UP Dr. Wolfgang Domej ALPINMEDIZIN Menschen mit stabiler koronarer Herzerkrankung haben bis 3.500 m Höhe kein erhöhtes gesundheitliches Risiko. Gesundheitliche Empfehlungen Herzensangelegenheit GERINGES RISIKO NACH HERZINFARKT Der bedeutendste Stressfaktor für ein vorgeschädigtes Herz ist der atmosphärische Sauerstoffmangel in der Höhe. Trotz des zunehmenden Ungleichgewichtes zwischen Sauerstoffaufnahme und -bedarf in großer Höhe zeigten Untersuchungen, dass ein Aufenthalt bis in etwa 3.500 m Höhe für Menschen mit stabiler koronarer Herzkrankheit und ausreichender Belastungsfähigkeit ungefährlich ist. Patienten mit koronarer Herzkrankheit, sogar solche nach einem Herz­ infarkt, deren Herzmuskeldurchblutung durch interventionelle Maßnahmen (Bypass, Stents in den Koronargefäßen) zufriedenstellend wiederhergestellt werden konnte und die infolgedessen keine relevante Einschränkung ihrer Herzfunktion aufweisen, haben auch in großen Höhen mit keinem erhöhten Gesundheitsrisiko zu rechnen. Kardiale Ereignisse wie ein akuter Herzinfarkt treten unter Höhen­bedingungen nicht häufiger auf als auf Normalhöhe. Das Risiko eines neuerlichen Infarktereignisses ist auch in großen Höhen gering und keinesfalls höher als das Risiko einer vergleichbaren Risikogruppe auf Meereshöhe. Bei erfolgreich behandelten Herzpatienten sind in der Regel auch keine bedrohlichen Herzrhythmusstörungen oder schweren Funktionseinschränkungen des Herzens in großer Höhe zu erwarten. MASSNAHMEN BEI HERZPROBLEMEN Nach einem Herzinfarkt oder einer erfolgten Herz-BypassOperation sollte im Rahmen eines anschließenden Rehabi­ litationsverfahrens versucht werden, wieder eine ausrei- 112 LAND DER BERGE 03|15 chende Belastungsfähigkeit zu erreichen. Die Möglichkeit eines mehrwöchigen strukturierten Rehabilitationsprogramms sollte daher auf jeden Fall nach einem Herzinfarkt bzw. einer Herzklappenoperation wahrgenommen werden. Mittels einer standardisierten Belastungsuntersuchung (Belastungs-EKG), ggf. in einer Höhenkammer, kann das Risiko einer bedrohlichen Durchblutungsstörung des Herzmuskels bis zu einer bestimmten Belastungsstufe und evtl. simulierten Höhe weitgehend ausgeschlossen werden. Bei Vorliegen eines unauffälligen EKG sollten allerdings bei belastungsabhängigen Beschwerden weitere Untersuchungen wie beispielsweise eine Herzultraschalluntersuchung unter Stressbedingungen durchgeführt werden. Sehr empfehlenswert wäre für Herzpatienten, vor einem geplanten Höhenaufenthalt ein regelmäßiges körperliches Training durchzuführen. Ideal ist für diesen Personenkreis ein kontrolliertes Training mit dem Ziel einer maximalen Belastbarkeit von 2,5–3 Watt/kg Körpergewicht. Die individuelle Leistungsfähigkeit sollte auch in Bezug gesetzt werden zur Höhe einer geplanten alpinen Destination bzw. zu dem zu erwartenden physiologischen Höhenleis­ tungsverlust (–10%/1.000 m über 1.500 m) sowie den notwendigen körperlichen Reserven. 400–500 HM/STUNDE Heute zieht es auch zunehmend ältere Menschen in eisige Höhen, wobei Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems mit dem Alter steigen. Umso mehr geht es um individuelle ärztliche Empfehlungen und eine kompetente höhenmedi- Wer beherzt durch die Natur wandert, tut seinem Herz auf jeden Fall etwas Gutes. FOTOS © SHUTTERSTOCK Vorerkrankungen seitens des Herzens bedeuten in vielen Fällen noch lange nicht, dass Patienten auf Höhenaufenthalte und Alpinsport verzichten müssen. Wer gewisse Maßnahmen beachtet, darf sich auch nach Herzinfarkt, Stent oder Bypass in eisige Höhen begeben. zinische/sportmedizinische Beratung. Für Patienten mit einer bestehenden koronaren Herzkrankheit, nach einem Herzinfarkt oder einer Herzoperation ist die Risikoabwägung hinsichtlich eines geplanten Höhenaufenthaltes nicht unwesentlich. Grundsätzlich bleibt jeder, der körperlich über das Jahr laufend aktiv ist, 3–4 Stunden ohne Pause 400–500 m Höhenmeter pro Stunde im Aufstieg bewältigen kann und eine ungestörte Höhenanpassung aufweist, bis zu einer Höhe von etwa 5.000 m ohne erhöhtes Risiko für ein akutes Durchblutungsdefizit. Große Höhen sollten vor allem dann vermieden werden, wenn aufgrund einer bestehenden koronaren Herzerkrankung gehäuft Herzschmerzen (Angina pectoris) auftreten, die Pumpfunktion des Herzens stark eingeschränkt ist und/ oder ein zusätzlicher Bluthochdruck im Lungenkreislauf besteht. Die Situation stellt sich bei älteren, bislang gesunden, jedoch körperlich weitgehend inaktiven Personen mit hohem Herz-Kreislauf-Risikoprofil (Diabetes mellitus, arterieller Bluthochdruck, Zigarettenrauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel etc.) etwas differenzierter dar: Hier kann die Kombination aus Belastung und Höhe durchAuch für Trekkingtouristen mit koronarer Herzkrank- aus zu einem unerwarteten höheren Sauerstoffmangel des heit ist das Risiko eines schwerwiegenden kardialen Ereig- Herzmuskels führen. Laut dem Österreichischen Kurato­ nisses minimal (etwa 0,01%). Grundsätzlich ist diese Per- rium für Alpine Sicherheit sind ca. 50% aller Alpintoten sonengruppe daher auch für ein längeres Höhentrekking beim Wandern auf internistische Notfälle (kardiale Ereiggeeignet, wobei das Restrisiko jenem auf Normalhöhe ent- nisse) zurückzuführen; einer Statistik der Österreichischen spricht. Wegen des mit der Höhe abnehmenden Sauerstoff- Bergrettung zufolge waren immerhin 173 (knapp 4%) von partialdruckes in der Einatemluft sollten auch weitgehend 4.394 terrestrischen Bergungen im Jahr 2014 auf Herz- bzw. beschwerdefreie Patienten mit Durchblutungsdefiziten Kreislaufprobleme zurückzuführen. des Herzmuskels Höhen jenseits der 4.500 m meiden. UP Dr. Wolfgang Domej Die oft fehlende medizinische Infrastruktur in sehr abgeARGE-Alpinmedizin Graz schiedenen Gebirgsregionen muss in diesem Zusammenhang jedoch stets bedacht werden! Alpinmedizinische Forschungsstation Dachstein, www.argealpinmed.at Für Trekkingtouristen mit koronarer Herzkrankheit ist das Risiko eines schwerwiegenden kardialen Ereignisses minimal. LAND DER BERGE 03|15 113