Abschnitt 9 Endogene geodynamische Prozesse

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TU Dresden / Institut für Geotechnik
Fachbereich Angewandte Geologie
Vorlesungsmaterial Allgemeine Geologie
Seite 9-1
Abschnitt 9 Endogene geodynamische Prozesse: Plattentektonik, Tektogenese und Epirogenese, Gesteinsdeformationen
GLOBALTEKTONIK / PLATTENTEKTONIK
Endogene geodynamische Prozesse - Antriebskräfte
•
•
Antriebskräfte in und unter der Erdkruste / Lithosphäre = innenbürtige Kräfte
Wirkungen der Konvektionsströme / Wärmefluss im oberen Mantel und Bewegung der Lithosphärenplatten
) vgl. auch S. 2-3 und 5-2
Schematische Darstellung der Konvektion des
Magmas im Oberen Erdmantel [9.1].
Die Triebkraft der Plattenbewegungen (gegenwärtig bis zu einige cm / Jahr) liegt in Konvektionsströmen in der Asthenosphäre. Heißes,
zähplastisches Mantelmaterial steigt aus der
Tiefe auf, kühlt sich an der „kälteren“ Lithosphäre ab und sinkt wieder nach unten, wo
es erneut aufgeheizt wird.
Plattentektonik, „die alles erklärende Theorie“ (Press & Siever 1995): Geschichte
Alfred Wegener (1915)
“Die Entstehung der Kontinente und Ozeane”
Kongruenz Umrisse der Kontinente, Entwicklung des
Lebens und tektonischer Großstrukturen auf verschiedenen Kontinenten → Hypothese der Kontinentaldrift
Harry Hess & Robert Dietz (1962)
Hypothese des „sea floor spreading“ → Trennung von
Krustenplatten, Entstehung neuen Ozeanbodens (Auswertung von Ergebnissen der Tiefseeforschung nach 2.
Weltkrieg)
John Tuzo Wilson (1965)
Globale Tektonik als Plattentektonik („WilsonZyklus“), Typen der Plattengrenzen; Hypothese wird
um 1970 durch viele neue Belege zur zunehmend anerkannten Theorie
Typen von Plattengrenzen (Fortsetzung S. 9-2)
Platten-
Art der
grenzen
Platten
divergierend
Kontinentalplatten
divergierend
Ozeanische
Platten
Vorgang
Begleiterscheinungen
Grabenbildung („rift valleys“).
Absenkung des Gebietes, Beginn der Bildung von Ozeanboden – Prozess kann im
Frühstadium stecken bleiben
(“aborted rift”).
Neubildung ozeanischer Kruste an mittelozeanischen Rücken (MOR)
Vulkanismus, Erdbeben, Abschiebungen (Einsenkung des
Grabens) → Folge von Dehnungskräften
(submariner)Vulkanismus,
Erdbeben, Abschiebungen in
der Riftzone
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konvergierend Ozeanische
Platten
konvergierend Ozeanische /
kontinentale
Platte
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Subduktion ozeanischer Kruste unter andere ozeanische
Krustenplatte; Abtauchen ozeanischer Kruste in Asthenosphäre / Erdmantel, Schmelzenbildung.
Subduktion ozeanischer Kruste unter kontinentale Krustenplatte; Abtauchen ozeanischer
Kruste in Asthenosphäre /
Erdmantel, Schmelzenbildung.
konvergierend
Kontinentalplatten
Kollision: kontinentale Platte
“überfährt” kontinentale Platte
(keine Subduktion!)
Transformstörungen
Kontinentalplatten
Transformstörungen
Kontinentalplatten
Platten gleiten aneinander
vorbei, Lithosphäre wird weder neu gebildet noch “vernichtet”
Platten gleiten aneinander
vorbei, Lithosphäre wird weder neu gebildet noch “vernichtet”
Bildung von Tiefseerinnen
mit vulkanisch und seismisch
aktiven Inselbögen
Bildung von Tiefseerinnen
auf der ozeanischen Seite und
Gebirgen auf der Kontinentseite; Akkretionskeil mit
“Spänen” ozeanischer Kruste
und Sedimenten des Kontinentalhangs / Tiefseesedimenten (“Mélange”). Erdbeben, Vulkanismus
Kontinentalränder werden
deformiert, Krustenverdoppelung - Gebirgsbildung, Erdbeben
Horizontaler Versatz der Platten, Spannungen → Erdbeben
Horizontaler Versatz der Platten, Spannungen → Erdbeben
Wilson-Zyklus (idealisierter Ablauf plattentektonischer Vorgänge)
1. Riftvorgänge: Grabenstadium
Bildung parallel verlaufender tektonischer Grabensenken mit Vulkanismus und Erdbeben →
Aufreißen einer kontinentalen Platte (Ostafrikanischer Graben, Oberrheingraben (?))
2. Riftvorgänge: Öffnung eines Ozeans
Absenken des Grabens, Bildung ozeanischer
(basaltischer) Kruste, Auseinanderdriften der
Teilplatten entlang des Rifts (Rotes-Meer)
(„Rotes-Meer-Stadium“)
3. Riftvorgänge: Erweiterung des Ozeans
(„Atlantik-Stadium“)
4. Subduktion an Ozeanrändern
(„Pazifik-Stadium“)
5. Schließung des Ozeans
(„Mittelmeer-Stadium)
6. Kontinentkollision
(„Himalaja-Stadium“)
Ständige Neubildung ozeanischer Kruste an
mittelozeanischen Rücken, keine Gebirgsbildung an Ozeanrändern (Atlantik)
„Verschlucken“ der Ränder ozeanischer Kruste
an Inselbögen und Kontinentalrändern („Ring
of Fire“, Pazifik)
Ozean „schrumpft“, flaches Meeresbecken entsteht, an Kontinentalrändern Auffaltung / Gebirgsbildung (Mittelmeer)
Kontinentalränder kollidieren, Meeresbecken
wird dabei vollkommen „geschlossen“, Gebirgsbildung (Himalaja)
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Plattentektonik: Von der Pangäa bis heute
Auseinanderdriften des Superkontinents Pangäa seit ca. 180 Millionen Jahren, dargestellt in vier Etappen.
Die Pfeile geben die Wanderungsrichtung der Lithosphärenplatten an. Am (vorläufigen) Ende des Prozesses steht die heutige Oberflächenstruktur der Kontinente und Ozeane. [9.2].
Darstellung der Lithosphärenplatten mit der heutigen Verteilung der Kontinente. Angegeben sind die mittelozeanischen Rücken / Rifts (rote Linien) in denen eine ständige Neubildung ozeanischer Kruste erfolgt,
die Subduktionszonen (blaue Linien) in denen Kruste abgebaut („verschluckt“) wird, Transformstörungen, an denen sich Krustenteile horizontal aneinander vorbei bewegen (schwarze kurze Striche) sowie die
rezenten Richtungen der Plattenbewegungen (Pfeile) [9.3].
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TEKTOGENESE, EPIROGENESE
Tektonik, auch Strukturgeologie (gr. tektonikos = die Baukunst betreffend): Lehre vom Bau der
Erdkruste und den Bewegungen und Kräften, die diesen erzeugt haben.
) S. 1-4, Tektonisches Prinzip
Tektogenese (gr. tektonikos = die Baukunst betreffend, genesis = Entstehung): Tektonische
Prägung (Verformung) von Bereichen der Erdkruste. Dabei muss kein Gebirge im geomorphologischen Sinn entstehen.
Der Begriff Orogenese = Gebirgsbildung beschreibt dagegen einen relativ engräumigen, episodischen und das Gesteinsgefüge verändernden, nicht reversiblen tektonischen Vorgang. Ein
besonders typisches Formenbild der Orogenese ist die Schichtenfaltung in Sätteln und Mulden
(„Faltengebirge“). Dazu gehört aber auch die in stabilisierten Krustenbereichen auftretende
Bruchtektonik („Bruchschollengebirge“).
Vorgänge der Tektogenese bzw. Orogenese müssen im Rahmen der plattentektonischen Prozesse gesehen werden. Die wirkenden endogenen Kräfte bei der Kollision von Lithosphärenplatten
mit Einengungstektonik (Faltung, Überschiebung von Decken), Subduktion ozeanischer Kruste
unter Kontinentränder sowie Magmenintrusionen, Vulkanismus und Metamorphose führen in
den Kollisionsbereichen oft zur morphologischen Ausformung von Gebirgsketten.
Der Begriff Epirogenese (gr. epeiros = Festland und genesis = Entstehung) beschreibt tektonische Vorgänge, die über lange geologische Zeiträume andauern, weiträumige Auf- und Abbewegungen der Kruste darstellen, jedoch das Gesteinsgefüge intakt lassen.
Als Ursache können isostatische Ausgleichbewegungen (zwischen Krustenteilen und dem quasischmelzflüssigen Mantelmaterial, vgl. S. 2-3) oder die verschiedenartigsten Massenverlagerungen im tiefen Untergrund angesehen werden.
So führte das Abschmelzen der großen Massen des Inlandeises (mehr als 2000 m mächtig) in den
letzten ca. 10.000 Jahren zur weiträumigen Hebung Nordeuropas, die gegenwärtig noch andauert
(s. u.). Weiterhin können Aufheizung (mit Ausdehnung und Dichteverringerung von Gesteinen)
sowie Abkühlung kontinentaler Lithosphäre epirogene Bewegungen hervorrufen.
Die nacheiszeitliche epirogene Aufwölbung in
Nordeuropa – Gesamthebung seit 7500 v. Chr.
in m [9.4].
Die nacheiszeitliche epirogene Aufwölbung in
Nordeuropa - gegenwärtige Hebung in mm/a
[9.4].
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Epirogenetische Vorgänge, die zur Absenkung oder Anhebung von Landmassen führen, ziehen
Meeresvorstöße (Transgressionen) bzw. -rückzüge (Regressionen) nach sich. Die bei
Transgressionen vom Meer abgelagerten Sedimente liegen meist diskordant auf den darunter
lagernden Gesteinen (vgl. 1-5).
Schematische Darstellung der Schichtlagerung bei einer Transgression [9.4].
GESTEINSDEFORMATIONEN
Gesteinsdeformationen - Deformationstypen
Je nach dem Festigkeits- und Verformungsverhalten der Gesteine zur Zeit der tektonischen Beanspruchung („Kompetenz“) bilden sich bruchlose oder bruchhafte Deformationen. Bei ersteren, die meist im Zusammenhang mit der Bildung von Faltengebirgen stehen, entstehen plastische Verbiegungen von Gesteinen, bei denen der Zusammenhang der Schichten durchgehend
erhalten bleibt. Letztere erfolgen meist in den mehr starren, spröde reagierenden Bereichen der
Erdkruste außerhalb der (aktiven) Faltengebirge. Hier entstehen spröde Brüche starrer Erdkrustenteile mit Verschiebungen der beiderseits benachbarten Schollen.
Die wirkenden Kräfte können zur Kompression (Einengung), Dehnung oder Scherung von
Gesteinsverbänden führen. Ja nach vorliegenden Gesteinen und Kraftrichtung bilden sich verschiedene Deformationstypen.
Deformation der Gesteine durch Kompression, Dehnung und Scherung [9.1]: Kraftwirkung auf
Gesteinsschichten (obere Reihe), bruchlose Deformation (Mitte), bruchhafte Deformation (unten)
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Gesteinsdeformationen - Falten
Falten entstehen bei Einengung von Gesteinsschichten und plastischer Deformation. Dabei
bleibt der Zusammenhang der Schichten durchgehend erhalten.
An einer Falte kann man geometrisch „Sattel“ und „Mulde“ unterscheiden. Weitere Elemente,
die zur Beschreibung solcher Strukturen dienen, sind in der Abbildung unten dargestellt.
Nach der Neigung der Faltenachsenfläche können aufrechte, schiefe, überkippte und liegende
Falten unterschieden werden.
Formen der Faltentektonik [9.5].
a-Elemente einer Falte
b bis e-Faltenformen,
unterschieden nach der
Lage der Faltenachsenfläche
b - aufrechte Falte
c - schiefe Falte
d - überkippte Falte
e - liegende Falte
Gesteinsdeformationen - Verwerfungen / Störungen
Verwerfungen (= Störungen) entstehen
bei bruchhafter Deformation als spröde
Brüche mit Verschiebungen der beiderseits benachbarten Schollen entlang der
Störungsfläche.
Aufschiebung entlang einer Störung, die
von rechts unten nach links oben durch
das Bild verläuft. Buntsandstein bei Nebra (Abbildung: Verfasser)
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Teile einer Verwerfung oder
Störung (hier: Abschiebung)
[9.5]
α-Fallwinkel
h-Sprunghöhe
w-Sprungweite
f-flache Sprunghöhe
Gesteinsdeformationen - Verwerfungen / Störungen
Verwerfung, entstanden durch
Kompression [9.5]
= Aufschiebung.
p-Pressungsbetrag
Verwerfung, entstanden durch
Dehnung [9.5]
= Abschiebung.
z-Zerrungs(Dehnungs)betrag
Verwerfung, entstanden durch
Scherung [9.5]
= Blattverschiebung.
Transformstörungen
Gesteinsdeformationen - Verwerfungssysteme im Gebirgsmaßstab
Pressung - Aufschiebungen - Dehnung - Abschiebungen Horst (z.B. Harz, Thüringer Grabenbruch (z.B. Oberrheingraben) [9.5].
Wald) [9.5].
Dehnung - Abschiebungen Staffelbruch [9.5].
Gesteinsdeformationen - Klüfte
•
Feine, nicht oder nur wenig geöffnete Gesteinsfuge (Trennfläche), an der keine wesentliche Bewegung stattgefunden hat. Die
Trennfläche wird als Spalte bezeichnet,
wenn beide Kluftflächen breiter auseinander klaffen.
•
Dadurch Zerlegung des Gesteinsverbandes
in unterschiedlich geformte Kluftkörper.
Kluftkörperform ist abhängig von der
Raumlage der Trennflächen
Formen - plattig, säulig, bankig, würflig
•
•
Kluftsystem in einem Gesteinskörper (schematisch) [9.5].
KK=Kluftkörper
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Salztektonik
„Salztektonik“ (auch Halokinese (gr. hals = Salz, kinesis = Bewegung) beschreibt tektonische
Vorgänge, die sich unter Beteiligung von Salzgesteinen abspielen. Steinsalz reagiert schon bei
relativ geringer Druckbelastung plastisch, so dass bereits eine Überdeckung von wenigen hundert Metern plastische Verformungen erzeugt. Die geringe Dichte von Steinsalz (2,2 g/cm3) gegenüber der höheren von Silikatgesteinen erzeugt einen „Schwere-Auftrieb“ des Salzgesteins. In
Dehnungs- und Bruchzonen kann es somit durch plastische Fließbewegungen aufsteigen und so
genannte Salzrücken oder Salzstöcke bilden.
Norddeutschland, wo Zechsteinsalze (Übergangsstockwerk) unter 2-3 km mächtiger Bedeckung
des Mesozoikums (Deckgebirgsstockwerk) liegen, ist ein typisches Gebiet für Salztektonik.
Formen der Salztektonik (Halokinese) in Nord- Der Salzstock von Wienhausen-Eicklingen bei
deutschland [9.4].
Celle [9.4].
Schema der verschiedenen Entwicklungsstadien eines Salzstockes
von der Ablagerung der Salzschichten im Perm (Zechstein) bis zum
Ende des Tertiärs [9.4].
Das oberflächennahe Vorkommen
von Salzgesteinen durch Salztektonik kann im Zusammenwirken mit
exogenen Kräften zu Auslaugungen
von oben her und Subrosionserscheinungen führen.
) zur Wechselwirkung mit exogenen Kräften S. 6-4 f., zum
Stockwerkbau S. 4-7
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Seite 9-9
Literatur
GROTZINGER, J., JORDAN, T.H., PRESS, F. & SIEVER; R. Allgemeine Geologie. - 5. Auflage, Spektrum
Akademischer Verlag 2008.
KLENGEL, J. & WAGENBRETH, O.: Ingenieurgeologie für Bauingenieure. - 3. Aufl., VEB Verlag für Bauwesen Berlin 1989.
RICHTER, D.: Allgemeine Geologie. - Walter de Gruyter, Berlin, 4. Auflage 1992
Bildquellen
[9.1] PRESS, F. & SIEVER; R. Allgemeine Geologie. - Spektrum Akademischer Verlag 1995.
[9.2] GIESE, P.: Geodynamik und Plattentektonik. - Spektrum Akademischer Verlag 1995
[9.3] DURAN, H.; GOLD, G.; TABERNER, H.: Geologie. - Tosa Verlag, Wien 1998
[9.4] RICHTER, D.: Allgemeine Geologie. - Walter de Gruyter, Berlin, 4. Auflage 1992
[9.5] KLENGEL, J. & WAGENBRETH, O.: Ingenieurgeologie für Bauingenieure. - 3. Aufl., VEB Verlag für
Bauwesen Berlin 1989.
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