Zellwachstum reguliert genetische Schaltkreise - Max-Planck

Werbung
MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT
Presseinformation
B / 2010 (13)
27. Januar 2010
Zellwachstum reguliert genetische Schaltkreise
Max-Planck-Forscher finden Erklärung dafür, warum genetisch identische
Zellen unterschiedlich schnell wachsen können
Genetische Schaltkreise kontrollieren die Aktivität von Genen und damit die
Funktion von Zellen und Organismen. Wissenschaftler vom Max-PlanckInstitut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und der
University of California in San Diego zeigen, wie Wachstumseffekte die
genetischen Schaltkreise in einer Bakterienzelle beeinflussen. Demnach
können Gene auch ohne Regulierung unterschiedlich aktiv sein - je
nachdem, ob sie in schnell oder langsam wachsenden Zellen in Proteine
übersetzt werden. Mit diesen Ergebnissen können die Forscher besser
verstehen, wie Zellen ihre Gene regulieren, und so künftig künstliche
genetische Schaltkreise entwickeln. (Cell, 24. Dezember 2009)
Schaltkreise kommen nicht nur in CD-Playern, Kaffeemaschinen oder Autos vor,
sondern auch in lebenden Zellen - in diesem Fall als "genetische Schaltkreise".
Sie bestehen aus einem Netzwerk unterschiedlicher Gene, die sich gegenseitig
stimulieren oder hemmen können. Mit Hilfe solcher Schaltkreise kann eine Zelle
Gene an- oder abschalten und so kontrollieren, welche Proteine sie produziert.
Genetische Schaltkreise hängen jedoch auch von der Zelle als Ganzes ab, die
ausreichend Ressourcen für die Bildung von Proteinen zur Verfügung stellen
muss. So kann das Standard-Laborbakterium Escherichia coli seine optimale
Generationszeit von 20 Minuten auf bis zu einige Stunden ausdehnen, wenn die
Nahrung knapp ist. Dies verändert nahezu alle Eigenschaften der Bakterienzellen,
wie Größe oder chemische Zusammensetzung.
Proteinkonzentration unregulierter Gene sinkt bei schnellerem Wachstum
Die Wissenschaftler demonstrieren mit einem Theoriemodell sowie einfachen
synthetischen genetischen Schaltkreisen in Bakterien, dass die
Wachstumsgeschwindigkeit die Aktivität von Genen und damit die genetischen
Schaltkreise entscheidend beeinflusst. "Wir haben uns gefragt, wie die Aktivität
eines hypothetischen Gens, das überhaupt nicht reguliert wird, vom Wachstum
eines Bakteriums abhängt. Dieser Zusammenhang muss nämlich berücksichtigt
werden, wenn man in Experimenten eine Änderung der Genexpression feststellt",
sagt Stefan Klumpp, Nachwuchsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für
Kolloid- und Grenzflächenforschung.
Veränderungen innerhalb der Zelle wirken sich auf mehrere Arten auf die
Konzentration an Proteinen aus. So sind in schneller wachsenden Zellen mehr
RNA-Polymerasen für die Transkription von Genen vorhanden. Auf diese Weise
kann das Gen häufiger ausgelesen werden. Gleichzeitig steht aber weniger Zeit
Max-Planck-Gesellschaft
zur Förderung
der Wissenschaften e.V.
Referat für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit
Hofgartenstraße 8
80539 München
Postfach 10 10 62
80084 München
Tel.: +49 (0)89 2108 - 1276
Fax: +49 (0)89 2108 - 1207
[email protected]
Internet: www.mpg.de
Leiterin
Wissenschaftskomm.:
Dr. Christina Beck (-1275)
Pressesprecherin / Leiterin
Unternehmenskomm.:
Dr. Felicitas von Aretin (-1227)
Chefin vom Dienst:
Barbara Abrell (-1416)
ISSN 0170-4656
2
zur Verfügung, um das Protein vor der nächsten Zellteilung anzureichern. Zudem sind schneller wachsende
Zellen größer, was bei gleicher Anzahl von Proteinmolekülen eine geringere Konzentration zur Folge hat.
Die Wissenschaftler integrierten alle Informationen in ihr theoretisches Modell und konnten so vorhersagen,
wie die Wachstumsgeschwindigkeit der Bakterien die Proteinkonzentration beeinflusst. Demnach sinkt die
Proteinkonzentration mit steigender Wachstumsrate - ein Ergebnis, das gut mit experimentellen Daten zu
unregulierten Genen übereinstimmt.
Dass die Aktivität von Genen und genetischen Schaltkreise davon abhängt, wie schnell die Zellen wachsen,
erschwert das Vermessen genetischer Schaltkreise erheblich. Denn die verschiedenen Messgrößen, die für
die Charakterisierung der Aktivität von Genen benutzt werden, wie z.B. mRNA- und
Proteinkonzentrationen, hängen auf unterschiedliche Weise von der Wachstumsrate ab. "Erhöht sich die
Konzentration einer bestimmten Boten-RNA (mRNA) um einen Faktor drei im Vergleich zu einer anderen
Messung, geht man normalerweise davon aus, dass die Genexpression hochreguliert wurde" erklärt Stefan
Klumpp. "Wenn aber die Zellen mit dem höheren mRNA-Level auch schneller wachsen, könnte sich
trotzdem die entsprechende Proteinkonzentration verringert haben." Veränderte Proteinkonzentrationen sind
darüber hinaus nicht zwangsläufig eine Folge von regulierter Genexpression. Solche Schwankungen können
auch auf verlangsamtes oder beschleunigtes Zellwachstum zurückgehen.
Feedback zwischen regulierten Genen und Zellwachstum
Abb.:
Genetischer Schaltkreis mit positiver Kontrolle in einer bakteriellen Zelle: Das erzeugte Protein
eines unregulierten Gens (grün) stimuliert die Produktion des blauen Proteins. Links: Wenn
Nährstoffmangel herrscht, ist die Zelle klein und produziert hohe Konzentrationen beider
Proteine. Rechts: Bei reichlich vorhanden Nährstoffen wird die Zelle größer, folglich sinkt die
Konzentration des Regulators (grün). Er kann deshalb die Produktion des blauen Proteins nicht
mehr so stark stimulieren. Dadurch sinkt die Konzentration des blauen Proteins noch deutlicher.
Bild: Stefan Klumpp
Die Untersuchungen zeigen zudem, wie diese Wachstumseffekte mit der Genregulierung zusammenwirken.
Zum Beispiel wird die Proteinkonzentration unabhängig vom Größenwachstum, wenn ein Gen durch
negative Rückkopplung kontrolliert wird: In diesem Fall wird die Proteinsynthese gestoppt, wenn eine
bestimmte Zielkonzentration erreicht wird. Wächst die Zelle weiter, sinkt die Proteinkonzentration zunächst,
so dass weiteres Protein bis zur Zielkonzentration gebildet wird. Das Wachstum von Zellen kann aber auch
selbst zu Rückkopplungen führen: Dann nämlich, wenn das Zellwachstum von der Konzentration eines
bestimmten Proteins abhängt, die wiederum an das Zellwachstum gekoppelt ist. Wirkt beispielsweise die
Proteinkonzentration hemmend auf die Wachstumsrate und stellen langsamer wachsende Zellen gleichzeitig
mehr von diesem Protein her (positives Feedback), kann ein Teil einer Population genetisch identischer
3
Zellen schneller wachsen als der Rest. Dies beruht allein darauf, dass ein Zellwachstum hemmendes Protein
in manchen Zellen etwas häufiger gebildet wird. Dadurch wachsen diese Zellen langsamer, was wiederum
die Konzentration des Proteins steigen lässt und das Wachstum weiter verlangsamt.
Die Forscher nehmen an, dass diese Wachstumseffekte in der Natur aktiv genutzt werden, denn für Bakterien
sind sie möglicherweise sogar hilfreich. Wenn sie neue Fähigkeiten erwerben, wie z.B. neue
Stoffwechselfunktionen oder Toleranz gegenüber Antibiotika, können die neuen Eigenschaften auch ohne
direkte Genregulierung allein durch die Wachstumseffekte reguliert werden. Daraus könnte sich dann ein
regulativer Schaltkreis entwickeln.
Originalveröffentlichung:
Stefan Klumpp, Zhongge Zhang, Terence Hwa
Global growth-rate dependent effects on gene expression in bacteria
Cell 139, 1366-1375 (2009)
Kontakt:
Dr. Stefan Klumpp
Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Potsdam
Tel.: +49 331 567 - 9620
Fax: +49 331 567 - 9612
E-mail: [email protected]
Katja Schulze, Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Potsdam
Tel.: +49 331 567 - 9203
Fax: +49 331 567 - 9202
E-mail: [email protected]
Herunterladen