Sind Antidepressiva gefährlich bei Patienten mit einer instabilen

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Sind Antidepressiva gefährlich bei Patienten mit einer instabilen
koronaren Herzerkrankung?
Hintergrund:
Depressive Störungen stellen einen Risikofaktor für Myokardinfarkte dar und sind verbunden mit
einer Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität. Es besteht bisher keine Evidenz für die Sicherheit
und die Wirksamkeit von Antidepressiva bei Patienten mit einer instabilen koronaren Herzkrankheit.
Frage:
Ist Sertralin (selektiver Hemmer der Serotoninwiederaufnahme) ein sicheres und wirksames
Antidepressivum bei Patienten mit einer instabilen koronaren Herzkrankheit?
Einschlusskriterien:
• Patien ten mit Status nach einem Myokardinfarkt oder einer Hospitalisation wegen einer
instabilen koronaren Herzkrankheit innerhalb der letzten dreissig Tage.
• Patienten leiden unter einer rezidivierenden, schon vor dem koronaren Ereignis aufgetretenen
depressiven Störung (definiert durch DSM-IV)
Ausschlusskriterien:
• Myokardinfarkt oder instabile koronare Herzkrankheit bei Status nach Bypass-Operation
innerhalb der letzten 3 Monate
• Unkontrollierte Hypertonie (>180/>100)
• Medikation mit Klasse I Antiarrhythmika, An tikonvulsiva, Neuroleptika oder Antidepressiva
Studiendesign:
Randomisiert, plazebokontrollierte Doppelblindstudie mit Intention-to-treat-Analyse
Studienort:
40 Zentren in sieben Ländern (u.a. USA, Kanada, Schweden, Italien)
Intervention:
•
50 mg/d Sertralin oder Plazebo in ersten 6 Wochen, 100 mg/d in den Wochen 6-10, danach je
nach Klinik 100-200mg/d bis Woche 24
Outcome:
•
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Primär: Linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) nach 16 Wochen und kardiovaskuläre
Ereignisse
Sekundär: Clinical Global Impression of Improvement (CGI-I) und Hamilton-Depression Score
(HAM-D), wobei tiefere Scores eine grössere Verbesserung bedeuten
Nebenwirkungen (Nausea, Diarrhoe, Schwindel, ...)
Resultat:
•
369 Patienten (mittleres Alter 56 Jahre, 36% Frauen) wurden in die Studie eingeschlossen.
Outcome
LVEF %
0 Wochen
Sertralingruppe
Plazebogruppe
Unterschied zwischen den zwei
(n=186)
(n=183)
Gruppen
54 (10)
52 (13)
Nicht signifikant
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54 (11)
53 (13)
CGI-I nach 24 Wochen
2.57
2.75
signifikant
Änderung des HA M-D Scores
-8.4
-7.6
Nicht signifikant
16 Wochen
Nach 16 Wochen
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•
•
53 Patienten der Sertralin- und 46 Patienten der Plazebogruppe beendeten die Studie nicht.
Ihre Daten wurden in der Intention-to-treat-Analyse berücksichtigt.
Die Anzahl Patienten mit einem kardiovaskulären Ereignis unterschied sich nicht zwischen den
zwei Gruppen.
Bei der Untergruppe mit Patienten mit schwererer Depression zeigten beide
Depressionsfragebogen signifikant bessere Ergebnisse für die Sertralingruppe.
In der Sertralingruppe waren häufiger Nebenwirkungen wie Nausea (20% der Patienten versus
11% in der Plazebogruppe), Diarrhoe (19% versus 8%), Kopfschmerzen (20% versus 16%)
und Schwindel (16% versus 12%) zu verzeichnen.
Kommentar:
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Sertralin unterschied sich bezüglich der kardiovaskulären Ereignisse nicht vom Plazebo und ist
bei Patienten mit einer instabilen koronaren Herzerkrankung eventuell anwendbar. Die Anzahl
Patienten war jedoch zu klein, um das kleinere oder grössere Risiko von kardiovaskulären
Ereignissen unter einer Sertralintherapie zu belegen. Dazu wäre eine randomisiert, kontrollierte
Studie mit über 4000 Patienten nötig.
Zwischen dem akuten koronaren Ereignis und dem Beginn der Therapie mit Sertralin lag ein
Zeitraum von 34 Tagen. Es bleibt unklar, ob Sertralin auch in den ersten fünf Wochen nach
dem akuten koronaren Ereignis eine sichere Therapie darstellt.
Die für eine randomisiert, plazebokontrollierte Studie zentralen Elemente wie die Art des
Plazebopräparats, die Verblindung der Untersucher und die Art der Randomisierung können
wegen fehlender Angaben nicht beurteilt werden. Die Ergebnisse dieser Studie, welche vom
Hersteller von Sertralin organisiert und gesponsert wurde, werden eventuell überschätzt.
Der Hintergrund dieser Studie ist der Umstand, dass eine Depression ein Risikofaktor für ein
akutes koronares Ereignis ist. Das Design dieser Studie vermag die Frage, ob eine Therapie mit
Sertralin dieses Risiko senkt, nicht zu beantworten, weil die Patienten erst nach dem akuten
koronaren Ereignis rekrutiert wurden.
Literatur :
Glassman A.H. Sertralin Treatment of Major Depression in Patients With Acute MI or Unstable
Angina. JAMA 2002 August 14, 288(6):701-709
Verfasser:
Milo Puhan, 15.8.2002
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