Blauäugig – aber nicht blond: Mutationen im HERC2

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WISSENSCHAFT · AKTUELL
ÿ Blauäugig – aber nicht blond: Mutationen im HERC2-Gen verantwortlich für blaue Augen
ÿ Neuer molekularer Mechanismus von Lithium
ÿ Metagenom-Analyse: Bakteriengärung im Termitendarm
Gen in den Schlagzeilen
Blauäugig – aber nicht blond: Mutationen im HERC2-Gen verantwortlich
für blaue Augen
ó Blond und blauäugig ist ein weit verbreiteter Stereotyp für Menschen aus dem Norden.
Die Gruppe von Hans Eiberg aus Kopenhagen
(Hum. Genet. 123 (2008) 177–187) hat jetzt
eine genetische Ursache für blaue Augenfarbe
gefunden. In einer großen dänischen Familie
konnten sie die blaue Farbe der Augen auf
einen 166 Kb-Abschnitt im HERC2-Gen kartieren. Im 3’-Bereich dieses Gens sind zwei
von insgesamt sechs SNPs mit blauen Augen
assoziiert. Dieser Haplotyp ist insgesamt 155
blauäugigen Menschen in Dänemark gemeinsam und wurde außerdem bei fünf blauäugigen Türken und zwei blauäugigen Jordaniern
gefunden. Dies deutet darauf hin, dass diese
blauäugigen Menschen einen gemeinsamen
Vorfahren haben. Eine Mutation im HERC2-
Gen der Maus führt zu Letalität im Jugendalter,
was den Zusammenhang mit Blauäugigkeit
nicht gerade offensichtlich erscheinen lässt.
Direkt unterhalb des HERC2-Gens auf dem
Chromosom 15 liegt aber das OCA2-Gen, dessen Mutationen für okulären Albinismus verantwortlich sind. Interessanterweise umfasst
der kritische Bereich im HERC2-Gen auch regulatorische Elemente des OCA2-Gens. Die Mutationen in dem Haplotyp für blauäugig zeigten
im Reportergenassay eine deutliche Verminderung der Transkriptionsaktivität. Dies deutet
darauf hin, dass die Mutationen weniger das
HERC2-Gen betreffen als vielmehr zur Hemmung des OCA2-Gens führen.
Y Dieses Beispiel zeigt die Schwierigkeit eines
Genbegriffs, der sich im Wesentlichen an der
codierenden Region orientiert. „Überlappende“
Gene sind bei Säugern eher selten – aber regulatorische Elemente können natürlich von
„ihren“ Genen sehr weit weg sein.
Jochen Graw, München ó
Arzneimittel in den Schlagzeilen
Neuer molekularer Mechanismus von Lithium
ó Der kleinste Arzneistoff, Lithium, das Alkalimetall mit der Ordnungszahl 3 im Periodensystem, hat einen neuen molekularen Wirkmechanismus. Lithium wird zur Prophylaxe
manisch-depressiver Phasen und zur Therapie
der Manie als Arzneistoff in der Psychiatrie
eingesetzt. In klinischen Studien konnte gezeigt
werden, dass die Einnahme von Lithium bei
Patienten mit affektiven Erkrankungen die Suizidgefahr deutlich senken kann. Doch seit langem ist unklar, wie Lithium wirklich wirkt. Favorisiert wird häufig die Modulation des Inositolphosphat-Stoffwechsels durch Lithium, zahlreiche weitere Mechanismen wurden postuliert. Nun kommt ein interessanter Aspekt hinzu. In einer aktuellen Arbeit in Cell (132 (2008)
125-136) beschreibt die Arbeitsgruppe von
Marc Caron, Duke University (USA), wie
Lithium die β-Arrestin-vermittelte Signaltransduktion moduliert. β-Arrestin ist nicht nur
ein wichtiges Regulatorprotein, das die Desensibilisierung von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren bewirkt. Es kann auch als Adapter für GProtein-unabhängige Signalwege dienen. βArrestin-2 (βArr2) bindet in einem Komplex die
Proteinphosphatase 2A (PP2A) und Akt, welches hierdurch dephosphoryliert und inaktiviert wird. Lithium führt zur Dissoziation des
βArr2/PP2A/Akt-Komplexes, sodass Akt ver-
mehrt zur Hemmung der Glykogensynthasekinase 3 (GSK3) zur Verfügung steht (siehe
Schema).
Y Die Autoren belegen die Bedeutung dieses
Signalwegs nicht nur in biochemischen Experimenten, sondern zeigen auch, dass die Effekte von Lithium auf verschiedene Verhaltenstests
bei βArr2-KO-Mäusen ausbleiben, bei heterozygoten GSK3β-defizienten Mäusen hingegen
verstärkt werden. Ob dieser Signalweg nicht
nur Mäuse-Verhalten beeinflusst, sondern auch
bei echten Patienten eine Rolle spielt, wird nicht
einfach zu beweisen sein. Allerdings wurden
auch für die verschiedenen unerwünschten Wirkungen von Lithium bisher keine exakten
Mechanismen beschrieben. Vielleicht besteht
hier einmal die Chance, Haupt- und Nebenwirkungen mechanistisch zu trennen und das
Tor zu neuen Pharmaka mit einer größeren therapeutischen Breite zu öffnen?
Lutz Hein, Freiburg ó
BIOspektrum | 02.08 | 14. Jahrgang
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Mikroorganismus in den
Schlagzeilen
Metagenom-Analyse:
Bakteriengärung
im Termitendarm
ó Termitendärme sind winzige, hocheffiziente Bioreaktoren, in denen symbiontische Mikroorganismen
Holz zu Gärprodukten umsetzen, die den Stoffwechsel des Wirtes antreiben. Die erste Metagenom-Analyse des Darminhaltes einer Nasutitermes-Art (F.
Warnecke et al., Nature 450 (2007) 560–565) liefert
wichtige Erkenntnisse zur mikrobiellen Verdauung
bei höheren Termiten, denen die für niedere Termiten
typischen holzverdauenden Einzeller (Flagellaten)
fehlen.
Die umfangreichen DNA-Sequenzdaten beinhalten
zahlreiche bakterielle Gene, die für bislang unbekannte, auf den Abbau von Zellulose und Hemizellulosen spezialisierte Glykosylhydrolasen kodieren. Bioinformatischen Analysen zufolge ist die Mehrzahl
dieser Gene den Fibrobacteres oder den Spirochaetes zuzuordnen – beides im Enddarm von Nasutitermes häufige Bakterienstämme. Verwandte der Fibrobacteres-Arten spielen eine wichtige Rolle bei der
Zelluloseverdauung im Pansen von Wiederkäuern.
Eine Beteiligung von Spirochäten an der Holzverdauung im Termitendarm ist jedoch ebenso unerwartet wie deren schon früher gezeigte Fähigkeit zur
reduktiven Acetogenese aus H2 und CO2.
Y Termiten stehen vor allem in den USA im Rampenlicht der Biokraftstoff-Diskussion. Die Därme dieser holzverdauenden Insekten sind eine Quelle von
unerforschten Mikroorganismen mit neuen katalytischen Fähigkeiten, die für die Produktion von Ethanol
oder Wasserstoff aus pflanzlichen Abfällen von Bedeutung sein könnten. Termiten können Lignozellulose
auch ohne die klassischen Lignin-auflösenden Enzyme effizient umsetzen. In Termitendärmen entstehen
aus einem Blatt Papier bis zu zwei Liter Wasserstoff
– allerdings nur als Zwischenprodukt einer hauptsächlich homoacetogenen Vergärung der Kohlenhydrate.
Andreas Brune, Marburg ó
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