Die chemische Verschiebung - 1 - Institut für Organische Chemie

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Spektroskopie in der Organischen Chemie
Die chemische Verschiebung - 1
Die Messfrequenz ν einer Kernsorte, hier: 1H (Protonen), hängt bei einem isolierten Kern ausschließlich vom äußeren Magnetfeld (B0) und ihrem magnetogyrischen Verhältnis γ, einer Naturkonstanten, ab (Larmor-Beziehung; Grundgleichung der NMR):
ν(1H) = γ(1H) · B0
Dennoch haben nicht alle Wasserstoffatome in realen Molekülen exakt die gleiche Resonanzfrequenz, weil außerdem auch die Elektronen einen Einfluss auf
ν(1H) haben (chemische Umgebung). Gemäß der Lenzschen Regel bauen die
den Kern umgebenden Elektronen ein B0 entgegen gerichtetes Magnetfeld auf
und schwächen damit B0 am Ort des Kerns (Abschirmung):
Beffektiv = B0 (1 - σ)
Die Abschirmungskonstante σ ist zwar gering (10-3 bis 10-6), reicht aber aus,
um einen Resonanzbereich aufzuspannen, innerhalb dessen die 1H-Signale
dispergiert, also separat dargestellt werden.
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Protonen haben einen Resonanzbereich von 10-15 ppm (1 ppm ≡ 10-6) 13CKerne dagegen von ca. 250 ppm.
Es ist technisch schwierig, absolute Resonanzfrequenzen, also Abschirmungskonstanten σ zu messen, sie sind zudem nicht leicht zu reproduzieren und
müssten für Messungen bei unterschiedlichem B0 nachträglich umgerechnet
werden.
Daher bezieht man Angaben zur Signalposition (νS) innerhalb des Messbereiches auf einen inneren Standard, das Signal einer universell verwendeten
Standard- oder Referenzsubstanz (νref), und gibt nur die relativen Abstände
dazu an: νS - νref. Der übliche Standard in der 1H-NMR-Spektroskopie ist Tetramethylsilan (TMS).
Aber auch diese Angabe ist noch immer unpraktisch, weil νS direkt proportional
zu B0 ist, also vom Typ des verwendeten Spektrometer-Magneten abhängig ist.
Dieses Problem eliminiert man, indem man die Frequenzdifferenz durch die
Larmorfrequenz der Referenzsubstanz, νref, teilt.
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Dadurch erhält man die chemische Verschiebung δ, einer der beiden wichtigsten Messparameter der NMR-Spektroskopie (der andere ist die Kopplungskonstante J, siehe später):
(νS - νref [in Hz]) / νref [in MHz] = δ ppm
Der Zusatz „[ppm]“ (≡ 10-6; part per million) ist im Prinzip keine Einheit, wird
aber nach den neuesten IUPAC-Empfehlungen wie eine Einheit behandelt.
Tetramethylsilan [(CH3)4Si), TMS mit δ = 0) ist eine vorteilhafte Referenzverbindung,
- weil es eine leicht flüchtige Verbindung ist, die nach der Messung wieder
einfach entfernt werden kann,
- weil es chemisch inert ist und seine chemische Verschiebung nur wenig vom
Messmedium abhängt
- und weil fast alle Signale der üblichen Substrate eine deutlich größere, also
positive chemische Verschiebung haben.
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Es muss also festgehalten werden:
(a) Die chemische Verschiebung δ (auf der ppm-Skala) ist unabhängig von
der Feldstärke B0 des für die Messung verwendeten Labormagneten.
(b) Die chemische Verschiebung ν (in Hz), gemessen als Frequenzabstand
vom TMS-Signal (δ = 0, ν = 0), ist jedoch abhängig von der Feldstärke
B0; sie nimmt proportional mit B0 zu.
(c) Die chemische Verschiebung eines Signals, ν in Hz, ergibt sich also aus
dem δ-Wert multipliziert mit der Messfrequenz in Hz.
Beispiel: Wurde die chemische Verschiebung eines Kerns bei einer
Messfrequenz von 400 MHz mit δ = 3,25 ppm bestimmt, so ist das Signal
3,25 × 400 Hz = 1300 Hz vom TMS-Signal entfernt. Bei 200 MHz ist der
Abstand bei gleichem δ-Wert nur 650 Hz.
Merke: Während die chemische Verschiebung ν feldstärkeabhängig ist,
sind δ-Werte feldstärkeunabhängig (und auch die Kopplungskonstante J
als substanzspezifische Größe; siehe später).
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Einiges zum Sprachgebrauch:
Wird ein Kern entschirmt, verschiebt sich sein NMR-Signal zu höheren Frequenzen oder paramagnetisch (im Spektrum nach links). Die veraltete
Bezeichnung, das Signal werde „tieffeldverschoben“ ist zwar immer noch
gebräuchlich, sollte aber vermieden werden.
Wird ein Kern abgeschirmt, verschiebt sich sein NMR-Signal zu kleineren
Frequenzen oder diamagnetisch (im Spektrum nach rechts). Die veraltete
Bezeichnung ist: „hochfeldverschoben“.
entschirmt
abgeschirmt
1H
zu niedrigen Frequenzen
(diamagnetisch)
verschoben
zu hohen Frequenzen
(paramagnetisch)
verschoben
10
5
0
δ (ν
ν , E)
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Merke:
Die Begriffe „Abschirmung“ und „Entschirmung“ beziehen sich immer auf
die Kerne; es handelt sich um eine physikalische Eigenschaft.
Der Begriff „Signalverschiebung“ bezieht sich immer auf die NMR-Signale
und das Spektrum; es ist das Ergebnis einer Messung.
Die Bezeichnungen „hoch-“ und „tieffeldverschoben“ sind deswegen veraltet, weil sie aus der Zeit der sog. Sweep-Spektroskopie („Continuous-Wave“)
stammen, bei der in der Tat während der Messung das magnetische Feld verändert wurde. In der heute praktisch ausschließlich verwendeten Puls-FourierTransform-(PFT)-Methode wird dagegen kein magnetisches Feld mehr variiert.
Die genannten Bezeichnungen sind daher nach dem Übergang zur PFT-Methode (während der 1970er Jahre) physikalisch sinnlos geworden, aber wegen
ihrer „Griffigkeit“ immer noch weit verbreitet.
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