Spektroskopie in der Organischen Chemie Die 1H-chemische Verschiebung – Bereich & Einflüsse Der Resonanzbereich der Protonen in organischen Molekülen ist ca. 10 ppm breit. Nur saure Protonen (z.B. COOH oder SO3H) liegen darüber; Protonensignale von Formylgruppen (z.B. Aldehyde) liegen um δ = 9 bis 11. Auch die Amidprotonen des Indolrings (z.B. in Tryptophan) sind bei ∼10-11 ppm. Es gibt eine deutliche Abhängigkeit vom s-Charakter der wasserstofftragenden Kohlenstoffe, aber keine Korrelation! sp3 (Alkane): δ = 0.5 bis 4 2 sp (Alkene/Aromaten): δ = 4.5 bis 9 sp (Alkine): δ = ca. 2 bis 3 Innerhalb des sp3-Bereiches werden Protonen durch benachbarte (geminale) elektronegative oder ungesättigte Substituenten entschirmt: δ(H-C-F) > δ(H-C-O) > δ(H-C-N) > δ(H-C-C=) > δ(H-C-C-) 1 H-NMR-Spektroskopie 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Aber auch der Substitutionsgrad spielt eine Rolle: δ(CHX) > δ(CH2X) > δ(CH3X) Cyclopropyl-1H-Signale haben ungewöhnlich kleine δ-Werte: -0.5 bis +0.5. Wie für die C-H Bindungen bewirkt auch bei anderen X-H Bindungen die Zunahme der Elektronegativität von X die Abnahme der Abschirmung und entsprechend die Zunahme der chemischen Verschiebung, z.B. CH3-CH2-OH δ(HO) = 2.56 ppm > CH3-CH2-SH δ(HS) = 1.46 ppm 1 H-NMR-Spektroskopie 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie Bereich der 1H-chemischen Verschiebung (Abb. nach: Friebolin) 1 H-NMR-Spektroskopie 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie Anisotropieeffekte δ(aromat.-H) > δ(olefin.-H) Dies ist eine Konsequenz der anisotropen Elektronenverteilung im Molekül und wird bei Aromaten nach Pople durch den Ringstrom-Effekt erklärt: Durch das äußere Magnetfeld B0 wird im Aromaten ein Ringstrom induziert, der seinerseits ein B0 entgegen gerichtetes Magnetfeld erzeugt. Dieses schwächt B0 oberhalb der Ringebene ab (Abschirmung; kleineres δ), während es B0 in der Ringebene verstärkt (Entschirmung = geringere Abschirmung; größeres δ). 1 H-NMR-Spektroskopie 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie Beispiel: 1H-NMR-Spektrum von Ethylether H3C O-CH2 CH2 O CH2 CH3 CH3 Man beachte die 1H-chemischen Verschiebungen in Abhängigkeit von der Position des elektronegativen Sauerstoffatoms. Über den Signalen sind sog. Integrationsstufen aufgezeichnet. Diese stellen ein relatives Maß für die Zahl der zu den jeweiligen Signalen gehörenden Wasserstoffatome dar. 1 H-NMR-Spektroskopie 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie 1 H,1H-Kopplungskonstanten bei skalarer (J-) Kopplung CH2 CH2 Das 1H-NMR-Spektrum H3C O CH3 von Diethylether (links) demonstriert, dass das Spektrum außer der 1HCH3 O-CH2 chemischen Verschiebung und der Integration noch einen weiteren Messparameter enthält, nämlich die Multiplizität der Signale. Diese Signalaufspaltungen sind auf skalare Kopplungen benachbarter Kerne zurückzuführen. Es handelt sich um einen ‚Informationsaustausch’ zwischen Kopplungspartnern über die dazwischen liegenden Bindungselektronen. 1 H-NMR-Spektroskopie 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Ein Kern A kann über diesen Mechanismus den Spinzustand seines Nachbarn X erkennen und reagiert darauf mit seiner Linienposition. J magnetische Polarisation der Elektronenhülle ↑Kernmoment HA bzw. HX Für jeden der beiden, praktisch gleich populierten Spin- (Energie-)zustände zeigt A ein einzelnes Signal; es resultiert ein Dublett, dessen Abstand Kopplungskonstante J (in Hz), eine stoffspezifische Konstante, genannt wird. Eine gleich große Kopplungsaufspaltung tritt auch am Signal des Kerns X auf. 1 H-NMR-Spektroskopie 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie Energieniveauschema (B0 > 0 -> Aufspaltung der magnetischen E-Niveaus α, β): 1-Spinsystem A E 2-Spinsystem AX β E1 A1 E2 α E = -mhνA bzw. E in Hz: E = -mνA E1 = 1/2 νA E2 = -1/2 νA A1: ΔE1-2 = νA -> 1 Linie bei νA 1 νA H-NMR-Spektroskopie E1 = 1/2 νA +1/2 νX E2 = 1/2 νA -1/2 νX E3 = -1/2 νA +1/2 νX E4 = -1/2 νA -1/2 νX A1: ΔE1-3 = νA usw. νA νX E1 = 1/2 νA +1/2 νX +1/4JAX E2 = 1/2 νA -1/2 νX -1/4JAX E3 = -1/2 νA +1/2 νX -1/4JAX E4 = -1/2 νA -1/2 νX +1/4JAX A1: ΔE1-3 = νA +1/2 J usw. J J νA νX 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie Allgemein gilt: Die Multiplizität M eines Signals (Dublett, Triplett, usw.) ergibt sich aus der Zahl der Kopplungspartner: Bei n gleichartigen Kopplungspartnern gilt: M = 2nI+1 I = Spinquantenzahl; hier I = 1/2 , also M = n + 1 Die Multiplizität sowie die relative Intensitätsverteilung innerhalb der Multipletts lassen sich durch das PASCALsche Dreieck darstellen: n=0 n=1 n=2 n=3 n=4 n=5 n=6 1 1 1 1 1 1 1 2 3 4 5 6 1 3 6 10 15 1 1 4 10 20 1 5 15 1 6 1 Singulett Dublett Triplett Quartett Quintett Sextett Heptett Jede Zahl ist immer die Summe der beiden links und rechts darüber stehenden Zahlen; keine Zahl (außerhalb des Dreiecks) bedeutet 0. 1 H-NMR-Spektroskopie 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie Man kann also aus der Multiplizität eines 1H-Signals der Zahl der jeweiligen Nachbarkerne errechnen und auf diese Weise ein Netzwerk von 1H,1H-Konnektivitäten im Molekül ermitteln. Im Falle des Diethylethers findet man für das linke Signal (OCH2) Multiplizität: Quartett (q), 3 Kopplungspartner, und für das rechte Signal (CH3) Multiplizität: Triplett (t) 2 Kopplungspartner Bei nicht gleichartigen Kopplungspartnern: Hier kann es passieren, dass ein Kern A zwei oder mehr Kopplungspartner M, X usw. mit unterschiedlichen Kopplungskonstanten J(A,M), J(A,X) usw. hat. Man interpretiert die Signalaufspaltungen dann nacheinander für jeden Partner, z.B.: A J(AX) J(AM) 1 H-NMR-Spektroskopie 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie Ein weiteres Beispiel: 1,1-Dichlorethan, Cl2CH-CH3 J 1 H-NMR-Spektroskopie 6 Spektroskopie in der Organischen Chemie Geminale Kopplungen Wenn sich die beiden Kopplungspartner (wie Zwillinge; lat.: gemini) am gleichen Kohlenstoffatom befinden, also nur zwei H Bindungen voneinander entfernt sind, nennt man dies eine C geminale Kopplung, 2J(1H,1H). In sehr vielen Fällen sind die beiden Kerne chemisch äquivalent oder enantiotop () und H haben deshalb die gleiche chemische Verschiebung; sie sind isochron. Dann ist das Signal – bei Fehlen weiterer Kopplungspartner – ein Singulett (A2-System). Merke, allgemein tritt die skalare Kopplung zwischen magnetisch äquivalenten Kernen im Spektrum nicht in Erscheinung . (QM-Herleitung – s. Günther) Isochrone Kerne Ai, die nur eine Spin-Spin-Kopplung zu Nachbarkernen zeigen, sind magnetisch äquivalent. Sind die beiden Wasserstoffkerne dagegen diastereotop, sind sie anisochron, bilden ein AX- bzw. AB-Spinsystem bzw. -Teilsysteme, und die Kopplung ist ermittelbar. 1 H-NMR-Spektroskopie 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Beispiele für geminale Kopplungskonstanten: Einfluss des s-Charakters (s. Günther): H H H H C H2C C C H -12.4 Hz H H H +2.5 Hz -4.5 Hz Einfluss der Substitution (s. Günther): H HO H C H -10.8 Hz H O Cl H C C C H +5.5 Hz H H -1.3 Hz z.B. CH4 – J nicht aus Spektrum -> Abschätzung z.B. basierend auf CD2H2 1 H-NMR-Spektroskopie 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie Vicinale Kopplungen H C H C 1 C ϕ H H-NMR-Spektroskopie H Wenn sich die beiden Kopplungspartner an benachbarten Kohlenstoffatomen (lat.: vicinus, der Nachbar) befinden, also drei Bindungen voneinander entfernt sind, nennt man dies eine vicinale Kopplung, 3 1 J( H,1H)-Werte sind immer positiv. Die Besonderheit der vicinalen Kopplung ist, dass sie eine starke Abhängigkeit vom Torsionswinkel ϕ zwischen den beiden C-H-Bindungen besitzt. Diese wird durch die sog. KARPLUS-Beziehung beschrieben (nächste Seite). In den Abbildungen links und unten ist der Torsionswinkel ca. 600; die beiden Wasserstoffatome stehen gauche zueinander. 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie KARPLUS-Beziehung 3J(1H,1H) in Hz ϕ C H H C Karplus-Conroy-Kurve allgemein: 3 J = A + Bcos ϕ + Ccos2ϕ A = 4.5, B = -0.5, C = 4.5 ϕ 3 J(1H,1H) = 8.5 cos2 ϕ - 0.28 bei 00 ≤ ϕ ≤ 900 3 bei 900 ≤ ϕ ≤ 1800 J(1H,1H) = 9.5 cos2 ϕ - 0.28 Merke: Die KARPLUS-Beziehung liefert für eine experimentell ermittelte Kopplung keinen exakten Torsionswinkel, sondern immer nur Winkelbereiche! Wenn nicht eindeutig -> Zusatzinformationen notwendig. 1 H-NMR-Spektroskopie 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie Die KARPLUS-Abhängigkeit gilt auch für olefinische Wasserstoffatome: Z H H C C H E H z.B.: C C H 7-12 Hz H Ph C C Ph 14-19 Hz H C C COOH H 12.3 Hz COOH 15.8 Hz Merke: Die 3J(1H,1H)-Kopplungskonstante ist ein hervorragender Parameter zur Unterscheidung von cis- (ϕ = 0°) & trans- (ϕ = 180°) Olefinen (bzw. Z & E). Es gibt aber auch hier Abhängigkeiten vom s-Charakter und von Substitution: C C H H 11.6 Hz 1 H-NMR-Spektroskopie H C C C C H 2.8 Hz H H 5.1 Hz C C 8.8 Hz H H H H 7.5 Hz 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie C C H H 7-8.5 Hz C O C C H O H 1-3 Hz C H H 5-8 Hz H H C H H 2-5 Hz H H H 2-5 Hz H 9-12 Hz H H H C C C H Bei frei drehbaren Teilstrukturen (Kohlenwasserstoff-Ketten) beobachtet man 3 1 J( H,1H) = 7 bis 8 Hz als Durchschnittswert. 1 H-NMR-Spektroskopie 6 Spektroskopie in der Organischen Chemie Es gibt aber auch eine Abhängigkeit von benachbarten elektronegativen Substituenten: H H H Bei den Zuckern sind die 3J(1H,1H)Kopplungskonstanten wegen der Existenz der Sauerstoffatome eher am unteren Ende des Erwartungsbereiches. H 9 - 12 Hz 2 - 5 Hz aber: HOH2C HO HO H HOH2C O H HO HO H O HO OH HO H α: 3.5 Hz β: 7.7 Hz OH D-Glucose 1 H-NMR-Spektroskopie 7 Spektroskopie in der Organischen Chemie Fernkopplungen (Long-Range-Kopplungen) Sind die beiden Kopplungspartner mehr als drei Bindungen voneinander entfernt, spricht man von Fernkopplungen (long-range-Kopplungen). n 1 J( H,1H) mit n > 3 Meist sind diese Kopplungen sehr klein (< 0.5 Hz), unter bestimmten Umständen können sie jedoch Werte annehmen, die im Spektrum erkennbare Signalaufspaltungen verursachen. Unter folgenden strukturellen Voraussetzungen können long-range-Kopplungen beobachtet werden: (a) W-Kopplung (4J): Die Wasserstoff- und die dazwischen liegenden Kohlenstoffatome bilden C H H eine Anordnung wie der Buchstabe W. C C Achtung: Das ganze Strukturelement muss weit1-4 Hz gehend koplanar sein. Geringe Abweichungen werden aber toleriert. 1 H-NMR-Spektroskopie 8 Spektroskopie in der Organischen Chemie (b) Allyl-Kopplung (4J): (c) Homoallyl-Kopplung (5J): H H -3 bis +2 Hz -3,5 bis +2.5 Hz H C C C H 1 H-NMR-Spektroskopie 0 bis 2.5 Hz H H 1 bis 2 Hz C C C H H C H C C C C 1 bis 3 Hz H H 0 bis 1 Hz 9 Spektroskopie in der Organischen Chemie 13 C-NMR-Spektroskopie Der 13C-Kern ist in seinen wichtigsten Kerneigenschaften dem 1H ähnlich. Er ist ebenso ein Spin-1/2-Kern, weist also im äußeren Magnetfeld B0 nur zwei Energiezustände mit geringem Populationsunterschied auf. Er hat kein Quadrupolmoment, liefert also hochaufgelöste Signale. Im Vergleich zur 1H-NMR-Spektroskopie gibt es aber zwei wesentliche Unterschiede: γ (1H ) Das magnetogyrische Verhältnis ist viel kleiner: ≈ 4. Dadurch ist bei 13 γ ( C) gleicher Magnetfeldstärke die Resonanzfrequenz entsprechend kleiner; z.B: 400 MHz 1H, aber 100.6 MHz 13C. Wegen einer ungefähren Abhängigkeit von gere Messempfindlichkeit. 13 C-NMR-Spektroskopie 2 B03, resultiert eine deutlich gerin- 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Gravierender jedoch ist die Tatsache, dass die natürliche Häufigkeit des Isotops 13C nur ca. 1.1% ist. (Das Hauptisotop 12C mit 98.9% Häufigkeit hat eine Spinquantenzahl I = 0; es ist also NMR-inaktiv.) Zusammen mit der geringeren Empfindlichkeit ergibt sich unter sonst gleichen Messbedingungen (gleiche Substanzkonzentration, gleiches Spektrometer) für den Vergleich der Sensitivitäten S: S(1H)/S(13C) ≈ 5700 Es kommt noch eine weitere Erschwernis hinzu: 13C-Signale sind wegen der zahlreichen und zum Teil großen 13C,1H-Kopplungen (siehe später) oft stark aufgespalten; das heißt, die ohnehin relativ geringe Signalintensität verteilt sich auf mehrere, womöglich durch Fernkopplung sogar noch verbreiterte Teilsignale. Dies sind die Gründe, warum die 13C-NMR-Spektroskopie erst in den 1970er Jahren, also mehr als ein Jahrzehnt später als die 1H-NMR-Spektroskopie eine Routinemethode wurde. Anfangs standen deshalb auch messtechnische Verbesserungen des SignalRausch-(S/N)-Verhältnisses im Vordergrund. 13 C-NMR-Spektroskopie 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie Viele 13C NMR Spektren werden mit {1H}-Breitband (BB)-Entkopplung aufgenommen. Hierbei wird während der 13C-NMR-Messung (Acquisition) ein Entkopplerfeld auf den gesamten Protonenbereich gelegt, das so intensiv ist, dass es alle Protonen gleichzeitig sättigen und damit entkoppeln kann. Dadurch kollabieren die durch die 13C,1H-Kopplungen aufgespaltenen 13CMultipletts zu schmalen Singuletts. Gleichzeitig wird auch noch ein zweiter begrüßenswerter Effekt erzielt, die Erhöhung der Signalintensität durch den Kern-Overhauser-Effekt (siehe IM3). Er kann wegen ηmax = 1/2· γ(S)/γ(I) und γ(S)[1H]/γ(I)[13C] ≈ 4 ηmax ≈ 2 das 13C-NMR-Signal auf das Dreifache (1+ηmax) erhöhen; allerdings nur bei wasserstofftragenden Kohlenstoffatomen. Dann ist die räumliche Entfernung zwischen dem 13C-Kern und den NOE-erzeugenden Protonen sehr kurz, was die zentrale Voraussetzung für eine effektive NOE-Wechselwirkung ist. Quartäre Kohlenstoffatome erfahren nur geringe NOE-Effekte und haben meist viel kleinere Signale. Merke: Integrale von 13C-NMR-Signalen sollten deshalb nicht zur Bestimmung der Zahl der jeweils zugehörigen C-Atome verwendet werden. 13 C-NMR-Spektroskopie 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie 13 C-NMR-Spektren von 2-Butanol {1H}-BB-entkoppelt (unten) und 1H-gekoppelt (oben) OH H3C 13 C-NMR-Spektroskopie CH CH2 CH3 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie „Off-Resonance“-entkoppelt (unten) und DEPT135 (oben) 13 C-NMR-Spektroskopie 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie {1H}-BB-entkoppelte 13C-NMR-Spektren weisen also im Vergleich zur Messung 1 H-gekoppelter Spektren ein deutlich verbessertes S/N-Verhältnis und eine größere Übersichtlichkeit auf. Allerdings geht bei dieser Technik die gesamte Information über die Zahl der am jeweiligen Kohlenstoffatom befindlichen Wasserstoffe, die sich im 1H-gekoppelten Spektrum in den Signalmultiplizitäten ausdrückt, verloren. Aus diesem Grund hat sich schon früh die routinemäßige Messung von Begleitexperimenten, den sog. „Off-Resonance“-Spektren, durchgesetzt. Hierbei wird die 1HEntkoppler-Frequenz nicht wie bei BB-Messungen auf den 1H-Resonanzbereich gesetzt, sondern daneben („off resonance“). Dadurch werden die Protonen nur teilweise entkoppelt; sie werden im Vergleich zu den 1H-gekoppelten Signalen schmaler (geringere Gefahr der Überlappung), behalten aber eine Restkopplung, sodass die Multiplizität noch erkennbar ist. Seit den 1980er Jahren hat sich jedoch eine fortschrittlichere Technik, DEPT, durchgesetzt, bei der die Information über die Zahl der anhängenden Wasserstoffe nicht durch (manchmal nur schwer erkennbare) Restaufspaltungen, sondern durch Signalphasen von Singuletts erhältlich ist. 13 C-NMR-Spektroskopie 6 Spektroskopie in der Organischen Chemie Wichtig: in DEPT-Spektren gibt es keine Signale von quartären Kohlenstoffatomen (siehe CDCl3-Signal)! Es gibt eine zwei gängige DEPT-Varianten: DEPT90, das nur Signale von CHAtomen abbildet, und DEPT135, bei dem CH und CH3 positive und CH2 negative Signale gibt. Zusammen mit dem BB-entkoppelten 13C-NMRSpektrum lassen sich die 13C-Signale auch komplexer Verbindungen eindeutig zuordnen: DEPT90 z.B.: 13C 1D NMR Spektren Oleanolsäurederivat (nur Aliphatenteil) DEPT135 COOCH3 BB 13 C-NMR-Spektroskopie AcO nur in BB 7 Spektroskopie in der Organischen Chemie Die 13C-chemische Verschiebung Im Vergleich zur 1H-chemischen Verschiebung ist der δ(13C)-Bereich sehr viel größer. Er erstreckt sich über ca. 250 ppm und zeigt eine ausgeprägte Differenzierung für Alkan- (δ = 0 - 80) und Alken-/Aromaten-Kohlenstoffatome (δ = 100 - 160). Es sei erwähnt, dass es hier keine wesentlichen Unterschiede zwischen Alkenen und Aromaten gibt, weil der aus der 1H-NMR bekannte Anisotropieeffekt bei Aromaten (Ringstrom) hier aufgrund des viel größeren Resonanzbereichs nicht mehr identifizierbar ist. Die chemische Verschiebung der Alkan- und Alken-/Aromatenkohlenstoffe ist zudem von der Existenz benachbarter Heteroatome abhängig. Auch für die Carbonylgruppen gibt es einen separaten Bereich, der je nach Oxidationsstufe des Carbonyl-C´s sogar noch weiter unterteilt ist. Dadurch wird es sehr einfach, Kohlensäure- und Carbonsäurederivate (δ = 150-180) von Aldehyden (δ = 180-200) und Ketonen (δ = 190-220) zu unterscheiden. Noch größere δ-Werte haben nur Thioketone (δ = 250-270) und Carbeniumionen (δ = 200-400). 13 C-NMR-Spektroskopie 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Man beachte, dass alle genannten Bereiche nur als typische Bereiche anzusehen sind. Es gibt für alle Substanzklassen Molelülstrukturen, deren Resonanzen Ausreißer nach oben und unten sein können! 13 C-NMR-Spektroskopie 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie Ein ungewöhnliches Verhalten zeigen die α-Effekte der schweren Halogene („Schweratom-Effekt“), wie hier am Beispiel der Halogenmethane (CH4-nXn) gezeigt. δ(13C) Während bei den Chloriden mit zunehmender Substitution die jeweiligen Inkremente additiv bleiben (ca. +25 ppm), gilt dies für X = Br nur bis CH2Br2 (ca. + 10 ppm); danach werden die Inkremente negativ. Bei den Iodiden sind sie von Anfang an negativ und nehmen in ihren Absolutwerten sogar stark zu. Das Maximum ist Br4 mit δ = -292, ein solitärer Wert weit ab vom üblichen Resonanzbereich. Hierfür werden relativistische Effekte verantwortlich gemacht. n 13 C-NMR-Spektroskopie 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie Wegen des großen Resonanzbereichs ist die Signalzuordnung ein wesentliches Problem, ohne dessen Lösung Strukturbestimmungen oft fragwürdig bleiben. Es ist daher sehr wichtig, empirisch ermittelte Strukturabhängigkeiten und Inkrementenregeln zu kennen, die oft spezifisch für bestimmte Substanzklassen sind. Im folgenden werden einige dieser Regeln vorgestellt ( NMR-1 in IM-2). Man beachte, dass in den letzten zwei Jahrzehnten ein- und zweidimensionale Multipuls-NMR-Experimente entwickelt wurden, die empirische Zuordnungen teilweise oder sogar ganz entbehrlich machen. Sie beruhen auf Spin-Spin-Korrelationen durch die zwischen den Kernen liegenden Bindungen (skalare Kopplung) oder durch den Raum (dipolare Kopplung, NOE) und erlauben dadurch, ein dreidimensionales Netzwerk der 1H- und 13C-Kerne aufzustellen. Zu den wichtigsten dieser Methoden gehören COSY, HETCOR, HMQC, HMBC, NOESY und einige andere ( NMR in IM-3). 13 C-NMR-Spektroskopie 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie Beispiele: 13 C-NMR-Spektrum von Cyanessigsäureethylester. Ordne die Signale zu. s-Singulett, t-Terzett, q-Quartett 13 C-NMR-Spektroskopie 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie 13 C-NMR-Spektren von ortho-Bromphenol. -> Substitutionsmuster 13 C-NMR-Spektroskopie 6 Spektroskopie in der Organischen Chemie Aufgabe: Entscheide anhand der beiden 13C-NMR-Spektren, um welche der alternativen Strukturen es sich jeweils handelt. -> chem. äquiv. Lösung: Abzählen der Peaks gibt (a) Cycloheptatrienderivat, rechts (b) Cyclohexandienderivat, links 13 C-NMR-Spektroskopie 7 Spektroskopie in der Organischen Chemie NMR-Lösungsmittel Für die NMR-Spektroskopie in der OC werden i.a. deuterierte Lösungsmittel verwendet. Die Substitution der leichten durch die schweren Wasserstoffatome hat zwei Vorteile: - Deuterium als Spin-1-Kern hat ebenfalls ein magnetisches Moment, aber seine Resonanzfrequenz ist sehr weit von der der Protonen entfernt. Es kann deshalb dazu benutzt werden, das Verhältnis von Magnetfeld und Radiofrequenz konstant zu halten (Lock), ein Routineverfahren zur elektronischen Stabilisierung der Messmethode. - Das Lösungsmittel hat bei 100%iger Substitution kein eigenes Signal in der 1 H-NMR. Bei der Verwendung der normalen, nichtdeuterierten Lösungsmittel wäre bei den üblichen Substratkonzentrationen das Lösungsmittelsignal das bei weitem größte, was zu unerwünschten Signalüberlagerungen, aber auch zu Problemen bei der Darstellung kleinerer Signale nach der FourierTransformierung des FIDs führen kann. Schreibweisen am Beispiel des Aceton: (CD3)2CO, Aceton-d6 oder [D6]-Aceton. NMR-Spektroskopie 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Dennoch haben die üblicherweise verwendeten deuterierten Lösungsmittel ein – wenn auch kleines – 1H-Signal, weil der Deuterierungsgrad der üblichen kommerziellen Lösungsmittel nicht 100%, sondern nur 99% bis 99,9% ist. Einige 1H-chemische Verschiebungen häufig benutzter Lösungsmittel (bei RT): CHCl3 δ = 7.24 Methanol-d3 (CHD2OD) δ = 3.35 Aceton-d5 δ = 2.04 Benzol-d5 δ = 7.27 CHDCl2 δ = 5.32 CHD2CN δ = 1.93 HDO δ = 4.65 Merke: Die Lösungsmittelmoleküle, deren 1H-Signale man beobachtet, besitzen einen 1H-Kern und eine um 1 verminderte Zahl von Deuteriumatomen, also z.B. Aceton-d5. NMR-Spektroskopie 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie Die 1H-Signale der deuterierten Lösungsmittel sind jedoch keine Singuletts, wenn die Gesamtzahl der Wasserstoffatome im Molekül meist größer als 1 ist, also auch noch Deuteriumatome (2H) vorhanden sind. Beispiel CHDCl2: Deuterium hat die Spinquantenzahl 1. Das bedeutet, dass es für einen Deuteriumkern drei ähnlich stark populierte Energieniveaus gibt: m = -1, 0 und +1. Das Signal eines 1H-Kern, der mit einem 2H koppelt, besteht also aus drei äquidistanten, praktisch gleich intensiven Linien (1:1:1-Triplett): 2J (2H,1H) ν(1H) 2 H,1H-Kopplungskonstanten sind ungefähr um den Faktor 1/6.5 kleiner als die entsprechenden 1H,1H-Kopplungskonstanten, weil γ(1H)/ γ(2H) ≈ 6.5. NMR-Spektroskopie 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie Bei mehr als einem Deuterium-Kopplungspartner wird das 1H-Signal mit jedem neuen Deuterium-Kopplungspartner in ein 1:1:1-Triplett aufgespalten. Beispiel: Methanol-d, CHD2-OD ν(1H) Es entsteht ein 1:2:3:2:1-Quintett. NMR-Spektroskopie 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie Die Multiplizitäten und die relativen Peakintensitäten können bei Kopplung mit Spin-1-Kernen aus einer dem PASCALschen Dreieck ähnlichen Darstellung abgeleitet werden: n=0 n=1 n=2 n=3 n=4 n=5 n=6 1 1 1 4 1 5 15 6 21 50 1 3 10 30 90 1 2 6 16 45 126 1 1 3 7 19 51 141 1 2 6 16 45 126 1 3 10 30 90 1 4 1 15 5 1 50 21 6 1 Jede Zahl ist immer die Summe der unmittelbar über ihr sowie der beiden links und rechts davon stehenden Zahlen; keine Zahl (außerhalb des Dreiecks) bedeutet 0. NMR-Spektroskopie 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie Schwieriger ist es bei Lösungsmitteln, die chemisch unterschiedliche Deuteriumpositionen enthalten. Beispiel: Deuterobenzol, C6HD5 H D D D D D NMR-Spektroskopie Das Proton (oben) koppelt mit zwei ortho-, zwei meta- und einem para-ständigen Deuteriumkern. Da die ortho- und die meta-2H-Kerne paarweise auch noch magnetisch nichtäquivalent () sind, resultiert ein außerordentlich komplexes 1H-Signal das aus vielen Einzellinien besteht (siehe links simuliertes Signal). Die D,H-Kopplungskonstanten sind aber recht klein, nämlich nur ca. 15% (1/6.5) der entsprechenden J(1H,1H)-Werte. Deshalb beobachtet man i. a. ein deutlich verbreitertes Singulett (die Einhüllende). 6 Spektroskopie in der Organischen Chemie Lösungsmittelsignale in der 13C-NMR Für die Aufspaltungen der 13C-NMR-Signale von deuterierten Lösungsmitteln gilt Analoges wie bei Protonen, weil beide Kerne einen Kernspin von 1/2 haben. Allerdings bekommt man für nicht oder nur teilweise deuterierte Spezies separate Signale (Isotopenverschiebung) mit der jeweiligen Deuterium-Aufspaltung. Angesichts der üblicherweise sehr hohen Deuterierungsgrade kommerzieller Lösungsmittel spielt dies aber kaum eine Rolle. Das 13C-Signal des gebräuchlichsten Lösungsmittels CDCl3 (Deuterochloroform) ist ein Triplett bei δ = 77.0: 1J (13C,2H) ν(13C) Auch hier gilt: 1J(13C,2H) ∼ 1J(13C,1H)/6.5 (∼210.6 Hz/ 6.5 ) NMR-Spektroskopie 7 Spektroskopie in der Organischen Chemie 13 C-chemische Verschiebungen, Multiplizitäten und 1J(13C,2H)-Werte (in Hz) einiger deuterierter Lösungsmittel: CDCl3 CD2Cl2 CD3OD CD3-CO-CD3 C6D6 CD3-CO-CD3 CD3CN Pyridin-d5 NMR-Spektroskopie 77.0 53.5 49.3 29.3 206.3 128.0 39.7 1.3 117.7 123.5 135.5 149.5 ppm t quint sept sept m t sept sept m t t t 32 27 21 20 24 21 21 25 24 27 Hz 8 Spektroskopie in der Organischen Chemie Beispiele für Lösungsmittelsignale (Aceton) mit unterschiedlichem Deuterierungsgrad: *: C1HD2-CO-CD3 o: C1H2D-CO-CD3 NMR-Spektroskopie *: CD3-CO-CD3 o: C1HD2-CO-CD3 9 Zusammenfassung1: Magnetisierungstransfer bzw. Korrelation von einem Kern mit benachbarten Kernen in einem Protein • Skalare bzw. J-Kopplung - via Bindungselektronen -> Bestimmung der chemischen Verschiebungen einzelener Kernen und welche Kerne über chemische Bindungen verknüpft sind • Dipolare Kopplung - durch den Raum zwischen Kernen, die sich räumlich nahe sind. Z.B. NOE-Effekt zur Gewinnung struktureller Informationen in Form von interatomaren Distanzen (-> NOESY) R N C! C HN H! O Zusammenfassung 2: Strukturinformationen aus NMR-Daten Distanzen (NOEs) Dihedrale Winkel (3J) Wasserstoffbrücken (3J, HEX) Orientierung von Bindungsvektoren (RDCs) Ionisierungskonstante -COOH -COO- + H+ Dynamik Diffusionskonstanten RDCs Dissoziationskonstanten Anhang: Auf den folgenden Seiten sind einige ergänzende Informationen Atomkerne können eine magnetisches Moment haben Resonanz- bzw. Larmorfrequenz Magnetfeld B0 Für Kerne mit Spin 1/2, z.B. 1H, 15N, 13C, 31P Aus H. Kessler !Skriptum zur Vorlesung OCIV", TU München Aufbau eines Kernspinresonanzspektrometers Temperierbarer Probenkopf Für Kerne mit Spin 1/2, z.B. 1H, 15N, 13C, 31P Computer zur Steuerung und Datensicherung Supraleitender Magnet Elektronik (Temperaturkontrolle, Freqzenzsynthesizer, AD Konverter, Verstärker) Aus H. Kessler !Skriptum zur Vorlesung OCIV", TU München Isotopenmarkierung Zu gering -> Ausweg: Isotopenmarkierung Zum Beispiel durch Produktion des gewünschten Proteins in gentechnisch veränderten Bakterienzellen (Escherichia coli) -> einzige Stickstoffquelle 15N-Ammoniumchlorid -> einzige Kohlenstoffquelle 13C-Glucose Erzeugung detektierbarer Magnetisierung 1D 1H Spektrum eines Proteins