ZUSAMMENFASSUNG 6 81 Zusammenfassung Ester der Sinapinsäure sind eines der löslichen Produkte des phenolischen Stoffwechsels in Pflanzen. Ihr Vorkommen ist typisch für viele Arten aus der Familie der Brassicaceen (Kreuzblütler). Sie spielen eine wichtige Rolle als Schutzfilter gegen schädigende UV-Strahlung in Arabidopsis thaliana L. Heynh. (Ackerschmalwand). Im Wildtyp dieser Pflanze ist 1-O-Sinapoyl-ß-D-glucose die Vorstufe von 2-O-Sinapoyl-L-malat, das hauptsächlich in der oberen Epidermis der Blätter akkumuliert. Die Umwandlung dieser Ester wird katalysiert von der 1-OSinapoyl-ß-D-glucose:L-Malat-Sinapoyltransferase (SMT, EC 2.3.1.92). Weiterhin wurde die SMT in Raphanus sativus (Radieschen), Brassica rapa (Rübsen) und Brassica napus (Raps) nachgewiesen. Die Arabidopsis-Mutante sinapoylglucose accumulator1 (sng1) akkumuliert Sinapoylglucose anstelle von Sinapoylmalat, was zu der Annahme führte, dass durch das SNG1-Gen die SMT kodiert wird. Um dieses Gen zu klonieren, wurde in der Sammlung des Arabidopsis Biological Resource Centers (ABRC) an der Ohio State University (Columbus, Ohio, USA) eine T-DNA-Mutante mit sng1-Phänotyp identifiziert. Durch inverse PCR konnte daraus ein Fragment genomischer DNA isoliert werden, das von der T-DNA-Insertion stammte. Mit dieser DNA wurde aus einer genomischen Bibliothek von Arabidopsis ein Cosmid erhalten, dass die sng1-Mutante nach Transformation (Vakuuminfiltration mit Agrobacterium tumefaciens) komplementierte. Die 13 kb genomischer DNA des Cosmids befinden sich im Abschnitt 131 (GenBank Nr. AC004401) des Chromosoms 2 von Arabidopsis, was einer Position bei 38,1 cM (Marker pCC300) auf der Karte Rekombinanter Inzuchtlinien von Lister und Dean entspricht. In einem Gen, das von der DNA kodiert wird, wurde die T-DNA-Insertion in der sng1-Mutante gefunden. Ein Fragment genomischer DNA, das nur dieses Gen kodiert, komplementierte die sng1-Mutante wie zuvor das Cosmid, auf dem sich noch ein weiteres Gen befand. Das SNG1-Gen (GenBank Nr. AAC17816) gehört zu einer Gruppe von fünf sehr ähnlichen, dicht beieinander liegenden Genen. Ein Fragment des SNG1-Gens wurde eingesetzt, um in einer Bibliothek aus Arabidopsis-Keimlingen eine vollständige cDNA zu isolieren (GenBank Nr. AF275313). Die SNG1-cDNA weist eine Größe von 1,5 kb auf, das daraus abgeleitete SNG1-Protein enthält ein N-terminales Peptid von 17 Aminosäuren (ASIVKFLPGFEGPLPFE) , das zuvor auch durch Aufreinigung der SMT aus Brassica rapa erhalten worden war. Die vor diesem Peptid befindlichen, N-terminalen 19 Aminosäuren wurden als Signalpeptid für das Endoplasmatische Retikulum identifiziert. Das SNG1-Protein besteht aus 433 Aminosäuren, woraus sich eine molare Masse von 49,4 kDa ergibt. Die Expression der SNG1-cDNA in Escherichia coli zeigte, dass das SNG1-Protein SMT-Aktivität besitzt. Die SNG1-Sequenz weist eine signifikante Ähnlichkeit zu Serincarboxypeptidasen aus diversen Organismen auf (EC 3.4.16, Peptidasen-Familie S10). Die katalytisch aktiven Reste dieser Enzyme sind auch in der Sequenz des SNG1-Proteins vorhanden (Serin 173, Asparaginsäure 358 und Histidin 411, sog. katalytische Triade). Die Aktivität der SMT aus Arabidopsis wird durch Phenylmethylsulfonylfluorid (PMSF) gehemmt, was die Beteiligung eines Serinrests an der Katalyse zeigt. Die ZUSAMMENFASSUNG 82 Ergebnisse führten zu dem Schluss, dass die Acyltransferase SMT aus einer Serincarboxypeptidase entstanden ist. Der Mechanismus der Peptidhydrolyse durch diese Enzyme liegt deshalb wahrscheinlich auch der Katalyse durch die SMT zugrunde. Zahlreiche Transacylierungen, in denen analog zur SMT die Aktivierung durch einen 1-O-ß-Acylglucoseester erfolgt, sind insbesondere aus dem phenolischen Stoffwechsel der Pflanzen bekannt. Zwei Enzyme, die ebenfalls aus derartigen Peptidasen entstanden sind, wurden bislang noch an anderer Stelle im pflanzlichen Sekundärstoffwechsel gefunden, eine weitere Acyltransferase in Lycopersicon pennellii (Wildtomate) und eine Hydroxynitril-Lyase in Sorghum bicolor (Mohrenhirse). Durch das Arabidopsis-Genomprojekt konnte außerdem eine große Anzahl von Genen und Proteinen mit Ähnlichkeit zu dieser in Eukaryonten ubiquitären Familie von Peptidasen identifiziert werden. Es ist daher anzunehmen, dass in Pflanzen und eventuell auch darüber hinaus weitere Enzyme wie die SMT vorhanden sind, die aus diesen Peptidasen hervorgegangen sind, aber eine von der Peptidhydrolyse abweichende Reaktion katalysieren und in anderen Stoffwechselwegen divergente biologische Funktionen erfüllen. Die SMT ist damit eines der aktuellen Beispiele, die ein neues Licht werfen auf das katalytische Potential dieser Familie von Enzymen und die einen Einblick bieten in diejenigen Prozesse, die der Evolution von Proteinen und Stoffwechselwegen zugrunde liegen.