welches für mich zu den schönsten Elementen des arabischen christlichen Liedguts gehört. Foto: EMS/Martina Waiblinger Nach den Lesungen zum Karfreitag wird es feierlich: Der junge Erzieher, der in diesem Jahr das Osterevangelium lesen darf, hat seinen besten Anzug angezogen. Er liest Johannes 20,1-18, die Erzählung von Maria aus Magdala am leeren Grab. Dann trete ich ans Pult. Nach ein paar einleitenden Sätzen auf Arabisch (die Kinder amüsieren sich über meine Aussprache!) fahre ich auf Englisch fort. George Haddad übersetzt. Ich spreche davon, wie wichtig es auch heute ist, in dem vermeintlichen Gärtner den lebendigen Christus zu erkennen. Wie oft meinen wir genau zu wissen, wer der andere ist, dem wir begegnen: der Angehörige einer anderen Religion, einer anderen Nation oder einfach einer anderen Familie, die im Dorf unbeliebt ist. Wenn wir in diesem Anderen Christus selbst erkennen, dann haben wir uns auf den Weg gemacht, der vom Karfreitag zum Ostersonntag führt. Nach der Predigt bin ich ein bisschen unsicher: War das vor den muslimischen Kindern vielleicht schon zu christlich gesagt? Gerade sie scheinen mich aber verstanden zu haben. Am Ausgang erhalte ich viele herzliche Reaktionen. Jedes Kind bekommt noch ein großes Osterei aus Schokolade. Es wundert mich, dass die Verpackungen nicht gleich aufgerissen werden. „Ach nein“, sagte ein Mädchen, „das verwahren wir noch ein paar Tage. Das richtige Ostern ist doch erst am Sonntag!“ An der Schneller-Schule im Libanon gehen christliche und muslimische Kinder zusammen in den Gottesdienst. 20 Uwe Gräbe Foto: Rolf Bartel Der alte Kessel mit dem alten Brenner im Keller der Schule. HEIZUNG SOLL EFFIZIENTER WERDEN Khirbet Kanafar (JLSS/EVS). Die JohannLudwig-Schneller-Schule (JLSS) bekommt ein neues Heizsystem. Dabei bekommt sie Unterstützung von den Stadtwerken Waiblingen, die im Frühjahr Rolf Bartel, den Leiter der Wärme- und Energieerzeugung, in den Libanon geschickt hat. Vor einem Jahr war Bartel schon einmal an der Schule, um sich ein Bild von der bisherigen Heiztechnik zu machen. Als „archaisch“ beschreibt er die bisherige Anlage. Bartel erarbeitete Pläne und überlegte, mit welchen Maßnahmen der Verbrauch von Heizöl gesenkt und die Stunden, in denen die Gebäude geheizt werden können, ausgeweitet werden können. Im Sommer sollen nun ein neuer Brenner, ein neuer Kessel und auch eine ganz neue System- technik eingebaut werden, mit der zum Beispiel auch die bereits seit einigen Jahren vorhandene Solaranlage optimal ausgenutzt werden kann. „Mit relativ kleinen Mitteln lassen sich da schon große Schritte machen“, sagt Bartel, der jetzt im Libanon zusammen mit Mitarbeitenden der Schule nach Geräten gesucht hat, die auf dem lokalen Markt zur Verfügung stehen. „Es macht wenig Sinn, alles aus Deutschland einzufliegen“, sagt der Energiefachmann. Lokale Kräfte sollen schließlich hinterher auch die Anlage warten können. „Ich kann mir gut vorstellen, dass das die Leute an der Schule selbst schaffen“, sagt Bartel, der insgesamt einen positiven Eindruck von der Einrichtung hat. Der Kontakt zu Rolf Bartel war über Helmut Hekmann, Geschäftsführer des Berufsbildungswerks Waiblingen i. R. und Berater für die Berufsausbildung im Vorstand des Evangelischen Vereins für die Schneller-Schulen (EVS) zustande gekommen. Die Schneller-Stiftung – Erziehung zum Frieden hat sich bereit erklärt, die Schule bei diesem Projekt finanziell zu unterstützen. George Haddad, der Schulleiter, ist dankbar, dass die Schule nun eine sparsamere Heizung bekommen wird. „Wir beginnen mit der Arbeit, sobald es warm genug ist, damit wir die alte Zentralheizung abschalten können“, sagt er. Bis zum Ende der Sommerferien wolle man fertig sein. Er hoffe, dass Rolf Bartel im August oder Anfang September noch einmal an die Schule kommen könne, um zu überprüfen, ob alles richtig installiert wurde und um das Projekt abzuschließen. „Wir danken ihm und allen Beteiligten für die Unterstützung. Die Kinder und wir alle an der Schule werden sehr von diesen Neuerungen profitieren.“ 21 NACHRICHTEN AUS DER SCHNELLER-ARBEIT rität (EMS) getragen. Viele Bewerbungen gingen ein trotz der unsicheren politischen Situation im Libanon. Foto: Beck/privat Gewählt wurde Dorothee Beck aus Fellbach. Die 38-jährige Erzieherin ist für den EVS keine Unbekannte: 2011/12 war sie am Kindergarten der Theodor-SchnellerSchule in Jordanien tätig und entwickelte dort mit den Erzieherinnen besondere Programme für die pädagogische Arbeit. Anschließend war sie für ein Jahr wieder in Fellbach tätig und zog im September 2013 nach Berlin, wo sie neben ihrer Arbeit als Erzieherin auch ein Kunststudium aufnahm. Dorothee Beck wird ab Herbst das Internat der Schneller-Schule im Libanon leiten DOROTHEE BECK WIRD ERZIEHUNGSLEITERIN Stuttgart (EVS). Bisher ist die Internatsleitung Teil der Aufgabe des Direktors der Johann-Ludwig-Schneller-Schule. Das ist wenig effizient für die Gesamtschule und der pädagogischen Fortentwicklung nicht zuträglich. Deswegen braucht es an dieser Stelle eine mittlere Leitungsebene. Vor einiger Zeit erhielt der Evangelische Verein für die Schneller-Schulen (EVS) die Anfrage der JLSS und ihrer Trägerkirche, der Nationalen Evangelischen Kirche von Beirut, ob nicht die Entsendung eines ökumenischen Mitarbeiters oder einer ökumenischen Mitarbeiterin möglich wäre. Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) war von dieser Idee sofort überzeugt und erklärte sich bereit, 75 Prozent einer solchen Stelle zu finanzieren. Der Rest wird von der Evangelischen Mission in Solida22 Am Internat der JLSS übernimmt Dorothee Beck ab November 2014 die Dienstaufsicht über elf Erzieherinnen und Erzieher, für deren Fortbildung sie auch verantwortlich sein wird. Daneben soll sie die Eltern- und Familienarbeit der JLSS neu organisieren und eine lokale Nachfolgerin einarbeiten, die dann in drei Jahren die Aufgaben übernehmen kann. Wir wünschen Dorothee Beck Glück und Gottes Segen für den Dienst und freuen uns auf die Zusammenarbeit! MIT BEHARRLICHKEIT GEGEN DIE NOT Die Vorschule im Tal der Christen S eit dem vergangenen Januar haben unsere Partner in Syrien mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) im Tal der Christen eine Vorschule für Kinder von Binnenflüchtlingen eröffnet. 35 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren besuchen dort mittlerweile drei Vorschulklassen. Je zur Hälfte sind es christliche und muslimische Kinder. Der Mädchenanteil ist ein bisschen höher. Pfarrer Maan Bitar aus Syrien erzählt von dem mühsamen Aufnahmeprozess. Wie wählt man aus Hunderten von Bedürftigen die Kinder aus, deren Not am größten ist? Ein „Ausschlusskriterium“ ist hart, in Syrien aber wohl sinnvoll: Kinder von kämpfenden Armeeangehörigen oder Milizionären werden nicht aufgenommen. Man will nicht, dass die Vorschule selbst ins Fadenkreuz der jeweils gegnerischen Partei gerät. Außerdem sollten sich diese Väter besser um ihre Kinder kümmern, statt andere Menschen umzubringen. Auch das Personal musste ausgewählt werden. Fast alle Lehrerinnen und das übrige Personal sind selbst Flüchtlinge. An der Vorschule können sie nun wieder ein eigenes Einkommen verdienen. Die neue Köchin hat früher die Küche eines Gourmet-Restaurants in Aleppo geleitet. Sie musste sich kräftig umstellen, erzählt Pfarrer Bitar schmunzelnd. Das traditionelle arabische Bratfett müsse sie jetzt weglassen. Schließlich sollen sich die Kinder gesund ernähren und keinen Cholesterinschock bekommen. Uwe Gräbe Foto: Maan Bitar Mit ihrer restriktiven Visa-Politik verhindern die syrischen Behörden, dass Deutsche die neu gegründete Vorschule im Tal der Christen besuchen können. Uwe Gräbe hat bei seiner letzten Reise im April die verantwortlichen Partner deswegen in Beirut getroffen. Einige der Kinder vor dem Eingang der Schule 23 NACHRICHTEN AUS DER SCHNELLER-ARBEIT GUTE GESCHWISTERLICHE BEZIEHUNGEN Die Arbeit an der Schneller-Schule in Amman läuft erfreulich gut weiter Eine kleine Delegation der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) und des Evangelischen Vereins für die Schneller-Schulen (EVS) ist von Bischof Suheil Dawani in Jerusalem sehr herzlich empfangen worden. Die Episkopale Diözese ist Trägerkirche der Theodor-Schneller-Schule (TSS) in Amman und sehr an einer engen Zusammenarbeit mit EMS und EVS interessiert. die TSS als ihre Einrichtung versteht, für die sie selbst die Verantwortung trägt und Strategien, Programme und Projekte festlegt. Versuche der deutschen Partner, unabhängig von der lokalen Kirchenleitung Projekte an der TSS zu entwickeln, können daher nicht nachhaltig sein. Diese Einsicht musste in der jüngsten Vergangenheit auch durch schmerzhafte Erfahrungen gewonnen werden. Bei Gesprächen mit der Programmkoordinatorin der Diözese, Sawsan ArankiBatato, sowie einem festlichen Mittagessen mit dem Bischof und seinem Sonderberater, Canon John Organ, wurde immer wieder deutlich, wie sehr der Episkopalen Kirche auch in Zukunft an einer engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit mit EMS und EVS gelegen ist. Ebenso klar wurde aber auch, dass die Episkopale Kirche 24 Foto: Episcopal Diocese Z ur Delegation gehörten Pfarrer Klaus Schmid, (Vorsitzender des EVS), Christine Grötzinger (Projekt- und Programmkoordinatorin der EMS), Cathrin Kaufmann (Personalleiterin der EMS) und Pfarrer Uwe Gräbe (Geschäftsführer des EVS und Nahost-Verbindungsreferent der EMS).In Jerusalem empfing der anglikanische Bischof Suheil Dawani die vier als seine besonderen Gäste. Seine Kirche, die Episkopale (d.h. Bischöfliche) Diözese von Jerusalem und dem Mittleren Osten, arbeitet als EMS-Mitgliedskirche in zahlreichen Projekten und Programmen mit der Geschäftsstelle in Stuttgart zusammen. Ein besonderes Gewicht hat dabei die Kooperation zwischen dem EVS und der TSS. So überwältigend die Gastfreundschaft der Geschwister in Jerusalem war, so überraschend waren die Eindrücke an der TSS in Amman, die seit Ende Dezember 2013 keinen festen Direktor hat. Groß war daher die Sorge, eine orientierungslose Einrichtung anzutreffen. In der Tat wurden einzelne pädagogische Projekte nicht fortgeführt. Auch ist der hohe Renovierungsbedarf der Gebäude sichtbar. Insbesondere die Berufsausbildung ist in manchen Bereichen erkennbar einge- schränkt. Das heißt jedoch keinesfalls, dass die TSS orientierungslos wäre! Beherzt hat ein provisorisches Management-Komitee die Leitung der Schule übernommen. Rev. Khalid Freij, der Anstaltspfarrer der TSS, Ibrahim Shaddad, Finanzfachmann des lokalen Verwaltungsrats und Quseir Haddad, Mitarbeiter der Schulverwaltung, sind derzeit damit beschäftigt, die Finanzen der TSS zu konsolidieren. Gleichzeitig wird das Besetzungsverfahren für die Direktorenstelle vorangetrieben. Bereits im September Herzlicher Empfang in Jerusalem (von links nach rechts): Sawsan Aranki-Batato, Christine Grötzinger, Pfarrer Klaus Schmid, Bischof Suheil Dawani, Canon John Organ, Pfarrer Uwe Gräbe und Cathrin Kaufmann möchte Bischof Dawani gemeinsam mit dem EMS-Generalsekretär erneut zur Direktorenwahl einladen. Zugleich füllen andere die Lücken aus, die durch den sich hinziehenden Direktorenwechsel entstanden sind. Hier sind in erster Linie die Leiterin der akademischen Schule, Khalida Messarweh, der Leiter des Gästehauses, Victor Kiddees, sowie der Erziehungsleiter, Bishara Tannous, zu nennen. Drei Deutschlehrerinnen arbeiten mittlerweile an Internat und Schule; immer wieder werden hier neue Projekte entwickelt, während sich die zahlreichen Reisegruppen im Gästehaus gegenseitig die Türklinke in die Hand geben. Besonders beeindruckend ist der partizipatorische Ansatz, mit dem Bishara ­Tannous seine pädagogische Arbeit vorantreibt: So wurde ein Projekt wiederbelebt, in dem sich Schulklassen zu Diskussionsforen treffen, um Fragen des Schullebens zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Alle Erzieherinnen und Erzieher treffen sich zu täglichen Einsatzbesprechungen, um sich kollegial über ihre Arbeit zu beraten. Auch die EMS/EVS-Delegation fand sich plötzlich völlig überrascht in einem Gesprächsforum wieder, in dem die Erzieherinnen und Erzieher hoch engagiert gegenüber Anstaltspfarrer, Schulleiterin, Erziehungsleiter und den deutschen Gästen ihre Anliegen und Vorschläge für die zukünftige Arbeit vorbrachten. Niemand nahm ein Blatt vor den Mund: Die hohen Schülerzahlen pro Klasse wurden ebenso engagiert thematisiert wie der Verfall einiger Gebäude. Es wurde allerdings nicht nur kritisiert, sondern vor allem kreativ nach Lösungen gesucht. Das Besondere an der Runde war: Alle – inklusive der muslimischen Mitarbeitenden – waren an einem Freitag gekommen: an ihrem eigentlich freien Tag! Uwe Gräbe 25 NACHRICHTEN AUS DER SCHNELLER-ARBEIT Plakat DIN A2.pdf 1 M Y MY CY CMY K 07:25 Für syrische Flüchtlingskinder C CM 06.05.14 Der international bekannte Posaunist Armin Rosin spielt zusammen mit dem Konzertorganisten Friedrich Fröschle in der Stadtkirche Giengen Werke für Orgel, Posaune und Alphorn. Der Eintritt ist frei. Spenden werden für syrische Flüchtlingskinder an der Johann-Ludwig-Schneller-Schule im Libanon erbeten. Armin Rosin kennt die Schneller-Schule gut. Im Herbst vergangenen Jahres hat er drei Musik für Orgel, 23. Juli 14 | 19 Uhr Wochen lang den KinStadtkirche Giengen Posaune und Alphorn dern an der Schule die ersten Töne auf verschiemit Armin Rosin Posaune, Alphorn denen BlechblasinstruFriedrich Fröschle Orgel menten beigebracht (s. und SM 1/2014). Außerdem Jugendblasorchester Stadt Giengen sichtete er den Bestand evangelischer Posaunenchor aus gespendeten TromEINTRITT FREI peten, Hörnern, Posauum Spenden wird gebeten nen sowie Tuben und Platzreservierungen: Evangelische Kirchengemeinde Telefon: 0 73 22/93 37 95 reparierte die Instrumit Unterstützung des [email protected] Rotary Clubs Heidenheim-Giengen mente wo nötig. Der Evangelische Verein für die Schneller-Schulen dankt ihm für seine Verbundenheit zu den Kindern an der Schule. Wir freuen uns, wenn viele Schneller-Freunde am 23. Juli zu dem Benefizkonzert nach Giengen kommen. Giengen (EVS). Zu einem Benefizkonzert zugunsten der Schneller-Schule im Libanon laden die Evangelische Kirchengemeinde Giengen mit Unterstützung des Rotary Clubs Heidenheim-Giengen am Mittwoch, 23. Juli 2014 um 19 Uhr ein. Benefizkonzert zu Gunsten der Schneller-Schule im Libanon BENEFIZKONZERT FÜR SYRISCHE FLÜCHTLINGE AN DER SCHNELLER-SCHULE 26 Stuttgart (EVS). Mit Abdallah Frangi hat der Evangelische Verein für die SchnellerSchulen (EVS) einen der prominentesten Politiker aus Palästina als Festredner für die diesjährige Mitgliederversammlung gewinnen können. Als enger Vertrauter Yassir Arafats war Frangi 42 Jahre lang in Deutschland und wurde hier zur Stimme der Palästinenser. Von 1974 an war er offizieller Vertreter der PLO in Bonn und Berlin. Durch seine engen Kontakte zu den maßgebenden Politikern in Deutschland brachte er die Interessenlage des palästinensischen Volkes auf die politische Agenda. Er pflegte unter anderem Verbindungen zu Hans-Jürgen Wischnewski, Joschka Fischer, Hans-Dietrich Genscher und Gerhard Schröder. Frangi wurde 1943 in Beerscheba geboren und wuchs in einer einflussreichen Beduinenfamilie auf. 1948 wurde die Familie aus dem soeben gegründeten Staat Israel nach Gaza vertrieben. Frangi studierte Medizin und Politik in Frankfurt am Main. Bereits während des Studiums wurde er politisch aktiv und setzte sich für die Errichtung eines unabhängigen Staates Palästina ein. Ab 1974 war er offizieller Vertreter der PLO in Deutschland, seit 1993 als Generaldelegierter Palästinas in Bonn und Berlin (bis 2005). Seit 1960 ist Frangi Mitglied der Fatah, in deren Revolutionsrat er 1978 gewählt wurde. Von 2007 bis 2009 war er außenpolitischer Sprecher der Fatah. Seit 2009 ist er persönlicher Berater von Präsident Mahmud Abbas in Gaza. Foto: privat ABDALLAH FRANGI KOMMT ZUR EVS-MITGLIEDERVERSAMMLUNG Der palästinensische Politiker und Diplomat Abdallah Frangi Abdallah Frangi wird am Sonntag, 19. Oktober 2014 bei der EVS-Mitgliederversammlung in der Evangelischen DietrichBonhoeffer-Kirchengemeinde in Ostfildern-Parksiedlung einen Vortrag über den Kampf der Palästinenser um die Anerkennung eines eigenen Staates halten. 27 MIT ALLEN SINNEN ... D ie Produkte aus den SchnellerSchulen erfreuen sich großer Beliebtheit. Das Restaurant Mesopotamien in Ostfildern bezieht beispielsweise den Schneller-Wein schon seit Jahren über die Geschäftsstelle der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS). Bei den Gästen kommt der Wein, der zum Teil auf Schneller-Gelände wächst, sehr gut an. Ein Restaurant-Besucher schreibt im Internet-Forum „Trip Advisor“: „Wärmstens zu empfehlen ist zum Essen auch der libanesische Wein (Johann-LudwigSchneller-Wein) – exzellent im Geschmack bei vernünftigem Preis-Leistungs-Verhältnis. Von dem habe ich mir auch schon mal eine Kiste nach Hause mitgenommen.“ Anselm Kreh, Vorstandsmitglied des EVS, kann ebenfalls die Schneller-Produkte empfehlen. Mehr als drei Jahre war der Arbeitserzieher aus Giengen mit seiner Familie als Ausbildungsleiter an der Johann- Ludwig-Schneller-Schule im Libanon tätig. Heute hält er Vorträge zu den Schulen und verkauft in diesem Zusammenhang gerne Schneller-Wein, Nougat und Olivenölseife. IHRE BESTELLUNG BITTE AN EMS | Vogelsangstr. 62 | 70197 Stuttgart Tel.: Fax: E-Mail: +49 (0) 711 636 78 -71 +49 (0) 711 636 78 -66 [email protected] Falls auch Sie einen Gemeindeabend mit Produkten der Schneller-Schulen gestalten möchten oder ein schönes Geschenk suchen, dann freuen wir uns auf Ihren Besuch in unserem Online-Shop: www.ems-online.org/shop/ Dort finden Sie auch weitere interessante Artikel aus dem Nahen Osten und anderen Ländern der weltweiten EMS-Gemeinschaft. „Der Nougat ist der Renner! So schmeckt der Libanon: süßer Honignougat mit einer Schicht Aprikose. Einfach ein Genuss“, schwärmt Herr Kreh. OLIVENÖL-SEIFE Nach alter Tradition handgefertigt, aus reinem Olivenöl und Soda-Asche. Ohne chemische Zusätze oder Duftstoffe. Die Oliven wachsen auf dem Gelände der Theodor-Schneller-Schule in Amman, Jordanien. Verpackt im attraktiven Brokatsäckchen. Bestell-Nr. 46210 Stück 80 g 2,90 F GENIESSEN! Schneller-Produkte für Sie oder Ihre Gemeinde FRIEDENSTAUBE, ANSTECKPIN Zum 150-jährigen Jubiläum der Schneller-Schulen im Nahen Osten. Das arabische Wort „Salaam“ (Friede) in Form einer Taube, ein zweifaches Friedenssymbol. Geprägt, in Sandkornoptik veredelt, ca. 2 cm Bestell-Nr. 43109 2,50 F SCHNELLER GENUSS eine edle Spezialität, Aprikosennougat aus dem Libanon Zutaten: Pistazien, Vanille, Aprikosen u.a. Bestell-Nr. 42309 10 Stück ca.160g MAGDALENA-SCHNELLERWEIN, CHARDONNAY (WEISS), 2011 Dieser Chardonnay wächst auf 900 Meter Höhe im Bekaa-Tal und wird in jungen Eichenfässern ausgebaut. Bestell-Nr. 42150, 1 Flasche, 0,75 l 12,90 F Bestell-Nr. 42153 3 Flaschen 37,00 F Bestell-Nr. 42156 6 Flaschen 73,00 F Bestell-Nr. 42162 12 Flaschen 145,00 F (falls ausverkauft, liefern wir den nächsten Jahrgang) 3,70 F JOHANN-LUDWIG-SCHNELLERWEIN, CUVÉE (ROT), 2010 Der Prädikatswein aus dem Libanon aus Cabernet-Sauvignon, Syrah und Carignan hat auf der 15. Wein Trophy Berlin eine Goldmedaille gewonnen. Bestell-Nr. 42101 1 Flasche, 0,75 l 7,60 F Bestell-Nr. 42106 6 Flaschen 44,35 F Bestell-Nr. 42112 12 Flaschen 86,25 F MEDIEN Johannes Lähnemann Spiritualität. Multi­ religiös. Begegnung der Religionen in Gebeten, Besinnungen, Liedern EBVerlag, Berlin 2014, Euro 17,90 Wenn Abgrenzung nicht nötig ist Auf ein Vierteljahrhundert gelebter spiritueller Begegnung blickt dieses schöne Buch des unlängst mit dem „HöffmannWissenschaftspreis für Interkulturelle Kompetenz“ ausgezeichneten EVS-Vorstandsmitgliedes Johannes Lähnemann zurück. So lange nämlich laden die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften der Stadt Nürnberg zu gemeinsamen Gebetsstunden ein. Davon sind nun zwanzig dokumentiert. Teilweise bilden Schwerpunktthemen den Fokus dieser Gebete, teilweise sind es konkrete Anlässe wie Jubiläen oder das Gedenken an den 11. September 2001. Es ist ein in gutem Sinne praxistaugliches Buch, denn es macht Lust, mit ­gleichgesinnten Verschiedenen zusammenzukommen und diese spirituellen Texte nachzubeten. In seiner eigenen akribischen Art hat der Herausgeber versucht, die Quellen der Texte zu dokumentieren. Die Transformationen, die manche dieser Glaubensäußerungen durchlaufen haben, mögen diese Arbeit erschwert haben und machen dabei zugleich neugierig auf den Prozess, der dahinter liegt: Wie entsteht die Liturgie einer solchen Gebetstunde, wie einigen sich die Beteiligten auf das, was da gebetet werden soll? 30 In den einleitenden und erläuternden Passagen weist der Herausgeber immer wieder darauf hin, dass hier keine Reli­ gionsvermischung stattfinden soll, dass es sich nicht um interreligiöse, sondern vielmehr um multireligiöse Gebete handelt, in denen die Eigenart des jeweiligen spirituellen Ausdrucks der beteiligten Religionen gewahrt bleibt. Und dennoch stellt sich die Frage, ob es nicht in gewisser Weise eine domestizierte Multireligiosität ist, die hier zum Ausdruck kommt. Die Fremdheit, mit der sich ein Christ beim Besuch einer Moschee, einer Synagoge, oder gar den Tempeln von Buddhisten, Hindus und Baha‘i normalerweise konfrontiert sieht, fehlt hier fast völlig. Auf die veröffentlichten Gebetstexte der Religionen mag sich ein aufgeklärter Christ wohl einlassen. Und umgekehrt wird auch von christlicher Seite darauf verzichtet, die Freundinnen und Freunde aus den anderen Religionsgemeinschaften etwa mit einem trinitarischen Gebet oder der Anrede Jesu als Gottessohn zu konfrontieren. Nur in der Gebetsstunde, in der es explizit um die Symbole der Religionen geht – da kommt dann von christlicher Seite aus auch das Kreuz in seiner Sperrigkeit zur Sprache. Manche der mit Hilfe solcher Symbole auch grafisch der einen oder anderen Religion zugeordneten Texte sind längst Gemeingut verschiedener Gemeinschaften. Warum werden Psalmen in der revidierten Luther-Übersetzung eigentlich durchweg dem Judentum zugeordnet, ein Psalm nach der Übertragung der „Bibel in Gerechter Sprache“ jedoch der evangelischen Tradition? Und kann man einen Kirchentags-Gassenhauer wie „Freunde, dass der Mandelzweig“ wirklich allein aufgrund des jüdischen Autors so eindeutig MEDIEN der jüdischen Tradition zuordnen, wie es hier geschieht? In wie vielen jüdischen Gemeinden wird dieses Lied denn gesungen? An solchen Beispielen wird deutlich: Es sind Menschen, die einander lieb gewonnen haben, deren Stimmen in solchen Gebetsstunden ihren Ausdruck finden. Abgrenzungen sind hier gar nicht mehr notwendig, und das Multireligiöse ist daher – trotz aller anderslautenden Erklärungen – oft nah am Interreligiösen. Aber das schadet nicht. Im Gegenteil: Es mag vielmehr Ausdruck von Gottes Geist sein, der die Betenden bewegt und auf einen eindrucksvollen gemeinsamen Weg gesandt hat. Uwe Gräbe Leserinnen und Leser ein opulentes Gesellschaftsbild: Messianisch-jüdische Eiferer und Biobauern, zur Neo-Orthodoxie bekehrte ehemalige Kibbutznikim und ein gescheiterter Investmentbanker; Angestellte, Studenten und halbtalentierte Musiker aus der Stadt, die hier eine billige Wohnung gefunden haben; Jugendliche, deren durch eine strikte Religiosität domestizierte Pubertät sich in den Weiten der Internet-Kommunikation immer wieder Bahn bricht – sie alle haben hier ihren Auftritt mitsamt ihrer Lebensgeschichten. Dabei wird deutlich: Was da geschieht, das geschieht nicht nur auf einem entlegenen Hügel, sondern ist weit verzweigt in die israelische Gesellschaft und in das Weltgeschehen hinein. Tanz auf dem Vulkan Man muss die israelische Gesellschaft und ihre Sprache gut kennen, um die zahlreichen, feinen Anspielungen zu ­verstehen: Warum der amerikanische Multimillionär, der das Unternehmen sponsert, ausgerechnet „Sheldon Mamelstein“ heißt und warum es gerade ein gewisser „Sasson“ ist, der hier sein Kamel durchs Dorf treibt. Und wenn der martialisch auftretende Hilltop-Jugendliche auf seinem Pferd, der versucht, das Dorf zu mehr religiösem Eifer anzutreiben, ausgerechnet den Namen „Jehu“ trägt, dann ist es gut, die Bibel zu kennen. Sonst versteht man die Anspielung nicht. Irgendwo in den Hügeln des Westjordanlandes entsteht, von den israelischen Behörden zunächst nur halbherzig ­geduldet, ein Siedlungsaußenposten. Die dann folgenden 540 Seiten des Romans beschreiben im Rhythmus der Jahreszeiten zum einen das stetige Wachsen der Siedlung entgegen allen (halbherzigen) Räumungsversuchen der Regierung. Andererseits entfaltet sich vor den Augen der In manchen Rezensionen zu diesem Roman wurde die Frage gestellt: Darf man ein Politikum wie den israelischen Siedlungsbau auf eine solch allzu menschliche Ebene herunterbrechen? Besteht dabei nicht die Gefahr der Verharmlosung? Assaf Gavron hegt keine Sympathien für die Siedlerbewegung. Das wird aus seiner mitreißenden Ironie, die zuweilen an Sarkasmus grenzt, deutlich. Letztlich bleibt Assaf Gavron Auf fremdem Land aus dem Hebräischen von Barbara Linner Roman Luchterhand München 2013 31 MEDIEN er aber der Perspektive des abgeklärten Intellektuellen aus Tel Aviv verhaftet. Für ihn sind die Akteure in den Hügeln zwar Verrückte, aber nicht wirklich gefährlich. Ganz deutlich wird dies in einer der beiden Schlüsselszenen, als die fanatische jüdische Siedlerin, der palästinensische Olivenbauer und der gescheiterte Geschäftsmann unter den Augen linker Friedensaktivisten in die Schaufel eines angerückten Armeebulldozers springen, um so die Entwurzelung von Olivenbäumen zum Bau der berüchtigten Sperranlage zu verhindern. Die zweite Schlüsselszene findet sich kurz vor Schluss des Buches in Form eines Purimfestes, welches sich zum alkoholgeschwängerten Tanz auf dem Vulkan steigert, während die israelische Armee scheinbar endgültig zur Räumung der Siedlung aufmarschiert. Es sind die Palästinenser des Nachbardorfes, die in dieser Situation die Aufmerksamkeit der Armee auf sich lenken und dem Räumungsversuch dadurch abermals ein Ende setzen. Hier offenbart sich eine weitere Schwäche des Romans: So ausgefeilt die Charakterstudien der israelischen Akteure sind, so holzschnittartig bleiben die Palästinenser. Auch dies ist offenbar der Tel Aviver Perspektive des Autors geschuldet. Den Lesegenuss an diesem opulenten Werk schmälert es hingegen nicht. Uwe Gräbe Hamed Abdel-Samad Der islamische Faschismus – Eine Analyse Droemer Verlag 2014 224 Seiten, 18 Euro Steile Thesen Hamed Abdel-Samads neuestes Buch ist ein Kracher – und das soll es auch sein. Der aus Ägypten stammende Politologe vertritt die These, dass Islamismus und Faschismus nicht nur zeitgleich – nämlich in den 1920er Jahren – entstanden sind, sondern dass sie sich auch in Organisationsstruktur, Führerkult und Absolutheitsanspruch ähneln. Ein interessanter Vergleich angesichts des Desasters, das Muslimbrüder, Dschihadisten, SchababMilizen, Al-Qaida oder wie die islamistischen Terrorgruppen alle heißen, derzeit weltweit anrichten. Abdel-Samad geht aber noch weiter und meint im Ur-Islam bereits faschistoide Grundzüge zu erkennen, die letztendlich zum modernen Islamismus geführt hätten. Der Islam eine in sich faschistoide Religion? Das erinnert an die europäische Religionskritik im 19. Jahrhundert, als Feuerbach, Marx und Nietzsche am Christentum kein gutes Haar mehr ließen. Abdel-Samad, der von sich selbst sagt, er sei früher einmal Islamist gewesen, darf eine derart steile These verfechten. Kritik an der eigenen Religion muss möglich sein. Dass namhafte und einflussreiche Islamisten in Ägypten zum Mord an dem Autoren aufrufen, ist nicht nur ein makabrer Treppenwitz der Geschichte. Es zeigt, 32 MEDIEN IMPRESSUM welche Gesinnung sich unter dem Deckmantel des Islamismus verbergen kann. Dem Autoren, der auch in Deutschland sich nur mit Personenschutz fortbewegen kann, sollte unsere uneingeschränkte Solidarität gelten. Das heißt aber noch lange nicht, dass man deswegen der Argumentation Abdel-Samads uneingeschränkt folgen sollte. Insbesondere Nicht-Muslime sollten vorsichtig sein und sich klar machen, dass sie als Außenstehende den Islam nicht auf gleiche Weise kritisieren können, wie jemand, der in diesem Glauben aufgewachsen ist. „Der islamische Faschismus“ ist ein lesenswertes Buch, solange man es als das versteht, was es ist: ein Beitrag zur innerislamischen Dis­ kussion um Wesen und Wert von Religion. Katja Dorothea Buck 129. Jahrgang Heft 2, Juni 2014 Herausgeber: Evangelischer Verein für die Schneller-Schulen e.V. (EVS) in der Evangelischen Mission in Solidarität e.V. (EMS) Redaktion: Katja Dorothea Buck (verantwortlich), Ursula Feist, Dr. Uwe Gräbe Anschrift: Vogelsangstraße 62 70197 Stuttgart Tel.: 0711 636 78 -0 Fax: 0711 636 78 -45 E-Mail: [email protected] www.evs-online.org Sitz des Vereins: Stuttgart Gestaltung: B|FACTOR GmbH Druck: Buch- und Offsetdruckerei Paul Schürrle GmbH & Co KG, Plieningen Auflage: 14.700 Dank! Mit herzlichem Dank bestätigen wir den Eingang von Gaben unbekannter Spenderinnen und Spender und von Spendenden, die keinen Einzeldank wünschen, sowie von denjenigen, deren Name leider unleserlich war. Kontaktadresse Schweizer Verein für die Schneller-Schulen im Nahen Osten (SVS): Pfr. Ursus Waldmeier, Rütmattstrasse 13, CH-5004 Aarau PC Konto 30-507790-7 CH05 8148 8000 0046 6023 2 www.schnellerschulen.org Das Schneller-Magazin erscheint vier Mal jährlich. Der Bezugspreis ist sowohl im EVS-Mitgliedsbeitrag als auch im SVS-Jahresbeitrag enthalten. Englisches Schneller-Magazin online: www.ems-online.org/en/schneller-magazine 33 Der Evangelische Verein für die Schneller-Schulen (EVS) ist Mitglied in der Evangelischen Mission in Solidarität e.V. 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