www.evimed.ch Depressive Symptomatik sollte bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit erfasst werden Frage: Ist die krankheitsspezifische Lebensqualität von Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit mehr mit einer depressiven Symptomatik oder mit objektiv messbaren Grössen wie eine verminderte Auswurfleistung des Herzens assoziiert? Einschlusskriterien: • Mindestens eines der folgenden Kriterien musste erfüllt sein: • Diagnose einer koronaren Herzkrankheit • Status nach Myokardinfarkt • Status nach koronarer Revaskularisation • Mindestens 50-prozentige Stenose eines Koronargefässes • Dokumentierte Ischämie im Belastungs-EKG Studiendesign: Cross-sectional study Studienort: 12 Spitäler in Kalifornien, USA Outcome: • • • Linksventrikuläre Ejektionsfraktion Körperlicher Belastungstest (Laufband-Ergometrie) Depressive Symptomatik, erfasst mit dem Patient Health Questionnaire, wobei bei > 10 Punkten die Diagnose einer Depression gestellt werden kann. • Krankheitsspezifische Lebensqualität: Seattle Angina Questionnaire, der die Symptome der koronaren Herzkrankheit, die Lebensqualität sowie die körperliche Einschränkung erfasst. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion, die körperliche Leistungsfähigkeit und die depressive Symptomatik wurden dahingehend untersucht, inwieweit sie mit der krankheitsspezifischen Lebensqualität assoziiert sind. Resultat: • • • 1024 Patienten (Durchschnittsalter 66 Jahre) mit einer koronaren Herzkrankheit wurden in die Studie eingeschlossen. 201 (20%) Patienten hatten eine Depression. Diese Patienten waren im Vergleich zu den 823 Patienten ohne Depression jünger, sozioökonomisch schlechter gestellt, hatten häufiger einen Myokardinfarkt oder einen Diabetes in der Anamnese, einen höheren Body Mass Index sowie eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit. Das Vorliegen einer Depression war mit einer tieferen Lebensqualität (Odds Ratio 3.1; 95% CI 2.2-4.6), mehr Symptomen der koronaren Herzkrankheit (Odds Ratio 1.8; 95% CI1.3-2.7) sowie mit einer grösseren körperlichen Einschränkung (Odds Ratio 3.1; 95% CI 2.1-4.6) im Vergleich zu Patienten ohne Depression assoziiert. www.evimed.ch • • Eine verminderte linksventrikuläre Ejektionsfraktion war nicht prädiktiv für eine tiefere Lebensqualität (Odds Ratio 1.0; 95% CI 0.9-1.2), mehr Symptome der koronaren Herzkrankheit (Odds Ratio 1.0; 95% CI 0.8-1.2) oder für eine grössere körperliche Einschränkung (Odds Ratio 1.0; 95% CI 0.8-1.2). Eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, gemessen mit der Laufband-Ergometrie, war dagegen assoziiert mit einer tieferen Lebensqualität (Odds Ratio 1.5; 95% CI 1.3-1.8), mehr Symptomen der koronaren Herzkrankheit (Odds Ratio 1.3; 95% CI 1.1-1.5) oder einer grösseren körperlichen Einschränkung (Odds Ratio 2.4; 95% CI 2.0-2.9). Kommentar: • In dieser Studie wurde die Assoziation der Lebensqualität von Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit mit in klinischen Studien häufig erfassten klinischen und physiologischen Outcomeparametern untersucht. Dabei zeigte sich, dass klinische und subjektive Einschätzungen des Patienten (depressive Symptomatik) mehr mit der Lebensqualität assoziiert sind als physiologische Parameter. Dies bedeutet, dass mit physiologischen Parametern die für den Patienten wichtigen Outcomes (wie Lebensqualität) teils nicht erfassbar sind. Dies erschwert die Interpretation der klinischen Bedeutung von Studien, in denen zum Beispiel die linksventrikuläre Ejektionsfraktion ein wichtiger Outcomeparameter war, weil keine Assoziation mit klinisch bedeutsamen Grössen besteht. • Es wichtig festzuhalten, dass die Assoziation der depressiven Symptomatik mit der Lebensqualität nicht kausal interpretiert werden sollte. Ein kausaler Zusammenhang kann in klinischen Studien nicht direkt gemessen oder bewiesen werden. Es erscheint aber plausibel, dass eine Depression bei diesen Patienten zu einer tieferen Lebensqualität führen kann. Dagegen ist die Assoziation mit einer tieferen Leistungsfähigkeit oder mit Symptomen der koronaren Herzkrankheit schwieriger erklärbar. • Die Erfassung der depressiven Symptomatik sollte in zukünftigen Therapiestudien bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit berücksichtigt werden, da sie mit deren Lebensqualität assoziiert ist. Literatur: Rou B. et al: Depressive symptoms and health-related quality of life: the Heart and Soul Study. JAMA. 2003 Jul 9;290(2):215-21. Verfasser: Milo Puhan