Die Rehabilitation von Persönlichkeitsstörungen in der stationären

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Die Rehabilitation von Persönlichkeitsstörungen in
der stationären verhaltenstherapeutischen
Psychosomatik und Suchttherapie
Abschlußbericht über ein Forschungsprojekt
Rehabilitationswissenschaftlicher Forschungsverbund
Freiburg / Bad Säckingen
Förderkennzeichen 01 GD 9803
Schmitz, B.1, Schuhler, P.2, Handke-Raubach, A. 1,
Jung, A.2, Husen, E.1, Wagner, A.2, Gönner S.1,
Limbacher, K.1, Vogelgesang, M.2
1
Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim
Psychosomatische Fachklinik Münchwies
2
Inhaltsverzeichnis
ZUSAMMENFASSUNG
7
1
ZIELE UND EINFÜHRUNG
9
2
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
13
2.1
Klassifikation und Diagnostik bei Persönlichkeitsstörungen
2.1.1
Allgemeine diagnostische Kriterien
2.1.2
Spezifische diagnostische Kriterien
2.1.3
Probleme der Diagnostik
2.1.4
Störungsübergreifende Merkmale bei Persönlichkeitsstörungen
13
13
15
15
16
2.2
Ausgewählte Forschungsschwerpunkte bei Persönlichkeitsstörungen
2.2.1
Kategoriale versus dimensionale Ansätze in der Diagnostik von
Persönlichkeitsstörungen
2.2.2
Entwicklung standardisierter und strukturierter Untersuchungsinstrumente
2.2.3
Epidemiologische Untersuchungen und Komorbiditätsforschung
2.2.4
Persönlichkeitsstörungen und Abhängigkeitserkrankungen
2.2.5
Therapiebezogene Komorbiditätsforschung
2.2.6
Studien zur Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen
17
Verhaltenstherapeutische Erklärungs- und Behandlungsansätze bei
Persönlichkeitsstörungen
2.3.1
Entwicklungsbedingungen ausgewählter Persönlichkeitsstörungen nach Millon
2.3.2
Der kognitive Ansatz von Beck und Mitarbeitern
2.3.3
Der schematheoretische Ansatz von Young
2.3.4
Der drei-stufige empirische Behandlungsansatz von Turkat
2.3.5
Der Ansatz der dialektischen Verhaltenstherapie bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen von Linehan
2.3.6
Zusammenfassung
17
17
18
20
23
24
2.3
24
27
32
38
41
43
46
2.4
Psychoedukation und Persönlichkeitsstörungen
2.4.1
Die stigmatisierende Sprache und Defizitorientierung des
Persönlichkeitsstörungskonzepts
2.4.2
Das dimensionale Modell der Persönlichkeitsstile als Grundlage eines
psychoedukativen Behandlungsansatzes
2.4.3
Psychoedukation und Motivierung
49
52
2.5
57
Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen
47
48
3 INTERVENTIONSMAßNAHME: DAS PSYCHOEDUKATIV- UND
KOMPETENTORIENTIERTE GRUPPENTHERAPIEPROGRAMM
67
3.1
Institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen der Kliniken
3.1.1
Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim
67
67
3
3.1.2
Psychosomatische Fachklinik Münchwies
Das psychoedukativ- und kompetenzorientierte Gruppen-therapieprogramm für
Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
3.2.1
Organisatorische Rahmenbedingungen
3.2.2
Die psychoedukativen Themen
3.2.3
Die kompetenzorientierten Bausteine
3.2.4
Zielsetzungen und Besonderheiten
74
3.2
4
EVALUATION
82
82
83
86
87
89
4.1
Herleitung der Hypothesen
4.1.1
Übergeordnete inhaltliche Hypothese
4.1.2
Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen Problembereiche
4.1.2.1
Selbstbeurteilung „Persönlichkeitsstörung vs. Persönlichkeitsstile“
4.1.2.2
Selbstbeurteilung "Persönlichkeitsfähigkeiten im sozialen Kontakt "
4.1.2.3
Selbstbeurteilung "Interpersonelle Probleme"
4.1.2.4
Soziale Angst und Inkompetenz
4.1.2.5
Selbstbeurteilung "Basisfertigkeiten und soziale Unterstützung"
4.1.2.6
Selbstbeurteilung "Veränderung psychosozialer Fähigkeiten"
4.1.3
Symptomatologie
4.1.3.1
Depressivität
4.1.3.2
Angst
4.1.3.3
Somatoforme Beschwerden
4.1.3.4
Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit
4.1.4
Selbstbeurteilung "Subjektive Gesundheit / Lebensqualität"
4.1.5
Arbeitsunfähigkeitszeiten
4.1.6
Hypothese zur Akzeptanz und Zufriedenheit
4.1.6.1
Gruppenbewertung
4.1.6.2
Allgemeine Therapiezufriedenheit
89
89
91
93
94
94
95
95
95
96
96
96
97
97
97
98
98
98
98
4.2
99
Forschungsdesign / Versuchsplan
4.3
Operationalisierung
4.3.1
Überblick
4.3.2
Eingesetzte Fragebogenverfahren
99
99
100
4.4
Diagnostisches Vorgehen
4.4.1
Beschreibung der symptomatischen Störungen und der
Persönlichkeitsstörungsdiagnosen
4.4.2
Diagnostik der symptomatischen Störungen in der Psychosomatik
4.4.3
Diagnostik der Abhängigkeitserkrankungen in der Suchtklinik
4.4.4
Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV
4.4.5
Stichprobenrekrutierung
108
108
119
121
122
127
4.5
Beschreibung der Stichproben
4.5.1
Teilnehmerzahlen
4.5.2
Stichrobenmerkmale
4.5.2.1
Vergleich der Projektteilnehmer mit der Kontrollgruppe
4.5.2.2
Vergleich der Projektteilnehmer mit den drop-outs
4.5.2.3
Vergleich der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit Patienten ohne
Persönlichkeitsstörung
131
131
132
132
139
4.6
149
Statistische Auswertungen
4
144
5
5.1
DISKUSSION UND AUSBLICK
201
Hintergrund, Fragestellung und Design
201
5.2
Ergebnisse
5.2.1
Merkmale der Stichproben
5.2.2
Akzeptanz und Zufriedenheit
5.2.3
”Veränderung der Persönlichkeitsstörung und interpersoneller Problembereiche”
5.2.4
Symptomatologie
5.2.5
Subjektive Gesundheit
5.2.6
Suchtspezifische Ergebnisse
5.2.7
Arbeitsunfähigkeitsgeschehen
204
204
204
206
207
207
208
208
5.3
Klinikspezifische Überlegungen zur Studie und ihren Ergebnissen
209
5.4
Relevanz für die Praxis der Rehabilitation und gesundheitsökonomische Aspekte
211
6
LITERATUR
217
7
ANHANG
237
5
6
ZUSAMMENFASSUNG
Die Studie ist angesiedelt im Bereich der differentiellen Interventionsforschung in
den Indikationsgebieten Psychosomatik und Sucht. Im Zentrum stand die Überprüfung von Interventionsmaßnahmen, die geeignet erschienen zentrale Merkmale von
Persönlichkeitsstörungen in der psychosomatischen und Suchtrehabilitation günstig
zu beeinflussen. Ein neues kognitiv-verhaltenstherapeutisches persönlichkeitsstörungsspezifisches Gruppentherapiekonzept wurde im Rahmen der stationären psychosomatischen bzw. Entwöhnungsbehandlung entwickelt und im Vergleich zu der
eingeführten herkömmlichen Behandlung evaluiert. Die zentrale Hypothese lautete,
dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die im Rahmen des herkömmlichen
multimodalen Behandlungsprogramms an dem neuen Gruppenprogramm teilnehmen, günstigere Rehabilitationsergebnisse erzielen als Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die nur am etablierten Behandlungsprogramm teilnehmen. Verglichen wurden die Effekte der neuen Interventionsmassnahme, die zusätzlich zum
üblichen Behandlungsprogramm durchgeführt wurden, auf zwei Experimentalgruppen, jeweils in der psychosomatischen - und der Suchtklinik, mit den Effekten der
herkömmlichen Therapie auf zwei Kontrollgruppen, ebenfalls jeweils eine in der psychosomatischen - und in der Suchtklinik. Die Zuordnung zu den Gruppen erfolgte
randomisiert. Das Programm basiert auf einem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstörung mit Ressourcenorientierung, plausiblen Verstehensmodellen und
nicht-konfrontativen Motivierungsstrategien. Die Zielsetzung des Programms ist sowohl verstehens- als auch veränderungsorientiert. Die Datenerhebung erfolgte an
drei Meßzeitpunkten: Bei Aufnahme, bei Klinikentlassung und ein Jahr nach Entlassung. Untersucht wurden Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen und
somatoformen Störungen in der psychosomatischen Klinik und Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol oder Medikamente) im Rahmen der stationären Entwöhnungsbehandlung. Als abhängige Variablen galten Kriterien des Behandlungserfolgs: Symptomatologie, subjektive Gesundheit, Persönlichkeitsstörungsmerkmale
(interpersonelle Probleme), Basisfertigkeiten – soziale Unterstützung, Bewertung der
Massnahmen, objektive Daten (AU-Zeiten). Die Ergebnisse zeigten durchweg signifikante Messwiederholungseffekte, die sich auch ein Jahr nach Entlassung nachweisen lassen. Darüberhinaus konnte durch die Teilnahme an dem neuen Programm
die Behandlungseffektivität gesteigert werden hinsichtlich der Beurteilung des Therapieerfolgs oder der Selbsteinschätzung positiver Veränderungen bei Therapieende. Eine spezifische Überlegenehit des neuen Programms zeigte sich darüberhinaus
im Katamnesezeitraum hinsichtlich des Abstinenzgeschehens bei den abhängigen
Patienten und der günstigen Entwicklung der AU-Zeiten im Jahr nach Entlassung in
beiden Indikationsgebieten. Als Ergebnisse für die Rehabilitationspraxis konnten bereitgestellt werden: (1) ein indikationsspezifisches Therapiemanual, das auch anderen Behandlern sowohl im stationären wie im ambulanten Rahmen die Anwendung
erlaubt, (2) ein Therapieprogramm, das die Akzeptanz des Therapieangebotes wesentlich erhöht und damit die aktive Patientenbeteiligung, (3) ein Therapiebeurteilungsbogen für Patienten mit guten Item- und Skalenwerten, (4) Patientenschulungsmaterialien im Rahmen der Psychoedukation und (5) Aufschlüsse über Entwicklung des Erwerbsstatus, der Arbeitsfähigkeit, symptomatischer Störungen, interpersonaler Fähigkeiten und sozialer Kompetenz als differentielle Behandlungseffekte
eines auf die Persönlichkeitsstörung konzentrierten Therapieprogramms.
7
8
1
Ziele und Einführung
Im Rahmen der therapiebezogenen Komorbiditätsforschung wird der Diagnostik komorbider PersönIichkeitsstörungen eine besondere Bedeutung beigemessen, da
viele Studien von einem ungünstigen Einfluß zusätzlicher Persönlichkeitsstörungen
auf den Verlauf und auf die Behandlung der symptomatischen Störungen der Patienten berichten. Bisher wurde der Einfluß zusätzlicher Persönlichkeitsstörungen auf
den Behandlungserfolg bei Depressionen, Angst und Zwangsstörungen, Eßstörungen und Substanzmißbrauch bzw. Abhängigkeit untersucht (vgl. Reich & Green,
1991; Reich & Vasile 1993; Shea et al., 1992 Schmitz et al. 1996). Als Massnahmen
wurden in diesen Studien sowohl pharmakotherapeutische als auch psychotherapeutische Behandlungen überprüft, in seltenen Fällen auch kombinierte Behandlungsmassnahmen. Die Ergebnisse zum Behandlungserfolg bei Persönlichkeitsstörungen sind widersprüchlich: Generell scheint die Annahme zu unterstützt zu
werden, daß Patienten mit Persönlichkeitsstörungen häufiger die Behandlung abbrechen und weniger günstige Behandlungserfolge haben als Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. Neuere Studien hingegen, die den Einfluß komorbider Persönlichkeitsstörungen auf den Erfolg kognitiv-verhaltenstherapeutischer Behandlung von
generalisierten Angststörungen (Sanderson et al, 1994) von Panikstörungen (Arndtz
& Dreessen 1990) oder von depressiven Störungen (Persons et al.. 1988; Shea et
al., 1990) untersuchten, stellten fest, daß diejenigen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen die die Behandlung nicht vorzeitig abbrachen, ebenfalls wesentliche Besserungen erzielten oder genauso gut bzw. sogar etwas besser auf die Behandlung
ansprachen als Patienten ohne PersönIichkeitsstörungen und umfassende positive
Veränderungen in vielen Lebensbereichen erreichten. Vergleichbare Ergebnisse bezogen auf den symptomatischen Therapieerfolg von Patienten mit ausgewählten
psychischen und psychosomatischen Störungen wurden im Rahmen der Bad Dürkheimer Komorbiditätsstudie gefunden (Schmitz et al., 1996).
Mittlerweile wurden erste größere epidemiologische Studien zur Häufigkeit und Verteilung von Persönlichkeitsstörungen durchgeführt, die sich an den Klassifikationssytemen DSM-IIl bzw. DSM-III-R und ICD-10 orientieren und die die neueren Untersuchungsinstrumente benutzen. Die Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen streuen
weit angesichts der unterschiedlichen Methoden und Stichproben. Für verschiedene
Gruppen symptomatischer Störungen die nach DSM-III-R auf Achse-1 diagnostiziert
werden, zeigen sich im Mittel allerdings vergleichbar hohe Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen in den Studien: Bei durchschnittlich 56 % der Patienten
mit Angststörungen, bei 62 % der Patienten mit affektiven Störungen oder bei 58 %
der Patienten mit Eßstörungen wurde mindestens eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Fydrich et al. 1996).
Die Einführung der operationalisierten Diagnostik in die psychiatrischen Klassifikationssysterne DSM und ICD hat in den vergangenen Jahren intensive Forschungsaktivitäten im Bereich der Diagnostik und Epidemiologie bei Persönlichkeitsstörungen
ausgelöst. Zur wissenschaftlichen und klinischen Nutzung wurden standardisierte
Fragebogen, Checklisten und Interviewverfahren zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen entwickelt und es wurden Untersuchungen zur Reliabilität und Validität
9
der Verfahren durchgeführt. Die vorliegenden Studien zeigen, daß eine Diagnostik
mit standardisierten Verfahren auf der Grundlage operationalisierter Kriterien, wie sie
durch DSM-III-R, DSM-IV oder ICD-10 verwirklicht ist, zumindest eine befriedigende
Reliabilität erreicht; die Validität ist nach wie vor unbefriedigend (Bronisch 1992;
Fvdrich 1996; Perry 1992).
Die psychosomatischen bzw. psychosozialen Krankheitsfolgen der Persönlichkeitsstörungen sind vielfältig: V.a. im Leistungsbereich im beruflichen Kontext resultieren
typische Komplikationen als Schwierigkeiten bei der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und als inadäquates Einschätzen der Leistungsgrenzen wodurch sich
verminderte StreßbeIastung ergibt und Aufnahmevermögen, Schnelligkeit und Genauigkeit häufig leiden. Ebenso ist oft die psychische Funktionsfähigkeit im Rahmen
der sozialen Beziehungen beeinträchtigt wie v a. die Affektregulation, FrustrationstoIeranz, Selbstreflexionsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Angemessenheit der inneren Repräsentanz, ReaIitätsnähe oder das Differenzierungsvermögen in der sozialen Perspektivenübernahme. Durch diese Defizite kommt es häufig zu einem physiologischen Spannungsaufbau, der sich dann vielfach in funktionellen körperlichen Beschwerden ein Ventil sucht, die die Erwerbs- und Leistungsfähigkeit weiter beeinträchtigen. Diese Leistungsfähigkeit wird bei Persönlichkeitsstörungen darüber hinaus typischerweise durch die psychosozialen Auswirkungen der schwerwiegenden
Persönlichkeitsproblematik herabgesetzt: Die soziale Kompetenz ist oft soweit gestört daß funktionsfähige Arbeitsbeziehungcn nicht autrechterhalten werden können.
Unter den Folgen dieser sozialen Konflikte leidet dann der Patient weiterhin, ohne an
den Ursachen, die durch seine Persönlichkeitsstörung mitbedingt sind, aus eigener
Kraft etwas ändern zu können.
Eine Alkohol - bzw. Medikamentenabhängigkeit kompliziert diese Krankheitsfolgen
drastisch und bedarf in der Rehabilitation besonderer therapeutischer Anstrengungen. Bei alkohol- bzw. medikamentenabhängigen Patienten wird das Suchtmittel bei
der Entwicklung und Aufrechterhaltung der Abhängigkeit funktional eingesetzt um
die Defizite in der Persönlichkeitsorganisation zu kompensieren. Entsprechend wird
die Komorbidität dieses Beschwerdebilds durch die enge Verflechtung von Persönlichkeitsproblematik und Alkohol- bzw. Medikamentenabhängigkeit bestimmt. Dieser
Verzahnung muß in Diagnose und Therapie Rechnung getragen werden, wenn das
Therapieziel ,Abstinenz' mit günstiger Prognose erreicht werden soll, das bei jeder
stationären Entwöhnungshehandlung erste Priorität hat. Besondere Anstrengungen
erscheinen um so dringlicher, als abhängige Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
offensichtlich in vielfacher Hinsicht besonders belastet sind: Wie die Auswertung der
Basisdokumentation der Fachklinik Münchwies von 600 Patienten eines Jahrgangs
(1996) zeigte, sind diese Patienten vor Aufnahme häufiger arbeitslos, haben eher
problematische Partnerbeziehungen und unternehmen signifikant häufiger Suizidversuche als abhängige Patienten ohne komorbide Persönlichkeitsproblematik. Zudem setzt der Chronifizierungsprozeß früher ein: Die Abhängigkeit trat bei Patienten
mit Persönlichkeitsstörung 2 Jahre früher, bereits mit 31 Jahren ein.
Psychosomatisch gestörte Patienten mit affektiven Störungen, Angststörungen oder
somatoformen Störungen und einer zusätzlichen Persönlichkeitsstörung weisen
häufig chronisch ungünstige und traumatisierende Beziehungserfahrungen in Kindheit und Jugend (sexueller Mißbrauch, körperliche Gewalterfahrung, Verlust wichtiger Bezugspersonen, chronische Vernachlässigung) auf. Vermutlich führen diese
10
ungünstigen Sozialisationsbedingungen zu der komplexen und schwerwiegenden
Persönlichkeitsproblematik die sich als Persönlichkeitsstörung manifestiert und auf
der Symptomebene zu psychischen Störungen führt.
Die empirische Therapieforschung im Bereich der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen steht noch am Anfang. Wie Fiedler (1995) ausführt, beziehen sich die
Lücken nicht nur auf die Wirksamkeitsüberprüfung spezifischer Programme, sondern
bereits auf die Indikationsstellung. Dies gilt insbesondere für gruppentherapeutische
Ansätze.
Die ungünstigen Behandlungsergebnisse von Patienten mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen verwundern nicht, wenn man die langjährige Vorgeschichte, die
Komplexität der Probleme und Beschwerden sowie die häufig zu findenden Interaktions-, Motivations- und Complianceprobleme im stationären Verlauf berücksichtigt.
Die Behandlung gilt vor allem deshalb als schwierig, weil die Patienten das eigene
Verhalten als „zu sich gehörig“ (ich-synton) erleben und nicht als „ich-fremde“, auch
im subjektiven Empfinden veränderungswürdige (ich-dystone) Symptomatik. Darüber
hinaus werden die Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen und Problemen oft
unabhängig vom eigenen Verhalten gesehen, die eigene Person eher als Opfer anderer oder des Systems verstanden, wenig Einsicht in die Unangemessenheit ihrer
Überzeugungen und Verhaltensweisen gezeigt. Eine Therapie wird erst wegen der
Folgeprobleme aufgesucht oder auf vehementes Drängen der Umwelt. Die hohen
Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei Patienten mit psychischen
und psychosomatischen Störungen oder Abhängigkeitserkrankungen, die schwierigen und kostenintensiven Behandlungsverläufe und vor allem die vielfältigen Folgen
der komplexen Beschwerdebilder für die Arbeits- und Leistungsfähigkeit machen in
der stationären Rehabilitation dringend Überlegungen und Maßnahmen erforderlich,
um die notwendigen konzeptuellen Erweiterungen oder Modifikationen der therapeutischen Vorgehensweise für diese schwierige Patientengruppe zu entwickeln und zu
präzisieren.
Dies erscheint um so dringlicher als sich die vorliegenden therapeutischen Modelle
fast ausschießlich auf Einzeltherapien beziehen und problemspezifische Gruppentherapiemaßnahmen bislang selten systematisch überprüft wurden. Meist werden
soziale Kompetenztrainings für Persönlichkeitsstörungen empfohlen und eingesetzt,
die oft nicht speziell für Patienten mit akzentuierter Persönlichkeit entwickelt wurden.
In der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim wie in der Psychosomatischen
Fachklinik Münchwies werden für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen –wie es
dem Standard entspricht – Selbstsicherheitstrainings (in Anlehnung an Ullrich & Ullrich, 1980, sowie Schneider 1994) durchgeführt, die als Therapiebaustein im multimodalen Behandlungskonzept einer psychosomatischen bzw. Suchtklinik integriert
werden. Für die herkömmliche Indikationsstellung wird davon ausgegangen, daß ein
standardisiertes Therapieprogramm zur Förderung sozialer Kompetenzen wohl auch
geeignet ist, die grundlegenden Interaktions- und Beziehungsdefizite von Patienten
mit Persönlichkeitsstörungen günstig zu beeinflussen. Dem kann entgegengehalten
werden, daß spezifische, auf die Persönlichkeitsstörungen zugeschnittene therapeutische Maßnahmen in ihren Auswirkungen auf deren Leistungssymptome einer als
Breitbandtherapeutikum zu verstehenden Standardintervention überlegen sein dürften. Die leitende Fragestellung richtet sich dementsprechend auf die Überprüfung
11
der Effekte neuer persönlichkeitsstörungsspezifischer Interventionsmassnahmen im
Vergleich zu herkömmlichen therapeutischen Massnahmen.
Im Zentrum des Forschungsinteresses stehen die spezifischen Auswirkungen von
Interventionsmassnahmen auf zwei Subgruppen, nämlich in der psychosomatischen
Klinik auf Patienten mit symptpmatischen depressiven Störungen, Angststörungen
oder somatoformen Störungen und komorbider Persönlichkeitsstörung und in der
Suchtklinik auf alkohol- oder medikamentenabhängige Patienten mit komorbider
Persönlichkeitsstörung. Die drei Gruppen symptomatischer Störungen in Verbindung
mit Persönlichkeitsstörungen im Indikationsgebiet Psychosomatik wurden nach der
Prävalenzrate (Fydrich & Schmitz, 1995) ausgewählt. Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit haben die größte klinische Relevanz im Indikationsgebiet Sucht. Für
diese fünf symptomatischen Störungsbilder in Verbindung mit Persönlichkeitsstörung
wurde ein Interventionsprogramm entwickelt und evaluiert.
Das Gruppentherapieprogramm wurde speziell für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen aus dem ängstlichen und emotional instabilen Cluster nach DSM-IV entwikkelt, d.h. für Patienten mit selbstunsicherer, dependenter, zwanghafter, histrionischer, narzißtischer und Borderline-Persönlchkeitsstörung. Diese sechs Persönlichkeitsstörungen kommen nach den vorliegenden Ergebnissen am häufigsten in der
stationären psychosomatischen und Suchttherapie vor.
12
2
Theoretische Grundlagen
2.1
Klassifikation und Diagnostik bei Persönlichkeitsstörungen
Die Klassifikation und Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen hat sich in den vergangenen Jahren, wie die gesamte Klassifikation psychischer Störungen, durch die
Einführung der operationalisierten Diagnostik in die maßgeblichen psychiatrischen
Klassifikationssysteme DSM (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer
Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung, APA) und ICD (Internationale Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation) erheblich
gewandelt. Ausgehend von der mangelnden Reliabilität psychiatrischer Diagnosen
und der Kritik am medizinischen Modell in der psychiatrischen Diagnostik wurden
zahlreiche Neuerungen in die Klassifikation psychischer Störungen nach DSM-III
(APA, 1980) und seiner Nachfolger (DSM-III-R, APA, 1987; DSM-IV, APA, 1994)
sowie nach ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 1991, 1993) eingeführt, die auch
die Persönlichkeitsstörungen betreffen. Theoretisch umstrittene und unklar beschriebene Begriffe und Krankheitskonzepte (z.B. das Neurosenkonzept) wurden aufgegeben zugunsten einer deskriptiven, möglichst theoriefreien Beschreibung von psychischen Störungen mit explizit definierten und reliabel erfassbaren diagnostischen
Kriterien und darauf aufbauenden operationalisierten Diagnosen. So wurde auch der
stark kritisierte ”Psychopathiebegriff” in diesen Neukonzeptualisierungen durch den
der ”Persönlichkeitsstörungen” ersetzt. Mit diesen Neuerungen verlagerte sich die
Fundierung des klassifikatorischen Systems von nosologischen Grundannahmen,
wie sie seit Beginn des vorigen Jahrhunderts prägend gewesen waren, auf die Verbesserung der diagnostischen Reliabilität durch die Definition systematischer Regeln
der Anwendung und Operationalisierung für das Stellen einer psychiatrischen Diagnose (Saß, Jünemann & Houben, 2000).
2.1.1
Allgemeine diagnostische Kriterien
Das US-amerikanische DSM unterscheidet seit der Einführung des DSM-III im Rahmen seiner multiaxialen Klassifikation zwischen Achse-I Störungen (klinische Syndrome) und Achse-II Störungen (Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderungen) und gibt in seiner aktuellen deutschsprachigen Version des DSM-IV folgende
allgemeine Definition von Persönlichkeitsstörungen: „Eine Persönlichkeitsstörung
stellt ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten dar, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht, tiefgreifend und
unflexibel ist, seinen Beginn in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter hat,
im Zeitverlauf stabil ist und zu Leid oder Beeinträchtigungen führt" (Saß, Zaudig &
Wittchen, 1996, S. 71). Die allgemeinen diagnostischen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV sind in Tabelle 1 wiedergegeben.
13
Tab. 1
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Allgemeine diagnostische Kriterien einer Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV
Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den
Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster manifestiert sich
in mindestens zwei der folgenden Bereiche: Kognition, Affektivität, Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen, Impulskontrolle.
Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher und sozialer Situationen.
Das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
Das überdauernde Muster ist stabil und langdauernd, und sein Beginn ist zumindest bis
in die Adoleszenz oder ins frühe Erwachsenenalter zurückzuverfolgen.
Das überdauernde Muster läßt sich nicht besser als Manifestation oder Folge einer anderen psychischen Störung erklären.
Das überdauernde Muster geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz
(z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Hirnverletzung) zurück.
Die ICD-10 ordnet die Persönlichkeitsstörungen dem Kapitel F6 "Persönlichkeitsund Verhaltensstörungen" zu. Im Vergleich der beiden Klassifikationssysteme zeigen
sich Übereinstimmungen und Unterschiede in der Konzeptualisierung der einzelnen
Persönlichkeitsstörungen (siehe Tab. 2). Im DSM-IV werden die einzelnen Persönlichkeitsstörungen auf der Basis von deskriptiven Ähnlichkeiten in drei Hauptgruppen
(Cluster) geordnet.
Tab. 2
Die Persönlichkeitsstörungen (PS) in DSM-IV und ICD-10
DSM-IV
ICD-10
Cluster A (sonderbar, exzentrisch)
paranoide PS
schizoide PS
schizotypische PS
paranoide PS
schizoide PS
(als schizotype Störung in Kapitel F2)
Cluster B (dramatisch, emotional, launisch)
antisoziale PS
Borderline-PS
histrionische PS
narzisstische PS
dissoziale PS
emotional instabile PS:
Borderline Typ
impulsiver Typ
histrionische PS
--
Cluster C (ängstlich, furchtsam)
vermeidend-selbstunsichere PS
dependente PS
zwanghafte PS
ängstlich vermeidende PS
abhängige PS
anankastische PS
Forschungskriterien vorgeschlagen für:
Negativistische PS
depressive PS
---
14
2.1.2
Spezifische diagnostische Kriterien
Beide Klassifikationssysteme, DSM und ICD, verzichten weitgehend auf Gesamteindrücke und ätiologische Spekulationen, statt dessen ist der Diagnostiker aufgefordert, seine Wahrnehmungen und Einschätzungen durch konkrete Verhaltensaspekte
zu belegen, die für spezifische Persönlichkeitsstörungen als prototypisch betrachtet
werden. Anstelle einer konsequenten kategorialen Diagnostik wurde ein prototypischer Ansatz entwickelt, der auch Mehrfachdiagnosen ermöglicht. Um die Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung zu vergeben, müssen - neben den allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung - aus einer größeren Anzahl von Merkmalen, die
für eine spezifische Persönlichkeitsstörung charakteristisch sind, eine kritische Mindestzahl von Kriterien erfüllt sein. In Tabelle 3 sind die Persönlichkeitsstörungen
nach DSM-IV und ihre Hauptmerkmale zusammengefasst.
Tab. 3
Spezifische Persönlichkeitsstörungen und deren Hauptmerkmale nach DSM-IV
Paranoide PS: Ein Muster von Misstrauen und Argwohn und zwar in dem Sinne, dass die Motive anderer als böswillig ausgelegt werden.
Schizoide PS: Ein Muster von Distanziertheit in sozialen Beziehungen und von eingeschränkter Bandbreite emotionaler Ausdruckmöglichkeiten.
Schizotypische PS: Ein Muster von starkem Unbehagen in nahen Beziehungen, von Verzerrungen des Denkens und der Wahrnehmung und von Eigentümlichkeiten des Verhaltens (in der
ICD-10 wird diese Störung dem Bereich Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störung/F2
zugeordnet)
Antisoziale PS: Ein Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer.
Borderline-PS: Ein Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivität.
Histrionische PS: Ein Muster von übermäßiger Emotionalität und von Heischen nach Aufmerksamkeit.
Narzisstische PS: Ein Muster von Großartigkeitsgefühlen, einem Bedürfnis nach Bewundertwerden sowie mangelnder Empathie.
Vermeidend-selbstunsichere PS: Ein Muster von sozialer Hemmung, Unzulänglichkeitsgefühlen und Überempfindlichkeit gegenüber negativer Bewertung.
Dependente PS: Ein Muster von unterwürfigem und anklammerndem Verhalten, das in Beziehung zu einem übermäßigen Bedürfnis nach Umsorgtwerden steht.
Zwanghafte PS: Ein Muster von ständiger Beschäftigung mit Ordnung, Perfektionismus und
Kontrolle.
2.1.3
Probleme der Diagnostik
Durch die Einführung der operationalisierten Diagnostik und mit der Nutzung standardisierter und strukturierter Untersuchungsinstrumente hat sich die Reliabilität von
Persönlichkeitsstörungs-Diagnosen erheblich verbessert. Trotz dieser Fortschritte
sind viele Probleme weiterhin ungelöst (vgl. Fiedler, 1995; Fydrich, Schmitz, Dietrich,
Heinicke & König, 1996a; Fydrich, Schmitz, Hennch & Bodem, 1996b; Lieb, 1998;
Perris, 1999; Schmitz, Fydrich, Schifferer, Obermeier & Teufel, 1996b; Wittchen,
1996). Hierzu gehören insbesondere:
• die mangelnde Validität der Diagnosen,
15
• die ungenügende empirische Fundierung der Kriterienauswahl und der Schwellenwerte für die spezifischen Persönlichkeitsstörungen,
• die hohen inneren Komorbiditäten zwischen einzelnen Persönlichkeitsstörungen,
• die unklare Abgrenzung zu klinischen Syndromen,
• die Konfundierung von Persönlichkeitsstörungen und klinischen Syndromen sowie
• die stigmatisierende Sprache und defizitorientierte Sichtweise des Persönlichkeitsstörungskonzepts.
Wittchen (1996) bezweifelt deshalb, dass die sich immer weiter öffnende Schere
zwischen methodischer Grundproblematik des Persönlichkeitsstörungskonzepts und
seiner praktischen Relevanz in einer klinisch-therapeutischen Perspektive bald zu
schließen ist und kritisiert das theoretische Defizit. Fiedler (1995) kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass auch die gegenwärtigen Klassifikationssysteme
"selbstkritisch, flexibel und perspektivisch als antiquierte Diagnostik im Wandel und
im Übergang zu betrachten" sind.
2.1.4
Störungsübergreifende Merkmale bei Persönlichkeitsstörungen
Im folgenden werden wesentliche störungsübergreifende Merkmale der hauptsächlichen Persönlichkeitsstörungen zusammengefasst (vgl. Oldham & Skodol, 1996), die
in der Therapieplanung besondere Berücksichtigung finden sollten. Persönlichkeitsstörungen können sich manifestieren als:
• Störung des Interaktionsverhaltens, das sich entscheidend auf die Qualität persönlicher und beruflicher Beziehungen auswirkt, z.B. extremes interpersonelles
Misstrauen bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung oder klammerndes Verhalten bei der dependenten Persönlichkeitsstörung.
• Störung der Emotionalität, die sich nur auf bestimmte Gefühlqualitäten beziehen
kann (z.B. Angst und Unsicherheit bei der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung) oder sich in einer grundlegenden geringen Fähigkeit zur Gefühlsmodulation
äußert (z. B. bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung).
• Störung der Realitätswahrnehmung, d.h. die äußeren Umstände oder Beziehungserfahrungen werden verzerrt wahrgenommen oder falsch bewertet (z.B.
sich durch harmlose Bewertungen bedroht fühlen und böswillige Motive unterstellen).
• Störung der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung, d.h. wie jemand sich
selbst sieht, wie er über sich denkt und welche gefühlsmäßigen Einstellungen jemand zu sich hat (z.B. Übertreiben eigener Leistungen und Fähigkeiten bei der
narzisstischen Persönlichkeitsstörung, Mangel an Selbstvertrauen bei der
selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung).
• Störung der Impuls- und Selbstkontrolle, die häufig besonders gravierende soziale
Folgen hat (z.B. Neigung zu suizidalen und selbstverletzenden Handlungen oder
zu Substanzmissbrauch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung; Diebstahl oder
körperliche Gewaltanwendung bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung).
16
2.2
Ausgewählte Forschungsschwerpunkte bei Persönlichkeitsstörungen
Die Einführung der operationalisierten Diagnostik in die psychiatrischen Klassifikationssysteme DSM und ICD hat in den vergangenen Jahren umfassende Forschungsaktivitäten im Bereich der Persönlichkeitsstörungen ausgelöst, an denen
auch klinische Psychologen und Verhaltenstherapeuten aktiv beteiligt waren und
sind.
2.2.1
Kategoriale versus dimensionale Ansätze in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
Dem kategorialen Konzept der psychiatrischen Diagnostik steht die psychologische
Tradition der differentiellen Psychologie gegenüber, die im Bereich der Diagnostik
von Persönlichkeitseigenschaften meist einem dimensionalen Modell folgt. Dies bedeutet, dass bei Personen von einem Kontinuum von Eigenschaften, Einstellungen
und Verhaltensweisen ausgegangen wird, nicht aber von qualitativen "Sprüngen"
oder einer Unterscheidung von "gestört" versus "nicht gestört". Es gibt eine Vielzahl
von Forschungsarbeiten, die sich dem Unterschied zwischen der dimensionalen und
kategorialen Persönlichkeitsdiagnostik widmen (vgl. Saß, Houben, Herpertz &
Steinmeyer, 1996a; Saß et al., 2000) und deren Vor- und Nachteile aufzeigen. Es
wird auch untersucht, ob Persönlichkeitsstörungen von normalen Aspekten der Persönlichkeit unterschieden werden können, ob sie unabhängig von symptomatischen
psychischen Störungen wie Depressionen oder Angststörungen klassifiziert werden
sollen oder ob sie tatsächlich so valide voneinander unterschieden werden können,
dass eine kategoriale Einteilung gerechtfertigt ist ( vgl. Livesley, Schroeder, Jackson
& Kang, 1994; Livesley, Jang & Veron, 1998; Widiger, 1992; Widiger & Francis,
1985).
2.2.2
Entwicklung standardisierter und strukturierter Untersuchungsinstrumente
Zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen wurden Untersuchungsinstrumente
entwickelt, die sich in drei Gruppen unterteilen lassen: Selbstbeurteilungsverfahren,
Checklisten und Interviewverfahren. Es liegen Verfahren zur Erfassung spezifischer
Persönlichkeitsstörungen und Verfahren zur systematischen Diagnostik aller Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV und/oder ICD-10 vor (z.B. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, Achse II: Persönlichkeitsstörungen; Fydrich, Renneberg, Schmitz & Wittchen, 1997). Die vorliegenden Studien zeigen, dass eine Diagnostik auf der Grundlage operationalisierter Kriterien, wie sie durch DSM-III-R ,
DSM-IV oder ICD-10 verwirklicht ist, zumindest eine befriedigende Reliabilität erreicht (Bronisch, 1992; Fydrich et al., 1996b). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass standardisierte und strukturierte Untersuchungsinstrumente eingesetzt werden. Die Reliabilität von nicht-strukturierten Interviews ist dagegen deutlich
schlechter. Im Vergleich der verschiedenen Verfahren zeigte sich, dass Selbstbeurteilungsverfahren zwar eine ähnlich hohe Reliabilität wie Checklisten oder strukturierte Interviews erreichten, bei hoher Sensitivität jedoch nur eine geringe Spezifität
17
aufwiesen, d.h. mit Fragebögen wurden viele falsch positive Diagnosen einer Persönlichkeitsstörung gestellt (Fydrich et al., 1996b). Die Validität der Diagnostik von
Persönlichkeitsstörungen muss nach wie vor als unzureichend bezeichnet werden
(Bronisch, 1992; Fydrich et al., 1996b; Perry, 1992). Angesichts der unzureichenden
Validität der Verfahren ist für die Praxis auf jeden Fall eine Validierung der "Statusoder Querschnittsdiagnostik" an Genese- oder Verlaufsdaten erforderlich (vgl. Fiedler, 1995; Turkat, 1990). Nach Spitzer (1983) gilt als „gold standard“ eine Konsensdiagnostik auf der Basis einer "longitudinalen Expertenevaluation im Verlauf unter
Nutzung aller verfügbaren Daten" ("LEAD-Methode").
2.2.3
Epidemiologische Untersuchungen und Komorbiditätsforschung
Es wurden erste größere epidemiologische Untersuchungen zur Häufigkeit und
Verteilung von Persönlichkeitsstörungen durchgeführt, die sich an den Klassifikationssystemen DSM-III, DSM-III-R bzw. DSM IV und ICD-10 orientieren und die die
neueren Untersuchungsinstrumente benutzen. Die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen in verschiedenen Bevölkerungsstichproben (unbehandelte Prävalenz)
liegen zwischen 10 und 14 Prozent (Maier, Lichtermann, Klinger, Heun & Hallmeyer,
1992; Reich, Yates & Nduaguba, 1989; Zimmerman & Coryell, 1990), die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen in Patientenstichproben (behandelte Prävalenz) liegen verständlicherweise höher. Bei einer extremen Spannweite der Prozentsätze werden im Mittel bei 52% der ambulanten Patienten (Spannweite zwischen 38% und 81%) und bei 65% der stationären Patienten (Spannweite zwischen
26% und 92%) mindestens eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Fydrich et al.,
1996a). Auch die Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei Patienten
mit psychischen und psychosomatischen Störungen streuen weit angesichts der
unterschiedlichen Methoden und Stichproben. Für verschiedene Gruppen psychischer Störungen, die nach DSM-III-R auf Achse-I diagnostiziert werden, zeigen sich
im Mittel allerdings vergleichbar hohe Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen in den vorliegenden Studien: bei durchschnittlich 56% der Patienten mit
Angststörungen, bei 57% der Patienten mit affektiven Störungen und bei 60% der
Patienten mit Essstörungen wurde mindestens eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Fydrich et al., 1996a). Im Vergleich der Studien zeigt sich die
Abhängigkeit der berichteten Prävalenzraten von den jeweiligen Erhebungsmethoden. Im Mittel werden in den vorliegenden Studien bei der Verwendung eines Fragebogens bei 60% der untersuchten Probanden Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert, mit strukturierten Interviews dagegen beträgt diese Rate durchschnittlich nur
44%.
In einer eigenen Studie an 435 Patienten einer psychosomatischen Fachklinik (Bad
Dürkheimer Komorbiditätsstudie, vgl. Fydrich et al., 1996a) wurden die Symptomstörungen und Persönlichkeitsstörungen mit dem Strukturierten Klinischen Interview für
DSM-III-R (SKID-I, Wittchen, Zaudig, Spengler, Mombour, Klug & Horn, 1990; SKIDII, Wittchen, Schramm, Zaudig & Umland, 1993) im Rahmen einer "strengen" oder
"konservativen" Beurteilung der diagnostischen Kriterien erfasst. In Tabelle 4 werden
die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen für verschiedene diagnostische
Teilgruppen dargestellt.
18
Tab. 4
Bad Dürkheimer Komorbiditätsstudie: Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen in verschiedenen diagnostischen Gruppen (aus: Fydrich et al., 1996a, S. 73)
Persönlichkeitsstörungen
N1
N2
%
435
112
323
182
141
171
167
127
32
Stichprobe gesamt
Ohne DSM-Achse-1 Diagnose
Mit DSM-Achse-1 Diagnose
Einfache DSM-Achse-1 Diagnose
Mehrfache DSM-Achse-1 Diagnose1
Affektive Störungen
Angststörungen
Somatoforme Störungen
Essstörungen
117
13
104
35
69
78
72
34
14
26.9
11.6
32.2
19.2
48.9
45.6
43.1
26.8
43.8
Anmerkung: N1 = Anzahl der Personen in der jeweiligen Gruppe; N2 = Anzahl der Diagnosen von
Persönlichkeitsstörungen;1 Mehrfachdiagnosen innerhalb der diagnostischen Hauptgruppen nicht berücksichtigt.
Die Prävalenzrate komorbider Persönlichkeitsstörungen insgesamt liegt mit 26,9%
niedriger als in anderen vergleichbaren Studien, wobei die Diagnosen der "leichteren" Persönlichkeitsstörungen (selbstunsichere, dependente und zwanghafte Persönlichkeitsstörungen) am häufigsten vorkommen. Die Prävalenzrate komorbider
Persönlichkeitsstörungen ist mit etwa 45% gleich hoch für Patienten mit affektiven
Störungen, Angststörungen und Essstörungen und liegt etwa 10% unter den mittleren Prävalenzraten der vorliegenden Komorbiditätsstudien. Nur 26,8% der Patienten
mit somatoformen Störungen erhalten die Diagnose einer zusätzlichen Persönlichkeitsstörung. Patienten ohne Achse-I Diagnosen (d.h. Patienten mit psychischen
Beeinträchtigungen, die aber nicht mit dem verwendeten strukturierten Interview diagnostiziert werden können) erfüllten nur zu 11,6% die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung. Dies entspricht etwa der Häufigkeit, wie sie auch in unbehandelten
Stichproben gefunden wird.
Persönlichkeitsstörungen können nach Millon (1996) in verschiedener Weise mit klinischen Syndromen zusammenhängen: Persönlichkeitsstörungen können aufgrund
der eingeschränkten Bewältigungsfähigkeiten der Betroffenen zu einer Vulnerabilität
für klinische Syndrome führen ("Vulnerability Model"), klinische Syndrome können
Veränderungen der Persönlichkeit bewirken ("Complication Model"), konstitutionelle
Faktoren können als "dritte Variable" gleichzeitig eine Persönlichkeitsstörung und ein
klinisches Syndrom zur Folge haben ("Spectrum Model") oder es wird angenommen,
dass die Persönlichkeit alleine den Verlauf eines klinisches Syndroms beeinflusst
("Pathoplasty Model").
Komorbidität kann aber auch als Artefakt auf eine ungenaue Differenzierung oder
eine Überlappung von Bestimmungskriterien verschiedener Diagnosen zurückgeführt werden. Da die Merkmalslisten verschiedener Persönlichkeitsstörungen zum
Teil gleichlautende Kriterien enthalten (z.B. ist sozialer Rückzug ein Kriterium für die
selbstunsichere, die schizoide und die schizotypische Persönlichkeitsstörung), überraschen die oft hohen Komorbiditätsraten innerhalb der Gruppe der Persönlichkeitsstörungen (innere Komorbidität) nicht. Bei systematischer Erfassung der Persönlichkeitsstörungen in klinischen Stichproben werden in der Tat oft sehr hohe Raten der
inneren Komorbidität gefunden. So erhalten in vielen Studien über die Hälfte der Pa19
tienten mit Persönlichkeitsstörungsdiagnosen zwei oder mehr Diagnosen. In der Bad
Dürkheimer Komorbiditätsstudie liegt bei etwa einem Drittel der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (36,4%) mehr als eine Persönlichkeitsstörung vor.
Was die vorliegenden Ergebnisse bei aller Unschärfe interessant machen, sind die
Unterschiede in klinischen und biographischen Variablen, die sich zwischen einzelnen Gruppen von Patienten mit klinischen Syndromen (Achse-I Störungen) mit und
ohne zusätzliche Persönlichkeitsstörungen zeigen. So berichten z.B. in einer Studie
von Wonderlich und Swift (1990) essgestörte Patientinnen mit zusätzlicher Borderline-Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu essgestörten Patientinnen mit anderen
Persönlichkeitsstörungen über deutlich mehr zusätzliche Achse-I Störungen und
häufiger über sexuellen Mißbrauch, Suizidversuche und konflikthafte und feindliche
familiäre Beziehungen. Die beiden essgestörten Gruppen mit Persönlichkeitsstörungen unterschieden sich darüber hinaus signifikant in den meisten untersuchten Variablen von einer dritten Gruppe essgestörter Patientinnen ohne Persönlichkeitsstörung. Diese dritte Gruppe zeigte keine weiteren Auffälligkeiten bis auf ihre konkrete
Essstörung und unterschied sich in den untersuchten Variablen nur wenig von einer
Kontrollgruppe ohne Essstörungen. Essgestörte Patientinnen mit zusätzlichen Persönlichkeitsstörungen und insbesondere Borderline-Persönlichkeitsstörungen zeigen
sich nach den Ergebnissen dieser Untersuchung als besonders gefährdete Subgruppe, deren besondere Situation auch besondere therapeutische Maßnahmen
erfordert.
2.2.4
Persönlichkeitsstörungen und Abhängigkeitserkrankungen
Im deutschsprachigen Raum gab es bisher noch keine gesicherten Ergebnisse zur
Prävalenz, Komorbidität oder gar Effektivität der Behandlung der Persönlichkeitsstörung bei Suchterkrankungen. Ganz allgemein ist die differentielle Effektivität spezifischer therapeutischer Maßnahmen innerhalb der Suchttherapie nicht befriedigend
belegt (Petry, 1998). Dies gilt in besonderem Maße für die Koinzidenz von Suchterkrankung und Persönlichkeitsstörung. Eine Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit kompliziert die bei Persönlichkeitsstörungen ohnehin ausgeprägten Krankheitsfolgen drastisch. Ein Teufelskreis dürfte insofern einsetzen, als durch fortgesetzten
Alkohol- bzw. Medikamentenkonsum regressive Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur erfolgen, die die Interaktionsfähigkeit und Selbststeuerung weiter labilisieren (Kipp & Stolzenburg, 2000).
Die Persönlichkeit abhängiger Menschen war häufig Gegenstand wissenschaftlicher
Untersuchungen. Im Mittelpunkt stand dabei die Suche nach der „Suchtpersönlichkeit“, d.h. die Suche nach einer Pathologie, die spezifisch prädisponiert für die Entwicklung einer manifesten Abhängigkeit ist. Zunächst wurde dabei ein dimensionaler
Aspekt der Persönlichkeitspsychologie verfolgt, der in den letzten 20 Jahren mit der
Einführung des DSM-Systems durch einen kategorialen Persönlichkeitsansatz abgelöst wurde.
Im frühen dimensionalen Ansatz wurde zumeist auf der Grundlage des MMPI, nach
einem typischen, immer wieder auffindbaren Cluster von suchtspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen gesucht. Die typische Alkoholikerpersönlichkeit ließ sich bei aller
Suche jedoch empirisch nicht nachweisen (Harten & Röhling, 1987; Barnes, 1979;
McAndrew, 1979; Vaillant, 1994). In der Arbeit von Kammeier, Hoffman, & Coper
(1973) wurden Studenten bei Studiumsbeginn und mehr als 10 Jahre später bei Beginn einer Entwöhnungsbehandlung untersucht: Der erste Messzeitpunkt ergab kei20
ne Besonderheit, die 10 Jahre später erfolgte Untersuchung der nun manifest Abhängigen zeigte gewisse pathologische Veränderungen, allerdings nur bei einem
Drittel der Probanden. Daraus wurde geschlossen, dass es weder eine 'präalkoholische Persönlichkeit', wie von Barnes (1979) vorgeschlagen, gab, noch eine typische
Veränderung der Persönlichkeitsorganisation in der Abhängigkeitsentwicklung. Eine
andere Arbeit (Acevedo, Elder & Harrison, 1988) untersuchte Zusammenhänge zwischen kognitiven Veränderungen in der Persönlichkeitsorganisation im Zuge einer
Abhängigkeitsentwicklung. Die Ergebnisse ließen keine eindeutigen Rückschlüsse
zu, ebenso wenig wie die Untersuchung zentraler Merkmale auf der Persönlichkeitsebene wie Kontrollüberzeugungen, Selbstwertgefühl oder Autonomiestreben (Küfner, 1981). Auch die Suche nach mehreren unterschiedlichen Persönlichkeitstypen
erbrachte keine konsistenten Befunde (Nerviano & Gross, 1987).
Hervorzuheben sind neben den Studien, die die 'big-five'-Persönlichkeitsdimensionen zugrundelegen (Trull, 1992; Borkenau & Ostendorf, 1993; Bouchard,
1993), die prospektiven Arbeiten von Cloninger, Sigvardsson & Bohmann (1988), die
die Bedeutung der Persönlichkeitsdimension 'sensation and novelty seeking' für die
Abhängigkeitsentwicklung belegen. In einer neueren Untersuchung, in der die Differentialdiagnostik und Behandlungsindikation bei abhängigen pathologischen Glücksspielern im Mittelpunkt stand (Petry & Jahrreiss, 1999), ergab sich durch clusteranalytische Verfahren eine psychopathologisch unauffällige Gruppe manifest Abhängiger, die keine Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit, gemessen mit dem Trierer Persönlichkeitsfragebogen von Becker (1989), aufwies und nur eine leicht erniedrigte, aber noch im Normalbereich liegende Verhaltenskontrolle zeigte. In bezug auf
alle speziellen Merkmale der seelischen Gesundheit lagen bei dieser Untergruppe
Werte vor, die sich nahe der mittleren Normalwerte befinden. Diese Gruppe könnte
als 'suchtspezifisch Verhaltensgestörte' bezeichnet werden, da das Suchtverhalten
offensichtlich nicht mit einer zugrundeliegenden psychopathologischen Störung einhergeht, sondern eine ausschließlich dysfunktionale Anpassungsleistung darstellt.
Eine zweite, davon unterscheidbare Untergruppe von Suchtkranken wies eine deutliche Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit auf, aber mit einer geringfügig herabgesetzten Verhaltenskontrolle. Die genaue Betrachtung der Ergebnisse verwies
auf eine deutliche Sinnproblematik und gleichzeitig eine Beeinträchtigung der
Selbstaktualisierungstendenz. Diese spezifische Merkmalskonstellation dürfte Ausdruck von der offenbar am häufigsten bei Suchtkranken vertretenen selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung - hinsichtlich der Merkmale Sinngebung und Selbstbehauptung - sein, da neben der Sinnproblematik auch eine Beeinträchtigung der autonomen Selbstbehauptung bestand und die Einschränkung der Impulskontrolle nur
gering ausgeprägt war (Petry, i. Druck).
Auch die Untersuchungen der Persönlichkeitsstörungen bei Alkoholismus auf der
Grundlage eines kategorialen Modells der Persönlichkeitsstörung, wie sie das DSMSystem bereitstellt, erbrachten wenig übereinstimmende Aussagen (De Jong, van
den Brink, Hartefeld & van der Wielen, 1993; Koenigsberg, Kaplan, Gilmor & Cooper, 1985). Die Prävalenzraten, die in den einzelnen Studien ermittelt wurden, variieren stark, wobei auch das schwierige Problem der diagnostischen Einordnung
dabei einen wesentlichen Einfluss haben dürfte. Festzuhalten ist, dass der Anteil von
Persönlichkeitsstörungen bei Alkoholkranken viermal so hoch zu veranschlagen ist
wie bei nichtabhängigen Menschen (Maier et al., 1992; Reich, Yates & Nduaguba,
1989). Kritisch ist bei den Untersuchungen anzumerken, dass keine sorgfältige Unterscheidung zwischen 'Abhängigkeit' einerseits und 'Missbrauch' oder 'schädlichem
Gebrauch' (Schuhler & Jahrreiss, 1994; Schuhler & Baumeister, 1999; Schuhler,
21
Baumeister & Jahrreiss, 2002) andererseits getroffen wurde. Dies gilt auch für die
US-amerikanische Komorbiditätsforschung, die bisher auf die Untersuchung der antisozialen Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit Alkoholabhängigkeiten den
Schwerpunkt legte, neben der der Borderline-Störung, von der allgemein angenommen wird, dass alkoholabhängige Menschen davon in besonderem Maß betroffen
sind. Werden jedoch die Suchtmittelkonsum bedingten Symptome bei der Diagnosestellung außer acht gelassen, konnte in vielen Fällen die Diagnose 'BorderlineStörung' nicht aufrechterhalten werden (Dulit, Fyer, Haas, Sullivan & Frances, 1990;
Nace, Davis & Caspari, 1991). Bislang liegt über die häufig vermutete enge Beziehung zwischen Borderline-Störung und Abhängigkeit wenig gesichertes Wissen vor.
In einer eigenen Studie (Schuhler, Jung, Jahrreiss, Wagner, Schmitz, HandkeRaubach, Limbacher, Husen, 2000b) über die Häufigkeitsverteilung von Persönlichkeitsstörungen, ergaben sich bei abhängigen Patienten in der stationären Entwöhnungsbehandlung (Jahrreiss, 1990) auf der Grundlage einer reliablen und validen
Diagnostik mit dem SKID-Interviewverfahren, dass die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung am häufigsten vertreten war, gefolgt von der Borderline- und narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wobei insgesamt über 40% der abhängigen Patientengruppe eine Persönlichkeitsstörung aufwies.
In einer weiteren Arbeit (Schuhler, Wagner, Jung & Jahrreiss, 2000c), die ebenfalls
aus dem erwähnten Forschungsprojekt heraus entstand, konnten darüber hinaus
Ergebnisse zur Komorbidität und zu Merkmalen der Patientengruppe vorgelegt werden: Abhängige Patienten mit Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu Patienten ohne
Persönlichkeitsstörungen zeigten zu Beginn der Behandlung signifikant höhere Mittelwerte hinsichtlich Depressivität, Angstreaktionsbereitschaft und Symptombelastetheit, gemessen mit dem Depressionsinventar von Beck, dem Beck-Angstinventar
und dem SCL-90-R. Darüber hinaus wurde die Schwere der Abhängigkeitserkrankung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen untersucht, gemessen mit dem
Münchwieser Diagnose-Inventar (Schuhler & Wagner, 1999): Dabei zeigte sich, dass
die Suchtentwicklung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei Behandlungsbeginn stärker ausgeprägt ist und dass das Suchtmittel funktional signifikant häufiger
zur Regulation interaktiver Anforderungen eingesetzt wird, als von abhängigen Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. Hinsichtlich Chronifizierung, Arbeitslosigkeit,
Partnerschaftssituation, Leistungsfähigkeit, Suizidalität, Rückfallgefährdung ist diese
Patientengruppe besonders belastet bzw. gefährdet.
Im deutschsprachigen Raum ist die Lübecker Untersuchung (Lübeck Evaluation of
Motivational treatment in Alcohol dependence) hervorzuheben, die eine Komorbiditätsuntersuchung bei 250 Alkoholabhängigen durchführte, d.h. eine manifeste Abhängigkeit war zweifelsfrei gegeben. Darüber hinaus wurde kontrolliert, dass die Patienten keine zusätzlichen substanzbezogenen Störungen durch Drogen oder Medikamente aufwiesen (Driessen, 1996; Driessen, Veltrup, John, Wetterling & Dilling,
1998). Die Ergebnisse wiesen vier unterschiedliche Gruppen aus: Die größte Gruppe
wies keine Komorbidität auf, die zweitgrößte Gruppe wies eine Symptomdiagnose
der Achse-I ohne Persönlichkeitsstörungsdiagnose auf, die drittgrößte Gruppe wies
eine Symptomdiagnose und eine Persönlichkeitsstörungsdiagnose auf und schließlich die vierte Gruppe wies ausschließlich eine Persönlichkeitsstörungsdiagnose ohne Symptomdiagnose auf. Darüber hinaus gab es einen hohen Anteil nicht näher
bezeichneter Persönlichkeitsstörungen innerhalb der Achse-II-Gruppe. Das heißt,
eine große Gruppe von Patienten erfüllte zwar nicht die Kriterien einer einzigen Persönlichkeitsstörung, kam aber randschwellig auf verschiedenen Störungsbildern an
eine diagnoserechtfertigende Ausprägung heran. Die Ergebnisse zeigten, dass Pati22
enten mit Persönlichkeitsstörungen häufiger männlich und jünger waren, seltener in
einer Partnerschaft lebten, dass die Chronizität der Abhängigkeitserkrankung länger
zurücklag und rascher progredient vorangeschritten war. Die Autoren verweisen auf
die Bedeutung der Ergebnisse für eine spezifische Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeitsstörung und Alkoholabhängigkeit. So zwingend diese
Einsicht scheint, so schmal ist die wirklich gesicherte Wissensbasis über die Wechselbeziehungen zwischen Persönlichkeit und Alkoholismus. Insbesondere therapeutische Schlussfolgerungen auf empirischer Basis sind gegenwärtig nur sehr eingeschränkt zu ziehen. In erster Linie fehlen bislang kontrollierte Interventionsstudien.
2.2.5
Therapiebezogene Komorbiditätsforschung
Die Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gilt als schwierig. Dementsprechend häufig wird angenommen, dass sich eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung ungünstig auf die symptomatische Behandlung einer depressiven Störung
oder einer anderen Achse-I Störung auswirkt. Daher wird erwartet, dass Patienten
mit Persönlichkeitsstörungen häufiger die Behandlung abbrechen oder ein ungünstigeres Behandlungsergebnis zeigen als Patienten ohne zusätzliche Persönlichkeitsstörungen. Die therapiebezogene Komorbiditätsforschung ist dieser Frage in
den letzten Jahren verstärkt nachgegangen. Bisher wurde insbesondere der Einfluss
zusätzlicher Persönlichkeitsstörungen auf den Behandlungserfolg bei Depressionen,
Angst- und Zwangsstörungen, Essstörungen und Substanzmissbrauch bzw. - abhängigkeit untersucht (vgl. Pretzer, 1996; Reich & Green, 1991; Reich & Vasile,
1993; Shea, Widiger & Klein, 1992; Schmitz et al., 1996b). Als Maßnahmen wurden
in diesen Studien sowohl pharmakotherapeutische als auch psychotherapeutische
Behandlungen überprüft, in selteneren Fällen auch kombinierte Behandlungsmaßnahmen. Die überwiegende Mehrzahl der Studien berichten über einen ungünstigen
Einfluss von Persönlichkeitsstörungen auf die Behandlung von Achse-I Störungen.
So zeigten auch die ersten Studien, die die Wirksamkeit kognitivverhaltenstherapeutischer Behandlungen an Patienten mit Bulimia nervosa (Giles,
Young & Young, 1985), mit sozialer Phobie (Turner, 1987) oder Agoraphobie (Mavissakalien & Hamman, 1987) untersuchten, dass die meisten Patienten mit einer
zusätzlichen Persönlichkeitsstörung im Rahmen standardisierter gruppentherapeutischer Vorgehensweisen wenige oder keine Fortschritte in ihrem symptomatischen
Verhalten machten. Neuere Studien, die den Einfluss komorbider Persönlichkeitsstörungen auf den Erfolg kognitiv-verhaltenstherapeutischer Behandlung von generalisierten Angststörungen (Sanderson, Beck & McGinn, 1994) von Panikstörungen
(Arndtz & Dreessen, 1990) oder von depressiven Störungen (Shea, Pilkonis, Beckham, Collins, Elkin, Sotsky & Docherty, 1990) untersuchten, stellten dagegen fest,
dass diejenigen Patienten, die die Behandlung nicht vorzeitig abbrachen, genauso
gut bzw. sogar etwas besser auf die Behandlung ansprachen als Patienten ohne
Persönlichkeitsstörungen und umfassende positive Veränderungen in vielen Lebensbereichen erzielten. Da die günstigeren Ergebnisse der neueren Studien z.T.
auf Einzeltherapien basieren, die den individuellen Problemen des Patienten angepasst werden konnten, könnte man vermuten, dass eine individualisierte kognitivverhaltenstherapeutiche Therapie bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wirksamer ist als standardisierte störungsspezifische Vorgehensweisen. Eine eigene
Studie an Patienten mit affektiven Störungen, Angststörungen, Essstörungen und
somatoformen Schmerzstörungen fand vergleichbar günstige Ergebnisse (Schmitz
23
et al., 1996b). Es zeigte sich, dass eine komorbide Persönlichkeitsstörung kein Prädiktor für einen schlechteren Therapieerfolg ist, d.h. alle Subgruppen mit und ohne
komorbide Persönlichkeitsstörungen profitieren signifikant von der stationären Therapie. Zum Katamnesezeitpunkt (8 Monate nach Therapieende) konnten die Subgruppen mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen ihren Therapieerfolg in etwa aufrechterhalten, während sich die Subgruppen ohne Persönlichkeitsstörungen sogar
signifikant verschlechterten. Diese Ergebnisse stützen die Annahme verschiedener
Autoren, dass Patienten mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen erfolgreich in ihrer
klinischen Symptomatik behandelt werden können, wenn die Therapie den individuellen Problemen des Patienten angepasst wird, und wenn die störungsspezifischen
symptomatischen Vorgehensweisen mit den neueren kognitiv-verhaltenstherapeutischen Konzepten für Persönlichkeitsstörungen verbunden werden. So wurden
klinische Syndrome und Persönlichkeitsstörungen gleichermaßen im Rahmen eines
multimodalen und adaptiven verhaltenstherapeutischen Behandlungskonzepts berücksichtigt (vgl. Limbacher & Schmitz, 1996). Verschiedene Studien, die die Auswirkungen einzelner Persönlichkeitsstörungen untersuchten, legen darüber hinaus
eine differentielle Prädiktivität verschiedener Persönlichkeitsstörungen nahe (vgl.
Fiedler, 1995).
2.2.6
Studien zur Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen
Die meisten Beiträge zur kognitiven und verhaltenstherapeutischen Behandlung von
Persönlichkeitsstörungen basieren auf klinischen Beobachtungen und EinzelfallUntersuchungen. Da sich die Forschung noch in den Anfängen befindet, betonen
die meisten Autoren angesichts der Komplexität der Probleme die Bedeutsamkeit
eines individuellen Fallkonzepts und seiner empirischen Überprüfung in der Therapie. Die Ergebnisse von Turkat und Maisto (1985) zeigen zumindest für einzelne
Persönlichkeitsstörungen, wie ein effektiver Behandlungsplan auf der Basis eines
individuellen Konzeptes für die Probleme eines Patienten aufgestellt und überprüft
wird. In den letzten Jahren wurden auch erste kontrollierte Studien zur Überprüfung
der Wirksamkeit der psychotherapeutischen Behandlung der Persönlichkeitsstörungen durchgeführt (z.B. Renneberg, 1996; Shea, 1996). Am häufigsten wurde die Behandlung der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung und der BorderlinePersönlichkeitsstörung untersucht. Die Ergebnisse sind ermutigend, hervorzuheben
sind besonders die Studien von Linehan und Mitarbeitern (Linehan, Armstrong, Suarez, Allmon & Heard, 1991; Linehan, Tutek, Heard & Armstrong, 1994), die die Wirksamkeit der dialektischen Verhaltenstherapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen nachdrücklich belegen.
2.3
Verhaltenstherapeutische Erklärungs- und Behandlungsansätze bei
Persönlichkeitsstörungen
Seit den 80er Jahren kann man ein zunehmendes klinisches und wissenschaftliches
Interesse an der Diagnostik und psychotherapeutischen Behandlung von Persönlichkeitsstörungen feststellen. Nachdem Persönlichkeitsstörungen in der Literatur der
vorangehenden Jahre hauptsächlich aus psychiatrischer und psychoanalytischer
Sicht behandelt wurden, findet man heute eine breite Forschungs- und Publikations24
tätigkeit, an der auch Verhaltenstherapeuten aktiv beteiligt sind (vgl. Fiedler, 1995;
Schmitz, Fydrich, Limbacher, 1996a).
Millon legte bereits 1981 mit seiner biosozialen Lerntheorie einen ersten verhaltentheoretisch orientierten Erklärungsansatz für Persönlichkeitsstörungen vor und entwickelte ein differenziertes Modell des Wechselspiels von biologischen Faktoren,
neuropsychologischen Entwicklungsmöglichkeiten und lernpsychologischen Prozessen (vgl. Millon, 1996; Millon & Everly, 1985). Erste kognitiv oder verhaltenstherapeutisch orientierte Konzepte zur Erklärung und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen wurden dann ab Mitte der 80er Jahre publiziert (Fleming, 1988; Liebowitz,
Stone & Turkat, 1986; Linehan, 1987, 1989; Pretzer, 1988; Turkat & Maisto, 1985;
Young & Swift, 1988).
Mittlerweile liegen sowohl zur kognitiv (z.B. Beck, Freeman et al., 1990/deutsch
1993; Safran & Segal, 1990; Young, 1990) als auch zur verhaltenstherapeutisch
orientierten Behandlung (z.B. Linehan, 1993a/deutsch: 1996a, 1993b/deutsch
1996b; Turkat, 1990/deutsch: 1996) ausgearbeitete Konzepte und Manuale vor. Als
kognitive Ansätze werden hier die Konzepte mit schematheoretischer Grundlegung
zusammengefasst (zur Schematheorie siehe auch Grawe, Donati & Bernauer,
1994).
Das Thema der Persönlichkeitsstörungen wurde seit dem Ende der 80er Jahre auch
im deutschsprachigen Raum von Verhaltenstherapeuten aufgegriffen (z.B. Bohus &
Berger, 1996, Bohus, Stieglitz, Fiedler & Berger, 1999; Bruch, 1988; Fiedler 1993,
1995, 1996a, 2000; Juli, 1992; Schmitz & Limbacher, 1989; Schmitz, 1996, 1999,
2000; Schmitz et al., 1996a).
Im folgenden wird auf den Einstellungswandel in der Verhaltenstherapie gegenüber
dem Konzept der Persönlichkeitsstörungen näher eingegangen, und es werden einige ausgewählte kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte Erklärungs- und Behandlungskonzepte für Persönlichkeitsstörungen dargestellt.
Zum Einstellungswandel in der Verhaltenstherapie. Es mag überraschen, dass
sich seit einigen Jahren auch Verhaltenstherapeuten mit den Persönlichkeitsstörungen beschäftigen, nachdem man in den früheren Jahren vielfältige konzeptuelle und
methodische Vorbehalte gegenüber der klassifikatorischen Diagnostik und dem
Konzept der Persönlichkeitsstörungen im besonderen äußerte. So orientieren sich
Verhaltenstherapeuten in ihren Verhaltens- und Bedingungsanalysen an einer ideographischen Diagnostik und lehnten in den früheren Jahren die klassifikatorische
Diagnostik nicht nur wegen der mangelnden Zuverlässigkeit der Diagnosen oder der
negativen Stigmatisierung der Betroffenen durch die Diagnosen ab, sondern auch
wegen ihres geringen Nutzens für die Therapie. Viele Verhaltenstherapeuten haben
in den vergangenen Jahren ihre ablehnende Haltung gegenüber den Persönlichkeitsstörungen, ihrer Diagnostik und Behandlung zumindest soweit aufgegeben,
dass sie sich aktiv mit den Störungen diagnostisch, therapeutisch und wissenschaftlich auseinandersetzen, obwohl weiterhin Vorbehalte bestehen.
Für den Einstellungswandel von Verhaltenstherapeuten gegenüber den Persönlichkeitsstörungen sind verschiedene Entwicklungen verantwortlich. Dazu gehören nicht
nur die Neuerungen in den psychiatrischen Klassifikationssystemen (vgl. Saß et al.,
1996b; Wittchen, 1996), sondern auch konzeptuelle interne Entwicklungen in der
Verhaltenstherapie und veränderte berufs- und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen.
Für eine veränderte Einstellung gegenüber der psychiatrischen Klassifikation werden
von Verhaltenstherapeuten vor allem zwei Gesichtspunkte ins Feld geführt (z.B.
25
Margraf & Schneider, 1993). Zum einen habe sich durch die Einführung der operationalisierten Diagnostik in die neueren psychiatrischen Klassifikationssysteme DSM
und ICD und durch die Entwicklung standardisierter und strukturierter Untersuchungsverfahren die Qualität der Diagnosen, d.h. ihre Reliabilität deutlich verbessert.
Zum anderen wird auf die Fortschritte in der Entwicklung störungsspezifischer Therapieverfahren in der Verhaltenstherapie hingewiesen, deren Effektivität nachgewiesen sei und die belegen, dass Diagnosen auch tatsächlich zu therapeutischen Konsequenzen führen. Mittlerweile liegen für viele Störungen ausgearbeitete Behandlungsmanuale vor, die ganz gezielt auf die Besonderheiten der jeweiligen Störungen
zugeschnitten sind, und die sich in der empirischen Überprüfung auch als effektiv
erwiesen haben. Entsprechende Konzepte und Manuale wurden nicht nur für die
Behandlung klinischer Syndrome entwickelt, sondern auch für die Behandlung von
Persönlichkeitsstörungen.
Durch diese Entwicklung relativiert sich auch der Stellenwert der individuellen Problemanalyse im Rahmen der verhaltenstherapeutischen Diagnostik. Zunehmend
wird deshalb von Verhaltenstherapeuten eine Kombination von individueller Problemanalyse, klassifikatorischer Diagnostik mit strukturierten Interviews und gegebenenfalls psychometrischen Verfahren vorgeschlagen, um die Therapiestrategie
sowohl an den Ergebnissen der Therapieforschung als auch an den individuellen
Besonderheiten des Patienten zu orientieren (vgl. Margraf & Schneider, 1993).
Auch die ablehnende Haltung gegenüber der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen im besonderen hat sich für viele Verhaltenstherapeuten vor diesem Entwicklungs- und Argumentationshintergrund zumindest in einen pragmatisch-kritischen
Umgang verändert. Beide Klassifikationssysteme, DSM und ICD, verzichten in ihren
Neufassungen auch in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen weitgehend auf
Gesamteindrücke und intuitive Erfahrungen des Diagnostikers sowie ätiologische
Spekulationen psychoanalytischer oder psychiatrischer Herkunft. Statt dessen ist der
Diagnostiker aufgefordert, seine Wahrnehmungen und Einschätzungen durch konkrete Verhaltensaspekte zu belegen, die für spezifische Persönlichkeitsstörungen als
prototypisch betrachtet werden. Damit kommen die deskriptiven Klassifikationssysteme auch dem konkreten verhaltenstherapeutischen Denken entgegen.
Die Verhaltenstherapie hat in der Vergangenheit ihre besondere Stärke und Identität
gewonnen in der Feinanalyse und mehrdimensionalen Betrachtungsweise menschlichen Verhaltens in spezifischen Situationen und seiner konkreten internen und externen Auslöser und Konsequenzen. Wenn sich heute und relativ spät Verhaltenstherapeuten mit dem Thema der Persönlichkeitsstörungen beschäftigen, so ist dies
auch Ausdruck eines Mangels und eines Bedürfnisses nach grundlegenden theoretischen Beiträgen zur menschlichen Entwicklung und Persönlichkeitsorganisation,
die situationsübergreifende Muster der inneren Erfahrung und des Verhaltens erklären und sich zugleich abgrenzen vom dispositionsorientierten Ansatz der Persönlichkeitspsychologie. Als Beispiel soll auf den Ansatz von Safran und Mitarbeiter (Safran
& Segal, 1990; Safran & McMain, 1992) verwiesen werden. Die Autoren sehen ihr
Interesse an den Persönlichkeitsstörungen im Zusammenhang mit grundlegenden
Bemühungen, die Begrenzungen des kognitiven Therapieansatzes für Achse-I Störungen (Beck, Rush, Shaw & Emery, 1986) zu überwinden und konzeptuell und therapeutisch weiter zu entwickeln, auch unter Einbeziehung anderer therapeutischer
Richtungen. Sie kritisieren am klassischen kognitiven Therapieansatz:
• die Vernachlässigung der therapeutischen Beziehung als Wirkfaktor der Behandlung,
26
• die eingeschränkte Sichtweise von Emotionen als post-kognitive Phänomene,
• die Vernachlässigung wichtiger interpersoneller und sozialer Aspekte bei psychischen Störungen,
• die Gleichsetzung von Gesundheit mit Rationalität und die Betonung realitätsangepassten Denkens und Wahrnehmens sowie die Unterschätzung des Patienten,
der Experte seines eigenen Erlebens sei und
• die Betonung strukturierender und technischer Aspekte der Therapie, anstelle von
prozessorientierten und Beziehungsfaktoren.
In ihrem eigenen kognitiv-interpersonellen Ansatz stellen sie das Konstrukt des "interpersonellen Schemas" in den Mittelpunkt, das die frühkindlichen Interaktionen mit
signifikanten Bezugspersonen repräsentiert und beziehen sich in ihrem theoretischen Modell u.a. auf die interpersonelle Theorie (Sullivan, 1953), auf den bindungstheoretischen Ansatz (Bowlby 1969, 1973, 1980) und auf neuere, auch eigene Beiträge zur Emotionstheorie (z.B. Safran & Greenberg, 1987).
Der Einstellungswandel hängt nicht zuletzt auch zusammen mit der erfolgreichen
wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Anerkennung der Verhaltenstherapie,
die es mittlerweile erlaubt, über den eigenen Zaun zu schauen, sowie mit den praktischen Anforderungen einer therapeutischen Tätigkeit in der ambulanten oder stationären Routineversorgung, die Verhaltenstherapeuten mit komplexen Problemstellungen von nicht-ausgewählten Patientengruppen konfrontiert. Angesichts der hohen Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei ambulanten und stationären Patienten (vgl. Fydrich, et al., 1996a) und der oft schwierigen Therapieverläufe (vgl. Limbacher & Schmitz, 1996) müssen sich auch Verhaltenstherapeuten
verstärkt mit den Persönlichkeitsstörungen beschäftigen und Konzepte entwickeln,
die die besonderen Problemstellungen der Patienten erklären und behandeln helfen.
2.3.1
Entwicklungsbedingungen ausgewählter Persönlichkeitsstörungen
nach Millon
Ein vielversprechender Zugang zu den Entwicklungsbedingungen der Persönlichkeitsstörung besteht in der biosozialen Lerntheorie der Persönlichkeitsstörungen von
Millon (1981; 1990; 1996; Millon & Everly, 1985). Millons Arbeit eröffnete eine bislang fehlende lerntheoretisch fundierte, entwicklungspsycho-pathologische Forschungsperspektive (Esser, Ihle, Schmidt & Blanz, 2000; Laucht, Esser & Schmidt,
2000), die die Zusammenhänge zwischen frühen Einflüssen und Auswirkungen im
Jugend- und Erwachsenenalter, zwischen Risiko- und Schutzfaktoren der Persönlichkeitsentwicklung aufhellen helfen kann. Sein Ansatz unterscheidet biologische
Faktoren, die sich einerseits aus Anlagefaktoren und andererseits aus Einflüssen der
pränatalen Entwicklung ergeben. Daneben werden Entwicklungsfaktoren berücksichtigt, die den Einfluss zwischenmenschlicher Erfahrungen und Lernbedingungen
thematisieren im Hinblick auf die neuropsychologische Entwicklung des Kindes. In
der Pathogenese der Persönlichkeitsentwicklung wird ein komplexes Ineinandergreifen zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Prozessen im Erziehungskontext angenommen. Millon postuliert dabei keine mechanistische, einseitige
Einwirkungsrichtung der drei Faktoren auf Entwicklung, sondern ein transaktives dynamisches Wechselspiel. Er geht von der Entwicklungsdynamik zweier Polaritäten
menschlicher Grundbedürfnisse aus: Eine Hauptachse wird aufgespannt zwischen
27
Autonomie und Bindung, eine zweite orthogonal darauf stehende zwischen Selbstkontrolle und Selbstaktualisierung. Mit Hilfe dieses Raummodells der Persönlichkeit
können Persönlichkeitsstile im Kontinuum bis hin zu Persönlichkeitsstörungen dimensioniert werden. Fiedler (2000) diskutiert dieses Modell in seinen, die Therapieschulen übergreifenden integrierenden Bezügen.
Gewisse Parallelen zwischen dem Vulnerabilitätsmodell (Zubin & Springer, 1977),
das ein Zusammenwirken von Anlagebedingungen und pränatalen Faktoren annimmt, das dann als sogenannte diathetische Vulnerabilität die weitere Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst, und dem Modell von Millon, scheinen auf der Hand zu
liegen. Jedoch versteht sich Millons Ansatz gerade nicht als Dispositionsmodell, zu
denen das Vulnerabilitätsmodell gehört, in dem keine Aussagen über die Entwicklung psychischer Störungen gemacht werden kann und in dem Individuen nicht als
integrierte Systeme aus biologischen, psychologischen und sozialen Funktionen angesehen werden. Die Persönlichkeitsentwicklung wird in Millons Ansatz zwar als von
einer ‚Vulnerabilität’ abhängig gesehen, die im Fall der Persönlichkeitsstörung zu
einer besonderen Labilität oder Verletzlichkeit der Person gegenüber ungünstigen
Umweltbedingungen oder psychosozialen Einflussfaktoren führt, vornehmlich durch
familiäre, schulische oder Peer-group-Einflüsse (Fiedler, 1999). Die Problemverhaltensweisen als Ausdruck einer krisenhaften Persönlichkeitsentwicklung werden aber
als aktive Bewältigungsleistung verstanden, als die gewissermaßen bestmögliche
Antwort auf psychosoziale Anforderungen und Entwicklungsaufgaben. Sperry (1995)
favorisiert die biopsychosoziale Sichtweise in Diagnose und Therapie von Persönlichkeitsstörungen und gibt neben der Darstellung von Millons Ansatz hinsichtlich
Entwicklungsdimensionen einen Überblick über kognitiv-behaviorale, interpersonelle
und psychoanalytische Modelle.
Drei Faktoren stehen nach Millon in einem dynamischen Wechselspiel: (1) Biologische Faktoren, die sich aus Anlage und pränatalen Entwicklungsfaktoren bestimmen. (2) Neuropsychologische Faktoren und (3) die interaktiven Erfahrungen und
Lernbedingungen im familiären und Peer-group-Kontext und deren Einflüsse auf die
weitere neuropsychologische Entwicklung. Es werden dabei vier Stufen unterschieden, die zwar grob bestimmten Zeitabschnitten der Entwicklung zugeordnet werden,
die aber auch während der gesamten Life-span-Entwicklung in den Vordergrund
rücken können: Auf der ersten Stufe (sensory-attachment-stage) wird die neurologische Entwicklung des Kleinkindes wesentlich als von den Bedingungen der ElternKind-Beziehung abhängig diskutiert. Risikofaktoren für eine gestörte Persönlichkeitsentwicklung liegen in ungünstigen Bindungserfahrungen, die im Kern entweder
über- oder unterstimulierend sein können. Auf der zweiten Stufe (sensorimotorautonomy-stage) sind vor allem die Zusammenhänge zwischen sensomotorischer
Entwicklung und neurologischer paralleler Entwicklung von Bedeutung. Aktivität und
Passivität, die Akkomodation von neuen Erfahrungen, die zur Weiterentwicklung von
kognitiven Strukturen im Sinne Piagets führt, bilden den Boden für eine selbstsichere
und funktionale Bewältigung der Entwicklungsaufgaben. Auch hier werden ein zu
geringer Anregungsgehalt bzw. eine Überforderung als die entscheidenden Risikofaktoren diskutiert. Auf der dritten Stufe (pubertal-gender-identity-stage) steht die
Ausformung der Geschlechtsidentität im Mittelpunkt. Wesentliche Entwicklungsaufgaben sind in der Entwicklung der Selbstsicht und der sozialen Perspektive zu sehen. Die Existenz geeigneter Modelle im familiären oder schulischen Kontext wird
als bedeutsam angesehen, um geeignete Identifizierungsmöglichkeiten bereitzustellen. Auf der vierten Stufe (intracortical-integrative-stage) ist der Zuwachs an kortikalen Hirnfunktionen, d.h. die Erweiterung der Möglichkeiten zum abstrakten Den28
ken und planvollem Handeln sowie die Ausdifferenzierung der Werturteile über das
eigene und fremde Handeln zentral. In der Entwicklung gelingt idealerweise eine
Gleichgewichtsfindung zwischen Vernunft und Gefühl. Wieder sollen Unterforderungen bzw. Überforderungen die Entwicklung empfindlich stören können.
Im folgenden Abschnitt werden die sechs im Manual behandelten Persönlichkeitsstörungen nach Entwicklungsaspekten beschrieben. Der Ansatz von Millon hat dabei
einen besonderen Stellenwert, ebenso wie die Arbeit von Benjamin (1993), die das
Zusammenspiel von kognitiver, affektiver und interpersonaler Dimension in der Entwicklung berücksichtigt. Im Therapieprogramm findet sich eine entwicklungsorientierte Betrachtung im Sinn plausibler Modelle im psychoedukativen Teil als Element
‚Wenn der Persönlichkeitsstil zum Problem wird’.
Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Allgemein wird von einer extrem geringen Selbstachtung als primäre Problemkonstellation des Patienten ausgegangen,
der unter einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung leidet. Dabei soll ein solches
Gefühl entstanden sein, wenn ein Kind in einer häuslichen Umgebung aufwächst, in
der es viel Aggression, Ablehnung, Wut und Destruktivität gab. Wesentlich soll dabei
sein, dass diese destruktiven Gefühle hinter einer oberflächlich freundlichen Fassade verborgen bleiben (Sullivan, 1956). Daher lernt der Zwanghafte das, was Sullivan
„verbale Magie“ nennt. Worte und Regeln werden dadurch wichtiger als Emotionen.
Auch im Fall der zwanghaften Persönlichkeitsstörung steht die Beeinträchtigung der
affektiven Regulation im Fokus. In diesem Fall wird generell emotionale Nähe und
Miteilungsbereitschaft anderen gegenüber vermieden bzw. nicht gezeigt. Dieses
Grundmodell Sullivans wird auch von Angyal (1965) unterstützt. Dabei wird das inkonsistente widersprüchliche Verhalten der Eltern als Herausforderung an das kindliche Anpassungsvermögen gesehen, das versucht, Kontrolle zu erlangen, die es
sonst überwiegend nicht erlebt. Millon (1981; Millon und Everly, 1985) geht davon
aus, dass der Mensch mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung von überaus
stark kontrollierenden Eltern darin eingeschränkt wird, sich autonom oder abweichend von einer sozialen Erwünschtheitsperspektive, also konformistisch zu verhalten. Die Identitätsentwicklung und der reife Umgang mit Normen und Werten soll
dadurch in der Lebensperspektive erschwert werden. Als Kind soll das zwanghafte
Verhalten direkt und indirekt innerhalb der Familie gelernt werden dadurch, dass
Strafe vermieden werden kann durch Akzeptieren und kritikloses Übernehmen der
Erwartungen perfektionistischer und strafender Eltern.
Die histrionische Persönlichkeitsstörung. Die biologische Grundausstattung der
histrionischen Persönlichkeit zeichnet sich durch ein hohes energetisches Level und
rasche psychovegetative Reaktionsbereitschaft aus (Millon, 1996). Als Kinder zeigen
diese Menschen ein hohes Ausmaß an emotionaler Labilität und Ansprechbarkeit.
Ein dominierender Wesenszug ist die überaus große und rasche Reaktionsbereitschaft und die Orientierung an der Gratifikation von außen. Im Erziehungsverhalten
der Bezugspersonen wird Reziprozität angenommen, d.h., die histrionische Persönlichkeit stößt offenbar schon als Kind auf soziale Umwelten, die dann Aufmerksamkeit geben, wenn das Kind selbst auf sich aufmerksam macht und stark präsent ist.
Diese Entwicklung wird durch wenig auf Disziplin ausgerichtete Erziehung unterstützt. Vermutlich wird diese Entwicklung auch verstärkt durch wenigstens einen histrionischen Elternteil, der via Modellernen und entsprechende selektive Verstärkung
des histrionischen Verhaltens des Kindes den Kreislauf weiter aufrechterhält. Kurzlebige Beziehungen, vorherrschende Beschäftigung mit Äußerlichkeiten und perma29
nente Verleugnung und Verdrängung innerer Bewegung machen Weiterentwicklungen aus dem histrionischen Kreislauf hinaus für die betreffende Person aus eigener
Kraft sehr schwer. Benjamin (1993) geht davon aus, dass histrionische Persönlichkeiten über operante Verstärkungsmechanismen gelernt haben, mit äußerer Attraktivität, gutem Aussehen und Charme viel bewirken zu können, um bei wichtigen Bezugspersonen eigene Ziele zu erreichen. Sie postuliert in elterlichem Erziehungsverhalten unvorhersehbare Brüche und Inkonsequenzen, auf die sich das Kind durch
das histrionisch gefärbte Verhalten einstellt und die gleichzeitig wieder Modell bieten
für eigenes dramatisches Verhalten. Warmherzige Zuneigung durch wichtige Bezugspersonen wird vor allem durch Kranksein und Klagen erreicht und ist nicht
selbstverständlich verfügbar. Die Tendenz zur Verleugnung von inneren Konflikten
geht mit dieser funktionalen Verstärkung von Kranksein einher und fördert die Neigung zur Externalisierung von emotionalem Druck in Form der Krankenrolle.
Die dependente Persönlichkeitsstörung. Bei der Entwicklung der dependenten
Persönlichkeitsstörung wird als charakteristisches Bindungsmuster (Bowlby, 1969;
1977) die „angstbeladene Bindung“ angenommen, die aus der vom Kind nicht sicher
erlebten Präsenz und Ansprechbarkeit der Bezugsperson resultieren soll. Dieses
frühe Bindungsmuster wird gewissermaßen in späteren Beziehungen wiederbelebt
und verursacht auf diese Weise die ständige Angst, alleingelassen zu werden, wodurch sich die extreme Abhängigkeit vom Partner erklärt. Millon und Everly (1985)
vermuten, dass dependente Persönlichkeiten als Kind ängstliche, in sich zurückgezogene oder traurige Wesenszüge aufwiesen, die bei den Bezugspersonen überbehütendes Verhalten auslösten. Als physiologische Grundausstattung wird entweder
ein ektomorpher Körpertyp, also dünn und zerbrechlich, oder ein endomorpher Körpertyp, d.h. schwerfällig und plump, vermutet, wodurch die geringe energetische Ladung, die zu einem Mangel an physischer Kraft und Vitalität führt, verursacht wird.
Diese biologischen Prädispositonen in Wechselwirkung mit der Überbehütung durch
die Bezugspersonen münden in der dependenten Persönlichkeitsstruktur. Geringe
Expressivität und stark ausgeprägte Kontrolle scheinen die Familien, in denen dependente Persönlichkeiten heranwachsen, zu charakterisieren (Hend, Baker & Williamson, 1991). Operante Konditionierung durch verstärkendes Erziehungsverhalten
auf dependente Verhaltensweisen unterstützen die Entwicklung der sozialen Ängstlichkeit und die mangelnde Zuversicht in die eigene Handlungswirksamkeit. Benjamin (1993) geht von einer zu lange andauernden behütenden und versorgenden
Haltung von Eltern aus, die die Autonomie des Kindes nicht angemessen zum richtigen Zeitpunkt fördern. Auf diese Weise entwickeln sich bei diesen Kindern Selbstzweifel und geringe Selbstachtung, die die Kränkungen durch andere erdulden lassen. Diese, die Herabsetzung hinnehmende Haltung wird durch die unzureichende
Handlungskompetenz ungünstig ergänzt, die durch die überversorgende elterliche
Haltung mitverursacht wurde. Vor diesem Hintergrund werden Gefühle, unzureichend und unfähig zu sein, ständig verstärkt und setzen wiederum die rasche Bereitschaft, sich unterdrücken zu lassen, erneut in Gang.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Von der biologischen Grundausstattung her wird bei der narzisstischen Persönlichkeit angenommen (Millon, 1996),
dass, ähnlich wie bei der histrionischen Persönlichkeit, eine Neigung zur Hyperreagibilität besteht. Als Kinder, so wird angenommen, fallen diese Persönlichkeiten oft
als vielversprechend oder besonders talentiert auf. Besonders wird eine frühe Sprachentwicklung vermerkt und eine besondere Ausrichtung der Kinder auf interperso30
nelle Prozesse. Das typische Verhalten der Eltern besteht in Bewunderung und in
der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Erwartung an das Kind, außerordentlich zu sein, um den Eltern zu gefallen. Einzelkinder sind überproportional häufig
ebenso wie der Verlust enger Bezugspersonen in der Kindheit. Früh wird ausbeuterisches und manipulatives Verhalten, auch durch das Modell der Eltern, gelernt, wodurch ein gering ausgeprägtes Verantwortungsgefühl für andere und auch ein geringes Interesse an sozialen Belangen resultiert. Diese innere Haltung korrespondiert
dann wieder mit dem narzisstischen Grundzug der ausschließlichen Beschäftigung
mit dem eigenen Selbst. Benjamin (1993) vermutet, dass narzisstische Persönlichkeiten in einem kritiklosen und das Kind uneingeschränkt bewundernden Familienklima aufwachsen. Introspektion und Selbstreflexion werden dabei nicht gefördert,
ebenso wenig wie die Fähigkeit, die Perspektive des andern zu übernehmen und die
Welt aus seiner Sicht zu sehen. Daraus resultiert der Anspruch, bewundert werden
zu wollen und das Unvermögen, sich in andere hineinzuversetzen. Diese Haltung
kollidiert dann in der weiteren Entwicklung mit der unvermeidlichen Enttäuschung,
die die Eltern dem Kind deutlich vermitteln, wenn es die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt. Da wirkliche Bewältigungskompetenzen fehlen, bleibt eine große
Empfindlichkeit gegenüber Kritik und das fast unstillbare Verlangen nach Bewunderung, das Ängste, unzureichend und schwach zu sein, gar nicht erst aufkommen lassen soll.
Die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung. Der Grundzug der selbstunsicheren
Persönlichkeit besteht in der extremen Anspannung und Angst im Umgang mit Menschen und in dem einzig zur Verfügung stehenden Heilmittel, nämlich der Abschottung vor anderen, obwohl sie sich gleichzeitig diese Nähe wünschen. Millon und
Everly (1985) vermuten, dass selbstunsichere Persönlichkeiten häufig auf elterliche
Ablehnung und Kränkung gestoßen sind, die dann in der so wichtigen adoleszenten
Phase abgelöst wurden von der Ablehnung durch die Peer-group. Diese Umweltbedingungen treffen bei selbstunsicheren Persönlichkeiten auf hoch irritierbare biologische Grundmuster, die über ein niedrigschwellig leicht erregbares vegetatives Nervensystem aktiviert werden. Vermutlich haben die Eltern hohe eigene Standards, die
sie an die Leistungen und Verhaltensweisen des Kindes anlegen. Wird die so hochgelegte Marke nicht erreicht, wird das Kind mit Abwertung, Kränkung und Demütigung bestraft. Diese frühen Erfahrungen führen zu überdauernden inneren Einstellungen und Erwartungen, die in einem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit wurzeln
und in einer generalisierten Angst vor Zurückweisung in sozialen Situationen.
Selbstmitleid, Ängstlichkeit und depressive Verarbeitung als Folge der Selbstabwertung und ängstlichen Erwartungshaltung tragen im Sinn eines Circulus vitiosus wieder zur Bestätigung der selbstunsicheren Grundannahmen und Überzeugungen bei.
Benjamin (1993) nimmt an, dass selbstunsichere Persönlichkeiten in ihrer frühen
Entwicklung gut versorgt und sicher gebunden (Bowlby, 1977) waren. Daraus resultiert das große Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung, das aber durch unbarmherzige Eltern frustriert wird, die perfektionistische Ansprüche haben. Fehler oder Unzulänglichkeiten des Kindes werden durch Demütigung und Herabsetzung bestraft. Als
Erwachsene vermeiden die so aufgewachsenen Kinder Situationen und Aufgaben,
an denen sie scheitern könnten und vermeintlich wieder Anlass zur Herabsetzung
und zum Ausgeschlossenwerden bieten.
Die Borderline-Störung. Bei der Entwicklung von Menschen mit BorderlineStörungen wurden überzufällig häufig schwere Traumatisierungen festgestellt (van
31
der Kolk, 1999). Fiedler (2000) weist darauf hin, dass es auch BorderlineEntwicklungsverläufe gibt, die keine Traumatisierung aufweisen. Dabei handelt es
sich offenbar um solche Menschen, die in ihrer Kindheit auffällig sozial gehemmt und
ängstlich gewesen waren. Als verursachende Faktoren werden ausgeprägte emotionale Vernachlässigung der Kinder diskutiert, ebenso wie rigide Erziehungsmuster
und ein fortwährend die Person kränkendes Erziehungsverhalten. BorderlinePatienten mit schwerwiegendem Trauma in der Vorgeschichte weisen typischerweise posttraumatische Störungen wie Amnesien, Depersonalisation, Derealisation,
Identitätsstörungen und selbstverletzende Tendenzen auf. Die Traumatisierung zieht
offensichtlich erhebliche affektive Dysregulation nach sich, die zu Destruktivität im
sozialen Verhalten und in der Selbststeuerung führt. Jedoch auch die BorderlinePersönlichkeiten, die kein Trauma erfuhren, sondern offenbar einer vernachlässigenden rigiden und invalidierenden Erziehung ausgesetzt waren, können ein stark
beeinträchtigtes soziales Interaktionsverhalten zeigen. Auch hier bilden die Probleme der affektiven Regulierung den Boden für die Störung in den sozialen Beziehungen und in der Selbststeuerung. Die Wahrnehmung und der Ausdruck der eigenen
Emotionen wird durch das ungünstige Erziehungsverhalten nicht gelernt und erfahren, sondern bleibt in der unzureichenden Form stecken, die in der Folge dann die
Beziehungswelt beeinträchtigt.
Millon (1981) sieht als virulenten Kern der Borderline-Persönlichkeitsstörung ein
nicht-kohärentes Identitätsgefühl und geht davon aus, dass die BorderlinePersönlichkeit im Grunde eine schwergewichtigere Variante der abhängigen, histrionischen und passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung sei. Er setzt seine drei
Grundtypen in Beziehung zu bestimmten familiären Mustern, die entsprechend geeignet sind, die Ausformung der jeweiligen Borderline-Variante zu begünstigen. Unterschieden wird der warme, aber überbehütende Erziehungsstil, während bei der
histrionisch gefärbten Borderline-Persönlichkeitsstörung das elterliche Erziehungsverhalten zwar konsequent verstärkt, aber nur im von den Eltern erwünschten Sinne,
so dass die Kinder lernen zu funktionieren, wenn sie Unterstützung, Aufmerksamkeit
und Zugewandtheit erhalten wollen. Die passiv-aggressiv gefärbte BorderlinePersönlichkeitsstörung soll sich in Erziehungsumwelten entwickeln, die durch inkonsistente, schwer voraussagbare Reaktionen geprägt sind. Millon vermutet eine dominierende Gefühlsorientierung, die abruptes und impulsdurchbrüchiges Verhalten
verursacht und nur ein gering ausgeprägtes rationales, auf abwägender Überlegung
beruhendes Handeln ermöglicht. Lorna Benjamin (1993) nimmt an, dass BorderlinePersönlichkeiten in emotional-chaotischen Familien aufwachsen und dass Alltagsroutine ohne Aufregungen den Betroffenen leer und langweilig vorkomme. Destruktive Internalisierungen machen es der Borderline-Persönlichkeit unmöglich, stabile
Gefühle von Wert und Glück zu entwickeln.
2.3.2
Der kognitive Ansatz von Beck und Mitarbeitern
Die Arbeitsgruppe um Beck und Freeman (Beck et al., 1990; Fleming, 1996; Freeman, Pretzer, Fleming & Simon, 1990; Pretzer, 1996) bezieht sich auf den kognitiven Erklärungs- und Behandlungsansatz, wie er erstmalig von Beck und Mitarbeitern
(Beck et al., 1981) für die Kurzzeitbehandlung der Depression und im weiteren auch
für andere Achse-I Störungen entwickelt wurde, überträgt ihn auf die Behandlung der
Persönlichkeitsstörungen und hebt das Schema-Konstrukt als grundlegende Einheit
der Persönlichkeit hervor.
32
Kognitives Erklärungsmodell. Im kognitiven Konzept werden einige Begriffe, wie
automatische Gedanken, situationsspezifisch verstanden, während andere, wie
Schemata oder Überzeugungen, als situationsübergreifend gelten. Die persistierenden, unflexiblen Verhaltensmuster bei Persönlichkeitsstörungen werden als sichtbare Zeichen dysfunktionaler Schemata aufgefasst und als interpersonelle Strategien
bezeichnet.
Persönlichkeitsstörungen sind nach diesem Modell durch besonders extreme, starre
und unumgängliche Schemata gekennzeichnet ( z.B. "ich bin nicht liebenswert"), die
im Sinne der kognitiven Grundannahme eine kontinuierliche Verzerrung in der alltäglichen Informationsverarbeitung bewirken (z.B. Überbewertung jeglicher Anzeichen
von Ablehnung). Sie führen zu entsprechenden interpersonellen Strategien zum
Schutz der eigenen Vulnerabilität (z.B. Vermeidung von Situationen der Bewertung),
bestätigen sich in komplexen Interaktionsprozessen immer wieder und verhindern,
dass neue Erfahrungen gemacht werden.
Die Art und Weise, wie die Betroffenen auf diese Situationen reagieren, können als
ich-syntone Bewältigungsversuche verstanden werden, gegenüber diesen Situationen zu bestehen, als Verhalten zum Schutz der eigenen Vulnerabilität. So kann z.B.
die überwertige Selbstdarstellung und geringe Empathie eines Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung als selbstschützendes Verhalten betrachtet werden, der Angst vor Kritik und Ablehnung entgegenzuwirken oder die extrem misstrauischen und überempfindlichen Reaktionen eines Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung schon bei harmlosen Bemerkungen als Versuch, einer befürchteten Abwertung oder Täuschung zu begegnen. Das Ausmaß dieser Störungen
hängt auch davon ab, ob die Betroffenen mit ihrem Verhalten auf Verständnis stoßen
und sozialen Rückhalt finden. Da die Selbsthilfeversuche der Betroffenen für die
Umgebung oft nicht nachvollziehbar sind, sondern meistens als Verletzung interpersoneller Umgangsformen verstanden werden, provozieren sie geradezu die Kritik
und Ablehnung bei anderen, vor der sich die Betroffenen zu schützen versuchen
(vgl. Fiedler, 1995)
So erfährt der Mensch mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, dass andere seine
überwertige Selbstdarstellung nicht teilen und von ihm eine realistische Sichtweise
einfordern. Und genau diese Bedrohung führt wiederum fast zwangläufig in einen
erneuten Rechtfertigungszwang und zu einer Aufrechterhaltung des Verhaltens.
Oder der Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung erzeugt durch sein Misstrauen erst recht das Misstrauen und die Feindseligkeit der anderen, was ihn in seinem Weltbild bestätigt. Pretzer (1996) hebt diese Zusammenhänge in einer neueren
Definition von Persönlichkeitsstörungen hervor: "Die kognitive Sichtweise der Persönlichkeitsstörungen bezieht diesen Begriff auf Individuen mit durchgängigen, sich
selbst aufrechterhaltenden kognitiv-interpersonalen Kreisläufen, die so dysfunktional
sind, dass sie in eine psychotherapeutische Behandlung führen"(S. 160).
Zur Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen können nach Beck und Mitarbeitern
(1990) im Sinne eines bio-psycho-sozialen Ansatzes verschiedene Faktoren und ihre
Wechselwirkungen beitragen. Genetische Prädispositionen werden als "Neigungen"
betrachtet, die durch Erfahrung akzentuiert oder abgebaut werden können. So sind
z.B. Menschen mit dependenter Persönlichkeitsstörung auf enge Bindungen fixiert,
die im Laufe der Entwicklung von den Bezugspersonen aus unterschiedlichsten
Gründen verstärkt werden können oder es werden dysfunktionale Muster von Bezugspersonen über Identifikationsprozesse und durch Modellernen übernommen
und weiterentwickelt. Die Aufarbeitung frühkindlicher Erfahrungen zeigt in vielen
33
Fällen, dass sich Persönlichkeitsstörungen aus der kompensatorischen Bewältigung
traumatischer Kindheitserlebnisse entwickeln: eine paranoide Persönlichkeitsstörung
kann sich als Reaktion auf frühe Erfahrungen von Verrat und Täuschung herausbilden oder eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung als Reaktion auf chaotische Zustände in der Kindheit.
Für jede Persönlichkeitsstörung wurde ein spezifisches "kognitiv-behavioralemotionales Profil" erarbeitet, das am Beispiel der paranoiden Persönlichkeitsstörung konkretisiert werden soll:
• Selbstbild: Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung sehen sich selbst als
rechtschaffen und glauben , von anderen schlecht behandelt zu werden
• Bild über die Mitmenschen: Sie betrachten andere Menschen im wesentlichen als
unaufrichtig, als Betrüger und Verräter, die verdeckt manipulieren und sich gegen
sie verschwören
• Hauptannahmen: "Ich bin anderen Menschen gegenüber verletzlich", "Man kann
anderen Menschen nicht trauen", "Ihre Motive sind suspekt", "Sie täuschen mich,
sie wollen mich hintergehen oder geringschätzen"
• Hauptstrategien: Sie sind vorsichtig, misstrauisch, äußerst wachsam und jederzeit
auf der Suche nach Hinweisen, die "verdeckten Motive" oder "Feinde" zu entlarven
• Hauptaffekt: Ärger über die angeblich schlechte Behandlung und Angst vor wahrgenommener Bedrohung
In der nachfolgenden Tabelle 5 sind ausgewählte Persönlichkeitsstörungen im Sinne
des „kognitiv-behavioral-emotionalen Profils“ nach Beck zusammenfassend dargestellt.
Tab. 5
Das Eigenschaftsprofil nach Beck et al. (1993) für ausgewählte Persönlichkeitsstörungen
PersönlichkeitsStörung
Zwanghaft
Selbstbild
Verantwotungsbewusst
Pflichtbewusst
Anspruchsvoll
Histrionisch
Bezaubernd
Eindrucksvoll
Bild über
Hauptannahmen
Mitmenschen
Verantwortungslos Ich weiß, was das
Beste ist.
Nachlässig
Einzelheiten sind
wesentlich.
Inkompetent
Die Leute sollten
sich mehr Mühe
geben.
Verführbar
Menschen sind
dazu da, um mir
zu dienen oder
mich zu bewundern.
Sie haben nicht
Empfänglich
das Recht, mir
das zu verweigern, was mir
rechtmäßig zuBewunderer
steht.
Ich kann mich von
meinen Gefühlen
leiten lassen.
34
Hauptstrategien
Hält sich an Regeln
Perfektionismus
Bewertet, kontrolliert
Theatralisch, charmant; Wutausbrüche, Weinen;
Selbstmordversuche
Fortsetzung Tab.5
PersönlichkeitsStörung
Dependent
Narzisstisch
Selbstunsicher
Selbstbild
Bedürftig
Bild über
Mitmenschen
(idealisiert)
Schwach
Fürsorglich
Außergewöhnlich,
einzigartig
Minderwertig
Mir stehen Sonderregeln zu; ich bin
überlegen
Ich stehe über den
Regeln
Verletzbar durch
Abwertung, Ablehnung
Sozial ungeschickt
Bewunderer
Inkompetent
Überlegen
Ich bin besser als
andere
Kritisch
Demütigend
Hauptannahmen
Hauptstrategien
Ich brauche Menschen, um zu
überleben, um
glücklich zu sein.
Ich brauche ständig Unterstützung,
Ermutigung.
Da ich etwas Besonderes bin,
verdiene ich besondere Regeln.
Ich stehe über
den Regeln.
Baut dependente
Beziehungen auf
Benutzt die anderen
Übergeht Regeln
Manipuliert
Es ist schlimm,
abgelehnt, gedemütigt zu werden.
Wenn andere
mein wahres Ich
kennenlernen,
werden sie mich
ablehnen.
Ich kann unangenehme Gefühle
nicht ertragen.
Vermeidung von
Situationen der
Bewertung
Vermeidung von
unangenehmen
Gedanken und
Gefühlen
Bei der Darstellung der Eigenschaftsprofile der verschiedenen Persönlichkeitsstörungen wird auf eine systematische Beschreibung der Borderline-Persönlichkeitstörung verzichtet, da sich diese aufgrund ihrer Komplexität und ihrer innewohnenden Ambivalenzen nur schwer so vereinfacht darstellen lässt. Bei der Borderline-Persönlichkeit sind eine Vielzahl typischer Annahmen und Verhaltensmuster,
die auch für viele andere Persönlichkeitsstörungen charakteristisch sind, vereinigt.
Beck et al. (1993) heben bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung drei Grundannahmen hervor: „Die Welt ist gefährlich und feindselig:“, „Ich bin machtlos und verletzlich.“ und „“Ich bin von Natur aus inakzeptabel.“ Zusammen mit dem dichotomen
Denken der Betroffenen und ihrem schwachen Identitätssinn bilden diese Grundannahmen ein komplexes System mit sich selbstverstärkenden kognitivinterpersonellen Kreisläufen und tragen wesentlich zur Störung bei.
Kognitives Behandlungskonzept. Aus den prototypischen Schemata des Patienten bzw. seiner jeweiligen Persönlichkeitsstörung ergeben sich ausdrücklich störungsspezifische Therapieempfehlungen für den Therapeuten, die sich sowohl auf
die Gestaltung der therapeutischen Beziehung und Zusammenarbeit als auch auf
die weiteren Problembereiche und Vorgehensweisen beziehen. Im Rahmen einer
kognitiven Schwerpunktsetzung läßt sich der Behandlungsansatz von Beck und Mitarbeitern als ein aktiver und hypothesengeleiteter empirischer Therapieansatz charakterisieren, der auf einem individualisierten Konzept der Probleme eines jeden Pa-
35
tienten basiert und der interpersonelle, kognitive, verhaltens- und erlebnisorientierte
Interventionen ebenso umfasst wie die Einbeziehung der sozialen Umwelt in die
Therapie.
Therapeutische Zielsetzungen. Das Hauptgewicht des kognitiven Behandlungsansatzes liegt auf der Entwicklung neuer und der Modifikation alter Schemata. Schemata können rekonstruiert, modifiziert und neuinterpretiert werden.
Das Ziel einer "schematischen Rekonstruktion" (z.B. ein Patient mit einer paranoiden
Persönlichkeitsstörung wird zu einem vertrauensseligen Menschen) scheint kaum
erfolgversprechend, erinnert eher an die behavioristische Machbarkeitsideologie
vergangener Jahre und überfordert in der Regel Patient und Therapeut. Als Folge
stellen sich im therapeutischen Verlauf dann schnell Frustration und Ärger auf den
Patienten ein, die scheinbar ungenügende Mitarbeit des Patienten wird als therapiewidriges Verhalten gegen den Therapeuten gerichtet interpretiert, und dem Patienten wird eine interaktionelle Flexibilität unterstellt, über die er nicht verfügt. Für den
Patienten bedeuten derartige Zielsetzungen eine grundlegende Infragestellung der
eigenen Person und des eigenen Selbstwerts. Sie verleugnen die tatsächlich oft
schwierigen Umstände, unter denen er aufgewachsen ist bzw. unter denen er lebt.
Wenn festgestellt wird, dass ein Patient andere Menschen als böswillig wahrnimmt,
so ist auch nicht unbedingt davon auszugehen, dass die Ansichten des Patienten
verzerrt sind. So könnte der Patient mit feindseligen Menschen zu tun haben oder
die Feindseligkeit anderer provoziert haben.
Anstatt nun davon auszugehen, dass alle Menschen schlecht sind, könnte der Patient im Sinne einer "Schema-Modifikation" unterscheiden lernen, wem er mehr oder
weniger trauen kann. In Übereinstimmung mit den entsprechenden kognitiven Interventionen ist es dann auch wichtig, das der Patient seine dysfunktionalen Interaktionen verändert, damit er keine weiteren feindlichen Reaktionen anderer provoziert
oder auch relevante Bezugspersonen in die Therapie einzubeziehen. Angemessener
und versöhnlicher sind also Zielsetzungen, die in Richtung einer "schematischen
Modifikation" (ein Patient mit paranoider Persönlichkeitsstörung lernt einigen Menschen in einigen Situationen zu vertrauen) oder auch einer "Neuinterpretation der
Schemata" gehen. Letzteres bedeutet, dass dem Patienten geholfen wird, das eigene Verhalten im Kontext seiner Biographie als sinnhaftes, selbstschützendes Verhalten zu verstehen, und alle Möglichkeiten auszunutzen, die Umwelt so zu gestalten, dass er mit seiner persönlichen Eigenart befriedigender leben kann und seine
persönlichen Eigenarten unter Umständen auch als Kompetenzen zum Ausdruck
kommen können (vgl. Fiedler, 1995). So könnte sich ein Patient mit zwanghafter
Persönlichkeitsstörung einen Arbeitsplatz suchen, der in seinen Anforderungen
seinem Arbeitsstil entspricht.
Die dysfunktionalen Annahmen, die "nur" mit klinischen Syndromen wie Angst- oder
Affektstörungen einhergehen, sind weniger stabil und leichter veränderbar. Somit ist
die Behandlung der komplexeren, tiefverwurzelten Probleme bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wesentlich langwieriger und stellt spezifische Anforderungen
an die interaktionelle und methodische Kompetenz des Therapeuten. Beck und Mitarbeiter sprechen hier auch von der „Charakterphase“ der Behandlung und geben
eine Behandlungsdauer zwischen 12 und 20 Monaten an im Unterschied zu 12 -20
Wochen bei der kognitiven Therapie von Achse-I Störungen.
Die Fülle und Intensität der Problembereiche bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen sollte nicht zu unrealistischen Erwartungen hinsichtlich der Ziele, des therapeutischen Aufwandes oder der raschen Veränderbarkeit führen. In jeder Phase des
36
Behandlungsverlaufs ist zu prüfen, welche konkreten Ziele aktuell relevant und erreichbar sind und welche Prioritäten auch durch die soziale Realität gesetzt werden.
Therapeutische Interventionen. Zur Entwicklung neuer und zur Modifikation alter
Schemata werden klassische kognitive Techniken wie z.B. Aufdecken dysfunktionaler Annahmen unter Anleitung, empirisches Vorgehen zur Überprüfung der Validität
der Annahmen, Reattribuierung oder die Verwendung von Schema-Tagebüchern
vorgeschlagen.
Um die Validität der in der Kindheit entstandenen Schemata anhand der Realität
prüfen zu können, müssen diese Annahmen jedoch bewusst gemacht werden. Einen
besonderen Stellenwert nehmen dabei erlebnisorientierte Vorgehensweisen ein
("experientel techniques"), die die Schemata verfügbarer machen (als sogenannte
"heiße Schemata"). So erleichtert das kathartische Erleben im psychodramatischen
Rollenspiel den Zugang zu den beherrschenden Schemata (im Sinne des "statedepending-learning"). Das wiederholte Betrachten zentraler Kindheitsepisoden kann
Einblick geben in die Ursprünge der eigenen dysfunktionalen Annahmen (z.B. zu
erkennen, dass die Neigung zur Selbstkritik keinen triftigen Grund hat, sondern
übernommen wurde von der Mutter, die ständig Kritik übte) und ermöglicht damit
eine kognitive Umstrukturierung und Erweiterung der Perspektive (z.B. Abschwächung der eigenen Selbstkritik). Durch Rollentausch kann Verständnis entstehen für
das Verhalten wichtiger Bezugspersonen, ihre Aussagen und Urteile können relativiert werden (z.B. dass die Mutter unzufrieden war und ihren Ärger an ihrem Kind
ausließ) und damit auch die Einstellungen sich selbst gegenüber.
Verhaltenstherapeutische Methoden wie z.B. Aktivitätenplanung, Modellvorgaben,
soziales Kompetenz- und Selbstsicherheitstraining, Rollenspiele oder Hausaufgaben
können zur Modifikation der selbstzerstörerischen Verhaltensweisen und zur Förderung sozialer Kompetenz und lebenspraktischer Fertigkeiten eingesetzt werden.
Eine besondere Beachtung finden im kognitiven Ansatz die Probleme und Strategien
der Zusammenarbeit und Beziehungsgestaltung mit der Intention, die Therapiebeziehung an den interaktionellen Möglichkeiten des Patienten zu orientieren und sie
als Wirkfaktor für Veränderungsprozesse zu nutzen. Angesichts der Komplexität der
Probleme und der schwierigen Beziehungsgestaltung wird die Erfordernis betont,
klare und gemeinsame Behandlungsziele zu entwickeln und mit Interventionen zu
beginnen, die kein umfassendes Sich-Öffnen erfordern und von Behandlungsbeginn
an das Gefühl der Selbstwirksamkeit des Patienten fördern.
Am Beispiel der paranoiden Persönlichkeitsstörung sollen Aspekte der Beziehungsgestaltung und Zusammenarbeit kurz dargestellt werden.
Angesichts des paranoiden Weltbildes der Patienten überrascht es nicht, dass die
Patienten die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Hilfe eher vermeiden, sie
hinauszögern und erst dann in einer Psychotherapie erscheinen, wenn andere starken Druck ausüben oder wenn die Lebensverhältnisse unerträglich geworden sind.
Es ist offensichtlich, dass gerade die Anfangsphase einer Therapie eine besonders
bedrohliche Situation für den Patienten darstellt, da von ihm Verhaltensweisen erwartet werden (Vertrauen schenken, sich offenbaren, intime Gefühle und Gedanken
mitteilen, ein Arbeitsbündnis eingehen und Hilfe annehmen), die für ihn gefährlich
sind. Der Patient sollte deshalb, mehr als gewöhnlich, die Kontrolle über den Inhalt
der therapeutischen Gespräche, über die Hausaufgaben und über die weitere Therapieplanung haben. Da die Patienten ihre paranoiden Einstellungen und Wahrnehmungen selten als zu bearbeitendes Problem sehen und sich oft bedroht fühlen,
wenn sie frühzeitig konfrontiert und zur selbstkritischen Einsicht gedrängt werden,
37
ist es wichtig, Verständnis zu zeigen und auf die Therapieziele des Patienten hinzuarbeiten (z.B. besser entspannen können, mehr Selbstsicherheit gewinnen, Partneroder Arbeitsplatzprobleme klären). In Anbetracht der besonderen Wachsamkeit des
Patienten gegenüber strategischem und manipulierendem Verhalten sollte sich der
Therapeut Mühe geben, klar und eindeutig zu kommunizieren, und die Therapie
transparent zu gestalten.
Förderlich für die Vertrauensbildung ist, das Misstrauen des Patienten offen anzusprechen und zu respektieren, verbunden mit dem Angebot, sich Zeit zu lassen für
den Prozess der Entwicklung gegenseitigen Vertrauens, Missverständnisse offen
anzusprechen und zu klären und sich darauf einzulassen, die Worte des Therapeuten an seinen Taten zu messen. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass der
Therapeut das Misstrauen des Patienten nicht als persönlichen Angriff wertet.
Das Misstrauen des Patienten kann sich eher verstärken, wenn der Therapeut den
Patienten versucht zu überreden, ihm zu vertrauen, oder wenn der Therapeut sich
übermäßig verständnisvoll um den Patienten bemüht. Beide Verhaltensweisen können vom Patienten als Täuschungsmanöver wahrgenommen werden, letztere in
dem Sinne, dass die besondere Freundlichkeit des Gegenübers gerade der Beweis
für seine böse Absicht ist. Eine übermäßig verständnisvolle Haltung des Therapeuten kann auch bald ins Gegenteil einer gekränkten, verärgerten oder misstrauischen
Haltung umschlagen, wenn der Patient die besonderen Anstrengungen des Therapeuten nicht "honoriert" durch eine entsprechende Verhaltensänderung. Auch diese
Interaktions-Sequenz kann aus der Sicht des Patienten wieder als Beleg gelten für
die manipulative Absicht des Therapeuten.
Die Probleme in der Therapeut-Patient-Beziehung sollten als Interventionsgelegenheiten genutzt werden und nicht als Störungen betrachtet werden, die so schnell wie
möglich beigelegt werden muss. Patienten mit Persönlichkeitsstörungen nehmen
Therapeuten auf Grund ihrer generalisierten Annahmen oft unzutreffend wahr
("Übertragungs-Kognition"). Hier bieten sich Möglichkeiten für neue Erfahrungen an
durch eine einfühlsame Aufklärung der Fehlwahrnehmungen und der Missverständnisse.
Auftretende Probleme in der Zusammenarbeit gehören sorgfältig analysiert und
können nicht nur Ausdruck der persönlichkeitsbedingten Kooperationsstörung des
Patienten sein (z.B. Rigidität, Angst vor Veränderungen) sondern auch ihre Ursachen im Verhalten des Therapeuten oder des Teams haben (z.B. geringe Erfahrung, unrealistische Therapieziele), durch das Setting bedingt sein (z.B. mangelnde
Kommunikation, Organisation oder Supervision) oder in der Umwelt des Patienten
liegen (z.B. wenn die Umwelt die dysfunktionalen Annahmen des Patienten verstärkt
oder die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe ablehnt).
Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist nicht nur ein individuelles, für
den Patienten transparentes Fallkonzept sondern auch eine besondere Flexibilität
und Kreativität des Therapeuten im Umgang mit dem Patienten und seinen Problemen (z.B. lebendige und anregende Sprache, Humor, Verwendung von Anekdoten
und Metaphern) sowie die Bereitschaft, Verständnis für die besondere Eigenart des
Patienten zu gewinnen.
2.3.3
Der schematheoretische Ansatz von Young
Young (1990) publizierte im gleichen Jahr wie Beck und Mitarbeiter ebenfalls einen
schematheoretischen kognitiven Therapieansatz zur Behandlung von Persönlich38
keitsstörungen. Die beiden Ansätze gleichen sich in ihrer schematheoretischen
Grundlegung (bei Young findet man eine etwas systematischere Darstellung) als
auch in ihrem therapeutischen Vorgehen. Im Unterschied zu Beck und Mitarbeitern
entwickelt Young allerdings keine spezifischen Modelle bzw. kognitiv-behavioralemotionalen Profile für die jeweiligen Persönlichkeitsstörungen und setzt sich auch
nicht mit den einzelnen Persönlichkeitsstörungen diagnostisch, theoretisch und klinisch auseinander. Young wählt einen anderen Zugang, indem er eine begrenzte
Anzahl "früher nicht-adaptiver Schemata" im Kontext primärer Entwicklungsbereiche
identifiziert als Heuristik für die individuelle Schemaanalyse und Therapie bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen.
Young verweist mit Bezug auf Millon (1981) auf die besonderen psychopathologischen Charakteristika von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen ("Rigidität", "kognitive und affektive Vermeidung" und "interpersonelle Schwierigkeiten") und geht
davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen durch extrem stabile und dauerhafte
Denkmuster gekennzeichnet sind, die im kognitiven Therapieansatz für depressive
Störungen oder Angststörungen bisher zwar betont, aber nicht ausreichend und systematisch genug berücksichtigt werden. Diese "frühen nicht-adaptiven Schemata"
entstehen während der Kindheit und sind nach Young vor allem das Ergebnis wiederkehrender ungünstiger alltäglicher Erfahrungen (z.B. ist ein Kind, das ständig kritisiert wird, weil es die Erwartungen der Eltern nicht erfüllt empfänglich für die Entwicklung eines Schemas der Inkompetenz und des Misserfolgs) und weniger das
Ergebnis isolierter traumatischer Erfahrungen. Young vermutet ebenso wie Beck und
Mitarbeiter eine biologische Vulnerabilität, die die Entwicklung dieser Schemata begünstigen kann, die prägenden Faktoren sieht aber auch er im sozialen Einfluss der
Eltern, der Geschwister und der Peer-Gruppe. Young hebt fünf primäre Entwicklungsbereiche hervor (Autonomie, Zugehörigkeit, Selbstwert, die Fähigkeit angemessene Erwartungen an die eigene Person und an Andere zu stellen sowie die Fähigkeit realistische Grenzen für das eigene Verhalten zu akzeptieren und umzusetzen) und identifiziert insgesamt fünfzehn frühe nicht-adaptive Schemata, die er diesen fünf Bereichen zuordnet als Ergebnis einer ungünstigen Entwicklung. Als Beispiel sollen die Schemata bei beeinträchtigter Autonomie dargestellt werden:
1.
2.
3.
4.
"Dependence": Die Überzeugung, alleine nicht zurecht zu kommen und jemanden zu brauchen, auf den man sich verlassen kann.
"Subjugation/lack of individuation": Der freiwillige oder unfreiwillige Verzicht
auf die eigenen Wünsche, um die Wünsche der anderen zu befriedigen.
"Vulnerability to harm and illness": Die Furcht, es könne einen zu jeder Zeit
ein Unheil treffen.
"Fear of losing self-control": Die Furcht, unfreiwillig die Kontrolle über das eigene Verhalten, die Gefühle, das Denken oder den Körper zu verlieren.
Young beschreibt in seinem Patientenmanual sehr anschaulich an Beispielen wie die
Umwelt in jedem dieser Bereiche einen günstigen Einfluß auf die gesunde Entwicklung des Kindes nehmen kann (z.B. Autonomie: Ermunterung zum Ausdruck
eigener Bedürfnisse ohne ungerechtfertigte Einschränkungen oder Bestrafungen)
oder wie durch ungünstige Verhaltensweisen eine Vulnerabilität des Kindes für die
Entwicklung früher nicht-adaptiver Schemata begünstigt wird.
Die Funktionsweisen der Schemata und die damit verbundenen kognitiven, affektiven und behavioralen Prozesse werden von Young unter den Gesichtspunkten der
39
"schema-maintenance", "schema avoidance" und "schema compensation" zusammengefasst.
"Schema-maintenance": Die Schemata werden aufrechterhalten und verewigen
sich selbst durch die kognitive Verzerrung von Information und durch schemagesteuerte selbstschädigende Verhaltensweisen. Auf der kognitiven Ebene werden die
Schemata aufrechterhalten und verewigen sich selbst durch die kognitive Verzerrung von Information (Überbewertung von schema-bestätigender Information und
Verleugnung von schema-widersprechender Information, kognitive Fehler wie Übergeneralisation, dichotomes Denken etc.). Auf der Verhaltensebene werden die
Schemata aufrechterhalten durch schemagesteuerte selbstschädigende Verhaltensweisen. Diese können in der Kindheit im familiären Setting angepasst und funktional sein, im späteren Leben sich aber als selbstschädigend erweisen und die
Schemata des Betroffenen verstärken (Beispiele: wenn sich jemand mit einem
Schema der Unterordnung und fehlenden Individuation immer wieder dominante
Partner sucht und damit das eigene Selbstbild verstärkt oder wenn sich jemand mit
einem Schema der sozialen Unerwünschtheit/"niemand hier mag mich" zurückzieht).
"Schema avoidance": Da die Aktivierung der Schemata mit starken negativen
Gefühlen verbunden ist (Ärger, Angst, Schuld) versuchen die Betroffenen die Aktivierung eines Schemas zu vermeiden oder zumindest die Wahrnehmung der Gefühle.
Es werden drei Typen der "Schema-Vermeidung" beschrieben:
• Kognitive Vermeidung: Ein automatischer oder willentlicher Versuch, Gedanken
oder Vorstellungen zu blockieren, die ein Schema auslösen, z.B. folgende Antworten auf die Frage nach auslösenden Ereignissen: "Ich möchte nicht daran
denken", "Ich habe es vergessen", wobei insbesondere schmerzhafte Ereignisse
vergessen werden (z.B. sexueller Missbrauch).
• Affektive Vermeidung: Automatische und willentliche Versuche, Gefühle zu blokkieren, die durch ein Schema ausgelöst werden, z.B. Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörungen, die sich selbst verletzen, um sich taub zu machen gegenüber den unerträglichen Schmerzen, die durch frühe Schemata ausgelöst
werden. Andere nehmen kaum negative Gefühle wahr, auch nicht in Situationen,
in denen die meisten Menschen extremen Ärger oder Angst erleben. Wieder andere können ihre Gedanken berichten ohne Zugang zu ihren Gefühlen zu haben.
• Verhaltensmäßige Vermeidung: Vermeidung von Situationen und Ereignissen, die
ein schmerzhaftes Schema auslösen, z.B. jemand mit einem InkompetenzSchema vermeidet eine neue schwierige Aufgabe zu übernehmen und vermeidet
damit die starken Ängste, die durch das Schema aktiviert werden.
Alle drei Typen der Schema-Vermeidung ermöglichen dem Betroffenen zwar unangenehme und schmerzhafte Wahrnehmungen und Gefühle zu vermeiden, die mit
den frühen nicht-adaptiven Schemata verbunden sind, sie verhindern aber Lebenserfahrungen, die die Gültigkeit dieser Schemata in Frage stellen.
"Schema compensation": Prozesse der "schema compensation" werden als langfristig meist untaugliche Selbsthilfeversuche des Betroffenen betrachtet, da sie sich
oft als überschießend erweisen und zu nachteiligen Folgen führen können.
Das individuelle Fallkonzept wird von Young in acht Schritten entwickelt, mit dem
Hauptziel, die relevanten Schemata zu identifizieren. Während Beck und Mitarbeiter
40
die therapeutische Arbeit an den grundlegenden Überzeugungen und Schemata
eher in einer fortgeschrittenen Therapiephase vorschlagen, arbeitet Young von Therapiebeginn an zielgerichtet und konfrontativer auf die Entdeckung und Modifikation
der Kern-Schemata des Patienten hin. Die Beschwerden und Probleme des Patienten werden erfasst, es werden Fragebögen vorgelegt zur Lebensgeschichte (Lazarus, 1980) und zur Erfassung der frühen nicht-adaptiven Schemata (Young, 1990;
deutsch: Schmitz & Barkfeld, 1995a) und der Patient wird anhand eines Patientenmanuals ausführlich über den schematheoretischen Ansatz informiert (Young, 1990;
deutsch: Schmitz & Barkfeld, 1995b). Einen besonderen Stellenwert zur Identifikation und Überprüfung der Kernschemata nehmen auch bei Young erlebnisorientierte
Techniken ein (Vorstellungsübungen, Besprechung gegenwärtiger und vergangener
Ereignisse mit starker emotionaler Beteiligung, Klärung der therapeutischen Beziehung, Traumarbeit etc.) sowie konfrontative Techniken zur Überprüfung von individuellen Strategien der Schema-Vermeidung und Schema-Kompensation.
Der therapeutische Ansatz von Young ist vergleichbar dem Ansatz von Beck et al.
methodenintegrativ und umfasst erlebnisorientierte, interpersonelle, kognitive und
verhaltensorientierte Vorgehensweisen. Im Vergleich zur standardmäßigen kognitiven Therapie ist der Ansatz von Young wie auch der von Beck und Mitarbeitern
(1990) stärker orientiert an der therapeutischen Beziehung als Wirkfaktor für Veränderungen und der affektiven Beteiligung des Patienten. Während der schemafokussierten Sitzungen wird u.a. durch die Bearbeitung früher Beziehungserfahrungen und
die Anwendung erlebnisorientierter Techniken dieser eine größere Bedeutung beigemessen sowohl für die Aktivierung und Überprüfung der Kernschemata wie auch
für deren Modifikation.
Erlebnisorientierte Techniken, u.a. aus der Gestalttherapie entlehnt, sollen die
Schemata verfügbarer und flexibler machen gegenüber Veränderungen. Interpersonelle Strategien (z.B. Klärung und Überprüfung der interpersoneller Schemata, Ermöglichung neuer Beziehungserfahrungen durch "Reparenting": Gestaltung der Beziehung, um bislang unbefriedigte Bedürfnisse zu stillen) sind gefordert, wenn die
Schemata in der therapeutischen Beziehung oder Gruppentherapie aktiviert werden.
Kognitive Techniken ( z.B. Aufarbeitung von Ereignissen und Informationen, die für
bzw. gegen die Schemata sprechen, Klärung nicht-adaptiver Einstellungen und Haltungen in der Familie, Sammlung schema-widersprechender Informationen über den
Patienten) sind notwendig zur systematischen Modifikation der Schemata. Mit Hilfe
behavioraler Techniken werden die selbstschädigenden Verhaltensmuster modifiziert und notwendige Veränderungen in der Lebenssituation eingeleitet.
2.3.4
Der drei-stufige empirische Behandlungsansatz von Turkat
Turkat (1990) schlägt angesichts des geringen Kenntnisstandes zur Wirksamkeit von
Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen einen quasi-experimentellen und
hypothesenüberprüfenden 3-stufigen Behandlungsansatz im Sinne eines Einzelfalldesigns vor. Der Behandlungsansatz orientiert sich an folgenden drei Stufen:
• "Initial interview": In der ersten Stufe wird anhand einer differenzierten Verhaltens- und Bedingungsanalyse, ergänzt durch eine psychiatrische Diagnostik nach
DSM-III-R und durch umfassende ätiopathogenetische Informationen ein individuelles Fallkonzept erstellt. Das individuelle Fallkonzept enthält Annahmen a) über
den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Problemen des Patienten und
41
b) über deren Ätiopathogenese im Sinne begünstigender, auslösender und aufrechterhaltender Faktoren sowie c) Voraussagen über das zukünftige Verhalten
des Patienten.
• "Clinical experimentation": Daraufhin erfolgt in der zweiten Stufe die Überprüfung der Konzeptvalidität im Rahmen eines quasi-experimentellen Vorgehens,
d.h. mit verschiedensten Methoden wie Verhaltensexperimenten oder Testverfahren werden die spezifischen Voraussagen über das Verhalten des Patienten
überprüft. Turkat gibt dazu zahlreiche Beispiele und Anregungen wie z.B. Verhaltensexperimente zur Überprüfung geringer Empathie bei der narzisstischen
Persönlichkeitsstörung.
• "Modification methodology": Sprechen die Ergebnisse für die Validität des
Fallkonzepts und sind sich Therapeut und Patient über die Sichtweise der Probleme einig, erfolgt in der letzten Stufe die Aufstellung eines Interventionsplans
und die systematische Evaluation der Maßnahmen. Im Unterschied zu standardisierten verhaltenstherapeutischen Vorgehensweisen wird ein individueller Interventionsplan erarbeitet, der sich direkt vom individuellen Fallkonzept ableitet.
Der Interventionsplan sollte nicht nur die spezifischen verhaltenstherapeutischen
Vorgehensweisen beschreiben sondern auch die therapeutische Strategie in der
Gestaltung der Abfolge der Maßnahmen und die Art der Beziehungsgestaltung zum
Patienten.
Selbst wenn zwei Patienten die gleiche Diagnose haben, z.B. eine paranoide Persönlichkeitsstörung und als Problembereiche eine Überempfindlichkeit gegenüber
Kritik sowie geringe soziale Fertigkeiten herausgearbeitet werden, kann sich aus
dem individuellen Fallverständnis eine unterschiedliche Reihenfolge im Vorgehen
ergeben. Bei dem einen Patienten mag es angebracht sein, im ersten Schritt die
Angst vor Kritik zu verringern und dann ein soziales Fertigkeitentraining durchzuführen, da er zu ängstlich ist, um von den kritischen Rückmeldungen zu lernen, die im
Fertigkeitentraining verwandt werden. Bei dem anderen Patienten wird unter Umständen zuerst ein Fertigkeitentraining durchgeführt, weil das soziale Verhalten als
primär angesehen wird und die Angst vor Kritik als sekundär, da der Patient immer
wieder Sozialverhalten zeigt, das die Kritik anderer auslöst.
Turkat illustriert seinen 3-stufigen Behandlungsansatz für jede Persönlichkeitsstörung nach DSM-III-R anhand von klinischen Beobachtungen, methodischen Anregungen und Interventionsempfehlungen. Im Unterschied zu den anderen kognitiven
und verhaltenstherapeutischen Ansätzen, über die berichtet wird, beschränkt sich
Turkat mit seinen Interventionsempfehlungen im Rahmen eines mehrdimensionalen
Therapieansatzes auf klassische verhaltenstherapeutische Methoden wie z.B. Training sozialer Fertigkeiten (bei den meisten Persönlichkeitsstörungen angezeigt),
Angstbewältigung, Problemlösen oder kognitive Umstrukturierung (vgl. auch Liebowitz et al., 1986).
So hebt Turkat z.B. für die Behandlung der paranoiden Persönlichkeitsstörung folgende Problembereiche und Methoden hervor: Verringerung der Überempfindlichkeit gegenüber Kritik durch Methoden der Angstbewältigung und Förderung sozialer
Fertigkeiten im Hinblick auf soziale Wahrnehmung, korrekte Informationsverarbeitung, soziale Attraktivität, Umgang mit Feed-back. Inwieweit die von Turkat entwikkelten Konzepte und Interventionen auch auf andere Patienten mit derselben Diagnose übertragbar sind, müssen größere und kontrollierte Studien zeigen.
42
2.3.5
Der Ansatz der dialektischen Verhaltenstherapie bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen von Linehan
Linehan hat seit Mitte der 80er Jahre in verschiedenen Artikeln (z.B. 1987, 1989,
1996c) und Buchpublikationen (1993a, 1993b) ihr Konzept der "dialektischen Verhaltenstherapie" bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen dargestellt.
Biosoziale Theorie. Linehan vertritt mit ihrem Ansatz der dialektischen Verhaltenstherapie ein affektives Vulnerabilitätskonzept und vermutet eine konstitutionell angelegte Dysfunktion der Affektregulation ("Vulnerabilität) bei Individuen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, die mitverantwortlich sein soll für die heftigen Überreaktionen und das impulsive Handeln der Betroffenen. Emotionale Vulnerabilität
bezieht sich auf ein durchgängiges Muster hoher Sensitivität gegenüber emotionalen
Reizen, heftigen emotionalen Reaktionen schon auf schwache Reize und eine nur
langsame Rückkehr zum Ausgangsniveau und führt zu Gefühlen von Panik, Verzweiflung und dem Überwältigtwerden von Emotionen bis hin zu suizidalem Verhalten. Linehan vergleicht die heftigen emotionalen Überreaktionen von BorderlinePatienten mit der Empfindlichkeit von Patienten mit ausgedehnten Verbrennungen,
die die leichteste Berührung oder Bewegung als schmerzhaft empfinden. BorderlinePatienten haben sozusagen keine "emotionale Haut" und erleben vor allem
schmerzhafte Emotionen mit besonderer Intensität und Unkontrollierbarkeit.
Dieser initialen affektiven Vulnerabilität stehen ungünstige Lernerfahrungen gegenüber, die dazu führen, dass die Betroffenen keine Fertigkeiten zur Emotionsregulierung lernen ("Invalidierungs- bzw. Entwertungssyndrom"). Unter dem Invalidierungssyndrom versteht Linehan die Neigung wichtiger Bezugspersonen, insbesondere negative emotionale Erfahrungen zu missachten, Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung herunterzuspielen und viel Wert auf positives Denken zu legen.
Persönliche Erfahrungen und insbesondere emotionale schmerzhafte Erfahrungen
werden als nicht angemessene Reaktionen auf Ereignisse gesehen, sie werden bestraft, bagatellisiert, nicht beachtet oder sie werden der Überempfindlichkeit des Betroffenen, seinem Mangel an Motivation, Disziplin oder Anstrengung zugeschrieben.
Beispiele für eine Invalidierung sind z.B. sich lächerlich-machen über die Gefühle
des Kindes bis hin zu physischem oder sexuellem Missbrauch als prototypischem
invalidierenden Umfeld. Vulnerable Individuen lernen in einer invalidierenden Umgebung keine Fähigkeiten der Emotionsregulierung, sie entwickeln kein Gespür dafür,
wann sie ihren eigenen Gefühlen trauen können als einer gültigen Interpretation
des Geschehens, und sie übernehmen zunehmend die Reaktionen der Umgebung
auf die eigenen Gefühle und reagieren mit Scham, Selbstkritik und Selbstbestrafung.
Drogen - oder Medikamentenmissbrauch und suizidale oder andere impulsive oder
selbstschädigende Verhaltensweisen haben affektregulierende Funktion und werden
als Flucht aus dem als überwältigend und unkontrollierbar erlebten Affekt verständlich oder als Warnung an die Umwelt, vorsichtig zu sein und lösen Helferverhalten
aus, das sonst nicht zugänglich ist.
Dialektik. Linehan verwendet den Begriff "Dialektik" in zweifacher Bedeutung: als
Ausdruck einer dialektischen Weltsicht, nach der Ganzheit, Wechselbeziehungen
und Veränderungen prinzipielle Charakteristika der Wirklichkeit sind und zur Charakterisierung ihres Behandlungsansatzes und der Strategien, die vom Therapeuten
zur Beeinflussung von Veränderungen eingesetzt werden.
43
Linehan begreift die in der psychoanalytischen Konzeption als Spaltung beschriebene Neigung der Borderline-Patienten zu dichotomem Denken als Bestreben, an Gegensätzlichkeiten, d.h. entweder an These oder Antithese festzuhalten und als Unfähigkeit , sich auf eine Synthese hinzubewegen. Ein Beispiel für die Unfähigkeit von
Borderline-Patienten zur dialektischen Integration wäre etwa ihr Nichtbegreifen des
Paradoxons, dass man gleichzeitig einzigartig oder verschieden und Teil eines Ganzen sein kann. Vielfach versuchen die Patienten ein Gefühl der Einheit und Integration durch die Unterdrückung bzw. Nichtentwicklung der eigenen Identität zu erreichen und sich im Sinne der "as if personality" (falsches Selbst) an die Erwartungen
ihrer Bezugspersonen anzupassen. Das Festhalten an Gegensätzlichem und die
Unfähigkeit, sich auf eine Synthese hinzubewegen, spiegelt sich nach Linehan in
drei bipolaren Verhaltensdimensionen bzw. dialektischen Dilemmata des BorderlinePatienten. So schwankt das Verhalten von Borderline-Patienten zwischen "emotionaler Vulnerabilität" und "Selbst-Invalidierung", zwischen "aktiver Passivität" und
"scheinbarer Kompetenz" sowie zwischen "permanenter Krise " und "gehemmter
Trauer".
Emotionale Vulnerabilität versus Selbst-Invalidierung. Je nachdem, ob die Betroffenen ihre eigene Vulnerabilität validieren oder invalidieren, schwankt ihr Verhalten zwischen emotionaler Vulnerabilität und Selbst-Invalidierung und führt zu zwei
gegensätzlichen Erfahrungen ihrer Situation. Wird die eigene Vulnerabilität validiert,
so ist die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit oft begleitet von einem starken Zorn
auf andere, die kein Verständnis haben und einem Bemühen, zu beweisen, dass
man ihre Erwartungen nicht erfüllen kann (auch mit suizidalen und anderen extremen Verhaltensweisen). Mit der Selbst-Invalidierung übernimmt das Individuum die
Charakteristika des "invalidierenden Umfeldes", in dieser Stimmung tritt häufig
übermäßige Selbstkritik und Selbstbestrafung auf oder es werden oft unrealistische
Zielsetzungen verfolgt, die unweigerlich scheitern müssen.
Aktive Passivität versus scheinbare Kompetenz. Aktive Passivität bezieht sich
auf die bei Borderline-Patienten vorhandene Neigung, sich als unfähig zu erleben,
eigene Probleme zu lösen und von anderen eine Lösung zu erwarten oder zu fordern. Da die Patienten die Erfahrung machen, trotz erheblicher Anstrengungen zu
versagen, entwickeln sie ein typisches Muster der erlernten Hilflosigkeit mit intensiven emotionalen Reaktionen auf den drohenden oder erlittenen Verlust wichtiger
Bezugspersonen, verbunden mit übermäßigen Erwartungen und starker Abhängigkeit von anderen. Scheinbare Kompetenz kennzeichnet den Gegenpol dazu und bedeutet, dass Borderline-Patienten leicht einen täuschend kompetenten Eindruck
vermitteln. Die Täuschung beruht u.a. darauf, dass die tatsächlich vorhandenen
Kompetenzen der Betroffenen nicht über alle relevanten Situationen und nicht über
die verschiedenen Stimmungslagen hinweg generalisiert werden können, sondern
im Gegenteil extremen Schwankungen unterworfen sind. Scheinbare Kompetenz
kann das invalidierende Umfeld verewigen, indem sie andere, einschließlich den
Therapeuten, davon überzeugt, dass der Betroffene über mehr Kompetenz verfügt,
als er tatsächlich hat.
Permanente Krise versus gehemmte Trauer. Permanente Krise kennzeichnet die
anscheinend niemals endenden persönlichen Krisen der Patienten und ihre Unfähigkeit, auf ein Grundniveau "neutralen" emotionalen Funktionierens zurückzukehren.
Die Krisen, die häufig mit traumatischen Ereignissen zusammenhängen, werden in44
tensiviert durch die individuelle Vulnerabilität und mangelnde zwischenmenschliche
Fertigkeiten der Betroffenen und durch fehlende soziale Unterstützung. Gehemmte
Trauer bezeichnet die Neigung, die Erfahrung und Erinnerung starker negativer
Emotionen zu hemmen, was verhindert, das die wiederholten Traumen und Verluste
(Inzest, physischer und sexueller Missbrauch, Tod eines Elternteils oder Geschwisters, Vernachlässigung etc.) tatsächlich durchlebt und integriert werden. Das Individuum wird von ständigen Verlusten überfordert ("bereavement overload") und vermeidet alle negativen Gefühle einer notwendigen Trauerarbeit ("wenn ich zu weinen
anfange, werde ich nicht wieder aufhören können zu weinen").
Das Behandlungskonzept
Die dialektische Verhaltenstherapie (DBT) verbindet einen verhaltenstherapeutischen Ansatz, der klassische Methoden wie Problemlöse- und Fertigkeitentraining,
Exposition oder Kontingenzmanagement umfasst, mit Prinzipien der Zen-Philosopie
und der Betonung dialektischer Prozesse und Strategien. Die Behandlung wird
durchgeführt in einer gleichzeitigen Anwendung von Einzel- und Gruppentherapie.
Die standardisierte Gruppentherapie dient ausschließlich der Vermittlung spezieller
Fertigkeiten (emotional-kognitve Balance, Emotionsregulierung, Stresstoleranz, soziale Kompetenz). In der Einzeltherapie werden die individuellen Probleme bearbeitet, die sich aus der Symptomatik der Borderline-Persönlichkeitsstörung ergeben,
und es werden individuelle Fertigkeiten gefördert. Die einzelnen Problem- und Zielbereiche sind hierarchisch geordnet nach ihrer Priorität für den Behandlungsverlauf:
• Verringerung von suizidalen und parasuizidalen Verhaltensweisen,
• Verringerung therapiegefährdender Verhaltensweisen wie z.B. Terminversäumnisse, Verweigerung von Hausaufgaben oder der Mitarbeit im Verhaltenstraining,
feindseliges oder aggressives Verhalten,
• Verringerung von Verhalten, das die Lebensqualität schwer beeinträchtigt wie z.B.
Drogen- und Alkoholmissbrauch, Essstörungen, finanzielle Probleme, antisoziales
Verhalten oder Promiskuität,
• Förderung von innerer Achtsamkeit, Umgang mit Gefühlen, Stresstoleranz sowie
zwischenmenschlichen Fertigkeiten als adäquate Bewältigungsstrategien und als
Voraussetzung für die nächsten Therapieschritte,
• Verringerung posttraumatischer Belastungsreaktionen, deren Bearbeitung in vier
Schritten erfolgt: Akzeptanz des Traumas, Verminderung von Stigmatisierung und
Selbstbeschuldigung, Bearbeitung der Verleugnung und Umgang mit der Missbrauchsdichotomie,
• Förderung der Selbstachtung und anderer Ziele des Patienten.
Linehan unterscheidet zwischen sogenannten Basisstrategien (den dialektischen
und Validierungsstrategien), die in jeder Phase der Therapie zur Anwendung kommen und den spezifischen Strategien (Kontingenzmanagement, Fertigkeitentraining,
Emotions-Exposition und kognitive Umstrukturierung), die den jeweiligen Problembereichen zugeordnet sind.
Der Behandlungsansatz von Linehan fördert mit Nachdruck das Ertragen von Widersprüchen und Veränderung sowie die Vermittlung dialektischer Denkmuster (von
einer "entweder-oder" zu einer "sowohl-als-auch-Position") anstelle der für Borderline-Patienten typischen dichotomen Denkweisen. Für den Therapeuten fordert die
dialektische Denkweise, dass seine Haltung gegenüber dem Patienten geprägt sein
müsse von dem Gleichgewicht oder der Synthese zwischen "Akzeptanz und Verän45
derung", "Standfestigkeit und mitfühlender Flexibilität" und "wohlwollendem Fordern
und Versorgen".
Als besondere Aufgabe sieht Linehan das Ausbalancieren der Veränderungstechniken der Verhaltenstherapie mit der Haltung einer radikalen oder bedingungslosen
Akzeptanz der Patienten. In Anlehnung an Zen-Prinzipien ("Du bist vollkommen, so
wie du bist") und klientenzentrierte Behandlungsansätze fordert Linehan die Bereitschaft des Therapeuten zu bedingungsloser Akzeptanz, das Verhalten des Patienten
sinnhaft zu verstehen und sich auf den Patienten und die Therapie einzulassen ohne
Wertung, Vorwurf oder Manipulation. Als Hauptvermittler der Akzeptanz benennt sie
verschiedene Validierungsstrategien wie aktives Beobachten (aufmerksames und
unvoreingenommenes Zuhören und Wahrnehmen), Reflexion (genaues Spiegeln,
Identifizieren oder Beschreiben der Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen des
Patienten), Gedanken lesen (Gedanken und Gefühle formulieren, die der Patient
nicht verbalisiert) oder Validierung in Bezug auf die Vergangenheit und auf die Gegenwart (Identifizierung wesentlicher Lernerfahrungen oder aktueller Ereignisse, die
die Reaktionsmuster des Patienten unvermeidlich werden ließen oder unterstützen
und verstärken).
2.3.6
Zusammenfassung
Die vorliegenden kognitiven und verhaltenstherapeutischen Erklärungs- und Behandlungsmodelle für Persönlichkeitsstörungen beschäftigen sich mit einzelnen
ausgewählten Persönlichkeitsstörungen oder es werden umfassendere Ansätze zur
Behandlung von Persönlichkeitsstörungen vorgelegt, wobei einzelne Autoren sich
auch mehr oder weniger ausführlich diagnostisch, theoretisch und klinisch mit den
hauptsächlichen Persönlichkeitsstörungen auseinandersetzen. Angesichts der Komplexität der Probleme und der schwierigen Therapieverläufe bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen verbinden viele Konzepte (z.B. Linehan, 1993a; Liotti, 1992;
Lockwood, 1992; Safran & McMain, 1992; Safran & Segal, 1990; Young, 1990;
Young & Lindeman, 1992) andere Theorie- und Therapiemodelle wie Gestalttherapie, Gesprächspsychotherapie, interpersonelle Therapie, Bindungstheorie, psychoanalytische Therapie oder Prinzipien der Zen-Philosophie mit dem kognitiven oder
verhaltenstherapeutischen Ansatz und verstehen sich mehr oder weniger als integrative Therapiemodelle.
Vergleicht man die kognitiv und verhaltenstherapeutisch orientierten Beiträge miteinander, so gibt es grundsätzliche Gemeinsamkeiten in der Auffassung von Persönlichkeitsstörungen und ihrer Entwicklung und Behandlung (Schmitz, 1996):
1.
2.
Persönlichkeitsstörungen sind komplexe, mehrdimensionale Beziehungsstörungen mit persistierenden, unflexiblen und sozial wenig angepassten Verhaltensauffälligkeiten. Das Verhalten der Betroffenen wird als ein, aus der individuellen Lerngeschichte nachvollziehbarer und sinnhafter, im weiteren Lebenslauf aber untauglicher Coping- oder Selbsthilfeversuch aufgefasst zum
Schutz der eigenen zwischenmenschlichen Verletzbarkeit.
Die Erklärungsmodelle orientieren sich mit unterschiedlicher Akzentuierung
und Differenziertheit in ihren ätiopathogenetischen Vorstellungen an einem
bio-psycho-sozialen Störungsmodell und verstehen Persönlichkeitsstörungen
als Ergebnis biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren und ihrer
Wechselwirkungen.
46
3.
4.
5.
6.
2.4
Die Erklärungsmodelle heben die chronisch ungünstigen und häufig traumatischen Entwicklungsbedingungen bei Individuen mit Persönlichkeitsstörungen
hervor und betonen die Rolle früher Beziehungserfahrungen für die Entwicklung der Kernschemata und Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen
sowie die Bedeutung von kognitiv-interpersonellen Kreisläufen für deren Aufrechterhaltung.
Die Behandlungskonzepte verfolgen einen hypothesengeleiteten, empirischen
Therapieansatz, der auf einer individuellen Problem- und Ätiologieanalyse basiert und der mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung klassische kognitive
und verhaltenstherapeutische Interventionen, aber auch interpersonelle und
erlebnisorientierte Interventionen umfasst sowie die Einbeziehung der sozialen Umwelt in die Therapie.
Probleme und Strategien der Beziehungsgestaltung und Zusammenarbeit
werden in den meisten Beiträgen besonders berücksichtigt mit der Intention,
eine vertrauensvolle und tragfähige Therapiebeziehung aufzubauen, die Beziehungsgestaltung an den interaktionellen Möglichkeiten des Patienten zu
orientieren und sie explizit als Focus und Wirkfaktor für Veränderungsprozesse zu nutzen.
Insbesondere die kognitiven Ansätze betonen die Bedeutung erlebnisorientierter Vorgehensweisen zur Identifikation und Überprüfung der Schemata.
Ebenso wird die Bedeutung der biographischen Rekonstruktion zentraler
Kindheitsepisoden hervorgehoben. Sie ist mit emotionaler Beteiligung ein
wichtiger Zugang zu den Überzeugungen des Patienten und seinen Gefühlen.
Sie ermöglicht als sinnstiftende und entlastende Erfahrung, die eigenen Überzeugungen und Verhaltensweisen als Ergebnis einer notwendigen Anpassung- und Überlebensstrategie in spezifischen Sozialisationskontexten verstehen zu lernen.
Psychoedukation und Persönlichkeitsstörungen
Psychoedukation oder Patientenschulung gewinnt in der Psychotherapie, Psychosomatik oder Rehabilitation eine immer größere Bedeutung (z.B. Fiedler, 1996b;
Petermann, 1997; Schmitz, Bischoff, Ehrhardt & Leidig, 2000). Die Zielsetzungen
psychoedukativer Maßnahmen sind in der Regel, das Expertentum des Patienten
gezielt um Kenntnisse über seine körperliche Erkrankung oder psychische Störung
anzureichern und ihm Fertigkeiten der Einflussnahme auf die Förderung und Aufrechterhaltung der eigenen Gesundheit zu vermitteln (Petermann, 1997). Die vorliegenden Forschungsergebnisse über die Folgen angemessener oder fehlender Information bei Patienten mit unterschiedlichen psychischen Störungen oder körperlichen Erkrankungen belegen, dass mit einer angemessenen Aufklärung des Patienten die Zufriedenheit mit der Therapie und das Vertrauen in die Behandlung wächst.
"Akzeptierbare" Information begünstigt die aktive und eigenverantwortliche Mitarbeit
des Patienten und wirkt für sich bereits hochgradig therapeutisch (Fiedler, 1996b).
In der kognitiven Verhaltenstherapie gehört die Aufklärung und Informierung des Patienten über seine spezifischen Probleme und Störungen, deren Diagnose, Ätiologie,
Behandlung und Prognose zu einem integralen Bestandteil des therapeutischen
Vorgehens. Patienten sollten in einer angemessenen Sprache erfahren, was ihre
Therapeuten aus Sicht der Forschung und klinischen Erfahrung über ihre Beschwerden und Probleme sowie deren Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten wissen.
47
Psychoedukative Maßnahmen und Informationsmaterialien finden sich seit Mitte der
80er Jahre in fast allen Therapiemanualen zu psychischen oder psychosomatischen
Störungen (vgl. Fiedler, 1996b) wie auch zu den Persönlichkeitsstörungen (z.B. Linehan, 1993a, 1993b; Young, 1990).
Angesichts der komplexen Probleme bei Persönlichkeitsstörungen sowie der "IchSyntonie" dieser Störungen und der damit zusammenhängenden Einstellungen und
Verhaltensweisen ist Psychoedukation für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
besonders indiziert. So gelten Patienten mit Persönlichkeitsstörungen unter anderem
deshalb als schwer zu behandeln, weil sie das eigene Verhalten als "zu sich gehörig" (ichsynton) erleben und nicht als "ichfremde" (ichdystone) Symptomatik, die sie
gerne wieder los wären. Die Patienten sehen die Schwierigkeiten im Umgang mit
anderen Menschen und Problemen oft unabhängig vom eigenen Verhalten (sie sehen sich als Opfer anderer oder des Systems), haben wenig Einsicht in die Unangemessenheit ihrer Überzeugungen und Verhaltensweisen und suchen eine Therapie oft erst wegen der Folgeprobleme (z.B. Depressionen) oder auf Drängen der
Umwelt auf. Empirische Untersuchungen zum Stellenwert psychoedukativer Maßnahmen im Bereich der Persönlichkeitsstörungen liegen bislang allerdings nicht vor,
obwohl deren Bedeutsamkeit von verschiedenen Autoren gesehen wird (z.B. Linehan, 1993a; Young, 1990). So prognostiziert auch Fiedler (2000), dass sich Psychoedukation oder Patientenschulung zukünftig zu einem der wichtigsten Aspekte einer
integrativen Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen entwickeln wird.
2.4.1
Die stigmatisierende Sprache und Defizitorientierung des Persönlichkeitsstörungskonzepts
Die klinische Erfahrung zeigt, dass psychoedukative Maßnahmen bei Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen nicht nur durch die besonderen Probleme der Patienten
erschwert werden, sondern auch durch das Persönlichkeitsstörungskonzept selbst
und seine Sprache.
Als besonders kritischen Gesichtspunkt wird das unbeirrte Festhalten am überholten
Begriff der Persönlichkeitsstörungen gesehen, der eine psychopathologisch eingeengte Sicht des Menschen und seines Erlebens und Verhaltens nahe legt und der
von den Betroffenen kaum weniger diskriminierend erlebt wird, als seine sprachlichen Vorgänger "abnorme Persönlichkeit" oder "Psychopathie" und ebenso mit persönlicher Minderwertigkeit, Unreife oder Charakterschwäche gleichgesetzt wird.
Tölle (1990) fragt in diesem Zusammenhang zu Recht: "Wer möchte schon seine
Persönlichkeit alleine unter den Aspekt einer Störung gestellt sehen?" (S. 9) und
Jaspers (1976) formuliert so beeindruckend, dass er mehrfach zitiert wird: "Menschlich aber bedeutet die Klassifikation und Festlegung des Wesens eines Menschen
eine Erledigung, die bei näherer Besinnung beleidigend ist und die Kommunikation
abbricht" (zit. nach Tölle 1990, S. 9). Die psychiatrischen Kategorien mögen der
Kommunikation unter Fachkollegen dienen "als Einladung zur neugierigen Selbsterfahrung, als Ausgangspunkt für persönliche Entwicklung und für vertieftes zwischenmenschliches Verstehen taugen sie nicht" (Schulz von Thun 1989b, S. 60).
Hinter der "Ich-Syntonie" der Persönlichkeitsstörungen verbirgt sich u.U. auch der
Widerstand von Patienten gegenüber einer therapeutischen Sprache und Sichtweise, die Persönlichkeit eines Menschen "allein unter dem Aspekt einer Störung" zu
betrachten, meistens verbunden mit einer einseitigen Schuldzuweisung für die auftretenden Probleme an die Betroffenen.
48
Die Sprache des Persönlichkeitsstörungskonzepts und die durch das Konzept nahegelegte einseitige Psychopathologisierung und Defizitorientierung wirken sich bei
vielen Patienten ungünstig auf die Motivation und Mitarbeit aus und stößt auch bei
vielen Therapeuten auf Ablehnung.
Die ablehnende Haltung von Therapeuten führt oft dazu, dass Persönlichkeitsstörungen diagnostisch nicht abgeklärt werden und Therapeuten erst dann das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung bei ihren Patienten vermuten, wenn es zu erheblichen Problemen in der therapeutischen Beziehung und Zusammenarbeit kommt. Zu
diesem Zeitpunkt ist auf Grund der starken negativen Gefühle aller Beteiligten und
der vorausgegangenen konflikthaften und kränkenden Beziehungserfahrungen das
Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut oft so beeinträchtigt, dass eine
weitere konstruktive Zusammenarbeit nicht mehr möglich scheint. Therapeuten fühlen sich in dieser Phase oft ausgenutzt, enttäuscht oder verärgert und möchten am
liebsten nichts mehr mit ihrem Patienten zu tun haben. Unter Umständen legt sich
der Ärger, wenn der Therapeut in der Supervision einen Schritt zurückgeht, das Verhalten des Patienten weniger persönlich nimmt, die interpersonelle Strategie des
Patienten im biographischen Kontext verstehen lernt und mit einem ausgewogenen
Verhältnis von Einfühlung und Abgrenzung darauf zu reagieren vermag. Ein Perspektivenwechsel, die Verarbeitung anderer Aspekte oder neuer Informationen aus
der Biographie des Patienten erlauben dann im günstigen Falle eine ganz neue Art
des Verstehens und Herangehens.
Angesichts der beschriebenen Probleme des Persönlichkeitsstörungskonzepts überrascht es nicht, dass Therapeuten sich scheuen, ihre Patienten über die Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung und ihre Bedeutung aufzuklären. Die mangelnde Informierung und Aufklärung der Patienten steht aber nicht nur im Widerspruch zu einem
Grundrecht des Patienten nach Aufklärung sondern schadet auch der Wirksamkeit
therapeutischer Maßnahmen.
2.4.2
Das dimensionale Modell der Persönlichkeitsstile als Grundlage eines psychoedukativen Behandlungsansatzes
Mit dem vorliegenden psychoedukativen Behandlungsansatz wird davon ausgegangen, dass sich die Therapieverläufe von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
grundsätzlich günstiger gestalten lassen, wenn Therapeuten im Rahmen einer umfassenden Eingangsdiagnostik auch die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung
überprüfen und ein "angemessenes" konzeptuelles und sprachliches Handwerkszeug zur Verfügung haben, um die Probleme offen und transparent mit ihren Patienten zu thematisieren und in die therapeutischen Überlegungen einzubeziehen. Im
Rahmen einer von Therapeut und Patient gemeinsam erarbeiteten funktionalen Bedingungsanalyse kann der Einfluss persönlichkeitsspezifischer Einstellungs- und
Verhaltensmuster auf symptomatische Störungen und andere Problembereiche (z.B.
Beziehungsgestaltung) dann frühzeitig in der Therapie zur Sprache kommen. Dies
sollte allen Beteiligten nicht nur ein angemesseneres Verständnis der Probleme des
Patienten und ihrer Zusammenhänge ermöglichen, sondern auch einen konstruktiveren Umgang mit den aufkommenden Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit und
Beziehungsgestaltung sowie die Entwicklung angemessener und realistischer Therapieziele und insgesamt einen günstigeren Verlauf der Behandlungsmaßnahme
bewirken.
49
Erfolgt diese Klärung mit einem "angemessenen" konzeptuellen und sprachlichen
Handwerkszeug und ist als gemeinsamer Verstehensprozess eingebettet in eine von
Empathie, Wertschätzung und Ressourcenorientierung geprägte dialektische
Grundhaltung, wird darin einen wesentlichen Beitrag zu einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zu Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gesehen. Durch diese
Haltung des Therapeuten bietet sich für den Patienten v.a. die Möglichkeit, seine
persönliche Eigenart in ihren Stärken und Schwächen zu verstehen und seine symptomatischen Beschwerden in einen sinnhaften Bezug zu der persönlichen Art der
Lebens- und Problembewältigung zu stellen.
Für die psychoedukative Konzeptentwicklung von folgenden Vorüberlegungen ausgegangen (vgl. Schmitz, 1999; Schmitz et al., 2000; Schmitz & Handke-Raubach,
1999):
• Psychoedukation ist aufgrund der oft ungünstigen Behandlungsverläufe sowie der
"Ich-Syntonie" der Persönlichkeitsstörungen und der damit zusammenhängenden
Einstellungen und Verhaltensweisen besonders indiziert und schwierig zugleich.
• Psychoedukative Maßnahmen für Patienten mit ich-syntonen Persönlichkeitsstörungen sind nur dann wirksam in der Förderung von günstigen Einsichtsprozessen, Behandlungsmotivation und Vertrauensbildung, wenn sie in besonderer Weise durch Ressourcenorientierung, Transparenz und Entscheidungsfreiheit gekennzeichnet sind.
• Als Alternative zum kategorialen Konzept der Persönlichkeitsstörungen und seiner
stigmatisierenden Sprache und einseitigen Defizitorientierung stellt das dimensionale Modell der Persönlichkeitsstile (vgl. Kuhl & Kazen, 1997; Oldham & Morris,
1992) ein "akzeptierbares" konzeptuelles und sprachliches Handwerkszeug für
psychoedukative Maßnahmen zur Verfügung. Oldham und Morris (1992) haben
mit lebendiger und wertschätzender Sprache eine Publikation für Laien vorgelegt,
die - basierend auf dem dimensionalen Modell - über Persönlichkeitsstile und
Persönlichkeitsstörungen informiert. Im einzelnen handelt es sich um 13 Persönlichkeitsstile, die in Anlehnung an die im DSM-III-R (APA, 1987) beschriebenen
Persönlichkeitsstörungen von Oldham und Morris beschrieben werden. Hinzugefügt werden sollte, dass dieses Buch (trotz der oft großzügigen Verallgemeinerungen) nicht nur ein gelungener Text für Laien ist, sondern auch für Therapeuten
vielfältige Anregungen gibt. Kenntnisse und Wissensbestände der psychiatrischen
und klinisch-psychologischen Forschung werden in eine Sprache übersetzt, mit
der sich Patienten verstanden und nicht stigmatisiert fühlen, die motiviert und anregt. Dem dimensionalen Modell liegt die Annahme zugrunde, dass es zu jeder
der klinisch relevanten Persönlichkeitsstörungen einen nicht-pathologischen Persönlichkeitsstil gibt. Ausgehend von den normalen, anpassungsfähigen Persönlichkeitsstilen mit großer Variationsbreite werden Persönlichkeitsstörungen als deren Extreme aufgefasst, als "Übertreibungen" der jeweiligen Persönlichkeitsstile
(des Guten zuviel). Daraus folgt, dass die "Quantität" des Persönlichkeitsstils in
einem Kontinuum Probleme im Leben schafft und nicht seine "Qualität". Die beschriebenen Persönlichkeitsstile sind in milderer Form universelle Umgangsformen, die in unterschiedlichen Anteilen in jedem Menschen als unverzichtbare
Qualitäten des zwischenmenschlichen Zusammenlebens vorhanden sind (Oldham & Morris, 1992). Das dimensionale Konzept der Persönlichkeitsstile ermöglicht gleichermaßen einen ressourcenorientierten als auch einen problemorientierten therapeutischen Zugang, indem jeder Persönlichkeitsstil in seinen Stärken
und in seinen Risiken/Schwächen dargestellt wird und der Patient die Erfahrung
50
macht, dass sein oftmals seltsam und befremdlich wirkendes Verhalten als subjektiv sinnhafte Anpassungs- und Überlebensstrategie in spezifischen Sozialisationskontexten verstanden wird. Die Ressourcenorientierung bildet sich auch in einer lebendigen und wertschätzenden Sprache ab, die eher Neugier und Mitarbeit
des Patienten sowie seine Bereitschaft zur Selbstoffenbarung und Reflexion eigener Einstellungen und Verhaltensweisen fördert als eine einseitige Defizitorientierung.
Das dimensionale Konzept der Persönlichkeitsstile stellt einen Kompromiss zwischen psychiatrischer Sichtweise und Erfahrung (typologische Einteilung der Stile)
und der dimensionalen Sichtweise der differentiellen Psychologie dar. Persönlichkeitsdimensionen werden in den psychologischen Modellen in der Regel auf der Basis empirisch auffindbarer Zusammenhangsmuster definiert (z.B. Catell, 1965; Eysenck, 1967; Fahrenberg, Hampel & Selg, 1989; McCrae & Costa, 1987). Die
Nachteile dieser korrelationsstatistischen Ansätze für die klinische Praxis sind u.a.,
dass die gewonnenen Zusammenhangsdimensionen sehr abstrakte Konstrukte darstellen, wenig Bezug zur klinischen und Alltags-Sprache haben und unter Umständen Verhaltensmerkmale zusammenfassen, die aus klinischer Sicht als unterscheidbare Phänomene behandelt werden (vgl. Kuhl & Kazen, 1997).
Tab. 6
Das Kontinuum vom Persönlichkeitsstil zur Persönlichkeitsstörung (nach Oldham & Morris, 1992)
Persönlichkeitsstil
Wachsam
Ungesellig
Exzentrisch
Abenteuerlich
Sprunghaft
Dramatisch
Selbstbewußt
Sensibel
Anhänglich
Gewissenhaft
Lässig
Aufopfernd
Aggressiv
Persönlichkeitsstörung
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
Paranoid
Schizoid
Schizotypisch
Antisozial
Borderline
Histrionisch
Narzisstisch
Selbstunsicher
Dependent
Zwanghaft
Passiv-Aggressiv
Selbstschädigend
Sadistisch
Nachdem zuerst von Oldham und Morris (1992) der Entwurf eines Fragebogens zur
Erfassung von Persönlichkeitsstilen in Anlehnung an die im DSM-III-R (APA, 1987)
beschriebenen Persönlichkeitsstörungen vorgelegt wurde, publizierten in jüngster
Zeit Kuhl und Kazen (1997) mit vergleichbarer Absicht erste Daten zu einem empirisch konstruierten Fragebogen (PSSI, Persönlichkeitsstil- und Störungs-Inventar),
der sich am DSM-IV (APA, 1994) orientiert. Mit dem PSSI liegt damit jetzt ein wissenschaftlich konstruiertes Selbstbeurteilungsinstrument vor, das die relative Ausprägung von 13 Persönlichkeitsstilen quantifiziert und das für jeden Probanden die
Erstellung und Auswertung eines Persönlichkeitsstil-Profils ermöglicht. Auch wenn
manche Menschen einen Stil in auffälliger "Reinkultur" verkörpern, sind es eher be-
51
stimmte Kombinationen oder Mischungen von Stilen, die für einen bestimmten Menschen in bestimmten Situationen typisch sind und die seine Einzigartigkeit belegen.
2.4.3
Psychoedukation und Motivierung
Das vorliegende Therapieprogramm umfasst in ungewöhnlich breiter Form psychoedukative Elemente: Die Hälfte der veranschlagten Zeit im Therapieprogramm wird
auf Information und Aufklärung verwandt, die als ‚Psychoedukation’ in der Regel als
therapievorbereitende Maßnahme angesehen wird. Dabei vermag die Vermittlung
therapierelevanter Informationen sehr viel mehr als ein warming-up bereitzustellen
oder einen wünschenswerten, aber doch entbehrlichen Instruierungseffekt: Wie verschiedene Studien nachweisen, können Therapieeffekte durch Information und Aufklärung des Patienten verbessert werden (Hoehn-Saric, Frank, Stanley, Nash, Stone
& Battle, 1964; Duchro, Beal & Georg, 1979). Lieb (1994) pointiert, dass Informationsvermittlung Therapie selbst im eigentlichen Sinne ist. Die Ergebnisse zur Bewältigung chronischer Erkrankungen aus verhaltensmedizinischer Sicht stützen diese
Auffassung: Dort erwies sich die Copingvariante „Informationssuche“ über die Erkrankung als eine der zentralen Ressourcen und Bewältigungsstrategien, die dem
schwerkranken Patienten zur Verfügung stehen (Broda & Muthny, 1990, Beutel,
1988). In diesem Sinn argumentieren Systemtheoretiker, dass die subjektiven Erklärungsmodelle der Erkrankung, vor allem bei psychischen oder psychosomatischen
Erkrankungen, bei der Krankheitsbewältigung eine wesentliche Rolle spielen. Solche
Anstrengungen, die darauf zielen, Veränderungen im Denken über die Erkrankung
zu bewirken, scheinen effektiver zu sein, als das Problem selbst durch direkt darauf
bezogene Maßnahmen zu beeinflussen. Hier ist eine Metaebene angesprochen, auf
der die subjektive Bedeutung bzw. das Verständnis einer Erkrankung angesiedelt ist
und die eigene Gesetzmäßigkeiten impliziert, sollen Veränderungen erreicht werden.
Das subjektive Krankheits- oder Problemverständnis wirkt in einer Art dynamischem
Interaktionsprozess auf das Problem selbst ein: Das Nachdenken über das Problem
verändert das Problem selbst, wodurch der Reflexionsprozess wieder neue Impulse
erhält, der den Umgang mit der Erkrankung wieder verändert. Damit ist ein Weg eröffnet, der direkt zu den subjektiven Vorstellungen des Patienten führt, zu seinen
Meinungen und Einstellungen über sein Problem, wobei man davon ausgeht, dass
diese Subjektivität in der Einstellung zu dem spezifischen Problembereich ungünstig,
problemverstärkend und problemaufrechterhaltend ist. Es kommt also darauf an, die
subjektiven Erklärungs- und Bedeutungsmodelle des Patienten hinsichtlich seiner
Problematik zu erschüttern und neue, funktionalere Verstehens- und Bedeutungsmuster einzufädeln. Damit sind die Motivation und die Möglichkeiten des Patienten
berührt, von eigenen Vorstellungen abzurücken und neue, mit seinem herkömmlichen Modell diskrepante Informationen zuzulassen. In den Blickpunkt rücken dadurch Fragen der Einstellungsänderung, der Veränderung von Attributionen (Heider,
1958; Weiner, 1986; Heckhausen, 1980), der Erweiterung des eigenen Verstehensspektrums, der Selbstkritik, der Flexibilität und Differenziertheit im Denken und Erleben, wenn es um das eigene Problem geht. Besteht schon für den nicht besonders
belasteten „Alltagsmenschen“ ein genuines Bedürfnis danach, eigenes und fremdes
Verhalten erklären zu können, so gilt dies im besonderen Maße für den Menschen,
der unter einer Persönlichkeitsstörung leidet: In diesem Fall wird das Bedürfnis nach
Reduktion der Informationsmenge angesichts einer unerklärlichen und häufig bedrohlich und aversiv erlebten sozialen Umwelt besonders drängend sein. Im folgen52
den werden zwei Ansätze diskutiert, die die Bedeutung von Aufklärung, Information
und Vermittlung kausaler Modelle für die Entwicklung von Veränderungsbereitschaft
und Motivierung belegen.
Health-belief-Modelle. Die Health-belief-Modelle (Becker & Rosenstock, 1984; Farina & Fisher, 1982; Di Matteo & Di Niccola, 1982) gehören zu den einschlägigen
Konstrukten, die Attribution, innere Einstellung und das Krankheitsverhalten sowie
Veränderungsimpulse, Motivation und Selbststeuerung berücksichtigen. Diese Modellvorstellungen umfassen die subjektiven Erklärungen eines Menschen für die
Entwicklung und die Aufrechterhaltung seiner Beschwerden und Einschränkungen
(Becker, 1974; Becker & Rosenstock, 1984). Die Bedeutung dieser subjektiven Modelle für die Veränderungsbereitschaft und den Therapieerfolg liegt in der Ursachenvermutung für problematisches Verhalten, in den subjektiven Bewältigungsstrategien, die bislang eingesetzt wurden und in den sogenannten Heilserwartungen, d.h.
wo sieht der Patient für sich Möglichkeiten, Hilfe zu bekommen. Es liegt auf der
Hand, dass Health-belief-Modelle direkt zusammenhängen mit der Kontrollattribution, mit der subjektiven Ursachenzuschreibung für Ereignisse, wobei klassischerweise interne bzw. externe Ursachen unterschieden werden, d.h. Erklärungen werden
entweder in der eigenen Person oder in der personenunabhängigen Umwelt gesucht. Diese gegensätzlichen Pole bedeuten im Health-belief-Modell, dass der Patient entweder glaubt, aus eigener Kraft selbstgesteckte Ziele erreichen zu können
(intern) oder dass er sich eher als Spielball der Ereignisse sieht, der wenig Einfluss
hat auf den Gang der Dinge (extern). Die Brisanz für die Krankheitsbewältigung zieht
das Konstrukt der Kontrollattribution daraus, dass eindeutig belegt ist, dass Personen, die aversive, unangenehme, negative Ereignisse für kontrollierbar halten, unangenehme Situationen als deutlich weniger belastend empfanden als Personen, die
sich den gleichen Situationen gegenüber hilflos ausgeliefert fühlten.
Entsprechend nahe liegen dann die Ansätze, die versuchen, die Kontrollüberzeugungen der Patienten dahingehend zu stärken, dass sie mehr internale Kontrollüberzeugungen und insgesamt mehr internale kausale Attributionsmuster entwickeln.
Das bedeutet, dass der Mensch den Fokus für die Ursachen seiner Probleme mehr
bei sich selbst sucht als in seiner Umwelt und entsprechend auch das Schwergewicht bei der angestrebten Veränderung seiner misslichen Situation bei sich selbst
setzt und dadurch für beeinflussbar und vor allem durch die eigene Kraft veränderbar hält (Strong, 1978). Das Health-belief-Modell fußt nun auf einer speziellen Betrachtung der Attributionsweise und unterscheidet nach Di Matteo und Di Niccola
(1982) folgende Merkmale: Die Person kennt ihre Anfälligkeit für eine bestimmte Beeinträchtigung, sie hat Effektivitätserwartungen an eine Behandlung, sie schätzt ihre
eigenen Fähigkeiten in bestimmter Weise ein, das Problem zu bewältigen und sie
hat Vorstellungen über den Aufwand für eine Behandlung, nicht nur zeitlich oder finanziell gesehen, sondern auch emotional. Wünschenswert ist nun eine Veränderung von einer reinen mechanistisch-biologistischen Sichtweise im subjektiven Erklärungsmodell des Patienten hin zu einer interaktionistischen Perspektive, die die Einflussnahme, vor allem durch die eigene Person, machbar erscheinen lässt.
Plausible Modelle. Neben den Health-belief-Modellen sind vor allem die ‚plausiblen
Modelle’ (Frank, 1985; 1987) ein Ansatz, der für günstige innere Haltungen beim
Patienten sorgen kann. Ausgangspunkt ist dabei, dass das Unvermögen des Patienten, eine befriedigende Erklärung für seine Probleme zu finden, besonders belastend ist. Dass er nicht verstehen kann, woher die Störung resultiert, warum gerade
53
er davon betroffen ist und welche Mechanismen in Gange sind, die die Beeinträchtigung aufrechterhalten. Gerade bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen ist
das Erleben des Patienten, dass seinem Therapeuten das Problem bekannt ist, eine
wichtige initiale Erkenntnis für die Beschäftigung mit den eigenen, in der Regel doch
vorhandenen, aber nicht hinterfragten impliziten, aber hochwirksamen „plausiblen
Erklärungsmodellen“ (Wilson & Evans, 1977). Dies setzt kundige, aber auch einfühlsame Exploration voraus und die Vermittlung diskrepanter Informationen und Überzeugungen, mit denen sich der Patient, wiewohl abweichend von den eigenen Erklärungen oder sogar gänzlich neu, auch schließlich identifizieren kann. Wilson und
Evans (1977) definieren als Anforderungen an das therapeutische Geschick: Ausführungen zur Entwicklung, Aufrechterhaltung und Beeinflussbarkeit der Probleme, die
Bereitstellung einer einsichtigen Erklärung für die vorgeschlagenen therapeutischen
Methoden, die Skizzierung der erforderlichen therapeutischen Schritte und die Einsicht in die dazu erforderliche Aktivität und Mitarbeit der Patienten. Reinecker
(1999a) weist darauf hin, dass zwischen einem Modell für die Entstehung (plausibles
Ätiologiemodell) und einem Modell für Veränderung (plausiblem Therapiemodell)
unterschieden werden sollte. Gleich, ob sich nun um Entstehung oder Veränderbarkeit von Problemen mit dem Patienten zusammen bemüht wird, sollte der Patient
aktiv mit einbezogen werden, an seinen Denk- und Einstellungsmustern angeknüpft
und diese dann weitergeführt werden in ein konsistentes, stimmiges Strukturmodell
der Erklärung für Entstehung und Veränderung problematischer Erlebens- und Verhaltensweisen.
Eng damit verbunden ist der Selbstmanagementansatz von Kanfer, Reinecker und
Schmelzer (1991), der besonders die Transparenz des therapeutischen Vorgehens
betont. Damit es zu einer Internalisierung des angebotenen Modells kommen kann,
scheint es unverzichtbar zu sein, dass der Patient auf einer emotional bedeutsamen
Erlebensebene die vom Therapeuten postulierten Zusammenhänge nachvollziehen
kann. Danach sind vor allem solche Motivierungsansätze vorzuziehen, die statt negativer oder „Leidensdruckmotivation“ versuchen, positive Zielsetzungen beim Patienten zu verankern, die eine Art „Zugkraft“-Motivation hervorrufen. Die Health-beliefSysteme des Patienten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie wirken gewissermaßen verdeckt, haben aber entscheidenden Einfluss auf die Vermutungen und
Überzeugungen des Patienten, woher seine Störung wohl rührt, auf seine wahrgenommenen Einflussmöglichkeiten auf die Störung und auf die prognostischen Aussichten, die der Patient sich selbst gibt. Je optimistischer und zukunftszugewandter
diese inneren Überzeugungen sind, umso mehr wird sich der Patient Einflussmöglichkeiten zuschreiben und aktive Problemlösungen unternehmen.
Kanfer, Reinecker & Schmelzer (1991) weisen besonders auf den Aspekt der „Demoralisierung“ (Dohrenwend, Dohrenwend, Schwartz-Gould, Link, Neugebauer &
Wunsch-Hitzig, 1980) hin, der das Ausmaß der Hoffnungslosigkeit und aufgehobenen Kontrollkompetenz des Patienten umfasst, was die Veränderbarkeit seiner Störungen angeht. Entscheidend ist daher das Vermögen des Therapeuten, beim Patienten Hoffnungen und Pläne für eine Veränderung zu initiieren. Ganz allgemein sollen solche Versuche von mechanistisch-biologistischen Vorstellungen, die häufig
fatalistische Züge tragen, wegorientieren hin zu interaktiv-dynamischen Modellvorstellungen, die die motivierenden Aspekte eines Störungsbilds miteinschließen, Veränderungen machbar erscheinen lassen und bewältigbare Schritte auf dem Weg hin
zur Veränderung aufzeigen. Kanfer et al. (1991) betonen die Bedeutung der therapeutischen Aufgabe, beim Patienten solche Anreize und erstrebenswerten Perspektiven anzustoßen.
54
Vermittlung von Verstehensmodellen. Das vorliegende Therapieprogramm stützt
sich auf die Vermittlung plausibler Modelle hinsichtlich der Entstehung und Veränderbarkeit der Probleme, die Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit sich und der
Umwelt haben. Diese Motivierungsgrundlage ist gerade bei Patienten mit ‚ichsyntonen’ Störungen von entscheidender Bedeutung und nimmt in vielfältiger Form
großen Raum in der Intervention ein: Im einzelnen drückt sich die Grundorientierung
in der Abkehr von der stigmatisierenden Sprache und Defizitorientierung des Persönlichkeitsstörungskonzepts aus, in der plausiblen Vermittlung von Stärken und
Schwächen eines Persönlichkeitsstils (bzw. Persönlichkeitsstörung), in der leicht
nachvollziehbaren Entwicklung eines bestimmten Persönlichkeitsstils, in dem Aufzeigen der Zusammenhänge zwischen eigenem Verhalten und der Reaktion des
andern und in einer eingängigen Darstellung der Zusammenhänge der Persönlichkeitsstörung (oder in der Sprache des Programms des ‚Persönlichkeitsstils’) mit psychischen oder körperlichen Beeinträchtigungen. Den „plausiblen Modellen“ wird ein
besonderer Stellenwert eingeräumt, wenn Patienten eine subjektiv überzeugende
Erklärung für ihr Problem vermittelt werden soll (Frank, 1985; 1987). Damit in Zusammenhang steht eine nachvollziehbare Vermittlung der Funktionalität des Problems, seiner Bedingungszusammenhänge und erstes Aufzeigen von Wegen, die
aus der Problematik führen. Zentrale Bedeutung hat dabei, dass der Patient auch
emotional erreicht wird und die angebotenen Erklärungs- und Verstehensmodelle
auch wirklich für sich übernimmt. Dabei liegt es auf der Hand, dass es dabei nicht
um Genauigkeit im wissenschaftlichen Sinn gehen kann, sondern eben um Plausibilität und Nachvollziehbarkeit im subjektiven Denken und Erleben des Patienten.
Transparenz als Wirkfaktor für die Entwicklung und den Ausbau von Veränderungsmotivation bei Patienten mit ich-syntonen Störungen kann durch das so skizzierte
Vorgehen unterstützt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden sechs Persönlichkeitsstile (bzw. Persönlichkeitsstörungen) in ihren Stärken und Schwächen erarbeitet, ihre Entwicklungsbedingungen prototypisch aufgezeigt sowie die Dynamik
des eigenen Verhaltens, das zu dem Persönlichkeitsstil gehört, in einen nachvollziehbaren plausiblen Zusammenhang gebracht wird. Ressourcenorientierung wird
dabei mitgedacht in dem Sinn, dass die Hinwendung auf die trotz aller Probleme bestehenden Stärken eines Persönlichkeitsstils und die Vermittlung, dass das oft kritisierte und zu Isolation und Ablehnung führende Verhalten des Betroffenen eine
sinnhafte Anpassungsleistung in bedrohlichen oder die eigenen Möglichkeiten übersteigenden Situationen im Entwicklungsverlauf waren.
Rollenspiel und Narrativ als Motivierungsmethoden. Es ist eine therapeutische
Binsenweisheit, dass wirksame Prozesse nur dann in Gang kommen, wenn Patienten emotional beteiligt sind. Im Gruppenprogramm werden neben der Psychoedukation im Sinn von Aufklärung, Wissens- und Modellvermittlung zwei methodische Wege beschritten, um die emotionale Beteiligung der Patienten zu erreichen, nämlich
Demonstrationsrollenspiele und Narrative, die in den psychoedukativen Teil eingebunden sind. Es werden dabei in der Handlung vorskizzierte Rollenspiele, die den
jeweiligen Persönlichkeitsstil demonstrieren und anschaulich vorstellen, eingesetzt;
Narrative, also kleine Erzählungen, bildliche, nicht-sachliche Geschichten, dienen
dem gleichen Zweck. Die Rollenspiele werden vom Gruppentherapeuten und einem
instruierten Teilnehmer übernommen, die Narrative werden vom Gruppentherapeuten erzählt.
55
Rollenspiele ebenso wie Narrative sind dialogische Geschehen. Dabei wirkt in beiden Fällen eine individuelle, mit Affekt versetzte Sprache, die den Patienten dazu
anregen soll, die oft nicht mehr zur Verfügung stehende Fähigkeit, Sprache mit Bedeutungen, Affekten und Beziehungen aufzuladen, wieder zu vollziehen. Das Rollenspiel ist handlungsbetont, ebenso wie das Narrativ, das über einen einfachen Bericht hinausweist: Es erweitert ihn und vertieft und veranschaulicht das, was gesagt
werden soll, durch eine metapher- und bilderreiche Sprache. In Narrativen werden
Zusammenhänge anschaulich hergestellt, Mimik, Gestik und die szenische Darstellung des Erzählers gehören zum Narrativ dazu. Es ist ein Mittel zur gleichnishaften
sinnstiftenden Darstellung und beinhaltet immer eine innere Begegnung zwischen
Rezipienten und Erzähler. Narrative werden in einer Reihe von Therapieansätzen
verwandt. Zuerst ist die Hypnotherapie von Erickson (1994) zu nennen, aber beispielsweise auch in der rational-emotiven Therapie von Ellis (Schelp, Malock, Gravemeier & Meusling, 1990) werden Geschichten erzählt, ebenso wie in der kognitiven Verhaltenstherapie des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs (Schuhler &
Baumeister, 1999). In einer eigenen Untersuchung (Schuhler, Jahrreiss & Wagner,
2000a) konnte nachgewiesen werden, dass Behandlungserfolg und Gruppeninteraktionsprozesse wesentlich vom Einsatz von Narrativen, v.a. bei der produktiven Wendung aggressiver Impulse profitieren.
Im Rollenspiel wird eine Metarealität entrollt: Mindestens zwei Personen spielen miteinander und stellen etwas szenisch dar. Dzwiewas (1980) betont, dass es sich positiv auf die Gruppenkohäsion auswirkt, wenn sich möglichst viele Gruppenmitglieder
an Rollenspielen, in-vivo-Übungen oder an für die aktuelle Gruppensituation bedeutsamen gruppendynamischen Übungen beteiligen. Eine ähnlich förderliche Wirkung
mag sich für das Gruppenklima und die Gruppenkultur einstellen, wenn der Gruppentherapeut selbst ein Rollenspiel zu dem vom Therapeuten initiierten Thema mit
durchführt, wie es in den Demonstrationsrollenspielen im Gruppenprogramm geschieht. Dass Rollenspiel und Modellernen in jedem Fall sehr wirksam kombiniert
werden können, legen die Untersuchungsergebnisse von Friedman (1972) sowie
Sarason und Ganzer (1974) nahe. Johnson (1975) beschreibt bereits, wie er in der
Anfangs- und Orientierungsphase einer Gruppe selbst im Rollenspiel dem Patienten
Gelegenheit gibt, sich einzubringen durch ergänzende zustimmende oder kritische
Äußerungen. Dabei wird szenisch dargestellt, welche prototypischen Merkmale in
einer Interaktion auftauchen, die durch einen bestimmten Persönlichkeitsstil geprägt
werden. Durch diese szenische Darstellung mit Modellcharakter für einen bestimmten Persönlichkeitsstil wird der assoziative Raum beim zuschauenden Patienten erweitert, das Einbezogenwerden, die emotional getönte, wenn auch vorerst nur stille
Teilhabe am Geschehen in der Szene wird gefördert. Dadurch wird die Bereitschaft,
Inhalte und Assoziationen zu der Szene auf die eigene Person anzuwenden, unterstützt. Dies erleichtert die engagierte Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen und Erläuterungen zur typischen Interaktion des Persönlichkeitsstils, die anschließend vorgestellt werden.
Die didaktische Inszenierung wird zur Evozierung von die Szene kommentierenden
Gedanken und Gefühlen beim Patienten genutzt, die unter dem Gesichtspunkt ausgewertet werden, welche interaktiven Zusammenhänge und typischen Ausdrucksformen des Protagonisten erkannt werden. Die Analyse des Problemverhaltens wird
in Rollenspielen und Gruppendiskussion fortgeführt.
In symbolhaften Geschichten, den Narrativen, werden im Verhalten der Hauptfigur
paradigmatisch zentrale Probleme oder Zusammenhänge im Alltag deutlich. Solche
paradigmatischen Geschichten lösen keineswegs immer die gleiche Assoziation aus.
56
In der Gruppenarbeit ist es eher so, dass einige Teilnehmer bei einem bestimmten positiven vielleicht sogar heiteren Aspekt verweilen, während andere durchaus Tränen in
die Augen bekommen können, weil ihnen eine bedrückende Stelle besonders nahe
geht und sie stark an ihre eigene Situation erinnert. Aus den Geschichten lassen sich
entsprechend ganz verschiedene Botschaften entnehmen. Die Geschichten informieren und kommentieren gleichzeitig. Sie laden dazu ein, den eigenen Anteil an der Reaktion auf das Narrativ zu elaborieren und sich mit der eigenen Innenwelt zu beschäftigen, denn Geschichten können faktisches Wissen "in persönliches Wissen" umwandeln, indem die Phantasie der Patienten angeregt wird (vgl. Bettelheim, 1990; Buchholz, 1993). Die Figuren und Ereignisse gewinnen nämlich Gestalt aus der Phantasie
der Patienten und nicht aus der Vorgabe des Therapeuten.
Den Patienten gelingt dadurch, selbst einen angstfreieren Umgang mit dem bedrohlichen Thema zu finden. Sie fühlen sich in ihrer Beschämung und in ihren Ängsten verstanden und gewürdigt, ohne dass diese konfrontativ dargestellt und kühl-rational erforscht werden. Die Narrative schaffen im therapeutischen Prozess zunächst einen bestimmten wünschenswerten Effekt: Sie verbreitern nämlich das Bedeutungs- und Verständnisspektrum. Wenn die Gruppe dadurch eine reichere Palette von Bedeutungen
entdeckt, die mit dem Thema zusammenhängt, dann hat sich bereits eine aktive Umgangsweise mit der Problematik entwickelt.
Sowohl beim Rollenspiel wie auch beim Narrativ ist gerade auch der spielerische
Aspekt besonders wichtig. Die Rollenspiele bzw. Geschichten versorgen die Gruppe
mit einem kreativen Bild, das die Vorstellungskraft anregt und durch die ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Spiel aufgebaut wird. Ausdauernde ernste Arbeit, in unserem Fall also die Beschäftigung mit der Persönlichkeitsentwicklung und deren Krisen,
ihre definitorischen Merkmale, die gesundheitlichen Folgen etc. kann dadurch günstig
mit spielerischen, phantasieanregenden und motivierenden Elementen ergänzt werden.
2.5
Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen
Nachfolgend werden in Anlehnung an Oldham und Morris (1992) die wichtigsten
prototypischen Charakteristika der Persönlichkeitsstile (als Normalvarianten der 10
hauptsächlichen Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV) zusammengefasst. Daran
schließt sich die Beschreibung der prototypischen Extremvarianten - der entsprechenden Persönlichkeitsstörungen nach und DSM-IV - an.
Wachsamer Persönlichkeitsstil > Paranoide Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Der wachsame Stil macht Menschen zu Überlebensexperten.
Nichts entgeht ihrer Aufmerksamkeit, Menschen und Situationen in ihrer Umgebung
werden wachsam beobachtet und geprüft. Wachsame Menschen erkennen verborgene Motive, Ausflüchte und kleinste Verzerrungen der Wahrheit. Sie schätzen
Treue und Loyalität und besitzen eine unverwüstliche Unabhängigkeit. Sie sind vorsichtig im Umgang mit anderen, sind gute Zuhörer, aber auch sehr reizbar und bereit
sich zu verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Kritik nehmen sie sehr ernst, sie
schüchtert sie aber nicht ein.
Persönlichkeitsstörung. Die paranoide Persönlichkeitsstörung ist durch ein alles
durchdringendes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen gekennzeichnet, da
deren Motive von vornherein als böswillig wahrgenommen werden.
57
Es besteht ein ausgesprochen negatives Menschenbild, die soziale Umwelt wird als
feindselig wahrgenommen. Personen mit dieser Störung verdächtigen andere ohne
hinreichenden Grund oder einen Beweis zu haben, sie ausnutzen, schädigen oder
täuschen zu wollen. Sie haben ständig ungerechtfertigte Zweifel bezüglich der Loyalität oder Glaubwürdigkeit ihrer Freunde und Partner. Die paranoide Persönlichkeit
überprüft ständig sozusagen die soziale Umwelt auf Abweichungen hinsichtlich
Glaubwürdigkeit oder Loyalität. Wenn eine solche Abweichung dann angenommen
wird, was leicht geschieht, werden die zugrundeliegenden misstrauischen Annahmen weiter gestärkt, die wiederum den Boden bilden für weitere subjektive Bestätigungen der Unzuverlässigkeit bis hin zu Feindseligkeit der sozialen Umwelt und so
fort. Dementsprechend vermeiden Personen mit dieser Störung es, sich anderen
anzuvertrauen oder in einen engeren Kontakt mit ihnen zu treten, da die stets wache
Befürchtung besteht, der Kontakt könnte in böswilliger Art und Weise gegen sie verwandt werden. Dies gilt schon für geringfügige soziale Anlässe: So wird beispielsweise die Beantwortung persönlicher Fragen abgelehnt oder in neutrale bzw. harmlose Bemerkungen oder Ereignisse werden abwertende und bedrohliche Motive bzw.
Bedeutungen hineininterpretiert. Auf diese Weise fühlen sie sich häufig in ihrer Person, ihrem Charakter oder Reputation missachtet bzw. angegriffen und reagieren
daraufhin mit Zorn oder einem Gegenangriff. Erlittene Kränkungen, Verletzungen
oder Herabsetzungen werden nicht vergessen und nicht verziehen. Diese Personen
sind extrem lange nachtragend. Bei Personen mit dieser Störung kann sich eine pathologische Eifersucht entwickeln. Ehe- oder Sexualpartner werden ohne jeden Anhaltspunkt verdächtigt, untreu zu sein.
Ungeselliger Persönlichkeitsstil > Schizoide Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem ungeselligen Stil haben ein geringes Bedürfnis nach Gesellschaft und brauchen niemanden außer sich selbst. Sie sind selbständig und unabhängig, ausgeglichen, ruhig und leidenschaftslos, unsentimental
und unerschütterlich. Ungesellige Menschen wollen weder beeindrucken noch gefallen, sie sind frei von verwickelnden Gefühlen aber voller Klarsicht. Sie werden
nicht von sexuellen Bedürfnissen getrieben, wenn sie ihnen auch Spaß machen und
bleiben auch bei Lob und Kritik mit beiden Beinen auf dem Boden.
Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes
Muster zu charakterisieren, das durch Distanziertheit in sozialen Beziehungen und
einem eingeschränkten Affektausdruck in zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist.
Bei Personen mit dieser Störung fehlt der Wunsch nach Intimität, stattdessen dominiert Gleichgültigkeit gegenüber engen Beziehungen: Es wird keine oder nur wenig
Freude daran gefunden, Teil einer Familie oder sozialen Gruppe zu sein. Diese Personen verbringen ihre Zeit lieber alleine, sind häufig sozial isoliert und einzelgängerisch. Aktivitäten, die keine Interaktion mit anderen Menschen beinhalten, werden
bevorzugt, ebenso mechanische oder abstrakte Tätigkeiten, wie beispielsweise mathematische Spiele. Es besteht ein geringes Interesse an sexuellen Kontakten.
Wenn überhaupt, finden diese Menschen nur an wenigen Aktivitäten Freude. Es bestehen im Grunde genommen keine engeren sozialen Kontakte. Diese Personen
habe keine engen Freunde. Auch scheinen Personen mit dieser Persönlichkeitsstörung häufig gleichgültig gegenüber Lob und Kritik anderer zu sein. Was andere über
sie denken könnten, scheint sie nicht zu interessieren. Diese Menschen wirken häufig emotional kalt, sozial unbeholfen und oberflächlich.
58
Exzentrischer Persönlichkeitsstil > Schizotypische Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem exzentrischen Stil sind nicht wie irgend
jemand anders. Sie sind Träumer, Suchende, Visionäre, Mystiker. Sie beziehen Kraft
aus ihren eigenen Gefühlen und Glaubenssystemen, leben in einer eigenen Welt
und sind blind gegenüber Konventionen, weshalb sie oft unübliche und ausgefallene
Lebensstile pflegen. Sie sind interessiert am Okkulten, Außersinnlichen und Übernatürlichen; abstraktes und spekulatives Denken zieht sie an. Obwohl nach innen
gewandt, sind sie sensibel und beobachten genau, wie andere auf sie reagieren.
Persönlichkeitsstörung. Bei dieser Persönlichkeitsstörung dominiert ein Muster
von starkem Unbehagen in nahen Beziehungen, von Verzerrungen des Denkens
und Wahrnehmens in sozialen Bezügen sowie von Eigentümlichkeiten des Verhaltens.
Personen mit dieser Störung interpretieren Ereignisse oft so, als ob diese eine besondere und ungewöhnliche Bedeutung speziell für diese Person hätten (Beziehungsideen). Es entwickeln sich seltsame Ideen und Überzeugungen oder auch magische Denkinhalte. So kann der- oder diejenige davon überzeugt sein, Dinge vorhersehen zu können oder die Gedanken anderer lesen zu können. Es können ungewöhnliche Wahrnehmungen auftauchen, beispielsweise das Gefühl, dass eine
andere Person anwesend sei, obwohl man alleine ist. Die Denk- und Sprechweise
wirkt seltsam, sie kann vage, umständlich, übergenau, abstrakt, stereotyp oder metaphorisch sein. Häufig sind Personen mit dieser Störung misstrauisch oder haben
paranoide Vorstellungen. Der Affekt ist eingeschränkt oder inadäquat. Diese Menschen verhalten sich oft steif und verschlossen. Aufgrund dieses Verhaltens, aber
auch häufig wegen der oft ungepflegten oder vernachlässigten äußeren Erscheinung, wirken diese Menschen seltsam, exzentrisch oder merkwürdig. Ebenso wie
bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung haben sie kaum enge Freunde oder Vertraute. In sozialen Situationen sind Menschen mit dieser Störung ängstlich, besonders dann, wenn unbekannte Personen beteiligt sind. Sie haben das Gefühl, anders
als die anderen zu sein, einfach nicht dazu zu gehören. Die soziale Angst vermindert
sich auch dann nicht, wenn der Betroffene länger in einer Situation bleibt oder mit
den anderen Menschen vertraut geworden ist. Hintergrund ist hier nicht, wie bei der
selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung, eine negative Selbstbeurteilung, sondern
es besteht ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber den vermuteten Absichten der
Mitmenschen (paranoide Befürchtungen).
Abenteuerlicher Persönlichkeitsstil > Antisoziale Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Abenteuerliche Menschen werfen ihre Vorsicht aus dem Fenster und führen uns in Bereiche, vor denen die meisten Sterblichen Angst haben. Sie
leben auf des Messers Schneide, stellen Grenzen und Beschränkungen in Frage
und lassen sich auf Gedeih und Verderb auf ein packendes Spiel gegen die eigene
Sterblichkeit ein. Abenteuerliche Menschen leben nach einem eigenen Wertkodex,
ihr Leben heißt wagen, sie lieben das Risiko und den Nervenkitzel. Sie machen sich
um andere kaum Sorgen, denn sie halten jeden für selbstverantwortlich. Sie besitzen
große Überzeugungskraft und haben eine besondere Fähigkeit, Freunde zu gewinnen und andere zu überzeugen. Sie genießen ihre zahlreichen erotischen Abenteuer
und sind gerne unterwegs in ihrem großen Bedürfnis nach weiteren Entdeckungsreisen. Abenteuerliche Menschen verdienen ihr Brot am liebsten frei, selbstständig und
unabhängig, sie gehen locker und großzügig mit Geld um. In ihrer Jugend fielen sie
bereits durch Unerschrockenheit und Unruhe auf, sie sind mutig und haben keine
59
Schuldgefühle in bezug auf die Vergangenheit, weil sie ganz und gar in der Gegenwart und im Jetzt leben.
Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes
Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer gekennzeichnet.
Menschen mit dieser Störung neigen dazu, Gesetze oder gesellschaftliche Normen
zu missachten. Diebstähle oder kriminelle bzw. illegale Handlungen werden begangen. Gefühle, Wünsche oder Rechte anderer werden missachtet. Täuschung und
Manipulation sind die Hauptstrategien mit dem Ziel, einen persönlichen Vorteil oder
ein persönliches Vergnügen zu erlangen (z.B. Sex, Geld oder Macht). Die Fähigkeit
zur Selbststeuerung ist herabgesetzt, ebenso wie das antipizierende Denken und
Abwägen von Konsequenzen. Menschen mit dieser Störung sind häufig an Überfällen oder Schlägereien beteiligt. Sie neigen zu reizbarem und aggressivem Verhalten.
Sie sind in ihrem Verhalten rücksichtslos gegenüber anderen, aber auch gegenüber
sich selbst. Weiter kann eine ausgeprägte und andauernde Tendenz zu verantwortungslosem Handeln bestehen (bspw. kommt es trotz vorhandener Arbeitsangebote
zu längerfristigen Zeiten der Arbeitslosigkeit oder zum wiederholten Fernbleiben von
der Arbeitsstelle, ohne dass die entsprechende Person krank ist, Schulden werden
nicht zurückgezahlt etc.). Menschen mit dieser Störung reagieren gleichgültig, zeigen keine Reue, wenn sie jemanden verletzt, misshandelt oder bestohlen haben.
Schon vor Vollendung des 15. Lebensjahres liegen Anzeichen für eine Störung des
Sozialverhaltens, wie z. B. Aggression gegen Menschen und Tiere, Zerstörung
fremden Eigentums, Betrug oder Diebstahl, vor.
Sprunghafter Persönlichkeitsstil > Borderline-Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Für sprunghafte Menschen ist das Leben eine Achterbahn. Sie
brauchen immer eine tiefe, romantische Beziehung zu einem anderen Menschen
und treten voller Leidenschaft und Intensität mit dem Leben und anderen Menschen
in Kontakt. Sie reagieren auf jeden und finden in allem, was ein anderer sagt oder tut
eine emotionale Bedeutung. Sie sind daher leicht geschmeichelt und erfreut, genauso schnell aber am Boden zerstört oder enttäuscht. Sie zeigen, was sie fühlen, sind
hemmungslos, spontan, lieben Spaß und haben keine Angst vor Risiken. Phantasievoll und neugierig treten sie anderen Kulturen, Rollen und Wertsystemen entgegen,
experimentieren gerne und sind bereit, neuen Pfaden zu folgen.
Persönlichkeitsstörung. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung findet sich ein
tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im
Selbstbild und in den Affekten sowie eine deutliche Impulsivität.
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung sind verzweifelt bemüht, tatsächliches
oder erwartetes Verlassenwerden zu vermeiden. Selbst geringfügige Anlässe, z.B.
wenn jemand eine Verabredung absagt oder sich verspätet, führen zu intensiven
Ängsten oder aber auch unangemessener Wut. Ein Muster instabiler aber intensiver
Beziehungen ist charakteristisch für Personen mit dieser Störung. Ein Muster von
Idealisierung und Abwertung ist kennzeichnend für ihre Beziehungen. Es kommt zu
plötzlichen und dramatischen Änderungen in der Sichtweise von anderen, besonders
dann, wenn Menschen mit dieser Störung sich zurückgewiesen fühlen. Häufig liegt
eine Identitätsstörung vor. Diese ist gekennzeichnet durch ein auffällig und durchgängig instabiles Selbstbild und schwankende Selbstwahrnehmung. Dies kann sich
darin äußern, dass die betreffende Person plötzlich ihre Zielsetzungen, ihre beruflichen Pläne, religiösen Anschauungen, Wertvorstellungen oder Einschätzung der
eigenen sexuellen Orientierung ändert. Betroffene Menschen zeigen impulsives Verhalten bei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten, z.B. Glücksspielen, bei Sub60
stanzmissbrauch, risikoreichem Geschlechtsverhalten oder rücksichtslosem Fahren.
In der Lebensgeschichte kommt es häufig zu wiederholten Suizidhandlungen,
Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder auch zu selbstverletzendem Verhalten, z.B. Aufritzen oder Schneiden der Haut mit einer Rasierklinge. Selbstschädigende Verhaltensweisen werden oft durch Erlebnisse drohender Trennung oder Zurückweisung ausgelöst. Selbstverletzende Handlungen treten häufig im Rahmen der
drohenden Überflutung von Angstgefühlen auf. Der dadurch ausgelöste konkrete
Schmerz gibt Sicherheit und ist leichter zu ertragen als das innere Empfinden und
lenkt von diesem ab. Bei Menschen mit dieser Störung findet sich häufig eine affektive Instabilität, die auf eine sehr ausgeprägte Reaktivität der Stimmung zurückzuführen ist. Die Stimmung kann sehr abrupt von dysphorischer Grundstimmung auf Wut,
Angst oder Verzweiflung umschlagen, wobei diese Zustände gewöhnlich nur einige
Stunden und nur selten länger als einige Tage dauern. Die betroffenen Personen
leiden häufig unter einem chronischen Gefühl der inneren Leere, was im engen Zusammenhang mit der Identitätsstörung steht. Personen mit dieser Störung haben oft
heftige Wutausbrüche oder verspüren eine langanhaltende Wut. Die Wut ist häufig
so extrem, dass die betreffende Person Schwierigkeit hat, sie zu kontrollieren.
Wutausbrüche treten auch hier insbesondere bei wahrgenommenen Zurückweisungen oder Vernachlässigung durch den Partner oder eine andere wichtige Bezugsperson auf. Wird die Belastung als besonders extrem erlebt, kann es vorübergehend
zu paranoiden Vorstellungen oder dissoziativen Symptomen kommen, die gewöhnlich von geringem Ausmaß oder kurzer Dauer sind.
Dramatischer Persönlichkeitsstil > Histrionische Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Dramatische Menschen sind Gefühlsmenschen und leben in
einer Welt voller Farbe und Intensität. Sie sind empfindungsorientiert, zeigen ihre
Gefühle offen, wechseln schnell von Stimmung zu Stimmung, neigen zu spontanem
und impulsivem Verhalten und nutzen den Augenblick. Für Menschen mit diesem Stil
ist das Leben nie dumpf und langweilig, sie füllen ihre Welt mit Aufregung und
Phantasie und erleben das Leben intensiv und überschwenglich. Sie betrachten die
ganze Welt als ihre Bühne, sie möchten gesehen werden und brauchen Aufmerksamkeit, Applaus und Komplimente wie Wasser und Brot. Sie lieben ein gepflegtes
Äußeres und genießen ihre erotische Anziehungskraft.
Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes
Muster übermäßiger Emotionalität oder Streben nach Aufmerksamkeit charakterisiert.
Personen mit dieser Störung verlangen ständig danach, im Mittelpunkt zu stehen.
Das Verhalten ist typischerweise darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit auf sich
zu lenken. Betroffene Personen verhalten sich im Sozialkontakt häufig unangemessen, aufreizend bzw. sexuell provokativ. Der Gefühlsausdruck ist oberflächlich und
kann sehr rasch wechseln. Personen mit dieser Störung nutzen ihr äußeres Erscheinungsbild, wie z.B. Kleidung, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: Es wird übermäßig viel Zeit auf die äußere Erscheinung verwendet oder die betreffende Person
fühlt sich extrem gestört, wenn sie sich nicht attraktiv fühlt. Der Sprachstil ist übertrieben impressionistisch, kennt im Grunde genommen keine Details, echte Fakten
fehlen. Charmantes Auftreten, theatralisches In-Szene-Setzen, Weinen, Wutausbrüche bis hin zu Suizidandrohungen gehören dazu. Nur flüchtige Bekannte werden mit
unangemessener Begeisterung umarmt oder es kommt zu „Weinkrämpfen“, wobei
das Ausmaß der emotionalen Reaktion in keinem Verhältnis zum Anlass steht. Personen mit dieser Störung sind auch häufig unsicher in ihren Meinungen und Ansich61
ten und übernehmen daher schnell die Meinung anderer. Beziehungen werden von
ihnen enger wahrgenommen, als sie tatsächlich sind. Sie glauben, zu fast allen
Menschen, die sie treffen, einen schnellen engen Kontakt zu haben. Das kann sich
beispielsweise darin äußern, dass der behandelnde Zahnarzt nach zwei Terminen
mit seinem Vornamen angesprochen wird etc.
Selbstbewusster Persönlichkeitsstil > Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem selbstbewussten Stil sind oft begabte
Führungspersönlichkeiten und der Mittelpunkt ihrer öffentlichen oder privaten Welt.
Sie glauben an sich und ihre Fähigkeiten, sind sich ihrer Gedanken und Gefühle genau bewusst und sie wissen, was sie wollen. Selbstbewusste Menschen verkaufen
sich und ihre Ideen energisch und effizient. Sie haben oft auch eine besondere Gabe, andere für die eigenen Ziele zu begeistern und erwarten, dass sie immer besonders gut behandelt werden. Im Umgang mit anderen sind sie geschickt, mit taktischem Gespür begabt und siegesgewiss auf Konkurrenz eingestellt. Sie nehmen
Lob und Bewunderung gelassen entgegen, fühlen sich aber von Kritik tief getroffen.
Persönlichkeitsstörung. Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung findet sich
ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Phantasie oder Verhalten), ein durchgehendes Bedürfnis nach Bewunderung und ein Mangel an Empathie.
Personen mit dieser Störung legen ein übertriebenes Selbstwertgefühl an den Tag.
Eigene Leistungen und Fähigkeiten werden überbetont und überbewertet. Die betreffende Person erwartet, auch ohne entsprechende Leistung, als überlegen zu
gelten. Dadurch wirken diese Personen häufig prahlerisch und großspurig. Ihr Denken ist häufig von Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit
oder vollkommene Liebe beherrscht. Die betreffende Person begibt sich gern in diese Tagträume, andere Aktivitäten können dadurch verdrängt werden. Personen mit
dieser Störung glauben von sich, überlegen, besonders oder einzigartig zu sein.
Dementsprechend sind sie der Überzeugung, nur von Leuten verstanden zu werden
oder nur mit Leuten Kontakt zu haben, die ebenfalls etwas besonders sind oder eine
hohe Position innehaben. So bestehen sie beispielsweise bei einer Beschwerde
darauf, nur mit dem höchsten Vorgesetzten zu sprechen. Auch verlangen Betroffene
mit dieser Störung nach übermäßiger Bewunderung. Es ist ihnen sehr wichtig, dass
sie von anderen beachtet oder in irgendeiner Weise bewundert werden. Dementsprechend sind die Verhaltensweisen häufig darauf ausgerichtet, Bestätigung und
Bewunderung zu erhalten. Ein hohes Anspruchsdenken ist häufig bei diesen Personen zu finden. So erwarten sie beispielsweise, bevorzugt behandelt zu werden. Diese hohe Anspruchshaltung geht oft einher mit einem Mangel an Sensibilität gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen anderer Menschen. Zwischenmenschliche
Beziehungen werden dahingehend ausgenutzt, die eigenen Wünsche, Bedürfnisse
und Ziele zu realisieren. Es besteht die Erwartung, dass andere den eigenen Wünschen bedingungslos nachkommen. Menschen mit dieser Störung halten es oft für
unwichtig, sich mit den Angelegenheiten oder den Gefühlen anderer auseinanderzusetzen. Sie haben Schwierigkeiten, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen und
deren Wünsche und Gefühle wahrzunehmen. Sie können es häufig nur schwer ertragen, wenn andere erfolgreich sind oder haben den Eindruck, dass andere oft neidisch auf sie sind. Auch zeigen betroffene Personen häufig arrogante und überhebliche Verhaltensweisen und Einstellungen.
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Sensibler Persönlichkeitsstil > Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem sensiblen Stil ziehen das Bekannte dem
Unbekannten vor und können ihre Fähigkeiten dann entfalten, wenn die Welt klein ist
und ihnen die Menschen vertraut sind. Sensible Menschen lieben Gewohnheit, Wiederholung und Routine. Sie sind ihrer Familie und ihren engen Freunden tief verbunden und schätzen die Behaglichkeit des Zuhause. Im sozialen Umgang liegt ihnen
sehr daran, was andere von ihnen denken, sie sind umsichtig und taktvoll, fällen keine vorschnellen Entscheidungen und verhalten sich liebenswürdig und beherrscht
mit höflicher Zurückhaltung.
Persönlichkeitsstörung. Die vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung ist
durch ein tiefgreifendes Muster von sozialer Gehemmtheit, Insuffizienzgefühlen und
der Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung durch andere gekennzeichnet.
Personen mit dieser Störung vermeiden berufliche Aufgaben oder Aufträge, bei denen sie mit vielen Menschen zu tun haben, aus Angst vor Kritik, Ablehnung oder Zurückweisung. Soziale Kontakte werden in der Regel nur eingegangen, wenn der Betroffene sich der Sympathie und des Angenommenseins durch den anderen sicher
ist. Selbst in engeren Beziehungen fällt ihnen es schwer, für sich selbst zu sprechen
und intimere Gefühle zu zeigen aus Angst, man könnte sich über sie lustig macht
oder sie in Verlegenheit bringen. In sozialen Situationen sind die Betroffenen ständig
gedanklich damit beschäftigt, kritisiert oder abgelehnt zu werden. Ihre Aufmerksamkeit ist ganz auf den anderen gerichtet. Sie sehen sich sozusagen durch die Augen
des anderen. Selbst eher neutrale Verhaltensweisen können schon als Kritik und
Ablehnung bewertet werden, wodurch sich der Betroffene äußerst verletzt fühlt.
Menschen mit dieser Störung halten sich für gesellschaftlich unbeholfen, persönlich
unattraktiv oder dem anderen gegenüber unterlegen. Die geringe Selbstachtung
führt dazu, dass sich die Betroffenen schweigsam zurückhalten, wenn sie neue
Leute kennen lernen. Auch nehmen Menschen mit dieser Störung in der Regel ungern persönliche Risiken in Kauf oder wagen sich nicht an neue Aktivitäten heran,
weil sie große Angst haben, sich dabei zu blamieren.
Anhänglicher Persönlichkeitsstil > Dependente Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Anhängliche Menschen haben sich den Beziehungen in ihrem
Leben verschrieben und kümmern sich um andere, was ihr Leben lebenswert macht.
Sie legen höchsten Wert auf dauerhafte Beziehungen, bemühen sich, ihre Beziehungen zusammenzuhalten und sind dabei loyal, hilfsbereit und fürsorglich. Um
Harmonie bemüht, neigen sie zu höflichem und taktvollen Verhalten ohne zu widersprechen und fallen durch besondere Rücksichtnahme auf. Anhängliche Menschen
ziehen die Gesellschaft anderer dem Alleinsein vor, sie möchten eher folgen als führen, sind kooperativ und bemühen sich, ihr Verhalten zu ändern, wenn sie kritisiert
werden.
Persönlichkeitsstörung. Bei der dependenten Persönlichkeitsstörung steht ein tiefgreifendes und überstarkes Bedürfnis im Vordergrund, versorgt zu werden, das zu
unterwürfigem und anklammerndem Verhalten und ausgeprägten Trennungsängsten
führt.
Betroffene benötigen häufig ausgiebige Ratschläge oder Bestätigung von anderen,
bevor sie alltägliche Entscheidungen treffen können. Bei der Organisation wichtiger
Lebensbereiche, wie z.B. Planung des Alltags oder Geldangelegenheiten, sind sie
von anderen, meist einer einzelnen Person, abhängig. Aus Angst, die Unterstützung
und den Rückhalt zu verlieren, ohne die sich die dependente Persönlichkeitsstörung
63
schwach, hilflos und lebensunfähig fühlt, fällt es den betroffenen Menschen sehr
schwer, anderen zu widersprechen oder eine andere Meinung zu vertreten. Es wird
alles Erdenkliche getan, um die Versorgung oder Zuwendung anderer zu erhalten.
So werden beispielsweise freiwillig unangenehme Aufgaben übernommen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung fällt es schwer, Aufgaben zu beginnen oder
daran zu bleiben, wenn ihnen niemand dabei hilft. Dies geschieht nicht aus mangelnder Motivation oder Tatkraft, sondern auf dem Hintergrund tiefsitzender Selbstzweifel. Die Betroffenen sind sich beispielsweise sicher, dass andere Menschen
Dinge besser können. Aus der Überzeugung heraus, ohne eine enge Beziehung
nicht lebensfähig zu sein, gehen Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung schnell
wieder eine andere Beziehung ein, wenn eine enge Beziehung endet. Auf dem Boden dieser Überzeugung, die Hilfe und Unterstützung des anderen zum Überleben
zu benötigen, besteht bei den Betroffenen eine ständige Angst davor, alleine gelassen zu werden, obwohl dafür kein offensichtlicher oder greifbarer Grund vorliegt.
Daraus resultiert häufig ein anklammerndes Verhalten.
Gewissenhafter Persönlichkeitsstil > Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem gewissenhaften Persönlichkeitsstil sind
das Rückgrat der westlichen Industriegesellschaften. Sie haben starke moralische
Prinzipien und absolute Überzeugungen, ihr Verhalten ist durch eine besondere Hingabe an harte Arbeit gekennzeichnet und dem Willen, das Richtige zu tun. Alles
muss richtig gemacht werden, und der gewissenhafte Mensch weiß genau, was dies
bedeutet: mit der richtigen Methode, perfekt und bis ins letzte Detail ohne den kleinsten Fehler. Gewissenhafte Menschen lieben Ordnung und Sauberkeit, Listen und
Pläne und machen sich ohne viel Aufhebens an die Arbeit. Sie sind in allen Bereichen ihres Lebens sparsam, behutsam und vorsichtig. Sie neigen dazu, alles mögliche zu verwahren und zu sammeln, da man ja nie weiß, ob man es nicht wieder
brauchen könnte.
Persönlichkeitsstörung. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster von übergroßer Ordnung, Perfektion und Kontrollstreben auf Kosten von Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Effizienz geprägt.
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung legen großen Wert auf die sorgfältige
Beachtung von Regeln, Verfahrensfragen, Ordnung und Organisation. Nebensächlichen Details wird eine außergewöhnliche Beachtung geschenkt und sie werden auf
mögliche Fehler überprüft. Der übertriebene Perfektionismus führt bei diesen Menschen zu beträchtlichen Beeinträchtigungen und Leid. In dem Bemühen, eine Aufgabe absolut perfekt zu erledigen, vertiefen sie sich so sehr in Details, dass die eigentliche Arbeit nie zum Abschluss kommt. Für Freunde oder Vergnügungen bleibt häufig keine Zeit mehr. Arbeit und Produktivität haben absolute Priorität, obwohl keine
finanzielle Notlage vorliegt oder zeitlich begrenzte berufliche Anforderungen bestehen. Freie, unverplante Zeit bedeutet eher Stress: Hobbys oder Beschäftigungen mit
Erholungswert werden zu ernstzunehmenden Aufgaben umfunktioniert, wobei stets
die perfekte Leistung betont wird. Nur was mit Anstrengung und Leistung verbunden
ist, besitzt einen wirklichen Wert. Es bestehen sehr starre, unflexible Ansichten in
bezug auf Moral und Wertvorstellungen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung
haben eine genaue Vorstellung davon, was richtig und falsch ist, dementsprechend
verhalten sie sich und erwarten von anderen Menschen, dass diese sich genauso
verhalten. Gegenüber eigenen Fehlern sind sie erbarmungslos selbstkritisch. Aufgaben werden nur mit Widerwillen delegiert. Denn die Betroffenen haben eine klare,
rigide Vorstellung davon, wie eine Arbeit zu erledigen ist, und erwarten, dass andere
64
bis ins Detail ihren Arbeitsstil übernehmen. So geben sie beispielsweise detaillierte
Instruktionen, wie die Küche zu putzen, der Rasen zu mähen ist etc. Keiner kann es
ihnen recht machen. Auf Verbesserungsvorschläge anderer reagieren sie eher irritiert und überrascht, Hilfe wird abgelehnt. Häufig sind sie auch unfähig, kaputte oder
wertlose Gegenstände wegzuwerfen, da sie denken, dass sie diese eines Tages
vielleicht doch noch einmal brauchen könnten. Durch dieses Horten kann es zu
Platzproblemen in der Wohnung oder im Haus kommen. Es fällt häufig schwer, Geld
für sich selbst oder andere auszugeben, auch wenn genügend zur Verfügung steht.
Sie sind geizig, da das Geld für künftige Katastrophen gehortet werden muss. Es ist
ihnen häufig ganz gleichgültig, was andere Leute sagen, weil sie sich sicher sind,
recht zu haben. Dabei sind sie so in ihre eigene Sichtweise verstrickt, dass es ihnen
fast unmöglich ist, Vorschläge und Standpunkte anderer zu berücksichtigen.
65
66
3
Interventionsmaßnahme: Das psychoedukativ- und kompetentorientierte Gruppentherapieprogramm
3.1
Institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen der Kliniken
3.1.1
Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim
Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim wurde als Einrichtung für stationäre
Psychotherapie und psychosomatische Rehabilitation konzipiert und bietet für insgesamt 225 Patienten Therapieplätze. Bei der Klinik handelt es sich um eine Versorgungs- und Rehabilitationseinrichtung im Sinne des § 107 SGB V. Sie wird von allen
Rentenversicherungsträgern gem. §§ 15 und 31 SGB VI, von allen Krankenkassen
gem. § 111 SGB V sowie privaten Krankenversicherungen und Sozialhilfeträgern
belegt. Die Zuweisung der Patienten erfolgt durch niedergelassene Ärzte, Psychotherapeuten bzw. auf Veranlassung der Rentenversicherungsträger.
Behandlungskonzept. Das Behandlungskonzept basiert auf den wissenschaftlich
fundierten, empirisch überprüften Verfahren der Verhaltenstherapie. Durch die plausible Verknüpfung medizinischer und lerntheoretisch begründeter psychologischer
Erkenntnisse hat sich der Begriff der „Verhaltensmedizin“ etabliert und liegt der gesamten Konzeption zugrunde. Im Bereich der diagnostischen sowie therapeutischen
Prozesse führt die Verhaltensmedizin die Verhaltenstherapie auf der Basis der wissenschaftlichen Lerntheorie, ergänzt durch Ergebnisse der psychologischen Grundlagenforschung, der Sozialpsychologie, der kognitiven Psychologie und der Psychophysiologie mit dem gesicherten Wissen der somatischen Medizin zusammen. Vor
dem Hintergrund, dass viele Gesundheitsstörungen bzw. Krankheitsbilder durch ein
interdependentes Zusammentreffen von somatischen, psychischen und sozialen
Gegebenheiten ausgelöst und aufrechterhalten werden, leitet sich die Multimodalität
adäquater therapeutischer Ansätze ab. An die Stelle eines monokausalen und ebenso reduktionistischen Erklärungsmodells tritt damit ein Interaktionsmodell aller relevanter Einflussgrößen im Sinne eines bio-psycho-sozialen Modells. Der sich daraus
ableitende Behandlungsansatz versucht, im Hinblick auf bestimmte Verhaltensmuster von Patienten mit funktionellen oder psychosomatischen Beschwerden alternative Lösungen aus der Krise oder Krankheit auf verschiedenen Ebenen aufzuzeigen.
Nach einer angemessenen organmedizinischen Diagnostik erfolgt durch den jeweils
behandelnden Bezugstherapeuten im Rahmen einer verhaltensanalytisch orientierten Exploration der Symptomatik, ihrer vorausgehenden Bedingungen und ihrer
Konsequenzen gemeinsam mit dem Patienten die Erarbeitung eines plausiblen
übergeordneten Störungsmodells, aus dem Veränderungsziele und Therapiestrategien abgeleitet werden. Durch die offene und transparente therapeutische Vorgehensweise in einem wertschätzenden Rahmen soll ein der Krankheit vermeintlich
hilflos ausgelieferter Patient schrittweise an ein eigenverantwortliches Handeln im
Interesse der Symptomreduktion, einer Verbesserung des Leistungsvermögens oder
einen Aufbau von gesundheitsbewusstem Verhalten geführt werden. Patienten mit
neurotischen oder psychosomatischen Beschwerden vermeiden häufig bestimmte
psychosoziale Anforderungs- und Belastungssituationen, so dass es in der Therapie
v.a. darum geht, die spezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen zu fördern, die für
67
die adäquate Bewältigung solcher Anforderungen im Hier und Jetzt notwendig sind.
Da sich viele solcher Fertigkeiten bzw. deren defizitäre Ausprägung auf interaktionelles Verhalten in Gruppen beziehen, ist die Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie ein geeigneter Zugang. Sich abzeichnende therapeutische Fortschritte
innerhalb des relativ geschützten Milieus der Klinik, werden dann durch sukzessive
Einbeziehung der sozialen Wirklichkeit des Patienten stabilisiert und generalisiert,
z.B. mittels berufsbezogener Belastungserprobungen innerhalb und/oder außerhalb
der Klinik, Verhaltenserprobungen im häuslichen Milieu, Gespräche unter Einbezug
der Angehörigen u.ä. Ziel jeder Behandlung ist die erfolgreiche medizinische, psychosoziale und berufliche Rehabilitation des Patienten.
Indikation. Das Indikationsspektrum der Klinik umfasst Neurosen und andere seelischen Krankheiten wie z.B. Depressionen, Angstzustände und Phobien, Zwangsneurosen, Persönlichkeitsstörungen, Intervallbehandlung bei Psychosen; psychovegetative bzw. funktionelle Erkrankungen sämtlicher Organsysteme wie z.B. funktionelle kardiovaskuläre Syndrome, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, chronische
Schmerzzustände und sexuelle Störungen; psychosomatische Erkrankungen z.B.
des Herz-Kreislauf-Systems wie Hypertonie, Störungen des Essverhaltens wie Anorexia und Bulimia sowie Adipositas, Ulcusleiden, entzündliche Darmerkrankungen,
Asthma bronchiale; psychische Störungen bei Körperkrankheiten, d.h. seelische
Auswirkungen von schweren und langwierigen Erkrankungen wie beispielsweise
Multipler Sklerose, Diabetes mellitus, Krebserkrankungen, chronischem Gelenkrheuma oder Unfällen mit bleibender körperlicher Behinderung. Nicht behandelt werden Patienten mit akuter Selbstgefährdung; Patienten mit Medikamenten-, Drogenund Alkoholabhängigkeit; Kinder bzw. Jugendliche unter 16 Jahren sowie hirnorganisch oder psychotisch beeinträchtigte Patienten.
Therapiekonzept. Das Therapiekonzept basiert auf einem Bezugstherapeutensystem, d.h. dass die therapeutischen Leistungen incl. der notwendigen medizinischen
Versorgung gemeinsam mit dem Patienten und dem zuständigen ärztlichen oder
psychologischen „Bezugstherapeuten“ so erarbeitet werden, dass der Patient sie
nicht als „Verordnungen“ versteht, sondern als sinnvolle und adäquate Antwort auf
die Fragen bzw. die Problemdefinition erkennen kann, die sich im diagnostischtherapeutischen Prozess ergeben haben. Die Aufgabe des Bezugstherapeuten ist
es, im Rahmen von Einzelgesprächen, sowohl mit dem Patienten realistische Therapieziele herauszuarbeiten, wie ihn auch fördernd und beratend bei der Umsetzung
gemeinsam erarbeiteter Strategien zu begleiten. Der Bezugstherapeut – entweder
Arzt oder Psychologe – ist zunächst für alle Aspekte bzw. Problembereiche seiner
Patienten (z.B. Klagen des Patienten über Schmerzen, Anforderung von Konsiliaruntersuchungen, Planung der Einzel- und Gruppentherapien, Probleme des Patienten mit Mitpatienten bis zum Schreiben des kompletten Entlassungsberichtes) zuständig. Um die bestmöglichen Problemlöseansätze für seine Patienten zu gewährleisten, hat er in einem interdisziplinär zusammengesetztem Team die Möglichkeit
für die Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Strategien die jeweils
erforderlichen Kompetenzen der vorhandenen anderen Berufsgruppe anzufordern.
Die ergänzenden gruppentherapeutischen Angebote und Methoden der Funktionsbereiche, die jeweils über den Bezugstherapeuten eingeleitet werden, sind plausibel
aufeinander bezogen und transparent gestaltet, um die Patienten für eine aktive und
verantwortliche Mitarbeit zu motivieren und eine vertrauensvolle Kooperation zu ermöglichen.
68
Therapeutisches Team. Das therapeutische Team besteht aus 18 ärztlichen, 14
(+6) psychologischen Planstellen und insgesamt ca. 45 weiteren therapeutischen
Mitarbeitern der Ergo-, Sport-, Sozio- und Co-Therapie sowie der Medizinischen
Zentrale. An fachärztlicher Kompetenz sind die Gebiete Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin, Neurologie, Innere Medizin, Allgemeinmedizin und Gynäkologie
vertreten. Die therapeutischen Mitarbeiter sind auf 8 interdisziplinär zusammengesetzte Behandlungsteams verteilt, in denen jeweils 27 bis 30 Patienten betreut werden. Jedem Team ist ein leitender Arzt oder leitender Psychologe zugeordnet. Je
zwei Teams werden von einem supervisorischem „Tandem“ betreut, das aus einem
leitenden Arzt und einem leitenden Psychologen besteht. Die fachärztliche Ausrichtung des ärztlichen Supervisors akzentuiert den medizinischen Schwerpunkt der Arbeit eines Behandlungsteams. Ärztliche und psychologische Supervisoren sind
gleichzeitig in einem der beiden Teams eines solchen Tandems mit eigenen Patienten als Bezugstherapeuten integriert. Daneben verfügt jedes Behandlungsteam über
1 ½ oder 1 ¾ ärztliche Planstellen, 1 ½ Planstellen für Diplom-Psychologen bzw.
eine psychologische Planstelle und eine Stelle für einen Psychologen im Praktikum
(PiP). Komplementiert werden die Teams durch jeweils 3 Co-Therapeuten. CoTherapeuten sind Krankenschwestern, Krankenpfleger, Erzieher, Arzthelferinnen
oder Angehörige anderer medizinischer Assistenzberufe. In enger Zusammenarbeit
mit den Bezugstherapeuten sind sie in bestimmte Aufgaben im diagnostischen und
therapeutischen Bereich integriert (u.a. Teilnahme an Einzel- und Gruppengesprächen bzw. selbständige Durchführung bestimmter Gruppentherapien, wie z.B. Entspannungstraining, Selbstsicherheitstraining, Durchführung von Biofeedbacktherapie
oder Verhaltenserprobungen mit Patienten, z.B. im Rahmen der Behandlung von
Patienten mit Angst- oder Zwangsstörungen). Co-Therapeuten sind von Beginn der
stationären Behandlung an konstante Ansprechpartner ihrer Patienten sowohl für
organisatorische Abläufe wie auch für inhaltliche Fragen.
Supervision. Die therapeutischen Teams bilden gleichzeitig eine Supervisions- und
Ausbildungseinheit zum Erlernen komplexer therapeutischer Konzepte. Im Rahmen
einer internen Supervision finden in jedem Behandlungsteam wöchentlich mehrstündige Supervisionssitzungen statt (i.d.R. eine Stunde medizinische Supervision und
drei Stunden psychotherapeutische Supervision). In der Supervision werden u.a. neu
aufgenommene Patienten von den jeweilig behandelnden Bezugstherapeuten vorgestellt, indem die Ergebnisse der diagnostischen Maßnahmen referiert werden,
ebenso werden Überlegungen zur Indikation und Differentialindikation verhaltensmedizinischer Interventionen diskutiert. Die zuständigen Supervisoren steuern ihre
Einschätzungen bei, die sie bei einem ambulanten Vorgespräch oder bei dem obligatorischen Einzelkontakt mit den Patienten kurz nach Aufnahme gewonnen haben
und geben Anleitungen zur weiteren Befunderhebung, Differentialdiagnostik, gegebenenfalls notwendigen Pharmakotherapie und möglichen Kriseninterventionen. Daneben werden Behandlungsverläufe reflektiert, patientenbezogene Beobachtungen
und Erfahrungen der Mitarbeiter aus den Funktionsbereichen ausgetauscht oder sozialmedizinische Beurteilungen und Empfehlungen für die Nachbehandler diskutiert.
Im Vordergrund der Supervision steht besonders die Erstellung individualisierter
Therapiepläne und die Therapeut-Patient-Dyade.
Vorbereitung der Patienten. Bei Patienten mit bestimmten Zuweisungsdiagnosen,
Unklarheiten in der Indikationsstellung oder unklarer Motivationslage aufgrund erst69
maliger Konfrontation mit der Thematik „Psychosomatik“ wird vor der stationären
Aufnahme in die Klinik von den leitenden Therapeuten ein ca. einstündiges Vorgespräch durchgeführt. Die Zielsetzungen solcher Vorgespräche bestehen darin, neben Klärung der Indikation, dem Ausschluss von Kontraindikationen sowie der Überprüfung bzw. Stärkung einer spezifischen Motivation, den Patienten das diagnostische und therapeutische Vorgehen transparent und plausibel zu erläutern, um die
Compliance für eine aktive Mitarbeit im Rahmen des Behandlungskonzeptes zu fördern. Unabhängig von diesen motivationalen Aspekten werden bei einer Reihe von
Störungen Vorgespräche obligatorisch durchgeführt, insbesondere um spezifische
verhaltenstherapeutische Interventionen konkret zu erläutern, die sich in der Behandlung bestimmter Störungen bewährt haben (z.B. Ruheprogramm bei anorektischen Patienten, Reaktionsverhinderung bei Patienten mit Zwangsstörungen).
Ebenso kann das Vorgespräch dazu dienen, die Gefahr einer Überforderung durch
das therapeutische Setting einzuschätzen (z.B. bei Patienten mit Residualsyndrom).
In der Regel werden Patienten nach einem Vorgespräch auch in der Klinik aufgenommen; die Quote der abgelehnten Aufnahmeersuchen insgesamt liegt unter 5 %.
Einführung der Patienten. Pro Woche werden etwa 25 bis 35 Patienten aufgenommen und - entsprechend des störungsspezifischen Schwerpunktes sowie der
frei werdenden Therapieplätze - einem Behandlungsteam bzw. Bezugstherapeuten
zugeordnet. Sämtliche neu aufgenommenen Patienten nehmen in der ersten Behandlungswoche neben der medizinischen und psychologischen Aufnahme an einem Einführungstraining teil. Hier wird handlungsrelevantes Wissen über Therapieziele, über Wege und Möglichkeiten der Therapieplanung und über einzelne Therapiebausteine über die Demonstration von Videoausschnitten, Kleingruppenarbeit,
Interviews mit „älteren“ Patienten und offene Gesprächsrunden vermittelt. Durch die
über diese Einführung erreichte Transparenz ist es dem Patienten eher möglich, die
für ihn wichtigen Therapiebausteine auszuwählen und gezielt zu nutzen. Ebenso
können die Patienten so Einsichten in die konzeptionelle Gestaltung der Klinik und
das Setting der therapeutischen Maßnahmen erlangen. Es erleichtert es ihnen, bestimmte diagnostische Schritte (z.B. das Führen von Verhaltensprotokollen) und therapeutische Vorgehensweisen (z.B. Expositionsübungen) als relevant für den eigenen Behandlungsprozess zu erkennen. Die anchfolgende Tabelle stellt die Struktur
des therapeutischen Angebotes zusammenfassend dar.
70
Tab. 7:
Struktur des therapeutischen Angebotes
Indikationsstellung durch Einweiser oder Leistungsträger – ggf. Vorgespräch
Aufnahme
Psychotherapeutische Maßnahmen
Somatomedizinische Maßnahmen
Bezugstherapeut/
Kontaktaufnahme
Teamarzt
Bezugs-Co-Therapeut
Diagnostik
• Individuelle Problem- und Bedin• Sichtung der Vorbefunde
gungsanalyse (MULP-Schema)
• Anamnese
• Verhaltensbeobachtung
• Körperlicher Befund
• Testpsychologie
• Psychischer Befund
• ggf. Familienanamnese
• Routinelabor
• EKG
Teamsupervision/
Zusammenfassung der
Medizin. Supervision/
Fallbesprechung
psychologischen und soZweitsicht durch den leitenden
matischen Befunde zu
Arzt
einem bio-psycho-sozialen
Störungsmodell
• Definition individueller Rehabili• Veranlassung weiterer appatations- und Behandlungsziele
rativer Diagnostik (z.B. EEG,
Sonographie, Ergometrie,
• Planung der Therapiebausteine
Schlafapnoediagnostik etc.)
• Einbeziehung der Funktionsberei• Veranlassung interner und
che
externer Konsile
• Auswertung der Selbstbeobach• Indikationsstellung für Sporttungsprotokolle
und Pysiotherapie
Verbale Psychotherapie
Therapie
• Medizinische Betreuung
• Einzelgespräche
• Psychosomatikgruppe
• Monitoring somatischer Parameter
• Problemlösegruppe
• Kurvenvisite
• Störungsspezifische Gruppen
Übende und aktivierende Verfahren
• ggf. Medikation
• Selbstsicherheitstraining
• Behandlung interkurrenter
Erkrankungen
• Entspannungstraining
• ggf. konsiliarische Mitbe• Expositionsverfahren
handlungen
• Biofeedback
• ggf. Diätberatung
Partner- bzw. Familiengespräche
Bibliotherapie/Freizeitgestaltung
• Gesundheitstraining
Ergotherapie
Soziotherapie
Funktionsbereiche
•
•
•
•
Sporttherapie
Krankengymnastik
Physikalische und Balneotherapie
• Abschlussuntersuchung
• Laborkontrolle
• Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
• Erstellung eines positiven und
negativen Leistungsbildes
• Nachsorgeplanung
Sozialmedizinische DiArbeitsbezogene Fokussierung
mension
Therapeutische Beurlaubung
(Transferphase)
Hausinternes Belastungstraining
Externe berufsbezogene Belastungserprobung
• Beratung bzgl. Weiterqualifikation /
Wiedereingliederung
Basisdokumentation
Erfassung der therapeutischen Leistungen/Einschätzung der Ergebnisqualität
Arztbrief mit sozialmedizinischer Einschätzung und
Weiterbehandlungsempfehlungen für den Hausarzt/Psychotherapeuten usw.
71
Einzeltherapie. Während des gesamten Aufenthaltes finden in der PatientBezugstherapeuten-Dyade Einzelgespräche statt, häufig in Anwesenheit des zuständigen Co-Therapeuten. Häufigkeit und Dauer der Einzelgespräche werden in
Abhängigkeit individueller Erfordernisse gestaltet. Üblicherweise finden in den ersten
drei Behandlungswochen zwei Einzelgespräche à 50 Minuten pro Woche statt. Im
weiteren Verlauf der Therapie treten die Einzelgespräche zugunsten von Gruppentherapien, Verhaltensübungen und klinikexternen Interventionen zurück. Die in den
Einzelkontakten entwickelten individuellen Zielsetzungen und Therapieschritte werden dabei zum einen in den Einzelgesprächen umgesetzt, zu anderen auch in entsprechenden gruppentherapeutischen Aktivitäten. Insofern dienen die Einzelkontakte
ebenso der Aufarbeitung therapeutischer Schritte „zwischen den Sitzungen“ (z.B.
von Verhaltensexperimenten“ und von Erfahrungen in den Gruppentherapien oder
anderen sozialen Kontexten).
Gruppentherapie. Vor dem Hintergrund der Verzahnung von Einzel- und Gruppentherapie wird in der Einzeltherapie auf der Basis der Therapieziele die Indikation an
bestimmten Gruppen gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet. Insgesamt ist das
Angebot an Gruppentherapien breit gefächert (vgl. Jahresbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim 1998/99). Die Gruppentherapien werden nach Standardgruppen (team- oder tandemintern) und themenzentrierten bzw. störungsspezifischen Gruppen (teamübergreifend) unterschieden. Im einzelnen sind im Bereich
der psychotherapeutischen Gruppen folgende Angebote: Psychosomatikgruppe,
Problemlösegruppe (nach Grawe, 1980), Progressive Muskelrelaxation, Selbstsicherheitstraining, Essstörungsgruppe (zum einen für Anorexie und BulimiePatientinnen sowie eine gesonderte Gruppe nach einem Anti-Diät-Konzept für
adipöse Patienten), Angstgruppe sowie spezielle Angstbewältigungsgruppe für Agopraphobiker, Schmerzgruppe, Frauengruppe und Depressionsgruppe.
Standard- und themenzentrierte Gruppen. In den sogenannten Standardgruppen
(z.B. Psychosomatikgruppe) werden Themen bearbeitet und Inhalte vermittelt, die
sich „standardmäßig“ nahezu bei jedem Patienten finden, häufig unabhängig von der
jeweiligen Einweisungsdiagnose. Die themenzentrierten Gruppen (z.B. Angstgruppe)
zielen dagegen auf die diagnostisch-therapeutische Bearbeitung spezifischer Störungsbereiche ab. Neben den Standardgruppen und themenzentrieretn Angeboten
als psychotherapeutisch-psychosomatisch orientierte Gruppen im engeren Sinne
erfolgen auch in den Funktionsbereichen Ergotherapie, Soziotherapie und Sporttherapie einzel- und gruppentherapeutische Interventionen mit jeweils unterschiedlichen
Zielsetzungen.
Einzelne Behandlungselemente der Funktionsbereiche sind dabei ebenso Therapieelemente von Standard- oder themenzentrierten Gruppen (z.B. sporttherapeutische Interventionen im Rahmen der Angst- und Schmerzbehandlung, die sporttherapeutischen Aktivierungsbausteine der Depressionsbewältigungsgruppe oder soziotherapeutische Themen in einem Selbstsicherheitstraining (z.B. Umgang mit
„Autoritäten“ im Zusammenhang mit einer Bewerbungssituation auf dem Arbeitsmarkt)).
Ergotherapie. In der Ergotherapie steht der tätige, handelnde Mensch und seine
materielle Umwelt im Blickpunkt. Neben Sprache werden kreative und handwerkliche
Techniken als therapeutische Mittel eingesetzt. Im Umgang mit verschiedenen Materialien werden dem Patienten die eigene Art des Herangehens, seine Ressourcen
72
und Defizite sichtbar. Im therapeutischen Prozess können diese dem Patienten bewusst gemacht und durch Training verändert werden. Der Umgang des Patienten mit
Material und sachorientierten Aufgaben sowie seine Kommunikation darüber können
im Zusammenhang mit der beruflichen Anamnese und sonstigen klinischen Beobachtungen zur Arbeits- und Leistungsbeurteilung beitragen. Dabei bietet die Ergotherapie zum einen geschlossene indikative Therapiegruppen mit spezifischen Zielsetzungen (z.B. Malgruppe, Kochgruppe, Projektgruppe) und zum anderen offene
Werkstätten an.
Soziotherapie. Die Soziotherapie umfasst beratende und themenzentrierte therapeutische Arbeit mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Förderung des Selbstmanagements der Patienten im sozialen Alltag, insbesondere während der Ausbildung und
im Erwerbsleben. Neben einer Bearbeitung konkreter Problemfelder im direkten
Kontakt mit den Patienten besteht die Aufgabe der soziotherapeutischen Abteilung
auch in der Beratung der therapeutischen Teams hinsichtlich einzelner Aspekte des
psychosozialen Versorgungsnetzes und des Erwerbslebens. In Einzel- und Gruppengesprächen erfahren Patienten Hilfe bei der Definition ihrer sozialen bzw. beruflichen Probleme und bei der Suche nach realisierbaren Lösungen. Schwerpunkt bildet
in den soziotherapeutischen Sitzungen die Klärung von persönlichen Neigungen,
Eignungen und Interessen, sowohl im Hinblick auf spezifische Berufswünsche, als
auch im Hinblick auf die aktuelle berufliche Position. Zum festen Behandlungsangebot der Soziotherapie gehört ebenso die Einleitung berufsbezogener Belastungstrainings an klinikinternen und -externen Arbeitsplätzen, das Bewerbertraining sowie
spezifische Maßnahmen für jugendliche Patienten. Die therapeutischen Aktivitäten
zielen jeweils darauf ab, problematische Kognitionen und daraus resultierende Verhaltensweisen anzusprechen und deren Veränderung anzustoßen. Die soziotherapeutischen Bemühungen werden schließlich in einer sozialmedizinischen Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit konkretisiert, ebenso bilden sie Grundlage eines auf
das Erwerbsleben ausgerichteten Handlungsplanes des Patienten (u.a. Entwicklung
eines Nachsorgekonzeptes, das der Festigung der stationären Behandlungserfolge
dient).
Sporttherapie und Krankengymnastik. Die therapeutischen Ziele der Sporttherapie und Krankengymnastik bestehen u.a. in der Steigerung der physischen Leistungsfähigkeit sowie der Verbesserung psychosozialer Kompetenzen (u.a. Erhöhung der Kontakt- und Gruppenfähigkeit). Um der unterschiedlichen Belastbarkeit
und den unterschiedlichen sportlichen Vorerfahrungen der Patienten Rechnung zu
tragen, besteht ein differenziertes Angebot, welches neben Teamsport, Fit-up, Zirkeltraining, Adipositassport, Ergometertraining, ebenso spezielle indikative und störungsspezifische Gruppenangebote bietet (u.a. Körpererfahrungsgruppe für missbrauchte Frauen bzw. anorktische/bulimische Patienten, Rückenschule, Wirbelsäulengymnastik, Energiegruppe, Atemgruppe, Walking- und Jogginggruppe). Insgesamt sind die sporttherapeutischen Angebote durch übende Verfahren, Elemente
der Körpererfahrung, psychoedukative und Gesprächseinheiten gekennzeichnet.
Neben Gruppeninterventionen sind ebenso übende Einzelbehandlungen z.B. im Bereich der Krankengymnastik möglich. In der therapiefreien Zeit können die Patieten
ein sportartspezifisches Freizeitprogramm nutzen (u.a. Fußball, Volleyball, Tanzen).
Pysikalisch-balneologische Maßnahmen werden bei medizinischer Indikation durch
den jeweiligen Teamarzt verordnet.
73
Verweildauer und Therapiedosis. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten
liegt, je nach Diagnose und Komorbidität, zwischen 6 und 10 Wochen. In der Regel
besuchen alle Patienten ein sogenanntes Basisprogramm, welches neben den obligatorischen einzeltherapeutischen Gesprächen das Entspannungstraining, die Teilnahme an einer Gruppentherapie (Psychosomatikgruppe oder Problemlösegruppe),
am sporttherapeutischen Angebot (je nach individueller Belastungsfähigkeit
Teamsport, Fit-up oder Adipositassport) und einer bis zwei entsprechenden themenzentrierten bzw. störungsspezifischen Gruppe umfasst, die jeweils zweimal wöchentlich stattfinden. Insofern umfasst die Therapiedosis bei jedem Patienten einen
durchschnittlichen Umfang von mindestens 12 bis ca. 15 Therapieeinheiten (inclusive der Einzelgespräche) in einem Zeitrahmen von insgesamt ca. 11 ½ - 14 ½ Stunden/Woche. Bei einem engen Zeit- und Wochenplan im Rahmen fest strukturierter
Zeitschienen ist davon auszugehen, dass Patienten mit gleicher Aufenthaltsdauer
einer vergleichbaren Anzahl von Angeboten zugeführt werden, so dass die Aufenthaltsdauer als Indikator für die Therapiedosis angenommen werden kann.
Weitere Informationen zum Klinikkonzept sowie Beschreibungen bezüglich spezifischer gruppentherapeutischer Interventionen finden sich u.a. in den jährlich veröffentlichten Jahresberichten der Klinik (z.B. Jahresbericht der Psychosomatischen
Fachklink Bad Dürkheim 1998/1999).
3.1.2
Psychosomatische Fachklinik Münchwies
Die Psychosomatische Fachklinik Münchwies besteht aus einer Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen mit 72 Behandlungsplätzen und einer
Abteilung für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit 160 mit Therapieplätzen. Die
Klinik wird von allen Rentenversicherungsträgern gemäß § 9 bis 15 SGB VI belegt.
Mit den Krankenkassen besteht ein Versorgungsvertrag gemäß § 111 SGB V. Des
weiteren wird die Klinik von privaten Krankenversicherungen und Sozialhilfeträgern
belegt. Sie ist beihilfefähig. Im folgenden beschränkt sich die Darstellung der Rahmenbedingungen auf die Abhängigkeitsabteilung, in der das Projekt ausschließlich
durchgeführt wurde.
Therapeutische Ausrichtung. Die Therapie hat einen integrativ-verhaltenstherapeutischen Rahmen, der auch Elemente der klientenzentrierten Gesprächstherapie und körpertherapeutischer Verfahren einschließt. Entscheidend ist die Zielgerichtetheit, Transparenz und Überprüfbarkeit des Vorgehens. So besteht die Verpflichtung zur Evaluierung der Behandlungsprogramme und zur Durchführung regelmäßiger Katamnesen.
Innerhalb des vorgegebenen therapeutischen Rahmens hat sich die Nutzung einer
Vielzahl therapeutischer Techniken zur Erreichung umschriebener Therapieziele
bewährt. Neben Bioenergetik und konzentrativer Bewegungstherapie als körperorientierte Methoden werden imaginative Verfahren sowie im Rahmen der Traumatherapie das EMDR eingesetzt.
Indikation. Zum Indikationsgebiet zählen Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit
sowie die zugrundeliegenden und aufrechterhaltenden Störungen auf psychischem,
sozialem und körperlichem Gebiet. Behandelt werden Männer und Frauen zwischen
18 und 60 Jahren. Kontraindiziert sind: Abhängigkeit von so genannten illegalen
74
Drogen, Akute Psychosen, ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom oder sonstige gravierende Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit.
Therapeutisches Team. Das therapeutische Team der Abhängigkeitsabteilung besteht aus 7 Ärzten, 10 Diplom-Psychologen, 3 Suchtkrankentherapeuten, 2 DiplomSozialarbeiter, 3 Sporttherapeuten, 3 Ergotherapeuten, 2 Soziotherapeuten und 8
Mitarbeitern des Pflegepersonals. Die Mitarbeiter verteilen sich auf zwei Hausteams,
jedes Hausteam wird von einem Oberarzt und einem Leitenden Psychologen geführt. Die leitenden Mitarbeiter bilden das Leitungsteam, dem die Chefärztin vorsteht.
In der Abhängigkeitsabteilung bilden zwei Gruppen, die zusammen einen Flur bewohnen, ein Kleinteam. Ein Therapeut ist Hauptansprechpartner (Bezugstherapeut)
für die Patienten einer Gruppe und gleichzeitig Co-Therapeut in der anderen. Die
Therapeuten vertreten sich gegenseitig.
Teamkonferenzen und Supervision. Treffen und Konferenzen sowie Supervision
auf unterschiedlichen Ebenen gewährleisten einen reibungslosen Informations- und
Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klinik :
Mittagsteam. Täglich treffen sich alle Mitarbeiter eines Hausteams einschließlich ergo-, sport- und soziotherapeutischer Mitarbeiter zum Austausch über aktuelle therapeutische Interventionen, technisch formale Fragen etc. Hier werden Informationen
aus allen Therapiebereichen zusammengetragen und in Entscheidungen einbezogen.
Großteam. Einmal pro Monat (bei Bedarf häufiger) findet eine einstündige Besprechung des gesamten Teams statt. Sie dient der Erörterung übergreifender therapeutischer und organisatorischer Fragen.
Supervision. Wöchentlich zweistündig findet die Supervision auf der Ebene der Hausteams statt, die im Wechsel von den jeweils zuständigen leitenden Mitarbeitern
(Arzt und Psychologe) und einem externen Supervisor geleitet wird. Anhand von exemplarisch ausgewählten Fällen aus der laufenden Therapie wird das therapeutische Vorgehen besprochen.
Kleinteamsupervision. In der Abhängigkeitsabteilung führen die leitenden Mitarbeiter
(Arzt und Psychologe) in ihren Kleinteams dreiwöchentlich eine zweistündige Fallbesprechung durch. Hier wird anhand der Arztkurve und Therapiepläne das ärztlichtherapeutische Vorgehen überprüft.
Leitungsteam. Wöchentlich zweistündig Treffen der leitenden Mitarbeiter. Inhaltlich
konzeptionelle Diskussion und Besprechung von Problemen bei Supervision und
Fachaufsicht. Bei organisatorischen Fragen kommt der Verwaltungsleiter bzw. Geschäftsführer hinzu.
Fortbildung. 4-Wöchentlich einstündig für Ärzte zu aktuellen medizinischen Themen
aus dem Bereich der Neurologie, Psychiatrie, inneren Medizin (leitende Ärztin und
Oberärzte).
4-Wöchentlich zweistündig Fortbildung für das gesamte Team zu aktuellen Themen
aus Sucht und Psychosomatik (leitende Mitarbeiter). Ein- bis zweimal jährlich finden
ganztägige Fortbildungsveranstaltungen für die ärztlich-therapeutischen Mitarbeiter
durch externe Referenten statt.
Krankheitsverständnis. Suchtmittelabhängigkeit wird verstanden als eine eigenständige Erkrankung, die einer spezifischen Behandlung bedarf und nicht als Symptom einer anderen Störung. Bei den einzelnen Patienten bestehen jedoch individuell unterschiedliche mehr oder weniger ausgeprägte Defizite in der Persönlichkeits75
entwicklung, die eine wesentliche Rolle im Bedingungsgefüge der Entstehung der
Abhängigkeit und auch bei deren Aufrechterhaltung spielen. Im Laufe der Abhängigkeitsentwicklung bildet sich allmählich eine Störung von eigenem Krankheitswert
heraus, die ab einem bestimmten Punkt einen eigengesetzlichen Verlauf nimmt, der
nicht mehr umkehrbar ist. Beim heutigen Stand der Forschung ist dieses Phänomen
weder aus psychologischer Sicht (lerntheoretisch oder tiefenpsychologisch) noch
organisch-medizinisch befriedigend zu erklären. Aus diesem Krankheitsverständnis
heraus ist es wichtig, der Bearbeitung der Sucht innerhalb der Behandlung einen
genügend großen Raum zu geben und Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, in einem Prozess der offenen Auseinandersetzung die Unumkehrbarkeit der
eigenen Suchtentwicklung zu akzeptieren und mit der kränkenden Erfahrung, abhängig zu sein, fertig zu werden. Nur dann ist eine von der gesamten Person getragene Abstinenzentscheidung möglich. Erst wenn dieser Schritt innerhalb des therapeutischen Prozesses getan ist, wird die Bearbeitung der zugrunde liegenden Persönlichkeitsdefizite effektiv und neu erlernte Fertigkeiten und Einsichten können
sinnvoll in ein neues Lebenskonzept integriert werden.
Therapieziele. Aufgrund der Komplexität einer Abhängigkeitserkrankung ergeben
sich für deren effektive Behandlung vier große Zielbereiche: (1) Abhängigkeit selbst
und alle damit in direktem Zusammenhang stehenden Probleme mit dem Ziel der
Krankheitsakzeptanz und Abstinenzentscheidung, Erwerb von Strategien zur Aufrechterhaltung der Abstinenz, Rückfallprophylaxe etc., (2) die vorhandenen primären und sekundären Störungen des Verhaltens und Erlebens, insbesondere die intrapsychischen Konflikte und ihre Dynamik und die dadurch bedingten interpersonellen Störungen, (3) die körperlichen Folge- und Begleiterkrankungen und (4) die
Störungen im sozialen Bereich (Arbeit, Familie, Freizeit etc.).
Behandlungsrahmen. Die Patienten leben in quasi familiären Bezugsgruppen zusammen, in denen durch das dichte Miteinander bedeutsame Situationen entstehen
können, die für therapeutische Interventionen nutzbar gemacht werden können. Jeweils 12 Patienten (Männer und Frauen) wohnen auf einem Flur in sechs Doppelzimmern zusammen und nehmen an der gemeinsamen, interaktionell ausgerichteten
teil. In der Eingangsphase finden umfassende anamnestische Datenerhebungen,
eingehende internistische und neuropsychiatrische Untersuchungen sowie gesundheitsmedizinische Aufklärungs- und Informationsarbeit statt. Zum Basisprogramm
gehören viermal pro Woche (à 90 Minuten) Gruppenpsychotherapie (interaktionelle
und problemlöseorientierte Arbeit), Sport- und Bewegungstherapie (4x wöchentlich à
45 Minuten) sowie Ergotherapie (4x wöchentlich à 90 Minuten). Darüber hinaus
werden anhand erstellter Bedingungsanalysen Einzelpsychotherapie (à 50 Minuten),
indikationsgeleitete Gruppenpsychotherapie (à 90 Minuten), medizinische und physikalisch-balneologische Behandlungsmöglichkeiten sowie soziotherapeutische Massnahmen als weitere Bausteine in den Tagesablauf integriert.
76
Tab. 8
Zeit
7.15 – 7.45
8.00
8.30
8.45 – 10.15
10.30 –
12.00
12.30
13.30 –
14.15
14.15 –
15.00
15.15 –
17.00
18.00
18.30 –
20.00
20.00 –
22.30
Exemplarischer Wochenplan der Abhängigkeitsabteilung
Mo
Di
Mi
Do
Frühsport
Frühstück
Organisation: Terminabsprachen, Wäschetausch
Gruppenthe- indikative
Gruppenthe- Gruppentherapie
rapie
rapie
Gruppen
Ergotherapie
Ergotherapie Ergotherapie: Wohnbereichsbzw. Projektarbeiten
Mittagessen
indikative
Sport- und
Sport- und
Sport- und
Bewegungs- Gruppen
Bewegungs- Bewegungstherapie
therapie
therapie
z.B. Arztbez.B. Arztbe- indikative
such / physisuch / physi- Gruppen
kal. Anwenkal. Anwendung / Terdung / Termin mit Somin mit Soziotherapie /
ziotherapie /
EinzelgeEinzelgespräche
spräche
PatientenPatientengruppen
gruppen
Abendessen
Neigungs- und Freizeitgruppen
Fr
Sa/So
Gruppenthe- im Rahmen
rapie
der Gruppe
Ergotherapie und geplante
durchgeführte Freizeitaktivitäten
Sport- und
Bewegungstherapie
z.B. Arztbesuch / physikal. Anwendung / Termin mit Soziotherapie /
Einzelgespräche
Patientengruppen
im Rahmen
der Gruppe
und geplante
durchgeführte Freizeitaktivitäten
Freizeitgestaltung
Behandlungsverlauf. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten beträgt 1216 Wochen, im Durchschnitt werden pro Woche 10-15 Patienten neu aufgenommen.
Jeder Patient durchläuft eine 8–14tägige Aufnahmephase auf der Aufnahmestation,
die diagnostische und therapievorbereitende Funktionen hat. Sie soll den Patienten
in die Lage versetzen, aktiv an der stationären Therapie teilzunehmen. Hier erfolgt
die medizinische Anamneseerhebung, Aufnahmeuntersuchung, Laboruntersuchungen sowie medizinische Überwachung und gegebenenfalls Entzugsbehandlung. In
der täglichen Visite wird die Behandlung festgelegt. Einmal wöchentlich findet eine
große Visite durch die Chefärztin mit anschließender Fallbesprechung statt, an der
auch die ärztlichen und psychologischen Leitungsteammitglieder teilnehmen. Sobald
es die körperliche Verfassung erlaubt, nimmt der Patient an dem strukturierten Behandlungsangebot der Aufnahmestation teil, wie es im Wochenplan festgelegt ist.
Zur Informationsvermittlung über Abhängigkeitserkrankungen aus medizinischer,
psychologischer und sozialer Sicht werden Literatur, Video, Fragebögen und die
Gruppengespräche eingesetzt. Daneben nimmt die Informationsvermittlung über die
Arbeit in der Klinik, insbesondere über Hausordnung, Therapievereinbarung, Ablauf
und Inhalte der Therapie einen wichtigen Raum ein. Nach Absolvierung der Aufnahmephase wird der Patient in den Wohnbereich verlegt und einer Gruppe zugeteilt, in
der er die gesamte Therapiezeit verbleibt. Er nimmt hier an der Therapie im Rahmen
77
der Wohngruppengemeinschaft und an indikativen Angeboten teil. Die Gruppen sind
halboffen.
Behandlungsangebote. Zu den drei Säulen des therapeutischen Angebotes zählen
die Therapie im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft, indikative Therapiebausteine und Einzeltherapie.
Therapie im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft. Zwölf Patienten (Männer
und Frauen) bilden eine therapeutische Wohngruppe, das heißt, sie wohnen und
leben zusammen, durchlaufen die wichtigsten therapeutischen Aktivitäten gemeinsam, ebenso einen Großteil der Freizeit. Neben sechs Doppelzimmern steht einer
Wohngruppe ein Aufenthaltsraum mit Teeküche sowie ein Therapieraum zur Verfügung. Für die Patienten entsteht durch diese Form der Therapieorganisation ein
überschaubarer, quasi familiärer Bezugsrahmen, der das Entstehen einer vertrauensvollen Atmosphäre als Basis für die Therapie erleichtert. Das dichte Leben in der
Wohngruppe schafft für den Patienten emotional bedeutsame Situationen, was sich
generell günstig und motivierend für das Erlernen neuen Verhaltens auswirkt. In diesem Setting werden in relativ kurzer Zeit die auch in der natürlichen Realität vorhandenen Verhaltensweisen und Defizite sichtbar und so der Bearbeitung direkt zugänglich.
Günstig wirkt sich weiterhin aus, dass auch außerhalb der Therapiestunden die
gruppendynamischen Prozesse weiterlaufen und so eine Intensivierung der Therapie
entsteht. Die Gruppe selbst wirkt als therapeutisches Instrument. Sie bildet ein soziales Lern- und Erfahrungsfeld, das ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den
sozialen Gegebenheiten außerhalb der Klinik aufweist und so ein Modell für eine
wirklichkeitsnahe Umgebung darstellt, wodurch Realitätstraining und Übertragung
des Erlernten auf die Alltagsrealität leichter möglich wird.
Interaktionelle Gruppentherapie. Wesentlicher Bestandteil der therapeutischen
Arbeit im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft ist die Gruppentherapie, in der die
Abhängigkeitsproblematik und alle damit in Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten des Patienten/in bearbeitet werden. Aufgabe des Gruppentherapeuten ist es
unter anderem, sicherzustellen, dass Veränderungen auf der Ebene der Kognitionen, der Emotionen und der Handlungsebene stattfinden, wobei die motivationalen
Aspekte besondere Beachtung finden. Neben der Motivation zur Abstinenz, die aus
der Erkenntnis heraus, dass Abstinenz die wichtigste Voraussetzung für das weitere
Leben ist, erwächst, geht es um die Motivierung zur Veränderung und die Durchführung derselben, das heißt, die Umsetzung der kognitiven und emotionalen Erfahrungen auf die Handlungsebene. Schließlich ist die Motivation zur Aufrechterhaltung
von Veränderungen, die durch das Verdeutlichen der positiven Konsequenzen neuer
Verhaltens- und Lebensweisen gefördert wird, notwendig. Regelhaft gehört auch
Rückfallprophylaxe und Identifizierung von individuellen Risikosituationen und Erarbeitung von Handlungsstrategien bei eingetretenem Rückfall zum Programm. Das
Vorgehen der Therapeuten wird im Hinblick auf die inhaltlichen und die geschilderten
motivationalen Aspekte wöchentlich supervidiert.
Sport- und Bewegungstherapie. Die Sporttherapie (und auch die Ergotherapie) im
Rahmen der Wohngruppengemeinschaft bedeutet eine Fortsetzung der verbalen
Therapie auf der Handlungsebene. Aus der Gruppentherapie können in die Sporttherapie (und auch Ergotherapie) Aufgaben und Problemstellungen eingebracht und
78
weitergeführt werden, so dass ein erweitertes soziales Erfahrungs- und Lernfeld entsteht, dessen Ergebnisse in den gesamten therapeutischen Prozess integriert werden. Erfahrbar werden hier Kooperationsverhalten, Erfolgs- oder Misserfolgsorientierung, Frustrationstoleranz etc. Konkret hat die Sport- und Bewegungstherapie drei
Hauptzielsetzungen: (1) Körperliche Rehabilitation, d. h. Wiederherstellung und Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, (2)Verbesserung der Körperwahrnehmung und Aufbau eines neuen Körperbewusstseins und (3) Verbesserung der
Wahrnehmung sozialer Beziehungen und Situationen.Daneben soll die Sporttherapie zum Aufbau eines neuen Freizeitverhaltens beitragen. Im Sinne der obengenannten Zielsetzung werden unter anderem eingesetzt: Gymnastik, Gruppenspiele,
Wettkampfspiele, Geschicklichkeits- und Koordinationsübungen, Tanz, rhythmische
Gymnastik, Intervallbelastungen, Konzentrationsübungen, Wahrnehmungs- und
sensomotorische Übungen, Entspannungsübungen. Sport im Rahmen der Wohngruppenzusammensetzung ist aufgrund des unterschiedlichen Alters und Leistungsniveaus der Patienten besonders geeignet, Leistungsverhalten (Über- und Unterforderung) zu thematisieren und den Patienten anzuleiten, seine Grenzen zu akzeptieren, aber auch seine Möglichkeiten zu nutzen. Dies wird dadurch erreicht, dass offene Bewegungsaufgaben gestellt werden, in denen Intensität und Wiederholungszahl
vom Patienten nach individueller Leistungsfähigkeit gewählt werden können. Neben
der hier beschriebenen Sporttherapie im Wohngruppenrahmen gibt es sporttherapeutische Angebote nach Indikation sowie individuelles körperliches Aufbautraining
unter ärztlicher Anleitung.
Ergotherapie. Die Ergotherapie ist der dritte wichtige Therapiebaustein, der im
Rahmen der Wohngruppenzusammensetzung angeboten wird. Auch hier geht es
wie in der Sporttherapie darum, dass die Patienten, ihre Erfahrungen in einem anderen Kontext erweitern. Neben gestalterischem Arbeiten mit verschiedenen Materialien zur Förderung der Kreativität und dem Erlernen von einfachen Techniken, die
später für eine sinnvolle Freizeitgestaltung genutzt werden können ist die Projektarbeit ein wichtiger Bestandteil. Die Gruppe plant und entwickelt ein Projekt und führt
es bis zum Ende durch. Die Projekte können mehr gestalterischen oder arbeitstherapeutischen Charakter haben (z.B. Herstellen von Skulpturen, einer Zeitung, eines
Filmes etc.). Hier werden die interaktionellen Verhaltensweisen über die verschiedenen Phasen der Projektarbeit hinweg besonders herausgearbeitet, und es ergeben
sich vielfältige Möglichkeiten, eigenes automatisiertes Verhalten zu korrigieren, die
Kooperationsfähigkeit im Bewältigen der gemeinsamen Aufgabe zu verbessern sowie alle Phasen eines solchen Projektes von der optimistischen Planung, den oft
schwierigen und mühsamen Phasen bis zur Fertigstellung durchzustehen, wodurch
Frustrationstoleranz und positives Leistungsverhalten verbessert werden.
Patientengruppe. Die Patientengruppe stellt den vierten Baustein innerhalb der
Therapie im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft dar. Sinn dieser Patientengruppe ist es, Eigeninitiative einzuüben und Selbstverantwortlichkeit zu fördern sowie auf die spätere Arbeit in Selbsthilfegruppen vorzubereiten. Die Thematik, die in
der Patientengruppe behandelt wird, schließt sich oft an die Thematik der Gruppentherapiesitzung und führt diese in eigener Regie der Patienten fort. Darüber hinaus
kann vom Gruppentherapeuten eine Thematik vorgegeben werden, die themenzentriert bearbeitet wird. Mitunter werden auch organisatorische Fragen, die das Zusammenleben betreffen, geklärt, aber auch gemeinsame Freizeitprojekte geplant.
Der Therapeut informiert sich anhand der Patientenprotokolle über Inhalte, Probleme
79
und Fortschritte in der Patientengruppe und achtet darauf, dass kein Leerlauf entsteht. Er greift jedoch nur in Ausnahmefällen selbst korrigierend ein.
Indikative Therapiebausteine. Zusätzlich zum Wohngruppenprogramm nehmen die
Patienten an indikativen Gruppen teil, in denen spezifische Defizite und umschriebene Problembereiche behandelt werden. Folgende Gruppen werden angeboten:
Indikationsbereich „Medizin und Gesundheit“
Basisprogramm Gesundheit
Ernährungsberatung
Gewichtsreduktion
Hirnleistungstraining
Raucherentwöhnung
Rückenschule
Schmerzbewältigung
Indikationsbereich „Erleben und Verhalten“
Adipositasgruppe
Angstbewältigung
Angstüberwindung vor dem Wasser mit Schwimmkurs
Autogenes Training
Bioenergetische Übungsgruppe
Entspannung nach Jakobson
Gestaltungstherapie
Konzentrative Bewegungstherapie
Körperwahrnehmung für Frauen
Lauftherapie
Musiktherapie
Naturkontakte
Selbstsicherheitstraining
Selbstwahrnehmung (Focusing)
Sexuelle Missbrauchserfahrungen (Frauengruppe II)
Tanztherapie
Umgang mit Aggressionen II (aggressiv Gehemmte)
Umgang mit Aggressionen I (Patienten mit Impulsdurchbrüchen)
Wege aus der Depression
Indikationsbereich „Abstinenzsicherung“
Frauenspezifische Aspekte der Sucht (Frauengruppe I)
Medikamentenabhängigkeit
Spezielle Gruppe zur Rückfallanalyse
Indikationsbereich „Soziale Stabilität“
Aktive Freizeitgestaltung
Arbeit und Arbeitslosigkeit
Strukturiertes Arbeiten
Patientinnen/Patienten mit Essstörungen (Anorexie/Bulimie) und Glücksspieler nehmen die gesamte Behandlungsdauer über an den speziellen indikativen Programmen teil.
80
Einzeltherapie. Alle Patienten der Abhängigkeitsabteilung erhalten regelmäßige
Einzelgespräche, deren Frequenz sich nach der Indikation richtet. Bei Patienten mit
erheblichen strukturellen Persönlichkeitsdefiziten kann mitunter ein überwiegend
einzeltherapeutisches Vorgehen bei Herausnahme aus der Wohngruppentherapie
angezeigt sein.
Medizinische Versorgung und Physiotherapie. Von der stationären Aufnahme bis
zur Entlassung ist eine umfassende medizinische Versorgung gewährleistet. Die
ärztliche Versorgung während des gesamten Aufenthaltes findet in Form von
Sprechstunden statt. Zusätzlich werden regelmäßig Visiten im Wechsel mit Gesundheitsaufklärung im Rahmen der Wohngruppe durch. Darüber hinaus finden verschiedene Maßnahmen statt, die eine gezielte, auf die individuellen Bedingungen
des einzelnen Patienten abgestimmte Gesundheitserziehung ermöglichen: In der
Sprechstunde persönliche Beratung über Risikofaktoren wie Rauchen, falsche Ernährung, Bluthochdruck, Aufklärung über psychosomatische Zusammenhänge, gesunde Lebensführung. Gesundheitserziehung im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft. Weiterhin ist die Teilnahme am Basisprogramm Gesundheit für jeden
Patienten verpflichtend. Schwerpunkt der Physiotherapie liegt in der Mobilisierung
des Patienten. Diesem Ziel dienen die zunächst durchgeführten passiven Anwendungen wie verschiedenste Bäder, Massagen, Fangopackungen, Kryotherapie,
Elektrotherapie, Kneippsche Anwendungen. Weiterführend werden individuelle Bewegungsprogramme durchgeführt mit entsprechender Aufklärung und Anleitung zu
selbständigen aktiven Bewegungsübungen mit dem Ziel, den Patienten zu einer aktiven Haltung hinzuführen.
Soziotherapie. Für viele Patienten in der Langzeittherapie ist die Hilfe und Unterstützung bei der Klärung sozialer Fragen und der beruflichen Wiedereingliederung
erforderlich, die die Abteilung Soziotherapie übernimmt. Die Aufgabe der Abteilung
Soziotherapie (Sozialarbeit/Nachsorge) besteht vornehmlich darin, den Patienten bei
der Klärung und Bewältigung von beruflichen, rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten sowie bei Wohnproblemen behilflich zu sein. Diese Hilfe findet dabei vorrangig nach dem Grundsatz »Hilfe zur Selbsthilfe« statt.
Weitere therapeutische Angebote. Zweimal pro Behandlungszeitraum finden
zweitägige Familienseminare statt. Die Seminare werden vom Bezugstherapeuten
im Rahmen der Wohngruppenzusammensetzung durchgeführt. Die Schwerpunkte
der Familienarbeit liegen neben Informationsvermittlung in der Förderung eines besseren Verständnisses der Partner füreinander, dem Erkennen von co-abhängigem
Verhalten und insgesamt der Herausarbeitung des Stellenwertes, den die Abhängigkeit des Patienten innerhalb des familiären Systems hat. Es wird versucht, die gegenseitigen Wahrnehmungen, die oft sehr verzerrt sind, zu analysieren und wieder
auf eine objektivere Basis zu stellen. Weiter geht es um die Formulierung von Wünschen und Bedürfnissen in der Partnerschaft und die Erwartungen an die Zukunft,
wobei die Vereinbarung konkreter Veränderungen angestrebt wird.
Heimfahrten werden im Sinne des Realitätstrainings mit genau geplanten und beschriebenen Fragestellungen für den familiären und beruflichen Bereich vorgenommen und nach Möglichkeit mit dem Besuch der Nachsorgestelle verbunden.
81
3.2
Das
psychoedukativund
kompetenzorientierte
Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
Im folgenden soll ein kurzer Überblick über das psychoedukativ- und kompetenzorientierte Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gegeben werden – Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Evaluationsstudie. Eine ausführliche Darstellung des Progamms findet sich bei Schmitz, Schuhler, Handke-Raubach & Jung (2001).
Bei dem Therapieprogramm handelt es sich, um eine Interventionsmaßnahme für
Patienten mit ausgewählten Persönlichkeitsstörungen bzw. unflexiblen Persönlichkeitsstilen aus dem ängstlichen und emotional-instabilen Cluster nach DSM-IV, mit
Orientierung an kognitiv-verhaltenstherapeutischen Grundsätzen. Es basiert in Abgrenzung zur stigmatisierenden Sprache und einseitigen Defizitorientierung des Persönlichkeitsstörungskonzepts auf dem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstile
und ist dadurch gekennzeichnet, dass es die besonderen Problemstellungen von
Patienten mit Persönlichkeitsstörungen durch eine stärkere Ressourcenorientierung
und Informierung des Patienten berücksichtigt.
Unter den Gesichtspunkten der "Ich-Syntonie" der Persönlichkeitsstörungen und der
günstigen Ergebnisse der vorliegenden Therapiestudien, die die Wirksamkeit des
sozialen Kompetenztrainings bei ausgewählten Persönlichkeitsstörungen untersuchen (vgl. Fiedler, 1995), umfasst die Interventionsmaßnahme sowohl psychoedukative als auch kompetenzorientierte Behandlungsbausteine und kann als Gruppenprogramm ökonomisch in das multimodale Behandlungsangebot der stationären
verhaltenstherapeutischen Psychosomatik und Suchttherapie eingegliedert werden.
Die Inhalte des Gruppenprogramms wurden in Anlehnung an die Arbeiten von Beck
und Mitarbeitern (1990), Benjamin (1993, 1996), Linehan (1993a, 1993b), Oldham
und Morris (1992), Riemann (1989), Schulz von Thun (1989a; 1989b), Turkat (1990)
und Young (1990) entwickelt. Im Gruppenprogramm wird mit kognitiven, erlebnisund verhaltensorientierten Methoden (z.B. Sokratischer Dialog, Disput irrationaler
Einstellungen, Phantasieübungen, szenischen Darstellungen und Rollenspielen,
Hausaufgaben etc.) gearbeitet, ergänzt durch vielfältige Wahrnehmungs- und Kommunikationsübungen und durch Methoden der Unterrichtsdidaktik (Lesematerial, Informationsvermittlung im Gruppengespräch, Kurzreferate, Kleingruppenarbeit, Fallbeispiele etc.).
3.2.1
Organisatorische Rahmenbedingungen
Das psychoedukative und kompetenzorientierte Gruppenprogramm verfolgt die Zielsetzung, frühzeitig im Therapieprozess den Patienten für eine Auseinandersetzung
mit dem eigenen Persönlichkeits- und Kommunikationsstil, seiner Entwicklung und
seinen Auswirkungen anzuregen.
Die organisatorischen Rahmenbedingungen des Gruppenprogramms sind zusammengefasst:
• Es handelt sich um eine halboffene Gruppe mit zwei eineinhalbstündigen Sitzungen wöchentlich.
• Der Einstieg neuer Patienten in das Gruppenprogramm erfolgt in 14-tägigem
Rhythmus.
82
• Es werden insgesamt 6 Persönlichkeitsstile und ihre Extremvarianten der Persönlichkeitsstörungen, im einzelnen der gewissenhafte Stil bzw. die zwanghafte Persönlichkeit, der dramatische Stil bzw. die histrionische Persönlichkeit, der anhängliche Stil bzw. die dependente Persönlichkeit, der selbstbewusste Stil bzw.
die narzisstische Persönlichkeit, der sensible Stil bzw. die selbstunsichere Persönlichkeit und der sprunghafte Stil bzw. die Borderline-Persönlichkeit, bearbeitet.
• Voraussetzung für die Gruppenteilnahme ist, dass der Patient in mindestens einem dieser sechs Persönlichkeitsstile eine starke Ausprägung aufweist im Sinne
einer Persönlichkeitsstörung.
• Für jeden Persönlichkeitsstil werden zwei Sitzungen durchgeführt, d.h. die Gruppe
umfasst insgesamt 12 Sitzungen und dauert 6 Wochen.
• Zu jedem Persönlichkeitsstil gibt es einen psychoedukativen Baustein als informierende Einführung und einen zweiten kompetenzorientierten Baustein als
Übungsteil.
3.2.2
Die psychoedukativen Themen
Im Einzelnen werden für jeden Persönlichkeitsstil die folgenden psychoedukativen
Themen behandelt.
Beschreibung des Persönlichkeitsstils mit seinen Stärken und Risiken/Schwächen. Anhand anschaulicher Beispiele, Rollenspiele, Narrative und
Falldarstellungen werden die Merkmale des jeweiligen Stils sowie seine Stärken und
Risiken/Schwächen herausgearbeitet. Dabei wird das charakteristische Muster des
Denkens, Fühlens und Verhaltens in verschiedenen Schlüsselbereichen des Lebens
erläutert: Selbstbild, Beziehungen, Arbeit, Gefühle, Selbstbeherrschung und Vorstellungen von der realen Welt (vgl. Oldham & Morris, 1992). Im Blickpunkt steht der
jeweilige Persönlichkeitsstil, die typische Art zu reagieren und sich mit anderen Menschen in Beziehung zu setzen. Dabei offenbaren sich die Stärken des Persönlichkeitsstils (z.B. pflichtbewusste Sorge, Hingabe und Leistung beim gewissenhaften
Stil), aber auch seine Risiken oder Schwächen (z.B. geringe Flexibilität, andere Arbeitsstile zu respektieren; geringe Fähigkeiten zum Abschalten oder Entspannen
beim gewissenhaften Stil), zu deren Überwindung es von Person zu Person ganz
unterschiedlicher Anregungen bedarf.
Klärung individueller Einstellungen und Verhaltenweisen. Im Rahmen einer
Paarübung beantworten die Teilnehmer - zunächst jeder für sich - einen Kurzfragebogen zur Erfassung von Einstellungen und Verhaltensweisen des jeweiligen Persönlichkeitsstils. Die Kurzfragebögen wurden aus leicht modifizierten Items des
Selbstportrait-Fragebogens (Oldham & Morris, 1992) und des Persönlichkeits-Stil
und Störungs-Inventar (PSSI; Kuhl & Kazen, 1997) zusammengestellt. Im anschließenden Paargespräch berichten sich die Teilnehmer gegenseitig ihre Selbst- und
Fremdeinschätzungen und überprüfen diese durch gegenseitiges Befragen nach
konkreten Erfahrungen und Beispielen.
Wenn der Persönlichkeitsstil zum Problem wird: Der Einfluss grundlegender
Überzeugungen auf das Verhalten in konkreten Situationen. Das Gruppenprogramm soll helfen, die eigenen Verhaltensweisen wahrzunehmen und zu erkennen,
in welchen Situationen sie zum Problem werden, woher sie kommen, wofür sie gut
83
sind und welche Folgen sie haben. An konkreten Beispielen und in szenischen
Übungen werden typische Problemsituationen für die extremen Varianten der Persönlichkeitsstile dargestellt und in Form modellhafter Verhaltensanalysen und kognitiv-interpersoneller Teufelskreise ausgewertet.
Ausgehend von den normalen, anpassungsfähigen Persönlichkeitsstilen mit großer
Variationsbreite werden dysfunktionale Stile (dysfunktionale Persönlichkeitsstile und
Persönlichkeitsstörungen) als deren extreme Ausprägung aufgefasst, als „Übertreibungen“ der jeweiligen Persönlichkeitsstile, die in unterschiedlichen Anteilen in jedem Menschen vorhanden sind. Diese dysfunktionalen Stile sind durch eine geringe
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sowie mangelnde Stressbewältigungsfähigkeiten gekennzeichnet (Millon, 1981). Auch wenn wir lieber auf den Begriff der Persönlichkeitsstörung gänzlich verzichtet hätten und ihn auch gerne für die Diagnostik
durch den Begriff des Persönlichkeitsstils austauschen würden, führen wir ihn unter
den gegebenen Verhältnissen zur Informierung der Patienten als Fachbegriff ein, der
zum professionellen Gebrauch bestimmt ist. Im sprachlichen Umgang werden Bezeichnungen wie „überentwickelte“ oder „unflexible“ Persönlichkeitsstile vorgezogen.
Es wird angenommen, dass dysfunktionale Stile in milderer Art universelle Umgangsformen sind. Es wird also nicht von einer dichotomen Abgrenzung von „normal“ und „gestört“ ausgegangen, sondern es werden fließende Übergänge angenommen, nach dem Motto „die Quantität des Persönlichkeitsstils in einem Kontinuum schafft Probleme im Leben, nicht seine Qualität“ (vgl. Oldham & Morris, 1992).
Am Beispiel typischer Problemsituationen wird das Verhalten mehrdimensional beschrieben und es werden für jeden Persönlichkeitsstil dysfunktionale grundlegende
Überzeugungen herausgearbeitet, die das Verhalten in konkreten Situationen prägen. Aus schematheoretischer oder kognitiv-verhaltenstherapeutischer Sicht werden
dysfunktionale Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen vorrangig als Beziehungsstörungen verstanden und es wird davon ausgegangen, dass die dysfunktionalen Schemata des Patienten eine zentrale Rolle bei Persönlichkeitsstörungen
spielen. Schemata sind äußerst stabile und durchgängige kognitiv-affektive Muster,
die sich in der Kindheit entwickeln und über ein Leben lang erweitert werden. Die
aktiven Schemata regeln die Informationsaufnahme, die Integration von Erfahrungen
in unsere persönliche Welt und bestimmen unsere Gefühle, unser Alltagsverhalten
sowie die Art und Weise, wie wir das Verhalten anderer wahrnehmen und wie wir
generell mit Menschen und Aufgaben umgehen (vgl. Beck et al., 1990; Young,
1990).
Der Einfluss von Erfahrungen aus Kindheit und Jugendzeit für die Entwicklung
des Persönlichkeitsstils. Die Einstellungen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen des Patienten sind nicht aus sich heraus entstanden sondern Ergebnis der Interaktion mit signifikanten Bezugspersonen. Für jeden Persönlichkeitsstil werden
prototypische Entwicklungskontexte und Beziehungserfahrungen erarbeitet, die im
Kontext eines biopsychosozialen Erklärungsmodells die Entwicklung dysfunktionaler
Schemata/Überzeugungen und Stile begünstigen können (vgl. Benjamin, 1993;
Millon, 1996; Millon & Everly, 1985; Sperry, 1995).
Das frühkindliche Beziehungsumfeld prägt wesentlich die Kategorien, mit denen das
Individuum seine Welt von individuellen Bedeutungen konstruiert. Der kognitivverhaltenstherapeutische Erklärungsansatz hebt die chronisch ungünstigen und
häufig traumatischen Sozialisationsbedingungen bei Individuen mit Persönlichkeitsstörungen hervor und betont die Rolle früher Beziehungserfahrungen für die Entwicklung der Kernschemata und Problembereiche. Um z.B. ein positives Selbstwert84
gefühl zu entwickeln, brauchen Kinder die Liebe und den Respekt der Eltern und
Geschwister sowie die Anerkennung Gleichaltriger. Wenn Kinder nicht genug Respekt, Liebe und Anerkennung erhalten und stattdessen übermäßig kritisiert oder
bestraft werden, sind sie vulnerabel für die Schemata der Wertlosigkeit: Unzulänglichkeit/nicht liebenswert sein, soziale Unerwünschtheit, Inkompetenz/Versagen,
Schuld/Strafe oder Scham/Verlegenheit. Das Verhalten der Betroffenen wird als eine
aus der individuellen Lerngeschichte nachvollziehbare und subjektiv sinnhafte, im
weiteren Lebenslauf aber untaugliche Anpassungs- und Überlebensstrategie zum
Schutz der eigenen zwischenmenschlichen Verletzbarkeit aufgefasst. Die Zusammenhänge zwischen den aktuellen interpersonellen Bedürfnissen, Einstellungen und
Verhaltensweisen und der eigenen Lern- und Entwicklungsgeschichte sind den Betroffenen meistens nicht bewusst. Eine wichtige Aufgabe der Therapie besteht darin,
dem Patienten dabei zu helfen, diese Zusammenhänge wahrzunehmen und ihm
damit ein Erklärungsmodell für sein Verhalten zu bieten. Dies löst zwar noch nicht
die Schwierigkeiten, entlastet aber und macht sie verständlich und nachvollziehbar.
Ziel ist ebenfalls, zu akzeptieren, dass die Probleme nur durch einen selbst vermindert werden können, auch wenn sie durch andere „verschuldet“ worden sind (vgl.
Linehan, 1993a).
Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung des Persönlichkeitsstils. Welchen Einfluss hat der Persönlichkeitsstil eines Menschen auf seine persönliche und
berufliche Beziehungsgestaltung, welche Reaktionen bewirkt er und welche Rückwirkungen hat dies für den Betroffenen? Die individualpsychologische Betrachtung
der Entwicklung dysfunktionaler Stile wird durch eine systemische Analyse prototypischer Beziehungserfahrungen ergänzt. Am Modell der „Teufelskreise“ (vgl. Schulz
von Thun, 1989b) werden für jeden Stil prototypische Beziehungserfahrungen dargestellt bzw. erarbeitet, die wesentlich zur Aufrechterhaltung dysfunktionaler Stile
beitragen. Die Patienten können in die Erarbeitung dieser Teufelskreise miteinbezogen werden und haben dann z.B. die Aufgabe, typische Beziehungsabläufe (z.B.
klammerndes Verhalten bei abhängigem/dependentem Stil, kontrollierendes und
bestimmendes Verhalten bei gewissenhaftem/zwanghaftem Stil) szenisch und „ohne
Worte“ darzustellen. Ziel ist es, die Beziehungsgestaltung aus der Distanz einer Vogelperspektive zu betrachten und die eigene Mitverantwortung für die bestehenden
zwischenmenschlichen Schwierigkeiten wahrzunehmen.
Der Einfluss des Persönlichkeitsstils auf die Entwicklung psychischer und
psychosomatischer Störungen. Für jeden Persönlichkeitsstil wird an Beispielen
aufgezeigt, wie sich symptomatische Störungen vor dem Hintergrund dysfunktionaler
Stile entwickeln können (vgl. Millon & Everly, 1985), und die Patienten werden aufgefordert, über eigene Erfahrungen zu berichten.
Aus klinischer Sicht sehen wir die Entwicklung symptomatischer Störungen bei Patienten mit dysfunktionalen Stilen oft vor dem Hintergrund zunehmender interpersoneller Anforderungen, Belastungen und Konflikte der Betroffenen in der jeweiligen
Lebenssituation und einem Mangel an grundlegenden psychosozialen Kompetenzen. Im Krankheitsverlauf gewinnt die symptomatische Störung dann meist eine Eigendynamik (z.B. Teufelskreis bei Angststörungen) und eine spezifische intrapsychische und interpersonelle Funktionalität im Sinne eines unangemessenen Bewältigungsversuchs des Patienten (z.B. Schutz des fragilen Selbstbildes, Spannungsreduktion, Zuwendung). So können sich z.B. bei Patienten mit narzisstischer Persönlichkeit depressive Störungen entwickeln als Folge der Enttäuschung grandioser Er85
wartungen. Somatoforme Störungen ermöglichen über einen sozial anerkannten
Weg den klassischen sekundären Krankheitsgewinn durch Aufmerksamkeit und
Zuwendung und sind eine annehmbare Erklärung dafür, dass in der Realität nicht
erreicht wurde, was aufgrund grandioser Erwartungen möglich gewesen wäre. Eine
Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch andere kann sich als soziale
Phobie manifestieren und uneingestandene Spannungen auf Grund dieser Überempfindlichkeit können mit Alkohol oder Medikamenten abgebaut werden.
3.2.3
Die kompetenzorientierten Bausteine
Als Starthilfe für den Patienten und für die Einzeltherapie werden für jeden Persönlichkeitsstil Anregungen gegeben und Übungen durchgeführt, um neue Perspektiven, Erfahrungen und Kompetenzen zu fördern.
Richtungen der Persönlichkeitsentwicklung. Anhand des Modells der Werte- und
Entwicklungsquadrate (vgl. Schulz von Thun, 1989b) werden für jeden Persönlichkeitsstil Entwicklungsrichtungen aufgezeigt. Mittels dieses gedanklichen Werkzeuges, in dem das dialektische Denken verankert ist, ist es möglich, für jeden Wert
bzw. für jede (Persönlichkeits-)Eigenschaft eine klare Zielrichtung von Entwicklungsmöglichkeiten und Interventionsmaßnahmen zu bilden. Bei einer dialektischen
Betrachtungsweise wird davon ausgegangen, dass jeder Wert nur dann konstruktiv
ist, wenn er zu einem positivem Gegenwert, einer sogenannten „Schwestertugend“,
in einer ausgewogenen Balance steht. Besteht eine solche Balance nicht, kann ein
Wert „verkommen“ (in unserer Sprache des Guten zu viel werden) und zu einer
Übertreibung werden. Übertragen auf unser Konzept heißt das, dass in den Persönlichkeitsstilen bestimmte, für das Zusammenleben der Menschen unverzichtbare
Qualitäten verwirklicht sind, die zur Belastung werden können, wenn sie nicht durch
die entsprechenden Gegenqualitäten ausbalanciert werden. So kann z.B. Akzeptanz
ohne Konfrontation zu konfliktscheuer Harmonisierung führen, während Konfrontation ohne akzeptierende Haltung zu Entwertung führt.
Machen sie das Beste aus ihrem Stil. Für jeden Persönlichkeitsstil werden spezifische Anregungen gegeben, die neue Erfahrungen und Kompetenzen im Denken,
Erleben und Verhalten ermöglichen.
Ausgewählte Übungsschwerpunkte. Für jeden Persönlichkeitsstil werden ausgewählte Übungen und Rollenspiele durchgeführt (Motto: "Ohne Übung kein Meister").
Die thematischen Schwerpunkte für die einzelnen Persönlichkeitsstile sind in wiedergegeben.
86
Tab. 9
Persönlichkeitsstile und psychosoziale Fertigkeiten
Persönlichkeitsstil
(Persönlichkeitsstörung)
Gewissenhafter Stil
(Zwanghafte Persönlichkeitsstörung)
Dramatischer Stil
(Histrionische Persönlichkeitsstörung)
Anhänglicher Stil
(Dependente Persönlichkeitsstörung)
Selbstbewusster Stil
(Narzisstische Persönlichkeitsstörung)
Sensibler Stil
(Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung)
Sprunghafter Stil
(Borderline-Persönlichkeitsstörung)
3.2.4
Psychosoziale Fertigkeiten
Gelassenheit und Genussfähigkeit
Wahrnehmungsschulung und Konfliktfähigkeit
Selbstverantwortliches Handeln,
Wahrnehmung und Ausdruck eigener Gefühle und
Bedürfnisse
Einfühlungsvermögen und Umgang mit Kritik
Selbstsicheres Verhalten und Durchsetzung eigener Rechte
Achtsamkeit und Umgang mit Gefühlsstürmen
Zielsetzungen und Besonderheiten
Im Unterschied zu Behandlungs- und Gruppenkonzepten für Patienten mit spezifischen Persönlichkeitsstörungen basiert das Konzept auf einer heterogenen Gruppenzusammensetzung und es werden verschiedene Persönlichkeitsstile bzw. Persönlichkeitsstörungen bearbeitet. Für dieses Vorgehen sprechen nicht nur die hohen
inneren Komorbiditäten bei Persönlichkeitsstörungen (vgl. Fydrich et al., 1996a),
sondern auch, dass die Patienten so nicht nur etwas über die Persönlichkeitsstile
erfahren, die sie direkt betreffen, sondern dass sie auch mit anderen Stilen konfrontiert werden, in die es gilt, sich hineinzuversetzen und damit Verständnis zu entwikkeln für unterschiedliche interpersonelle Bedürfnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen. Patienten mit Persönlichkeitsstörungen erleben die Welt oft nur aus der eigenen egozentrischen Perspektive (Liotti, 1992), sie haben dann nur geringe Fähigkeiten der Perspektivenübernahme, d.h. sie können sich nur wenig in das Erleben
anderer hineinversetzen, den Standpunkt oder Blickwinkel eines anderen einnehmen. So verstehen wir die Gruppe unter diesem Aspekt als ein Übungsfeld zur Förderung von Fähigkeiten der Perspektivenübernahme. Die Verschiedenheit der Gruppenteilnehmer kann sich im kompetenzorientierten Übungsteil dann besonders günstig auswirken, wenn die positiven Seiten oder Stärken der einzelnen Stile in einem
ausgewogenen Verhältnis (z.B. von Einfühlung und Abgrenzung) situationsgerecht in
den konkreten Übungen und Rollenspielen zum Ausdruck kommen. Dies fördert
auch ein positives Gruppenklima und die gegenseitige Wertschätzung und Toleranz.
Die Zielsetzungen des Gruppenprogramms sind sowohl verstehens- als auch veränderungsorientiert, d.h. es geht nicht nur darum, sich selbst und andere Menschen
besser zu verstehen und damit die Selbstakzeptanz, Menschenkenntnis und Toleranz zu fördern, sondern auch darum, Anregungen für die Förderung psychosozialer
Fertigkeiten zu geben und diese zu üben.
Die Besonderheiten des Gruppenprogramms liegen in seiner Themenbreite, seiner
Transparenz und vorgegebenen Struktur, in der Vielfalt der therapeutischen Methoden und Vorgehensweisen wie auch in den vorbereiteten Arbeitsmaterialien und
Hausaufgaben, die eine kontinuierliche Arbeit gewährleisten (vgl. Schmitz, Ecker &
Hofmann, 1991).
87
Die übersichtliche und für jeden Persönlichkeitsstil identische Struktur des Programms trägt zur Entängstigung bei und gibt durch seinen psychoedukativen Charakter besonders misstrauischen, sozial ängstlichen oder affektiv instabilen Patienten Halt und einen Orientierungsrahmen mit mäßigem Anspruch an Nähe und Beziehungsintensität. Die Themen bedrängen weniger und machen eher neugierig, weil
sie überschaubar sind und wechseln. Durch unterschiedliche Vorgehensweisen wird
ein anregender und lebendiger Zugang ermöglicht, und Informationen erzeugen weniger Abwehr und Widerstand, wenn sie sachlich berichtet werden und die Gruppe
der Adressat ist und weniger der Einzelne in der direkten Konfrontation. Die therapeutischen Interventionen sollten durch einfühlendes Verstehen und Anteilnahme
geleitet sein, die Gruppenatmosphäre sollte unterstützend und nicht bedrohlich wirken. Darüber hinaus bemühen wir uns durch die Vergabe von Hausaufgaben in
Kleingruppenarbeit, die aktive Mitarbeit der Patienten und die Kontaktaufnahme untereinander direkt zu fördern. Psychoedukation verstehen wir als "lebendigen Lernprozess" der gemeinsamen und kreativen Erarbeitung relevanter Informationen und
nicht als einseitige Kommunikation in einer asymmetrischen Beziehungsgestaltung
(vgl. Schmitz et al., 2000).
88
4
Evaluation
4.1
Herleitung der Hypothesen
4.1.1
Übergeordnete inhaltliche Hypothese
Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen oder somatoformen Störungen und komorbider Persönlichkeitsstörung (der Fachklinik Bad Dürkheim) bzw. alkohol- und/oder medikamentenabhängige Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung (der Fachklinik Münchwies), die zusätzlich an einem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, erzielen günstigere Rehabilitationsergebnisse als Patienten mit symptomatischen Störungen
und Persönlichkeitsstörungen, die nur am etablierten Behandlungsprogramm teilnehmen. Die Daten zum Messzeitpunkt Beginn der Rehabilitation (stationäre Aufnahme) werden mit den Daten zu den Zeitpunkten:
Ende der Rehabilitation (stationäre Entlassung)
1 Jahr nach dem Ende der Rehabilitation (1-Jahres-Katamnese)
verglichen.
Die empirische Therapieforschung der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung von Persönlichkeitsstörungen steht noch am Anfang (Fiedler, 2001). Es gibt vor
allem wenig kontrollierte Wirksamkeitsstudien zur speziellen Effektivität kognitivverhaltenstherapeutischer Behandlung von Patienten, bei denen auf der Grundlage
einer reliablen und validen Diagnostik eine Persönlichkeitsstörung festgestellt wurde.
Im Feld der stationären psychosomatischen - und Suchtrehabilitation mit ihren besonderen Anforderungen an die psychosoziale Belastbarkeit, vornehmlich im Arbeitsleben, steht eine solche Überprüfung noch ganz aus. Die, wenn auch nicht zahlreichen, vorliegenden Ergebnisse belegen jedoch die Effizienz kognitivverhaltenstherapeutisch ausgerichteter Behandlungen, vornehmlich der BorderlinePersönlichkeitsstörung (Linehan, 1994) und verhaltenstherapeutischer Behandlungen im Sinne eines Expositionstrainings und dem Training von social skills im Rahmen der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung (Beck et al., 1990; Arntz, 1994;
Cappe & Alden, 1986; Alden, 1989; Alden & Capreol, 1993; Renneberg et al., 1990),
und der dissozialen Persönlichkeitsstörung (Dolan & Coid, 1993). Kennzeichnend für
die bisherige Forschungsarbeit ist die Schwerpunktsetzung der eingesetzten Behandlungsprogramme: Typischerweise richten sich die Interventionsprogramme auf
die Förderung von Kompetenzen im Erlebens- und Verhaltensbereich, von denen
angenommen werden kann, daß die Persönlichkeitsstörung diese beeinträchtigen,
und stellen nicht direkt die Persönlichkeitsstörung in den Fokus der Behandlung. Eine Ausnahme bildet dabei am ehesten das Borderline-Therapiekonzept von Linehan.
Der Meinung, daß Persönlichkeitsstörungen nicht unmittelbar oder direkt zum Gegenstand der Behandlung gemacht werden, sondern nur mittelbar angegangen werden sollten, stehen Ansätze aus jüngster Zeit gegenüber, die die Persönlichkeitsstörung explizit in den Fokus der Behandlung rücken (Schmitz & Handke-Raubach,
2001). In diesem Spannungsfeld ist die übergeordnete Hypothese des Projekts angesiedelt, die ein neues persönlichkeitsstörungsspezifisches stationäres (Gruppen)Therapieprogramm mit dem herkömmlichen stationären Programm der Rehabilitati89
onskliniken vergleichend gegenüberstellt. Dieses herkömmliche stationäre Therapieprogramm der Kliniken stellt bereits in hohem Maß Interventionsprogramme im
Gruppen- und parallelen Einzelsetting bereit, die sich hinsichtlich der Persönlichkeitsstörung unsystematisch auf Defizite im Interaktionsverhalten und der Selbststeuerung richten (s. Institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen). Das
heißt, daß im üblichen Therapieprogramm bereits in dichter Form persönlichkeitsbedingte Interaktions- und Selbstregulationsprobleme, beispielsweise im Selbstsicherheitstraining, in den Problemlösegruppen, in der interaktionellen Gruppentherapie angegangen werden. Aber: die bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen zugrundeliegende Persönlichkeitsproblematik wird bislang nicht systematisch in den
Fokus gerückt. Bei dem herkömmlichen Therapieprogramm wird dabei davon ausgegangen, daß sich mit veränderten Interaktions- und Selbststeuerungsmustern
mutmaßlich auch die Persönlichkeitsmerkmale von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in wünschenswerter Weise verändern.
Die Leithypothese greift nun die Hinweise aus der jüngsten Therapieforschung über
Persönlichkeitsstörungen auf, die vielversprechende günstige Effekte durch ein, auf
die Persönlichkeitsstörung fokussierendes Vorgehen vermuten lassen (Schmitz,
1999): Besonders hervorzuheben ist die große Akzeptanz des in der Studie realisierten psychoedukativen Vorgehens, das ausgewählte Persönlichkeitsstile, die sich
im Extrem als dysfunktionale Stile oder Störungen darstellen, in ihren Merkmalen,
Stärken und Risiken bzw. Schwächen und in ihren Entwicklungsbedingungen beschreibt und erarbeitet. Darüber hinaus wurden den Patienten funktionale Zusammenhänge zwischen akzentuierten Persönlichkeitsstilen und symptomatischen psychischen Störungen aufgezeigt. Die ersten positiven Erfahrungen mit diesem psychoedukativen, auf die Persönlichkeitsstörung fokussierenden, dabei aber entängstigenden Ansatz bestimmen das zur Evaluation stehende störungsspezifische Gruppenprogramm, das in der Leithypothese mit dem in dichter Form bereits auf Erlebens- und Verhaltensdefizite auf dem Boden von Persönlichkeitsstörungen zugeschnittenen herkömmliche Therapieprogramm verglichen wird.
Persönlichkeitsstörungen gehen typischerweise mit anderen spezifischen psychischen Störungen und Syndromen einher und gelten als Risikofaktoren für eine später einsetzende evtl. Entwicklung spezifischer psychischer Störungen. Dafür sprechen die hohen Komorbiditätsraten zwischen Persönlichkeitsstörung und Störungen
der Achse-I-Ebene. Jedoch ist auch dieser Bereich erst in Ansätzen erforscht
(Stuart et al.; Fydrich et al., 1996). Die dependente, zwanghafte und narzißtische
Persönlichkeitsstörung geben offensichtlich häufig den Boden für die Entwicklung
affektiver, insbesondere dysthymer Störungen, selbstunsichere, aber auch dependente Persönlichkeitsstörungen gehen oft mit Angst- und Panikstörungen einher
(Reich et al., 1987). Die Borderline-Persönlichkeitsstörung scheint häufig der Entwicklung einer dysthymen oder bipolaren Störung zugrunde zu liegen (Gundersson
& Phillips, 1991). In großem Maß werden komorbide Abhängigkeitserkrankungen auf
dem Boden einer Persönlichkeitsstörung festgestellt (Schuhler et al., 2000). Suchtmittel bieten sich dependenten Persönlichkeiten zur vermeintlichen Rückenstärkung
und Hilfe an, die auf anderem Weg nicht erreicht werden kann, d.h. komorbide dependente Persönlichkeitsstörungen werden häufig bei Abhängigkeitserkrankungen
beschrieben (Greenberg & Bornstein, 1988). Vornehmlich werden jedoch komorbide
mehrfache Persönlichkeitsstörungen als sogenannte "innere Komorbidität" beschrieben (Driessen & Hill, 1998). Die Ergebnisse der Komorbiditätsstudien, die sich auf
90
die Veränderbarkeit von Achse-I-Störungen bei komorbiden Persönlichkeitsstörungen beziehen, sind widersprüchlich: Einerseits werden ungünstigere Verläufe, andererseits aber auch günstigere Verläufe berichtet (Chambless et al., 1992). Studien,
die mit Borderline-Patienten durchgeführt wurden (Pope et al., 1983; McGlashan,
1987) zeigten günstigere Langzeitverläufe nach Therapieende, wenn zusätzlich zur
Borderline-Persönlichkeitsstörung eine affektive Störung diagnostiziert worden war,
sowohl störungsbezogen als auch im Hinblick auf die soziale Anpassung. Differentielle Behandlungseffekte in Abhängigkeit von einer komorbiden Persönlichkeitsstörung bei Suchterkrankungen sind bislang nicht eindeutig belegt, es wird jedoch von
weniger erfolgreichen Behandlungsergebnissen ausgegangen.
Die ohnehin schmale Forschungsbasis hinsichtlich der Komorbidität der Persönlichkeitsstörungen gegenüber den spezifischen psychischen Störungen und Abhängigkeitserkrankungen liefert bislang erst recht keine gesicherten Ergebnisse hinsichtlich
der Frage, inwiefern eine wünschenswerte Entwicklung der Persönlichkeitsstörung
zu einer systematischen Veränderung der Achse-I-Störungen führt. Im Bereich der
Abhängigkeitserkrankungen werden Persönlichkeitsstörungen als extrem erschwerende Bedingung für therapeutische Maßnahmen diskutiert (Fiedler, 2001). Die
Leithypothese geht nun davon aus, daß sich bei den Patienten, die an dem neuen
störungsspezifischen Gruppenprogramm teilgenommen haben, und bei denen größere Effekte hinsichtlich der Veränderung der Persönlichkeitsstörungsmerkmale erwartet werden, auch größere Effekte hinsichtlich der Achse-I-Störungen erwartet
werden können.
Die Leithypothese sagt günstigere Rehabilitationsergebnisse bei den Patienten voraus, die an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Programm teilgenommen haben. Rehabilitation richtet sich ganz allgemein auf die Störungen intrinsicher
Systeme, z.B. der physiologischen oder psychologischen Funktionen (impairments)
und auf Störungen der Fähigkeiten, die üblichen Aktivitäten des täglichen Lebens
(Alltag, Beruf, Freizeit, Partnerschaft) durchzuführen (disabilities), sowie auf die Störungen des sozialen Gleichgewichts (handicaps). Es liegt auf der Hand, daß bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen die Rehabilitationsziele im Sinn von der Beseitigung bzw. Reduzierung der Fähigkeitsstörungen und sozial beeinträchtigenden
Bedingungen dann eher erreicht werden, wenn die dysfunktionalen Persönlichkeitsmerkmale günstig beeinflußt werden konnten.
4.1.2
Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen
Problembereiche
Das neue störungsspezifische Programm legt den Fokus der therapeutischen Intervention auf die explizite Beschäftigung mit der Persönlichkeitsstörung und zeigt die
jeweils spezifischen Besonderheiten auf. Der Übungsteil ist stets eingebettet in den
Kontext der jeweiligen Persönlichkeitsstörung und wird nicht nur mittelbar, bei bekannten Interaktions- und Selbststeuerungsprobleme eingesetzt, von den angenommen werden kann, daß diese bei der jeweiligen Persönlichkeitsstörung auftreten. Obwohl die Untersuchungsteilnehmer auch diese Form der Intervention durch
die Teilnahme an dem herkömmlichen Therapieprogramm erfahren haben, vermuten
die Hypothesen, die sich auf die Veränderung der interpersonellen Problembereiche
richten, eine relative Überlegenheit der Patienten der Experimentalgruppe.
91
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze, die auf die Veränderung
interpersoneller Problembereiche bei Persönlichkeiten zielen, zeigen widersprüchliche Befunde: Turkat & Maisto (1985) schildern fehlgeschlagene Versuche bei Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung ein verhaltenstherapeutisches Training sozialer Kompetenz durchführen zu wollen. Die Versuche scheiterten offenbar
an der Therapiebereitschaft der Patienten, die zwar die Zielrichtung des Therapieprogramms angemessen fanden, aber dennoch nicht bereit waren, an der Therapie
teilzunehmen. Beck et al. (1989), betonen die besonderen Möglichkeiten der kognitiven Therapie bei zwanghaften Persönlichkeitsstörungen, wenn diese klare und systematische Problemlöseangebote mache. Besonders hingewiesen wird auf den therapeutischen Nutzen von Hausaufgaben, deren eingegrenzte und klare Struktur der
zwanghaften Persönlichkeitsorganisation der Patienten entgegenkomme. Beck weist
auf die besondere Bedeutung der ausgewählten Übungen im Verhaltensbereich hin,
da gerade die zwanghafte Persönlichkeit ihr nicht einsichtige Methoden ablehne.
Auch hier erfolgt wieder der Verweis, daß die eingesetzten Hausaufgaben für den
Patienten nachvollziehbar mit dem ihm zur Verfügung gestellten Erklärungsmodell in
Übereinstimmung gebracht werden muß. Fiedler (2001) betont die Bedeutung eines
fokusbildenden Konfliktmanagements, das die Verbesserung der interpersonellen
und/oder intrapsychischen Selbsteinsicht und die Kompetenz im Umgang mit interaktionellen Konflikten zum Ziel haben muß. Gerade die Ergebnisse zur Veränderung
der zwanghaften Persönlichkeitsstörung weist auf die mögliche Potenz eines persönlichkeitsstörungsspezifischen Behandlungsansatzes hin, der Erklärungsmodell
und darauf bezogene Verhaltensübungen im Kontext anbietet.
Auch die Behandlungserfahrungen bei der Therapie histrionischer Persönlichkeitsstörungen verweisen auf die Bedeutung klar strukturierten Vorgehens und der Möglichkeiten zum Erproben der Selbstkontrolle wie Hausaufgaben, Selbstbeobachtung,
Selbstevaluation und Selbstmanagement (Fiedler, 2001).
Für die Behandlung dependenter Persönlichkeitsstörungen wird ausdrücklich vorgeschlagen, die Diagnose der dependenten Persönlichkeitsstörung transparent zu machen und aus ihr Therapieziele abzuleiten, wie eine Verbesserung der persönlichen
Möglichkeiten, Ressourcen oder Kompetenzen, die dem Patienten langfristig, von
anderen Menschen unabhängige Entscheidungen erlauben (Benjamin, 1995; Fiedler, 1994). Explizit wird darauf verwiesen, daß Aufklärung und Information den Patienten helfen können, ihre Interaktionsschwierigkeiten und Hilflosigkeit in der sozialen
Interaktion besser einzuordnen und daß die Therapiemotivation dadurch ansteigt.
Hinsichtlich konkreter Therapieempfehlungen wird jedoch nur unspezifisch auf social
skills-Trainingsprogramme verwiesen. Vogelgesang (2001) beschreibt interessanterweise einen Therapieansatz bei abhängigen Patientinnen mit dependenter Persönlichkeitsstörung, bei dem die Rationale der dependenten Störung erarbeitet wird
und die verhaltensorientierten Übungsschritte darauf bezogen werden.
Die ersten Behandlungsansätze aus der Verhaltenstherapie und der kognitiven Therapie zur Behandlung von Borderline-Störungen ist vom Ansatz von Linehan (1993)
geprägt. Darin steht die Ressourcenaktivierung und Kompetenzförderung im Rahmen eines psychoedukativen Trainings interaktiver Kompetenzen im Vordergrund.
Untersuchungsergebnisse über die Wirksamkeit dieses Therapieansatzes im
deutschsprachigen Raum (Bohus et al., 1996, 2000) sind ermutigend. Die Verbin92
dung von Psychoedukation und darauf bezogenem Verhaltens- und Erlebenstraining, wie dies im persönlichkeitsstörungsspezifischen Therapieprogramm erfolgt,
erfährt durch den Linehan'schen Ansatz Unterstützung.
In der Verhaltenstherapie und kognitiven Therapie liegen zur Veränderung narzißtischer Persönlichkeitsstörungen nur Fallberichte vor, in denen die narzißtische Persönlichkeitsstörung nicht unmittelbar im Fokus der Behandlung stand (Turkat & Maisto, 1985; Turkat, 1990). Überlegungen zum konzeptionellen Vorgehen (Beck et al.,
1989; Fiedler, 2001) betonen die Interaktionsprobleme, die durch fehlende Empathie
und der Angst vor kritischer Bewertung durch andere geprägt sind. Vorgeschlagen
wird eine zweigleisige Strategie, die behutsam korrigierendes Feedback zu den narzißtisch getönten Interpretationen des Patienten vorsieht, sowie die Nutzung von
Rollenspielen und der Einsatz von Trainingsmaterialien, die der klientenzentrierten
Therapie zum Empathietraining von Therapeuten entlehnt sind. Auch im Bereich der
narzißtischen Persönlichkeitsstörungen fällt auf, daß zwar die Bedeutung der Vermittlung von Erklärungsmodellen betont wird, aber andererseits die empfohlenen
Therapieschritte auf der Verhaltensebene nicht systematisch darauf bezogen werden, sondern eher lose damit verknüpft werden. Modelle, die Interaktionsprobleme
erklären, behutsames Feedback in aktuellen Interaktionen während des therapeutischen Verlaufs, sowie Rollenspielerfahrungen und Empathieübungen werden gehäuft auch im herkömmlichen Therapieprogramm durchgeführt. Das systematische
Aufeinanderbezogensein vom Verstehensmodell der eigenen Interaktions- und
Selbstregulationsprobleme sowie die darauf bezogenen Übungen und selbständig zu
bearbeitenden Materialien bedingen jedoch einen Therapieerfolg, der über das Ergebnis durch die herkömmliche Therapie hinausgeht. Die Hypothesen zur Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen Probleme vermuten entsprechend eine Überlegenheit des persönlichkeitsstörungsspezifischen Programms,
das Erklärungsmodell einerseits und Verhaltenstraining bzw. Hausaufgaben andererseits in systematischer Weise miteinander verbindet.
Die inhaltlichen Hypothesen zur Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der
interpersonellen Problembereiche in der Selbstbeschreibung der Patienten sagen
voraus, daß Patienten der Experimentalgruppe günstigere Veränderungen zeigen
als die Patienten, die am herkömmlichen Therapieprogramm teilgenommen haben.
Dieser Effekt zeigt sich auch hinsichtlich der Persönlichkeitsfähigkeiten und dem
Ausmaß interpersoneller Probleme in der sozialen Angst und Inkompetenz.
4.1.2.1
Selbstbeurteilung „Persönlichkeitsstörung vs. Persönlichkeitsstile“
Patienten der ExG zeigen eine ausgeprägtere Abschwächung des jeweils mit ihrer
Persönlichkeitsstörungsdiagnose korrespondierenden Persönlichkeitsstils gegenüber
vergleichbaren Patienten der KoG.
Im dichten thematischen- und Erlebenskontext wird Informationsvermittlung und Aufklärung über das Störungsbild und der darauf direkt bezogene Übungsteil sechsmal
im neuen Programm umgesetzt. Dies führt zu größeren günstigen Veränderungen
als das herkömmliche Therapieprogramm, das persönlichkeitsstörungsbezogene
Informationen und Aufklärung sowie Therapieangebote im Erlebens- und Verhaltensbereich zwar enthält, aber nicht in der systematisierten und unmittelbaren Form.
93
Das persönlichkeitsstörungsspezifische Gruppentherapieprogramm ermöglicht eine
intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Persönlichkeits- und Kommunikationsstil, seiner Entwicklung und seiner Auswirkungen. Von der Teilnahme an anderen, identisch aufgebauten Programmelementen als dem eigenen Persönlichkeitsund Kommunikationsstil wird ein Transferprozeß erwartet, der die gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten, bezogen auf die eigene Persönlichkeitseigenart, vertieft
und flexibilisiert. Aus diesen beiden Gründen sind größere Effekte im Behandlungsergebnis zu erwarten als bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die am herkömmlichen Behandlungsprogramm teilnehmen, das nur unsystematisch und mittelbar Therapieelemente zur Persönlichkeitsstörung bereithält. Diese Überlegenheit
zeigt sich in der Beurteilung, wie stark die Ausprägung bestimmter wesentlicher Persönlichkeitsmerkmale in der sozialen Interaktionsfähigkeit beurteilt werden. Vermutlich dürften die psychoedukativen Themenbereiche „die charakteristischen Merkmale
des Persönlichkeitsstils mit seinen Stärken und Schwächen“, die „Klärung individueller Einstellungen und Verhaltensweisen“, die Darstellung und Analyse typischer
Problemsituationen, die darauf hinausläuft, darzulegen, wann der eigene Persönlichkeitsstil zum Problem wird und die Anregungen für die persönliche Entwicklung und
Beziehungsgestaltung in Kombination mit den direkt darauf bezogenen Übungsteilen
und Hausaufgabenelementen die wesentliche Treatmentvariable dafür sein.
4.1.2.2
Selbstbeurteilung "Persönlichkeitsfähigkeiten im sozialen Kontakt "
Patienten der ExG zeigen größere Verbesserungen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeitsfähigkeiten als vergleichbare Patienten der KoG.
Das persönlichkeitsstörungsspezifische Programm trägt zu größeren Verbesserungen hinsichtlich der Persönlichkeitsfähigkeiten bei als die Teilnahme am herkömmlichen Gruppentherapieprogramm. Persönlichkeitsfähigkeiten werden verstanden als
Fähigkeit, andere zu unterstützen und Hilfestellung zu geben, eigene Interessen
durchzusetzen, Geduld zu haben, Fähigkeit, Kontakte zuknüpfen und zu wahren,
Emotionen zu kontrollieren und Konflikte auszutragen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Patienten der Experimentalgruppe auf der Basis der Klärung individueller Einstellungen und Verhaltensweisen sich mit der Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung des eigenen Persönlichkeitsstils, unter besonderer Betonung der
Auswirkungen auf andere, beschäftigen. In engem thematischen Zusammenhang
und unter stetem Rückgriff auf die zuvor vermittelten Konzepte werden diese interaktionellen Einsichten im Übungsteil und durch Hausaufgaben umgesetzt und vertieft. Darin ist die Überlegenheit des persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppenprogramms zu sehen im Vergleich mit dem nur unsystematisch und mittelbar vermittelnden Elementen im herkömmlichen Therapieprogramm.
4.1.2.3
Selbstbeurteilung "Interpersonelle Probleme"
Patienten der ExG zeigen größere Effekte als vergleichbare Patienten der KoG, und
zwar hinsichtlich von Veränderungen hin zur Mitte.
Die Bewertung interaktioneller Probleme und Persönlichkeitseigenarten kann grundsätzlich auf den Dimensionen freundlich-unfreundlich und dominant-submissiv ein94
geordnet werden. die darauf bezogene Hypothese lautet, daß Patienten, die an dem
persönlichkeitsstörungsspezifischen Programm teilnehmen, größere Verbesserungen hinsichtlich weniger extremer Ausprägungen auf den beiden bipolaren Dimensionen zeigen, als Patienten, die am herkömmlichen Behandlungsprogramm teilnehmen. Insbesondere das psychoedukative Programmelement “der Einfluß grundlegender Überzeugungen auf das Verhalten in konkreten Situationen" in Verbindung
mit dem Programmelement “Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung des Persönlichkeitsstils”, die in dem Übungsorientierten und Aufgabenteil wieder aufgegriffen werden und in weiteren fünf verschiedenen Kontexten dargeboten werden, tragen zur Überlegenheit des persönlichkeitsstörungsspezifischen Programms bei.
4.1.2.4
Soziale Angst und Inkompetenz
Patienten der ExG zeigen größere Verbesserungen hinsichtlich sozialer Angst und
Inkompetenz als vergleichbare Patienten der KoG.
Soziale Angst als Fehlschlag und Kritikangst, als Ängstlichkeit im sozialen Kontakt
und übergrößer Nachgiebigkeit in interaktiven Zusammenhängen, die mit übertriebenen Schuldgefühlen verknüpft ist, sowie als mangelnde Kenntnis realitätsadäquatem Verhalten wird durch das neue Programm günstiger beeinflusst als durch
das herkömmliche Therapieprogramm.
4.1.2.5
Selbstbeurteilung "Basisfertigkeiten und soziale Unterstützung"
Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen in der Entwicklung allgemeiner Basisfertigkeiten als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe.
Das persönlichkeitsstörungsspezifische Programm, das auch die Stärken und Ressourcen eines Persönlichkeitsstils bzw. einer Persönlichkeitsstörung aufzeigt und
erreichbare Wege aufweist, die aus den Problemen hinausführen können, tragen zur
relativen Überlegenheit dieses Programms bei hinsichtlich der Beurteilung der
Selbstwirksamkeit, der Einschätzung der Bewältigungskraft hinsichtlich Anforderungen und hinsichtlich der Einschätzung von grundlegenden Fertigkeiten in sozialen
Interaktionen. Diese Veränderungstendenz wird im wesentlichen dadurch gestärkt,
daß Ressourcenorientierung und Kontrollkompetenz in insgesamt sechs Kontexten
dargeboten wird, die erwarten lassen, daß sich günstige Einstellungen und Einsichten dadurch verankern und generalisieren.
4.1.2.6
Selbstbeurteilung "Veränderung psychosozialer Fähigkeiten"
Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen hinsichtlich der
psychosozialen Fähigkeiten, soziale Unterstützung zu erlangen, als vergleichbare
Patienten der Kontrollgruppe.
Das neue persönlichkeitsstörungsspezifische Programm, das in vielfältiger Weise die
Abhängigkeiten des eigenen Verhaltens auf die Reaktion anderer und vice versa
95
darstellt, erläutert und mit Übungen erlebnisaktivierend nachvollziehbar macht, ist
dem herkömmlichen Therapieprogramm, das Erklärens- und Verstehensmodelle
nicht im Kontext mit Übungen und Erfahrungsweisen auf der Verhaltensebene verbindet, überlegen. Erwartet wird eine größere Verbesserung hinsichtlich der Erwartung, von anderen akzeptiert zu werden, praktische Unterstützung von anderen zu
bekommen, sozial integriert im Freundeskreis zu sein, eine Vertrauensperson zu
haben und insgesamt mit der sozialen Unterstützung im Alltagsleben zufrieden zu
sein.
4.1.3
Symptomatologie
Die Symptomebene wird bei dem psychosomatisch gestörten Patienten der Fachklinik Bad Dürkheim hinsichtlich Depressivität, Angst und somatoformen Beschwerden
berücksichtigt, bei Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen der Fachklinik Münchwies hinsichtlich der Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit.
4.1.3.1
Depressivität
Bei Patienten in der Experimentalgruppe ergeben sich stärkere Effekte als bei Patienten in der Kontrollgruppe.
Das persönlichkeitsstörungsspezifische Programm erläutert und illustriert sowohl im
psychoedukativen Teil als auch unter Rückgriff auf die dort vermittelnden Inhalte, in
dem übungsorientierten Teil wesentliche Zusammenhänge zwischen Depression
und Persönlichkeitsstörungen. Deshalb wird eine Überlegenheit des neuen Gruppenprogramms im Vergleich mit dem herkömmlichen Therapieprogramm erwartet,
das keine systematischen Verbindungen zwischen Erklärungs- und Verstehensmodellen und Erfahrungen auf der Erlebens- und Verhaltensebene hinsichtlich Persönlichkeitsstörung und Depressivität bereit hält.
4.1.3.2
Angst
Bei Patienten in der Experimentalgruppe ergeben sich stärkere Effekte als bei Patienten in der Kontrollgruppe.
Der Einfluß von Persönlichkeitsstörungen auf die Entwicklung psychischer und psychosomatischer Störungen wird explizit zum Gegenstand in dem neuen störungsspezifischen Gruppenprogramm gemacht, das aber auch an anderen Stellen, sowohl
im psychoedukativen als auch im darauf bezogenen Übungsteil Auswirkungen von
Persönlichkeitsstörungen auf die Symptomebene thematisiert und durch direkt darauf bezogene Übungen verdeutlicht.
96
4.1.3.3
Somatoforme Beschwerden
Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen als Patienten der
Kontrollgruppe.
Schmerz, Müdigkeit, Herz-Kreislauf-Probleme, Magen-Darm-Beschwerden und ein
insgesamt erhöhtes psychovegetatives Anspannungsniveau, die bis zu somatoformen Störungen der einzelnen Organsysteme führen können, werden durch das neue
störungsspezifische Programm günstiger beeinflusst, weil dort die Bezüge zwischen
somatoformen Beschwerden und Persönlichkeitsstörungen explizit herausgearbeitet
werden und in dem Transfer von psychoedukativer Vermittlung auf der Wissens- und
Einstellungsebene auf die Verhaltens- und Erlebensebene ein besonderer Schwerpunkt eingeräumt wird. Deshalb wird eine relative Überlegenheit des neuen Programms im Vergleich mit dem herkömmlichen Therapieprogramm erwartet, das zwar
auch Informationen und psychoedukative Elemente hinsichtlich somatoformer Beschwerden und Persönlichkeitsmerkmale bereithält, die sich in der Interaktion mit
anderen und der Selbststeuerung auswirken, aber dies nur in unsystematischer
Weise und auch nicht in direktem Bezug zu Verhaltens- und Übungselementen.
4.1.3.4
Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit
Patienten der Experimentalgruppe, die bei Therapiebeginn zeigen stärkere günstige
Veränderungen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe.
Diese relative Überlegenheit zeigt sich auch hinsichtlich der Veränderungen der Abstinenzzuversicht und der Abstinenzquote ein Jahr nach Entlassung. Die Akzeptanz
der Unumkehrbarkeit der Sucht, sowie die Akzeptanz der Abhängigkeit für die eigene Person und eine von der ganzen Person getragene Abstinenzentscheidung als
die Kernziele einer Abhängigkeitsbehandlung gehen in ihrer Bedeutung mit der Erarbeitung der Funktionalität des Suchtmittelkonsums, die für die Rückfallprophylaxe
unerläßlich ist, einher. Diesen Schwerpunkten wird in dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Programm dadurch Rechnung getragen, daß die vielfältigen Bezüge zwischen Suchtmittelkonsum und Persönlichkeitsstörung in verschiedenen
psychoedukativen Elementen, erlebnisaktivierenden Methoden und Übungsteilen
verknüpft werden. Auch hier dürfte die insgesamt sechsfache Darbietung von Verstehensmodellen, Erlebnisaktivierung und Übungsteil für einen günstigen Transfer
und Verankerungseffekt sorgen. Trotz der langen Verweildauer im herkömmlichen
Therapieprogramm, das sich über vier Monate erstreckt und sich auf die beschriebenen Kernelemente konzentriert, wird eine relative Überlegenheit des neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppengruppenprogramms erwartet, durch die
Verknüpfung von Persönlichkeitsstörung und Abhängigkeitserkrankung im inhaltlichen und vor allem erlebens- und verhaltensorientierten Kontext.
4.1.4
Selbstbeurteilung "Subjektive Gesundheit / Lebensqualität"
Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe.
97
Berufliche Belastungen, Funktionsfähigkeit, psychische Belastungen und soziale
Probleme in Alltag und Beruf, sowie körperliche und psychische Folgenbelastungen
dürften in enger Beziehung zu den Kompetenzen und Grenzen stehen, die die Persönlichkeitsorganisation dem Einzelnen erlaubt. In der Summe der genannten erwarteten Überlegenheit des neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppenprogramms gegenüber dem herkömmlichen Therapieprogramm werden auch größere wünschenswerte Entwicklungen auf diesen Dimensionen erwartet, die sich spezifisch auf die Rehabilitationsziele der Behandlung beziehen.
4.1.5
Arbeitsunfähigkeitszeiten
Im einjährigen Pre-Post-stationären Vergleich weisen Patienten der Experimentalgruppe größere Abnahmen in den AU-Zeiten auf als Patienten der Kontrollgruppe.
In ähnlicher Weise wird ein wünschenswerter Effekt auf die Entwicklung im Einjahreszeitraum nach Entlassung vermutet hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeiten, die
ein direktes Maß der Belastbarkeit in der beruflichen Tätigkeit darstellen.
4.1.6
Hypothese zur Akzeptanz und Zufriedenheit
Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die am neuen Interventionsprogramm teilnehmen , zeigen größere Akzeptanz zum stationären Therapieangebot als die Patienten, die am herkömmlichen Therapieprogramm teilnehmen. Die günstigere allgemeine Einschätzung der therapeutischen Maßnahmen ist im direkten Zusammenhang mit den positiven Bewertungen der neuen Interventionsmaßnahmen zu sehen.
4.1.6.1
Gruppenbewertung
Insgesamt schätzen Patienten der Experimentalgruppe die Gruppensitzungen positiv
ein. Die allgemeine Zufriedenheit mit der Gruppe, eine positiv erlebte Wirkung hinsichtlich Problembewusstsein und Verhaltensänderung, eine subjektiv bewertete
hohe Aktivierung durch die Gruppenteilnahme, sowie das Gefühl von Gruppenkohäsion und Integration in die Gruppe wird erwartet, wenn Patienten an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppenprogramm teilnehmen. Dies gründet sich
auf die patientengerechte Sprache, die im Gruppenprogramm gepflegt wird, seine
Ressourcenorientierung und Kompetenzstärkung, sowie die enge thematische Verknüpfung zwischen psychoedukativem Inhalt und erlebens- und verhaltensorientierter Übung, sowie von sorgfältig ausgearbeiteten Hausarbeitsmaterialien, die Inhalte
des Programms wieder aufgreifen und vertiefen.
4.1.6.2
Allgemeine Therapiezufriedenheit
Patienten der Experimentalgruppe zeigen eine größere Zufriedenheit mit der stationären Therapie als Patienten der Kontrollgruppe.
98
Die positive Tendenz in der Einschätzung und subjektiven Bewertung des Interventionsprogramms zeigt sich auch in der allgemeinen Beurteilung der stationären Therapie.
4.2
Forschungsdesign / Versuchsplan
Der Interventionsstudie liegt ein quasi experimenteller Untersuchungsplan zugrunde,
der über drei Meßpunkte die Effekte des neuen störungsspezifischen Behandlungsprogrammes auf zwei Experimentalgruppen (jeweils eine Gruppe von Patienten der
psychosomatischen Klinik und eine Gruppe abhängiger Patienten der Suchtklinik)
mit Effekten der jeweils herkömmlichen Therapie auf zwei Kontrollgruppen (wieder
jeweils eine Gruppe von Patienten der psychosomatischen bzw. der Suchtklinik)
vergleicht. Der Rehabilitationsverlauf und Rehabilitationserfolg wird an drei Meßzeitpunkten untersucht: Klinikaufnahme, Klinikentlassung und Einjahreskatamnese. Das
varianzanalytische Grundmodell ist somit ein zweifaktorieller Untersuchungsplan mit
einem zweistufigen Gruppenfaktor (Experimental- oder Kontrollgruppe) und einem
dreistufigen Meßzeitfaktor (Klinikaufnahme, Klinikentlassung, Einjahreskatamnese).
Tab. 10
Zweifaktorieller (Grundplan) Versuchsplan für die Fachkliniken Bad Dürkheim „Düw“ und
Münchwies „Müw“
Versuchsgruppen (Faktor 1)
Experimentalgruppe
Kontrollgruppe
Meßzeitpunkte (Faktor 2)
t1 stationäre Aufnahme
Bereiche abhängiger Variablen
A. Symptomatologie /
t2 Entlassung aus der stationäB. Subjektive Gesundheit
ren Therapie
C. Persönlichkeitsstile; Interpersonelle Probleme
t3 Katamnese
D. Basisfertigkeiten – Soziale Unterstützung
(1 Jahr nach Therapieende)
E. Bewertung der Maßnahmen
F. Objektive Daten
4.3
Operationalisierung
4.3.1
Überblick
Die abhängigen Variablen lassen sich in sechs Bereiche gruppieren: Symptomatologie, Subjektive Gesundheit/ Lebensqualität, Persönlichkeitsstile/interpersonelle Probleme, Personale/ Soziale Kompetenzen – Soziale Unterstützung, Bewertung und
Akzeptanz der Maßnahmen sowie Objektive Daten bzw. Therapeuten/Arzteinschätzungen. Zur Erfassung wurden bewährte Verfahren zur Selbst- und
Fremdbeurteilung durch Ärzte/ Therapeuten eingesetzt (Fragebögen, Basisdokumentation). Die Auswahl der Instrumente orientierte sich an den Empfehlungen der
Arbeitsgruppe „generische Methoden“ des Förderschwerpunkts „Rehabilitationswissenschaften“ (Muthny, Bullinger und Kohlmann, 1999). Objektive Daten zu Arbeitsunfähigkeitszeiten wurden über Krankenkassenstammdaten der Patienten für das
Jahr vor und nach dem Klinikaufenthalt erhoben.
99
Tab. 11
Nr.
Die abhängigen Variablen und ihre Untersuchungsinstrumente
Bereich (Untersuchungsinstrumente)
Messzeitpunkte
t1
t2
A1 Symptomatologie
1
Somatoforme Störungen (FBL)
*
2
Depressive Störungen (BDI)
*
3
Angststörungen (BAI)
*
A2 Symptomatologie (nur Fachklinik Münchwies)
5
Abhängigkeit und Funktionalität (MDI)
*
Abstinenzzuversicht (KAZ-35)
Trinkmuster (TAI)
*
*
*
*
*
*
*
*
BD/MW
BD/MW
BD/MW
*
* (nur bei
Rückfall)
*
* (nur bei
Rückfall)
*
MW
MW
MW
*
*
*
BD/MW
BD/MW
BD/MW
*
*
*
BD/MW
BD/MW
BD/MW
*
*
BD/MW
BD/MW
*
*
BD/MW
BD/MW
*
6
Abstinenzrate (Katamnesefragebogen)
B Subjektive Gesundheit/ Lebensqualität
1
Subjektive Beeinträchtigung (SCL-90-R)
*
*
2
Indikatoren des Rehastatus (IRES)
*
*
3
Gesundheitszustand (SF-12)
*
*
C Persönlichkeitsstile/interpersonelle Probleme
1
Persönlichkeitsstile (PSSI)
*
*
2
Interpersonelle Probleme (IIP-D)
*
*
3
Persönlichkeits-Fähigkeiten (PFI)
*
*
D Personale/ Soziale Kompetenzen – Soziale Unterstützung
1
Soziale Unterstützung (F-SOZU)
*
*
2
Soziale
Kompetenzen/Selbstwertgefühl *
*
(U-Fragebogen)
3
Personale und soziale Kompetenzen (FPF) *
*
4
Selbstwirksamkeit (SWS)
*
*
E Bewertung und Akzeptanz der Maßnahmen
1
Patientenurteile, Zufriedenheit (Entlassfra*
gebogen)
2
Patienteneinschätzung der neuen Gruppen- nach jedem behandelten
interventionen
Persönlichkeitsstil
(Prozessbewertungsbogen)
Patienteneinschätzung der neuen Gruppen- nach Abschluss des
interventionen (Abschlussbewertungsbogen) Gruppentherapieprogrammes
F Objektive Daten bzw. Therapeuten/Arzteinschätzungen
1
arbeitsbezogene Leistungsfähigkeit, Funkti*
onsstatus, Prognose (BaDo)
2
Verweildauer (BaDo)
*
3
Krankenkassenstammdaten (AU-Zeiten)
4.3.2
Ort
t3
MW
BD/MW
BD/MW
BD/MW
BD/MW
*
BD/MW
BD/MW
Eingesetzte Fragebogenverfahren
Die Beschreibung der zur Ergebnismessung eingesetzten Messinstrumente und
Skalen erfolgt nach den zuvor beschriebenen Untersuchungsbereichen.
100
A
Symptomatologie
Freiburger Beschwerdenliste (FBL-R). Der Fragebogen ist ein vollstandardisiertes
Verfahren zur Selbstbeurteilung und dient der Inventarisierung körperlicher Beschwerden aus verschiedenen Funktionsbereichen. Für unser Klientel wurden sieben Skalen ausgewählt:
- Allgemeinbefinden
- Müdigkeit
- Herz - Kreislauf
- Magen - Darm
- Anspannung
- Emotionale Reaktivität
- Schmerz
Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Antwortskala, erfragt wird die Auftretenshäufigkeit vorgegebener Beschwerden.
Itembeispiele:
- Haben Sie Schwierigkeiten durchzuschlafen?
- Fühlen Sie sich benommen?
- Haben sie feuchte Hände?
- Haben sie Nackenschmerzen?
- Haben Sie das Gefühl unter Stress zu sein?
Beck – Depressions – Inventar (BDI). Das Verfahren ist ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung des Schweregrades einer depressiven Symptomatik auf 21
vorgegebenen Symptomkategorien:
- Traurige Stimmung
- Pessimismus
- Versagen
- Unzufriedenheit
- Schuldgefühle
- Strafbedürfnis
- Selbsthass
- Selbstanklagen
- Selbstmordimpulse
- Weinen
- Reizbarkeit
- Sozialer Rückzug
- Entschlussunfähigkeit
- Körperbild
- Arbeitsunfähigkeit
- Schlafstörungen
- Ermüdbarkeit
- Appetitverlust
- Gewichtsverlust
- Hypchondrie
- Libidoverlust
Zu jedem Bereich werden vier Selbstaussagen formuliert, die in aufsteigender Folge
zunehmende depressive Stimmungslage repräsentieren.
Itembeispiel:
- Ich bin nicht von mir enttäuscht
101
-
Ich bin von mir enttäuscht
Ich finde mich fürchterlich
Ich hasse mich
Beck Angstinventar Deutsche Version (BAI). Das vollstandardisierte Selbstbeurteilungsinstrument dient der Erfassung des Konstruktes Ängstlichkeit, unabhängig
von einer depressiven Symptomatik. Der Fragebogen besteht aus 21 Items, die sich
an die Symptomlisten des DSM-IV für Panikanfälle und generalisierte Angst anlehnen. Die Probanden beurteilen auf einer 4-stufigen Skala wie sehr sie sich durch
vorgegebene Symptome in den letzten 7 Tagen vor der Befragung belastet fühlten.
Itembeispiele:
- Herzrasen oder Herzklopfen
- Angst, Kontrolle zu verlieren
- Unfähigkeit, mich zu entspannen
Münchwieser Diagnoseinventar (MDI). Ziel des neuentwickelten Verfahrens ist
eine differentialdiagnotische Abklärung zwischen unauffälligem Konsum, schädlichem Gebrauch von Suchtmitteln oder einer manifesten Abhängigkeit von Alkohol
oder Medikamenten. Der Fragebogen umfasst 18 Items, von denen vier Items
Merkmale einer Abhängigkeit repräsentieren, fünf Items fragen nach kritischem Konsum und neun Items erfassen die Funktionalität des Suchtmitteleinsatzes. Auf einer
vier-stufigen Skala wird die Auftretenshäufigkeit bestimmter Verhaltensweisen bzw.
Wirkungsweisen im Umgang mit Suchtmitteln erfragt.
Itembeispiele:
- Um besser schlafen zu können, habe ich Alkohol oder Medikamente eingenommen.
- Ich habe Ausreden gebraucht, wenn ich Alkohol trank oder wenn ich Medikamente einnahm.
- Es kam vor, dass ich unruhig, zittrig oder nervös wurde, wenn die Wirkung des
Alkohols oder der Medikamente nachließ.
Kurzfragebogen zur Abstinezzuversicht (KAZ-35). Der KAZ erfasst die Ausprägung der Zuversicht von Alkoholabhängigen, in risikoreichen potentiellen Rückfallsituationen dem Trinken widerstehen zu können. Die 35 Items differenzieren vier Subskalen:
- unangenehme Gefühle
- Austesten der eigenen Kontrollmöglichkeiten
- sozialer Druck
- angenehme Gefühle
Auf einer Skala von 0 bis 100% werden die Probanden aufgefordert anzugeben, wie
zuversichtlich sie sind in den vorgegebenen Situationen dem Trinken widerstehen
zu können.
Itembeispiele:
Ich bin zuversichtlich dem trinken widerstehen zu können,
- wenn ich mich zuversichtlich und entspannt fühle
- wenn ich mich für etwas schuldig fühle
- wenn ich Probleme am Arbeitsplatz habe
Trierer Alkoholismusinventar (TAI). Der TAI ist ein standardisiertes Instrument,
der spezifische Erlebens- und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit exzessivem
102
Alkoholkonsum erfasst. Der Fragebogen umfasst 90 Items, die sich sieben Skalen
zuzuordnen lassen:
- Verlust der Verhaltenskontrolle und negative Gefühle nach dem Trinken
- Soziales Trinken
- Süchtiges Trinken
- Trinkmotive
- Folgen
- Schädigung und Versuche der Selbstbehandlung von physiologischen Begleiterscheinungen
- Partnerprobleme wegen des Trinkens
- Trinken wegen Partnerproblemen
Gefragt wird nach der Auftretenshäufigkeit beschriebener Konsequenzen des Alkoholkonsums, nach Funktionalität und Trinkgewohnheiten.
Itembeispiele:
- Stolperten, strauchelten oder schwankten Sie, wenn Sie getrunken hatten
- Haben Sie getrunken, um Ihre Schüchternheit zu überwinden
- Zitterten Sie, wenn Sie nüchtern wurden
- Hat Ihr Trinken zu Partnerschwierigkeiten beigetragen
Nachbefragungsbogen für ehemalige Patienten (Kat Sucht 98 Version 1.0). Die
Routinekatamnese, die bei allen Patienten der Suchtklinik ein Jahr nach Entlassung
durchgeführt wird, umfasst insgesamt 25 Items mit Fragen zur Lebenszufriedenheit,
Familien- , Partner-, Wohnungs- und Arbeitssituation, zum beruflichen Status, zum
Lebensunterhalt, zur Arbeitsfähigkeit und Arbeitslosigkeit, zur Rentensituation, zum
Besuch von Selbsthilfegruppen und Inanspruchnahme professioneller Hilfe. Weiterhin wird nach der Abstinenz gefragt und bei Rückfall eine genaue Rückfallanalyse
erhoben (Art des eingesetzten Suchtmittels, Rückfallsituation, Dauer und Häufigkeit
der Rückfälle sowie Rückfallbeendigung).
B
Subjektive Gesundheit/Lebensqualität
Symptom – Checkliste von Derogatis, Deutsche Version (SCL-90-R). Der vollstandardisierte Fragebogen mißt die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch
körperliche und psychische Symptome einer Person. Die 90 Items der neun Skalen
beschreiben die Bereiche:
- Somatisierung
- Zwanghaftigkeit
- Unsicherheit im Sozialkontakt
- Depressivität
- Ängstlichkeit
- Aggressivität/Feindseligkeit
- Phobische Angst
- Paranoides Denken
- Psychotizismus
Der Proband soll auf einer fünfstufigen Skala einschätzen wie stark ihn die jeweilige
Beschwerde belastet hat.
Itembeispiele
Wie stark litten Sie unter::
- Kopfschmerzen
103
-
Neigung zum Weinen
Verletzlichkeit in Gefühlsdingen
Herzklopfen und Herzjagen
schreckenerregenden Gedanken und Vorstellungen
Indikatoren des Rehastatus (IRES). Das Instrument erlaubt die Erfassung wesentlicher Parameter des somatischen, funktionalen und psychosozialen Status von Rehabilitationspatienten. Jede Dimension wird in zwei Unterdimensionen aufgeteilt, die
jeweils fünf bis neun Einzelskalen enthalten. Der Fragebogen erfasst insgesamt 51
Variablen, die mit insgesamt 160 Items abgefragt werden:
- Somatischer Status:
Schmerzen / Symptome (z.B. Schmerzskala, AU-Zeiten, Seelische Ge
sundheit)
Risikofaktoren (z.B. Übergewicht, Rauchen. Cholesterin)
- Funktionaler Status:
Belastung im Beruf (z.B. Beanspruchung am Arbeitsplatz, Erschöpfung,
Rentenantrag)
Behinderung im Alltag (z.B. Mobilität, Aktivitäten im Haushalt, Körperliche
Aktivität)
- Psychosozialer Status:
Psychische Belastung (z.B. „burn-out“, Ängstlichkeit, Lebenszufriedenheit)
Soziale Probleme (z.B. soziale Isolierung, Partnerschaft, social support)
Itembeispiele:
- Sind Sie in der Lage einen Zug oder Bus zu benutzen
- Wie stark leiden Sie unter Reizbarkeit
- Mir fehlen Menschen, die mich wirklich verstehen
- Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeitssituation
C
Persönlichkeitsstile/interpersonelle Probleme
Persönlichkeits – Stil - und Störungs - Inventar (PSSI). Das PSSI ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, das die relative Ausprägung von Persönlichkeitsstilen quantifiziert. Diese gelten als nicht-pathologische Entsprechungen der in DSM-IV und
ICD-10 beschriebenen Persönlichkeitsstörungen. Das Inventar besteht aus 140
Items, die 14 Skalen zugeordnet sind:
- Selbstbestimmter Stil / antisoziale Persönlichkeit
- Eigenwilliger Stil / paranoide Persönlichkeit
- Zurückhaltender Stil / schizoide Persönlichkeit
- Selbstkritischer Stil / selbstunsichere Persönlichkeit
- Sorgfältiger Stil / zwanghafte Persönlichkeit
- Ahnungsloser Stil / schizotypische Persönlichkeit
- Optimistischer Stil / rhapsodische Persönlichkeit
- Ehrgeiziger Stil / narzißtische Persönlichkeit
- Kritischer Stil / passiv-aggressive bzw. negativistische Persönlichkeit
- Loyaler Stil / abhängige Persönlichkeit
- Spontaner Stil / Borderline Persönlichkeit
- Liebenswürdiger Stil / histrionische Persönlichkeit
- Passiver Stil / depressive Persönlichkeit
- Altruistischer Stil / selbstlose Persönlichkeit
104
Auf einer vier-stufigen Antwortskala sollen die Probanden angeben, wie stark die
vorgegebenen Aussagen auf sie zutreffen.
Itembeispiele:
- Ich brauche sehr viel Liebe und Angenommensein
- Der Gedanke, eine berühmte Persönlichkeit zu sein reizt mich
- Meine Gefühle wechseln oft abrupt und impulsiv
- Ich wahre immer die Distanz zu Menschen
- Ich habe auf das andere Geschlecht eine besondere Anziehungskraft
Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme, Deutsche Version (IIP-D).
Das IIP ist ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung interpersonaler Probleme. Erfragt
werden interpersonale Verhaltensweisen, die dem Probanden schwer fallen bzw. die
ein Proband im Übermaß zeigt. Der Fragebogen liegt als Kurz- und als Langform
vor. Die Kurzform umfasst 64 Items, die 8 faktorenanalytisch gebildeten Skalen zuzuordnen sind:
- zu autokratisch/dominant
- zu streitsüchtig/konkurrierend
- zu abweisend/kalt
- zu introvertiert/vermeidend
- zu selbstunsicher/unterwürfig
- zu ausnutzbar/nachgiebig
- zu fürsorglich/freundlich
- zu expressiv/aufdringlich
Gefragt wird auf einer fünfstufigen Antwortskala wie schwierig verschiedene Aspekte
im Umgang mit anderen Menschen fallen.
Itembeispiele:
- Es fällt mir schwer, anderen menschen zu vertrauen
- Es fällt mir scher, die Ansichten eines Anderen zu verstehen
- Es fällt mir schwer, anderen gegenüber ehrlich zu sein
- Es fällt mir schwer, alleine zu sein
- Es fällt mir schwer, jemanden ein Geschenk zu machen.
Persönlichkeits – Fähigkeiten – Inventar (PFI). Der Fragebogen dient der Erfassung von Persönlichkeitsfähigkeiten. Er besteht aus 94 Items, die sich auf sechs
Skalen verteilen:
- Unterstützung
- Durchsetzung
- Geduld
- Kontakt
- Selbstbeherrschung
- Ausdauer
Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Skala, von „trifft überhaupt nicht zu“
bis „trifft voll zu“.
Itembeispiele:
- Es fällt mir schwer eine traurige Person zu trösten
- Auch wenn ich eigentlich eine Gehaltserhöhung oder Beförderung verdient hätte,
vermeide ich danach zu fragen
- Es fällt mir schwer, an einer wichtigen Aufgabe zu bleiben, bis ich fertig bin.
105
D
Personale/Soziale Kompetenzen – Soziale Unterstützung
Fragebogen zur sozialen Unterstützung (F-SOZU). Der Fragebogen erfasst die
subjektive Überzeugung Unterstützung aus dem sozialen Umfeld zu erhalten bzw.
auf Ressourcen des sozialen Umfeldes zurückgreifen zu können. Mit 22 Items, die
sechs Skalen zuzuordnen sind erfasst der Fragebogen:
- soziale Unterstützung
- praktische Unterstützung
- soziale Integration
- Vertrauenspersonen
- Zufriedenheit mit der sozialen Unterstützung
Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Skala.
Itembeispiele:
- Ich habe Menschen, die sich um meine Wohnung kümmern, wenn ich mal nicht
da bin
- Bei manchen Freunden/Angehörigen kann ich auch mal ganz ausgelassen sein
- Es gibt Menschen, die zu mir halten, auch wenn ich Fehler mache
Unsicherheitsfragebogen (U-Fragebogen). Der Fragebogen erfasst soziale Angst
und Inkompetenz auf sechs Skalen:
- Fehlschlagangst
- Kritikangst
- Kontaktangst
- Fordern können
- Nicht-Nein-Sagen-Können
- Schuldgefühle und Anständigkeit
Auf einer sechsstufigen Skala wird das Ausmaß an Zustimmung zu 65 Items erfragt.
Itembeispiele:
- Eine Gesprächspause verunsichert mich stark
- Ich vermeide es möglichst Verantwortung zu übernehmen
- Ich schlucke meinen Ärger immer herunter
Fragebogen zu psychosozialen Fähigkeiten (FpF). Der Fragebogen erfasst die
subjektive Beurteilung der eigenen Basisfertigkeiten und der Fähigkeiten Anforderungen zu bewältigen. Er enthält 13 Items, die auf einer sechsstufigen Skala von
„sehr gut“ bis „sehr schlecht“ zu beantworten sind.
Itembeispiele:
- Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit sich zu entspannen
- Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit die Freizeit zu gestalten
- Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit die täglichen Anforderungen im Beruf zu erfüllen.
Selbstwirksamkeitsskala (SWS), deutsche Adaption. Die Selbstwirksamkeitsskala
erfasst Selbstvertrauen als Ausdruck der Zuversicht, Ziele, die man sich selbst gesetzt hat, verwirklichen zu können. Der Fragebogen umfasst 13 Items, die auf einer
sechsstufigen Skala zu beantworten sind.
Itembeispiele:
- Wenn ich mir hohe Ziele setze, erreiche ich diese nur selten
- Offenbar bin ich nicht imstande, mit den Problemen des Lebens fertig zu werden
106
- Wenn mir etwas auf Anhieb nicht gelingt, probiere ich solange weiter, bis ich es
kann.
E
Bewertung und Akzeptanz der Maßnahmen
Entlassungsfragebogen. Der Fragebogen, der am Ende der Behandlung jedem
Patienten ausgeteilt wird, erfasst die Beurteilung der Patienten zum Therapieverlauf.
Im einzelnen werden subjektive Veränderungen im Therapieverlauf, die Zufriedenheit mit dem Behandlungserfolg, mit Therapiemassnahmen, und Serviceleistungen
sowie Erfahrungen mit dem Therapiekonzept und dem Therapieprogramm erfragt.
Patienteneinschätzung der neuen Gruppenintervention (Prozessbewertungsbogen und Abschlussbewertungsbogen). Die Erfassung der Zufriedenheit der
Teilnehmer mit dem neuen Gruppenprogramm erfolgt über zwei eigens entwickelte
Fragebögen. Der Prozessbewertungsbogen thematisiert jeweils einen behandelten
Persönlichkeitsstil. Dieser wird am Ende einer Therapieeinheit zu einem Persönlichkeitsstil vorgelegt. Mit dem Abschlussbewertungsbogen wird um eine Gesamtbeurteilung des Gruppenprogramms gebeten.
Die beiden Fragebögen entsprechen sich in den thematisierten Fragebereichen. Sie
bestehen jeweils aus einem Item zur Einordnung des bzw. der Persönlichkeitsstile,
25 sechsfachgestuften likertskalierten Items sowie einer offenen Frage zu allgemeinen Anmerkungen, Kritik oder Verbesserungsvorschlägen. Aus den quantitativen
Items konnten für beide Bewertungsbögen reliabel jeweils 5 differenzierende Skalen
- Wirkung
- Anregungsgehalt
- Informationsgehalt
- Verständlichkeit
- Atmosphäre
gebildet werden sowie eine zusammenfassende Skala „Gesamteindruck“ (Skalenreliabilitäten .68 < α < .94). Die Werte der Skalen umfassen über Mittelwertsbildung
der sie konstituierenden Items je Antworter den Range von 1 bis 6, wobei Werte hin
zu 1 positive Ausprägungen und Werte hin zu 6 negative Ausprägungen bedeuten.
Itembeispiele:
- Die vermittelten Informationen waren für mich interessant
- Insgesamt hätte es mehr praktische Übungen geben sollen
- Es sind mir wichtige Zusammenhänge zwischen meinem Persönlichkeitsstil und
meinen Beschwerden deutlich geworden
- Für den Erfolg meiner Therapie war das Gruppenangebot sehr wichtig
F
Objektive Daten bzw. Therapeuten/Arzteinschätzungen
Basisdokumentation (Bado). Die Basisdokumentationssysteme „Basisdokumentation Verhaltenstherapeutische Psychosomatik“ (Fachausschuß Psychosomatik des
AHG-Wissenschaftsrates (Hrsg.) 1995 Basisdokumentation Verhaltenstherapeutische Psychosomatik, Hilden) und die „Bado Sucht 97“ (Ott E.S., Braukmann, W.,
Buschmann, H., Dehmlow, A., Fischer, M., Herder, F., Jahrreiss, R., Missel, P.,
Quinten, C., Rösch, W., Scheele, S. , Schneider, B., Zemlin, U. (1997) Neuentwicklung einer Basisdokumentation für den Bereich stationärer Rehabilitation Suchtkran107
ker (Bado Sucht 97) in: Fachausschuß Sucht (Hrsg.) Verhaltensmedizin Heute, Qualitätsstandards, 7, S 15-24) stellen ökonomische Systeme zur Erfassung relevanter
Patienten- und Behandlungsdaten dar. Neben der Übernahme verwaltungstechnisch erfaßter Daten zum Behandlungsverlauf, wie z.B. Aufnahme- und Entlassungsdatum, Kostenträger, Alter, Geschlecht usw., werden soziodemographische - ,
sozialmedizinische - und diagnostische Basisdaten sowie Daten zur Behandlung und
dem Behandlungsrahmen erhoben. Im einzelnen sind dies:
Soziodemographische Daten (z.B. Familien- und Partnersituation, Schulbildung,
Berufsausbildung, beruflicher Status, Berufsausübung)
Sozialmedizinische Daten ( z.B. Arbeitsfähigkeit, Leistungsbeurteilung, Rentensituation)
Diagnostische Daten (Diagnosen nach ICD 10 mit Zusatz, Sicherheit und Behandlungsergebnis)
Daten zur Behandlung und dem Behandlungsrahmen (z.B. Vorgespräch, Vermittler, Entlassungsform, geplante Weiterbehandlung, Gesamteinschätzung der
Veränderungen und Prognose)
Für den Abhängigkeitsbereich werden zusätzlich Daten zur Abhängigkeitserkrankung wie Anzahl und Verlauf bisheriger Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlungen, Abhängigkeitsdauer, Suchtprobleme bei Bezugspersonen, Suchtmittel bei Aufnahme, Konsum oder Besitz von Suchtmitteln während der Behandlung erfaßt. Jeder Bezugstherapeut füllt am Ende einer Behandlung eine Basisdokumentation für
seinen Patienten aus.
Krankenkassenstammdaten. Als objektive Daten werden für jeden Projektteilnehmer Daten zum Arbeitsunfähigkeitsgeschehen im Jahr vor Klinikaufnahme und im
Jahr nach Klinikentlassung bei den zuständigen Krankenkassen erfragt.
4.4
Diagnostisches Vorgehen
4.4.1
Beschreibung der symptomatischen Störungen und der Persönlichkeitsstörungsdiagnosen
Im folgenden werden die symptomatischen Diagnosen (nach IDC-10), die als Einschlusskriterien zur Untersuchungsteilnahme galten, dargestellt; im Anschluss folgt
eine Beschreibung der Diagnosen auf Persönlichkeitsebene (Achse-II-Störungen
nach DSM-IV). Die symptomatischen Störungen wurden dabei in der Regel als
Erstdiagnosen vergeben, die entsprechenden Persönlichkeitsstörungen als komorbide Störungen.
Symptomatische Störungen (Achse I). In die Stichprobe wurden in der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim Patienten mit folgenden symptomatischen
Störungen aufgenommen:
1.
2.
3.
Angststörungen
depressiven Störungen
somatoformen Störungen
108
In die Stichprobe wurden in der Psychosomatischen Fachklinik Münchwies Patienten
mit folgenden symptomatischen Störungen aufgenommen:
4.
Abhängigkeitssyndrom
Ad 1:
ren:
Bei den Angststörungen lassen sich folgende Untergruppen differenzie•
phobische Störungen
¾
Agoraphobie ohne bzw. mit Panikstörung
¾
Soziale Phobien
¾
Spezifische isolierte Phobien
¾
Sonstige phobische Störungen
¾
Nicht näher bezeichnete phobische Störungen
• andere Angststörungen
¾
Panikstörung
¾
Generalisierte Angststörung
¾
Angst und depressive Störung gemischt
¾
Sonstige gemischte Angststörungen
¾
Sonstige näher bezeichnete Angststörungen
¾
Nicht näher bezeichnete Angststörungen
Exkurs:
Zwangsstörungen
¾ Vorwiegend Zwangsgedanken und Grübelzwang
¾ Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
¾ Zwangsgedanken und –handlungen gemischt
¾ Sonstige Zwangsstörungen
¾ Nicht näher bezeichnete Zwangsstörungen
Exkurs:
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
¾ Akute Belastungsreaktion
¾ Posttraumatische Belastungsreaktion
¾ Anpassungsstörung
ƒ kurze depressive Reaktion
ƒ längere depressive Reaktion
ƒ Angst und depressive Störung gemischt
ƒ mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen
ƒ mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens
ƒ mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten
ƒ mit sonstigen vorwiegend genannten Symptomen
¾ sonstige Reaktionen auf schwere Belastung
¾ nicht näher bezeichnete Reaktionen auf schwere Belastungen
Ad 2:
Bei den depressiven Störungen lassen sich folgende Untergruppen
differenzieren:
¾ depressive Episode
ƒ leicht
ƒ mittelschwer
ƒ schwer
¾ rezidivierende depressive Störung
ƒ leicht
109
ƒ mittelschwer
ƒ schwer
¾ Dysthymia
Ad 3: Bei den somatoformen Störungen lassen sich folgende Untergruppen differenzieren:
¾ Somatisierungsstörung
ƒ Undifferenzierte Somatisierungsstörung
¾ Hypochondrische Störung
¾ Somatoforme autonome Funktionsstörung
ƒ kardiovaskuläres System
ƒ oberer Gastrointestinaltrakt
ƒ unterer Gastrointestinaltrakt
ƒ respiratorisches System
ƒ Urogenitalsystem
ƒ Sonstiges Organ oder Organsystem
¾ Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
¾ Sonstige somatoforme Störungen
¾ Nicht näher bezeichnete somatoforme Störungen
Ad 4: Bei dem Abhängigkeitssyndrom lassen sich folgende Untergruppen differenzieren:
¾ Störungen durch Alkohol
¾ Störungen durch Opioide
¾ Störungen durch Sedativa oder Hypnotika
¾ Störungen durch sonstige Stimulantien einschließlich Koffein
¾ Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum sonstiger
Substanzen
Agoraphobie. Es besteht eine deutliche Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen: Menschenmengen, öffentliche Plätze, alleine
Reisen und/oder Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause. Zumindest einmal nach
Auftreten der Störung müssen in den oben genannten Situationen mindestens zwei
Angstsymptome wenigstens einmalig gemeinsam vorhanden gewesen sein. Dabei
werden folgende Symptomklassen differenziert: Vegetative Symptome (z.B. Herzklopfen, erhöhte Herzfrequenz, Schweißausbrüche, Tremor, Mundtrockenheit),
Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen (wie z.B. Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen oder –missempfindungen, Unruhegefühl im
Magen), Psychische Symptome (wie Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche
oder Benommenheit, Derealisiation oder Depersonalisation, Angst vor Kontrollverlust, Angst zu sterben) und/oder allgemeine Symptome (wie Hitzewallungen oder
Kälteschauer, Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle). Bei dem Betroffenen muss eine
emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome
vorliegen, gleichzeitig eine Einsicht, dass das Verhalten bzw. das Erleben der Symptomatik unvernünftig oder übertrieben ist. Die Symptome beziehen sich ausschließlich oder vor allem auf die gefürchtete Situation oder Gedanken an sie. Die Diagnose
wird nicht vergeben, wenn die Furcht oder Vermeidung der oben genannten Situationen durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen
organische psychische Störungen, Schizophrenie und verwandte Störungen, affekti-
110
ve Störungen oder eine Zwangsstörung bedingt ist bzw. erklärbar durch die Folge
einer kulturell akzeptierten Anschauung ist.
Bei dieser Angststörung lassen sich durch das Vorhandensein oder Fehlen einer
Panikstörung mit der Agoraphobie ohne Panikstörung und der Agoraphobie mit Panikstörung zwei Untergruppen differenzieren.
Soziale Phobie. Die soziale Phobie ist gekennzeichnet entweder durch eine deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten oder durch eine deutliche Vermeidung im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich
oder erniedrigend zu verhalten. Die beschriebenen Ängste beziehen sich auf soziale
Situationen, wie Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, Treffen von Bekannten in
der Öffentlichkeit, Teilnahme an kleinen Gruppen, z.B. Partys, Konferenzen. Ebenso
wie bei der Agoraphobie müssen mindestens zwei Angstsymptome in den angstbesetzten Situationen mindestens einmal seit Beginn der Störung aufgetreten sein,
zusätzlich mindestens eins der folgenden Symptome: Erröten oder Zittern, Angst zu
erbrechen, Miktions- oder Defäktionsdrang bzw. Angst davor. Die weiteren Kriterien
zur Stellung der Diagnose einer sozialen Phobie wie emotionale Belastung, Einsicht
in die Unvernünftigkeit der Symptome oder des Vermeidungsverhaltens sowie Ausschlusskriterien entsprechen den oben bereits beschriebenen Kriterien bei der Diagnosestellung einer Agoraphobie.
Spezifische isolierte Phobien. Hier besteht entweder eine deutliche Furcht vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation oder eine deutliche Vermeidung solcher Objekte oder Situationen. Typische phobische Objekte und Situationen sind Tiere, Höhen, Donner, im Flugzeug fliegen, kleine geschlossene Räume,
Anblick von Blut, Verletzungen, Injektionen oder Zahnarzt- und Krankenhausbesuche. Handelt es sich bei der angstbesetzten Situation um soziale Situationen, wie
unter der Diagnose „soziale Phobie“ beschrieben, wird diese Diagnose gestellt.
Ebenso sind die für eine Agoraphobie typischen Situationen hier ausgeschlossen.
Bei Vorhandensein der für die Agoraphobie typischen Situationen (u.a. Menschenmengen, alleine Reisen) würde unter Einschluss der weiteren Kriterien die Diagnose
einer Agoraphobie gestellt werden. Im weiteren müssen auch bei der sozialen Phobie die bereits oben genannten Kriterien erfüllt sein.
Panikstörung. Um die Diagnose einer Panikstörung zu vergeben müssen folgende
Kriterien erfüllt sein: Zum einen müssen wiederholt Panikattacken aufgetreten sein,
die nicht auf eine bestimmte Situation oder ein spezifisches Objekt bezogen sind,
sondern spontan auftreten und somit nicht vorhersagbar sind. Die Panikattacken
sind nicht mit besonderer Anstrengung, gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen verbunden. Eine Panikattacke muss darüber hinaus durch alle der nachfolgenden Charakteristika gekennzeichnet sein: Es muss sich um eine einzelne Episode intensiver Angst oder Unbehagen handeln, die abrupt beginnt, innerhalb weniger
Minuten ein Maximum erreicht und mindestens einige Minuten dauert. Daneben
müssen mindestens vier Symptome aus den Symptomklassen „Vegetative Symptome“ (z.B. Herzklopfen, Schweißausbrüche, Tremor, Mundtrockenheit), „Symptome,
die Thorax und Abdomen betreffen“ (u.a. Atembeschwerden, abdominelle Missempfindungen), „Psychische Symptome“ (wie Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Angst
zu sterben) und/oder „Allgemeine Symptome“ (z.B. Hitzegefühl) vorliegen. Mindestens ein Symptom muss dabei aus der Symptomgruppe der vegetativen Symptome
111
sein. Die Panikstörung darf nicht erklärbar sein durch eine körperliche oder andere
psychische Störung (z.B. Schizophrenie, somatoforme Störung).
Generalisierte Angststörung. Über eine Zeitspanne von mindestens sechs Monate
muss Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse
und Probleme vorherrschen. Dabei muss, genauso wie bei der Panikstörung mindestens ein Symptom aus der Symptomgruppe der vegetativen Symptome vorhanden
sein. D.h. es müssen entweder Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz und/oder Schweißausbrüche und/oder fein- oder grobschlägiger Tremor
und/oder Mundtrockenheit vorhanden sein. Insgesamt müssen mindesten vier Symptome aus den für Angststörungen typischen Symptomklassen vorliegen (siehe Panikstörung und Agoraphobie). Bei der generalisierten Angststörung sind diese bereits beschriebenen durch zwei weitere Symptomgruppen erweitert. Zum einen können zusätzlich Symptome der Anspannung, wie Muskelverspannungen, akute oder
chronische Schmerzen, Ruhelosigkeit oder Unfähigkeit zum Entspannen, Gefühle
des Aufgedrehtseins, Nervosität und psychische Anspannung und/oder Kloßgefühl
im Hals oder Schluckbeschwerden und/oder andere unspezifische Symptome, wie
übertriebene Reaktionen auf kleine Überraschungen oder Erschrecktwerden, Konzentrationsschwierigkeiten, Leeregefühl im Kopf wegen Sorgen oder Angst, anhaltende Reizbarkeit und/oder Einschlafstörungen wegen der Besorgnis vorliegen. Die
Störung erfüllt nicht die Kriterien für eine Panikstörung, eine phobische Störung, eine
Zwangsstörung oder eine hypochondrische Störung. Ebenso darf sich die Störung
nicht auf eine organische Erkrankung, eine organische psychische Störung oder eine
durch psychotrope Substanzen bedingte Störung zurückführen lassen.
Zwangsstörung. Um die Diagnose einer Zwangsstörung zu vergeben, müssen über
einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen entweder
Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen vorliegen. Die Zwangsgedanken oder handlungen müssen dabei alle der im folgenden aufgeführten Merkmale zeigen: Die
Handlungen oder Gedanken werden von den Betroffenen als ihre eigenen angesehen und nicht als von anderen Personen oder Einflüssen bestimmt. Die Gedanken
oder Handlungen wiederholen sich ständig und werden als unangenehm angesehen.
Mindestens ein Zwangsgedanke oder eine Zwangshandlung werden dabei von dem
Betroffenen als unsinnig oder übertrieben anerkannt. Die Betroffenen versuchen Widerstand zu leisten und gegen mindestens einen Zwangsgedanken oder eine handlung wird dabei erfolglos Widerstand geleistet. Die Ausführung eines Zwangsgedanken oder einer -handlung ist, auch, wenn vorübergehend Erleichterung von
Spannung und Angst erlebt wird, für sich genommen nicht angenehm. Die Betroffenen haben einen Leidensdruck im Zusammenhang mit ihren Zwangsgedanken oder
-handlungen oder werden durch den meist beträchtlichen Zeitaufwand in ihrer sozialen oder individuellen Leistungsfähigkeit behindert. Die Diagnose einer Zwangsstörung wird nicht vergeben, wenn die Symptomatik durch eine andere psychische
Störung, wie z.B. eine Schizophrenie bedingt ist. Bei der Vergabe einer Zwangsstörung kann, je nachdem, was im Vordergrund steht, zwischen verschiedenen Untergruppen unterschieden werden.
Anpassungsstörung. Einer Anpassungsstörung muss eine identifizierbare psychosoziale Belastung von nicht außergewöhnlichem oder katastrophalem Ausmaß vorausgegangen sein. Die darauf folgende Symptomatik muss binnen eines Monats
zum Ausbruch kommen. Es zeigen sich Symptome, wie sie bei affektiven Störungen,
112
bei neurotischen, somatoformen oder Belastungsstörungen und bei den Störungen
des Sozialverhaltens vorkommen, wobei die Kriterien einzelner Störungen aber nicht
erfüllt werden. Die Symptome können insgesamt in Art und Schwere variieren. Bei
der Vergabe einer Anpassungsstörung wird vor dem Hintergrund des vorherrschenden Erscheinungsbildes in verschiedene Untergruppen unterteilt. Z.B. kann neben
anderen eine kurze depressive Reaktion (vorübergehend leichter depressiver Zustand, der nicht länger als einen Monat dauert), eine längere depressive Reaktion
(leichter depressiver Zustand als Reaktion auf eine länger anhaltende Belastungssituation, der zwei Jahre aber nicht überschreitet) und Angst und depressive Störung
gemischt (sowohl Angst als auch depressive Symptome sind vorhanden, das Ausmaß der Symptomatik ist allerdings nicht so groß, dass die vollständigen Kriterien für
eine Angst- oder depressive Störung oder aber Angst und depressive Störung gemischt erfüllt sind) unterschieden werden.
Depressive Episode / rezidivierende depressive Störung.
Dysthymia. Über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren besteht eine konstante oder konstant wiederkehrende Depression. Dazwischenliegende Phasen mit
normaler Stimmung dauern selten länger als einige Wochen, hypomanische Phasen
treten nicht auf. Keine oder nur sehr wenige der einzelnen depressiven Episoden
während des Zwei-Jahres-Zeitraumes sind so schwer oder dauern so lange an, dass
die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllt sind. Mindestens drei
der folgenden Symptome sollten während einiger Perioden der Depression vorhanden sein: verminderter Antrieb oder Aktivität; Schlaflosigkeit; Verlust des Selbstvertrauens oder Gefühl der Unzulänglichkeit; Konzentrationsschwierigkeiten; Neigung
zum Weinen; Verlust des Interesses oder der Freude an Sexualität und anderen angenehmen Aktivitäten; Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung; erkennbares
Unvermögen mit Routineaufgaben des alltäglichen Lebens fertig zu werden; Pessimismus im Hinblick auf die Zukunft oder Grübeln über die Vergangenheit; sozialer
Rückzug; verminderte Gesprächigkeit.
Somatisierungsstörung. In der Vorgeschichte über eine Zeitdauer von mindestens
zwei Jahren müssen anhaltende Klagen über multiple und wechselnde körperliche
Beschwerden vorliegen, die durch keine diagnostizierbare körperliche Krankheit erklärt werden können. Liegt eine körperliche Erkrankung vor, so kann diese nicht die
Schwere, das Ausmaß, die Vielfalt und die Dauer der körperlichen Beschwerden
oder die damit verbundene soziale Behinderung erklären. Die ständige Sorge der
Betroffenen um die Symptome führt zu andauerndem Leiden und dazu, dass die Patienten mehrfach (mindestens dreimal) um Konsultationen oder Zusatzuntersuchungen in der Primärversorgung oder bei Spezialisten nachsuchen. Sind medizinische
Einrichtungen z.B. aus finanziellen oder geographischen Gründen nicht erreichbar,
kommt es zu andauernder Selbstmedikation oder mehrfachen Konsultationen bei
örtlichen Laienheilern. Bei den Betroffenen besteht eine hartnäckige Weigerung, die
medizinische Feststellung zu akzeptieren, dass keine ausreichende körperliche Ursache für die Symptome vorliegt. Eine Akzeptanz der ärztlichen Feststellung erfolgt
allenfalls für kurze Zeiträume bis zu einigen Wochen oder unmittelbar nach einer
medizinischen Untersuchung. Es müssen insgesamt sechs oder mehr Symptome
aus mindestens zwei verschiedenen der nachfolgend aufgezeigten Symptomgruppen vorliegen: Gastrointestinale Symptome (z.B. Bauchschmerzen, Übelkeit, Gefühl
von Überblähung), Kardio-vaskuläre Symptome (z.B. Atemlosigkeit ohne Anstren113
gung, Brustschmerzen), Urogenitale Symptome (z.B. Dysurie oder Klagen über
Miktionshäufigkeit, unangenehme Empfindungen im oder um den Genitalbereich)
und/oder Haut- und Schmerzsymptome (z.B. Klagen über Fleckigkeit oder Farbveränderungen der Haut, unangenehme Taubheit oder Kribbelgefühl). Die Störung darf
nicht ausschließlich während einer Schizophrenie oder einer verwandten Störung,
einer affektiven oder einer Panikstörung auftreten.
Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Um eine somatoforme autonome
Schmerzstörung zu vergeben, müssen alle der im folgenden genannten Kriterien
erfüllt sein. Es muss über ein Zeitfenster von mindestens sechs Monaten ein kontinuierlicher, an den meisten Tagen anhaltender, schwerer und belastender Schmerz
in einem Körperteil bestehen, der nicht adäquat durch den Nachweis eines physiologischen Prozesses oder einer körperlichen Störung erklärt werden aknn. Gleichzeitig
muss die Schmerzsymptomatik anhaltend der Hauptfokus für die Aufmerksamkeit
des Betroffenen sein. Die Schmerzstörung tritt dabei nicht während einer Schizophrenie oder einer verwandten Störung oder ausschließlich während einer affektiven, einer Somatisierungsstörung, einer undifferenzierten somatoformen Störung
oder einer hypochondrischen Störung auf.
Eine ausführliche Beschreibung aller diagnostischer Kriterien im Sinne von klinischdiagnostischen Leitlinien für die symptomatischen Störungen findet sich in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F) der WHO,
übersetzt und herausgegeben von Dilling, Mombour & Schmidt (1993) sowie in den
Forschungskriterien (Dilling, Mombour, Schmidt & Schulte-Markwort, 1994).
Abhängigkeitssyndrom. Es handelt sich um eine Gruppe körperlicher, Verhaltensund kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum von Alkohol- bzw. suchtpotenten
Medikamenten für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet wurden. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, Alkohol oder Medikamente (ärztlich verordnet oder nicht), zu konsumieren.
Diagnostische Leitlinien. Die sichere Diagnose „Abhängigkeit" wird nur dann gestellt,
wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig
vorhanden waren:
(1)
Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol oder suchtpotente Medikamente zu konsumieren
(2)
Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der
Menge des Konsums
(3)
Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, nachgewiesen durch die substanzspezifischen Entzugssymptome oder
durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um
Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden.
(4)
Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen von Alkohol oder Medikamenten hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich
(5)
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Suchtmittelkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um Alkohol oder
Medikamente zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu
erholen
114
(6)
Anhaltender Suchtmittelkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher
Folgen, wie z.B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmungen infolge starken Suchtmittelkonsums oder dadurch bedingte Verschlechterung kognitiver Funktionen.
Ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol bzw. Medikamenten wird
ebenfalls als charakteristisches Merkmal beschrieben (z.B. die Tendenz, alkoholische Getränke werktags in gleicher Weise zu konsumieren wie an Wochenenden,
ungeachtet dem gesellschaftlich vorgegebenen Trinkverhalten).
Als wesentliches Charakteristikum des Abhängigkeitssyndroms gilt ein starker
Wunsch nach Alkohol bzw. Medikamenten. Der innere Zwang, das Suchtmittel zu
konsumieren, wird meist dann bewußt, wenn versucht wird, den Konsum zu beenden oder zu kontrollieren Diese diagnostische Forderung schließt aber beispielsweise chirurgische Patienten aus, die Opioide zur Schmerzlinderung erhalten haben
und die ein Opioidentzugssyndrom entwickeln, wenn diese Mittel abgesetzt werden,
die aber selbst kein Verlangen nach weiterer Opioideinnahme haben.
Das Abhängigkeitssyndrom kann sich auf das einzelne Suchtmittel (bspw. Alkohol
oder Diazepam) beziehen, auf eine Gruppe von Substanzen (wie z.B. Opioide) oder
auch auf ein weiteres Spektrum unterschiedlicher Substanzen, wie z.B. bei jenen
Personen, die eine Art Zwang erleben, regelmäßig jedes nur erreichbare Mittel zu
sich zu nehmen und die qualvolle Gefühle, Unruhe oder körperliche Entzugserscheinungen bei Abstinenz entwickeln.
Persönlichkeitsstörungen. Bei der Beschreibung der diagnostischen Kriterien für
die in die Untersuchung einbezogenen Persönlichkeitsstörungen wird auf das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen der Amerikanischen
Psychiatrischen Vereinigung, DSM-IV, APA, 1994 verwiesen. Im folgenden sollen
nochmals die sechs für die empirische Untersuchung relevanten Persönlichkeitsstörungen charakterisiert werden. Bei der Vergabe einer Persönlichkeitsstörung versteht es sich definitionsgemäß, dass die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt sein müssen.
Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung findet sich ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie eine deutliche Impulsivität.
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung sind verzweifelt bemüht, tatsächliches
oder erwartetes Verlassenwerden zu vermeiden. Selbst geringfügige Anlässe, z.B.
wenn jemand eine Verabredung absagt oder sich verspätet, führen zu intensiven
Ängsten oder aber auch unangemessener Wut. Ein Muster instabiler aber intensiver
Beziehungen ist charakteristisch für Personen mit dieser Störung. Ein Muster von
Idealisierung und Abwertung ist kennzeichnend für ihre Beziehungen. Es kommt zu
plötzlichen und dramatischen Änderungen in der Sichtweise von anderen, besonders
dann, wenn Menschen mit dieser Störung sich zurückgewiesen fühlen. Häufig liegt
eine Identitätsstörung vor. Diese ist gekennzeichnet durch ein auffällig und durchgängig instabiles Selbstbild und schwankende Selbstwahrnehmung. Dies kann sich
darin äußern, dass die betreffende Person plötzlich ihre Zielsetzungen, ihre beruflichen Pläne, religiösen Anschauungen, Wertvorstellungen oder Einschätzung der
eigenen sexuellen Orientierung ändert. Betroffene Menschen zeigen impulsives Ver115
halten bei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten, z.B. Glücksspielen, bei Substanzmissbrauch, risikoreichem Geschlechtsverhalten oder rücksichtslosem Fahren.
In der Lebensgeschichte kommt es häufig zu wiederholten Suizidhandlungen,
Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder auch zu selbstverletzendem Verhalten, z.B. Aufritzen oder Schneiden der Haut mit einer Rasierklinge. Selbstschädigende Verhaltensweisen werden oft durch Erlebnisse drohender Trennung oder Zurückweisung ausgelöst. Selbstverletzende Handlungen treten häufig im Rahmen der
drohenden Überflutung von Angstgefühlen auf. Der dadurch ausgelöste konkrete
Schmerz gibt Sicherheit und ist leichter zu ertragen als das innere Empfinden und
lenkt von diesem ab. Bei Menschen mit dieser Störung findet sich häufig eine affektive Instabilität, die auf eine sehr ausgeprägte Reaktivität der Stimmung zurückzuführen ist. Die Stimmung kann sehr abrupt von dysphorischer Grundstimmung auf Wut,
Angst oder Verzweiflung umschlagen, wobei diese Zustände gewöhnlich nur einige
Stunden und nur selten länger als einige Tage dauern. Die betroffenen Personen
leiden häufig unter einem chronischen Gefühl der inneren Leere, was im engen Zusammenhang mit der Identitätsstörung steht. Personen mit dieser Störung haben oft
heftige Wutausbrüche oder verspüren eine langanhaltende Wut. Die Wut ist häufig
so extrem, dass die betreffende Person Schwierigkeit hat, sie zu kontrollieren.
Wutausbrüche treten auch hier insbesondere bei wahrgenommenen Zurückweisungen oder Vernachlässigung durch den Partner oder eine andere wichtige Bezugsperson auf. Wird die Belastung als besonders extrem erlebt, kann es vorübergehend
zu paranoiden Vorstellungen oder dissoziativen Symptomen kommen, die gewöhnlich von geringem Ausmaß oder kurzer Dauer sind.
Von den insgesamt neun Kriterien, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung
zu gerechtfertigen.
Histrionische Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein
tiefgreifendes Muster übermäßiger Emotionalität oder Streben nach Aufmerksamkeit
charakterisiert.
Personen mit dieser Störung verlangen ständig danach, im Mittelpunkt zu stehen.
Das Verhalten ist typischerweise darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit auf sich
zu lenken. Betroffene Personen verhalten sich im Sozialkontakt häufig unangemessen, aufreizend bzw. sexuell provokativ. Der Gefühlsausdruck ist oberflächlich und
kann sehr rasch wechseln. Personen mit dieser Störung nutzen ihr äußeres Erscheinungsbild, wie z.B. Kleidung, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: Es wird übermäßig viel Zeit auf die äußere Erscheinung verwendet oder die betreffende Person
fühlt sich extrem gestört, wenn sie sich nicht attraktiv fühlt. Der Sprachstil ist übertrieben impressionistisch, kennt im Grunde genommen keine Details, echte Fakten
fehlen. Charmantes Auftreten, theatralisches In-Szene-Setzen, Weinen, Wutausbrüche bis hin zu Suizidandrohungen gehören dazu. Nur flüchtige Bekannte werden mit
unangemessener Begeisterung umarmt oder es kommt zu „Weinkrämpfen“, wobei
das Ausmaß der emotionalen Reaktion in keinem Verhältnis zum Anlass steht. Personen mit dieser Störung sind auch häufig unsicher in ihren Meinungen und Ansichten und übernehmen daher schnell die Meinung anderer. Beziehungen werden von
ihnen enger wahrgenommen, als sie tatsächlich sind. Sie glauben, zu fast allen
Menschen, die sie treffen, einen schnellen engen Kontakt zu haben. Das kann sich
beispielsweise darin äußern, dass der behandelnde Zahnarzt nach zwei Terminen
mit seinem Vornamen angesprochen wird etc.
116
Von den insgesamt acht Kriterien, die eine histrionische Persönlichkeitsstörung
kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung. Personen mit dieser Störung legen ein
übertriebenes Selbstwertgefühl an den Tag. Eigene Leistungen und Fähigkeiten
werden überbetont und überbewertet. Die betreffende Person erwartet, auch ohne
entsprechende Leistung, als überlegen zu gelten. Dadurch wirken diese Personen
häufig prahlerisch und großspurig. Ihr Denken ist häufig von Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit oder vollkommene Liebe beherrscht. Die
betreffende Person begibt sich gern in diese Tagträume, andere Aktivitäten können
dadurch verdrängt werden. Personen mit dieser Störung glauben von sich, überlegen, besonders oder einzigartig zu sein. Dementsprechend sind sie der Überzeugung, nur von Leuten verstanden zu werden oder nur mit Leuten Kontakt zu haben,
die ebenfalls etwas besonders sind oder eine hohe Position innehaben. So bestehen
sie beispielsweise bei einer Beschwerde darauf, nur mit dem höchsten Vorgesetzten
zu sprechen. Auch verlangen Betroffene mit dieser Störung nach übermäßiger Bewunderung. Es ist ihnen sehr wichtig, dass sie von anderen beachtet oder in irgendeiner Weise bewundert werden. Dementsprechend sind die Verhaltensweisen häufig
darauf ausgerichtet, Bestätigung und Bewunderung zu erhalten. Ein hohes Anspruchsdenken ist häufig bei diesen Personen zu finden. So erwarten sie beispielsweise, bevorzugt behandelt zu werden. Diese hohe Anspruchshaltung geht oft einher mit einem Mangel an Sensibilität gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen
anderer Menschen. Zwischenmenschliche Beziehungen werden dahingehend ausgenutzt, die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Ziele zu realisieren. Es besteht die
Erwartung, dass andere den eigenen Wünschen bedingungslos nachkommen. Menschen mit dieser Störung halten es oft für unwichtig, sich mit den Angelegenheiten
oder den Gefühlen anderer aus einander zu setzen. Sie haben Schwierigkeiten, sich
in ihr Gegenüber hineinzuversetzen und deren Wünsche und Gefühle wahrzunehmen. Sie können es häufig nur schwer ertragen, wenn andere erfolgreich sind oder
haben den Eindruck, dass andere oft neidisch auf sie sind. Auch zeigen betroffene
Personen häufig arrogante und überhebliche Verhaltensweisen und Einstellungen.
Von den insgesamt neun Kriterien, die eine narzisstische Persönlichkeitsstörung
kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen.
Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung. Die vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster von sozialer Gehemmtheit,
Insuffizienzgefühlen und der Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung
durch andere gekennzeichnet.
Personen mit dieser Störung vermeiden berufliche Aufgaben oder Aufträge, bei denen sie mit vielen Menschen zu tun haben, aus Angst vor Kritik, Ablehnung oder Zurückweisung. Soziale Kontakte werden in der Regel nur eingegangen, wenn der Betroffene sich der Sympathie und des Angenommenseins durch den anderen sicher
ist. Selbst in engeren Beziehungen fällt ihnen es schwer, für sich selbst zu sprechen
und intimere Gefühle zu zeigen aus Angst, man könnte sich über sie lustig macht
oder sie in Verlegenheit bringen. In sozialen Situationen sind die Betroffenen ständig
gedanklich damit beschäftigt, kritisiert oder abgelehnt zu werden. Ihre Aufmerksamkeit ist ganz auf den anderen gerichtet. Sie sehen sich sozusagen durch die Augen
des anderen. Selbst eher neutrale Verhaltensweisen können schon als Kritik und
117
Ablehnung bewertet werden, wodurch sich der Betroffene äußerst verletzt fühlt.
Menschen mit dieser Störung halten sich für gesellschaftlich unbeholfen, persönlich
unattraktiv oder dem anderen gegenüber unterlegen. Die geringe Selbstachtung
führt dazu, dass sich die Betroffenen schweigsam zurückhalten, wenn sie neue
Leute kennen lernen. Auch nehmen Menschen mit dieser Störung in der Regel ungern persönliche Risiken in Kauf oder wagen sich nicht an neue Aktivitäten heran,
weil sie große Angst haben, sich dabei zu blamieren.
Von den insgesamt sieben Kriterien, die eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung
kennzeichnen, müssen mindestens vier Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen.
Dependente Persönlichkeitsstörung. Bei der dependenten Persönlichkeitsstörung
steht ein tiefgreifendes und überstarkes Bedürfnis im Vordergrund, versorgt zu werden, das zu unterwürfigem und anklammerndem Verhalten und ausgeprägten Trennungsängsten führt.
Betroffene benötigen häufig ausgiebige Ratschläge oder Bestätigung von anderen,
bevor sie alltägliche Entscheidungen treffen können. Bei der Organisation wichtiger
Lebensbereiche, wie z.B. Planung des Alltags oder Geldangelegenheiten, sind sie
von anderen, meist einer einzelnen Person, abhängig. Aus Angst, die Unterstützung
und den Rückhalt zu verlieren, ohne die sich die dependente Persönlichkeitsstörung
schwach, hilflos und lebensunfähig fühlt, fällt es den betroffenen Menschen sehr
schwer, anderen zu widersprechen oder eine andere Meinung zu vertreten. Es wird
alles Erdenkliche getan, um die Versorgung oder Zuwendung anderer zu erhalten.
So werden beispielsweise freiwillig unangenehme Aufgaben übernommen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung fällt es schwer, Aufgaben zu beginnen oder
daran zu bleiben, wenn ihnen niemand dabei hilft. Dies geschieht nicht aus mangelnder Motivation oder Tatkraft, sondern auf dem Hintergrund tiefsitzender Selbstzweifel. Die Betroffenen sind sich beispielsweise sicher, dass andere Menschen
Dinge besser können. Aus der Überzeugung heraus, ohne eine enge Beziehung
nicht lebensfähig zu sein, gehen Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung schnell
wieder eine andere Beziehung ein, wenn eine enge Beziehung endet. Auf dem Boden dieser Überzeugung, die Hilfe und Unterstützung des anderen zum Überleben
zu benötigen, besteht bei den Betroffenen eine ständige Angst davor, alleine gelassen zu werden, obwohl dafür kein offensichtlicher oder greifbarer Grund vorliegt.
Daraus resultiert häufig ein anklammerndes Verhalten.
Von den insgesamt acht Kriterien, die eine dependente Persönlichkeitsstörung
kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen.
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist
durch ein tiefgreifendes Muster von übergroßer Ordnung, Perfektion und Kontrollstreben auf Kosten von Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Effizienz geprägt.
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung legen großen Wert auf die sorgfältige
Beachtung von Regeln, Verfahrensfragen, Ordnung und Organisation. Nebensächlichen Details wird eine außergewöhnliche Beachtung geschenkt und sie werden auf
mögliche Fehler überprüft. Der übertriebene Perfektionismus führt bei diesen Menschen zu beträchtlichen Beeinträchtigungen und Leid. In dem Bemühen, eine Aufgabe absolut perfekt zu erledigen, vertiefen sie sich so sehr in Details, dass die eigentliche Arbeit nie zum Abschluss kommt. Für Freunde oder Vergnügungen bleibt häufig keine Zeit mehr. Arbeit und Produktivität haben absolute Priorität, obwohl keine
118
finanzielle Notlage vorliegt oder zeitlich begrenzte berufliche Anforderungen bestehen. Freie, unverplante Zeit bedeutet eher Stress: Hobbys oder Beschäftigungen mit
Erholungswert werden zu ernstzunehmenden Aufgaben umfunktioniert, wobei stets
die perfekte Leistung betont wird. Nur was mit Anstrengung und Leistung verbunden
ist, besitzt einen wirklichen Wert. Es bestehen sehr starre, unflexible Ansichten in
bezug auf Moral und Wertvorstellungen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung
haben eine genaue Vorstellung davon, was richtig und falsch ist, dementsprechend
verhalten sie sich und erwarten von anderen Menschen, dass diese sich genauso
verhalten. Gegenüber eigenen Fehlern sind sie erbarmungslos selbstkritisch. Aufgaben werden nur mit Widerwillen delegiert. Denn die Betroffenen haben eine klare,
rigide Vorstellung davon, wie eine Arbeit zu erledigen ist, und erwarten, dass andere
bis ins Detail ihren Arbeitsstil übernehmen. So geben sie beispielsweise detaillierte
Instruktionen, wie die Küche zu putzen, der Rasen zu mähen ist etc. Keiner kann es
ihnen recht machen. Auf Verbesserungsvorschläge anderer reagieren sie eher irritiert und überrascht, Hilfe wird abgelehnt. Häufig sind sie auch unfähig, kaputte oder
wertlose Gegenstände wegzuwerfen, da sie denken, dass sie diese eines Tages
vielleicht doch noch einmal brauchen könnten. Durch dieses Horten kann es zu
Platzproblemen in der Wohnung oder im Haus kommen. Es fällt häufig schwer, Geld
für sich selbst oder andere auszugeben, auch wenn genügend zur Verfügung steht.
Sie sind geizig, da das Geld für künftige Katastrophen gehortet werden muss. Es ist
ihnen häufig ganz gleichgültig, was andere Leute sagen, weil sie sich sicher sind,
recht zu haben. Dabei sind sie so in ihre eigene Sichtweise verstrickt, dass es ihnen
fast unmöglich ist, Vorschläge und Standpunkte anderer zu berücksichtigen.
Von den insgesamt acht Kriterien, die eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens vier Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu
gerechtfertigen.
Kombinierte Persönlichkeitsstörung. Sind die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt, die Kriterien der oben genannten oder der sonstigen existierenden Persönlichkeitsstörungen (negativistische, depressive, paranoide, schizotypische, schizoide oder antisoziale Persönlichkeitsstörung) allerdings nur unterschwellig (jeweils ein Kriterium weniger als gefordert), kann die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung vergeben werden. Dabei sind alle möglichen Kombinationen denkbar.
4.4.2
Diagnostik der symptomatischen Störungen in der Psychosomatik
Die Diagnoselisten IDCL nach ICD-10 und DSM-IV stellen ein einheitlich konzipiertes und in standardisierter Form anwendbares Instrument zur Klassifizierung von
Patienten dar. Die IDCL für ICD-10 bestehen aus einzelnen Listen, wobei sich jede
einzelne Checkliste auf eine einzige Diagnose bezieht (z.B. ermöglicht die IDCL
„Agoraphobie“ die Diagnose der gleichnamigen Störung). In jeder Liste sind alle
Merkmale und Kriterien aufgeführt, die zur Beurteilung der Störung und zur Diagnosestellung erforderlich sind. Neben psychopathologischen Symptomen und Verhaltensmerkmalen werden Zeit- und Verlaufscharakteristika, Schweregradbestimmungen sowie Ausschlusskriterien angegeben. Der Wortlaut der einzelnen Kriterien entspricht in der Regel dem im Klassifikationssystem vorgegebenen Text. Den ICD-10Listen liegen die diagnostischen Forschungskriterien (WHO, 1993, Dilling et al.,
1994) zugrunde. Für jedes zu beurteilende Merkmal oder Kriterium sind Kodierungs119
kästchen zum Ankreuzen des Befundes vorgesehen. Bei den meisten Merkmalen
sind die Kodierungsmöglichkeiten „ja“, „Verdacht“ oder „nein“ vorgesehen. Einige
Kriterien werden mit „erfüllt“, „Verdacht“ oder „nicht erfüllt“ beurteilt. In jeder Checkliste sind klare Regeln zur Diagnosestellung angegeben. Die Diagnose kann somit
während oder unmittelbar nach der Untersuchung erstellt werden. Insgesamt sind
die für jede Diagnose relevanten Kriterien so aufgelistet, dass der Diagnostiker aufgrund der erhobenen Informationen rasch und unkompliziert eine diagnostische Entscheidung treffen kann. Für jede Störung ist des weiteren angegeben, mit welchem
Diagnosecode sie verschlüsselt werden kann. In den vorliegenden Listen kann
ebenso dokumentiert werden, ob eine derzeitige (aktuelle) oder frühere Symptomatik
erfasst wurde. Insofern eignen sich die IDCL auch zur Stellung von lifetimeDiagnosen.
Insgesamt liegen für ICD-10 32 Listen vor. Die nachfolgende Tabelle zeigt die für
ICD-10 vorliegenden IDCL.
Tab. 12
Übersicht über die für das Klassifikationssystem ICD-10 verfügbaren Internationalen
Diagnosen Checklisten (IDCL)
Psychotische Störungen
Schizophrenie
Schizoaffektive Störung
Akute vorübergehende psychotische Störungen
Schizotype Störung
Schizophrenia simplex
Wahnhafte Störung
Affektive Störungen
Depressive Episode
Manische Episode oder Hypomanie
Anpassungsstörung
Dysthymia
Zyklothymia
Angststörungen
Panikstörung
Spezifische (isolierte) Phobie
Gereralisierte Angststörung
Agoraphobie
Soziale Phobie
Zwangsstörung
Störungen durch Einnahme psychotroper Substanzen
Alkoholabhängigkeit und schädlicher Gebrauch
Abhängigkeit und schädlicher Gebrauch von Drogen/Medikamenten
Somatoforme Störungen, Essstörungen
Somatoforme Störungen
Hypochondrische Störungen
Dissoziative und Konversionsstörungen
Anorexia nervosa
Bulimia nervosa
Organisch bedingte psychische Störungen
Delir
Entzugssyndrom
Akute Intoxikation
Organisches amnestisches Syndrom
Organische psychische Störungen
Organische Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen
Psychotische Störungen, bedingt durch psychotrope Substanzen
Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung, bedingt durch
psychotrope Substanzen
120
Der IDCL-Befund basiert grundsätzlich auf einer Fremdbeurteilung. Die einzuschätzenden Merkmale sind durch die diagnostischen Kriterien zwar vorgegeben, die Art
ihrer Erhebung ist aber frei. Als Informationsquellen kommen Angaben des Patienten, Angaben dritter Personen (z.B. Angehörige, Freunde) und Verhaltensbeobachtungen in Betracht. Bei der Arbeit mit den IDCL können alle Informationsquellen genutzt werden, so dass Angaben unterschiedlicher Herkunft miteinander kombiniert
werden können.
Die Diagnoseerhebung erfolgte über die IDCL für ICD-10 durch eine verbale Exploration des Patienten, d.h. es wurde mit dem Patienten ein Gespräch über dessen
Beschwerden und Symptome geführt. Die IDCL lagen dabei vor und dienten als
Leitfaden und Unterstützung bei der Strukturierung des Gesprächs. Die zu beurteilenden Merkmale bzw. Kriterien wurden zu einem jeweils in den Gesprächsverlauf
passenden Zeitpunkt angesprochen und beurteilt. Mit Hilfe der Checklisten konnte
so systematisch und umfassend geprüft werden, welche Diagnose bzw. welche Diagnosen für den untersuchten Patienten in Frage kamen. Die diagnostische Beurteilung erfolgte noch während des Gesprächs.
Ein wesentlicher Vorteil bei einem Einsatz der IDCL ist, dass alle diagnoserelevanten Merkmale explizit und gezielt erhoben werden können und das sicher gestellt
werden kann, dass sämtliche Informationen vorliegen, die für eine diagnostische
Entscheidung erforderlich sind. Dabei ermöglicht die Arbeit mit den IDCL ein hypothesengeleitetes Vorgehen. Während des Gesprächs kann der Diagnostiker fortlaufend diagnostische Hypothesen aufstellen und überprüfen. Konkret bedeutet dies,
dass er für den untersuchten Patienten eine diagnostische Einordnung erwägen
kann und diese durch eine gezielte Erhebung der relevanten Informationen sofort
überprüfen kann. Dieser Vorgang kann so lange wiederholt werden, bis eine adäquate Klassifizierung gelungen ist. Sind bei einem Patienten die Kriterien für mehrere Diagnosen erfüllt, werden alle Diagnosen vergeben, auch wenn vom klinischen
Bild her eine der Störungen im Vordergrund steht. Bei Untersuchungsgesprächen
sollten neben der Exploration der im Vordergrund stehenden Symptomatik auch
Fragen nach anderen Störungsbereichen gestellt werden (sogenannte Screeningoder Suchfragen). Ergeben sich bei solchen Orientierungsfragen Hinweise auf zusätzliche Störungen wird die Symptomatik mit Hilfe der entsprechenden IDCL genauer exploriert.
Eine Übersicht über bisherige Arbeiten mit IDCL sowie Untersuchungsergebnisse
zur Reliabilität der IDCL, auch im Vergleich zwischen IDCL für ICD-10 und DSM-IV
finden sich bei Hiller et al., 1995.
4.4.3
Diagnostik der Abhängigkeitserkrankungen in der Suchtklinik
Die Diagnose „Abhängigkeitserkrankung“ wird gestellt auf der Grundlage der Diagnosekriterien von DSM-IV und ICD-10 unter Einbeziehung der Vorbefunde der
prästationär vom Patienten aufgesuchten Beratungsstelle, Berichte von stationären
Aufenthalten (beispielsweise von Entgiftungen) und einer ausführlichen anamnestischen und Befunderhebung, die auf der Aufnahmestation am Beginn der Entwöhnungsbehandlung für jeden Patienten obligatorisch steht. In den Mittelpunkt rückt
dabei die Erhebung körperlicher und psychischer Abhängigkeitsmerkmale wie körperliche Entzugszeichen, Gewöhnung, Toleranzentwicklung, Craving, Kontrollverlust
121
als Kernmerkmal der Abhängigkeit, körperliche wie psychosoziale Folgeerscheinungen als Sekundärmerkmale der Abhängigkeitsentwicklung. Medizinische Laborbefunde, wie z.B. Erhöhung der Gamma-GT, GOT, GPT, Bilirubin und MCV sowie
CDT-Messung, die Hinweise auf einen chronisch hohen Alkoholkonsum geben, werden in die Diagnostik als Indikator zur Objektivierung eines pathologischen Alkoholkonsums mit ein bezogen. Objektivierbare Indikatoren für eine Medikamentenabhängigkeit lassen sich aus laborchemischen Daten nicht ableiten. Der Further Fragebogen als Selbstbeurteilungsinstrument ergänzt die anamnestische und Befunderhebung.
4.4.4
Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV
Die Diagnosen der Persönlichkeitsstörungen wurden mit dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM-IV, Achse-II: Persönlichkeitsstörungen (SKID-II; Fydrich,
Renneberg, Schmitz & Wittchen, 1997) erhoben. Das SKID-II ist ein häufig verwendetes diagnostisches Instrument zur standardisierten Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen. Es handelt sich bei dem Instrument um ein halbstrukturiertes Interview zur Diagnostik der zehn auf Achse-II sowie der zwei im Anhang des DSM-IV
aufgeführten Persönlichkeitsstörungen ( selbstunsichere, dependente, zwanghafte,
negativistische, depressive, paranoide, schizotypische, schizoide, histrionische, narzisstische, borderline und antisoziale Persönlichkeitsstörung). Der Vorteil des Verfahrens gegenüber anderen strukturierten Interviews ist, dass ein zweistufiges Vorgehen möglich ist: Das Interview wird in der Regel in Kombination mit einem Fragebogen verwendet, der von Probanden vor der Durchführung des Interviews beantwortet wird. Die insgesamt 117 Items des Fragebogens repräsentieren dabei die
Kriterien des DSM-IV für die spezifischen Persönlichkeitsstörungen. Der Fragebogen
dient als Screening für die Merkmale der zwölf erfassten Persönlichkeitsstörungen.
Im anschließenden Interview werden die Fragen vertieft nachexploriert, die im Fragebogen von dem Probanden eindeutig mit „ja“ gekennzeichnet wurden. Liegen keine oder lediglich eine zu geringe Anzahl von „ja“-Antworten vor, um die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung zu erfüllen, ist eine anschließende Durchführung des Interviews nicht erforderlich. In der Literatur (u.a. Fydrich, Schmitz, Hennch & Bodem,
1996) sowie im Handbuch zum SKID-II werden vor dem Hintergrund dieses zweistufigen Vorgehens erheblich verkürzte Durchführungszeiten des Interviews angegeben. So liegt die Durchführungszeit des Interviews je nach untersuchtem Klientel und
Anzahl der „ja“-Antworten zwischen wenigen Minuten und etwa einer Stunde. Erfahrungsgemäß beträgt die durchschnittliche Durchführungszeit ungefähr 30 Minuten.
Im Projektrahmen dauerte das SKID-II-Interview auf Grundlage des von dem Probanden vorher ausgefüllten Fragebogens eher eine Zeitstunde und mehr.
Die Fragebogen-Items sind sehr allgemein formuliert, so dass eine hohe Bejahungswahrscheinlichkeit besteht, d.h. dass Probanden eher dazu tendieren, die vorgegebenen Items mit ja zu beantworten und sich somit falsch positive Ergebnisse
ergeben. Zur zuverlässigen Diagnostik der Persönlichkeitsstörung muss die klinische
Bedeutsamkeit der einzelnen Items mit „ja“-Antworten über die entsprechenden Fragen des Interviews und die jeweiligen diagnostischen Kriterien unbedingt überprüft
werden.
Vor der Durchführung des SKID-II sollte immer eine gesicherte Abklärung der Symptomstörung nach Achse-I erfolgen, was über die Internationalen Diagnose Checkli122
sten für ICD-10 (IDCL; Hiller, Zaudig & Mombour, 1995) erfolgte. Dieser Aspekt ist
insofern bedeutsam, als dass damit einer Vermischung diagnostischer Kriterien auf
Achse-I- (bzw. Symptomebene) und Achse-II-Ebene (bzw. Persönlichkeitsstörungsebene) vorgebeugt werden kann. Nach wie vor bleibt die Trennung von Symptomatik und Persönlichkeitseigenschaften erschwert, wenn die Achse-I-Störung
(bzw. Symptomdiagnose), besonders aber affektive Störungen bereits über einen
längeren Zeitraum (z.B. mehr als die Hälfte der Zeit in den vergangenen fünf Jahren)
bestehen oder bestanden haben. Eine Durchführung des SKID-II ist beim Vorliegen
einer akuten psychotischen Störung nicht möglich. Patienten mit psychotischen Störungen wurden von einer Teilnahme an der Untersuchung ausgeschlossen.
Bei der Vorgabe des Fragebogens wie auch zu Beginn des Interviews wird der Proband explizit darauf hingewiesen, dass er sich bei der Beantwortung der Fragen auf
die letzten fünf bis zehn Jahre beziehen soll, nicht nur auf die letzten Tage oder Wochen, in denen möglicherweise akute psychische Probleme vorgelegen haben. Auch
dieser Aspekt soll einer Vermischung der symptomatischen Störung und Persönlichkeitsstörung vorbeugen und so eine mögliche falsch positive Diagnose auf Persönlichkeitsebene verhindern.
Nach einer Auswertung des SKID-II-Fragebogens (Auszählen der gegebenen „ja“Antworten für die zwölf Persönlichkeitsstörungen) wurde in der zweiten Stufe das
SKID-II-Interviewheft verwendet. Am Beginn des Interview stand ein kurzer Explorationsleitfaden, in dem sich der Interviewer über insgesamt acht offene Fragen einen
ersten Eindruck im Zusammenhang mit relevanten Persönlichkeitseigenschaften
über den Probanden machen kann. Gleichzeitig diente dieser Explorationsleitfaden
als Warming-up und gab dem Probanden bei einer gewissen Strukturierung die
Möglichkeit frei zu erzählen.
Kurzer Explorationsleitfaden:
Ich möchte Ihnen jetzt einige Fragen zu Ihrer Persönlichkeit stellen, d.h. wie Sie sich
normalerweise verhalten und wie Sie empfinden. [Falls im SKID Achse-I-Interview
eine DSM-IV Störung diagnostiziert wurde, fragen Sie:]
Es ist mir bekannt, dass es Zeiten gab, in denen Sie Probleme hatten, wie... (bitte
typische Symptome aus dem Achse-I-Interview entsprechend modifiziert als
Beispiel geben). Sie sollten versuchen, sich bei der Beantwortung meiner folgenden
Fragen auf Zeiten zu beziehen, in denen Sie nicht unter derartigen Problemen gelitten haben. Ich möchte wissen, wie Sie sich normalerweise verhalten, also wenn Sie
keine Probleme haben, wie z.B. ... . Haben Sie dazu noch Fragen?
123
Fragen
1.
Notizen
Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
(Bitte vor Auftreten bzw. unabhängig von Achse-I Störung)
[Wenn keine spontane Antwort gegeben wird, fragen
Sie weiter:]
2.
Wie würden denn wohl andere Leute Sie
beschreiben?
(Bitte vor Auftreten bzw. unabhängig von Achse-I Störung)
3.
Wer sind die wichtigsten Menschen in
Ihrem Leben? [Wenn nur Angehörige erwähnt
werden:] Wie ist es mit Ihren Freunden, Arbeitskollegen, etc.?
4.
aus?
Wie kommen Sie im allgemeinen mit Ihnen
5.
Haben Sie den Eindruck, dass die Art und
Weise, wie Sie üblicherweise auf Dinge und Ereignisse
reagieren, zu Problemen im Umgang mit anderen
Leuten führt (wie ist es zu Hause? in der Schule?
bei der Arbeit?) (in welcher Weise?)
6.
[Falls unklar:] Haben Sie schon einmal etwas getan,
womit Sie andere Leute möglicherweise verärgert haben?
7.
Wie verbringen Sie im allgemeinen Ihre Freizeit?
8.
Wenn Sie Ihre Persönlichkeit in einigen Punkten
ändern könnten, in welcher Beziehung wären
Sie gern anders?
Falls der Fragebogen ausgefüllt wurde:
9a.
Jetzt möchte ich gerne zu einigen Fragen kommen,
die Sie im Fragebogen mit „ja“ beantwortet haben.
Falls der Fragebogen nicht ausgefüllt wurde:
9b.
Jetzt möchte ich Ihnen gerne noch einige genauere
Fragen stellen.
Im Interview selbst wurden den Probanden genau formulierte Fragen zum jeweiligen
Bereich gestellt. Der Interviewleitfaden gab neben der eigentlichen Frage selbst
auch das diagnostische Kriterium zur Beurteilung vor (siehe exemplarisch für die
dependente Persönlichkeitsstörung in Tab. 13). Welche konkreten Items des Fragebogens im Interview überprüft werden, unterlag der klinischen Einschätzung des Interviewers und war abhängig von der Vorinformation (u.a. über den Explorationsleitfaden zu Beginn des Interviews), die über den Probanden vorliegt. Im Rahmen des
Interviews sollten auf alle Fälle die mit „ja“ beantworteten Fragen verifiziert werden.
Falls nach der Antwort auf die Frage noch keine Entscheidung über das Kriterium
getroffen werden konnte, musste der Interviewer zusätzliche Fragen stellen. Auf dieser Basis wird dann für das einzelne Kriterium eine Einschätzung gegeben. D.h. es
wurde nicht die Antwort auf die Frage kodiert, sondern das vorgegebene Kriterium.
124
Die Beurteilung erfolgte auf einer dreistufigen Skala mit den Kategorien „Kriterium
nicht erfüllt“ (= 1), „“Kriterium unterschwellig erfüllt“ (=2) und „Kriterium voll erfüllt“ (=
3). Zudem wird die Kategorie „Information nicht ausreichend“ (= ?) vorgegeben. Neben den spezifischen Kriterien für die entsprechende Persönlichkeitsstörung musste
der Interviewer auch die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung beachten, nach denen die jeweiligen Merkmale überdauernde, für den Patienten charakteristische Formen des Erlebens und Verhaltens sind und nicht nur dann auftreten, wenn eine andere primäre psychische Störung auf der Symptom- oder Syndromebene vorliegt.
Tab. 13
SKID-II für die dependente Persönlichkeitsstörung
Dependente Persönlichkeitsstörung
Kriterien
(Leiten Sie die Fragen, die im Fragebogen be- Ein durchgängiges und übermäßiges
jaht sind, gegebenenfalls wie folgt ein:
Bedürfnis, umsorgt zu werden, das zu
unterwürfigem und anklammerndem
Sie sagten im Fragebogen, dass Sie ...“ und Verhalten sowie zu Trennungsängsten
formulieren Sie die Interviewerfrage um)
führt. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter; die Störung manifestiert sich in den verschiedensten
Lebensbereichen. Mindestens fünf der
folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
Benötigen Sie häufig Ratschläge oder Bestäti- (1) hat Schwierigkeiten, alltäg-liche ? 1 2 3
gung von anderen, bevor Sie alltägliche Ent- Entscheidungen allein zu treffen; beschei-dungen treffen können, zum Bei-spiel nötigt übermäßig viele Ratschläge und
wenn es darum geht, was Sie anziehen oder in Bestätigung durch andere
einem Restau-rant bestellen sollen?
Können Sie mir einige Beispiele für solche Ent- ( 3 = mehrere Beispiele)
scheidungen nennen, für die Sie Rat und Bestätigung bei anderen suchen?
(Kommt das fast jeden Tag vor?)
Sind Sie bei der Organisation wichtiger Lebensbereiche, wie zum Beispiel Geldangelegenhei-ten, Kindererziehung oder Planung des
Alltags von anderen Personen abhängig?
Können Sie mir einige Beispiele nennen, in
denen Sie von anderen mehr als nur beraten
werden.
(2) braucht andere, die die Verant- ? 1 2 3
wortung für fast alle wichtigen Bereiche seines/ihres Lebens übernehmen
(3 = mehrere Beispiele)
[Anmerkung: bloße Ratsuche oder
Verhalten, das durch Normen kultureller Untergruppen bestimmt ist, hier
nicht berücksichtigen]
(3) hat Schwierigkeiten, anderen zu ? 1 2 3
widersprechen aus Angst Unterstützung, Rückhalt oder Anerkennung zu
verlieren
(Ist das in den meisten Bereichen Ihres Lebens
so?)
Fällt es Ihnen schwer anderen zu widersprechen, selbst wenn Sie denken, dass diese unrecht haben?
Bei welchen Gelegenheiten war oder ist das für
Sie so?
Was befürchten Sie, könnte passieren, wenn (3 = Zustimmung oder mehrere BeiSie wider-sprechen würden?
spiele)
[Anmerkung: realistische Angst vor
Bestrafung hier nicht berücksichtigen]
125
Fortsetzung Tab.13
Dependente Persönlichkeitsstörung
Fällt es Ihnen schwer, Aufgaben zu beginnen
oder daran zu arbeiten, wenn Ihnen niemand
dabei hilft?
Nennen Sie mir einige Beispiele!
Warum ist das so?
(Haben Sie Zweifel, ob Sie es allein gut genug
machen können?)
Übernehmen Sie oft freiwillig unangenehme
Aufgaben?
Warum tun Sie das?
Kriterien
(4) hat Schwierigkeiten damit, Unter- ? 1 2 3
nehmungen allein zu beginnen, eher
auf Grund von mangelndem Vertrauen
in die eigene Urteilsfähigkeit oder in
die eigenen Fähigkeiten, als aus mangelnder Motivation oder Tatkraft
(3 = Zustimmung)
(5) tut alles Erdenkliche, um die Ver- ? 1 2 3
sorgung und Zuwendung anderer zu
erhalten bis hin zur freiwilligen Übernahme unangenehmer Tätigkeiten
(3 = Zustimmung und mindestens ein
Beispiel)
[Anmerkung: Nur Verhalten berücksichtigen, das darauf abzielt, Zuneigung zu gewinnen, z.B. nicht berufliches Weiterkommen]
Fühlen Sie sich im allgemeinen hilflos, wenn (6) fühlt sich unwohl oder hilflos, wenn ? 1 2 3
Sie allein sind?
er/sie allein ist, aus übersteigerter
Woran liegt das?
Angst, nicht für sich selbst sorgen zu
können
(Ist es so, weil Sie jemanden brauchen, der sich
um Sie kümmert?)
(3 = Zustimmung)
Wenn eine enge Beziehung endet, brauchen (7) sucht dringend eine andere Bezie- ? 1 2 3
Sie anderen schnell einen anderen Menschen, hung als Quelle der Fürsorge und
auf den Sie sich verlassen können?
Unterstützung, wenn eine enge BezieErklärten Sie mir das genauer!
hung endet
(Verhalten Sie sich fast immer so, wenn enge
Beziehungen enden?)
Denken Sie oft darüber nach, allein gelassen zu
werden und niemanden zu haben, der sich um
Sie kümmert?
Beunruhigt Sie das oft?
(3 = passiert immer, wenn eine enge
Beziehung endet)
(8) unrealistische Angst, verlas-sen zu ? 1 2 3
werden und für sich selbst sorgen zu
müssen
(3 = ständige unbegründete Beunruhigung)
Für jede Persönlichkeitsstörung werden Cutoffs angegeben, d.h. dass die Anzahl der
mindestens zu erfüllenden Kriterien, um eine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren, angegeben wird. Dabei wird, in Anlehnung an den DSM-IV auf eine Wertung der
einzelnen Kriterien verzichtet, die Zusammensetzung einzelner Persönlichkeitsstörungen aus den verschiedenen Kriterien kann somit unterschiedlich sein.
126
Tab. 14
Zuordnung der Fragebogen und Interview-Items zu Persönlichkeitsstörungen und Angabe der Cutoffs
Persönlichkeitsstörung
Selbstunsichere
Dependente
Zwanghafte
Negativistische
Depressive
Paranoide
Schizotypische
Schizoide
Histrionische
Narzisstische
Borderline
Antisoziale
Itemzahl
7
8
9
8
8
9
8
8
7
16
14
15
Itemnummer
1-7
8-15
16-24
25-32
33-40
41-48
49-59
60-65
66-72
73-88
89-102
103-117
Cutoff
4/7
5/8
4/8
4/7
5/7
4/7
5/9
4/7
5/8
5/9
5/9
3/15
Neben den zwölf im SKID-II-Interview angegebenen Persönlichkeitsstörungen wurde
zudem, wenn die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt waren
und in mindestens zwei spezifischen Persönlichkeitsstörungen die Kriterien unterschwellig erfüllt waren (d.h. ein Kriterium weniger als nötig zur vollen Erfüllung der
Persönlichkeitsstörung) die Diagnose der gemischten bzw. kombinierten Persönlichkeitsstörung vergeben.
4.4.5
Stichprobenrekrutierung
Die folgende Darstellung beschreibt exemplarisch die Stichprobenrekrutierung und
die Fragebogenerhebung in der Fachklinik Bad Dürkheim nach Aufgabe, Verantwortlichkeit und Erledigungszeitraum. Ziele sind die Identifikation von Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen und deren randomisierte Zuweisung zu Experimental- und
Kontrollgruppe.
Die Rekrutierung wird in 2 Phasen realisiert: Phase 1: vor der stationären Aufnahme
Phase 2: in der ersten bzw. zweiten Woche nach Aufnahme in die Fachklinik.
Phase 1: Vor stationärer Aufnahme
Nr.
1
1.1
1.2
1.3
1.4
2
2.1
Vorauswahl nach Aktenlage
Beurteilung von ca. 25 Akten pro Woche nach vorliegenden Informationen z.B. des einweisenden Arztes hinsichtlich einer PS
Einschlußkriterien Achse II.-Diagnose
OK-Geber (Eintrag auf OK-Blatt bei PS),
zur Aufnahme
zum Eva-Team
Eintrag Datenbank PsP: PS nach Akte
Klassifikation der Diagnose:
„sicher“ wenn Psychologe/Psychiater o.ä. /mit ICD oder DSM Nummer
versehen
„unsicher“ wenn Hausarzt o.ä. / unklare Spezifikation der Diagnose
Kennzeichnung der Patienten- Akte
zurück zur Aufnahme
wenn Patient Achse II. Diagnose
Eintrag auf OK-Formblatt
127
Wer
OK-Geber
Wann
Mo-Fr
OK-Geber
Aufnah.
PsP-E-T
Mo-Fr
Mo-Fr
PsP-E-T
VG-Führer nach VG
VG-Führer nach VG
2.2
2.3
2.4
2.5
Info von VG-Führer an
Aufnahme
PPP –Eva-Team
PsP –Eva-Team
Info von Aufnahme/ PPP-Eva-Team an PsP-Eva-Team
Eintrag Datenbank PsP
Klassifikation der Diagnose:
„sicher“
Kennzeichnung der Akten
zurück zur Aufnahme
VG-Führer nach VG
PPP-E-T
Aufnahm
PsP-E-T
ständig
PsP-E-T
Erläuterungen:
Ps = Persönlichkeitsstörung
PsP-E-T, PsP-Eva-Team = Persönlichkeitsstörungsevaluationsteam
PPP-Eva-Team = Prä-Post-Evaluationsteam
OK-Geber = Freigabe für Persönlichkeitsprojekt nach Sichtung der Vorbefunde in Akte
VG-Führer = Arzt oder Psychologe der Vorgespräch führte
Phase 2: Aufnahmewoche
Nr.
3
3.1
3.2
3.3
Nr.
4
4.1
4.2
4.3
Nr.
5
5.1
5.2
5.3
5.4
Task (AP) – Aufnahmewoche
Wer
Check PS nach Akte (Aufnahmelisten)
Info von der Aufnahme „Aufnahmeliste“
Aufnah.
(Patienten müssen auf Liste gekennzeichnet sein: alle der nach Akte
ausgewählten Patienten)
Check der Aufnahmelisten
PsP-E-T
wenn Diagnose nach Akte „sicher“:
PsP-E-T
Einholen zusätzlicher Infos:
Therapeuteneinschätzung
Zuweisung zu SKID Interview
wenn Diagnose nach Akte „unsicher“
PsP-E-T
Einholen zusätzlicher Infos:
SKID Fragebogen
Therapeuteneinschätzung
Task (AP) - 1. / 2. Woche
Therapeuteninfo (PS nach Erstkontakten)
Info von Therapeuten: Verdacht auf PS
Formblatt in jede Therapeutenakte
Zuweisung zu SKID Interview wenn
Verdacht auf PS „sicher“
wenn Diagnose nach Erstkontakt „unsicher“ zusätzliche Infos heranziehen
SKID Fragebogen
Task (AP) – Aufnahmewoche
SKID II Fragebogen
Screening 1 Fragebogen SKID II
Überprüfung der 6 Persönlichkeitsstörungen in Kombination mit
SCL 90-R
Aufnahmefragebogen
Check der ca. 30 Neuaufnahmen pro Woche nach Aufnahmeliste
Kopieren
Bereitstellen des Screening-Inventars für die Teams
Kopien in Fächer
(Co-Treff)
Verbindung mit PPP-Fragebogen
Check Aufnahmeliste Info von der Aufnahme „Aufnahmeliste“
128
Wann
Fr
Fr
Fr
Fr
Wer
Wann
Therap
Aufnah.
PsP-E-T
1. /2. Wo
PsP-E-T
Fr
Wer
Wann
PsP-E-T
Do-Mi
PsP-E-T
PsP-E-T
PsP-E-T
Mi/Do
Fr
Aufnah.
Fr
Fr
5.5
5.6
5.7
Nr.
6
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.9
Nr.
7
7.1
7.2
(Patienten müssen durch Aufnahme gekennzeichnet sein: alle der nach
Akte ausgewählten Patienten)
Information aller neu aufgenommenen Patienten über Forschungsprojekte
im Einführungstraining Do 14-16 oder Fr 9-10 (Listen)
Ausgabe der Einwilligungserklärungen zur Teilnahme an Forschungsprojekten, Abgabe bei Einwilligung
Auswertung SKID II
direkt nach Abgabe Eingabe in SPSS / Auswertungsschablonen
Auswertung
Bei Verdacht Persönlichkeitsstörung
(von den untersuchten ca. 30 Patienten die 6 mit den höchsten Scores:
die meisten Ja-Antworten)
Gegencheck Therapeuteneinschätzung
bei Bestätigung des Therapeuten Zuweisung zum SKID-Interview
Task (AP) – Interview SKID II und IDCL
Validierung der Diagnose nach Akte hinsichtlich Einschlußkriterium 1
und 2
ab Freitag Nachmittag 15.30 Uhr
4 Patienten (2 ExG 2 KoG) + Patienten Sicherheit
Terminierung SKID-Interview (Fr. Nachm.)
Auswahl Patienten mit der höchsten Wahrscheinlichkeit einer Persönlichkeitsstörung nach den Ergebnissen der Tasks 3, 4, 5
Benachrichtigung 6 ausgewählte Patienten,
Einladung zur Terminierung (Formblätter)
Eintrag Datenbank
Terminlisten erstellen
Benachrichtigung Kliniker: Liste
Benachrichtigung DAK-Projekt: Interview-Teilnehmer
Durchführung des strukturierten Interviews SKID II
Überprüfung PS
Auswertung
wenn PS, dann Durchführung des strukturierten Interviews
IDCL-Achse I
Auswertung
wenn PS, dann Ausgabe Dia1-Inventar
Task (AP) – Zuweisung ExG-KoG
Benachrichtigung EVA-Team
Eingabe Datenbank
Randomisierte Zuweisung zu
Experimentalgruppe (ExG)
Kontrollgruppe (KoG)
Parallelisierung nach Datenbank-Infos
Leiko
Do/Fr
PsP-E-T
Do/Fr
PsP-E-T
Fr Mittag
Wer
Wann
Fr Mo Mi
PsP-E-T
Fr
Nachm.
PsP-E-T
Fr
PsP-E-T
PsP-E-T
Kliniker
Fr
Fr
Kliniker
Kliniker
Kliniker
Kliniker
Wer
Kliniker
PsP-E-T
PsP-E-T
Wann
Mi
Mi
Mi
Durchführung der Fragebogenuntersuchungen
Nr.
1
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
Nr.
2
2.1
Task (AP) Erhebung aV Meßzeitpunkt1 (t1)
Wer
t1- Aufnahme in die stationäre Therapie
Ausgabe Fragebögen durch Kliniker nach positivem Interviewre- Kliniker
sultat
Einführung in die Evaluation
Kliniker
Fragebogenausgabe
Kliniker
Untersuchung / Ausfüllen der Fragebögen
Patient
Eintrag Datenbank
PsP-E-T
Task (AP) Erhebung aV Meßzeitpunkt2 (t2)
Wer
t2- Entlassung aus der stationären Therapie
Entlassungstermin
Verwalt
129
Wann
Fr/Mo/Mi
Wann
Fr
2.2
2.3
2.4
2.5
Nr.
3.
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
Info von Verwaltung bzw. Therapieteam
Abgleich Entlassungstermin
Eintrag Datenbank
Fragebogenausgabe
Untersuchung / Ausfüllen der Fragebögen
Eintrag Datenabnk
Task (AP) Erhebung aV Meßzeitpunkt2 (t3)
t3- Katamnese 12 Monate nach Entlassung
Benachrichtigung durch Datenbank
automatisierte Listen
postalisch Fragebögen
wenn zurück Eintrag Datenbank
wenn nicht: 2tes Anschreiben
wenn nicht: telefonische Nachfrage
wenn nicht: Eintrag Datenbank Abbrecher
PsP-E-T
PsP-E-T
Patient
PsP-E-T
Wer
Fr
Sa/So
Mi
Wann
PsP-E-T
Mi
PsP-E-T
PsP-E-T
PsP-E-T
PsP-E-T
PsP-E-T
Mi
Mi
Mi
Mi
Mi
Wer
PsP-E-T
PsP-E-T
PsP-E-T
PsP-E-T
Leitung
Wann
ständig
Auswertungen
Nr.
1.
2.
3.
4.
5.
Task (AP)
Dateneingabe
Auswertungen
Formatierungen
Interpretationen
Berichtswesen
130
4.5
Beschreibung der Stichproben
4.5.1
Teilnehmerzahlen
Tab. 15
Stichprobenrekrutierung
Projektphase
Psychosomatik
Anzahl
2179
610
311
Screenings
SKID Interviews
Projektaufnahme
(Identifikation PS)
Sucht
Anzahl
1086
510
299
Insgesamt wurden 3265 Patienten ins screening einbezogen, 2179 Patienten in der
Psychosomatik und 1086 Patienten in der Sucht. Bei 1120 Patienten wurde nachfolgend ein SKID-Interview durchgeführt, bei 665 Patienten eine Persönlichkeitsstörung
diagnostiziert und diese in das Projekt aufgenommen. Die Ausgangsstichprobe betrug somit in der Psychosomatik 311 Patienten und in der Suchtklinik 299 Patienten.
Tab. 16
Stichprobenverteilung bzw. Phasenverteilung
Projektphase
Stichprobenverteilung
Projektaufnahme
Grundstichprobe*
Drop-Out in Behandlung
Drop-Out Katamnese
Pschosomatik
ExG
KoG
152
159
125
133
27
26
25
35
Sucht
ExG
132
115
17
34
Gesamt
311
258
53
60
KoG
167
113
54
41
Gesamt
299
228
71
75
* nach den Kriterien: Vorliegen Fragebogen Messzeitpunkt Aufnahme und Entlassung, regulärer
Entlassungsmodus, bei ExG Teilnahme an mindestens 5 Gruppensitzungen
Von den ausgewählten Patienten durchliefen in der Psychosomatik 258 Patienten
und in der Sucht 228 Patienten das Projekt. Eine Übersicht über die drop-out Gründe
im Behandlungsverlauf gibt die nachfolgende Tabelle:
Tab. 17
Drop-Out Gründe während der Behandlungsmaßnahme (nur 1 Angabe/Hauptgrund pro
Patient, Zuordnung: an erster Stelle steht Therapieabbruch, an zweiter Anzahl Gruppensitzungen < 6, an dritter Projekteva-Abbruch)
Abbruchgründe – Psychosomatik
Therapieabbruch
Projektabbruch (< 3 Gruppensitzungen)
Projektevaabbruch (Weigerung FB auszufüllen)
Sonstiges
Gesamt
ExG
N
2
8
15
2
27
131
%
7,4
29,6
55,6
7,4
100
KoG
N
3
22
1
26
%
11,6
84,6
3,8
100
Gesamt
N
5
8
37
3
53
%
9,3
15,1
69,8
5,7
100
Tab. 18
Drop-Out Gründe während der Behandlungsmaßnahme (nur 1 Angabe/Hauptgrund pro
Patient, Zuordnung: an erster Stelle steht Therapieabbruch, an zweiter Anzahl Gruppensitzungen < 6, an dritter Projekteva-Abbruch)
Abbruchgründe – Sucht
Therapieabbruch
Projektabbruch (< 3 Gruppensitzungen)
Projektevaabbruch (Weigerung FB auszufüllen)
Gesamt
ExG
N
10
1
6
17
KoG
%
58,8
5,9
35,3
100
N
25
29
54
Gesamt
%
46,3
53,7
100
N
35
1
35
71
%
49,3
1,4
49,3
100
In der Suchtklinik zeigt sich ein Unterschied zwischen Abbruchgründen in der Experimentalgruppe und der Kontrollgruppe. An erster Stelle der drop-out Gründe steht in
der Experimentalgruppe der Therapieabbruch, in der Kontrollgruppe die Weigerung
den Fragebogen auszufüllen. In der Kontrollgruppe finden sich insgesamt mehr
drop-outs als in der Experimentalgruppe.
4.5.2
Stichrobenmerkmale
Grundlage der nachfolgenden Vergleiche bilden die am Ende der Therapie für jeden
Patienten erhobenen Basisdokumentationsdaten. Die Vergleiche werden getrennt für
jede Klinik durchgeführt. Es werden folgende Fragen untersucht:
1. Unterscheidet sich die Experimentalgruppe in zentralen Parametern von der
Kontrollgruppe?
2. Unterscheiden sich aus der Studie ausgeschiedene Patienten in zentralen Parametern von den Teilnehmern an der Studie?
3. Unterscheiden sich Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in zentralen Parametern von Patienten ohne Persönlichkeitsstörung?
Zur statistischen Prüfung werden chi2-Test, Fisher- exakt (bei kleinen Zellenbesetzungen N ≤ 5), Mann-Whitney-U-Test oder t-Test für unabhängige Stichproben eingesetzt. (Abkürzungen: X: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Anzahl, %: Prozentualer Anteil, Signifikanz der Werte (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%). Die
Testung der Hypothesen erfolgt auf einem Signifikanzniveau von α = 1% (Alphafehleradjustierung). Weiterhin ist bei der Bewertung der signifikanten Unterschiede zu
berücksichtigen, daß bei großen Stichproben bereits kleine Unterschiede statistische
Signifikanz aufweisen, ohne praktische Relevanz zu erreichen (theoretische vs.
praktische Signifikanz).
4.5.2.1
Vergleich der Projektteilnehmer mit der Kontrollgruppe
Zusammenfassung: Beim Vergleich der Experimentalgruppe mit der Kontrollgruppe
ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen, die Gruppen
können somit als vergleichbar angesehen werden.
132
A
Soziodemographische Daten
Tab. 19
Geschlecht
männlich
weiblich
Geschlecht
Psychosomatik
ExG
N
%
49
39,2
76
60,8
KoG
N
51
82
%
38,3
61,7
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
55
0,2
58
%
48,7
51,3
KoG
N
55
57
%
49,1
50,9
chi 2 /
sign
0,0
Die Variable Geschlecht zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 20
Alter
Jahre
Alter in Jahren
Psychosomatik
ExG
KoG
X
s
X
36,4
10,0
37,2
s
10,2
t-Wert
sign
-,5
Sucht
ExG
X
40,6
s
8,3
KoG
X
41,9
s
8,3
t-Wert
sign
-1,1
Die Variable Alter zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 21
Schulbildung
Hauptschule
Real-/ Fachschule
Abitur
sonstige
Schulbildung
Psychosomatik
ExG
N
%
50
40,3
45
36,3
KoG
N
55
51
%
41,7
38,6
25
4
22
4
16,7
3,0
20,2
3,2
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
47
0,6
41
22
3
%
41,6
36,3
KoG
N
53
29
%
47,7
26,1
19,5
2,7
24
5
21,6
4,5
chi 2 /
sign
2,9
Die Variable Schulbildung zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und
Kontrollgruppe.
Tab. 22
Familienstand
ledig
verheiratet
geschieden
verwitwet
Familienstand
Psychosomatik
ExG
N
%
60
48,8
44
35,8
18
14,6
1
0,8
KoG
N
54
51
20
2
%
42,5
40,2
15,7
1,6
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
46
1,2
40
26
1
%
40,7
35,4
23,0
0,9
KoG
N
39
42
30
%
35,1
37,8
27,0
chi 2 /
sign
2,7
Die Variable Familienstand zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und
Kontrollgruppe.
133
Tab. 23
Partnersituation
Partnersituation
kein fester
Partner
fester Partner
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
49
39,5
64
%
48,9
75
51,1
60,5
67
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
57
2,2
56
%
50,4
KoG
N
53
%
47,7
49,6
58
52,3
chi 2 /
sign
0,1
Die Variable Partnersituation zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und
Kontrollgruppe.
B
Daten zur beruflichen Situation
Tab. 24
Beruflicher
Status
Arbeiter /
Facharbeiter
Angestellter /
Beamter
in Ausbildung
sonstige
Letzter beruflicher Status
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
48
38,7
52
%
39,7
62
50,0
61
46,6
13
1
10,5
0,8
9
9
6,9
6,9
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
32
7,2
%
28,3
KoG
N
26
%
23,6
67
59,3
71
64,5
4
10
3,5
8,8
2
11
1,8
10,0
chi 2 /
sign
1,4
Die Variable letzter beruflicher Status zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 25
Berufsausübung
Vollzeit (auch
ABM)
Teilzeit (auch
ABM)
arbeitslos
sonstige
Berufsausübung bei Behandlungsbeginn
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
65
52,4
73
%
55,3
14
11,3
10
7,6
33
12
26,6
9,7
34
15
25,8
11,4
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
51
1,2
%
45,1
KoG
N
52
%
46,8
7
6,2
5
4,5
44
11
38,9
11,6
42
12
37,8
10,8
chi 2 /
sign
0,4
Die Variable Berufsausübung bei Behandlungsbeginn zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
In die Berechnung der Arbeitsfähigkeit werden hier und in den späteren Vergleichen
nur Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte sowie Arbeitslose einbezogen.
134
Tab. 26
Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme
Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme
arbeitsfähig
arbeitsunfähig
keine Angabe
vorhanden
Psychosomatik
ExG
N
%
61
54,5
48
42,9
3
2,7
KoG
N
64
53
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
51
3,2
51
%
54,7
45,3
%
50
50
KoG
N
44
55
%
44,4
55,6
chi 2 /
sign
0,6
Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 27
Arbeitsfähigkeit bei Entlassung
Arbeitsfähigkeit bei Entlassung
arbeitsfähig
arbeitsunfähig
keine Angabe
vorhanden
Psychosomatik
ExG
N
%
90
80,4
21
18,8
1
0,9
KoG
N
83
34
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
91
4,2
9
2
%
70,9
29,1
%
89,2
8,8
2,0
KoG
N
85
13
1
%
85,9
13,0
1,0
chi 2 /
sign
1,2
Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Entlassung zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
C
Daten zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf
Tab. 28
Mittlerer Erkrankungsbeginn in Jahren
Mittlerer Erkrankungsbeginn
Psychosomatik
ExG
KoG
X
s
X
Jahre
8,1
8,2
7,8
s
t-Wert
sign
Sucht
ExG
X
s
KoG
X
s
t-Wert
sign
7,0
0,3
10,3
6,1
11,3
6,7
-1,2
Die Variable Erkrankungsbeginn zeigt keinen Unterschied zwischen Experimentalund Kontrollgruppe.
Tab. 29
Anzahl der
Diagnosen
1 Diagnose
2 Diagnosen
3 Diagnosen
4 Diagnosen
5 Diagnosen
6 Diagnosen
Anzahl Achse II-Diagnosen
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
%
80
35
9
1
69,9
22,6
6,8
0,8
64,0
28,0
7,2
0,8
93
30
9
1
UWert/
sign
7845
Sucht
ExG
N
%
59
37
15
2
2
51,3
32,2
13,0
1,7
1,7
KoG
N
%
63
32
9
6
2
1
55,8
28,3
8,0
5,3
1,8
0,9
UWert/
sign
6217
Die Variable Anzahl der Achse II-Diagnosen zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
135
Tab. 30
Achse II-Diagnosen / nur Patienten mir einer Persönlichkeitsstörung
Achse IIDiagnosen /
nur eine PS
Dependente
PS
selbstunsichere PS
Zwanghafte
PS
Narzißtische
Ps
Borderline PS
Histrionische
Ps
Kombinierte
PS
Gesamtanzahl
der Diagnosen
= Patienten
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
8
10,0
9
%
9,7
20
25,0
25
26,9
7
8,8
11
5
6,3
17
5
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
4,7
4
%
6,8
KoG
N
3
%
4,8
14
23,7
18
28,6
11,8
4
6,8
5
7,9
7
7,5
15
25,4
8
12,7
21,3
6,3
16
3
17,2
3,2
5
2
8,5
3,4
8
2
12,7
3,2
18
22,5
22
23,7
15
25,4
19
30,2
80
100
93
100
59
100
63
100
chi 2 /
sign
3,9
Die Variable Achse II-Diagnosen / nur Patienten mir einer Persönlichkeitsstörung
zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 31
Alle vergebenen Achse II-Diagnosen (einschließlich Patienten mit mehreren Diagnosen)
alle Achse IIDiagnosen
Dependente
PS
selbstunsichere PS
Zwanghafte
PS
Narzißtische
Ps
Borderline PS
Histrionische
Ps
Kombinierte
PS
Depressive PS
Passivaggressive PS
Antisoziale PS
Paranoide PS
Schizotypische
PS
Schizoide PS
Gesamtanzahl
der Diagnosen
Gesamtanzahl
der Patienten
Psychosomatik
ExG
N
%
20
11,2
KoG
N
27
%
15,2
Sucht
ExG
N
24
%
12,1
KoG
N
16
%
8,2
43
24,0
58
32,6
48
24,1
47
24,2
16
8,9
1
0,6
17
8,5
16
8,2
18
10,1
8
4,5
25
12,6
17
8,8
34
8
19,0
4,5
9
27
5,1
15,2
23
5
11,6
2,5
24
6
12,4
3,1
23
12,8
4
2,2
24
12,1
26
13,4
3
11
1,7
6,1
28
9
15,7
5,1
20
6
10,1
3,0
21
10
10,8
5,2
2
1,1
1
0,6
5
1
1
2,8
0,6
0,6
3
1
1,5
0,5
10
1
5,2
0,5
179
100
178
100
3
199
100
194
100
125
133
115
136
113
Tab. 32
Anzahl Achse I-Diagnosen
Anzahl der
Diagnosen
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
UWert/
sign
5639
%
Sucht *
ExG
N
%
KoG
N
keine Achse-I- 11
10,1
10
9,1
Diagnose
1 Diagnose
53
48,6
48
43,6
90
78,3
79
2 Diagnosen
35
32,1
40
36,4
19
16,5
32
3 Diagnosen
8
7,3
12
10,9
6
5,2
2
4 Diagnosen
2
1,8
* In der Suchtklinik werden nur die suchtspezifischen Achse-I-Diagnosen berichtet.
UWert/
sign
6032
%
69,9
28,3
1,8
Die Variable Anzahl der Achse I-Diagnosen zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 33
Achse I-Diagnosen in der Psychosomatik, einschließlich Patienten mit mehreren Diagnosen
Achse I-Diagnosen
Angststörung
Depression
somatoforme
Störungen
Eßstörungen
sonstige (u.a.
Dysthymia)
Abhängigkeit
keine Achse IStörung
Tab. 34
Psychosomatik
ExG
N
%
45
26,9
68
40,7
15
9,0
KoG
N
35
68
27
%
19,9
38,6
15,3
Gesamt
N
80
136
42
%
23,3
39,7
12,2
21
3
12,6
1,8
23
4
13,1
2,3
44
7
12,8
2,0
4
11
2,4
1,6
7
12
4,0
6,8
11
23
3,2
6,7
Achse I-Diagnosen in der Sucht, einschließlich Patienten mit mehreren Diagnosen
Achse I-Diagnosen
Alkoholabhängigkeit
Medikamentenabhängigkeit
Polytoxikomanie
Drogenabhängigkeit
Pathologisches Glücksspiel
Sucht
ExG
N
108
%
81,8
KoG
N
107
%
81,1
Gesamt
N
215
%
81,4
15
11,4
14
10,6
29
11,0
2
1,5
5
3,8
7
2,7
3
2,3
3
1,1
4
3,0
10
3,8
6
4,5
137
Tab. 35
Weitere Auffälligkeiten und Problembereiche
Weitere Auffälligkeiten und
Problembereiche
Suizidale
Handlungen in
der Vorgeschichte
Zustand nach
sexueller Gewalt
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
%
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
19
15,3
31
23,7
2,8
14
11,3
20
15,3
0,8
%
KoG
N
%
chi 2 /
sign
25
22,1
28
25,2
0,2
11
9,7
15
13,5
0,7
Die Variablen suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach sexueller Gewalt zeigen keine Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 36
Mittlere Behandlungsdauer in Tagen
dauer
Psychosomatik
ExG
KoG
X
s
X
Tage
64,0
Behandlungs-
19,5
62,0
s
t-Wert
sign
Sucht
ExG
X
s
KoG
X
s
t-Wert
sign
19,6
0,8
97,2
27,1
96,0
28,3
0,3
Die Variable Behandlungsdauer zeigt keinen Unterschied zwischen Experimentalund Kontrollgruppe.
Tab. 37
Gesamteinschätzung der Veränderungen durch den Therapeuten
Gesamteinschätzung der
Veränderungen
gebessert
unverändert
verschlechtert
Psychosomatik
ExG
KoG
N
%
N
%
118
6
92,4
7,6
95,2
4,8
122
10
Sucht
chi 2 / ExG
sign
N
0,8
111
2
%
KoG
N
%
98,2
1,8
108
3
97,3
2,7
chi 2 /
sign
0,2
Die Variable Gesamteinschätzung der Veränderungen bei Entlassung zeigt keinen
Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 38
Prognose
günstig
ungünstig
Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Sucht
Sucht
ExG
N
92
121
%
81,4
18,6
KoG
N
81
30
chi 2 / sign
%
73,0
27,0
2,2
Die Variable Prognose zeigt in der Suchtklinik keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
138
Tab. 39
Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Psychosomatik
Prognose
Psychosomatik
ExG
N
72
46
3
günstig
zweifelhaft
ungünstig
KoG
N
64
59
9
%
59,5
38,0
2,5
chi 2 / sign
%
48,5
44,7
6,8
4,5
Die Variable Prognose zeigt in der Psychosomatik keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
Tab. 40
Rückfall während der Behandlung
Rückfall
kein Rückfall
Rückfall
Sucht
ExG
N
106
7
KoG
N
100
11
%
93,8
6,2
chi 2 / sign
%
90,1
9,9
1,0
Die Variable Rückfall während der Behandlung zeigt in der Suchtklinik keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.
4.5.2.2
Vergleich der Projektteilnehmer mit den drop-outs
Zusammenfassung: Als drop-out wird ein Patient eingestuft, der vorzeitig die Therapie abgebrochen bzw. disziplinarisch oder auf ärztliche Veranlassung entlassen
wurde. Ein weiterer drop-out Grund ist die Weigerung an der Datenerhebung bei
Entlassung teilzunehmen. Zusätzlich wird in der Experimentalgruppe die Teilnahme
an mindestens sechs Gruppensitzungen des Gruppenprogramms vorausgesetzt.
Beim Vergleich der Projektteilnehmer mit den drop-out Patienten ergeben sich für
die soziodemographischen und die Variablen zur beruflichen Situation keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Suchtklinik weisen die drop-out
Patienten eine höhere Arbeitslosenquote auf als die Projektpatienten.
Für die Variablen zum Behandlungsverlauf ergeben sich erwartungsgemäß in beiden
Kliniken signifikante Unterschiede zwischen den Projektteilnehmern und den dropout Patienten hinsichtlich Behandlungsdauer, Gesamteinschätzung der Veränderungen und Prognose (signifikant in der Sucht, Tendenz in der Psychosomatik). In
der Suchtklinik zeigt sich weiterhin ein signifikanter Unterschied bezüglich der
Rückfälle während der Behandlung, wobei Rückfälle während der Entwöhnungsbehandlung häufig zur vorzeitigen Entlassung führen.
A
Tab. 41
Geschlecht
männlich
weiblich
Soziodemographische Daten
Geschlecht
Psychosomatik
Projektteilnehmer
N
%
98
38,4
157
61,6
Drop-out
N
24
28
%
46,2
53,8
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
109
48,7
1,0
115
51,3
139
Drop-out
chi 2 /
sign
N
35
36
0,0
%
49,3
50,7
Die Variable Geschlecht zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und
drop-out Patienten.
Tab. 42
Alter
Jahre
Alter in Jahren
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
X
s
X
s
36,8
10,1
36,4
10,4
t-Wert
sign
0,2
Sucht
Projektteilnehmer
X
s
41,3
8,3
Drop-out
X
41,0
s
8,1
t-Wert
sign
0,2
Die Variable Geschlecht zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und
drop-out Patienten.
Tab. 43
Schulbildung
Hauptschule
Real-/ Fachschule
Abitur
sonstige
Schulbildung
Psychosomatik
Projektteilnehmer
N
%
105
41,0
96
37,5
N
23
17
%
44,2
32,7
47
8
7
5
13,5
9,6
18,4
3,1
Drop-out
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
100
44,6
4,7
70
31,3
46
8
20,5
3,6
Drop-out
chi 2 /
sign
N
36
23
%
50,7
32,4
1,6
11
1
15,5
1,4
Die Variable Schulbildung zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern
und drop-out Patienten.
Tab. 44
Familienstand
ledig
verheiratet
geschieden
verwitwet
Familienstand
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
N
%
N
%
114
45,6
27
52,9
95
38
3
38,0
15,2
1,2
21
3
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
3,5
85
37,9
41,2
5,9
82
56
1
36,6
25,0
0,4
Drop-out
N
23
%
32,4
29
17
2
40,9
23,9
2,8
chi 2 /
sign
3,8
Die Variable Familienstand zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern
und drop-out Patienten.
Tab. 45
Partnersituation
kein fester
Partner
fester Partner
Partnersituation
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
N
%
N
%
113
44,3
23
44,2
142
55,7
29
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
110
49,1
0,0
55,8
114
140
50,9
Drop-out
N
37
%
52,1
34
47,9
chi 2 /
sign
0,2
Die Variable Partnersituation zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern
und drop-out Patienten.
B
Daten zur beruflichen Situation
Tab. 46
Beruflicher
Status
Arbeiter /
Facharbeiter
Angestellter /
Beamter
in Ausbildung
sonstige
Letzter beruflicher Status
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
N
%
N
%
100
39,2
22
42,3
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
58
26,0
5,8
Drop-out
N
23
%
32,4
123
48,2
19
36,5
138
61,9
36
50,7
22
10
8,6
3,9
5
6
9,6
11,5
6
21
2,7
9,4
3
9
4,2
12,7
chi 2 /
sign
3,2
Die Variable beruflicher Status zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten.
Tab. 47
Berufsausübung
Vollzeit (auch
ABM)
Teilzeit (auch
ABM)
arbeitslos
sonstige
Berufsausübung bei Behandlungsbeginn
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
N
%
N
%
138
53,9
20
38,5
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
103
46,0
4,7
Drop-out
N
18
%
25,4
24
9,4
6
11,5
12
5,4
3
4,2
67
27
26,2
10,5
20
6
38,5
11,5
86
23
38,4
10,3
37
13
52,1
18,3
chi 2 /
sign
11,2**
Die Variable Berufsausübung zeigt in der Psychosomatik keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. In der Suchtklinik sind bei den
drop-out Patienten Arbeitslose stärker vertreten als in der Projektgruppe.
Tab. 48
Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme
arbeitsfähig
arbeitsunfähig
unbekannt
Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme
Psychosomatik
Projektteilnehmer
N
%
125
54,6
101
44,1
3
1,3
Drop-out
N
23
23
%
50,0
50,0
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
95
47,3
1,0
106
52,7
Drop-out
N
24
33
1
%
41,4
56,9
1,7
chi 2 /
sign
3,9
Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten.
141
Tab. 49
Arbeitsfähigkeit bei Entlassung
ArbeitsfähigPsychosomatik
keit bei Entlas- Projektteilneh- Drop-out
sung
mer
N
%
N
%
arbeitsfähig
173
75,5
32
69,6
arbeitsunfähig 55
24,0
14
30,4
unbekannt
1
0,4
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
176
87,6
1,0
22
10,9
3
1,5
Drop-out
N
49
7
2
%
84,5
12,1
3,4
chi 2 /
sign
3,5
Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Entlassung zeigt keinen Unterschied zwischen
Projektteilnehmern und drop-out Patienten.
C
Daten zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf
Tab. 50
Mittlerer Erkrankungsbeginn in Jahren
Mittlerer Erkrankungsbeginn
Jahre
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
X
s
X
s
8,0
7,6
8,4
6,4
t-Wert
sign
-0,3
Sucht
Projektteilnehmer
X
s
10,7
6,4
Drop-out
X
9,8
s
5,7
t-Wert
sign
1,0
Die Variable Erkrankungsbeginn zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten.
Tab. 51
Weitere Auffälligkeiten und Problembereiche
Weitere Auffälligkeiten und
Problembereiche
Suizidale
Handlungen in
der Vorgeschichte
Zustand nach
sexueller Gewalt
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
N
%
N
%
50
19,6
9
17,3
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
0,1
53
23,7
N
21
%
29,6
1,0
3
0,1
11
15,5
0,7
13,3
6
11,5
26
11,6
Drop-out
chi 2 /
sign
Die Variablen suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach sexueller Gewalt zeigen keine Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten.
Tab. 52
Mittlere Behandlungsdauer in Tagen
Behandlungsdauer
Tage
Psychosomatik
Projektteilneh- Drop-out
mer
X
s
X
s
63,0
19,6
48,9
19,5
t-Wert
sign
4,7**
142
Sucht
Projektteilnehmer
X
s
96,7
27,7
Drop-out
X
76,7
s
32,6
t-Wert
sign
5,0**
Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien zeigt die Variable mittlere Behandlungsdauer signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten.
Tab. 53
Gesamteinschätzung der Veränderungen durch den Therapeuten
Gesamteinschätzunge
der Veränderungen
gebessert
unverändert
verschlechtert
Psychosomatik
Projektteilnehmer
N
%
240
93,8
16
6,3
Drop-out
N
39
13
%
75,0
25,0
Sucht
chi 2 / Projektteilnehsign
mer
N
%
97,8
17,8** 219
5
2,2
Drop-out
N
49
20
2
%
69,0
28,2
2,8
chi 2 /
sign
44,4**
Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien und den impliziten Beurteilungen zum
Therapieverlauf zeigt die Variable Gesamteinschätzung der Veränderungen signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten.
Tab. 54
Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Sucht
Prognose
Sucht
Projektteilnehmer
N
%
173
77,2
51
22,8
günstig
ungünstig
Drop-out
N
21
50
chi 2 / sign
%
29,6
70,4
54,3**
Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien und den impliziten Beurteilungen zum
Therapieverlauf zeigt die Variable Prognose in der Suchtklinik signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Projektteilnehmer bekommen eine günstigere Prognose als drop-out Patienten.
Tab. 55
Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Psychosomatik
Prognose
günstig
zweifelhaft
ungünstig
Psychosomatik
Projektteilnehmer
N
%
136
53,8
105
41,5
12
4,7
Drop-out
N
20
25
7
chi 2 / sign
%
38,5
48,1
13,5
7,6*
Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien und den impliziten Beurteilungen zum
Therapieverlauf zeigt die Variable Prognose in der Psychosomatik einen tendenziellen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Projektteilnehmer bekommen eine günstigere Prognose als drop-out Patienten.
Tab. 56
Rückfall
kein Rückfall
Rückfall
Rückfall während der Behandlung
Sucht
Projektteilnehmer
N
%
206
92,0
18
8,0
Drop-out
N
53
18
143
chi 2 / sign
%
74,6
25,4
15,0**
Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien zeigt die Variable Rückfall während der
Behandlung signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out
Patienten.
4.5.2.3
Vergleich der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit Patienten
ohne Persönlichkeitsstörung
Zusammenfassung: Der nachfolgende Vergleich stellt Patienten mit Persönlichkeitsstörungen den Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen gegenüber. Die Gruppe der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wird gebildet aus den Projektteilnehmern. Patienten, die im Skid-Fragebogen keine auffälligen Werte aufwiesen, bei denen aber im Therapieverlauf eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde, werden bei diesem Vergleich ausgeschlossen. Bei der Beurteilung der gefundenen Unterschiede ist zu berücksichtigen, daß die Vergleichsstichproben unterschiedlich
groß sind und bei sehr großen Stichproben bereits kleinere Unterschiede statistisch
signifikant werden können.
Signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne Persönlichkeitsstörungen zeigen sich in beiden Kliniken für die Variablen: Alter, Familienstand, Partnersituation und Arbeitslosigkeit. Bezüglich der Variablen zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf zeigen sich signifikante Unterschiede für die Variablen: Alter bei
Erkrankungsbeginn, suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach
sexueller Gewalt, Behandlungsdauer und Beurteilung der Veränderungen durch den
Therapeuten (signifikant in Psychosomatik, Tendenz in Sucht). In der Psychosomatik
ergeben sich weiterhin signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne
Persönlichkeitsstörung für die Variablen Schulbildung und Prognose aus der Sicht
des Therapeuten, in der Suchtklinik für die Variablen Arbeitsfähigkeit bei Behandlungsbeginn und Rückfall während der Behandlung (tendenziell).
A
Tab. 57
Alter
Jahre
Soziodemographische Daten
Alter in Jahren
Psychosomatik
Patienten mit
PS
X
s
36,7
10,0
Patienten ohne t-Wert
PS
sign
X
s
41,6
11,9
-7,9**
Sucht
Patienten mit Patienten ohne t-Wert
PS
PS
sign
X
s
X
s
41,2
8,3
44,7
9,0
-5,5**
Die Variable Alter zeigt signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. In der Psychosomatik
sind Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei Behandlungsbeginn im Mittel 4,9
Jahre jünger als Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen, in der Suchtklinik 3,5 Jahre.
144
Tab. 58
Schulbildung
Hauptschule
Real-/ Fachschule
Abitur
sonstige
Schulbildung
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
128
41,6
113
36,7
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
1508
51,1
15,9**
871
29,5
Sucht
Patienten mit
PS
N
%
136
46,1
93
31,5
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
285
44,3
0,7
207
32,1
54
13
385
186
57
9
125
27
17,5
4,2
13,1
6,3
19,3
3,1
19,4
4,2
Die Variable Schulbildung zeigt in der Suchtklinik keine signifikanten Unterschiede
zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. In der Psychosomatik liegt das Bildungsniveau bei den Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen höher als bei Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen.
Tab. 59
Familienstand
ledig
verheiratet
geschieden
verwitwet
unbekannt
Familienstand
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
144
46,9
119
38,8
41
13,4
3
1,0
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
826
27,9
51,5**
1564
52,9
453
15,3
114
3,9
Sucht
Patienten mit
PS
N
%
108
36,6
111
37,7
73
24,7
3
1,0
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
165
25,5
17,3**
298
46,0
24,9
24,9
22
3,4
1
02
Die Variable Familienstand zeigt signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. In beiden
Kliniken ist der Anteil lediger Patienten bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
überrepräsentiert.
Tab. 60
Partnersituation
kein fester
Partner
fester Partner
Partnersituation
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
136
44,3
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
882
29,9
16,8**
Sucht
Patienten mit
PS
N
%
147
49,8
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
254
39,3
9,1**
171
2068
148
392
55,7
70,1
50,2
60,7
Die Variable Partnersituation zeigt in der Psychosomatik und in der Suchtklinik signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten
ohne Persönlichkeitsstörungen. Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen leben signifikant häufiger in einer festen Partnersituation.
145
B
Daten zur beruflichen Rehabilitation
Tab. 61
Beruflicher
Status
Arbeiter /
Facharbeiter
Angestellter /
Beamter
in Ausbildung
sonstige
Letzter beruflicher Status
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
122
39,7
Sucht
Patienten ohne chi 2 / Patienten mit
PS
sign
PS
N
%
N
%
1262
42,7
81
27,6
1,9
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
178
27,6
0,8
142
46,3
1289
43,6
174
59,2
376
58,4
27
16
8,8
5,2
223
181
7,5
6,1
9
30
3,1
10,2
15
75
2,3
11,6
Die Variable beruflicher Status zeigt keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen.
Tab. 62
Berufsausübung
Vollzeit (auch
ABM)
Teilzeit (auch
ABM)
arbeitslos
sonstige
Berufsausübung bei Behandlungsbeginn
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
158
51,3
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
1468
49,8
36,4**
Sucht
Patienten mit
PS
N
%
121
41,0
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
322
49,8
11,8**
30
9,7
475
16,1
15
5,1
37
5,7
87
33
28,2
10,7
490
517
16,6
17,5
123
36
41,7
12,2
195
92
30,1
14,2
Die Variable Berufsausübung zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Patienten mit Persönlichkeitsstörungen sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen.
Tab. 63
Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme
arbeitsfähig
arbeitsunfähig
keine Information vorhanden
Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
148
53,8
124
45,1
3
1,1
Sucht
Patienten ohne chi 2 / Patienten mit
PS
sign
PS
N
%
N
%
1195
49,1
119
45,9
3,1
1186
48,7
139
53,7
52
2,1
1
0,4
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
315
56,9
10,2**
239
43,1
Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme zeigt in der Psychosomatik keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Suchtklinik sind Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen zu Therapiebeginn häufiger arbeitsunfähig.
146
Tab. 64
Arbeitsfähigkeit bei Entlassung
ArbeitsfähigPsychosomatik
Sucht
keit bei Entlas- Patienten mit Patienten ohne chi 2 / Patienten mit
sung
PS
PS
sign
PS
N
%
N
%
N
%
arbeitsfähig
205
74,5
1688
69,5
225
86,9
3,3
arbeitsunfähig 69
25,1
735
30,3
29
11,2
keine Informa- 1
0,4
5
0,2
5
1,9
tion vorhanden
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
496
89,5
3,3
49
8,8
9
1,6
Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Entlassung zeigt keine signifikanten Unterschiede
zwischen den Gruppen.
C
Daten zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf
Tab. 65
Mittlerer Erkrankungsbeginn in Jahren
Mittlerer Erkrankungsbeginn
Jahre
Psychosomatik
Patienten mit
PS
X
s
8,1
7,4
Patienten ohne t-Wert
PS
sign
X
s
6,3
7,3
4,3**
Sucht
Patienten mit Patienten ohne t-Wert
PS
PS
sign
X
s
X
s
10,6
6,3
10,3
6,6
0,5
Die Variable Erkrankungsbeginn zeigt in der Suchtklinik keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Psychosomatik liegt der Erkrankungsbeginn
bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei 8,1 Jahren, bei Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen dagegen bei 6,3 Jahren.
Tab. 66
Alter bei Erkrankungsbeginn in Jahren
Alter bei Erkrankungsbeginn
Jahre
Psychosomatik
Patienten mit
PS
X
s
28,5
12,0
Patienten ohne t-Wert
PS
sign
X
s
35,3
13,0
-8,7**
Sucht
Patienten mit Patienten ohne t-Wert
PS
PS
sign
X
s
X
s
30,6
8,7
34,2
9,7
-5,4**
Die Variable Alter bei Erkrankungsbeginn zeigt signifikante Unterschiede zwischen
den Gruppen. In beiden Klinken sind Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei Erkrankungsbeginn signifikant jünger.
Tab. 67
Auffälligkeiten und Problembereiche
Weitere Auffälligkeiten und
Problembereiche
Suizidale
Handlungen in
der Vorgeschichte
Zustand nach
sexueller Gewalt
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
60
19,4
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
202
6,8
60,3**
Sucht
Patienten mit
PS
N
%
74
25,1
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
61
9,4
40,4**
41
194
37
20,
13,3
6,5
18,9**
147
12,5
3,1
31,8**
Die Variablen suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach sexueller Gewalt zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. In beiden Klinken liegen bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen suizidale Handlungen in der
Vorgeschichte und sexuelle Gewalt signifikant häufiger vor.
Tab. 68
Mittlere Behandlungsdauer in Tagen
Behandlungsdauer
Tage
Psychosomatik
Patienten mit
PS
X
s
60,8
20,8
Patienten ohne t-Wert
PS
sign
X
s
45,2
18,8
12,5**
Sucht
Patienten mit
PS
X
s
91,9
30,1
Patienten ohne t-Wert
PS
sign
X
s
77,8
32,8
6,2**
Die Variable Behandlungsdauer zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. In beiden Klinken ist die Behandlungsdauer bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen signifikant länger.
Tab. 69
Gesamteinschätzung der Veränderungen durch den Therapeuten
Gesamteinschätzunge
der Veränderungen
gebessert
unverändert
verschlechtert
Psychosomatik
Patienten mit
PS
N
%
279
90,6
29
9,4
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
2454
83,3
11,8**
472
16,0
19
0,6
Sucht
Patienten mit
PS
N
%
268
90,8
25
8,5
2
0,7
Patienten ohne chi 2 /
PS
sign
N
%
540
84,0
8,0*
93
14,5
10
1,6
In der Psychosomatik werden bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen Veränderungen vom Therapeuten insgesamt positiver beurteilt, dies zeigt sich auch in der
Tendenz in der Sucht.
Tab. 70
Prognose
günstig
ungünstig
Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Sucht
Sucht
Patienten mit PS
N
%
194
65,8
101
34,2
Patienten ohne PS
N
%
427
67,9
202
32,1
chi 2 / sign
0,4
Die Variable Prognose zeigt in der Suchtklinik keine signifikanten Unterschiede.
Tab. 71
Prognose
günstig
zweifelhaft
ungünstig
Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Psychosomatik
Psychosomatik
Patienten mit PS
N
%
156
51,1
130
42,6
19
6,2
Patienten ohne PS
N
%
1644
56,8
957
33,1
291
10,1
chi 2 / sign
12,9**
Die Variable Prognose zeigt in der Psychosomatik signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Prognose bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen ist
häufiger zweifelhaft.
148
Tab. 72
Rückfall während der Behandlung
Rückfall
kein Rückfall
Rückfall
Sucht
Patienten mit PS
N
%
259
87,8
36
12,2
Patienten ohne PS
N
%
598
92,4
49
7,6
chi 2 / sign
5,2*
In der Suchtklinik zeigt sich in der Tendenz, daß Patienten mit Persönlichkeitsstörungen während der Behandlung häufiger rückfällig werden als Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen.
4.6
Statistische Auswertungen
Überprüfung der inhaltlichen Hypothesen: Die übergeordnete inhaltliche Hypothese, dass Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen, somatoformen
Störungen und/ oder Essstörungen und komorbider Persönlichkeitsstörung (der Psychosomatik) bzw. alkohol- und/oder medikamentenabhängige Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung (der Sucht), die an einem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen (Patienten der Experimentalgruppe, ExG), günstigere Rehabilitationsergebnisse erzielen, als Patienten
mit symptomatischen Störungen bzw. Abhängigkeitserkrankung(en) und Persönlichkeitsstörungen, die am etablierten Behandlungsprogramm teilnehmen (Patienten der
Kontrollgruppe, KoG), wirrd spezifisch in den Unterhypothesen überprüft. Die Effekte
der ExG und der KoG werden über die Messzeitpunkte „Beginn der Rehabilitation“
(Aufnahme), „Ende der Rehabilitation“ (Entlassung) und „1 Jahr nach dem Ende der
Rehabilitation“ (Katamnese) verglichen.
Um die jeweiligen Unterhypothesen statistisch zu prüfen bzw. die spezifischen Effekte der ExG und der KoG auf die abhängigen Variablen statistisch miteinander zu
vergleichen, wurden gerichtete, zweifaktorielle Varianzanalysen mit Messwiederholung mit folgenden Faktoren durchgeführt:
Gruppierungsfaktor „Gruppe“ (in den Tabellen als Gru abgekürzt) mit den beiden
Bedingungen ExG und KoG,
Messwiederholungsfaktor „Messzeitpunkte“ (MW) mit den Stufen: „Aufnahme“ und
„Entlassung“ im 2-stufigen Meßmodell sowie „Aufnahme“, „Entlassung“ und „Katamnese“ im dreistufigen Meßmodell.
Auf eine spezifische Testung poststationärer Effekte über die Messzeitpunkte „Entlassung“ und „Katamnese“ in einem zweistufigen Messmodell wurde verzichtet. Dies
halten wir aufgrund des damit verbundenen relativ geringen zusätzlichen Informationsgewinns zur Testung der Hypothesen angesichts der eindeutigen Datenlage für
gerechtfertigt, insbesondere auch angesichts des Zieles, die Darstellung der Ergebnisse übersichtlich zu halten.
Aufgrund der Anzahl der in dieser Studie durchgeführten statistischen Hypothesentests erfolgte die Testung der Hypothesen zur Kontrolle der Inflation des Fehlers erster Art konservativ auf einem Signifikanzniveau von α = 1% (Alphafehleradjustierung). Die gerichteten Hypothesen wurden einseitig getestet. Signifikante Interaktionseffekte (Gru*MW) weisen auf ein signifikant günstigeres Rehabilitationsergebnis
149
eines der beiden Therapiesettings (ExG vs. KoG) relativ zum anderen hin und bestätigen die jeweilige Hypothese, sofern die Richtung der Mittelwertsveränderungen
mit der jeweiligen gerichteten Hypothese übereinstimmt. Da von einer hohen Wirksamkeit des allgemeinen Behandlungsprogramms beider Kliniken ausgegangen
wird, erwarten wir weiterhin, dass sowohl Patienten der ExG als auch der KoG Verbesserungen bzw. günstige Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern wurden
auch Effekte des Messwiederholungsfaktors einseitig getestet.
Die Analysen erfolgten jeweils getrennt für die Stichproben Psychosomatik und
Sucht. Von einer Zusammenführung bzw. gemeinsamen Analyse der beiden Stichproben wurde aufgrund der sich stark unterscheidenden Kliniksettings und Behandlungszeiträume abgesehen.
Mittelwerte (x), Standardabweichungen (s) und Stichprobengrößen (N) der abhängigen Variablen werden jeweils getrennt für die beiden Untersuchungsbedingungen
ExG und KoG (bzw. für die Bedingungen des Gruppierungsfaktors) sowie die zwei
(Aufnahme und Entlassung) bzw. drei Messzeitpunkte (Aufnahme, Entlassung und
Katamnese) des Messwiederholungsfaktors in Tabellen aufgelistet. Bei den mit ↑
gekennzeichneten Skalen verweist ein hoher Mittelwert auf ein günstiges Ergebnis
(z.B. IRES-Skala „somatischer Status“ „steigend“, „sich verbessernd“), bei den mit ↓
gekennzeichneten Skalen verweist ein niedriger Testwert auf ein günstiges Ergebnis
((z.B. IRES-Skala „Schmerzen – Symptome“ „abnehmend“, „schwächer werdend“).
In den Mittelwertstabellen werden für jede abhängige Variable immer zuerst die
Kennwerte des 2-stufigen Meßmodells und in einer weiteren Zeile die Kennwerte
des 3-stufigen Meßmodells aufgeführt. Die Skalenbezeichnungen und die Kliniklabel
stehen immer in der Zeile, in der die Kennwerte für das zweistufige Messmodell aufgelistet sind. Weiterhin werden immer zuerst die in der Psychosomatik (Psy) erhobenen Kennwerte aufgeführt und dann die der Sucht (Su). Zur Darstellung der
Kennwerte (x und s) werden für jede abhängige Variable insofern 4 Tabellenzeilen
benötigt:
2-stufiges Meßmodell / Psychosomatik (Psy)
3-stufiges Meßmodell / Psychosomatik (Psy)
2-stufiges Meßmodell / Sucht (Su)
3-stufiges Meßmodell / Sucht (Su)
In ergänzenden Tabellen, die auf die Mittelwertstabellen folgen, finden sich für die
abhängigen Variablen jeweils die Ergebnisse der Hpothesentestungen. Dargestellt
sind im Einzelnen die F-Werte für den Gruppierungsfaktor (Gru), den Messwiederholungsfaktor (MW) und den Interaktionseffekt (Gru*MW). Signifikante F-Werte sind
in den Tabellen durch Sternchen gekennzeichnet (*:α = 5%, **α = 1%). Dabei sind
die Kennwerte für das 2-stufige Meßmodell jeweils in der linken Tabellenhälfte und
die Kennwerte für das 3-stufige Meßmodell in der rechten Tabellenhälfte ausgewiesen. Für statistisch signifikante F-Werte wird zusätzlich das partielle η2 als Maß für
die Effektstärke ausgewiesen. Die konventionelle, auch von Bortz & Döring (2002,
S.604) vorgeschlagene Klassifikation der Effektgrössen für „Cohens f“ kann auf η2–
Werte übertragen werden (Umrechnungsformel zur Transformation von „Cohens f“ in
„η2“ s. Bortz & Döring, 2002, S. 608). Insofern kann ab η2 = ,01 von einem kleinen
150
Effekt (durch + gekennzeichnet), ab η2 = ,06 von einem mittleren Effekt (++) und ab
η2 = ,14 von einem großen Effekt (+++) ausgegangen werden.
Von dem im Projektantrag beschriebenen dreifaktoriellen Design bzw. Auswertungsplan wurde abgewichen: Die Varianzanalysen wurden durchgängig zweifaktoriell
durchgeführt. Der Faktor „Achse I Störungen“ mit den Stufen „affektive Störungen“,
„Angststörungen“ und „somatoforme Störungen“ wurde nicht - wie ursprünglich projektiert – berücksichtigt. Angesichts der eindeutigen Datenlage halten wir es für gerechtfertigt, auf eine nach Achse I –Störungen differenzierende Auswertung zu verzichten.
Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in gleicher Abfolge und Ordnung wie die Darstellung der spezifischen Hypothesen, auf die in dem entsprechenden Abschnitt jeweils direkt Bezug genommen wird.
151
Überprüfung der Hypothese: Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der
interpersonellen Problembereiche
Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Persönlichkeitsstörung vs.
Persönlichkeitsstile“
Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG mit narzißtischer, dependenter,
histrionischer,
zwanghafter,
selbstunsicherer
oder
BorderlinePersönlichkeitsstörung bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine
ausgeprägtere Abschwächung des jeweils mit ihrer Persönlichkeitsstörungsdiagnose
korrespondierenden Persönlichkeitsstils (im PSSI) wahrnehmen, wurden aus der
Gesamtstichprobe zunächst Substichproben von Patienten mit narzißtischer, dependenter,
histrionischer,
zwanghafter,
selbstunsicherer
sowie
BorderlinePersönlichkeitsstörung gebildet. Voraussetzung für die Zuweisung eines Patienten
zu einer der sechs Untergruppen von Persönlichkeitsstörungen war die Vergabe der
entsprechenden Persönlichkeitsstörungsdiagnose im Rahmen der klinischen Diagnostik, unabhängig davon, ob bei dem betreffenden Patienten auch noch weitere,
komorbide Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert worden sind oder nicht. Dies hat
zur Folge, daß die Daten von Patienten, bei denen mehrere Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert worden sind, in die Analysen für mehrere Untergruppen von Persönlichkeitsstörungen eingegangen sind. Beispielsweise gingen die Daten eines Patienten mit dependenter und selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in die Analysen
für die Untergruppen „Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung“ und
„Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung“ ein.
Die Hypothesentestungen erfolgten in einem weiteren Schritt jeweils getrennt für
jede der sechs nach den jeweiligen Persönlichkeitsstörungen gebildeten Subpopulationen. Die Entscheidung, die mit diesem Vorgehen verbundene Reduzierung der
Stichprobengröße (in den Substichproben) gegenüber der Gesamtstichprobengröße
und damit eine Verminderung der Teststärke (Power) in Kauf zu nehmen, wurde
aufgrund von die PSSI-Skalen betreffenden inhaltlichen / theoretischen Überlegungen getroffen. So sind die Skalen des PSSI so konzipiert, dass zumindest bei der
Mehrzahl der Skalen beide Pole des Kontinuums ein „Defizit“ wiederspiegeln können
und im mittleren Bereich (um T = 50) durchschnittliche / gewöhnliche Ausprägungen
eines Stils angesiedelt sind. Ein Beispiel führen die Autoren des PSSI in der
Handanweisung auf Seite 20 an: „So kann z.B. ein extrem niedriger Wert auf der
Skala ,selbstbestimmt-antisozial‘ als Hinweis auf Selbstbehauptungsdefizite interpretiert werden ...“ (Kuhl & Kazen, 1997). Insofern kann eine Reduktion eines hohen
Wertes als eine Abschwächung bzw. „Verbesserung“ auf der entsprechenden Dimension angesehen werden (z.B. bei einem narzißtischen Patienten auf der Dimension „narzißtisch“), während andererseits eine Steigerung eines niedrigen Wertes in
den Bereich um T = 50 ebenfalls eine „Verbesserung“ darstellen kann (z.B. bei einem selbstunsicheren Patienten auf der Dimension „narzißtisch“). Bei der simplen
Bildung von Mittelwerten in der Gesamtpopulation würden sich diese beiden Varianten von Verbesserungen gegenseitig „neutralisieren“. Die Ergebnisse könnten unseres Erachtens nicht sinnvoll interpretiert werden. Entsprechendes gilt für Verschlechterungen in einer Dimension. Wir gingen bei unserer Vorgehensweise deshalb davon aus, dass bei Patienten mit einer spezifischen Persönlichkeitsstörung
(z.B. narzißtische Persönlichkeitsstörung) eine Verringerung des Wertes auf der je152
weiligen Skala im PSSI, die mit der jeweiligen Persönlichkeitsstörung korrespondiert
(hier z.B. „narzißtisch“), als eine günstige Veränderung bzw. Verbesserung auf dieser Dimension angesehen kann, unabhängig davon, wie hoch der Ausgangswert auf
dieser Skala war. Gegenüber einem Vergleich von Patienten, die auf einer relevanten Skala einen bestimmten kritischen Wert überschreiten (Extremgruppenvergleich)
hat unser Vorgehen den Vorteil, dass Patienten, bei denen es z.B. durch eine vorübergehende Belastung oder im Zusammenhang mit einer Achse-I Störung (nach
DSM-IV) zu einer vorübergehenden (im PSSI erfaßbaren) Übersteigerung bestimmter Persönlichkeitszüge kam, nicht in unsere Analysen eingegangen sind. Andererseits gingen Patienten in unsere Analysen ein, die die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllten, sich selbst aber auf der entsprechenden PSSI-Skala nicht im
Extrembereich einschätzten.
Im einzelnen wurden folgende statistische Hypothesen überprüft.
Patienten der ExG mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils
„narzißtisch“ / „egozentrisch“ / „ehrgeizig“ (PSSI) wahr.
Patienten der ExG mit dependenter Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils
„abhängig“ / „anhänglich“ / „loyal“ (PSSI) wahr.
Patienten der ExG mit histrionischer Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils
„histrionisch“ / „selbstdarstellerisch“ / „liebenswürdig“ (PSSI) wahr.
Patienten der ExG mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils
„zwanghaft“ / „genau/perfektionistisch“ / „sorgfältig“ (PSSI) wahr.
Patienten der ExG mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des
Stils „selbstunsicher“ / „selbstzweifelnd“ / „selbstkritisch“ (PSSI) wahr.
Patienten der ExG mit Borderline-Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils
„borderline“ / „wechselhaft“ / „spontan“ (PSSI) wahr.
153
Ergebnisse für Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „zwanghaft“ / „genau/perfektionistisch“ / „sorgfältig“
In der Psychosomatik nahmen sich die Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung auf der PSSI-Skala „zwanghaft“ unabhängig vom Treatment über die Messzeitpunkte hinweg in der Tendenz zunehmend weniger „zwanghaft“ wahr. Die η2 –
Werte zeigen einen mittleren (im zweistufigen Modell) bzw. großen Effekt (im
dreistufigen Modell) des Messwiederholungsfaktors an. In der Sucht ergeben sich
über die Messzeitpunkte hinweg keine statistisch bedeutsamen Veränderungen. Ein
signifikanter Effekt ergibt sich in der Sucht nur für den Gruppierungsfaktor im
zweistufigen Messmodell, der darauf hinweist, daß sich Pat. der ExG unabhängig
von den jeweils durchgeführten Interventionen statistisch signifikant „zwanghafter“
als die KoG beschrieben haben (hohe Effektstärke). Bedeutsame Unterschiede
zwischen ExG und KoG in den Mittelwertsverläufen ergaben sich nicht.
Die Hypothese, dass Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung, die an dem
neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des zwanghaften Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung
konnte nicht bestätigt werden.
Tab. 73
Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „zwanghaft“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere
Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung.
Skalen
(Klinik)
zwanghaft
(Psychosomatik)
zwanghaft
(Sucht)
Tab. 74
Skalen
(Klinik)
zwanghaft
(Psy)
zwanghaft
(Sucht)
Gruppe Aufnahme
x
s
ExG
62,20
7,43
KoG
61,33
6,90
ExG
63,36
8,02
KoG
63,60
5,70
ExG
66,35
8,12
KoG
60,44
8,02
ExG
66,23
8,38
KoG
63,00
9,30
Entlassung
x
s
60,80
9,35
58,50
7,31
60,45
9,42
59,90
7,81
67,18
9,49
60,75
7,66
65,77
9,78
60,56
7,88
Katamnese
x
s
59,73
59,30
6,80
7,75
63,85
60,67
10,18
8,82
N
15
18
11
10
17
16
13
9
Hypothesentestung für Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „zwanghaft“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die
Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“
(Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte
(einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
,4
3,1*
,09++ ,4
,0
3,7*
,29+++ ,0
6,4**
,17+++ ,1
,0
1,5
154
,8
,1
Ergebnisse für Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „narzißtisch“ / „egozentrisch“ / „ehrgeizig“
In der Sucht ergeben sich keine signifikanten Effekte. Bedeutsame Unterschiede
zwischen ExG und KoG ergaben sich nicht. Die Daten im dreistufigen Messmodell –
auch hier ergeben sich weder für den Meßwiederholungsfaktor noch für die Interaktion Signifikanzen - weisen darauf hin, dass sich über den gesamten Zeitraum Aufnahme zu 1-Jahres-Katamnese weder in der ExG noch in der KoG bedeutsame
Veränderungen hinsichtlich der Selbstwahrnehmung als narzißtisch ergaben.
In der Psychosomatik wurde nur das dreistufige Messmodell varianzanalytisch ausgewertet. Bortz (1999) stellt fest, dass „die Varianzanalyse bei gleichgroßen Stichproben gegenüber Verletzungen ihrer Voraussetzungen relativ robust ist“ (S. 276).
Bei kleinen (n < 10) und ungleichgroßen Stichproben und einer Voraussetzungsverletzung empfiehlt er, ein verteilungsfreies Verfahren einzusetzen. Vor diesem Hintergrund wurde angesichts heterogener Varianzen (signifikanter Levene-Test, F = 6,7)
in der Psychosomatik im zweistufigen Modell bei ungleichen und kleinen Stichprobenumfängen von einer varianzanalytischen Auswertung abgesehen. Im dreistufigen
Messmodell ergaben sich ebenfalls heterogene Varianzen (signifikanter LeveneTest, F = 6,7). Bei annähernd gleichgroßen Stichprobenumfängen erschien eine varianzanalytische Auswertung jedoch noch vertretbar.
In der Psychosomatik nahmen sich Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung auf der PSSI-Skala „narzißtisch“ unabhängig von der Untersuchungsbedingung
über die Messzeitpunkte hinweg in statistisch bedeutsamer Weise zunehmend weniger narzißtisch wahr, was sich in einem signifikanten Meßwiederholungseffekt bei
hoher Effektstärke im dreistufigen Messmodell wiederspiegelt. Pat. der ExG zeigen
sich unabhängig vom Messzeitpunkt in der Tendenz „narzißtischer“ als die KoG (hoher Effekt). Ein Vergleich der auf den ersten Blick poststationär deutlich voneinander
abweichenden Mittelwertsverläufe von ExG und KoG in der Psychosomatik deutet
zunächst eine wesentlich stärkere Abschwächung der Selbstwahrnehmung als „narzißtisch“ in der Kontrollgruppe an. Ein signifikanter Interaktionseffekt ergab sich hier
jedoch nicht. Neben dem geringen Stichprobenumfang und der damit verbundenen
geringen Power der Testung kann dies durch eine sehr hohe Streuung der Werte
innerhalb der beiden Gruppen in der Katamnese und der tendenziellen Unterschiede
zwischen ExG und KoG unabhängig von den Messzeitpunkten erklärt werden, wodurch Varianz innerhalb des Messmodells gebunden wird.
Die Hypothese, dass Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung, die an dem
neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des narzißtischen Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung
konnte nicht bestätigt werden. Auf die Durchführung verteilungsfreier Analysen
konnte hier verzichtet werden, da bereits ein Blick auf die Mittelwertsverläufe zeigt,
dass die Untersuchungshypothese nicht bestätigt wurde.
155
Tab. 75
Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „narzißtisch“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere
Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
ExG
58,50
13,95
57,28
12,21
18
narzißtisch a)
(Psychosomatik)
KoG
49,38
7,13
47,75
6,76
8
ExG
57,50
12,12
56,00
10,75
55,30
13,32
10
KoG
49,38
7,13
47,75
6,76
40,13
14,05
8
ExG
51,13
9,57
55,17
11,81
24
narzißtisch
(Sucht)
KoG
52,65
10,85
53,82
7,13
17
ExG
50,16
8,67
52,74
10,30
50,05
7,79
19
KoG
53,00
12,21
52,89
5,40
50,89
7,49
9
Tab. 76
Hypothesentestung für Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „narzißtisch“ als abhängiger Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die
Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“
(Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte
(einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
(Klinik)
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
narzißtisch a) s.
4,8*
,23+++ 5,5** ,42+++ 1,7
s.
s.
(Psy)
Text
Text
Text
Narzißtisch
,0
3,1
,9
,2
1,0
,2
(Sucht)
a)
Levene-Tests im zweistufigen und dreistufigen Modell signifikant (jeweils F = 6,7).
Ergebnisse für Patienten mit Borderline- Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „borderline“ / „wechselhaft“ / „spontan“
In der Psychosomatik nahmen sich Patienten mit Borderline- Persönlichkeitsstörung
auf der PSSI-Skala „borderline“ unabhängig vom Treatment über die drei Messzeitpunkte hinweg statistisch signifikant weniger „wechselhaft“ wahr. Dies spiegelt sich
in signifikanten Messwiederholungseffekten und hohen Effektstärken im zwei- und
dreistufigen Messmodell wieder. In der Sucht zeigt sich dieser Effekt nur in der Tendenz bei mittlerer bzw. hoher Effektstärke.
In der Rehabilitationsphase nahm in der Psychosomatik die Selbsteinschätzung auf
der Dimension „borderline“ in der ExG in der Tendenz stärker ab als in der KoG
(mittlere Effektstärke). In der Katamnese nahmen die Selbsteinschätzungen von
ExG und KoG in gleichem Ausmaß weiter ab. Im dreistufigen Modell ergibt sich kein
Interaktionseffekt. Auch in der Sucht ergeben sich im zwei- und dreistufigen Modell
keine bedeutsamen Unterschiede in den Mittelwertsverläufen für ExG und KoG.
Die Hypothese, dass Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, die an dem
neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilneh156
men, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des „borderline“- Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit Borderline-Persönlichkeitsstörung
konnte insofern nicht bestätigt werden. In der Psychosomatik zeigen sich für den
Zeitraum Aufnahme zu Entlassung in der Tendenz hypothesenkonforme Mittelwertsveränderungen.
Tab. 77
Mittelwerte
und
Standardabweichungen
für
Patienten
mit
BorderlinePersönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „borderline“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s:
Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung.
Skalen
(Klinik)
borderline
(Psychosomatik)
borderline
(Sucht)
Tab. 78
Skalen
(Klinik)
borderline
(Psy)
borderline
(Sucht)
Gruppe Aufnahme
x
s
ExG
65,24
7,64
KoG
61,52
6,82
ExG
67,68
6,64
KoG
61,89
6,20
ExG
59,67
8,37
KoG
59,92
6,73
ExG
61,40
9,57
KoG
60,85
7,89
Entlassung
x
s
59,58
9,77
59,32
7,80
61,95
8,93
58,06
6,75
56,19
10,28
58,17
8,90
53,80
9,08
59,31
9,38
Katamnese
x
s
58,50
55,39
11,13
8,63
52,10
58,31
8,75
8,91
N
33
25
22
18
21
24
10
13
Hypothesentestung für Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „borderline“ als abhängiger Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die
Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“
(Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte
(einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
1,0
20** ,26+++ 3,9*
,07++ 4,4*
,10++ 16** ,46+++ ,6
,3
3,5*
,08++
,4
1,5
4,1*
,29+++ 1,4
Ergebnisse für Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in der
PSSI-Skala „selbstunsicher“ / „selbstzweifelnd“ / „selbstkritisch“
In beiden Kliniken nahmen sich Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung auf der PSSI-Skala „selbstunsicher“ bei Entlassung unabhängig vom
Treatment in statistisch bedeutsamer Weise weniger „selbstunsicher“ wahr, was sich
in einem signifikanten Meßwiederholungseffekt im zwei und dreistufigen Messmodell
wiederspiegelt. Die Effekte fallen mittel bis hoch aus. Im Katamnesezeitraum kam es
zu einer Stabilisierung der Therapieergebnisse. Es zeigt sich keine statistische Signifikanz des Interaktionseffektes im zwei- und dreistufigen Modell.
Die Hypothese, dass Patienten mit selbstunsicher Persönlichkeitsstörung, die an
dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des selbstunsicheren Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung konnte nicht bestätigt werden.
157
Tab. 79
Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „selbstunsicher“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe,
höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
ExG
66,78
7,77
60,27
10,58
41
selbstunsicher
(Psychosomatik)
KoG
66,17
7,33
61,19
8,03
48
ExG
67,69
7,59
62,97
9,38
63,97
9,10
29
KoG
65,83
6,95
59,86
7,60
60,31
11,02
36
ExG
63,06
8,42
60,42
8,43
48
selbstunsicher
(Sucht)
KoG
60,09
7,31
56,85
8,32
47
Tab. 80
Skalen
(Klinik)
Hypothesentestung für Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in der
PSSI-Skala „selbstunsicher als abhängiger Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen
über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese.
Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“
(Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte
(einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Gru
MW
η2
η2
selbstunsich. ,0
(Psy)
selbstunsich. 5,5*
(Sucht)
,06++
43**
,33+++
Gru*
MW
,8
11**
,10++
,1
η2
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru*
η2
η2
MW
2,4
15** ,32+++ ,3
2,1
6,4**
η2
,17+++ 2,0
Ergebnisse für Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „abhängig“ / „anhänglich“ / „loyal“
In der Psychosomatik nahmen sich Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung bei Entlassung unabhängig vom Treatment in statistisch bedeutsamer Weise
weniger „abhängig“ wahr, was sich in einem signifikanten Meßwiederholungseffekt
im zweistufigen Messmodell und einer hohen Effektstärke wiederspiegelt. In der
Sucht zeigt sich dieser Effekt nur im zweistufigen Modell in der Tendenz (mittlere
Effektstärke), nicht jedoch im dreistufigen Modell.
Im dreistufigen Messmodell zeigt sich in der Psychosomatik derselbe (hohe) Effekt
zwischen Aufnahme- und Entlassungszeitpunkt bei unwesentlichen Veränderungen
beider Gruppen in der Katamnese relativ zur Entlassung. Beim Vergleich von ExG
und KoG über die verschiedenen Messzeitpunkte hinweg ergeben sich keine bedeutsamen Interaktionseffekte.
Die Hypothese, dass Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung, die an dem
neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des abhängigen Persön-
158
lichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit dependenter Persönlichkeitsstörung konnte nicht bestätigt werden.
Tab. 81
Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „abhängig“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere
Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
ExG
63,50
7,76
58,05
9,62
20
abhängig
(Psychosomatik)
KoG
63,96
10,65
59,09
11,54
23
ExG
63,00
7,97
59,25
11,29
60,33
7,48
12
KoG
63,64
12,33
58,43
11,29
56,43
9,44
14
ExG
60,75
9,20
55,54
10,01
24
abhängig
(Sucht)
KoG
57,56
8,56
56,69
12,98
16
ExG
59,94
9,96
55,72
10,91
55,17
11,33
18
KoG
Tab. 82
57,78
10,71
57,78
13,88
55,44
12,17
9
Hypothesentestung für Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung und den PSSISkalen bzw. –Stilen „selbstunsicher“, „zwanghaft“, „narzißtisch“, „abhängig“, „borderline“
und „histrionisch“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die
Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“
(Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte
(einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
(Klinik)
Aufnahme-Entlassung
Gru
MW
η2
η2
abhängig
(Psy)
abhängig
(Sucht)
,1
22**
,35+++
Gru*
MW
,1
,1
5,2*
,10++
2,7
η2
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru*
η2
η2
MW
,1
7,7** ,40+++ 1,1
,0
2,5
η2
,8
Ergebnisse für Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung in der
PSSI-Skala „histrionisch“ / „selbstdarstellerisch“ / „liebenswürdig“
Aufgrund von sehr kleinen Zellenbesetzungen (n < 5) in der Psychosomatik (insbesondere in der KoG, n=2 im zweistufigen Modell und n=4 im dreistufigen Modell) sowie im dreistufigen Messmodell der Sucht (für beide Gruppen jeweils n=3) wurden
nur die Daten für die Zeitpunkte Aufnahme-Entlassung aus der Sucht varianzanalytisch ausgewertet, da hier die Zellenbesetzungen zumindest die von uns festgelegte
Mindestanforderung von n = 5 erfüllten.
In der Sucht ergab sich bei Entlassung für die Skala „histrionisch“ eine statistisch
signifikante Zunahme der Selbsteinschätzung als „histrionisch“ über beide Treatments hinweg. Dies drückt sich in einem signifikanten und hohen Messwiederholungseffekt im zweistufigen Messmodell aus. Statistisch signifikante Unterschiede
zwischen ExG und KoG hinsichtlich der Mittelwertsverläufe bzw. ein Interaktionseffekt ergab sich hier nicht.
159
Insofern konnte die Hypothese, dass Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des histrionischen Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG, nicht bestätigt werden.
Tab. 83
Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung in den PSSI-Skalen bzw. –Stilen „selbstunsicher“, „zwanghaft“, „narzißtisch“,
„abhängig“, „borderline“ und „histrionisch“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere
Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung.
Skalen
(Klinik)
histrionisch
(Psychosomatik)
histrionisch
(Sucht)
Gruppe Aufnahme
x
s
KoG
51,33
10,26
ExG
53,50
9,68
KoG
63,75
3,30
ExG
51,20
6,34
KoG
65,00
1,41
ExG
53,80
5,02
KoG
49,67
8,52
ExG
51,00
3,46
KoG
47,00
10,54
Entlassung
x
s
54,33
6,66
57,75
11,71
61,25
6,85
58,20
13,31
58,50
7,78
64,60
8,73
56,83
8,64
62,67
9,81
56,67
13,65
Katamnese
x
s
50,33
6,35
54,00
60,50
13,27
7,78
54,00
49,33
3,61
8,39
N
3
8
4
5
2
5
6
3
3
Tab. 84
Hypothesentestung für Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung und den
PSSI-Skalen bzw. –Stilen „selbstunsicher“, „zwanghaft“, „narzißtisch“, „abhängig“, „borderline“ und „histrionisch“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über
die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“
(Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte
(einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
(Klinik)
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
histrionisch
2,0
15** ,63++ ,6
+
(Sucht)
Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung "Persönlichkeitsfähigkeiten im
sozialen Kontakt "
Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG größere Verbesserungen
in der Entwicklung ihrer Persönlichkeitsfähigkeiten zeigen als vergleichbare Patienten der KoG, wurde der PFI eingesetzt. In beiden Kliniken konnten sich während des
stationären Aufenhaltes sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der
KoG hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsfähigkeiten wesentlich verbessern. Die deutlichen Verbesserungen spiegeln sich über fast alle Skalen in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. In der Skala „Selbstbeherrschung“ zeigt sich dieser Effekt für beide Kliniken nur in der Tendenz. In der Skala „Geduld“ in der Psychosomatik ergeben sich keine bedeutsamen Mittelwertsveränderungen. Aus diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, daß sich sowohl die Patienten der ExG als auch
die Patienten der KoG hinsichtlich ihrer Fähigkeit, andere zu unterstützen und ihnen
bei Problemen zu helfen (Unterstützung), ihrer Fähigkeit, legitime Interessen in di-
160
rekter Interaktion durchzusetzen (Durchsetzung), ihrer Fähigkeit, Kontakte zu initiieren und die eigene Person positiv darzustellen (Kontakte) sowie ihrer Fähigkeit, konzentriert und ausdauernd zu arbeiten und längerfristige Ziele konsequent zu verfolgen (Ausdauer) wesentlich verbessert haben. Hinsichtlich ihrer Fähigkeit, eigene
Anliegen zurückzustellen, Anweisungen und Ratschläge zu akzeptieren und eigene
Planungen zu überdenken (Geduld) konnten die Patienten in der Sucht signifikante
Fortschritte erzielen. Diese Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken für die Entwicklung von Persönlichkeitsfähigkeiten.
Die Ergebnisse sprechen in beiden Kliniken dafür, daß die Patienten der ExG während der Rehabilitation ihre Persönlichkeitsfähigkeiten verglichen mit den Patienten
der KoG nicht stärker verbessern konnten. Über alle Skalen zeigen sich keine statistisch signifikanten Interaktionseffekte in erwarteter Richtung. Die Ergebnisse sprechen in beiden Kliniken dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische
Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einem Zuwachs von Persönlichkeitsfähigkeiten bis zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhen
konnte.
Im 1-Jahres-Katamnesezeitraum gelang es den Patienten beider Untersuchungsbedingungen über fast alle Skalen hinweg, ihre Therapieerfolge im Bereich Persönlichkeitsfähigkeiten zumindest zu stabilisieren. Die Skalenmittelwerte im Bereich Persönlichkeitsfähigkeiten blieben im Katamnesezeitraum in beiden Untersuchungsbedingungen über fast alle Skalen hinweg weitgehend stabil oder nahmen teilweise
leicht zu. Signifikante Messwiederholungseffekte ergaben sich im dreistufigen Modell
noch für die Skalen „Durchsetzung“ und „Kontakt“ in beiden Kliniken. Für die Skalen
„Selbstbeherrschung“, „Ausdauer“, „Geduld“ und „Unterstützung“ ergaben sich nur
noch in der Sucht signifikante Messwiederholungseffekte. In der Psychosomatik
zeichnet sich nur in der Skala „Ausdauer“ in der Tendenz ein Effekt ab.
Auch im dreistufigen Modell ergeben sich in allen Skalen keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Mittelwertsverläufen von ExG und KoG. Insofern kann davon
ausgegangen werden, daß sich für die ExG auch während des Katamnesezeitraums
relativ zur KoG keine signifikant günstigeren Effekte hinsichtlich der untersuchten
Persönlichkeitsfähigkeiten ergeben haben. Im Bereich „Persönlichkeitsfähigkeiten“
konnte die zu überprüfende Hypothese insofern nicht bestätigt werden. Betrachtet
man die η2 –Werte, so fallen die signifikanten Messwiederholungseffekte mittel bis
hoch aus.
161
Tab. 85
Mittelwerte und Standardabweichungen für die PFI-Skalen „Unterstützung“, „Durchsetzung“, „Geduld“, „Kontakte“, „Selbstbeherrschung“ und „Ausdauer“. Abkürzungen: x:
Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe,
KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme der Selbsteinschätzung einer spezifischen Persönlichkeitsfähigkeit.
Skalen
(Klinik)
Unterstützung
(Psychosomatik)
Gruppe Aufnahme
x
s
ExG
3,45
,74
KoG
3,27
,62
ExG
3,46
,74
KoG
3,33
,61
ExG
3,58
,60
Unterstützung
(Sucht)
KoG
3,42
,60
ExG
3,56
,61
KoG
3,37
,63
ExG
2,84
,85
Durchsetzung
(Psychosomatik)
KoG
2,81
,82
ExG
2,83
,85
KoG
2,87
,78
ExG
3,13
,83
Durchsetzung
(Sucht)
KoG
3,11
,85
ExG
3,11
,85
KoG
3,10
,81
ExG
3,58
,67
Geduld
(Psychosomatik)
KoG
3,57
,55
ExG
3,62
,69
KoG
3,68
,47
ExG
3,70
,52
Geduld
(Sucht)
KoG
3,61
,58
ExG
3,66
,49
KoG
3,67
,61
ExG
2,58
,82
Kontakt
(Psychosomatik)
KoG
2,43
,78
ExG
2,59
,82
KoG
2,41
,78
ExG
2,74
,81
Kontakt
(Sucht)
KoG
2,70
,75
ExG
2,66
,73
KoG
2,63
,76
2,92
,58
Selbstbeherrschung ExG
(Psychosomatik)
KoG
3,03
,55
ExG
2,98
,54
KoG
3,09
,51
3,11
,55
Selbstbeherrschung ExG
(Sucht)
KoG
3,13
,59
ExG
3,08
,51
KoG
3,13
,59
ExG
2,95
,65
Ausdauer
(Psychosomatik)
KoG
2,88
,60
ExG
2,96
,61
KoG
2,94
,63
ExG
3,23
,58
Ausdauer
(Sucht)
KoG
3,26
,57
ExG
3,25
,57
KoG
3,27
,59
Entlassung
x
s
3,52
,68
3,48
,61
3,43
,69
3,50
,52
3,71
,55
3,58
,64
3,64
,54
3,57
,63
3,14
,82
3,02
,81
3,10
,82
3,05
,74
3,49
,81
3,47
,82
3,47
,81
3,48
,80
3,64
,65
3,63
,53
3,63
,65
3,70
,47
3,83
,54
3,78
,60
3,78
,52
3,81
,58
2,84
,84
2,67
,83
2,81
,87
2,62
,83
3,09
,81
3,02
,78
3,03
,76
2,99
,77
3,01
,54
3,06
,53
3,01
,52
3,12
,54
3,21
,54
3,18
,58
3,19
,56
3,22
,60
3,03
,64
3,05
,62
3,00
,64
3,06
,63
3,36
,58
3,43
,61
3,37
,60
3,47
,61
162
Katamnese
x
s
3,47
3,49
,70
,64
3,75
3,61
,62
,68
3,02
3,08
,82
,77
3,48
3,54
,80
1,03
3,63
3,72
,69
,55
3,91
3,81
,62
,61
2,65
2,70
,86
,79
3,09
3,02
,73
1,02
3,02
3,17
,53
,53
3,29
3,38
,59
,65
3,00
3,02
,57
,58
3,43
3,48
,55
,78
N
102
110
64
71
97
103
69
64
102
110
63
71
97
103
68
64
102
110
63
71
98
103
69
64
101
109
63
70
97
103
69
64
101
109
63
71
97
103
68
64
101
110
63
71
97
104
68
65
Tab. 86
Skalen
(Klinik)
Hypothesentestung für die PFI-Skalen „Unterstützung“ (Unterstütz), „Durchsetzung“
(Durchsetz), „Geduld“, „Kontakte“, „Selbstbeherrschung“ (Selbstbeherr) und „Ausdauer“
als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert
„Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor),
Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%,
**: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
,02+
,0
2,2
3,4*
,05+
1,6
17** ,07++ 4,1*
Unterstütz
(Psy)
Unterstütz
(Sucht)
Durchsetz
(Psy)
Durchsetz
(Sucht)
Geduld
(Psy)
Geduld
(Sucht)
Kontakt
(Psy)
Kontakt
(Sucht)
Selbstbeherr
(Psy)
Selbstbeherr
(Sucht)
Ausdauer
(Psy)
Ausdauer
(Sucht)
3,4
24**
,11++
1,8
16**
,20+++ 1,4
,5
42**
,17+++ 1,0
,0
18**
,21+++ 1,1
,0
80**
,29+++ ,0
0
34**
,35+++ ,2
,0
3,0
,0
,6
,3
1,1
20**
,09++
,3
,0
10**
,14+++ 1,1
2,3
46**
,18+++ ,1
,6
13**
,17+++ 3,7*
,3
73**
,27+++ ,2
,2
36**
,36+++ ,1
1,3
3,9*
,02+
,9
2,4
1,1
0
5,0*
,03+
,5
,4
15**
,19+++ ,2
,1
14**
,07++
1,9
,0
2,1*
,03+
,4
25**
,11++
,4
,4
13**
,17+++ ,7
,2
,7
,05+
,2
,5
Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Interpersonelle Probleme“
Zur Überprüfung der Hypothese, daß sich bei Patienten der ExG größere Effekte
hinsichtlich einer Abschwächung interpersoneller Probleme zeigen als bei vergleichbaren Patienten der KoG wurde der IIP-D eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG
als auch die Patienten der KoG beider Kliniken konnten während des stationären
Aufenhaltes ihre interpersonalen Probleme wesentlich reduzieren. Diese deutlichen
Verbesserungen spiegeln sich über alle Skalen hinweg in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Aus diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, daß
sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zum Zeitpunkt der
Entlassung eine signifikante Abschwächung ihrer interpersonalen Probleme wahrnehmen und sich im einzelnen als signifikant weniger zu autokratisch / zu dominant,
zu streitsüchtig / zu konkurrierend, zu abweisend / zu kalt, zu introvertiert / zu sozial
vermeidend, zu selbstunsicher / zu unterwürfig, zu fürsorglich / zu freundlich, zu
ausnutzbar / zu nachgiebig und zu expressiv / zu aufdringlich beschrieben. Diese
Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken zur Abschwächung interpersoneller Probleme.
163
In der Psychosomatik weisen signifikante Interaktionseffekte in den Skalen abweisend, introvertiert, und selbstunsicher darauf hin, daß die Patienten der ExG gegenüber den Patienten der KoG insgesamt eine bedeutsam höhere Abschwächung ihrer
interpersonellen Probleme wahrnehmen. In der Skala „streitsüchtig“ und in der IIPGesamtskala zeigen sich diese Effekte in der Tendenz. Im einzelnen nehmen Patienten, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, sich zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem stationären Setting statistisch bedeutsam weniger zu abweisend / zu kalt, zu introvertiert /
zu sozial vermeidend und zu selbstunsicher / zu unterwürfig wahr. Auf diesen Dimensionen konnte insofern eine höhere Effektivität der Therapie durch die Durchführung des neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramms
nachgewiesen werden. In der Tendenz zeigt sich dieser Effekt auch für die Skala „zu
streitsüchtig / zu konkurrierend“. Insgesamt nehmen sie in der Tendenz eine Abschwächung ihrer interpersonellen Probleme wahr. In den anderen Skalen der Psychosomatik sowie in allen IIP-Skalen der Sucht zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede der Mittelwertsverläufe zwischen den Gruppen.
Die Daten weisen darauf hin, dass es in der Sucht den Patienten der ExG und der
KoG im 1-Jahres-Katamnesezeitraum über alle Skalen hinweg gelungen ist, die erzielten Therapieerfolge im Bereich interpersonelle Probleme zumindest weitgehend
zu festigen oder sogar noch auszubauen. Während im dreistufigen Messmodell für
alle Skalen die Messwiederholungseffekte signifikant sind, ergeben sich keine signifikanten Interaktionseffekte, was darauf schließen lässt, dass sich in der Sucht für
die ExG auch während des Katamnesezeitraums relativ zur KoG keine signifikant
günstigeren Effekte im Sinne einer Abschwächung interpersoneller Probleme ergeben haben. Auch in der Psychosomatik ergaben sich im dreistufigen Messmodell
erneut durchgängig signifikante Messwiederholungseffekte.
Vergleicht man im dreistufigen Messmodell die Effekte der ExG und KoG miteinander, so ergibt sich im Katamnesezeitraum gegenüber dem Zeitraum „Aufnahme zu
Entlassung“ eine gegenläufige, für die Skalen „zu streitsüchtig“ und „zu abweisend“
in der Psychosomatik signifikante Mittelwertsentwicklung im Sinne einer ungünstigen
Zunahme der Mittelwerte in der ExG und eine weitere günstige Entwicklung der
Werte in der KoG. Dies spiegelt sich in signifikanten Interaktionseffekten im dreistufigen Messmodell auch bei zweiseitiger Testung wieder. In der Tendenz zeigt sich
diese Entwicklung auch für die Skala „zu introvertiert“. Die Ergebnisse sprechen 1
Jahr nach der Rehabilitation insgesamt für einen etwas günstigeren Rehabilitationsverlauf der KoG, der ausschließlich auf Verbesserungen in der Zeit nach der Rehabilitation zurückzuführen ist.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Hypothese, dass sich bei Patienten, die an
dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, die Wahrnehmung interpersoneller Probleme stärker abschwächt als bei Patienten der KoG in der Psychosomatik für den Zeitraum Aufnahme zu Entlassung über mehrere Skalen hinweg bestätigt werden konnte. In der Psychosomatik zeigen allerdings 1 Jahr nach der Rehamaßnahme die Patienten der
ExG keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse als Patienten der KoG hinsichtlich
der Abschwächung interpersoneller Probleme. In der Sucht konnte die Hypothese
generell nicht bestätigt werden.
164
Die Effektstärken der Messwiederholungseffekte sind meist hoch und selten von
mittlerer Höhe, die der Interaktionseffekte fallen leicht aus (bis auf einen mitteren
Effekt der Skala „streitsüchtig“ in der Psychosomatik im dreistufigen Modell).
Tab. 87
Mittelwerte und Standardabweichungen für die IIP-D-Skalen „autokratisch“, „streitsüchtig“, „abweisend“, „introvertiert“, selbstunsicher, „ausnutzbar“, „fürsorglich“, „expressiv“
und „Gesamtschwierigkeiten“ (Gesamt). Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, niedrigere
Werte bedeuten eine Abnahme der Selbsteinschätzung hinsichtlich eines bestimmten
interpersonellen Problembereichs.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
ExG
16,07
6,17
14,08
6,28
121
autokratisch
(Psychosomatik)
KoG
17,10
5,89
15,36
6,25
122
ExG
16,09
6,22
14,12
6,49
14,96
7,11
82
KoG
16,51
5,52
15,26
6,06
14,73
6,33
82
ExG
14,55
5,09
11,82
5,60
106
autokratisch
(Sucht)
KoG
15,03
5,35
12,21
6,20
109
ExG
14,73
4,96
12,26
4,99
12,30
6,05
73
KoG
15,03
5,29
12,06
6,30
12,03
6,33
70
ExG
16,69
4,85
13,95
5,52
121
streitsüchtig
(Psychosomatik)
KoG
16,35
4,85
14,80
5,46
122
ExG
16,74
5,02
13,95
5,88
15,94
5,89
82
KoG
16,11
4,89
15,05
5,44
14,49
5,50
82
ExG
14,82
4,66
12,54
5,08
106
streitsüchtig
(Sucht)
KoG
15,49
4,99
12,57
5,43
109
ExG
15,36
4,29
13,08
5,13
12,40
6,20
73
KoG
15,67
5,06
12,77
5,34
12,10
6,32
70
ExG
17,74
6,08
13,65
6,82
121
abweisend
(Psychosomatik)
KoG
17,78
6,50
16,25
7,30
122
ExG
17,65
5,99
14,17
6,60
16,24
6,59
82
KoG
17,87
6,50
16,48
7,25
15,71
6,90
82
ExG
15,93
5,98
12,73
6,16
106
abweisend
(Sucht)
KoG
15,96
5,81
12,91
6,54
109
ExG
16,12
5,58
12,89
6,10
12,59
6,84
73
KoG
16,67
5,62
13,21
6,41
13,80
7,52
70
ExG
16,59
5,44
13,19
6,35
122
introvertiert
(Psychosomatik)
KoG
16,81
5,46
15,11
6,22
122
ExG
16,49
5,60
13,34
6,44
15,34
6,21
83
KoG
16,84
5,49
15,06
6,32
14,71
6,09
82
ExG
14,26
5,26
11,20
5,46
106
introvertiert
(Sucht)
KoG
14,90
5,91
11,91
6,04
109
ExG
14,37
4,84
11,64
5,40
11,77
6,18
73
KoG
15,20
5,63
11,93
6,14
11,94
6,84
70
ExG
19,44
5,76
14,87
6,90
121
selbstunsicher
(Psychosomatik)
KoG
18,80
5,98
16,49
6,64
122
ExG
19,17
5,72
15,00
7,00
17,56
6,64
82
KoG
18,79
6,01
16,10
6,67
16,46
6,07
82
ExG
16,91
5,88
13,15
5,80
106
selbstunsicher
(Sucht)
KoG
17,17
5,72
13,59
6,35
109
ExG
17,11
5,83
13,21
5,68
13,53
6,26
73
KoG
17,59
5,23
14,10
6,04
13,93
6,98
70
165
Fortsetzung Tab. 87
ausnutzbar
(Psychosomatik)
ausnutzbar
(Sucht)
fürsorglich
(Psychosomatik)
fürsorglich
(Sucht)
expressiv
(Psychosomatik)
expressiv
(Sucht)
Gesamt
(Psychosomatik)
Gesamt
(Sucht)
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
15,21
15,11
14,93
15,38
12,62
13,53
12,63
13,57
14,69
14,98
14,71
14,82
13,15
13,17
13,34
13,54
14,90
15,52
14,79
15,16
14,57
14,27
14,56
14,54
2,08
2,09
2,08
2,09
1,80
1,84
1,82
1,88
6,50
5,48
5,08
5,20
5,16
5,54
4,79
5,90
5,30
5,14
5,41
4,96
4,60
4,93
4,63
4,72
4,95
4,99
5,07
5,16
4,77
5,52
4,38
5,47
,56
,61
,57
,59
,58
,63
,55
,61
12,42
13,26
12,98
13,52
10,12
10,69
10,59
10,41
13,00
13,60
13,55
13,45
10,58
10,82
11,00
10,90
12,74
13,87
12,88
13,72
11,61
11,75
11,86
12,13
1,76
1,89
1,83
1,91
1,48
1,51
1,52
1,51
166
5,74
5,95
5,95
5,78
5,23
5,89
5,09
5,80
5,78
5,64
5,79
5,45
5,24
5,81
5,10
5,59
4,76
5,57
4,71
5,48
4,90
5,62
4,69
5,42
,64
,69
,63
,68
,61
,66
,59
,67
14,02
13,93
6,12
5,87
10,82
10,24
5,81
6,59
14,52
13,72
6,06
5,56
10,48
10,50
5,83
5,23
14,13
13,48
5,68
5,46
11,44
11,47
5,40
6,01
1,93
1,88
,71
,65
1,48
1,49
,70
,76
121
122
82
82
106
109
73
70
121
122
82
82
106
109
73
70
121
122
82
82
106
109
73
70
108
115
74
77
114
113
81
73
Tab. 88
Hypothesentestung für die IIP-D-Skalen „autokratisch“, „streitsüchtig“, „abweisend“, „introvertiert“, selbstunsicher, „ausnutzbar“, „fürsorglich“, „expressiv“ und „Gesamtschwierigkeiten“ (Gesamt) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die
Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“
(Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte
(einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
(Klinik)
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
autokratisch 2,5
39** ,14+++ ,2
,3
11** ,12++ 1,4
(Psy)
autokratisch ,4
,0
22** ,24+++ ,2
58** ,22+++ ,0
(Sucht)
streitsüchtig ,2
45** ,16+++ 3,5*
,01+
,2
13** ,14+++ 5,0** ,06++
(Psy)
streitsüchtig ,3
69** ,25+++ 1,0
,0
31** ,31+++ ,4
(Sucht)
abweisend
,6
17** ,18+++ 4,5** ,05+
2,9
58** ,19+++ 11** ,05+
(Psy)
abweisend
,0
65** ,23+++ ,0
,6
28** ,28+++ ,5
(Sucht)
introvertiert
,4
18** ,19+++ 3,5*
,04+
2,5
55** ,19+++ 6,1** ,03+
(Psy)
introvertiert
,9
82** ,28+++ ,0
,3
28** ,29+++ ,3
(Sucht)
selbstunsich ,5
76** ,24+++ 8,3** ,03+
,0
29** ,27+++ 2,4
(Psy)
selbstunsich ,2
,5
39** ,36+++ ,2
95** ,31+++ ,0
(Sucht)
ausnutzbar
,3
43** ,15+++ 1,7
,2
13** ,14+++ ,7
(Psy)
ausnutzbar
1,3
59** ,22+++ ,2
,0
21** ,22+++ 1,3
(Sucht)
fürsorglich
,3
,1
6,7** ,08++ ,7
,5
26** ,1++
(Psy)
fürsorglich
,0
69** ,24+++ ,1
,0
31** ,31+++ ,1
(Sucht)
expressiv
2,4
37** ,13++ ,7
,1
9,5** ,11++ 1,9
(Psy)
expressiv
,0
66** ,24+++ ,4
,0
26** ,27+++ ,1
(Sucht)
Gesamt
,8
68** ,24+++ 3,3*
,02+
,0
19** ,21+++ 1,2
(Psy)
Gesamt
,1
28** ,27+++ ,3
,2
73** ,25+++ ,0
(Sucht)
167
Überprüfung der Hypothese: Soziale Angst und Inkompetenz
Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG größere Verbesserungen
hinsichtlich sozialer Angst und Inkompetenz zeigen als vergleichbare Patienten der
KoG, wurde der U-Fragebogen eingesetzt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass
sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG beider Kliniken während des stationären Aufenhaltes soziale Ängste und soziale Inkompetenz deutlich
reduzieren konnten. Diese Veränderungen spiegeln sich über alle Skalen des UFragebogens hinweg in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Aus den
Daten kann geschlossen werden, daß sowohl die Patienten der ExG als auch die
Patienten der KoG zum Zeitpunkt der Entlassung eine signifikant geringere Fehlschlag- / Kritikangst und Kontaktangst zeigten, bedeutend besser „Nein-sagen“ (im
Sinne einer geringeren Nachgiebigkeit) und Fordern konnten, signifikant weniger
Schuldgefühle erlebten, wenn Ansprüche anderer nicht erfüllt werden konnten sowie
sich als bedeutend weniger anständig (im Sinne einer überhöflichen Beachtung sozialer Normen) einschätzten. Diese Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität
der Behandlungsangebote beider Kliniken zur Abschwächung sozialer Ängste und
sozialer Inkompetenz bzw. zum Aufbau von Selbstsicherheit.
Die Daten weisen in beiden Kliniken darauf hin, dass die Patienten der ExG während
des stat. Aufenthaltes ihre sozialen Ängste und sozialen Inkompetenzen verglichen
mit den Patienten der KoG nicht stärker verbessern konnten. Über fast alle Skalen
hinweg zeigen sich keine signifikanten Interaktionseffekte. Ein signifikanter (leichter)
Interaktionseffekt in der Skala „Anständigkeit“ weist darauf hin, daß sich in der Psychosomatik bei Patienten der ExG im Vergleich zur KoG Anständigkeit im Sinne einer überhöflichen Beachtung von Normen und einer übergroßen Peinlichkeit bei der
Verletzung von Anstandsregeln statistisch bedeutsam abmilderte. Die Ergebnisse
sprechen in beiden Kliniken dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer
Abschwächung sozialer Ängste und sozialer Inkompetenz bis zum Entlassungszeitpunkt nicht wesentlich erhöhen konnte.
Die Mittelwertsverläufe zeigen, dass es den Patienten beider Untersuchungsbedingungen im 1-Jahres-Katamnesezeitraum über alle Skalen hinweg
gelang, ihre Therapieerfolge im Bereich soziale Ängste und soziale Inkompetenz
noch leicht auszubauen oder zumindest weitgehend zu stabilisieren. Dies spiegelt
sich auch im dreistufigen Meßmodell in durchgängig signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Signifikante Interaktionseffekte ergaben sich nicht. Es kann
insgesamt davon ausgegangen werden, daß sich für die ExG im dreistufigen Messmodell relativ zur KoG keine signifikant günstigeren Effekte im Bereich soziale Ängste und soziale Inkompetenz ergeben haben. Die zu überprüfende Hypothese
konnte insgesamt nicht bestätigt werden. Die Effektstärken der Messwiederholungseffekte fallen in der Regel hoch aus, bei wenigen mittleren Effekten und einem geringen Effekt.
168
Tab. 89
Mittelwerte und Standardabweichungen für die U-Fragebogen-Skalen „Fehlschlagangst“,
„Kontaktangst“, „Fordern können“, „Nicht-nein-sagen-können“, „Schuldgefühle“ und „Anständigkeit“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße,
ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger
Testwert günstig.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
Fehlschlagangst
ExG
49,39
16,66
42,09
16,25
122
KoG
50,37
14,92
44,98
15,51
123
↓ (Psychosomatik)
ExG
48,07
16,78
42,10
16,57
43,33
18,79
83
KoG
50,83
15,62
45,81
15,83
43,62
17,77
82
Fehlschlagangst
ExG
42,64
18,84
33,75
17,45
114
KoG
41,31
17,28
33,27
17,21
111
↓ (Sucht)
ExG
44,60
18,33
34,33
17,12
32,54
18,01
80
KoG
43,10
16,27
33,96
16,70
33,46
18,88
71
Kontaktangst
ExG
41,51
15,54
35,10
15,87
122
KoG
41,98
15,33
37,74
15,79
123
↓ (Psychosomatik)
ExG
41,16
15,67
35,29
15,57
35,96
16,98
83
KoG
41,90
16,28
38,40
16,34
36,83
16,86
82
Kontaktangst
ExG
37,06
15,59
31,17
15,50
114
KoG
39,65
15,47
34,41
15,92
111
↓ (Sucht)
ExG
38,94
14,50
32,23
15,50
31,43
16,26
80
KoG
40,28
14,20
33,89
15,77
32,94
17,55
71
Fordern können
ExG
26,12
13,20
32,75
13,18
122
KoG
28,00
13,61
32,87
12,28
123
↑ (Psychosomatik)
ExG
25,86
12,94
32,23
12,48
30,82
12,99
83
KoG
28,21
12,97
33,13
12,13
31,72
13,93
82
Fordern können
ExG
34,18
14,14
40,14
14,56
114
KoG
32,72
12,13
39,26
12,29
111
↑ (Sucht)
ExG
33,88
14,21
40,29
14,20
41,74
13,48
80
KoG
31,34
11,86
37,87
12,17
38,45
13,51
71
Nicht-nein-sagen
ExG
30,70
10,90
26,75
10,83
122
KoG
31,76
10,68
28,60
9,69
123
↓ (Psychosomatik)
ExG
30,54
10,54
27,60
10,21
27,43
11,32
83
KoG
31,18
10,98
28,61
10,43
27,88
10,87
82
Nicht-nein-sagen
ExG
30,01
11,77
23,68
11,94
114
KoG
29,11
11,39
22,82
11,75
111
↓ (Sucht)
ExG
30,85
11,46
23,88
12,34
23,99
11,55
80
KoG
30,62
9,84
23,92
10,99
22,92
12,74
71
Schuldgefühle
ExG
8,39
5,94
6,76
5,45
119
KoG
8,08
5,68
7,21
5,53
121
↓ (Psychosomatik)
ExG
8,20
5,94
6,73
5,15
8,04
5,81
80
KoG
7,73
5,82
7,36
5,60
7,64
6,17
81
Schuldgefühle
ExG
8,01
5,54
5,89
4,87
113
KoG
8,23
6,09
6,55
5,44
110
↓ (Sucht)
ExG
8,25
5,46
6,36
4,93
5,99
5,19
80
KoG
7,60
5,76
5,99
4,87
5,30
5,03
70
Anständigkeit
ExG
15,96
5,79
13,42
5,80
122
KoG
16,21
5,17
15,07
5,12
123
↓ (Psychosomatik)
ExG
16,13
5,40
13,48
5,75
14,06
5,60
83
KoG
13,23
5,32
15,12
5,09
14,73
5,84
82
Anständigkeit
ExG
14,80
5,59
12,25
5,49
114
KoG
15,04
5,04
13,16
5,54
111
↓ (Sucht)
ExG
15,09
5,31
12,39
5,33
13,33
5,76
80
KoG
14,80
5,09
13,17
5,17
12,44
5,49
71
169
Tab. 90
Hypothesentestung für die U-Fragebogen-Skalen „Fehlschlagangst“ (Fehl.angst), „Kontaktangst“, „Fordern können“ (Fordern), „Nicht-nein-sagen-können“ (Nicht-nein-s.),
„Schuldgefühle“ und „Anständigkeit“ (Anständigk.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie AufnahmeEntlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW:
F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion,
Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
(Klinik)
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
Fehl.angst
1,1
56** ,19+++ 1,3
,9
18** ,19+++ 1,5
(Psy)
Fehl.angst
,0
47** ,39+++ ,5
,2
78** ,26+++ ,2
(Sucht)
Kontaktangst ,7
48** ,17+++ 2
,5
18** ,19+++ 1,0
(Psy)
Kontaktangst 2,3
44** ,17+++ ,2
,4
27** ,27+++ ,0
(Sucht)
Fordern
,6
26** ,24+++ ,5
,4
64** ,21+++ 1,5
(Psy)
Fordern
,5
67** ,23+++ ,1
2,1
36** ,33+++ ,1
(Sucht)
Nicht-nein-s. 1,4
34** ,12++ ,4
,2
12** ,13++ ,1
(Psy)
Nicht-nein-s. ,4
91** ,29+++ ,0
,1
52** ,41+++ ,3
(Sucht)
Schuldgefühl ,0
17** ,07++ 1,6
4,3** ,05+
1,7
(Psy)
Schuldgefühl ,4
,6
15** ,17+++ ,1
30** ,12++ ,4
(Sucht)
Anständigk. 2,2
39** ,14+++ 5,6** ,02+
1,1
17** ,17+++ 2,5*
,03+
(Psy)
Anständigk. ,8
42** ,16+++ ,9
,0
17** ,19+++ 3,1*
,04+
(Sucht)
Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Selbstwirksamkeit und Basisfertigkeiten“
Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe größere
Verbesserungen in ihrer Selbstwirksamkeit, ihrer Anforderungsbewältigung und in
allgemeinen Basisfertigkeiten zeigen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe,
wurde die Selbstwirksamkeitsskala sowie die Skalen „Anforderungsbewältigung“ und
„Basisfertigkeiten“ (personale Kompetenzen) eingesetzt.
Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG nehmen in beiden
Kliniken zum Ende ihrer Rehabilitation eine deutliche Verbesserung ihrer Selbstwirksamkeit, ihrer Anforderungsbewältigung und ihrer allgemeinen Basisfertigkeiten
wahr. Diese Veränderungen spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder, sowohl im zwei- als auch im dreistufigen Messmodell. Die
deutlichen Veränderungen in den Bereichen Selbstwirksamkeit, Anforderungsbewältigung und Basisfertigkeiten für Patienten beider Untersuchungsbedingungen und
beider Kliniken sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider
Kliniken für eine Förderung von Selbstwirksamkeit, den Aufbau von allgemeinen Basisfertigkeiten und eine Verbesserung der Anforderungsbewältigung. In der Post170
phase kam es in der Sucht unabhängig vom Treatment über alle Skalen hinweg zu
einer weitgehenden Stabilisierung, teilweise sogar zu einer weiteren Verbesserung
der während der Rehamaßnahme erreichten Fortschritte. In der Psychosomatik gelang es den Pat. beider Gruppen nicht ganz, die in der Rehabilitation erzielten Fortschritte in der Katamnese auch aufrechtzuerhalten. Die Pat. beider Gruppen
schätzten sich jedoch noch deutlich gebessert zum Ausgangsniveau ein.
Die in beiden Kliniken während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen sind bei Patienten der Experimentalgruppe jedoch nicht höher als bei Patienten
der Kontrollgruppe. Statistisch bedeutsame Unterschiede in den Mittelwertsveränderungen zwischen ExG und KoG konnten für die Skalen Selbstwirksamkeit, Basisfertigkeiten und Anforderungsbewältigung nicht gefunden werden. Die Ergebnisse
sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Verbesserung in
den Bereichen Selbstwirksamkeit, Anforderungsbewältigung und allgemeinen Basisfertigkeiten in beiden Kliniken nicht erhöhen konnte bzw. Patienten der ExG in
diesem Bereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen als die KoG.
Insofern konnte die zu überprüfende Hypothese in diesem Bereich nicht bestätigt
werden. Die Effektstärken der Messwiederholungseffekte sind durchgängig hoch (bis
auf einen mittleren Effekt).
Tab. 91
Mittelwerte und Standardabweichungen für die Selbstwirksamkeitsskala (SWS) und die
FPF-Skalen „Basisfertigkeiten“ und „Anforderungsbewältigung“ (Anforderungsbe.). Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert
günstig.
Skalen
(Klinik)
SWS
↑ (Psychosomatik)
SWS
↑ (Sucht)
Basisfertigkeiten
↓ (Psychosomatik)
Basisfertigkeiten
↓ (Sucht)
Anforderungsbe.
↓ (Psychosomatik)
Anforderungsbe.
↓ (Sucht)
Gruppe Aufnahme
x
s
ExG
2,94
,90
KoG
2,90
,89
ExG
2,89
,91
KoG
2,92
,90
ExG
3,38
1,01
KoG
3,29
1,05
ExG
3,38
1,02
KoG
3,20
1,08
ExG
4,06
,81
KoG
4,03
,83
ExG
4,09
,84
KoG
4,04
,87
ExG
3,64
,83
KoG
3,70
,85
ExG
3,69
,81
KoG
3,75
,86
ExG
3,79
,98
KoG
3,84
1,11
ExG
3,80
,98
KoG
3,84
1,15
ExG
3,06
,91
KoG
3,17
1,14
ExG
3,10
,94
KoG
3,14
1,19
Entlassung
x
s
3,38
,91
3,30
1,10
3,34
,94
3,26
1,11
4,00
,95
3,87
1,03
3,96
,97
3,81
,99
3,38
,91
3,53
,98
3,33
,89
3,49
,96
2,89
,86
3,03
,92
2,95
,85
3,04
,97
3,46
1,14
3,53
1,16
3,41
1,09
3,47
1,12
2,57
,87
2,75
1,08
2,62
,89
2,75
1,16
171
Katamnese
x
s
3,17
3,15
1,02
,98
4,07
3,82
,94
1,11
3,71
3,56
,97
,94
2,82
3,06
,94
1,04
3,69
3,42
1,11
1,13
2,57
2,74
1,08
1,26
N
113
120
75
80
110
110
77
71
121
122
83
82
114
111
80
71
120
122
83
82
114
111
80
71
Tab. 92
Skalen
(Klinik)
SWS
(Psy)
SWS
(Sucht)
Basisfertigk.
(Psy)
Basisfertigk.
(Sucht)
Anford.bew.
(Psy)
Anford.bew.
(Sucht)
Hypothesentestung für die SWS und die FPF-Skalen „Basisfertigkeiten“ (Basisfertigk.)
und „Anforderungsbewältigung“ (Anford.bew.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle
Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie AufnahmeEntlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW:
F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion,
Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
,3
55** ,19+++ ,1
,0
21** ,22+++ ,4
,7
115** ,35***
1,7
46**
,39+++ ,4
,3
93**
,0
43**
,35+++ 2,5
1,0
170** ,43+++ ,5
1,1
74**
,50+++ ,9
,2
29**
,11++
,0
,1
14**
,15+++ 2,8
1,5
58**
,21+++ ,4
,6
23**
,24+++ ,4
,1
,28+++ 2,2
Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Veränderung psychosozialer
Fähigkeiten“
Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe größere
Verbesserungen hinsichtlich psychosozialer Fähigkeiten, soziale Unterstützung zu
erlangen, zeigen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe wurde der SOZUFragebogen eingesetzt. Während des stationären Aufenhaltes nahm in der Sucht
sowohl bei den Patienten der ExG als auch bei den Patienten der KoG die Wahrnehmung von sozialer Unterstützung über alle Skalen hinweg signifikant zu. Aus
diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, daß sowohl die Patienten der ExG
als auch die Patienten der KoG zum Zeitpunkt ihrer Entlassung signifikant mehr soziale Unterstützung wahrnehmen, d.h. in der Sucht erleben die Patienten beider
Untersuchungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt mehr emotionale und praktische
Unterstützung, fühlen sich sozial besser integriert, fühlen sich zufriedener mit der
sozialen Unterstützung und verfügen subjektiv über eine Vertrauensperson. In der
Psychosomatik zeigen sich diese Effekte überwiegend nur in der Tendenz. Nur in
der Skala „soziale Integration“ ergibt sich ein signifikanter Effekt. Diese Ergebnisse
sprechen insgesamt für die Effektivität insbesondere des Behandlungsangebots der
Sucht zur Steigerung der Wahrnehmung sozialer Unterstützung.
Die Ergebnisse sprechen dafür, daß die Patienten der ExG nach dem stat. Aufenthalt nicht mehr soziale Unterstützung wahrnehmen können als die Patienten der
KoG. Dies gilt für beide Kliniken. Über alle Skalen hinweg zeigen sich keine signifikante Interaktionseffekte. Die Ergebnisse lassen sich so interpretieren, dass das
neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Zunahme der Wahrnehmung sozialer Unterstützung im Zeitraum Aufnahme zu Entlassung nicht erhöhen konnte.
172
In der Sucht konnten die Patienten im Bereich soziale Unterstützung die positiven
Veränderungen der stationären Phase im Katamnesezeitraum unabhängig vom
Treatment aufrechterhalten oder sogar noch weiter verbessern, was sich in signifikanten Messwiederholungseffekten wiederspiegelt. Dieser Effekt zeigt sich in der
Skala „Vertrauensperson“ nur in der Tendenz. In der Psychosomatik kam es im 1Jahres-Katamnesezeitraum über alle Skalen hinweg zu einer Stabilisierung der während des stat. Aufenthaltes erzielten Therapieerfolge. Signifikante Messiwiederholungseffekte ergeben sich nur noch für die Skalen „“Soziale Integration“ und „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ wieder. Die „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ nahm in der Psychosomatik erst im 1-Jahreskatamnese-Zeitraum signifikant
zu, nachdem es während der stat. Behandlung zu keiner Veränderung kam. Es ergaben sich über alle Skalen hinweg jedoch keine signifikante Interaktionseffekte.
Insofern ist aufgrund der Daten davon auszugehen, dass sich auch während des
Katamnesezeitraums keine günstigeren Effekte einer der beiden Untersuchungsbedingungen hinsichtlich einer Zunahme der Wahrnehmung sozialer Unterstützung
ergaben. Die Ergebnisse lassen sich so interpretieren, dass die Hypothese, dass
das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Zunahme der Wahrnehmung sozialer
Unterstützung erhöht, nicht bestätigt werden konnte.
Die Höhe der Effektstärken variiert für die signifikanten Messwiederholungseffekte
von leichten bis hohen Effekten. Dabei fallen die Effekte im dreistufigen Messmodell
etwas höher aus.
173
Tab. 93
Mittelwerte und Standardabweichungen für die F-SOZU-Skalen „Emotionale Unterstützung“, „Praktische Unterstützung“, „Soziale Integration“, „Vertrauensperson“ und „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ (Zufr. m. Unterstütz). Abkürzungen: x: Mittelwert; s:
Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
Emot.Unterstützung ExG
3,61
1,00
3,68
1,03
122
KoG
3,60
1,13
3,71
1,06
122
↑ (Psychosomatik)
ExG
3,59
1,03
3,71
1,02
3,71
1,01
82
KoG
3,71
1,02
3,72
1,02
3,76
1,11
82
Emot.Unterstütz
ExG
3,84
,87
4,00
,97
112
KoG
3,67
1,14
3,82
1,10
111
↑ (Sucht)
ExG
3,75
,89
3,96
,95
4,16
,94
79
KoG
3,65
1,19
3,87
1,11
3,98
1,08
71
Prakt.Unterstützung ExG
3,65
1,03
3,80
1,05
122
KoG
3,70
1,10
3,86
1,01
122
↑ (Psychosomatik)
ExG
3,73
1,03
3,88
1,00
3,80
1,15
82
KoG
3,74
1,05
3,86
,98
3,86
1,10
82
Prakt.Unterstütz
ExG
4,03
,87
4,19
,85
112
KoG
3,89
1,04
4,06
1,01
111
↑ (Sucht)
ExG
4,02
,88
4,22
,78
4,38
,79
79
KoG
3,91
1,06
4,17
,99
4,11
1,05
71
Soziale Integration
ExG
3,01
,98
3,33
1,06
112
KoG
3,05
1,07
3,28
1,08
115
↑ (Psychosomatik)
ExG
2,96
,91
3,28
1,10
3,14
1,10
73
KoG
3,02
1,06
3,25
1,07
3,32
1,11
77
Soz. Integration
ExG
3,13
,92
3,50
,85
112
KoG
3,03
1,08
3,38
1,09
111
↑ (Sucht)
ExG
3,13
,88
3,49
,79
3,77
1,34
79
KoG
2,99
1,18
3,44
1,14
3,50
1,27
71
Vertrauensperson
ExG
4,12
1,10
4,16
,99
122
KoG
3,97
1,24
4,15
1,05
122
↑ (Psychosomatik)
ExG
4,04
1,21
4,13
1,00
3,99
1,07
82
KoG
4,08
1,20
4,06
1,13
4,01
1,18
82
Vertrauenspers
ExG
4,26
1,03
4,33
,99
112
KoG
3,98
1,30
4,25
1,12
111
↑ (Sucht)
ExG
4,15
1,05
4,27
1,03
4,37
1,06
79
KoG
3,99
1,33
4,27
1,15
4,25
1,21
71
Zufr. m. Unterstütz
ExG
2,10
1,13
2,12
1,13
109
KoG
1,95
,94
2,13
1,20
108
↑ (Psychosomatik)
ExG
2,14
1,13
2,14
1,11
2,35
1,37
62
KoG
1,97
,96
2,07
1,11
2,47
1,27
70
Zufr. m. Unterstütz
ExG
2,29
1,08
2,59
1,14
112
KoG
2,35
1,17
2,58
1,24
111
↑ (Sucht)
ExG
2,12
,96
2,49
1,00
2,83
1,25
79
KoG
2,31
1,20
2,54
1,28
2,79
1,32
71
174
Tab. 94
Skalen
(Klinik)
Emot. U.
(Psy)
Emot. U.
(Sucht)
Prakt. U.
(Psy)
Prakt. U.
(Sucht)
Soz.Integ.
(Psy)
Soz.Integ.
(Sucht)
Vertrau.
(Psy)
Vertrau.
(Sucht)
Zufr. m. U.
(Psy)
Zufr. m. U.
(Sucht)
Hypothesentestung für die F-SOZU-Skalen „Emotionale Unterstützung“ (Emot. U.),
„Praktische Unterstützung“ (Prakt. U.), „Soziale Integration“ (Soz. Integ.), „Vertrauensperson“ (Vertrau.) und „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ (Zufr. m. U.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte AufnahmeEntlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor),
Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%,
**: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
,0
3,0*
,01+
,1
,2
,9
,4
1,9
9,2**
,04+
,0
,7
13**
,16+++ ,3
,2
9,7*
,04+
,0
,0
2,5*
,03+
,3
1,3
12**
,05+
,0
1,1
8,8**
,11++
1,5
,0
26**
,1++
,7
,2
10**
,12++
1,3
,7
47**
,17+++ ,0
,9
29**
,28+++ 1,1
,4
3,4*
1,2
,0
,8
1,8
7,1**
2,6
,4
4,9*
,05+
,6
,3
1,7
1,1
,1
5,4**
,08++
,9
,0
15**
,3
,2
16**
,18+++ ,6
,03+
,06++
,4
Überprüfung der Hypothese: Symptomatologie
Die Hypothese, dass Patienten der ExG größere Verbesserungen auf der Symptomebene zeigen als Patienten der KoG, wurde für verschiedene Symptombereiche
überprüft:
Überprüfung der Hypothese: Depressivität
Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe
größere Verbesserungen im Symptombereich „Depressivität“ zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurden der BDI und die SCL90-R-Skala
„Depressivität“ eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der
KoG zeigen sich zum Ende ihrer Rehabilitation wesentlich weniger depressiv als zu
Beginn der Rehabilitation. In den 1-Jahreskatamnesen beschreiben sich die Patienten in beiden Untersuchungsbedingungen etwas depressiver als zum Entlassungszeitpunkt, aber gegenüber dem Zeitpunkt der stat. Aufnahme nach wie vor gebessert. Die deutlichen Veränderungen im Symptombereich „Depressivität“ für Patienten
beider Untersuchungsbedingungen zeigen sich sowohl im BDI als auch in der SCLSkala „Depressivität“ für beide Kliniken und spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Die Ergebnisse sprechen für eine hohe
175
Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich der Behandlung /
Veränderungen im Symptombereich „Depressivität“. Die signifikanten Messwiederholungseffekte sind als hoch zu bewerten.
Die in beiden Kliniken während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen im Symptombereich Depressivität sind bei Patienten der Experimentalgruppe
jedoch nicht höher als bei Patienten der Kontrollgruppe. Dies spiegelt sich für jede
der Skalen in nicht-signifikanten Interaktionseffekten sowohl im zwei- als auch im
dreistufigen Messmodell wieder. In der Sucht zeigen sich Pat. der KoG unabhängig
vom Messzeitpunkt in der Tendenz „depressiver“ als die KoG (kleiner Effekt).
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich
„Depressivität“ in den beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der ExG in diesem Beschwerdenbereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern konnte im Symptombereich „Depressivität“ die zu überprüfende Hypothese
nicht bestätigt werden.
Tab. 95
Mittelwerte und Standardabweichungen für den BDI und die SCL-Skala „Depressivität“.
Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert
günstig.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
BDI
ExG
21,22
10,74
14,38
10,88
117
KoG
22,73
11,75
15,58
12,13
120
↓ (Psychosomatik)
ExG
21,05
11,01
14,53
11,14
18,18
12,72
79
KoG
22,64
11,72
15,45
12,18
17,45
11,84
78
BDI
ExG
15,95
9,48
7,34
8,23
114
KoG
18,21
11,19
10,22
10,67
112
↓ (Sucht)
ExG
15,91
9,72
7,37
8,74
10,59
10,72
79
KoG
17,89
11,60
10,52
10,95
12,79
13,33
73
SCL-Depressivität
ExG
1,77
,87
1,22
,97
106
KoG
1,84
,88
1,24
,87
106
↓ (Psychosomatik)
ExG
1,73
,83
1,21
,97
1,46
,98
74
KoG
1,79
,89
1,20
,84
1,28
,98
66
SCL-Depressivität
ExG
1,50
,94
,65
,68
115
KoG
1,58
,93
,83
,78
113
↓ (Sucht)
ExG
1,46
,89
,68
,70
,86
,91
81
KoG
1,56
,96
,81
,76
1,05
,99
72
176
Tab. 96
Skalen
(Klinik)
Hypothesentestung für den BDI und die SCL-Skala „Depressivität“ (SCL-Dep.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte AufnahmeEntlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor),
Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%,
**: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
1,0
139** ,37+++ ,1
,1
46** ,38+++ ,7
BDI
(Psy)
BDI
5,0*
(Sucht)
Depressivität ,2
(Psy)
Depressivität 2,0
(Sucht)
,02+
157** ,41+++ ,2
86**
,29+++ ,2
180** ,44+++ ,7
2,8*
46**
,38+++ ,4
,1
29**
,30+++ 1,2
1,5
56**
,43+++ ,2
Überprüfung der Hypothese: Angst
Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe
größere Verbesserungen im Symptombereich „Angst“ zeigen als bei vergleichbaren
Patienten der Kontrollgruppe wurden der BAI und der SCL90-R eingesetzt. Sowohl
die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen sich zum Ende ihrer
Rehabilitation hinsichtlich ihrer Ängste im Vergleich zum Zeitpunkt ihrer stat. Aufnahme wesentlich gebessert. Die deutlichen Verbesserungen im Symptombereich
„Angst“ für beide Untersuchungsbedingungen zeigen sich sowohl im BAI als auch in
den SCL-Skalen „Ängstlichkeit“, „Phobische Angst“ und „Unsicherheit im sozialen
Kontakt“ für beide Kliniken und spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der
Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich der Behandlung / Veränderungen
im Symptombereich „Angst“. Die signifikanten Messwiederholungseffekte sind
durchgängig als hoch zu bewerten. Signifikante Interaktionseffekte zeigen sich nicht.
Insofern gilt für beide Kliniken, daß die während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen im Symptombereich „Angst“ bei Patienten der Experimentalgruppe nicht höher ausfielen als bei Patienten der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse
sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich „Angst“ in beiden
Kliniken bis zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhte.
Betrachtet man die Ergebnisse zu den 1-Jahres-Katamnesen, so fällt für beide Kliniken auf, dass die Patienten beider Untersuchungsbedingungen 1 Jahr nach ihrer
Entlassung sich gegenüber den Aufnahmewerten über sämtliche angstbezogenen
Skalen hinweg nach wie vor gebessert zeigen. In einigen Skalen konnten die Patienten beider Gruppen die deutlichen Verbesserungen in der Ausprägung ihrer Ängste im Katamnesezeitraum sogar aufrechterhalten. Auch für das dreistufige Meßmodell ergeben sich durchgängig signifikante und hohe Meßwiederholungseffekte und
keine Interaktionseffekte. Insofern kann davon ausgegangen werden, daß sich für
die ExG auch während des Katamnesezeitraums relativ zur KoG keine signifikant
177
günstigeren Effekte hinsichtlich der erhobenen Angstvariablen/-bereiche ergeben
haben.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich
„Angst“ in beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der ExG in diesem Beschwerdenbereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern
konnte im Symptombereich „Angst“ die zu überprüfende Hypothese nicht bestätigt
werden.
Tab. 97
Mittelwerte und Standardabweichungen für den BAI und die SCL-Skalen „Ängstlichkeit“,
„Phobische Angst“ und „Unsicherheit im Sozialkontakt“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s:
Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
BAI
ExG
1,10
,58
,81
,62
122
KoG
1,12
,62
,89
,61
122
↓ (Psychosomatik)
ExG
1,05
,59
,80
,65
,88
,66
83
KoG
1,05
,61
,83
,60
,80
,59
82
BAI
ExG
,72
,59
,41
,43
115
KoG
,76
,57
,48
,51
113
↓ (Sucht)
ExG
,71
,58
,40
,42
10,58
11,56
81
KoG
,68
,54
,45
,50
10,22
10,96
73
SCL-Ängstlichkeit
ExG
1,47
,86
1,02
,84
106
KoG
1,49
,84
1,01
,80
106
↓ (Psychosomatik)
ExG
1,40
,88
,96
,88
1,11
,91
74
KoG
1,43
,82
,97
,82
1,01
,81
66
SCL-Ängstlichkeit
ExG
1,16
,86
,51
,67
115
KoG
1,16
,91
,60
,68
113
↓ (Sucht)
ExG
1,16
,84
,55
,70
,67
,85
81
KoG
1,12
,89
,56
,64
,64
,71
72
SCL-Phob. Angst
ExG
1,01
,93
,56
,67
106
KoG
1,05
,91
,62
,67
106
↓ (Psychosomatik)
ExG
,94
,48
,48
,59
,73
,85
74
KoG
1,04
,60
,60
,69
,80
,82
66
SCL-Phob. Angst
ExG
,75
,79
,21
,42
115
KoG
,80
,87
,34
,57
113
↓ (Sucht)
ExG
,76
,79
,27
,47
,40
,63
81
KoG
,65
,68
,28
,48
,39
,59
72
SCL-Unsicherheit
ExG
1,58
,87
1,10
,89
106
KoG
1,64
,97
1,18
,77
106
↓ (Psychosomatik)
ExG
1,55
,91
1,09
,92
1,31
1,00
74
KoG
1,52
,96
1,08
,74
1,27
,98
66
SCL-Unsicherheit
ExG
1,20
,88
,64
,63
115
KoG
1,27
,90
,80
,68
113
↓ (Sucht)
ExG
1,21
,90
,69
,65
,79
,84
81
KoG
1,19
,83
,75
,61
,91
,84
72
178
Tab. 98
Skalen
(Klinik)
BAI
(Psy)
BAI
(Sucht)
Ängstlichkeit
(Psy)
Ängstlichkeit
(Sucht)
Phob. Angst
(Psy)
Phob. Angst
(Sucht)
Unsicherheit
(Psy)
Unsicherheit
(Sucht)
Hypothesentestung für den BAI und die SCL-Skalen „Ängstlichkeit“, „Phobische Angst“
und „Unsicherheit im Sozialkontakt“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-EntlassungKatamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert
„Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
,6
57** ,19+++ ,8
,0
18** ,18+++ ,9
,8
79**
,26+++ ,1
,0
83**
,52+++ ,5
,0
66**
,24+++ ,1
,0
20**
,23+++ ,4
,2
122** ,35+++ ,6
,0
23**
,25+++ ,1
,3
61**
,23+++ ,0
,2
38**
,34+++ ,1
1,3
114** ,34+++ ,8
,0
35**
,32+++ ,7
,5
64**
,24+++ ,0
,0
21**
,23+++ ,0
1,6
88**
,28+++ ,6
,3
26**
,26+++ ,5
Überprüfung der Hypothese: somatoforme Beschwerden
Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe
größere Verbesserungen im Bereich „somatoforme Beschwerden“ zeigen als bei
vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurden der FBL-R und die SCL90-RSkala „Somatisierung“ eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen sich zum Ende ihrer Rehabilitation in beiden Kliniken hinsichtlich „somatoformer Beschwerden“ statistisch bedeutsam weniger belastet als zu Beginn der Rehabilitation (mittlere bis hohe Effekte). Dafür sprechen die Daten zu den
Skalen FBL-R-„Schmerz“, -„Müdigkeit“, -„Herz/Kreislauf“, -„Emotionale Reaktivität“
und -„Anspannung“ und SCL- „Somatisierung“. Lediglich in der Skala „Magen/Darm“
zeigt sich dieser Effekt nur für die Sucht und in der Psychosomatik in der Tendenz
(leichte Effektstärke). Es kann davon ausgegangen werden, daß die Patienten in
beiden Untersuchungsbedingungen bei ihrer Entlassung relativ zum Beginn der Rehabilitation weniger vielfältige und seltenere Mißempfindungen und Schmerzen erleben (FBL-R-„Schmerz“), sich weniger matt, benommen und ermüdbar und höher
leistungsfähig fühlen (FBL-R-„Müdigkeit“), weniger herz-kreislaufbezogene (FBL-R-„
Herz/Kreislauf“) Schmerzen, Mißempfindungen und Beschwerden zeigen, weniger
körperliche Symptome (wie z.B. zittern, erröten oder Stuhldrang) zeigen, wenn sie
sich über etwas aufregen (FBL-R-„ Emotionale Reaktivität“) sowie weniger Schwitzen, weniger motorische Unruhe und Tics zeigen (FBL-R-„ Anspannung“). Weiterhin
zeigen sie signifikant weniger solche Symptome und Zeichen, die eine hohe Prävalenz bei Störungen mit funktioneller Ätiologie haben, wie z.B. Kopf-, Brust-, Muskeloder Rückenschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühle, Atemnot, Hitzewallungen, ein
179
Kloßgefühl im Hals oder auch Taubheit, Kribbeln oder Schwächegefühle in einzelnen
Gliedmaßen (SCL- „Somatisierung“).
Die 1-Jahreskatamnesen zeigen, daß es sowohl den Patienten der ExG als auch
den Patienten der KoG in fast allen Skalen gelungen ist, die während der Rehabilitation erzielten, meist deutlichen Verbesserungen auch im poststationären Zeitraum
weitgehend aufrechtzuerhalten. Auch in den Skalen, in denen im 1-JahresKatamnesezeitraum wieder eine gewisse Verschlechterung bzw. Zunahme der Beschwerden eingetreten ist, beschreiben sich die Patienten über alle Skalen hinweg
gegenüber dem Beginn der Rehabilitation als gebessert. Die deutlichen Verbesserungen, die sich in hohen Meßwiederholungseffekten sowohl im zwei- als auch im
dreistufigen Meßmodell zeigen (mit Ausnahme der Skala „Magen/ darm in der Psychosomatik), sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider
Kliniken hinsichtlich einer Besserung im Symptombereich „somatoforme Störungen“.
Die η2-Werte weisen mittlere bis hohe Messwiederholungseffekte aus.
Die in beiden Kliniken erzielten Verbesserungen im Symptombereich „somatoforme
Beschwerden“ sind bei Patienten der Experimentalgruppe jedoch nicht signifikant
höher ausgefallen als bei Patienten der Kontrollgruppe. Dies spiegelt sich für alle
Skalen in nicht-signifikanten Interaktionseffekten sowohl im zwei- als auch im dreistufigen Messmodell wieder. Insofern gilt für beide Kliniken, daß die erzielten Verbesserungen im Symptombereich „somatoforme Beschwerden“ bei Patienten der
Experimentalgruppe nicht höher ausfielen als bei Patienten der Kontrollgruppe. Die
Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische
Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich „somatoforme Störungen“ in beiden Kliniken bis zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhte.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich
„somatoforme Beschwerden“ in den beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der
ExG in diesem Beschwerdenbereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse
erzielen. Insofern konnte im Symptombereich „somatoforme Beschwerden“ die zu
überprüfende Hypothese nicht bestätigt werden.
180
Tab. 99
Mittelwerte und Standardabweichungen für die FBL-R-Skalen „Schmerz“, „Müdigkeit“,
„Herz/Kreislauf“, „Magen/Darm“, „Emotionale Reaktivität“ und „Anspannung“ sowie die
SCL-Skala „Somatisierung“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N:
Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert
günstig, ↓: niedriger Testwert günstig.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
FBL-Schmerz
ExG
2,15
1,06
2,51
1,01
112
KoG
2,13
1,10
2,38
1,03
118
↑ (Psychosomatik)
ExG
2,28
1,04
2,51
1,02
2,37
1,06
75
KoG
2,14
1,15
2,40
,99
2,29
1,11
78
FBL-Schmerz
ExG
3,66
,99
4,11
,91
113
KoG
3,56
1,13
3,91
1,01
111
↑ (Sucht)
ExG
3,61
,99
4,06
,96
3,99
,98
80
KoG
3,61
1,15
3,88
1,04
3,85
1,10
71
FBL-Müdigkeit
ExG
1,47
,94
1,98
,96
119
KoG
1,45
,94
1,87
1,10
117
↑ (Psychosomatik)
ExG
1,53
,95
2,02
,98
1,72
1,07
80
KoG
1,54
,98
1,95
1,15
1,97
1,04
77
FBL-Müdigkeit
ExG
3,13
,93
3,84
,92
113
KoG
3,05
1,14
3,57
1,12
111
↑ (Sucht)
ExG
3,14
,93
3,79
,96
3,60
,95
80
KoG
3,13
1,14
3,61
1,14
3,59
1,16
71
FBL-Herz/Kreislauf ExG
3,07
,94
3,28
,95
117
KoG
2,93
,99
3,10
,96
116
↑ (Psychosomatik)
ExG
3,19
,84
3,35
,90
3,31
,92
79
KoG
2,96
1,05
3,13
,97
3,05
1,07
76
FBL-Herz/Kreisl.
ExG
4,24
,80
4,55
,75
111
KoG
4,22
,95
4,45
,89
110
↑ (Sucht)
ExG
4,31
,73
4,57
,76
4,46
,81
77
KoG
4,21
,96
4,43
,90
4,43
,86
70
FBL-Magen/Darm
ExG
2,49
,97
2,63
1,03
112
KoG
2,64
,87
2,73
,84
116
↑ (Psychosomatik)
ExG
2,60
,94
2,65
1,02
2,62
1,00
74
KoG
2,66
,93
2,76
,90
2,7
,91
76
FBL-Magen/Darm
ExG
3,96
,85
4,30
,74
111
KoG
3,97
1,14
4,16
,89
110
↑ (Sucht)
ExG
4,00
,78
4,31
,72
4,16
,85
79
KoG
4,12
,81
4,30
,82
4,26
,84
70
FBL-Anspannung
ExG
2,48
,85
2,73
,92
112
KoG
2,45
,97
2,69
,98
119
↑ (Psychosomatik)
ExG
2,49
,84
2,68
,91
2,66
1,11
75
KoG
2,53
1,02
2,75
,99
2,89
,097
77
FBL-Anspannung
ExG
3,95
,85
4,51
,61
113
KoG
3,90
1,05
4,35
,90
111
↑ (Sucht)
ExG
3,96
,80
4,44
,67
4,32
,81
80
KoG
3,86
1,07
4,28
,96
4,42
,75
70
181
Fortsetzung Tab. 99
Skalen
(Klinik)
FBL-Emot. Reakt.
↑ (Psychosomatik)
FBL-Emot. Reakt.
↑ (Sucht)
SCL-Somatisierung
↑ (Psychosomatik)
SCL-Somatisierung
↑ (Sucht)
Gruppe Aufnahme
Entlassung
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
2,08
2,06
2,13
2,12
3,53
3,62
3,50
3,60
,87
1,0
,80
,97
,45
,53
,49
,51
1,87
1,92
1,91
1,98
3,24
3,30
3,25
3,37
1,10
1,25
1,01
1,23
,76
,85
,74
,81
,70
,76
,73
,77
,79
,74
,79
,65
,82
,73
,83
,73
,67
,73
,62
,69
182
,80
,82
,84
,87
,81
,76
,83
,72
,72
,75
,67
,75
,57
,58
,62
,55
Katamnese
2,03
2,20
,83
,82
3,57
3,73
,85
,66
,98
1,02
,73
,79
,57
,60
,65
,64
N
117
121
80
79
113
111
80
71
106
106
74
66
115
113
81
72
Tab. 100
Skalen
(Klinik)
Hypothesentestung für die FBL-R-Skalen „Schmerz“, „Müdigkeit“, „Herz/Kreislauf“, „Magen/Darm“, „Emotionale Reaktivität“ und „Anspannung“ sowie die SCL-Skala „Somatisierung“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte
Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: FWert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *:
α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
,3
36** ,14+++ 1,2
,5
8,8** ,11++ ,1
Schmerz
(Psy)
Schmerz
(Sucht)
Müdigkeit
(Psy)
Müdigkeit
(Sucht)
Herz/Kreisl.
(Psy)
Herz/Kreisl.
(Sucht)
Magen/Darm
(Psy)
Magen/Darm
(Sucht)
Anspannung
(Psy)
Anspannung
(Sucht)
Emot. Reakt.
(Psy)
Emot. Reakt.
(Sucht)
SCL-Somati.
(Psy)
SCL-Somati.
(Sucht)
1,5
58**
,21+++ ,9
,5
16**
,18+++ 1,0
,3
74**
,24+++ ,6
,2
22**
,22+++ 2,7
1,9
114** ,34+++ 2,6
37**
,33+++ 1,1
1,9
22**
,09++
2,9
6,0**
,07++
,1
,4
35**
,14+++ ,9
,5
9,3**
,11++
,7
1
7,2*
,03+
,3
,4
1,0
,3
23**
,10++
1,7
,4
10**
,12++
,8
,1
24**
,10++
,0
,7
8,1**
,10++
,9
1,0
91**
,29+++ 1,0
,2
31**
,29+++ 2,3
,0
18**
,07++
,5
7,3**
,09++
,6
57**
,20+++ ,2
1,4
18**
,20+++ ,2
2,1
28**
,12++
1,9
9,3**
,12++
1,3
64**
,22+++ ,1
,2
17**
,19+++ ,1
,3
,7
,0
183
,1
1,3
,9
Überprüfung der Hypothese: Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit
Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG günstigere Verbesserungen im Umgang mit dem Suchtmittel zeigen als vergleichbare Patienten der KoG,
wurden verschiedene suchtspezifische Problembereiche untersucht: die Abstinenzquote (Katamnese), die Lebenszufriedenheit (Katamnese), Rückfallbeendigung
(Katamnese), die Abstinenzzuversicht (KAZ) und die Funktionalität des Suchtmittels
(MDI). Während des stationären Aufenthaltes konnten sich sowohl die Patienten der
ExG als auch die Patienten der KoG hinsichtlich des Umgangs mit dem Suchtmittel
wesentlich verbessern. Die deutlichen Verbesserungen spiegeln sich über alle Skalen in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Im Detail zeigen sich folgende Ergebnisse:
Abstinenzquote: Zur Kontrolle des Behandlungserfolges in der Suchtklinik werden
kontinuierlich suchtspezifische katamnestische Befragungen durchgeführt, die den
Standards der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie entsprechen. Das Einjahresintervall wird dabei gewählt, weil nach diesem Zeitraum eine
Stabilisierung der Suchtmittelabstinenz zu erwarten ist und somit aussagekräftige
Ergebnisse über die Langzeiteffekte der Behandlung im Suchtbereich möglich werden. In diese Routinekatamnese werden alle 228 Projektteilnehmer in der Suchtklinik
einbezogen.
Tab. 101
Rücklauf der suchtspezifischen Katamnese (N=228 Patienten)
Antworter
Suchtkatamnese verweigert
keine Information vorhanden
Angaben nicht verwertbar
verstorben
ExG
N
88
1
%
76,5
0,9
KoG
N
84
1
%
74,3
0,9
Gesamt
N
172
2
%
75,4
0,9
24
20,9
25
22,1
49
21,5
-
-
1
0,9
1
0,4
2
1,7
2
1,8
4
1,8
Fisher
exakt
1,40
Die Gesamtrücklaufquote der Projektpatienten liegt bei 75,4%, nach Abzug der verstorbenen Patienten ergibt sich ein Rücklauf von 76,8%. Im Vergleich zur Suchtkatamnese des Entlassungsjahrganges 1999 der Suchtklinik, bei der die Ausschöpfungsquote bei 71,0% lag, ergibt sich somit für die Projektstichprobe ein gutes Ergebnis. Der Anteil der Nichtteilnehmer ergibt sich zu 0,9% aus Patienten, die die
Teilnahme an der Suchtkatamnese verweigerten, zu 21,5% aus Patienten, die nicht
erreicht werden konnten (Patienten, die telefonisch nicht erreichbar waren, geheime
Telefonnummern hatten oder trotz Recherche bei den Einwohnermeldeämtern nicht
auffindbar waren und zu 0,4% aus Patienten, von denen keine auswertbaren Angaben vorlagen). Zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ergeben sich keine Unterschiede.
Zur Bestimmung der Abstinenzquote werden die Kriterien der Katamnesestandards
der DGSS zugrunde gelegt, nach denen Patienten ‚abstinent nach Rückfall‘ bezeichnet werden, die nach einem Rückfall mindestens 12 Wochen vor der Katamnesebefragung wieder abstinent lebten und keine weitere Entwöhnungsbehandlung
im Befragungszeitraum in Anspruch genommen haben.
184
In Abhängigkeit der verschiedenen Berechnungsmethoden ergeben sich für die
Projektstichprobe folgende Abstinenzquoten:
Berechnungsmethode 1:
Die Berechnungsmethode schließt alle Projektpatienten ein (N=228)
Tab. 102
Abstinenzquote nach Berechnungsmethode 1. Chi-Quadrat-Test. Abkürzungen: N: Anzahl, %: Prozent, Chi 2: Chi-Quadrat-Wert. Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α:
1%.
abstinent
(einschließlich abstinent nach Rückfall)
davon:
durchgehend abstinent
abstinent nach Rückfall
rückfällig
(einschließlich keine
Info. vorhanden)
davon:
rückfällig
keine Beurteilung möglich (keine Information,
verstorben, nicht verwertbare Angaben)
ExG
N
60
%
52,2
KoG
N
64
52
8
55
45,2
7,0
47,8
28
27
24,3
23,5
Chi 2
%
56,6
Gesamt
N
124
%
54,4
51
13
49
45,1
11,5
43,3
103
21
104
45,2
9,2
45,6
19
30
16,8
26,5
47
57*
20,6
25,0
3,06
* bei einem Patienten war eine Einschätzung der Abstinenz nicht möglich, da die Einjahreskatamnese unvollständig ausgefüllt
war und eine Zuordnung rückfällig oder abstinent nach Rückfall nicht möglich war. Dieser Patient wird hier in der Kategorie
‚keine Beurteilung möglich‘ geführt, bei der Bestimmung der Rücklaufquote jedoch bei den Antworter.
Die Ergebnisse nach dieser Berechnungsart unterschätzen den Anteil der abstinenten Patienten, da Nicht-Antworter hier den rückfälligen Patienten zugeordnet werden.
Zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede. Das Gesamtergebnis entspricht der Abstinenzquote aller Patienten der
Suchtklinik des Entlassungsjahrganges 1999, die nach dieser ersten Berechnungsart
bei 52,9% lag.
185
Berechnungsmethode 2:
Die Berechnungsmethode schließt nur die Teilnehmer an der Katamnese ein, bei
denen eine Beurteilung der Abstinenz möglich war (N=171).
Tab. 103
Abstinenzquote nach Berechnungsmethode 2. Chi-Quadrat-Test. Abkürzungen: N: Anzahl, %: Prozent, Chi 2: Chi-Quadrat-Wert. Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α:
1%.
ExG
N
60
abstinent
(einschließlich abstinent nach Rückfall)
davon:
durchgehend abstinent 52
abstinent nach Rückfall 8
rückfällig
28
%
68,2
KoG
N
64
59,1
9,1
31,8
51
8
19
Chi 2
%
77,1
Gesamt
N
124
%
72,5
61,4
15,7
22,9
103
21
47
60,2
12,3
27,5
2,78
Die Ergebnisse nach dieser Berechnungsart überschätzen den Anteil der abstinenten Patienten, da erfahrungsgemäß rückfälligen Patienten oft nicht an einer Nachbefragung zur Abstinenz teilnehmen. Zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede. Das Gesamtergebnis entspricht der
Abstinenzquote aller Patienten der Suchtklinik des Entlassungsjahrganges 1999, die
nach dieser Berechnungsart bei 72,1% lag.
Die Ergebnisse nach beiden Berechnungsmethoden zeigen, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Hinblick auf die Abstinenzquote nicht erhöhte, die zu überprüfende Hypothese konnte nicht bestätigt werden.
Lebenszufriedenheit: Patienten der Experimentalgruppe zeigen in der Einjahreskatamnese in der Tendenz höhere Zufriedenheit in den Bereichen Zufriedenheit mit
der Familiensituation, Zufriedenheit mit der sozialen Situation und Zufriedenheit mit
der Wohnungssituation als Patienten der Kontrollgruppe.
Tab. 104
Beurteilung der Lebenszufriedenheit in der Experimentalgruppe (N=88) und der Kontrollgruppe (N=83) im Jahr nach Klinikentlassung. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, kleinere Werte bedeuten
höhere Zufriedenheit , Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%.
Zufriedenheit
... mit der Lebenssituation
... mit der Gesundheit
... mit der Arbeit
... mit der Wohnung
... mit der finanziellen Situation
... mit der sozialen Situation
... mit der Partnersituation
... mit der Familiensituation
... mit dem Freundeskreis
... mit der Freizeit
... mit dem Suchtmittelumgang
ExG
x
2,77
2,82
3,33
2,23
3,40
2,49
3,34
3,09
2,77
3,26
2,34
s
1,52
1,69
2,13
1,68
1,84
1,59
1,98
1,77
1,67
1,87
1,77
186
KoG
x
3,07
2,98
3,72
2,78
3,49
3,22
3,61
3,49
3,43
3,43
2,61
t-Wert
s
1,85
1,79
2,41
2,13
2,17
2,20
2,39
2,52
2,27
2,26
2,24
-1,1
-,59
-1,1
-1,9*
-,31
-2,4*
-,81
-1,2
-2,1*
-,54
-,88
Werden in den Vergleich nur abstinente und nach Rückfall abstinente Patienten einbezogen, zeigen Patienten der Experimentalgruppe signifikant höhere Zufriedenheit
in den Bereichen Freundeskreis und soziale Situation als Patienten der Kontrollgruppe. In der Tendenz günstigere Ergebnisse für die Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe ergeben sich für die Bereiche Wohnungssituation und
Suchtmittelumgang.
Tab. 105
Beurteilung der Lebenszufriedenheit in der Experimentalgruppe (N=60) und der Kontrollgruppe (N=64) im Jahr nach Klinikentlassung bei abstinenten und nach Rückfall abstinenten Patienten. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, kleinere Werte bedeuten höhere Zufriedenheit , Signifikanz (zweiseitiger Test): (*): 10%, *: α: 5%, **: α: 1%.
Zufriedenheit
... mit der Lebenssituation
... mit der Gesundheit
... mit der Arbeit
... mit der Wohnung
... mit der finanziellen Situation
... mit der sozialen Situation
... mit der Partnersituation
... mit der Familiensituation
... mit dem Freundeskreis
... mit der Freizeit
... mit dem Suchtmittelumgang
ExG
x
2,30
2,25
2,93
1,93
3,08
2,05
3,08
2,68
2,35
2,85
1,38
s
1,12
1,00
2,03
1,49
1,61
1,25
1,92
1,47
1,45
1,73
0,58
KoG
x
2,78
2,75
3,45
2,66
3,28
3,02
3,36
3,41
3,27
3,13
2,02
t-Wert
s
1,81
1,82
2,40
2,15
2,16
2,17
2,39
2,63
2,32
2,26
2,02
-1,7
-1,9
-1,3
-2,1*
-,58
-3,5**
-,71
-1,9
-2,6**
-,75
-2,3*
Rückfallbeendigung: Patienten, die in den letzten sechs Monaten vor der Einjahreskatamnese Suchtmittel konsumierten, werden nach der Beendigung des Rückfalls gefragt. Hier zeigt sich, daß es Patienten der Experimentalgruppe in der Tendenz häufiger gelingt den Rückfall aus eigener Kraft zu beenden, bzw. sich aus eigenem Antrieb Hilfe zu suchen als Patienten der Kontrollgruppe. In der Kontrollgruppe sind zum Befragungszeitraum 56,3% der Patienten weiterhin rückfällig, in der Experimentalgruppe dagegen nur 25%.
Tab. 106
Rückfallbeendigung bei Patienten der Experimentalgruppe und der Kontrollgruppe im
Jahr nach Klinikentlassung Abkürzungen: N: Anzahl, %: Prozent, Chi 2: Chi-QuadratWert. Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%.
Rückfallbeendigung
aus eigener Kraft beendet
aus eigenem Antrieb Hilfe gesucht
auf andere Art beendet
zur Zeit noch rückfällig
ExG
N
10
7
1
6
%
41,7
29,2
4,2
25,0
KoG
N
5
2
9
Chi 2
%
31,3
12,5
56,3
8,47*
Abstinenzzuversicht: Sowohl die Patienten der Experimentalgruppe als auch der
Kontrollgruppe zeigen am Ende der Therapie höhere Erwartungen in rückfallkritischen Situationen, die durch unangenheme Gefühle (Skala1), sozialen Druck (Ska-
187
la2), Gedanken an kontrolliertes Trinken (Skala3) und angenehme Gefühle (Skalal4)
entstehen können, dem Alkoholkonsum zu widerstehen. Für alle Skalen des Kurzfragebogens zur Abstinenzzuversicht sind die Mittelwertszunahmen signifikant. Ein
signifikanter Effekt zeigt sich für den Gruppierungsfaktor im zweistufigen Messmodell
der darauf hinweist, daß Patienten der Experimentalgruppe zu Beginn der Behandlung höhere Erwartungen haben in ‚positiven Situationen‘ dem Suchtmittel zu widerstehen.
Die Ergebnisse sprechen dafür, daß die Patienten der ExG während der Rehabilitation ihre Abstinenzzuversicht verglichen mit den Patienten der KoG nicht stärker verbessern konnten. Über alle Skalen zeigen sich keine statistisch signifikanten Interaktionseffekte in erwarteter Richtung.
Im 1-Jahres-Katamnesezeitraum gelingt es den Patienten beider Untersuchungsgruppen über alle Skalen hinweg, ihre Abstinenzzuversicht weitgehend zu stabilisieren. Die Zuversicht abstinenzgefährdende Situationen ohne Alkohol bewältigen zu
können, bleibt weitgehend erhalten, es zeigen sich keine wesentlichen Veränderungen der Mittelwerte. Statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen Experimentalgruppe und Kontrollgruppe bzw. signifikante Interaktionseffekte ergeben sich nicht.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, daß das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Therapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer höheren
Abstinenzzuversicht nicht steigern konnte, die zu überprüfende Hypothese kann
nicht bestätigt werden.
Tab. 107
Mittelwerte und Standardabweichungen für den Kurzfragebogen zur Abstinenzzuversicht. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG:
Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme der
Abstinenzzuversicht.
Skalen
(nur Sucht)
Skala 1: Negative
Gefühlszustände
Skala 2: Kontrollmöglichkeiten
Skala 3: Sozialer
Druck
Skala 4: Positive
Gefühle
Gruppe Aufnahme
x
s
ExG
62,5
27,4
KoG
57,1
28,0
ExG
61,8
28,6
KoG
59,7
27,3
ExG
61,9
32,3
KoG
56,0
32,9
ExG
62,0
33,
KoG
59,8
30,6
ExG
75,2
29,3
KoG
69,5
29,9
ExG
74,5
30,1
KoG
72,2
28,5
ExG
80,8
22,7
KoG
74,9
26,6
ExG
81,6
22,0
KoG
77,9
25,1
Entlassung
x
s
79,7
20,7
75,1
23,0
79,0
21,3
78,3
18,0
73,3
31,0
70,4
30,4
72,9
31,7
76,4
25,8
89,7
17,7
84,6
22,4
89,8
16,9
90,1
13,5
88,4
16,1
80,8
25,9
89,0
14,7
89,3
14,9
188
Katamnese
x
s
80,6
79,8
22,1
24,1
66,5
72,8
34,6
30,2
87,2
85,2
18,2
22,1
85,3
83,9
21,5
23,1
N
68
58
48
39
67
58
47
39
68
58
48
39
68
58
48
39
Tab. 108
Hypothesentestung für den Kurzfragebogen zur Abstinenzzuversicht, (KAZ) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte AufnahmeEntlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor),
Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%,
**: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
(nur Sucht)
Aufnahme-Entlassung
Gru
MW
η2
η2
Negative
Gefühle
Kontrollmöglichkeit
Sozialer
Druck
Positive
Gefühle
1,8
53**
0,30
Gru*
MW
0,02
0,8
17**
0,12
0,24
0,2
7,8**
0,16
0,54
2,1
31**
0,20
0,01
0,1
15,1** 0,26
0,21
8**
0,06
0,13
0,2
8,6**
0,36
4,1*
0,03
η2
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru*
η2
η2
MW
0,1
20,6** 0,32 0,03
0,17
η2
Funktionalität: Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen bei der Erarbeitung der Funktionalität des
Suchtmittels ergeben als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurde das
Münchwieser Diagnoseinventar MDI eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als
auch die Patienten der KoG zeigen am Ende der Therapie stärkere Einsicht in die
Funktionalität ihres Suchtmittels als zu Beginn der Rehabilitation. Die erzielten Verbesserungen während des stationären Aufenthaltes sind sowohl in der ExG als auch
in der KoG zu finden. Dies spiegelt sich auch im nicht-signifikanten Interaktionseffekt
im zweistufigen Messmodell wieder.
Da der Fragebogen nach dem funktionalen Einsatz des Suchtmittels für die Alltagsbewältigung im jeweiligen Untersuchungszeitraum fragt, wurde er auch nur von Patienten ausgefüllt, die auch nach Klinikentlassung weiterhin Suchtmittel konsumierten.
Hier zeigte sich in der 1-Jahreskatamnese in beiden Untersuchungsgruppen ein
deutlicher Rückgang bei der Ermittlung der Funktionalität des Suchtmittels. Patienten, die weiterhin Suchtmittelkonsum betrieben scheinen ihre Suchtproblematik weitgehend zu verleugnen. Dieser Rückgang läßt sich gleichermaßen in der ExG als
auch in der KoG verzeichnen.
Das Ergebnis weist daraufhin, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische
Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich der Erarbeitung der Funktionalität des Suchtmitttels nicht erhöhte. Die zu überprüfende Hypothese ließ sich nicht bestätigen.
Tab. 109
Skalen
(nur Sucht)
MDI gesamt
Mittelwerte und Standardabweichungen für das Münchwieser Diagnoseinventar. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine stärkere Einsicht in die Funktionalität.
Gruppe Aufnahme
x
s
ExG
36,6
10,6
KoG
34,7
10,4
ExG
37,1
10,0
KoG
34,0
11,5
Entlassung
x
s
39,7
10,3
36,9
10,9
40,4
10,8
37,4
8,8
189
Katamnese
x
s
24,8
24,4
13,2
10,6
N
101
109
23
19
Tab. 110
Hypothesentestung für das Münchwieser Diagnoseinventar (MDI) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert
für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
(nur Sucht)
Aufnahme-Entlassung
Gru
MW
η2
η2
MDI gesamt
3,1
18,1** 0,08
Gru*
MW
0,57
η2
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru*
η2
η2
MW
0,5
39,5** 0,67 0,43
η2
Überprüfung der Hypothese: Allgemeine subjektive Gesundheit
Die Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen hinsichtlich ihrer allgemeinen subjektiven Gesundheit zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurde mittels der FBL-R-Skala „Allgemeinzustand“ und der FBL-R- Beschwerdesumme, dem SCL-90-R Gesamtbeschwerdeindex (GSI) und des IRES- „Index des REHA- Gesamtstatus“ bzw. der IRESDimensionen somatischer Status, funktionaler Status und psychosozialer Status
überprüft.
Ergebnisse zu FBL-Beschwerdesumme, FBL-R-„Allgemeinzustand“, SCL-GSI:
Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen sich zum Ende
ihrer Rehabilitation hinsichtlich ihrer allgemeinen subjektiven Gesundheit im Vergleich zum Zeitpunkt ihrer stat. Aufnahme wesentlich gebessert. Die deutlichen Verbesserungen für beide Untersuchungsbedingungen zeigen sich sowohl in FBL-R
„Allgemeinzustand“ und „Beschwerdesumme als auch im GSI für beide Kliniken und
spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Die
Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich Verbesserungen der allgemeinen subjektiven Gesundheit. Die
Messwiederholungseffekte fallen durchgängig hoch aus.
Betrachtet man die Ergebnisse zu den 1-Jahres-Katamnesen, so fällt für beide Kliniken auf, dass die Patienten beider Untersuchungsbedingungen 1 Jahr nach ihrer
Entlassung sich gegenüber den Aufnahmewerten nach wie vor deutlich gebessert
zeigen, teilweise ihre stationären Fortschritte sogar aufrechterhalten konnten. Im
zwei- und dreistufigen Messmodell ergeben sich durchgängig hoch signifikante
Messwiederholungseffekte.
In der Tendenz zeigt sich in der Sucht ein günstigerer Mittelwertsverlauf der ExG
gegenüber der KoG in der Skala „Allgemeinzustand“. Signifikante Interaktionseffekte
zeigen sich in beiden Kliniken jedoch nicht. Die Ergebnisse können insofern nicht
belegen, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung zur Verbesserung der allgemeinen subjektiven Gesundheit erhöht.
190
Tab. 111
Mittelwerte und Standardabweichungen für die Skalen FBL-Beschwerdesumme und –
Allgemeinzustand, SCL-90-R Gesamtbeschwerdeindex (SCL-GSI), SF-12 „körperliche“
und „psychische“ Summenskala (SF-12 körperlich und SF-12 psychisch). Abkürzungen:
x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe,
KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig.
Skalen
Gruppe Aufnahme
Entlassung
Katamnese
N
(Klinik)
x
s
x
s
x
s
FBL-BeschwerdeS ExG
2,24
,66
2,52
,74
108
KoG
2,23
,71
2,44
,77
115
↑ (Psychosomatik)
ExG
2,31
,65
2,51
,74
2,42
,81
72
KoG
2,30
,77
2,49
,82
2,49
,80
74
FBL-BeschwerdeS ExG
3,66
,64
4,10
,60
111
KoG
3,64
,78
3,98
,73
111
↑ (Sucht)
ExG
3,67
,62
4,06
,63
3,97
,70
79
KoG
3,69
,74
3,99
,74
4,00
,73
71
FBL-Allgemeinzust. ExG
2,02
,72
2,33
,74
114
KoG
2,02
,76
2,23
,80
121
↑ (Psychosomatik)
ExG
2,09
,75
2,35
,78
2,18
,81
79
KoG
2,13
,81
2,32
,86
2,34
,81
80
FBL-Allgemeinzust. ExG
3,38
,68
3,86
,69
113
KoG
3,43
,77
3,76
,77
111
↑ (Sucht)
ExG
3,35
,68
3,78
,70
3,65
,75
80
KoG
3,49
,75
3,79
,77
3,68
,86
71
SCL-GSI
ExG
1,34
,65
,95
,70
106
KoG
1,42
,65
1,0
,65
106
↓ (Psychosomatik)
ExG
1,28
,63
,91
,67
1,12
,77
74
KoG
1,36
,66
,95
,64
1,05
,74
66
SCL-GSI
ExG
1,05
,68
,50
,52
115
KoG
1,11
,70
,65
,59
113
↓ (Sucht)
ExG
1,03
,65
,55
,56
,66
,69
81
KoG
1,04
,67
,61
,54
,75
,70
72
Tab. 112
Skalen
(Klinik)
FBL BS
(Psy)
FBL BS
(Sucht)
FBL-A
(Psy)
FBL-A
(Sucht)
SCL GSI
(Psy)
SCL GSI
(Sucht)
Hypothesentestung für die Skalen FBL-Beschwerdesumme und –allgemein (FBL-BS und
FBL-A), SCL-GSI sowie SF-12 körperliche und psychische Summenskala (SF-12-k und
SF-12-p) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen:
Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger
Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Aufnahme-Entlassung
Aufnahme-Entlassung-Katamnese
Gru
MW
Gru* η2
Gru
MW
Gru* η2
η2
η2
η2
η2
MW
MW
,2
55** ,20+++ 1,2
,0
13** ,16+++ ,6
,7
134** ,38+++ 2,4
,0
41**
,36+++ 1,2
,3
45**
,16+++ 1,8
,1
13**
,14+++ 2,6*
,1
114** ,34+++ 4,5*
,2
32**
,30+++ 1,1
,7
83**
,28+++ ,1
,0
28**
,29+++ ,6
2,0
141** ,39+++ ,9
,4
42**
,36+++ ,2
,02+
191
,03+
Ergebnisse zum IRES:
Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe
größere Rehabilitationserfolge zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurde der IRES-Fragebogen mit den drei Merkmalsdimensionen somatischer Status (Unterdimensionen: Schmerzen, Symptome und Risikofaktoren), funktionaler Status (Unterdimensionen: Beanspruchung im Beruf und Behinderungen im
Alltag) und psychosozialer Status (Unterdimensionen: Psychische Belastung und
Soziale Probleme) eingesetzt. Bis auf die Skala „Beanspruchung im Beruf“, für die
sich in beiden Kliniken keine bedeutsame Veränderung ergibt, zeigen sich sowohl
die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zum Ende ihrer Rehabilitation
hinsichtlich aller anderen Skalen im Vergleich zum Zeitpunkt ihrer stat. Aufnahme
wesentlich gebessert. Die deutlichen Verbesserungen zeigen sich sowohl in den
übergeordnenten Skalen Rehagesamtstatus, somatischer -, funktionaler – und psychosozialer Status als auch in den Unterskalen Schmerzen, Symptome, Risikofaktoren, Behinderungen im Alltag, psychische Belastung und soziale Probleme für beide
Kliniken und spiegeln sich durchgehend in signifikanten und fast durchgängig hohen
Meßwiederholungseffekten wieder. Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich der Behandlung.
Ein signifikanter (leichter) Interaktionseffekt in der Skala „Risikofaktoren“ in der Psychosomatik weist auf eine stärkere Abnahme von Risikofaktoren in der Experimentalgruppe hin. In der Tendenz zeichnet sich auch ein günstigerer Verlauf der Mittelwerte in der Skala „soziale Probleme“ ab. Auf allen anderen Skalen zeigen sich keine signifikanten Interaktionseffekte. Die Ergebnisse zeigen für beide Kliniken, daß
die während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen bei Patienten
der Experimentalgruppe nicht höher ausfielen als bei Patienten der Kontrollgruppe.
Das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm konnte
die Effektivität der Behandlung in beiden Kliniken hinsichtlich des Reha-Status bis
zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhen.
Betrachtet man die Ergebnisse zu den 1-Jahres-Katamnesen, so fällt für beide Kliniken auf, dass die Patienten beider Untersuchungsbedingungen 1 Jahr nach ihrer
Entlassung sich gegenüber den Aufnahmewerten in allen Skalen nach wie vor gebessert zeigen. In vielen Bereichen konnten die Patienten beider Gruppen die deutlichen Verbesserungen im Katamnesezeitraum sogar aufrechterhalten. Auch für das
dreistufige Meßmodell ergeben sich durchgängig signifikante Meßwiederholungseffekte (bis auf einen nur tendenziellen Effekt in der Skala „Risikofaktoren“) und keine
Interaktionseffekte. Insofern kann davon ausgegangen werden, daß sich für die ExG
auch während des Katamnesezeitraums relativ zur KoG keine signifikant günstigeren Effekte ergeben haben.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung in diesem Bereich in
beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der ExG keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern konnte die zu überprüfende Hypothese insgesamt
nicht bestätigt werden.
192
Tab. 113
Mittelwerte und Standardabweichungen für die IRES-Skalen „Somatischer Status“, Unterskalen: „Schmerzen und Symptome“ sowie „Risikofaktoren“, „Funktionaler Status“,
Unterskalen: „Beanspruchung im Beruf“ und „Behinderung im Alltag“, „Psychosozialer
Status“, Unterskalen: „Psychische Belastung“ und „Soziale Probleme“ sowie „Rehastatus
Gesamtscore“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig.
Skalen
(Klinik)
Somatischer Status
(Psychosomatik) ↑
Gruppe Aufnahme
x
s
ExG
5,58
1,68
KoG
5,44
1,60
ExG
5,78
1,75
KoG
5,45
1,56
Somatischer Status ExG
6,44
1,59
KoG
7,26
1,41
(Sucht) ↑
ExG
6,37
1,70
KoG
6,30
1,70
Schm. u. Symptome ExG
4,67
1,77
KoG
4,84
1,74
(Psychosomatik) ↓
ExG
4,46
1,84
KoG
4,84
1,71
Schm. u. Symptome ExG
3,61
1,70
KoG
3,90
1,92
(Sucht) ↓
ExG
3,69
1,82
KoG
3,76
1,87
Risikofaktoren
ExG
2,21
2,00
KoG
2,11
1,52
(Psychosomatik) ↓
ExG
2,12
2,06
KoG
1,88
1,35
Risikofaktoren
ExG
2,96
1,65
KoG
3,17
1,69
(Sucht) ↓
ExG
2,98
1,79
KoG
2,98
1,60
Funktionaler Status ExG
6,77
1,54
KoG
6,58
1,50
(Psychosomatik) ↑
ExG
6,82
1,54
KoG
6,62
1,54
Funktionaler Status ExG
7,78
1,41
KoG
7,71
1,63
(Sucht) ↑
ExG
7,68
1,46
KoG
7,79
1,68
Beanspru. im Beruf ExG
3,68
1,94
KoG
4,01
1,99
(Psychosomatik) ↓
ExG
3,46
1,93
KoG
3,75
2,18
Beanspru im Beruf
ExG
3,23
1,80
KoG
3,15
1,97
(Sucht) ↓
ExG
3,13
1,77
KoG
3,09
2,03
Entlassung
x
s
6,40
1,66
6,09
1,64
6,52
1,69
6,14
1,76
6,16
1,79
6,88
1,75
7,14
1,48
6,96
1,79
3,81
1,76
4,13
1,76
3,67
1,80
4,10
1,71
2,81
1,50
3,21
1,87
2,94
1,59
3,15
1,94
1,71
1,53
1,97
1,55
1,70
1,48
1,70
1,34
2,01
1,43
2,19
1,48
2,03
1,22
1,90
1,22
7,18
1,52
7,03
1,54
7,15
1,55
7,16
1,49
8,48
1,24
8,36
1,48
8,40
1,31
8,35
1,53
3,73
1,86
4,03
2,14
3,35
1,78
3,84
2,26
3,22
1,91
3,12
1,98
3,31
2,07
2,97
2,09
193
Katamnese
x
s
6,33
6,19
1,67
1,95
7,23
6,90
1,58
1,93
3,88
4,04
1,78
2,09
2,85
3,22
1,65
2,07
1,71
1,79
1,41
1,49
1,93
1,84
1,72
1,30
7,34
7,43
1,61
1,64
8,59
8,29
1,47
1,57
3,02
2,72
1,84
2,04
1,80
1,54
1,20
1,18
N
126
123
81
81
114
109
77
70
126
123
81
81
114
109
77
70
128
124
83
83
114
109
77
69
123
121
79
81
114
107
77
70
85
78
48
36
49
45
24
28
Fortsetzung Tab. 113
Skalen
(Klinik)
Behinder. im Alltag
(Psychosomatik) ↓
Behinder. im Alltag
(Sucht) ↓
Psychosoz. Status
(Psychosomatik) ↑
Psychosoz. Status
(Sucht) ↑
Psych. Belastung
(Psychosomatik) ↓
Psych. Belastung
(Sucht) ↓
Soziale Probleme
(Psychosomatik) ↓
Soziale Probleme
(Sucht) ↓
Gesamtscore
(Psychosomatik) ↑
Gesamtscore
(Sucht) ↑
Gruppe Aufnahme
Entlassung
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
ExG
KoG
2,51
2,60
2,54
2,47
1,20
1,34
1,23
1,29
5,28
5,04
5,32
5,11
6,34
6,05
6,24
6,14
4,99
5,28
4,96
5,22
3,79
4,12
3,95
4,04
3,95
4,10
3,88
4,01
3,31
3,52
3,29
3,43
6,20
5,92
6,27
6,01
7,18
6,91
7,07
6,97
3,07
3,24
2,99
3,23
1,95
2,01
2,02
1,83
4,06
4,08
4,12
4,12
4,77
4,54
4,71
4,56
6,42
6,43
6,38
6,40
5,67
5,82
5,73
5,81
4,63
4,45
4,53
4,35
3,89
4,34
3,91
4,38
5,34
5,22
5,46
5,25
6,17
5,96
6,10
6,03
1,60
1,61
1,62
1,58
1,45
1,71
1,46
1,74
1,31
1,45
1,33
1,49
1,26
1,62
1,24
1,63
1,40
1,87
1,45
1,53
1,38
1,71
1,39
1,69
1,94
2,10
1,92
2,17
1,91
2,02
1,89
2,09
1,29
1,30
1,30
1,29
1,16
1,45
1,27
1,48
194
1,61
1,58
1,65
1,49
1,18
1,45
1,23
1,52
1,71
1,78
1,70
1,80
1,32
1,61
1,33
1,70
1,87
1,90
1,86
1,91
1,48
1,76
1,51
1,86
1,89
2,02
1,94
2,09
1,47
1,73
1,51
1,87
1,45
1,48
1,43
1,47
1,14
1,43
1,23
1,50
Katamnese
2,44
2,39
1,69
1,67
1,17
1,42
1,48
1,64
5,17
5,38
1,76
1,94
6,34
6,06
1,67
2,00
5,18
4,97
1,91
2,06
3,82
4,13
1,82
2,13
3,95
3,74
1,96
2,35
3,11
3,39
1,96
2,29
6,16
6,19
1,48
1,72
7,24
6,96
1,40
1,65
N
123
121
79
81
114
109
78
70
123
122
79
82
114
109
78
69
125
122
81
82
114
109
78
69
121
121
78
80
112
107
75
69
125
123
81
82
113
107
76
69
Tab. 114
Hypothesentestung für die IRES-Skalen Somatischer Status, Unterskalen: Schmerzen
und Symptome sowie Risikofaktoren, Funktionaler Status, Unterskalen: Beanspruchung
im Beruf und Behinderung im Alltag, Psychosozialer Status, Unterskalen: Psychische
Belastung und Soziale Probleme sowie Rehastatus Gesamtscore als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert
für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke.
Skalen
(Klinik)
Aufnahme-Entlassung
Gru
MW
η2
η2
Somatisch.S
(Psy)
Somatisch.S
(Sucht)
Symptome
(Psy)
Symptome
(Sucht)
Risikofaktor
(Psy)
Risikofaktor
(Sucht)
Funktional.S
(Psy)
Funktional.S
(Sucht)
Beruf
(Psy)
Beruf
(Sucht)
Alltag
(Psy)
Alltag
(Sucht)
Psychosoz.S
(Psy)
Psychosoz.S
(Sucht)
Psych. Bel.
(Psy)
Psych. Bel.
(Sucht)
Soziale Pr.
(Psy)
Soziale Pr.
(Sucht)
Rehastatus
(Psy)
Rehastatus
(Sucht)
1,3
109**
Gru*
MW
,31+++ 1,3
2,4
121**
,35+++ ,5
,6
37**
,34+++ ,6
1,4
110**
,31+++ ,9
1,6
33**
,30+++ ,9
2,3
100**
,31+++ ,5
,6
29**
,29+++ ,7
,2
12**
,05+
,1
4,8*
,06++
1,1
84**
,27+++ ,0
,1
29**
,29+++ ,1
,9
34**
,12++
,1
,0
21**
,21+++ 1,0
,2
85**
,28+++ ,1
,1
28**
,28+++ 1,7
1,2
,1
,0
,9
10**
,20+++ 2,7
,0
,0
,0
,2
23**
,48+++ ,3
,4
60**
,20+++ ,3
,0
28**
,26+++ 1,6
,3
86**
,28+++ ,2
,0
29**
,27+++ 1,8
,4
154**
,39+++ 2,3
,0
63**
,44+++ 1,8
2,2
335**
,60+++ ,1
,5
117**
,61+++ ,2
,6
161**
,40+++ 1,9
,0
64**
,45+++ 2,0
1,6
331**
,60+++ ,7
,4
114**
,61+++ ,4
,0
25**
,10++
,1
13**
,15+++ 1,0
2,1
45**
,17+++ 1,2
1,1
22**
,24+++ ,7
1,5
141**
,36+++ 1,5
,5
51**
,39+++ 1,4
2,1
278**
,56+++ ,2
,4
88**
,55+++ ,5
4,0**
2,7*
η2
,02+
,0
195
Aufnahme-Entllassung-Katamnese
Gru
Gru*
η2 MW
η2
MW
1,4
33**
,29+++ ,7
1,1
η2
Überprüfung der Hypothese: Arbeitsunfähigkeitszeiten
Die Hypothese, dass Patienten der ExG im einjährigen Prä-Post-stationären Vergleich größere Abnahmen in den AU-Zeiten aufweisen als Patienten der Kontrollgruppe wurde überprüft, in dem die ExG und die KoG hinsichtlich der durchschnittlichen AU-Zeiten für die Zeiträume „1 Jahr vor der Heilbehandlung“ und „1 Jahr nach
der Heilbehandlung“ verglichen wurden. Dabei wurden auch Krankenhausaufehthalte berücksichtigt. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden die Krankenkassenstammdaten der Projektteilnehmer ausgewertet. Für die Psychosomatik liegen die
Krankenkassenstammdaten von insgesamt 203 Patienten vor, für die Sucht von insgesamt 235 Patienten.
Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen in beiden Kliniken eine deutliche Reduktion der AU-Zeiten im Prä-Post-Vergleich. Dies zeigt sich
für beide Kliniken in hochsignifikanten Messwiederholungseffekten. Die Verminderung der AU-Zeiten fällt in beiden Kliniken in der ExG höher aus als in der KoG. So
ergibt sich im Prä-Post-Verleich in der ExG eine Reduktion der AU-Zeiten in Höhe
von 61,2 Tagen in der Psychosomatik und 60,6 Tagen in der Sucht gegenüber der
KoG, in der sich die AU-Zeiten nur um 40,9 Tage in der Psychosomatik und 40,7
Tage in der Sucht verminderten. Trotz dieser auf den ersten Blick deutlichen Mittelwertsunterschiede und sich abzeichnenden günstigeren Rehabilitationsergebnisse
der Teilnehmer der ExG ergeben sich in den varianzanalytischen Analysen in diesem Variablenbereich – auch vor dem Hintergrund sehr hoher Streuungen der Werte
innerhalb der Gruppen keine signifikanten Interaktionseffekte.
Tab. 115
Mittelwerte und Standardabweichungen der AU-Zeiten für die Zeiträume „1 Jahr vor der
Heilbehandlung“ und „1 Jahr nach der Heilbehandlung“ in Tagen. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, Psy: Psychosomatik; Su: Sucht;
ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe.
Mittlere AU-Zeiten in Tagen 1 J. vor Behandlung
Psy
1Su
ExG
KoG
Gesamt
ExG
KoG
Gesamt
x
117,9
108,1
113,2
104,2
93,0
98,1
s
121,5
121,1
121,1
109,4
94,8
101,7
196
1 J. nach Behandlung
x
56,7
67,2
61,7
43,6
52,3
48,4
s
88,3
108,5
98,4
76,1
82,4
79,6
N
105
98
203
107
128
235
Tab. 116
Hypothesentestung mit den AU-Zeiten (in Tagen) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über folgende Stufen des Messwiederholungsfaktors: „1 Jahr vor
der Heilbehandlung“ und „1 Jahr nach der Heilbehandlung“. Abkürzungen: Gru: F-Wert
„Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert Meßwiederholungsfaktor „AU-Zeitraum“,
Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%,
**: α: 1%, η2: Effektstärke.
1 J. nach Behandlung -1 J. nach Behandlung
Gru
MW
Gru*MW
η2
η2
η2
Psy
,0
32**
,14
1,2
Su
,0
46**
,17
1,8
Auch wenn Patienten der ExG im einjährigen Prä-Post-stationären Vergleich hypothesenkonform größere Abnahmen in den mittleren AU-Zeiten aufweisen als Patienten der Kontrollgruppe konnte statistisch nicht nachgewiesen, dass diese Unterschiede überzufällig sind. Insofern konnte die Hypothese statistisch nicht bestätigt
werden.
Überprüfung der Hypothese zu Akzeptanz und Zufriedenheit
Überprüfung der Hypothese: Gruppenbewertung
Die Hypothese, dass Patienten, die an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, die Gruppensitzungen positiv einschätzen, eine allgemeine Zufriedenheit mit der Gruppe und eine positive Wirkung
hinsichtlich Problembewusstsein und Verhaltensänderungen wahrnehmen, eine hohe Aktivierung durch die Gruppenteilnahme wahrnehmen sowie ein Gefühl von
Gruppenkohäsion und Integration in die Gruppe erleben, wurde mittels des Abschlussbewertungsbogens überprüft.
In ihren abschließenden Bewertungen zeigten sich die Teilnehmer als zufrieden mit
dem neuen Gruppenangebot, wobei im Vergleich zu Bad Dürkheim die Patienten der
Fachklinik Münchwies eine noch höhere Zufriedenheit aufwiesen (s. Tab. 117). Insgesamt hinterließ das Gruppenprogramm einen guten Gesamteindruck. Die Patienten bewerteten insbesondere die Informationsbestandteile sehr positiv (Skalen Informationsgehalt und Verständlichkeit). Sie fühlten sich in der Gruppe wohl (Skala
Atmosphäre) und gaben sich mit den Trainingselementen (Übungen und Hausaufgaben) sehr zufrieden (Skala Anregungsgehalt). Dem Programm wurde eine hohe
Auswirkung (Skala Wirkung) hinsichtlich Problemverständnis und Verhaltensänderung zugeschrieben.
Tab. 117
Abschlussbewertung des Gruppenangebots: Skalenwerte (x: Mittelwert; s: Standardabweichung; Antwortskalierung von 1 positive Ausprägung bis 6 negative Ausprägung)
Skala (von 1 positive Ausprägung bis 6 negative) Psychosomatik
x
s
S_Gesamteindruck
2,12
,69
S_Wirkung
2,34
,94
S_Anregungsgehalt
2,28
,82
S_Informationsgehalt
1,58
,62
S_Verständlichkeit
1,94
1,01
S_Verständlichkeit
1,94
1,01
S_Atmosphäre
2,20
1,00
S_Atmosphäre
2,20
1,00
197
Sucht
x
1,85
2,16
1,84
1,39
1,56
1,56
1,71
1,71
s
,63
,91
,61
,51
,71
,71
,80
,80
Im Rahmen der Prozessbewertung liegen durch die Mehrfachbeantwortung insgesamt 800 Datensätze von den Teilnehmern am Gruppenprogramm vor, aus den
Stichproben Psychosomatik 521 Datensätze von 132 unterschiedlichen Patienten
und Sucht 279 von 84 Patienten (jeweils incl. Abbrecher). Aus der nachfolgenden
Tabelle geht hervor, wie viele Bewertungen zu einer Grupppeneinheit des jeweils
behandelten Persönlichkeitsstils vorliegen. Die unterschiedlichen Zahlen resultieren
daraus, dass nicht alle Patienten gleichermaßen zu allen Gruppeneinheiten Bewertungen abgegeben haben.
Tab. 118
Prozeßbewertung: Anzahl Bewertungen der Gruppeneinheiten (GE) zu den behandelten
Persönlichkeitsstil
Gruppeneinheiten (GE)
GE gewissenhafter Stil
GE dramatischer Stil
GE anhänglicher Stil
GE selbstbewußter Stil
GE sensibeler Stil
GE sprunghafter Stil
Gesamt Bewertungen
Psychosomatik
Anzahl
%
83
15,9%
100
19,2%
96
18,4%
67
12,9%
87
16,7%
88
16,9%
521
100%
Sucht
Anzahl
36
39
38
54
55
57
279
%
12,9%
14%
13,6%
19,4%
19,7%
20,4%
100%
Gesamt
Anzahl
119
139
134
121
142
156
800
%
14,9%
17,4%
16,8%
15,1%
17,8%
18,1%
100%
Auf die Frage, in wieweit der behandelte Persönlichkeitsstil einem Teilnehmer entsprach, ergibt sich, dass sich die Patienten in der Selbsteinschätzung im Mittel am
ehesten mit dem sensiblen Persönlichkeitsstil in der Psychosomatik und dem gewissenhaften in der Sucht identifizierten.
Tab. 119
Prozeßbewertung: Identifikation mit Persönlichkeitsstil (x: Mittelwert; s: Standardabweichung; Antwortskalierung von 1 positive Ausprägung bis 6 negative Ausprägung)
Skala Identifikation mit
Persönlichkeitsstil
gewissenhaft
dramatisch
anhänglich
selbstbewußt
sensibel
sprunghaft
Psychosomatik
x
s
2,73
1,45
3,16
1,50
3,83
1,63
4,30
1,52
2,07
1,30
3,25
1,86
Sucht
x
2,60
3,08
3,38
3,24
2,75
3,28
s
1,45
1,66
1,60
1,54
1,68
1,81
Im folgenden werden Daten der Skala Gesamteindruck differenziert über die 6
Gruppeneinheiten zu den einzelnen Persönlichkeitsstilen tabelliert. Mit einem geringen Range der Mittelwerte von ,54 in der Psychosomatik und ,39 in der Sucht werden die einzelnen Gruppeneinheiten von den Teilnehmern relativ homogen beurteilt.
Die Höhe der Bewertungen stimmen in ihren Ausprägungen dabei nicht eindeutig mit
den Angaben überein, mit welchem behandelten Persönlichkeitstil sich die Teilnehmer am ehesten identifiziert haben, so gaben bspw. die Patienten der Sucht an,
dass der anhängliche Stil ihnen im Vergleich am geringsten entsprach - ihr Eindruck
von der Gruppeneinheit zum anhänglichen Stil war jedoch sehr positiv.
198
Tab. 120
Prozeßbewertung: Daten der Skala Gesamteindruck im Vergleich über die einzelnen
behandelten Persönlichkeitsstile (x: Mittelwert; s: Standardabweichung; Antwortskalierung von 1 positive Ausprägung bis 6 negative Ausprägung)
Skala Gesamteindruck
Gruppeneinheiten (GE)
GE gewissenhafter Stil
GE dramatischer Stil
GE anhänglicher Stil
GE selbstbewußter Stil
GE sensibeler Stil
GE sprunghafter Stil
Psychosomatik
x
s
2,22
,81
2,50
,91
2,31
,69
2,56
,75
2,02
,65
2,29
,84
Sucht
x
1,82
2,21
1,98
2,00
2,06
2,14
s
,57
,66
,68
,70
,80
,84
Zusammenfassend geht aus der Prozeßbewertung der einzelnen Gruppeneinheiten
als auch der Abschlussbeurteilung eine hohe Zufriedenheit der teilnehmenden Patienten mit dem neuen Gruppenprogramm hervor.
Überprüfung der Hypothese: Allgemeine Therapiezufriedenheit
Die folgenden Auswertungen beziehen sich auf Daten, die mit dem standardmäßig
allen Patienten der Kliniken vorgelegten Entlassungsfragebogen (Wissenschaftsrat
der AHG, unveröffentl.) erfasst werden. Die Patienten der Experimentalgruppe sind
in der Psychosomatik mit dem erzielten Therapieerfolg signifikant zufriedener als die
Patienten der Kontrollgruppe. Auch in der Sucht zeigt sich in der Tendenz eine höhere Zufriedenheit der Experimentalgruppe.
Tab. 121
Zufriedenheit mit der gesamten Therapie (N: Anzahl; x: Mittelwert; s: Standardabweichung; n.s.: nicht signifikant, * α: 5%, ** α: 1%)
Zufriedenheit mit...
Psychosomatik
Sucht
Antwortskalierung
ExG
KoG
t-Test
ExG
KoG
t-Test
1 = sehr zufrieden bis (N=101)
(N=84)
(N=106)
(N=108)
6 = sehr unzufrieden
x
s
x
s
X
s
x
s
2,33 1,17 2,85 1,25 -2,96 **
1,81 0,73 2,05 0,98 -1,99*
Therapieerfolg
Die Signifikanzprüfungen (Mann-Whitney-U-Test) der Antwortverteilungen hinsichtlich wahrgenommener positiver Veränderungen (Skalierung „verschlechtert“, „unverändert“, „verbessert“) ergeben eine signifikant höhere Anzahl von Verbesserungseinschätzungen der Patienten der Experimentalgruppe gegenüber Patienten der
Kontrollgruppe in den Bereichen „Beschwerden“, „Umgang mit Belastungen“, „Zusammenhänge zwischen Problemen und Beschwerden verstehen“ in beiden Kliniken
und in „Fähigkeit, mich so zu verhalten oder zu denken, wie es gut für mein Befinden
ist“ für die Psychosomatik. In der Tendenz zeigen sich diese Effekte auch für die Bereiche „Stimmungslage“, „Fähigkeit, mich so zu verhalten oder zu denken, wie es gut
für mein Befinden ist“ und „Fähigkeit, Probleme zu lösen“ in der Sucht sowie „Selbstsicherheit“, „Fähigkeit, Bedürfnisse auszudrücken und durchzusetzen“ und Fähigkeit,
Probleme zu lösen“ in der Psychosomatik.
199
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die allgemeine Therapiezufriedenheit erhöht. Insofern konnte die zu überprüfende Hypothese insgesamt bestätigt werden.
Tab. 122
Subjektive Selbsteinschätzung hinsichtlich erzielter positiver Veränderungen (N: Anzahl;
n.s.: nicht signifikant, * α: 5%, ** α: 1%)
Anzahl positiv
beurteilter
Veränderungen
Beschwerden
Stimmungslage
Umgang mit Belastungen
Zusammenhänge zw.
Problemen u. Beschwerden verstehen
Fähigkeit, mich so zu
verhalten oder zu denken, wie es gut für
mein Befinden ist
Fähigkeit, Probleme zu
lösen
Selbstsicherheit
Fähigkeit, Bedürfnisse
auszudrücken und
durchzusetzen
Psychosomatik
ExG
KoG
U-Test
(N=95-101) (N=80-86)
N
%
N
%
83
84,7 56
68,3 3356,5**
81
81,8 62
74,7 n.s.
74
75,5 42
52,5 3010**
Sucht
ExG
(N=86-103)
N
%
93
93,9
98
93,3
97
92,4
KoG
(N=77-92)
N
%
79
79,8
90
84,9
77
75,5
4189,5**
5096,5*
4447,0**
90
94,7
60
75
3042,5**
95
97,9
88
88,0
4368,0**
89
89,9
63
74,1
3529,5**
103
96,3
92
87,6
5136,5*
75
77,3
53
63,1
3455*
95
93,1
84
83,2
4630,5*
82
79
81,2 59
81,4 56
68,6
69,1
3770,5*
3425*
88
86
89,8
88,7
82
85
83,7
84,2
n.s.
n.s.
200
U-Test
5
Diskussion und Ausblick
5.1
Hintergrund, Fragestellung und Design
Die neueren Forschungsergebnisse betonen den besonderen Stellenwert der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung in der Psychotherapie, Psychiatrie und Rehabilitation. Zahlreiche Studien weisen auf die zum Teil hohe Komorbidität der Persönlichkeitsstörungen mit anderen psychischen, psychosomatischen oder Abhängigkeitserkrankungen hin. Die Zusammenhänge sind nicht zufällig und nicht für jede
Persönlichkeitsstörung gleich. So kann bei vorsichtiger Schätzung davon ausgegangen werden, dass bei mindestens einem Drittel aller stationären Patienten in psychosomatischen, psychiatrischen oder Sucht-Kliniken eine Persönlichkeitsstörung
vorliegt, ausschließlich oder zusätzlich zu den symptomatischen Störungen, wobei
oft die Hälfte der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen die diagnostischen Kriterien
für mehr als eine Persönlichkeitsstörung erfüllen. Die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen bei ambulanten Patienten sind nur unwesentlich geringer.
Es kann davon ausgegangenen werden, dass Persönlichkeitsstörungen bedeutsame
Auswirkungen auf das Erscheinungsbild, die Entwicklung und den Verlauf symptomatischer Störungen haben. Die Ergebnisse der therapiebezogenen Komorbiditätsforschung zeigen, dass komorbide Persönlichkeitsstörungen den Behandlungsverlauf einer symptomatischen Störung sowie die Prognose erheblich verschlechtern
können. Die Behandlungsverläufe sind wegen der tiefverwurzelten und komplexen
Probleme und auf Grund von ”Ich-Syntonie” und mangelndem Problembewusstsein
der Betroffenen oft gekennzeichnet durch Motivations-, Kooperations- und Complianceprobleme, die zu kaum auflösbaren Krisen in der Zusammenarbeit, zu Therapieabbrüchen oder zu unbefriedigenden Behandlungsergebnissen führen können.
Angesichts der schwierigen, langwierigen und kostenintensiven Behandlungsverläufe von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und der häufig negativen Auswirkungen dieser komplexen Beschwerdebilder auf die Arbeits- und Leistungsfähigkeit
der Betroffenen sind v. a. in der psychosomatischen und suchttherapeutischen Rehabilitation Anstrengungen zu unternehmen, die Psychotherapie der Persönlichkeitsstörung zu optimieren.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde in der Studie ein neues kognitivverhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm entwickelt und überprüft, das drei innovative Merkmale im Unterschied zur herkömmlichen Therapie umsetzt: (1) Es fußt
auf einem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstörung, das deren interpersonelle Natur als Beziehungsstörung in den Blick nimmt. Dies bedeutet eine Abkehr
vom klassischen kategorialen Klassifikationssystem und eröffnet damit neue Perspektiven für Diagnostik und Therapie. (2) Das neue Programm stellt die Persönlichkeitsstörung in den Fokus der Behandlung und nicht die unspezifische Förderung
von Kompetenzen im Erlebens- und Verhaltensbereich, von denen angenommen
wird, dass die Persönlichkeitsstörung diese positiv beeinflussen können. (3) Die bekannte Ich-Syntonie der Persönlichkeitsstörung erfährt im neuen Programm in besonderer Weise Beachtung: statt wie bislang üblich wird die Thematisierung der Persönlichkeitsstörung nicht vermieden, sondern in den Fokus gerückt im Rahmen eines ressourcenorientierten Ansatzes, der diese Fokussierung produktiv macht. Die
neue dimensionale Betrachtungsweise der Persönlichkeitsstörung eröffnet in vielfäl201
tiger Weise einen solchen ressourcenstärkenden Zugang. Nicht-konfrontative Motivierungsstrategien bilden ein weiteres starkes günstiges Gegengewicht zu der oft
vermuteten Überforderung der Patienten, wenn die Pathologie der Persönlichkeitsstörung direkt in den Mittelpunkt der Therapie gestellt werden wird.
Vor diesem Hintergrund wurde ein neues, psychoedukativ- und kompetenzorientiertes Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen entwikkelt, das auf einem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstile basiert und das die
Probleme bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in besonderer Weise durch
Psychoedukation und Informierung des Patienten berücksichtigt. Das Therapieprogramm liegt als ausgearbeitetes Therapiemanual vor (Schmitz et al., 2001) und wurde in der stationären verhaltenstherapeutischen Psychosomatik und Suchttherapie
für Patienten mit ausgewählten Persönlichkeitsstörungen und dysfunktionalen Persönlichkeitsstilen entwickelt, d.h. für Patienten mit selbstunsicherer, dependenter,
zwanghafter, histrionischer, narzisstischer und Borderline-Persönlichkeitsstörung
bzw. entsprechendem Persönlichkeitsstil. Das Programm ist kognitivverhaltenstherapeutisch orientiert und bietet für jede Persönlichkeitsvariante ein psychoedukatives Modul zur Förderung günstiger Einsichtsprozesse und zur Einführung
in den jeweiligen Persönlichkeits- und Kommunikationsstil, seine Entwicklung und
seine Auswirkungen sowie ein kompetenzorientiertes Modul zur Förderung spezifischer psychosozialer Fertigkeiten. Die Zielsetzungen des Programms sind damit
sowohl verstehens- als auch veränderungsorientiert, d.h. es geht nicht nur darum,
sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen, sondern auch darum, Perspektiven für die persönliche Entwicklung aufzuzeigen und dazu Starthilfen zu geben.
Das Therapieprogramm stellt mit seinen Zielsetzungen und Vorgehensweisen die
Persönlichkeitsstörung des Patienten direkt in den Fokus der Behandlung und unterscheidet sich damit von der oft vorherrschenden Meinung in der Fachliteratur, dass
Persönlichkeitsstörungen auf Grund von "Ich-Syntonie" und mangelndem Problembewusstsein der Betroffenen nicht unmittelbar und direkt zum Gegenstand der Behandlung gemacht werden sollten (z. B. Fiedler, 1995). So richten sich die herkömmlichen kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionsempfehlungen mit einigen Ausnahmen (z.B. Linehan, 1993 - für die Borderline-Persönlichkeitsstörung)
eher auf die Förderung der Kompetenzen im Erlebens- und Verhaltensbereich und
es wird davon ausgegangen, dass sich mit den veränderten Interaktions- und
Selbststeuerungsmustern mutmaßlich auch die Persönlichkeitsmerkmale von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in wünschenswerter Weise verändern. Im Spannungsfeld dieser Diskussion ist die Fragestellung der vorliegenden Studie nach der
Wirksamkeit des neuen Behandlungsprogramms angesiedelt.
Das Gruppentherapieprogramm wurde im Rahmen eines quasi-experimentellen
Untersuchungsplans mit drei Messzeitpunkten (stationäre Aufnahme und Entlassung
sowie 1-Jahres-Katamnese), breiter Kriteriumsmessung und randomisierter Zuweisung zu Experimental- und Kontrollgruppen (ExG und KoG) evaluiert. Die abhängigen Variablen lassen sich in 6 Bereiche ordnen: Symptomatologie (Verfahren u.a.
FBL, BDI), Subjektive Gesundheit (u.a. IRES), Persönlichkeitsstile / Interpersonelle
Probleme (u.a. IIP-D, PSSI), Basisfertigkeiten / Soziale Unterstützung (u.a. F-SOZU,
U-Fragebogen), Bewertung und Akzeptanz der Maßnahme (Entlassfragebogen sowie Eigenentwicklungen) sowie Objektive Daten (AU-Zeiten).
202
Zentrale Hypothese der Studie war, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die
als Teil ihres multimodalen Behandlungsprogramms auch an dem neu entwickelten
Gruppentherapieprogramm teilnehmen, günstigere Rehabilitationsergebnisse erzielen als Patienten, die am gleichen Behandlungsprogramm teilnehmen, das unspezifisch Interaktions- und Selbststeuerungsprozesse fördert, was der herkömmlichen
Behandlungsrationale bei Persönlichkeitsstörungen entspricht. So wurde erwartet,
dass das Gruppenprogramm auf Grund seiner (persönlichkeits-) störungsspezifischen Zielorientierung in Verbindung mit Ressourcenorientierung sowie besonders
geeigneten nicht-konfrontativen Motivierungsstrategien nicht nur günstigere Effekte
im Bereich der Persönlichkeit und interpersoneller Probleme erzielt als das etablierte
Behandlungsangebot, sondern auch solche Einsichts-, Motivations- und Kooperationsprozesse fördert, die sich auf die Mitarbeit in den anderen therapeutischen Angeboten auswirken und sich in günstigeren symptomatischen Besserungen und in
einer größeren Zufriedenheit mit der stationären Behandlungsmaßnahme abbilden.
Untersucht wurden Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen, somatoformen und Essstörungen in der Psychosomatik und Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol oder Medikamente) in der Sucht.
Verglichen wurden in Sucht und Psychosomatik die Effekte eines individualisierten,
multimodalen Behandlungsangebots, mit der experimentellen Variation der Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme am neuen Gruppentherapieprogramm. Insgesamt wurden
in den beiden Kliniken jeweils eine Experimental- und Kontrollgruppe gebildet.
Die entsprechenden Patienten der beiden Experimentalgruppen und der beiden
Kontrollgruppen nahmen gleichermaßen am multimodalen Behandlungsangebot der
Kliniken teil und für jeden Patienten wurde aus dem komplexen Behandlungsangebot der Kliniken ein individualisiertes Therapieprogramm zusammengestellt (siehe
Behandlungskonzepte der Kliniken). Die Patienten der Kontrollgruppen nahmen
nicht an dem neuen Gruppentherapieprogramm für Persönlichkeitsstörungen teil,
sondern besuchten statt dessen eine andere, für sie im Bereich der Förderung psychosozialer Kompetenzen indizierte gruppentherapeutische Maßnahme, z.B. die
Selbstsicherheitsgruppe. Im breiten Ausmaß wurden abhängige Variablen definiert
um die Wirksamkeit des Treatments besser abschätzen können als dies nur mit einigen wenigen, theoretisch mit dem Treatment eng verbundenen abhängigen Variablen möglich gewesen wäre. Die Hypothesenformulierung bedeutet eine schwer zu
erreichende Zielmarke für das neue Therapieprogramm – machte dessen Treatmentdosis doch nur 12 Stunden aus im Unterschied zu dem dichten herkömmlichen
therapeutischen Programm.
Kritisch muss aus methodischer Sicht darauf hingewiesen werden, dass das Design
damit nur die Gegenüberstellung und Prüfung zweier komplexer Behandlungsvariationen ermöglicht, nämlich die Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme am neuen Gruppentherpieprogramm im Rahmen des herkömmlichen kompetenzorientierten Gruppenangebot. Die stationäre Behandlungsplanung, die für die Patienten routinemäßig
einen vergleichbaren Umfang an gruppentherapeutischen Maßnahmen vorsieht,
stellte in beiden Kliniken sicher, dass sich die Patienten der Experimentalgruppen
und der Kontrollgruppen nicht in ihrer Therapiedosis hinsichtlich der Teilnahme an
einem gruppentherapeutischen Angebot unterscheiden, so dass mögliche Unter-
203
schiede zwischen Experimentalgruppen und Kontrollgruppen nicht auf Unterschiede
in der ”gruppentherapeutischen” Gesamttherapiedosis zurückzuführen sind.
5.2
Ergebnisse
Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammengefasst. Die
Analysen erfolgten jeweils getrennt für die Stichproben Psychosomatik und Sucht.
Von einer Zusammenführung bzw. gemeinsamen Analysen der beiden Stichproben
wurde auf Grund der sowohl hinsichtlich der Kennwerte der unabhängigen als auch
abhängigen Variabeln sehr stark unterschiedlichen Stichproben abgesehen. Darin
widerspiegeln sich die bekannten Unterschiede zwischen Patienten der beiden Indikationsgebiete „Psychosomatik“ und „Sucht“.
5.2.1
Merkmale der Stichproben
Die Parallelisierung von Experimental- und Kontrollgruppe erfolgte in beiden Kliniken
nach soziodemographischen Daten wie Geschlecht, Schuldbildung, Familienstand,
letztem beruflichen Status, Arbeitsfähigkeit, Erstmanifestation der Erkrankung und
Anzahl der Achse I und II- Diagnosen. Bei keinem Merkmal zeigten sich signifikante
Unterschiede.
Auch die drop-out-Analyse ergab keine bedeutsamen Unterschiede hinsichtlich der
soziodemographischen Variablen und der Variabeln zur beruflichen Situation.
Signifikante Unterschiede ergab jedoch der Vergleich der Patientengruppe mit Persönlichkeitsstörung mit der Gruppe ohne Persönlichkeitsstörung hinsichtlich soziodemographischer Daten: Patienten mit Persönlichkeitsstörung sind in Psychosomatik wie Sucht drei bis fünf Jahre jünger als Patienten ohne Persönlichkeitsstörung.
Die schwerwiegenden Defizite in der Persönlichkeitsorganisation dürften dazu führen, dass die Entwicklung so ungünstig verläuft, dass früher ein stationärer Aufenthalt notwendig wird. Hinsichtlich des Schulbildungsniveaus zeigt sich nur in der Psychosomatik der Effekt, dass dort mehr Patienten mit Persönlichkeitsstörung einen
höheren Schulabschluss als Patienten ohne Persönlichkeitsstörung haben. Vor allem die Lebensbereiche, die von den sozial-interaktiven Fähigkeiten geprägt sind,
wie Familienstand oder Partnersituation, gestalten sich bei Patienten mit Persönlichkeitsstörung in Sucht wie Psychosomatik deutlich ungünstiger und stellen damit für
diese Patientengruppe einen besonders schwerwiegenden Faktor sozialer Belastetheit. Der berufliche Leistungsbereich im Sinne des beruflichen Status steht in keinem Zusammenhang mit der Diagnose Persönlichkeitsstörung, jedoch sind Patienten mit Persönlichkeitsstörung häufiger arbeitslos. Dies dürfte vor allem mit den sozial-interaktiven Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zusammenhängen in die solche
Patienten eher geraten und die sie schlechter lösen können als andere.
5.2.2
Akzeptanz und Zufriedenheit
Die Daten bestätigen in beiden Kliniken die Hypothese, dass Patienten, die an dem
neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen,
die Gruppensitzungen positiv einschätzen, eine allgemeine Zufriedenheit mit der
204
Gruppe und eine positive Wirkung hinsichtlich Problembewusstsein und Verhaltensänderungen wahrnehmen, eine hohe Aktivierung durch die Gruppenteilnahme
erleben sowie ein Gefühl von Gruppenkohäsion und Integration in die Gruppe. In
ihren abschließenden Bewertungen zeigten sich die Teilnehmer zufrieden mit dem
neuen Gruppenangebot. Insgesamt hinterließ das Gruppenprogramm einen guten
Gesamteindruck. Insbesondere die Informationsbestandteile wurden sehr positiv
bewertet (Skalen Informationsgehalt und Verständlichkeit). Die Patienten fühlten sich
in der Gruppe wohl (Skala Atmosphäre) und waren mit den Trainingselementen
(Übungen und Hausaufgaben) sehr zufrieden (Skala Anregungsgehalt). Dem Programm wurde eine hohe Auswirkung (Skala Wirkung) hinsichtlich Problemverständnis und Verhaltensänderung zugeschrieben. Die einzelnen Gruppeneinheiten wurden relativ homogen und durchgehend positiv beurteilt. Diese Ergebnisse wurden
mit dem Prozess- und dem Gruppenbewertungsbogen (Husen, 1998) gewonnen, die
beide im Rahmen des Evaluationsprojektes entwickelt worden sind.
Die positive Tendenz in der Einschätzung und subjektiven Bewertung des Interventionsprogramms wirkte sich auch in der allgemeinen Beurteilung der stationären Therapie aus. Die Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe eine größere Zufriedenheit mit der stationären Therapie zeigen als Patienten der Kontrollgruppe
konnte damit ebenfalls bestätigt werden. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden
spezifische Items des Entlassfragebogens ausgewertet (Wissenschaftsrat der AHG,
unveröffentl.), auf denen die Patienten ihre Veränderungen (Verbesserungen und
Verschlechterungen) durch die Therapie einschätzen. Zum Zeitpunkt der Entlassung
zeigen sich die Patienten der Experimentalgruppe in beiden Kliniken mit dem erzielten Therapieerfolg zufriedener als die Patienten der Kontrollgruppen. In beiden Kliniken berichten in der Experimentalgruppe relativ zur Kontrollgruppe eine signifikant
höhere Anzahl von Patienten über positive Veränderungen: hinsichtlich ihrer Beschwerden, ihrer Fähigkeit mit Belastungen umzugehen, ihrer Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen Problemen und Beschwerden zu verstehen und ihrer Fähigkeit,
sich so zu verhalten oder zu denken, wie es gut für das eigene Befinden ist (in der
Sucht in der Tendenz).Eine höhere Anzahl von Patienten der Experimentalgruppe
nehmen im Vergleich zur Kontrollgruppe in der Tendenz eine Verbesserung ihrer
Fähigketien mit Problemen umzugehen wahr, sowie eine Besserung ihrer Stimmungslage (in der Sucht) sowie eine Besserung ihrer Selbstsicherheit und ihrer Fähigkeit, Bedürfnisse auszudrücken und durchzusetzen (jeweils nur in der Psychosomatik). Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die oft geäußerte Furcht vor Reaktanz und negativer therapeutischer Reaktion bei direktem, auf die Persönlichkeitsstörung gezielt ausgerichtetem Vorgehen dann gegenstandslos ist, wenn gleichzeitig
Anstrengungen unternommen werden, die verbliebenen Ressourcen und Kompetenzen aufzuzeigen und zu stärken sowie nicht-konfrontative Motivierungsstrategien
umzusetzen. Der Weg, der mit dem neuen Gruppenprogramm eingeschlagen wurde,
hat sich offenbar bewährt, sollen die für nachhaltige Therapieeffekte so wesentliche
Zustimmung und Akzeptanz des Therapieprogramms erreicht werden. Dies gelingt
mit der therapeutischen Rationale, die in dem neuen Programm ungesetzt wurde,
offensichtlich in besonders günstiger Weise.
205
5.2.3
”Veränderung der Persönlichkeitsstörung und interpersoneller Problembereiche”
Die Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe mit narzißtischer, dependenter,
histrionischer,
zwanghafter,
selbstunsicherer
oder
BorderlinePersönlichkeitsstörung bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe eine ausgeprägtere Abschwächung des jeweils mit ihrer Persönlichkeitsstörungsdiagnose korrespondierenden Persönlichkeitsstils wahrnehmen, wurde jeweils
mittels der mit dem entsprechenden Stil korrespondierenden PSSI-Skalen überprüft
(Kuhl & Kazen, 1997) und konnte in der Psychosomatik für Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung bestätigt werden. So nehmen Patienten der Experimentalgruppe mit Borderline-Persönlichkeitsstörung bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe ausgeprägtere Abschwächung des Stils ”borderline” /
”wechselhaft” / ”spontan” zum Zeitpunkt der Entlassung wahr (Tendenz). Für die aus
den anderen fünf Persönlichkeitsstörungen gebildeten Subpopulationen bzw. die
anderen fünf PSSI-Skalen konnte diese Hypothese nicht bestätigt werden.
Die Ergebnisse des PFI (Riemann, 1996) weisen darauf hin, dass Patienten, die an
dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, ihre Persönlichkeitsfähigkeiten verglichen mit Patienten der Kontrollgruppe nicht stärker verbessern konnten.
Die mittels IIP-D (Horowitz et al., 1994) gewonnen Daten zeigen, dass in der Psychosomatik Patienten der Experimentalgruppe in 4 von 8 erhobenen Skalen eine
statistisch bedeutsame deutlichere Abschwächung interpersoneller Probleme wahrnehmen als Patienten der Kontrollgruppe: Im einzelnen nehmen Patienten, die an
dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, sich zum Zeitpunkt der Entlassung statistisch bedeutsam weniger
als zu abweisend / zu kalt, zu introvertiert / zu sozial vermeidend und zu selbstunsicher / zu unterwürfig und in der Tendenz weniger als zu streitsüchtig / zu konkurrierend wahr. Auf diesen Dimensionen konnte insofern eine höhere Effektivität der Therapie durch die Durchführung des neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen
Gruppentherapieprogramms nachgewiesen werden. Poststationär gelang es den
Teilnehmer der Experimentalgruppe jedoch nicht, diese günstigeren Veränderungen
gegenüber der Kontrollgruppe aufrechtzuerhalten. In den anderen Skalen der Psychosomatik sowie in allen IIP-Skalen in der Sucht zeigen sich keine statistisch bedeutsamen Unterschiede der Mittelwertsverläufe zwischen Experimentalgruppe und
Kontrollgruppe. Während die Daten der Psychosomatik hier mehrheitlich für eine
Bestätigung der Hypothese sprechen, widersprechen die Daten der Sucht einer im
Selbsturteil deutlicheren Abschwächung interpersoneller Probleme von Patienten der
Experimentalgruppe.
Die Daten des U-Fragebogens (Ullrich & Ullrich, 1980) weisen in beiden Kliniken
darauf hin, dass die Patienten der Experimentalgruppe ihre sozialen Ängste und sozialen Inkompetenzen verglichen mit den Patienten der Kontrollgruppe nicht stärker
verbessern konnten. Über fast alle Skalen hinweg zeigen sich keine signifikanten
Interaktionseffekte. Nur ein signifikanter Interaktionseffekt in der Skala
”Anständigkeit” weist darauf hin, daß sich in der Psychosomatik bei Patienten der
Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe Anständigkeit im Sinne einer
überhöflichen Beachtung von Normen und einer übergroßen Peinlichkeit bei der
Verletzung von Anstandsregeln statistisch bedeutsam stärker abmilderte. Allerdings
206
deutet sich in der Sucht in derselben Skala (dreistufiges Messmodell) sogar auf ein
günstigeres Rehaergebnis der Kontrollgruppe an. Die Ergebnisse sprechen dafür,
dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die
Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Abschwächung sozialer Ängste und
sozialer Inkompetenz nicht erhöhen konnte.
Auch hinsichtlich ”Selbstwirksamkeit”, ”Basisfertigkeiten” und ”psychosozialer Fähigkeiten”, operationalisiert durch SWS (Klauer & Filipp, 19983), FPF (Husen, unveröffentlicht) und F-Sozu (Sommer & Fydrich, 1987), konnten die Patienten der Experimentalgruppe keine statistisch bedeutsam günstigeren Ergebnisse erzielen. Es ist
daher davon auszugehen, dass die Experimentalgruppen-Patienten auch hier keine
günstigeren Rehaergebnisse bei Klinikentlassung erzielt haben als Patienten der
Kontrollgruppen.
Trotz einiger hypothesenbestätigender Ergebnisse in der Psychosomatik in Form in
der Tendenz günstigerer Ergebnisse der Experimentalgruppe (in der PSSI-Skala
”borderline”/”wechselhaft”/”spontan” sowie in 4 von 8 IIP-Skalen) muß zusammenfassend festgehalten werden, dass die meisten Ergebnisse auf keine bedeutsamen
Unterschiede zwischen Experimentalgruppe und Kontrollgruppe hinsichtlich der Veränderung ihrer Persönlichkeitsstörung und interpersoneller Problembereiche im
Selbsturteil hinweisen. Gerade hinsichtlich dieser, dem Treatment theoretisch so
nahen abhängigen Variablen wären interventionsspezifische Effekte zu erwarten
gewesen, vor allem auch auf dem Hintergrund der treatmentspezifischen eindeutigen Ergebnisse zur hohen Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem Therapieprogramm.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Experimentalgruppen durchaus sehr
günstige Ergebnisse – im Selbsturteil der interpersonellen Fähigkeiten – erreichen,
aber keine signifikant besseren als die Kontrollgruppen. Womöglich ist ein bestimmter Deckeneffekt bereits in den Ergebnissen der Kontrollgruppen erreicht worden,
der sich nur schwer steigern ließe. Aufschluss darüber wird ein Vergleich mit Werten
der Normalpopulation geben, was in der weiteren Forschungsarbeit vorgesehen ist.
Der Stellenwert der poststationären Ergebnisse ganz generell wird in den katamnestischen Verläufen zu beurteilen sein.
5.2.4
Symptomatologie
Die Untersuchung von Depressivität, Angst, somatoforme Beschwerden, operationalisiert durch BDI (Hautzinger et al., 1992), SCL-90-R (Franke, 1995), BAI (Margraf, in
Vorb.) und FBL-R (Fahrenberg, 1994), ergaben keine statistisch bedeutsamen Unterschiede in den Rehabilitationsverläufen zwischen den beiden Gruppen. Insofern
konnten auch hier die Untersuchungshypothesen nicht bestätigt werden.
5.2.5
Subjektive Gesundheit
Hinsichtlich des Gesundheitsempfindens operationalisiert durch FBL-RBeschwerdesumme, die FBL-R-Skala Allgemeinbefinden, SCL90-R-GSI und IRES
(Gerdes & Jäckel, 1992) - konnte die Hypothese insgesamt ebenfalls nicht bestätigt
werden, nämlich dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen hinsichtlich ihrer allgemeinen subjektiven Gesundheit zeigen als bei ver207
gleichbaren Patienten der Kontrollgruppe. Ein signifikant günstigeres Rehaergebnis
der Experimentalgruppen-Patienten ergab sich nur in der IRES-Skala
”Risikofaktoren” in der Psychosomatik, sowie in der Tendenz in der Sucht in der
FBL-R-Skala ”Allgemeinbefinden” und in der IRES-Skala ”soziale Probleme” in der
Psychosomatik.
5.2.6
Suchtspezifische Ergebnisse
Hinsichtlich der Abstinenzquote (Katamnese), Abstinenzzuversicht (KAZ) und Funktionalität (MDI) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Deutliche Verbesserungen spiegelten sich auf allen Skalen
in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Sowohl hinsichtlich Abstinenzquote wie Abstinenzzuversicht erreichen Experimental- wie auch Kontrollgruppe
sehr zufriedenstellende Ergebnisse. Auch hinsichtlich der Einsicht in die Funktionalität des Suchtmittelkonsums ergeben sich in beiden Gruppen wünschenswerte Entwicklungen, wobei sich Experimental- vs. Kontrollgruppe nicht signifikant voneinander unterscheiden.
Deutliche Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe zeigen sich jedoch in der Einjahreskatamnese: Die Patienten der Experimentalgruppe erreichen
eine höhere Lebenszufriedenheit mit der Familiensituation, ihrer sozialen Lebenssituation und der Wohnungssituation. Diese Ergebnisse beziehen alle Teilnehmer an
der Katamnese ein. Werden nur abstinente und nach Rückfall abstinente Patienten
ein Jahr nach Entlassung berücksichtigt, so zeigen diese in der Experimentalgruppe
höhere Zufriedenheit in den Bereichen Freundeskreis und soziale Lebenssituation.
Diese Ergebnisse werden in der Tendenz weiterhin durch günstigere Ergebnisse der
Experimentalgruppe in den Bereichen Umgang mit Suchtmitteln und Wohnungssituation gestützt. Besonderen Stellenwert hinsichtlich der langfristigen Effekte des
neuen Gruppenprogramms haben die Ergebnisse zur Rückfallbeendigung: Patienten
der Experimentalgruppe beenden einen Rückfall in der poststationären Zeit in der
Tendenz häufiger aus eigener Kraft als die Patienten der Kontrollgruppe. Hier zeigt
sich eine entscheidende Überlegenheit des neuen Gruppenprogramms, das offenbar
– trotz der geringen Treatmentdosis – nachhaltig auf so bedeutsame Parameter der
poststationären Abhängigkeitsentwicklung wirkt wie Rückfallverhalten und Lebenszufriedenheit. Vor allem diese Ergebnisse ermutigen den eingeschlagenen Weg des
fokussierten persönlichkeitsstörungsspezifischen Vorgehens weiter zu verfolgen und
auszubauen.
5.2.7
Arbeitsunfähigkeitsgeschehen
Die in beiden Untersuchungsgruppen beobachtete Verminderung der AU-Zeiten fällt
in beiden Kliniken in der Experimentalgruppe hypothesenkonform deutlich höher aus
als in der Kontrollgruppe. Im einjährigen prä-post-stationären Vergleich beträgt die
Reduktion der AU-Zeiten in beiden Kliniken in der Experimentalgruppe 20 Tage
mehr als in der Kontrollgruppe. Dieser deutliche Unterschied ist jedoch - die Werte
innerhalb der Gruppen streuen sehr stark – statistisch nicht signifikant. Wenn auch
die statistischen Signifikanz verfehlt wird, so sprechen doch diese deutlichen Unterschiede im Arbeitsunfähigkeitgeschehen dafür, das als Kulminationskennwert einer
208
positiven poststationären Entwicklung gelten kann, für die besondere Potenz des
neuen Gruppentherapieprogramms, das offenbar bereits bei geringer Treatmentdosis spezifische langfristige günstige Effekte hervorruft.
5.3
Klinikspezifische Überlegungen zur Studie und ihren Ergebnissen
Wie die Mittelwertsverläufe in beiden Kliniken zeigen, ergaben sich sowohl in den
Experimentalgruppen als auch in den Kontrollgruppen sehr günstige Rehabilitationsverläufe über sämtliche Variablenbereiche hinweg. Dies spiegelt sich durchgängig in
hohen Messwiederholungseffekten wieder. Experimentalgruppen-Patienten, die im
Rahmen ihres stationären Behandlungsprogramms an dem neuen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, erzielen sehr günstige Rehabilitationsergebnisse, ebenso jedoch die Patienten der KoG, die am etablierten Behandlungsprogramm
bei gleicher Therapiedosis teilgenommen haben. Die Ergebnisse weisen insofern in
beiden Kliniken auf eine hohe Effektivität und Wirksamkeit des etablierten Behandlungsprogramms zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen und symptomatologischen Störungen hin. Nicht durchgängige Nachweise einer größeren Effektivität
des neuen Gruppenprogramms sind auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Das in
der Untersuchung breit angesetzte Spektrum abhängiger Variablen sorgte dafür,
dass ein spezifischer Wirkungsnachweis des neuen Treatments erreicht werden
konnte. Wie die Ergebnisse zeigen, hat das neue Gruppentherapieprogramm vor
allem Effekte auf Therapiemotivation, auf die Identifizierung mit dem Therapieangebot und die Zufriedenheit mit der durchlaufenen Therapie. Bislang in der Regel nur
vermutete positive Auswirkungen auf langfristige Entwicklungen dieser Rehabilitationsergebnisse konnten in der Einjahrskatamnese vor allem im Abstinenzgeschehen
und hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden. Festzuhalten bleiben
die bedeutsamen langfristigen Effekte hinsichtlich der Abstinenz- und des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens als komplexe abhängige Variablen, die Rückschlüsse auf
eine insgesamt positive poststationäre Entwicklung zulassen.
Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim ist seit Jahren klinisch und wissenschaftlich aktiv beteiligt an der Entwicklung und Integration geeigneter Behandlungsstrategien für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (Fydrich et al., 1995; Limbacher, 1989; Limbacher & Schmitz, 1996; Schmitz & Limbacher, 1989; Schmitz 1996;
Schmitz et al., 1996). Im Rahmen dieser Aktivitäten wurde auch der psychoedukative Behandlungsansatz entwickelt, der dem neuen Gruppentherapieprogramm zugrunde liegt. Es wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche klinikinterne Fortbildungsveranstaltungen zur Diagnostik, Behandlung und Psychoedukation bei Persönlichkeitsstörungen durchgeführt und die regelhaft stattfindenden Supervisionen
berücksichtigen die besonderen Problemstellungen von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in den relevanten diagnostisch-therapeutischen Aspekten. So kann
davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter der Klinik gleichermaßen mit den
neueren kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätzen sowie mit den
psychoedukativen Vorgehensweisen bei Persönlichkeitsstörungen vertraut sind und
eine hohe therapeutische Kompetenz in der Behandlung dieser schwierigen Patientengruppe haben. Vor diesem Hintergrund können auch die günstigen Rehabilitationsverläufe der Patienten der Kontrollgruppe gesehen werden. So kann davon ausgegangen werden, dass auch bei Patienten der Kontrollgruppe die psychoedukativen Inhalte des Gruppenprogramms vor allem über den Bezugstherapeuten mehr
209
oder weniger systematisch in die individuelle Therapie eingeflossen sind, wodurch
eine Konfundierung der Effekte bzw. ein günstiges Rehabilitationsergebnis auch der
Kontrollgruppe wahrscheinlich wird.
In den Suchtkliniken ist es noch keineswegs therapeutische Routine, der komorbiden
Erkrankung bei abhängigen Patienten, insbesondere der komorbiden Persönlichkeitsstörung, durch geeignete indikative Therapieprogramme Rechnung zu tragen.
In der Fachklinik Münchwies wird jedoch schon seit vielen Jahren ein breitgefächertes indikatives Angebot vorgehalten, an dem die abhängigen Patienten zusätzlich zu
dem Regelprogramm in der therapeutischen Wohngruppe mit Gruppen-, Sport- und
Ergotherapie teilnehmen. Dazu gehören Angstbewältigungsprogramme, Selbstsicherheitsprogramme oder Therapieprogramme zur Förderung der Gefühlswahrnehmung. Diese indikativen Programme gehörten zu den Treatment-Bedingungen der
Kontrollgruppe und der Experimentalgruppe, die zusätzlich noch an dem neuen Programm teilnahm. In der für beide Gruppen wesentlichen therapeutischen Bezugsgruppe sind bereits Rahmenbedingungen geschaffen, die sich direkt auf die interpersonellen und Selbstregulationsprobleme der abhängigen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen richten.
Darüber hinaus sorgte die hohe Akzeptanz des neuen Therapieprogramms für einen
nicht kontrollierbaren Konfundierungseffekt: Die Patienten der Experimentalgruppe,
die in der Regel hochmotiviert und sehr zufrieden die einzelnen Gruppenstunden
verließen, tauschten Materialien und Erfahrungen aus der Gruppenstunde mit anderen Mitpatienten und eben auch solchen Patienten der Kontrollgruppe aus. In den
Gruppentherapiestunden der therapeutischen Bezugsgruppe waren die Gruppenstunden des störungsspezifischen Programms häufig Thema, das die Patienten der
Experimentalgruppe in die Gruppe einbrachten, um andere an ihren Erfahrungen
und Einsichten teilhaben zu lassen. Wie wir in Erfahrung bringen konnten, waren die
Themen und Übungen des neuen Programms auch Gegenstand in der in der
Suchttherapie üblichen sogenannten Patientengruppe, d.h. von den Patienten und in
Eigenregie durchgeführten Gruppen, in denen Interaktionsprobleme oder auch Probleme der Regelung des Alltags Thema waren. Diese Austauschprozesse waren
nicht steuerbar, so daß von einer zumindest mittelbaren Teilhabe auch der Kontrollgruppenpatienten am neuen Therapieprogramm ausgegangen werden muss.
Die Diskussion der Konfundierungsaspekte zeigt die Schwierigkeiten in der klinischen Praxis auf, den Anforderungen eines quasi-experimentellen Untersuchungsansatzes mit randomisierter Zuweisung zu Experimental- und Kontrollgruppe zu genügen. Vermutlich hätte ein zeitversetztes Design zumindest den Austauschprozeß
zwischen den Gruppen verhindert, hätte u.U. aber nicht den wissenschaftlichen Anforderungen in der Phase der Projektantragstellung genügt.
Angesichts der umfassenden multimodalen Behandlungsangebote beider Kliniken,
die auch bereits ohne das neue persönlichkeitsstörungsspezifische Gruppentherapieprogramm hochpotente Therapiebausteine zur Förderung psychosozialen Kompetenzen (z.B. Problemlösegruppe, Selbstsicherheitstrainingsgruppe) und ein breites
Spektrum störungspezifischer Gruppentherapien anbieten, kann weiterhin angenommen werden, dass die Therapiedosis des neuen Angebots vor dem Hintergrund
der hohen Therapiedosis des Gesamtbehandlungsprogramms zu gering war, um
weitere empirisch-statistisch nachweisbare Effekte aufzeigen zu können.
210
Damit im Zusammenhang steht auch eine kritische Reflexion derjenigen Hypothesen
unserer Studie, die von günstigeren Behandlungsergebnissen der Experimentalgruppen-Patienten im Bereich der Symptomatologie und allgemeinen subjektiven
Gesundheit ausgehen und die durch die Datenlage nicht belegt werden können.
Diese Hypothesen und die damit ausgewählten abhängigen Variablen sind von zu
weitreichenden Interventionseffekten des Treatments ausgegangen und unterschätzten die hohe Effektivität der störungs- und problemspezifischen Therapiebausteine der Kliniken.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Studie trotz der methodischen Probleme ihres quasi-experimentellen Untersuchungsansatzes und zu weitreichender Hypothesen zu den Treatment-Effekten den Nachweis erbracht hat, daß
das neue Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit
dieser Datenlage einen mehr als gleichwertigen Beitrag zum Behandlungserfolg der
Patienten beigetragen hat - werden die etablierten gruppentherapeutischen Maßnahmen als Meßlatte angelegt. Dies scheint uns ein hinreichender Beleg dafür, daß
Persönlichkeitsstörungen - wie in unserem psychoedukativ- und kompetenzorientierten Gruppenprogramm - erfolgreich direkt und unmittelbar zum Gegenstand der
Behandlung gemacht werden können. Wie auch die positive Resonanz der Teilnehmer am Gruppenprogramm zeigt, scheint es uns gelungen, ein angemessenes konzeptuelles und sprachliches Handwerkszeug vorzulegen, um die Probleme mit den
Patienten offen und transparent thematisieren zu können und in die therapeutischen
Überlegungen einzubeziehen.
5.4
Relevanz für die Praxis der Rehabilitation und gesundheitsökonomische Aspekte
Mit der vorliegenden Evaluations-Studie belegen wir die Wirksamkeit und in einigen
wesentlichen Aspekten wie Zufriedenheit mit der stationären Therapie, Abstinenzund Arbeitsunfähigkeitsgeschehen die Überlegenheit des psychoedukativ- und kompetenzorientierten Gruppentherapieprogramms im Vergleich zu etablierten Therapiebausteinen für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in der stationären verhaltenstherapeutischen Psychosomatik und Suchttherapie. Das Interventionsprogramm
und seine Evaluation entspricht den Anforderungen, wie sie von Kazdin (1993) für
die Entwicklung und Evaluation störungsspezifischer Konzepte formuliert wurden:
Entwicklung eines Störungskonzepts: Benennung der Kernpunkte für Entstehung,
Entwicklung und Aufrechterhaltung der Dysfunktion im Erleben und Verhalten; Beachtung der Prozesse, die mit der Dysfunktionalität zusammenhängen; Entwicklung
des Behandlungskonzepts unter Berücksichtigung des Behandlungsschwerpunkts
und Benennung allgemeiner Prozeduren für den Umgang mit störungsrelevanten
Prozessen; Spezifizierung der Behandlung durch konkrete Operationalisierung der
Intervention, angezielt wird die Erarbeitung eines Manuals, das die Anwendung replizierbar macht; Prüfung des Behandlungsprozesses durch Messung der angenommenen für Veränderung zentralen inneren Erlebens- und Verhaltensbereiche
und Prüfung des Behandlungserfolgs durch Pre-Post-Vergleiche und Einjahreskatamnese.
Das Projekt ordnet sich damit in das Leitthema des Forschungsverbundes Freiburg/
Bad Säckingen ”Zielorientierung in der Rehabilitation” ein. Nach Gerdes, Bengel und
211
Jäckel (2000) ”besteht nämlich ein erheblicher Entwicklungsbedarf in der Rehabilitation vor allem darin, die Merkmale und Merkmalskombinationen, nach denen therapeutisch relevante Untergruppen gebildet werden, diagnostisch weiter auszudifferenzieren und erfolgversprechende Therapieprogramme für diese Untergruppen zu
entwickeln und zu evaluieren”(S. 10).
Das Projekt lenkt die Aufmerksamkeit auf eine große Patientengruppe in der psychosomatischen und Suchtrehabilitation, deren Rehabilitation mit vielfältigen und
komplexen Problemen und Beschwerden sowie häufig zu beobachtenden Komplikationen im Behandlungsverlauf verbunden ist und die unter dem Gesichtspunkt der
Reha-Relevanz an dieser Stelle nochmals zusammengefaßt werden sollen.
So lassen sich die oft unbefriedigenden Behandlungsergebnisse in der Behandlung
von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit typischen, besonders ungünstigen
Komplikationen in der Entwicklung und Aufrechterhaltung des Krankheitsbilds erklären, wie z.B. der langen Chronizität, der Komplexität der Problembereiche, den vielfältigen Interaktions-, Motivations- und Complianceproblemen im stationären Verlauf,
oder den besonders ausgeprägten psychosozialen Belastungen dieser Patientengruppe. Patienten mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen weisen häufig chronisch
ungünstige und traumatisierende Beziehungserfahrungen in Kindheit und Jugend
(sexueller Mißbrauch, körperliche Gewalterfahrung, Verlust wichtiger Bezugspersonen, chronische Vernachlässigung) auf. Wie in einer eigenen, größeren Studie an
435 Patienten der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim berichtet wird (Fydrich, Schmitz, Dietrich, Heinicke & König, 1996), erhielten 27,1 % aller Patienten die
Zusatzdiagnose Persönlichkeitsstörung. Die häufigsten psychischen Störungen, die
mit den Persönlichkeitsstörungen einhergingen, waren affektive Störungen, Angststörungen und somatoforme Störungen. Die psychosomatischen bzw. psychosozialen Krankheitsfolgen der Persönlichkeitsstörungen sind vielfältig: v.a. im Leistungsbereich und beruflichen Kontext resultieren typische Komplikationen als
Schwierigkeiten bei der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und als inadäquates
Einschätzen der Leistungsgrenzen, wodurch sich verminderte Streßbelastung ergibt
und Aufnahmevermögen, Schnelligkeit und Genauigkeit häufig leiden. Ebenso ist oft
die psychische Funktionsfähigkeit im Rahmen der sozialen Beziehungen beeinträchtigt, wie v.a. die Affektregulation, Frustrationstoleranz, Selbstreflexionsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Angemessenheit der inneren Repräsentanz, Realitätsnähe oder das
Differenzierungsvermögen in der sozialen Perspektivenübernahme. Durch diese Defizite kommt es häufig zu einem physiologischen Spannungsaufbau, der sich dann
vielfach in funktionellen körperlichen Beschwerden ein Ventil sucht, die die Erwerbsund Leistungsfähigkeit weiter beeinträchtigen. Diese Leistungsfähigkeit wird bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen darüber hinaus typischerweise bereits durch die
psychosozialen Auswirkungen der schwerwiegenden Persönlichkeitsproblematik
herabgesetzt: Die soziale Kompetenz ist oft soweit gestört, daß funktionsfähige Arbeitsbeziehungen nicht aufrechterhalten werden können. Unter den Folgen dieser
sozialen Konflikte leidet dann der Patient weiterhin, ohne an den Ursachen, die
durch seine Persönlichkeitsstörung mitbedingt sind, aus eigener Kraft etwas ändern
zu können. Eine Alkohol- bzw. Medikamentenabhängigkeit kompliziert diese Krankheitsfolgen drastisch und bedarf in der Rehabilitation besonderer therapeutischer
Anstrengungen.
Bei alkohol- bzw. medikamentenabhängigen Patienten wird das Suchtmittel bei der
Entwicklung und Aufrechterhaltung der Abhängigkeit funktional eingesetzt, um die
212
Defizite in der Persönlichkeitsorganisation zu kompensieren. Entsprechend wird die
Komorbidität dieses Beschwerdebilds durch die enge Verflechtung von Persönlichkeitsproblematik und Alkohol- bzw. Medikamentenabhängigkeit bestimmt. Dieser
Verzahnung muß in Diagnose und Therapie Rechnung getragen werden, wenn das
Therapieziel ‘Abstinenz’ mit günstiger Prognose erreicht werden soll, das bei jeder
stationären Entwöhnungsbehandlung erste Priorität hat. Besondere Anstrengungen
erscheinen um so dringlicher, als abhängige Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
offensichtlich in vielfacher Hinsicht besonders belastet sind: Wie die Auswertung der
Basisdokumentation der Fachklinik Münchwies von 600 Patienten eines Jahrgangs
(1996) zeigte, sind diese Patienten vor Aufnahme häufiger arbeitslos, haben eher
problematische Partnerbeziehungen und unternehmen signifikant häufiger Suizidversuche als abhängige Patienten ohne komorbide Persönlichkeitsproblematik. Zudem setzt der Chronifizierungsprozeß früher ein: Die Abhängigkeit trat bei Patienten
mit extremem Persönlichkeitsstil bzw. -störung zwei Jahre früher, bereits mit 31 Jahren, ein.
Die Veränderungsmotivation wird vor allem dadurch ungünstig beeinflußt, daß die
Patienten die Art und Weise, wie sie Kontakt zu sich und zur sozialen Umwelt aufnehmen, als ich-synton erleben, d.h. als zu sich gehörig, und nicht als ich-dyston,
d.h. auch im subjektiven Urteil als veränderungswürdige Symptomatik. Eng damit
zusammen hängt die häufig zu beobachtende Einstellung der Patienten mit Persönlichkeitsstörung, daß sie eher Opfer von Umständen sind als daß sie selbst einen
aktiven Anteil an den Problemen mit der sozialen Umwelt haben. Eine stationäre
Behandlung wird häufig erst dann angestrebt, wenn die Folgeprobleme mit der sozialen Umwelt, sei es nun beruflich oder privat, so groß sind, daß der Patient unter
diesen Folgeproblemen leidet, aber nicht sieht, daß er etwas in seinem Erleben oder
Verhalten verändern sollte.
Angesichts dieser komplexen Problemstellungen gilt die Behandlung von Patienten
mit Persönlichkeitsstörungen als besonders schwierig und langwierig. Bisher liegen
aus kognitiv-verhaltenstherapeutischer Sicht nur für einzelne Persönlichkeitsstörungen Behandlungskonzepte in manualisierter Form vor. Mit dem neu entwickelten
Behandlungsprogramm kann nun in manualisierter Form für eine hinsichtlich der
Persönlichkeitsstörungen heterogen zusammengesetzte Patientengruppe ein Behandlungskonzept vorgelegt werden. Das Gruppenprogramm ist störungsspezifisch
auf sechs ausgewählte Persönlichkeitsstile bzw. Persönlichkeitsstörungen ausgerichtet und integriert psychoedukative Methoden zum Motivationsaufbau und zur ersten Förderung günstiger Einsichtsprozeße in die Entwicklung und Aufrechterhaltung
der Probleme, Beschwerden und der interaktiven Zusammenhänge mit einem kompetenzorientierten Übungsteil zur Förderung spezifischer psychosozialer Fertigkeiten.
Hinsichtlich der Sucht schlägt das Therapieprogramm auch Brücken zwischen unterschiedlichen therapietheoretischen Positionen. Die Alternative zwischen der Sichtweise "Zunächst muß die eigentliche Ursache, die Persönlichkeitsstörung, therapiert
werden, dann ergeben sich auch die Verbesserungen auf der Suchtebene" und der
Gegenposition "Zuerst muß eine Verbesserung bei der Sucht erreicht werden, dann
lösen sich auch die zugrundeliegenden Probleme in der Persönlichkeitsorganisation"
wird überwunden: Unser Ansatz zielt von vornherein auf beides - die Abhängigkeitserkrankung und die Probleme in der Persönlichkeitsorganisation - und stellt insofern
213
Belege dafür bereit, daß ein zielorientiertes Aufgreifen der spezifischen Symptomatik
zu einem frühen Zeitpunkt der Entwöhnungsbehandlung auf dem Hintergrund eines
ganzheitlichen und kausal verstandenen Therapieansatzes besonders erfolgversprechend ist hinsichtlich Akzeptanz des Therapieangebotes, Patientenzufriedenheit
und Kontrollkompetenz, was sich sogar in der für die Suchttherapie so zentralen Abstinenz und Rückfallgeschehen abzeichnet. Auf diesem Hintergrund ist es jetzt möglich, auf ein Programm zurückzugreifen, das nachweislich die Akzeptanz des Therapieangebots wesentlich erhöht und damit auch die aktive Patientenbeteiligung am
Rehabilitationsgeschehen und am gesundheitsbezogenen Verlauf in der poststationären Zeit.
Die Projektergebnisse geben Aufschlüsse über die Möglichkeiten eine schwierige
Rehabilitandengruppe mit dem Rehabilitationsangebot zufriedenzustellen. In diesem
Zusammenhang wurde ein Therapiebeurteilungsinstrument aus Patientensicht erarbeitet, das gute Item- und Skalenwerte aufweist und von anderen Anwendern umstandslos eingesetzt werden kann.
Darüber hinaus geben die Projektergebnisse Aufschluß über den sozialmedizinischen Verlauf nach erfolgter stationärer Behandlung. In diesem Zusammenhang
werden sozialmedizinische und somatisch-psychische Korrelate der beruflichen
Reintegration bei Suchtpatienten und psychosomatisch gestörten Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung, bei denen typischerweise eine ausgeprägte Arbeitsplatzproblematik vorliegt, beschrieben.
Als Ergebnisse für die Rehabilitationspraxis konnten bereitgestellt werden: (1) ein
indikationsspezifisches Therapiemanual, das auch anderen Behandlern sowohl im
stationären wie im ambulanten Rahmen die Anwendung erlaubt, (2) ein Therapieprogramm, das die Akzeptanz des Therapieangebotes wesentlich erhöht und damit
die aktive Patientenbeteiligung, (3) ein Therapiebeurteilungsbogen für Patienten mit
guten Item- und Skalenwerten, (4) Patientenschulungsmaterialien im Rahmen der
Psychoedukation und (5) Aufschlüsse über Entwicklung des Erwerbsstatus, der Arbeitsfähigkeit, symptomatischer Störungen, interpersonaler Fähigkeiten und sozialer
Kompetenz als differentielle Behandlungseffekte eines auf die Persönlichkeitsstörung konzentrierten Therapieprogramms.
Betrachtet man die Projektergebnisse unter gesundheitsökonomischen Aspekten, so
steht im Mittelpunkt der Vergleich der zu evaluierenden Intervention mit der hergebrachten Alternative im üblichen Therapieprogramm. Dabei bleibt festzuhalten, daß
das neue Therapieprogramm mit absoluter Kostenneutralität im Vergleich zum herkömmlichen Therapieprogramm eingesetzt werden kann. Der Einsatz des neuen
Programms verspricht aber eine höhere Effektivität hinsichtlich Patientenzufriedenheit, Akzeptanz des Therapieprogramms, Arbeitsunfähigkeitsgeschehen und langfristige Selbstmanagementkompetenzen. Zusatzkosten sind mit dieser gesteigerten
Effektivität der stationären Behandlung nicht verbunden. Das Programm wird anstelle einer indikativen Gruppe durchgeführt und bereichert den Behandlungskanon
der Klinik. Die Durchführung des Programms ist nicht mit einer zusätzlichen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder anderer Aufwendungen verbunden.
Die notwendigen Personalressourcen zur therapeutischen Leitung des Programms
müssen nicht zusätzlich aufgewandt werden, sondern sind aus der ohnehin zur
Verfügung stehenden Mitarbeiterschaft zu bestreiten. Die Fragestellungen des Pro214
jektes haben einen hochrelevanten und unmittelbaren Praxisbezug und können direkt zur Verbesserung der rehabilitativen Versorgung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen beitragen.
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235
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Anhang
B
Neue Verfahren
Bewertungsfragebögen: Faktorenstruktur, Skalenbildung, Auswertung
Faktorenstruktur der Bewertungsbögen
Zur Dimensionsreduktion der 25 quantitativen Items des Abschlussbewertungsbogen
gehen insgesamt 169 Datensätze aus den Stichproben Bad Dürkheim (N=92) und
Münchwies (N=77) ein. Mit einem Kaiser-Meyer-Olkin Wert von ,86 scheint die Variablenauswahl für die Faktorenanalyse gut geeignet zu sein (vgl. Kaiser, 1974); der
Bartlett-Test auf Sphärizität wird hochsignifikant. Nach Hauptkomponentenanalyse
werden 6 Faktoren mit Eigenwerten > 1 extrahiert, die insgesamt 70% der Gesamtvarianz erklären. Der erste Faktor der Haupkomponentenanalyse bindet 38,7% der
Gesamtvarianz.
Tab. 123
Hauptkomponentenanalyse über die Items des Abschlussbewertungsbogens: Erklärte Gesamtvarianz
Komponente Summen von quadrierten Fak- Rotierte Summe der quadrierten
torladungen für Extraktion
Ladungen
Gesamt %
der Kumulierte Gesamt %
der Kumulierte
Varianz
%
Varianz
%
1
9,684
38,737
38,737
5,621
22,482
22,482
2
2,663
10,654
49,391
3,252
13,007
35,489
3
1,744
6,977
56,368
2,699
10,795
46,285
4
1,280
5,120
61,488
2,403
9,614
55,898
5
1,225
4,902
66,389
2,083
8,332
64,230
6
1,021
4,082
70,471
1,560
6,241
70,471
Aus der rotierten Komponentenmatrix (Varimax mit Kaiser Normalisierung) lassen
sich 5 inhaltlich interpretierbare Skalen ableiten, die über befriedigende bis gute Reliabilitätskoeffizienten (Cronbach´s Alpha) verfügen. Die Unabhängigkeit der 5 differenzierenden Skalen erscheint jedoch neben dem Eigenwerteverlauf der Hauptkomponentenanalyse aufgrund hoher signifikanter Interkorrelationen der Skalen eingeschränkt. Resultierend wird die Skala Gesamteindruck aus dem ersten extrahierten
Faktor der unrotierten Hauptkomponentenanalyse gebildet bzw. aus den auf diesem
Faktor ladenden Items.
237
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