Die Zukunft theologischer Forschung und Lehre in Berlin

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Am 14.6.17 vom Fakultätsrat zur Kenntnis genommen.
Die Zukunft theologischer Forschung und Lehre in Berlin
Empfehlungen der vom Fakultätsrat der Theologischen Fakultät eingesetzten Kommission zur Verortung weiterer Theologien an der Humboldt-Universität
Der Beschluss des Berliner Senats, ein Institut für Islamische Theologie an der
Humboldt-Universität zu etablieren, hat seit einigen Monaten zu einer Diskussion
über den künftigen Ort eines solchen Instituts geführt. Die Dekanin der Philosophischen Fakultät I hat im Januar 2017 erklärt, sie könne sich vorstellen, ein solches Institut für Islamische Theologie bei sich aufzunehmen. Im Februar 2017
hat dann auch der Fakultätsrat der Theologischen Fakultät eine Kommission eingesetzt, die prüfen sollte, ob und unter welchen Bedingungen eine Anbindung an
die Theologische Fakultät möglich sei. Die Notwendigkeit einer Koordination
theologischer Ausbildung in Berlin wird – ganz unabhängig von ihrer Verortung von niemandem bestritten.
Da inzwischen auch erwogen wird, das bisher an der FU angesiedelte Institut für
Katholische Theologie an die HU zu verlagern, stellt sich die Frage einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Institutionalisierung der Theologien in Berlin neu.
Dabei kommt auch die Frage nach der Präsenz jüdischer Theologie an der HU in
den Blick. Denn eine Forschungs- und Lehrkoordination der Theologien in Berlin
ohne das Judentum ist undenkbar. Die Frage, wie die Kooperation mit dem Abraham Geiger Kolleg und dem Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft in Potsdam im Einzelnen zu gestalten ist – etwa in Form der Gründung
eines länderübergreifenden Zentralinstituts für Theologische Studien – soll und
darf die Möglichkeit einer Etablierung auch der Jüdischen Theologie an der HU
nicht ausschließen.
Konfessionelle Theologien unter einem Dach:
Zentrum oder „Fakultät der Theologien“?
Die Kommission spricht sich dafür aus, die Universitätstheologien in Berlin unter
einem Dach zu vereinen. Zwei mögliche Dachkonstruktionen werden derzeit erörtert. Der eine Vorschlag zielt auf die Errichtung eines von der Verfassung der HU
in § 25 vorgesehenen Interdisziplinären Zentrums. Zentren können über Fakultäts- und Universitätsgrenzen hinweg kooperieren. Sie werden für eine begrenzte
Dauer vom Akademischen Senat für bestimmte Forschungsvorhaben eingerichtet. Die theologischen Einrichtungen könnten also an verschiedenen Fakultäten
angesiedelt werden und gleichwohl zusammenarbeiten. Doch gerade darin besteht die Schwäche einer Zentrumslösung. Zentren gewährleisten keine Dauer,
sie sind vom zusätzlichen Engagement der dort Tätigen abhängig, und die Kooperation beschränkt sich meist auf bestimmte zeitlich begrenzte Forschungsvorhaben Die Bekenntnisbindung eines theologischen Instituts an einer ansonsten
nicht bekenntnisgebundenen Fakultät kann im übrigen auch zu dessen Isolation
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führen. Aus diesen Gründen favorisiert die Kommission die Zentrumslösung
nicht.
Die Verbindung mehrerer bekenntnisgebundener Einrichtungen an einer einzigen
Fakultät hat hingegen den Vorteil, dass die beteiligten theologischen Einrichtungen verschiedener Religionsgemeinschaften ein gemeinsames Interesse daran
haben, dass für alle dieselben religionsrechtlichen Standards gelten. Zudem können die gemeinsamen wissenschaftssystematischen, methodologischen und gesellschaftsbezogenen Eigenschaften der Theologien zum Vorteil von Forschung
und Lehre in einem die einzelnen Theologien übergreifenden Verband aufeinander bezogen werden.
Die Kommission empfiehlt deshalb die Einrichtung einer „Fakultät der Theologien“. Mit der Überführung der bisherigen „Theologischen Fakultät“ der HU in eine „Fakultät der Theologien“ würde ein Ort geschaffen, der die selbständige und
zugleich kooperative, von Synergieeffekten profitierende theologische Forschung
und Lehre in Berlin ermöglicht und zugleich auch deren Zukunft nachhaltig sichert. Im Falle der Schaffung einer solchen Einrichtung würde nicht nur die Zahl
der Lehrenden steigen; vielmehr kann damit gerechnet werden, dass auch die
Zahl der Studierenden deutlich wachsen wird. Nicht nur national, auch international wäre eine solche Fakultät der Theologien, an der evangelische, katholische,
islamische und jüdische Theologie gelehrt würden, attraktiv. Die Notwendigkeit
der wissenschaftlichen Reflexion über zunehmende religiöse Pluralität bei gleichzeitig wachsender öffentlicher Bedeutung von Religion ist evident.
Die Vorzüge einer „Fakultät der Theologien“
Eine Fakultät der Theologien, an der sich Studierende ganz unterschiedlicher religionskultureller Herkunft treffen, ist ein Modell für die Zukunft – zumal in Berlin.
Mehr als andere Modelle gewährleistet eine Fakultät der Theologien, das Bewusstsein für das unverzichtbar Eigene zu schärfen und die theologischen Einsichten der eigenen Tradition in der Auseinandersetzung mit anderen Traditionen
profiliert, selbstbewusst und kommunikationsfähig entwickeln zu können. Neben
der Fähigkeit, sich reflektiert auf das Eigene zu beziehen, würde hierdurch auch
die Kompetenz erworben, interkonfessionelle und interreligiöse Lernprozesse in
Gemeinden und an Schulen anzuregen. Dazu bedarf es spezifischer fachlicher
Kenntnisse wie auch eines methodischen Fundamentes. Die Chance ist hoch,
dass Studierende an einer Fakultät der Theologien eine präzise und prägnante
eigene theologische Identität ebenso wie eine interreligiöse bzw. interkonfessionelle Kommunikationskompetenz entwickeln.
Mit der Institutionalisierung mehrerer Theologien unter dem gemeinsamen Dach
einer Fakultät wären sicherlich auch Synergien in der Verwaltung zu erzielen,
doch der entscheidende Vorzug bestünde darin, dass hierdurch die Möglichkeit
eröffnet würde, - unter Wahrung der Grenzen der Bekenntnisbindung - Lehre und
Forschung aufeinander abzustimmen. So sehr die jeweiligen Theologien das Vertrauen ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaften haben und die religionsverfas2
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sungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte achten müssen, so wünschenswert ist
es, gemeinsame Themen und Fragestellungen in Forschung und Lehre zu entwickeln. Die Kommission schlägt drei Querschnittsthemen vor, aus denen gemeinsame Forschungs- und Lehrprogramme entwickelt werden können, nämlich
„Schriftauslegung und Rezeption“, „Theologie und Glaubenstradition“, „Religion
und Gesellschaft“.
Die Studiengänge würden unter den gegebenen religionsverfassungsrechtlichen
Voraussetzungen so ausgestaltet, dass die Fakultät ein Portfolio von verschiedenen, bekenntnisgebundenen theologischen Studiengängen und Studienabschlüssen anbietet. Diese können je nach Größe der beteiligten Einrichtungen variieren.
Lehrimporte und -exporte zwischen den Studiengängen wären möglich und sinnvoll, soweit keine bekenntnisgebundenen Gründe dem entgegenstehen. Zusätzlich könnte eine Fakultät der Theologien weitere, nicht bekenntnisgebundene
Studienangebote und Abschlüsse vorhalten, wie es an der gegenwärtigen evangelischen Theologischen Fakultät bereits der Fall ist. Der äußerst erfolgreiche,
nicht konfessionsgebundene Masterstudiengang „Religion und Kultur“ bietet sich
dafür an, durch die verantwortliche Mitwirkung von jüdischer, katholischer und
islamischer Theologie noch ausgebaut zu werden. Es wäre dann beispielsweise
möglich, Varianten dieses Studiengangs mit jüdischen, christlichen oder islamischen Schwerpunkten anzubieten. Darüber hinaus ist es bereits jetzt nach der
Promotionsordnung der Theologischen Fakultät möglich, unter Mitwirkung der
Philosophische Fakultät, der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft sowie
der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät den akademischen
Grad eines Dr. phil zu erwerben, und zwar unabhängig von der Religions- bzw.
Konfessionszugehörigkeit.
Zum Selbstverständnis wissenschaftlicher Theologie
Eine Voraussetzung wissenschaftlicher Theologie ist der Selbstvollzug und das
Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften, die als Vertragspartner der Länder die an den Lehr- und Forschungsinstitutionen vermittelten Inhalte mitverantworten. Die Religionsgemeinschaften sind die Bedingung der Möglichkeit und
der Gegenstand der wissenschaftlichen Theologie. Deren Zweck ist die Ausbildung künftiger Geistlicher sowie die Ausbildung staatlicher Lehrkräfte für den
Religionsunterricht.
Aus der Perspektive evangelisch-christlicher Theologie erscheint hier der Rekurs
auf einen der Klassiker des Protestantismus über die Religions- und Konfessionsgrenzen hilfreich: Friedrich Schleiermacher, der erste Dekan der Berliner Theologischen Fakultät hat seine Dogmatik (Lehre des christlichen Glaubens, 1822 /
2
1831) als Auslegung des frommen Bewusstseins angelegt, wie es sich in einer
bestimmten Tradition des Christentums ausgebildet hatte und für ihn gegenwärtig zeigte ("nach den Grundsätzen der Evangelischen Kirche im Zusammenhange
dargestellt"). Wissenschaftliche Theologie im Sinne Schleiermachers setzt also
den lebendigen Umgang mit normativen Texten und Traditionen voraus, die das
individuelle und kollektive religiöse Bewusstsein und die Identität der Religions3
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gemeinschaften bestimmen, und zielt ab auf dessen reflektierte Wahrnehmung.
Diese jeder Gestalt wissenschaftlicher Theologie vorausgehende Wirklichkeit der
Religion ist gewachsene, aber nicht unreflektierte Tradition. Alle theologischen
Fächer sind in dem Sinne konfessionell gebunden, als sie auf die Befähigung zu
dieser Praxis abzielen.
Wissenschaftliche Theologie ist nicht die Quelle und Voraussetzung dieser gewachsenen Tradition, sondern deren vergewissernde oder kritische Reflexion. Die
an den theologischen Fakultäten explizit wahrgenommene Aufgabe der kritischen
Selbstreflexion wird Moment des religiösen Vollzuges selbst. Es gibt im Bereich
des Christentums keinen religiösen Vollzug und kein Identitätsbewusstsein mehr,
das nicht zugleich Gegenstand der Selbstreflexion und kritischer Aneignung ist;
diese Aufgabe wird an den theologischen Fakultäten explizit wahrgenommen.
Staatkirchenrechtliche und religionsverfassungsrechtliche Voraussetzungen
Fakultäten und Institute für Theologie sind nach deutschem Religionsverfassungsrecht gemeinsame Angelegenheiten zwischen einem Land und jeweils einer
Religionsgemeinschaft. Die Mitwirkungsrechte der Religionsgemeinschaft sind in
entsprechenden Verträgen verbindlich geregelt. Der Wissenschaftsrat hat 2010
in seinen „Empfehlungen zur Weiterentwicklungen von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen“1 diesen Tatbestand für
die christlichen Theologien bekräftigt und angeregt, ihn auch auf jüdische und
islamische Theologien anzuwenden..
In diesem Zusammenhang steht die Zusage des Berliner Senats, Mittel für die
Einrichtung eines Instituts für Islamische Theologie als Sondertatbestand zur
Verfügung zu stellen. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Staatssekretärs für
Wissenschaft hat dafür schon im Sommer 2016 Eckpunkte formuliert.2 In dem
einschlägigen Dokument kommt der Konsens aller Beteiligten zum Ausdruck,
dass es sich um ein Theologisches Institut im Sinne der religionsrechtlichen Vorgaben handeln soll und dass dort „bekenntnisgebundene Studienangebote zur
Professionalisierung einschlägiger Berufsfelder innerhalb der Gemeinden, der
Verbände und der Schule“ vorzusehen sind.
Dabei ist vorauszusetzen, dass die 2014 vom Wissenschaftsrat mit Blick auf die
Akkreditierung nicht-staatlicher Hochschulen formulierten „drei grundlegende(n)
Bedingungen, die jede Religionsgemeinschaft oder Religionsgesellschaft zu erfüllen hat, sofern sie nach einem hochschulförmigen, staatlich anerkannten Ort der
theologischen Selbstverständigung strebt“, erst recht für die Verankerung eines
theologischen Instituts an einer staatlichen Universität gültig sind.3
1
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678‐10.pdf http://www.berlin.de/sen/wissenschaft/wissenschaftspolitik/eckpunkte‐islamische‐theologie‐endfassung.pdf 3
Kriterien der Hochschulförmigkeit bekenntnisgebundener Einrichtungen im nichtstaatlichen Sektor; Drs. 3644‐
14 Berlin 24 01 2014, S.11f, http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/3644‐14.pdf 2
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Die Humboldt-Universität zu Berlin hat mit ihrer Bereitschaft zur Einrichtung des
Instituts für Islamische Theologie die Verpflichtung übernommen, dieses mit den
vorgesehenen religionsrechtlichen Bedingungen auszustatten.
Die bekenntnisgebundenen Angelegenheiten einer theologischen Universitätseinrichtung umfassen
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bekenntnisrelevante Organisationsentscheidungen,
die Einrichtung von Studiengängen,
die Gestaltung von Studien- und Prüfungsordnungen,
die Berufung von bekenntnisgebundenen Professorinnen und Professoren
die Durchführung von bekenntnisgebundenen Prüfungsverfahren, Promotionsverfahren und Habilitationsverfahren.
Beim rechtlichen Schutz für die bekenntnisgebundenen Angelegenheiten sind
zwei Ebenen zu unterscheiden:
(1) die Entscheidungsbefugnisse für bekenntnisgebundene Angelegenheiten liegen bei zuständigen Gremien innerhalb der bekenntnisgebundenen Einrichtung.
Sofern es sich bei der Einrichtung um ein Institut handelt, sind gemäß der Verfassung der HU an das Institut Entscheidungskompetenzen zu übertragen, die
normalerweise bei einer Fakultät liegen.
(2) In bekenntnisgebundenen Angelegenheiten gelten Mitwirkungsrechte der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Die „Eckpunkte Islamische Theologie“ für Berlin
machen dazu in Punkt 4.1.1 konkrete Angaben. Die Mitwirkung der Religionsgemeinschaft beschränkt sich auf Zustimmungsrechte zu den inhaltlich an der Universität getroffenen Entscheidungen. Sie ist dadurch weiter eingeschränkt, dass
die Zustimmung nur aus religiösen Gründen verweigert werden darf. Im Fall der
islamischen Religionsgemeinschaft können die Mitwirkungsrechte der Religionsgemeinschaft gegenwärtig nur durch eine Hilfskonstruktion, die Schaffung eines
„Beirats“, gewährleistet werden. Für Berlin wurde im Rahmen der „Eckpunkte“
eine konkrete Verabredung zwischen allen Beteiligten über die Zusammensetzung eines solchen Beirats getroffen.
Vorschlag
Die Kommission schlägt unter Beachtung dieser Prämissen und vorbehaltlich der
nötigen rechtlichen Prüfung vor, die bisherige evangelische Berliner Theologische
Fakultät in eine Fakultät der Theologien zu überführen, an der vier religionsverfassungsrechtlich selbständige Einrichtungen organisatorisch zusammengeführt
werden. Der Begriff „Fakultät der Theologien“ spielt eine für den hochschulrechtlichen Aufbau wichtige, orientierende Rolle. Theologien im wissenschaftlichen und
religionsverfassungsrechtlichen Sinn gibt es insofern nur im Singular, als diese
an ihre je singuläre konfessionelle Tradition verwiesen sind. Die Einrichtungen
einer verschiedene Konfessionen und Religionen umfassende Fakultät der Theologien besitzen deshalb in Lehr-, Studien-, Prüfungs- und Berufungsangelegenheiten selbständige Entscheidungsbefugnis. Gleichwohl bildet eine solche Fakultät
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nicht nur eine verwaltungstechnische Einheit, sondern ermöglicht wissenschaftliche Auseinandersetzung und Zusammenarbeit gleichermaßen.
Hochschulrechtlicher Klärungsbedarf
Unter Beachtung der bestehenden und noch zu schließenden Verträge des Landes Berlin mit den anderen Religionsgemeinschaften ist zu prüfen, ob und wie
der bestehende rechtliche Rahmen genützt werden kann, um innerhalb einer
gemeinsamen Fakultät die unterschiedliche Bekenntnisbindung der verschiedenen Einheiten hinsichtlich aller relevanter Ordnungen und Verfahren zu gewährleisten, ohne dass hierdurch zugleich die verfassungsrechtliche Freiheit der Wissenschaft verletzt würde.
Der Fakultätsrat einer solchen Fakultät fasst Beschlüsse nach § 17 Abs. 1 Nr. 14, 6 u. 14-18 VerfHU. Entscheidungsrichtlinien dazu werden aufgrund von Aufnahmevereinbarungen bei der Einrichtung von neuen Instituten in die Geschäftsordnung der Fakultät aufgenommen. Die in § 17 Abs.1 Nr. 5, 7-13 VerfHU genannten Befugnisse eines Fakultätsrates betreffen hingegen bekenntnisgebundene Angelegenheiten. Sie werden gemäß § 15 Abs 1. Nr. 2 VerfHU und dem geltenden Religionsrecht permanent auf die religionsverfassungsrechtlich selbständige Einrichtungen übertragen und von ihnen eigenverantwortlich unter Wahrung
von § 24 VerfHU wahrgenommen. Eine Ausnahmeregelung für Ordnungen und
Satzungen (vgl. § 15 Abs. 1, Satz 1 VerfHU) und die Begrenzung des Widerrufungsrechts (vgl. § 15 Abs. 3, Satz 1 VerfHU) sind staatskirchenrechtlich, bzw.
religionsrechtlich vorzusehen.
Dem Dekanat einer solchen Fakultät sollte jeweils ein Vertreter der bekenntnisgebundenen Einheiten angehören. § 18 Abs. 3 Satz 1 VerfHU gilt nicht für die in
§ 17 Abs.1 Nr. 5, 7-13 VerfHU genannten, ausschließlich bei der EvangelischTheologischen Fakultät bzw. den Instituten liegenden Kompetenzen. Mit der Erledigung, Weiterleitung und Umsetzung von autonomen Beschlüssen der vier Einheiten wird entsprechend § 18 Abs. 3 Satz 2 VerfHU jeweils dasjenige Mitglied
des Dekanats beauftragt, das der entsprechenden Einheit angehört.
Hinsichtlich des rechtlichen Status des evangelischen Teils dieser Fakultät ist zu
beachten, dass der Vertrag zwischen dem Land Berlin und der EKBO in § 3 Abs.
1 Satz 1 festlegt, dass die „Evangelisch-Theologische Fakultät an der HumboldtUniversität bestehen [bleibt]“. Bei den Verhandlungen mit der Evangelischen Kirche wird daher zu prüfen sein, ob und wie der Vorschlag einer „Fakultät der Theologien“ mit dieser Bestimmung vereinbar ist, inwieweit weitere Vereinbarungen
mit dem Land Berlin nötig sind und ob die evangelische Einheit einer solchen Fakultät gemäß dem Vertrag mit dem Land Berlin auch weiterhin den Namen
„Evangelisch-Theologische Fakultät“ führen soll.
Unter der Voraussetzung, dass an der jetzigen Theologischen Fakultät zunächst
zwei weitere Institute mit jeweils ca. 5 Professuren neu eingerichtet würden, wäre die Fakultätsverwaltung mindestens um folgende Stellen bzw. Stellenanteile
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zu erhöhen: 1,0 Stelle Sachbearbeitung Haushalt/Personal und Stellv. Verwaltungsleitung, 1,0 Prüfungssachbearbeitung, 0,5 Dekanatssekretariat, 0,5 EDVSachbearbeitung, 0,5 Studienkoordination, sowie zweimal 0,5 Sekretariat für die
beiden neuen Institute. Bei der Einrichtung eines Instituts für Jüdische Theologie
erhöhte sich der Bedarf entsprechend.
Mögliche Struktur einer Fakultät der Theologien
FR nach § 16 Abs. 2 VerfHU
beschließt nach § 17 Abs. 1
Nr. 1-4, 6 u. 14-18
Fakultät der Theologien
Entscheidungen
nach VerfHU
§ 17 Abs. 1 Nr. 5, 7-13
Forschungs und Lehrbereich
Religion und Gesellschaft
Forschungs und Lehrbereich
Jüdische Theologie
Evangelische Theologie
Katholische Theologie
Islamische Theologie
Theologie und Glaubenstradition
Forschungs und Lehrbereich
Schriftauslegung und Rezeption
staatskirchen- bzw. religionsverfassungsrechtliche
Grundlage
Koordiniertes Forschen und Lehren
an einer Fakultät der Theologien
Mit der Einladung weiterer Theologien unter das Dach einer Fakultät der Theologien verbindet die Evangelische Theologie die Hoffnung, dass sich eine Forschungs- und Lehrkooperation zwischen den religionsverfassungsrechtlich selbständigen Einheiten entwickelt. Drei Lehr- und Forschungsbereiche könnten eine
künftige Fakultät miteinander vernetzen. Selbstverständlich handelt es sich hier
nur um einen Entwurf und um ein Angebot, dessen Profil im Verlauf weiterer Planungen modifiziert werden kann.
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Die Kommission bittet zunächst die verschiedenen Statusgruppen in der Theologischen Fakultät, das vorliegende Papier kritisch-konstruktiv zu kommentieren,
bevor es in einem nächsten Schritt mit den möglichen Kooperationspartnern erörtert werden soll.
1. Lehr- und Forschungsbereich „Schriftauslegung und Rezeption“
1.1 Ziel der Exegese/Textauslegung. Judentum, Christentum und Islam
gründen sich jeweils auf ein Korpus kanonischer Texte, die auf das Damals zurückweisen, auf die Vergangenheit, die aber in der jeweiligen Religionsgemeinschaft immer noch lebt. Diesen Texten wird von der religiösen Gemeinschaft ein
gegenwärtiger Wahrheitsanspruch zugeschrieben. Um sie zur lebensdienlichen
Selbst- und Weltdeutung für den Einzelnen und die Gemeinschaft zu gebrauchen,
bedarf es der historisch-philologischen Übersetzung und Auslegung dieser Texte.
Der Gebrauch geschieht in vielen verschiedenen Rahmensituationen (Gemeinde,
Schule etc.) durch oder unter Anleitung des Fachpersonals der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Die Auslegung und Übersetzung kanonischer Texte sind Voraussetzung ihres Gebrauches und diese Praxis wird im Rahmen der theologischen Wissenschaften begründet, gelehrt und gelernt. Gemeinsam ist dabei allen
Theologien die Überzeugung, dass eine verantwortete Auslegung und ein Gebrauch religiöser Texte eine gewinnbringende Deutung auf die Gegenwart zu artikulieren hilft, in der Mensch und Welt im Horizont einer – nach Auffassung der
Religionen – göttlichen Botschaft, die in als „heilig“ geachteten Texten zum Ausdruck kommt, in ein neues Verständnis überführt werden.
Die Forschung und Lehre an einer theologischen Fakultät ist vor diesem Hintergrund auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet, nämlich eigenständige, verantwortete Deutungskompetenz – die Fähigkeit durch Gebrauch religiöser Texte
theologische Deutungen vorzunehmen – im Horizont von (u.a. religiöser) Deutungspluralität der Gegenwart beim theologischen Fachpersonal ihrer Religionsgemeinschaften herauszubilden.
1.2 Methoden der Exegese: historische Einordnung und Hermeneutik. Im
Rahmen der Theologien an der Universität zielt Exegese kanonischer Texte, als
reflektierte wissenschaftliche Disziplin im Zusammenspiel von historischer Einordnung und Hermeneutik, auf eine intersubjektiv nachvollziehbare, interdisziplinär begründete Übersetzung und Auslegung von Texten. Kanonische Texte des
Judentums, Christentums und des Islam sind mit keinen anderen Methoden zu
untersuchen, als mit denen der Sprachwissenschaften. Bei der Auslegung dieser
für den Glauben verbindlichen Texte, handelt es sich um eine philologische Aufgabe. „Alles Vorauszusetzende im Verstehen ist die Sprache.“ So Schleiermacher.
Der Ansatz bei der Sprache leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass Mose und die
Propheten, Jesus von Nazareth, die Apostel und Mohammed als menschliche Personen zur Vergangenheit gehören. Aber gerade die von den Religionsgemeinschaften als heilig betrachteten Schriften ermöglichen es, die in diesen Schriften
enthaltenen religiösen Botschaften wissenschaftlich zu erforschen und zu verstehen, weil die Texte selbst aus der fernen Vergangenheit stammen. In diesem
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Sinn ist die Erforschung der Anfänge des antiken Juden- und Christentums sowie
des Islam den gleichen Bedingungen unterworfen wie andere Historien. Islamische Auslegungswissenschaft (tafsīr) hat dies bereits in den ersten islamischen
Jahrhunderten gewusst, indem sie die aus den vorhandenen Überlieferungen außerhalb des Koran rekonstruierte historisch angeordnete Biographie des Propheten (sīra) verwendet hat, um die Suren und Verse des Koran darin zeitlich einzuordnen (asbāb an-nuzūl).
Historische Einordnung: Zunächst braucht man, um es mit Gustav Droysen zu
sagen, „Überreste“ aus der Vergangenheit, um zu ihr Zugang zu gewinnen. Erst
das Vorhandensein einer hebräischen Tora- und Prophetentrolle aus den Höhlen
von Qumran oder ein griechischer Papyruskodex mit Paulusbriefen aus dem 2.
Jh. ermöglichen einen – wie auch immer gefassten – Zugang zur gewesenen,
vergangenen Form der Religion. Nun ist es aber so, dass die Überreste, die wir
von den Anfängen abrahamitischer Religionen haben, fast ausschließlich literarische Überlieferungen, die zugleich als heilige Schriften in Geltung stehen, sind.
Ein Zugang zur Gründungsgeschichte und vergangener Epochen jener Religionen
ist meist nur über diese textlichen Überreste möglich. Dies hat eine wichtige
Konsequenz. Der Exeget oder die Exegetin, die/der nicht kritisch überprüft, woher diese Texte kommen, in welchen Zusammenhang hinein sie formuliert wurden und von wem sie in welchem Wortlaut und welcher Form bis in die Gegenwart überliefert wurden, beherrscht nicht die wichtigste Grundlage ihrer/seiner
historischen Disziplin. Im Rahmen der allgemeinen Vernunft soll in einem methodisch planmäßigen Verfahren die Frage gestellt und beantwortet werden: „Woher
stammt der Gegenstand der Untersuchung?“ Diese kritische Überprüfung der historischen Einordnung steht methodisch an erster Stelle.
Texthermeneutik: Der Gegenstand aber, der der historischen Analyse unterworfen wird, muss nicht nur erkannt, sondern auch interpretiert, verstanden werden.
Dazu bedarf es einer Hermeneutik, einer Kunstlehre des Verstehens. Ihre Leitfrage ist, was Texte im Allgemeinen sind und wie sie kommunizieren. Allen Teildisziplinen der exegetischen Wissenschaft, sei es den analytisch auf den Text gerichteten (Text-, Literar- oder Sachkritik), sei es den historisch die Geschichte
(re)-konstruierenden (Literatur-, Religions- oder Sozialgeschichte), geht die Exegese als sprachanalytisches bzw. textauslegendes Verfahren voran. Wissenschaftliche Exegese kann deshalb nicht darauf verzichten, ihr Verfahren im Rahmen der allgemeinen Bedingungen, wie alle Menschen (alte) Texte verstehen
(Texthermeneutik) durchzuführen. Die Exegese steht als Auslegungswissenschaft
damit in einem breiteren semiotischen Rahmen. Aufgrund von Kenntnis der
grammatikalischen, semantischen und pragmatischen Dimensionen der betreffenden Originalsprache (Hebräisch, Griechisch, Arabisch u.a.) und von Wissen,
wie und wozu solche Texte in ihrer Zeit gebraucht wurden (historische Textwissenschaft), erstellt die Exegese methodisch und planmäßig textgemäße Auslegungen der Quellentexte der Religionen in der Beschreibungssprache des/der
Exeget/in. Unter Berücksichtigung der Bedingungen, unter denen Menschen (alte, inklusive heilige) Texte verstehen, konstruiert der/die Exeget/in in der Exege9
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se als Auslegung eines sprachlich strukturierten Textes eine Auffassung über den
damaligen Sinn und die Funktion des Textes. Solche Auslegungen ermöglichen
erst den o.g. „Gebrauch“ des Textes, bieten die Grundlage für die Rezeption dieser Texte in deren Theologien und gegenwärtigen religiösen Praktiken.
Als Auslegungswissenschaft der kanonischen (und weiteren ursprünglichen) Texten der drei Religionen, gehört die Exegese zum Grundbestand der universitären
Theologie. Ihre Ergebnisse bilden nicht nur die Grundlage für Gemeindearbeit,
Religionsunterricht u. a., sondern auch für die anderen theologischen Disziplinen,
da auch sie nicht sinnvoll ohne Rückgriff auf den jeweiligen religiösen Textkanon
betrieben werden können. Dies gilt aber auch vice versa: Nur so wird die exegetische Deutungskompetenz mit der Fähigkeit zur Kontextualisierung historischer
Entwicklungen und religiöser Traditionen, sowie mit der Fähigkeit zur Artikulation
eines gegenwärtig plausiblen Selbstverständnisses des christlichen Glaubens zu
einer gesamt-theologischen Fähigkeit wissenschaftlich fundierter Verantwortung
und Artikulation von Glaubensüberzeugungen verbunden.
1.3 Profilbildung. Ein kontinuierlicher Austausch zwischen jüdischer, christlicher und islamischer Exegese ermöglicht eine intensivere Verständigung über
Zusammenhänge und Differenzierungen zwischen den Textauslegungen und
Textrezeptionen der Religionsgemeinschaften. Die Auslegungswissenschaften interpretieren ihre Texte mit denselben Methoden und auf dieselbe gegenwärtige
Welt hin, aber mit Bezug auf unterschiedliche (zwischen Judentum und Christentum auch teilweise gemeinsame) Texte und verschiedene religiöse Deutungsgeschichten. Ihre Ergebnisse werden deshalb zu verschiedenen Perspektiven auf
die Gegenwart führen, die sich gegenseitig bereichern können und/oder zu
fruchtbaren Diskussionen herausfordern.
Aus dem bislang Beschriebenen geht hervor, dass das bisherige Profil des Bereichs Exegese an der Theologischen Fakultät der HU Berlin geradezu angelegt
ist auf eine Erweiterung und Ergänzung durch weitere Schwerpunkte in Forschung und Lehre. Entscheidend ist, dass bei der Einrichtung von entsprechenden Schwerpunktprofessuren stets eine starke Orientierung an den jeweils anderen Textauslegungstraditionen im Blick bleibt, die von großer Bedeutung für die
reale Kooperation der Exegese als Teil verschiedener theologischer Traditionen
ist. Diese Kooperation lässt sich dann zweitens auf den Bereich der Lehre ausdehnen. Neben der Öffnung der klassischen exegetischen Veranstaltungen für
Studierende verschiedener Konfessionen, sind gemeinsame interdisziplinäre
Lehrveranstaltungen mit Querschnittsthemen wie etwa „Heilige Texte und deren
Rezeption“ denkbar und eine exzellente Ergänzung der bisherigen Lehre im Bereich biblischer Exegese.
2. Lehr- und Forschungsbereich „Theologie und Glaubenstradition“
2.1 Ziel. Das Gespräch zwischen dem Selbstverständnisangebot der Tradition
und dem Wahrheitsbewusstsein der Gegenwart wird in der christlichen Theologie
wesentlich von der Systematischen Theologie wahrgenommen. Sie fragt nach
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dem Wesen des christlichen Glaubens, mithin nach dessen Identität, dessen
Diversität und dessen Verhältnis zu anderen Religionen als einer Religion neben
anderen. Wenn es richtig ist, dass das protestantische und römisch-katholische
Christentum, das Judentum und der Islam auf je ihre Weise Fächer ausgebildet
haben, die die Aufgabe haben, das Wesen ihrer Religionsgemeinschaft zu deuten,
dann ergeben sich für einen Forschungs- und Lehrbereich „Theologie und Glaubenstradition“ unterschiedliche Richtungen der Verantwortung, in denen unbeschadet differenter historischer und systematischer Herleitungen funktionale Parallelen und Affinitäten identifizierbar sind:
1. Der Glaube in seiner gegenwärtigen Gestalt wird kritisch an den als normativ
geltenden Traditionen und Texten gemessen.
2. Die Plausibilität dieser Texte und Traditionen wird im Rahmen des Wahrheitsbewusstseins der Gegenwart reflektiert, das sich in weltanschaulichen, religiösen
oder wissenschaftlich begründeten Alternativen und Gegenargumenten ausspricht.
3. Die Gegenwartsgestalt der jeweiligen Religionsgemeinschaft und ihr Wahrheitsanspruch werden im Gespräch als Religion unter Religionen reflektiert. Damit wird notwendig nach dem Verhältnis zu anderen religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften gefragt sowie nach dem Ort der Religion in den Gesellschaften der Gegenwart.
2.2 Methoden. Diese dialogische Selbstverständigung geschieht im Kontext einer Universität und schon damit vor dem Forum eines Standards wissenschaftlicher Argumentation, die (ohne Aufgabe der Teilnahme an der eigenen Tradition)
an Kriterien der Nachvollziehbarkeit auch für Personen, die nicht der eigenen
Tradition angehören, orientiert ist.
Die unverzichtbare Voraussetzung ist die Offenheit zur differenzierten Wahrnehmung der Wahrheitsansprüche alternativer Überzeugungen und wissenschaftlicher Deutungen der Wirklichkeit, die sich in einem beständigen Gespräch nicht
nur mit religiösen, sondern etwa mit philosophischen, naturwissenschaftlichen,
soziologischen, kulturwissenschaftlichen und psychologischen Denkangeboten
ihrer Zeit vollzieht.
Insofern ist die Aufgabe der gegenwartsorientierten theologischen Fächer die
Hermeneutik: der Reflexion der eigenen Verstehensvoraussetzungen und die
deutende Transformation der eigenen Tradition mit dem Ziel, zum Gewinn einer
aneignungsfähigen Gegenwartsgestalt derselben beizutragen.
2.3 Profilbildung. Dieses dialogische, am Gespräch mit alternativen Wahrheitsansprüchen orientierte und selbstkritisch verfahrende Verständnis der Aufgabe
von Theologie ist gewachsen aus unterschiedlichen Situationen religiöser Pluralität in der Spätantike, im Mittelalter und in der Neuzeit. Für die Beziehungen zwischen Judentum, Christentum und Islam sind insbesondere unterschiedliche historische Situationen rund um das Mittelmeer bis heute bedeutsam geblieben. Unter Einbeziehung der Geschichte des übrigen Europa ergeben sich Prägungen und
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Herausforderungen vor allem mit Blick auf die innere Differenzierung des Christentums, das Zeitalter der Religionskriege (16. und 17. Jahrhundert) mit den daraus folgenden Konflikten zwischen protestantischen und römisch-katholischen
Theologien, mit Blick auf die Verfolgungsgeschichte christlicher Kirchen und
christlich geprägter Herrschaftsformen gegen die jüdische Religionsgemeinschaft,
und mit Blick auf die Veränderungen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen seit
dem 18. Jahrhundert, mit denen die Plausibilität religiöser Deutungsangebote
insgesamt abgenommen hat.
Die prospektiv an einer Fakultät der 'Theologien' gemeinsam arbeitenden Traditionen (Judentum / konfessioneller Katholizismus / Protestantismus / Islam) gehören somit in ihrer Bezogenheit aufeinander zu den klassischen Formationsbedingungen von wissenschaftlicher Theologie überhaupt. Die Etablierung einer solchen Fakultät würde die Möglichkeit eröffnen, in einer engen Zusammenarbeit in
der Forschung die Geschichte und die Gegenwartsgestalt von Religions- und Kulturkontakten zu bearbeiten und die systematischen Grundlagen und Bedingungen
eines in allen Traditionen gegenwärtig plausiblen Dialoges religiöser Wahrheitsansprüche (und der kultur- und religionshermeneutischen Voraussetzungen desselben) zu erschließen und diesen dialogischen Charakter der Theologie auch in
der Lehre zu realisieren.
3. Forschungs- und Lehrbereich „Religion und Gesellschaft“
3.1 Ziel: Die Reflexion der gesamtgesellschaftlichen Bedingungen religionskultureller Praxis
Theologie ist auch Religionskritik. Sie befragt die Religionspraxis ihrer jeweiligen
Konfessionskulturen daraufhin, ob diese mit den Aussagen der Schrift- und Glaubenstraditionen kompatibel ist, ob Kohärenz vorliegt und ob Anschlussfähigkeit
an das wissenschaftliche und lebensweltliche Wissen gewährleistet ist. Insofern
liegt der Theologie an einer gebildeten Religion, die hermeneutisch und ethisch
einen wesentlichen Beitrag zum Selbstverständnis einer religiös und weltanschaulich pluralen, einerseits sich globalisierenden, anderseits sich ausdifferenzierenden Weltgesellschaft leisten kann.
Wenn denn Religionen zielwahlorientierende Gewissheiten generieren, dann besteht die Aufgabe der Theologie darin, diese Gewissheiten auf ihre hermeneutische und ethische Tauglichkeit nicht nur für eine je eigene Religionspraxis hin zu
überprüfen, sondern auch zu fragen, welchen Beitrag diese Gewissheiten für die
Zivilgesellschaft insgesamt leisten. Ein FLB „Religion und Gesellschaft“ richtet
den Fokus also auf die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen religionskultureller
Praxis und vermittelt ein Bewusstsein davon, wie voraussetzungsreich eine religiös- und weltanschaulich plurale Gesellschaft ist und welchen Beitrag die jeweiligen Konfessionskulturen dazu leisten können.
3.2 Methoden: Diversitätshermeneutik, wissenschaftliche Exzellenz, ethische
Diskursfähigkeit und Bildsamkeit
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Theologien reflektieren die produktive Spannung zwischen Hermeneutik und
Normativität. Lehrende und Studierende werden an einer Fakultät der Theologien
angesichts real existierender Diversität daran erinnert, dass sich tiefe und letztgültige Überzeugungen gerade dadurch auszeichnen, dass sie nicht von allen geteilt werden müssen – das wäre Heteronomie -, sondern dass sie höchst individuell gelebt werden wollen - das ist Autonomie im besten Sinne. Die Einsicht in
die Vielfalt der Möglichkeiten, eine authentische theologische Existenz zu führen
und zugleich sich zu dieser Existenz reflexiv verhalten zu können, würde die Fakultät der Theologien bereits durch tägliche Praxiserfahrungen zu einem ausgezeichneten Lernort werden lassen. Methodisch wird bereits der lebensweltliche
Alltag an einer Fakultät der Theologien die interreligiöse Gesprächsfähigkeit fördern und Studierenden helfen, das Verhältnis von Normativität und Hermeneutik
so zu bestimmen, dass der Respekt vor anderen Daseinsgewissheiten nicht in
relativistische Handlungsunfähigkeit führt, sondern die Fähigkeit fördert, komplexe Sachverhalte achtsam, respektvoll und differenziert wahrzunehmen.
Wie für alle anderen Forschungs- und Lehrbereiche auch müssen die an einer
Fakultät der Theologien Lehrenden und Forschenden wissenschaftlich exzellenten
Standards genügen – dieser Anspruch gilt unbeschadet der Unterschiedlichkeit
der Traditionen und Praxisauffassungen der jeweiligen Konfessionen. Bei der
personellen Ausstattung und Besetzung der jeweiligen Einrichtungen müssen
diese Standards unter allen Umständen eingehalten werden. An der
Wissenschaftlichkeit theologischer Forschung und Lehre sind Abstriche nicht
möglich.
3.3 Profil: Öffentliche Theologie und religiöse Bildung
Der FLB „Religion und Gesellschaft“ erforscht die religiöse Dimension öffentlicher
Debatten und nimmt Stellung zu Fragen der Integration, der Migration, aber
auch im Rahmen von Nachhaltigkeits- oder Verfassungsdebatten. Weil es in
diesen Reflexions- und Orientierungsprozessen zentral um normative Fragen
geht, spielen Verfahren ethischer Urteilsbildung eine wichtige Rolle. Die
multiperspektivische und interdisziplinär informierte Analyse von
Problemwahrnehmungen, Situationsanalysen und Handlungsoptionen hinsichtlich
ihrer normativen Grundierung verhilft dazu, unterschiedliche Positionen in ihren
Intentionen besser zu verstehen. Die Kenntnis der ethischen Traditionen und
historisch gewordenen Bedingungsgefüge moralischer Prinzipien macht die
unterschiedlichen Wertgrundlagen solcher Positionen transparent. So wird eine
Urteilskompetenz ausgebildet, die sowohl eine Mediation zwischen
Konfliktpartnern als auch konkrete Beratungs- und Orientierungsleistungen zu
erbringen vermag.
Einen besonderen Stellenwert hat die religiöse Bildung. Die Befähigung der
heranwachsenden Generation, von ihrem Recht auf Religionsfreiheit in Treue,
aber auch in kritischer Reflexion der eigenen Herkunft zukunftsfähig Gebrauch zu
machen, ist in einer Gesellschaft, die viele Orientierungsoptionen bereithält, von
grundlegender Bedeutung. Der Ausbildung von Religionslehrkräften wird deshalb
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Am 14.6.17 vom Fakultätsrat zur Kenntnis genommen.
eine besondere Bedeutung zukommen müssen. Da die christlichen Kirchen eine
neue Strategie zum konfessionell-kooperativen Religionsunterricht vorbereiten,
kommt der Kooperation der wissenschaftlichen Religionspädagogik an den
Universitäten künftig eine Schlüsselstellung zu.
Mitglieder der Kommission:
C. Breytenbach
G. Brinkmann
A. Feldtkeller
R. Flogaus
I. Fröhlich
U. Häusler
L. Johrendt
T. Meireis
O. Ogunye
R. Schieder
N. Slenczka
J. Stork
J. Zieme
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