Die Rehabilitation von Persönlichkeitsstörungen in der stationären verhaltenstherapeutischen Psychosomatik und Suchttherapie Abschlußbericht über ein Forschungsprojekt Rehabilitationswissenschaftlicher Forschungsverbund Freiburg / Bad Säckingen Förderkennzeichen 01 GD 9803 Schmitz, B.1, Schuhler, P.2, Handke-Raubach, A. 1, Jung, A.2, Husen, E.1, Wagner, A.2, Gönner S.1, Limbacher, K.1, Vogelgesang, M.2 1 Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim Psychosomatische Fachklinik Münchwies 2 Inhaltsverzeichnis ZUSAMMENFASSUNG 7 1 ZIELE UND EINFÜHRUNG 9 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 13 2.1 Klassifikation und Diagnostik bei Persönlichkeitsstörungen 2.1.1 Allgemeine diagnostische Kriterien 2.1.2 Spezifische diagnostische Kriterien 2.1.3 Probleme der Diagnostik 2.1.4 Störungsübergreifende Merkmale bei Persönlichkeitsstörungen 13 13 15 15 16 2.2 Ausgewählte Forschungsschwerpunkte bei Persönlichkeitsstörungen 2.2.1 Kategoriale versus dimensionale Ansätze in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen 2.2.2 Entwicklung standardisierter und strukturierter Untersuchungsinstrumente 2.2.3 Epidemiologische Untersuchungen und Komorbiditätsforschung 2.2.4 Persönlichkeitsstörungen und Abhängigkeitserkrankungen 2.2.5 Therapiebezogene Komorbiditätsforschung 2.2.6 Studien zur Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen 17 Verhaltenstherapeutische Erklärungs- und Behandlungsansätze bei Persönlichkeitsstörungen 2.3.1 Entwicklungsbedingungen ausgewählter Persönlichkeitsstörungen nach Millon 2.3.2 Der kognitive Ansatz von Beck und Mitarbeitern 2.3.3 Der schematheoretische Ansatz von Young 2.3.4 Der drei-stufige empirische Behandlungsansatz von Turkat 2.3.5 Der Ansatz der dialektischen Verhaltenstherapie bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen von Linehan 2.3.6 Zusammenfassung 17 17 18 20 23 24 2.3 24 27 32 38 41 43 46 2.4 Psychoedukation und Persönlichkeitsstörungen 2.4.1 Die stigmatisierende Sprache und Defizitorientierung des Persönlichkeitsstörungskonzepts 2.4.2 Das dimensionale Modell der Persönlichkeitsstile als Grundlage eines psychoedukativen Behandlungsansatzes 2.4.3 Psychoedukation und Motivierung 49 52 2.5 57 Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen 47 48 3 INTERVENTIONSMAßNAHME: DAS PSYCHOEDUKATIV- UND KOMPETENTORIENTIERTE GRUPPENTHERAPIEPROGRAMM 67 3.1 Institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen der Kliniken 3.1.1 Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim 67 67 3 3.1.2 Psychosomatische Fachklinik Münchwies Das psychoedukativ- und kompetenzorientierte Gruppen-therapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen 3.2.1 Organisatorische Rahmenbedingungen 3.2.2 Die psychoedukativen Themen 3.2.3 Die kompetenzorientierten Bausteine 3.2.4 Zielsetzungen und Besonderheiten 74 3.2 4 EVALUATION 82 82 83 86 87 89 4.1 Herleitung der Hypothesen 4.1.1 Übergeordnete inhaltliche Hypothese 4.1.2 Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen Problembereiche 4.1.2.1 Selbstbeurteilung „Persönlichkeitsstörung vs. Persönlichkeitsstile“ 4.1.2.2 Selbstbeurteilung "Persönlichkeitsfähigkeiten im sozialen Kontakt " 4.1.2.3 Selbstbeurteilung "Interpersonelle Probleme" 4.1.2.4 Soziale Angst und Inkompetenz 4.1.2.5 Selbstbeurteilung "Basisfertigkeiten und soziale Unterstützung" 4.1.2.6 Selbstbeurteilung "Veränderung psychosozialer Fähigkeiten" 4.1.3 Symptomatologie 4.1.3.1 Depressivität 4.1.3.2 Angst 4.1.3.3 Somatoforme Beschwerden 4.1.3.4 Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit 4.1.4 Selbstbeurteilung "Subjektive Gesundheit / Lebensqualität" 4.1.5 Arbeitsunfähigkeitszeiten 4.1.6 Hypothese zur Akzeptanz und Zufriedenheit 4.1.6.1 Gruppenbewertung 4.1.6.2 Allgemeine Therapiezufriedenheit 89 89 91 93 94 94 95 95 95 96 96 96 97 97 97 98 98 98 98 4.2 99 Forschungsdesign / Versuchsplan 4.3 Operationalisierung 4.3.1 Überblick 4.3.2 Eingesetzte Fragebogenverfahren 99 99 100 4.4 Diagnostisches Vorgehen 4.4.1 Beschreibung der symptomatischen Störungen und der Persönlichkeitsstörungsdiagnosen 4.4.2 Diagnostik der symptomatischen Störungen in der Psychosomatik 4.4.3 Diagnostik der Abhängigkeitserkrankungen in der Suchtklinik 4.4.4 Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV 4.4.5 Stichprobenrekrutierung 108 108 119 121 122 127 4.5 Beschreibung der Stichproben 4.5.1 Teilnehmerzahlen 4.5.2 Stichrobenmerkmale 4.5.2.1 Vergleich der Projektteilnehmer mit der Kontrollgruppe 4.5.2.2 Vergleich der Projektteilnehmer mit den drop-outs 4.5.2.3 Vergleich der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit Patienten ohne Persönlichkeitsstörung 131 131 132 132 139 4.6 149 Statistische Auswertungen 4 144 5 5.1 DISKUSSION UND AUSBLICK 201 Hintergrund, Fragestellung und Design 201 5.2 Ergebnisse 5.2.1 Merkmale der Stichproben 5.2.2 Akzeptanz und Zufriedenheit 5.2.3 ”Veränderung der Persönlichkeitsstörung und interpersoneller Problembereiche” 5.2.4 Symptomatologie 5.2.5 Subjektive Gesundheit 5.2.6 Suchtspezifische Ergebnisse 5.2.7 Arbeitsunfähigkeitsgeschehen 204 204 204 206 207 207 208 208 5.3 Klinikspezifische Überlegungen zur Studie und ihren Ergebnissen 209 5.4 Relevanz für die Praxis der Rehabilitation und gesundheitsökonomische Aspekte 211 6 LITERATUR 217 7 ANHANG 237 5 6 ZUSAMMENFASSUNG Die Studie ist angesiedelt im Bereich der differentiellen Interventionsforschung in den Indikationsgebieten Psychosomatik und Sucht. Im Zentrum stand die Überprüfung von Interventionsmaßnahmen, die geeignet erschienen zentrale Merkmale von Persönlichkeitsstörungen in der psychosomatischen und Suchtrehabilitation günstig zu beeinflussen. Ein neues kognitiv-verhaltenstherapeutisches persönlichkeitsstörungsspezifisches Gruppentherapiekonzept wurde im Rahmen der stationären psychosomatischen bzw. Entwöhnungsbehandlung entwickelt und im Vergleich zu der eingeführten herkömmlichen Behandlung evaluiert. Die zentrale Hypothese lautete, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die im Rahmen des herkömmlichen multimodalen Behandlungsprogramms an dem neuen Gruppenprogramm teilnehmen, günstigere Rehabilitationsergebnisse erzielen als Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die nur am etablierten Behandlungsprogramm teilnehmen. Verglichen wurden die Effekte der neuen Interventionsmassnahme, die zusätzlich zum üblichen Behandlungsprogramm durchgeführt wurden, auf zwei Experimentalgruppen, jeweils in der psychosomatischen - und der Suchtklinik, mit den Effekten der herkömmlichen Therapie auf zwei Kontrollgruppen, ebenfalls jeweils eine in der psychosomatischen - und in der Suchtklinik. Die Zuordnung zu den Gruppen erfolgte randomisiert. Das Programm basiert auf einem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstörung mit Ressourcenorientierung, plausiblen Verstehensmodellen und nicht-konfrontativen Motivierungsstrategien. Die Zielsetzung des Programms ist sowohl verstehens- als auch veränderungsorientiert. Die Datenerhebung erfolgte an drei Meßzeitpunkten: Bei Aufnahme, bei Klinikentlassung und ein Jahr nach Entlassung. Untersucht wurden Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen und somatoformen Störungen in der psychosomatischen Klinik und Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol oder Medikamente) im Rahmen der stationären Entwöhnungsbehandlung. Als abhängige Variablen galten Kriterien des Behandlungserfolgs: Symptomatologie, subjektive Gesundheit, Persönlichkeitsstörungsmerkmale (interpersonelle Probleme), Basisfertigkeiten – soziale Unterstützung, Bewertung der Massnahmen, objektive Daten (AU-Zeiten). Die Ergebnisse zeigten durchweg signifikante Messwiederholungseffekte, die sich auch ein Jahr nach Entlassung nachweisen lassen. Darüberhinaus konnte durch die Teilnahme an dem neuen Programm die Behandlungseffektivität gesteigert werden hinsichtlich der Beurteilung des Therapieerfolgs oder der Selbsteinschätzung positiver Veränderungen bei Therapieende. Eine spezifische Überlegenehit des neuen Programms zeigte sich darüberhinaus im Katamnesezeitraum hinsichtlich des Abstinenzgeschehens bei den abhängigen Patienten und der günstigen Entwicklung der AU-Zeiten im Jahr nach Entlassung in beiden Indikationsgebieten. Als Ergebnisse für die Rehabilitationspraxis konnten bereitgestellt werden: (1) ein indikationsspezifisches Therapiemanual, das auch anderen Behandlern sowohl im stationären wie im ambulanten Rahmen die Anwendung erlaubt, (2) ein Therapieprogramm, das die Akzeptanz des Therapieangebotes wesentlich erhöht und damit die aktive Patientenbeteiligung, (3) ein Therapiebeurteilungsbogen für Patienten mit guten Item- und Skalenwerten, (4) Patientenschulungsmaterialien im Rahmen der Psychoedukation und (5) Aufschlüsse über Entwicklung des Erwerbsstatus, der Arbeitsfähigkeit, symptomatischer Störungen, interpersonaler Fähigkeiten und sozialer Kompetenz als differentielle Behandlungseffekte eines auf die Persönlichkeitsstörung konzentrierten Therapieprogramms. 7 8 1 Ziele und Einführung Im Rahmen der therapiebezogenen Komorbiditätsforschung wird der Diagnostik komorbider PersönIichkeitsstörungen eine besondere Bedeutung beigemessen, da viele Studien von einem ungünstigen Einfluß zusätzlicher Persönlichkeitsstörungen auf den Verlauf und auf die Behandlung der symptomatischen Störungen der Patienten berichten. Bisher wurde der Einfluß zusätzlicher Persönlichkeitsstörungen auf den Behandlungserfolg bei Depressionen, Angst und Zwangsstörungen, Eßstörungen und Substanzmißbrauch bzw. Abhängigkeit untersucht (vgl. Reich & Green, 1991; Reich & Vasile 1993; Shea et al., 1992 Schmitz et al. 1996). Als Massnahmen wurden in diesen Studien sowohl pharmakotherapeutische als auch psychotherapeutische Behandlungen überprüft, in seltenen Fällen auch kombinierte Behandlungsmassnahmen. Die Ergebnisse zum Behandlungserfolg bei Persönlichkeitsstörungen sind widersprüchlich: Generell scheint die Annahme zu unterstützt zu werden, daß Patienten mit Persönlichkeitsstörungen häufiger die Behandlung abbrechen und weniger günstige Behandlungserfolge haben als Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. Neuere Studien hingegen, die den Einfluß komorbider Persönlichkeitsstörungen auf den Erfolg kognitiv-verhaltenstherapeutischer Behandlung von generalisierten Angststörungen (Sanderson et al, 1994) von Panikstörungen (Arndtz & Dreessen 1990) oder von depressiven Störungen (Persons et al.. 1988; Shea et al., 1990) untersuchten, stellten fest, daß diejenigen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen die die Behandlung nicht vorzeitig abbrachen, ebenfalls wesentliche Besserungen erzielten oder genauso gut bzw. sogar etwas besser auf die Behandlung ansprachen als Patienten ohne PersönIichkeitsstörungen und umfassende positive Veränderungen in vielen Lebensbereichen erreichten. Vergleichbare Ergebnisse bezogen auf den symptomatischen Therapieerfolg von Patienten mit ausgewählten psychischen und psychosomatischen Störungen wurden im Rahmen der Bad Dürkheimer Komorbiditätsstudie gefunden (Schmitz et al., 1996). Mittlerweile wurden erste größere epidemiologische Studien zur Häufigkeit und Verteilung von Persönlichkeitsstörungen durchgeführt, die sich an den Klassifikationssytemen DSM-IIl bzw. DSM-III-R und ICD-10 orientieren und die die neueren Untersuchungsinstrumente benutzen. Die Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen streuen weit angesichts der unterschiedlichen Methoden und Stichproben. Für verschiedene Gruppen symptomatischer Störungen die nach DSM-III-R auf Achse-1 diagnostiziert werden, zeigen sich im Mittel allerdings vergleichbar hohe Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen in den Studien: Bei durchschnittlich 56 % der Patienten mit Angststörungen, bei 62 % der Patienten mit affektiven Störungen oder bei 58 % der Patienten mit Eßstörungen wurde mindestens eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Fydrich et al. 1996). Die Einführung der operationalisierten Diagnostik in die psychiatrischen Klassifikationssysterne DSM und ICD hat in den vergangenen Jahren intensive Forschungsaktivitäten im Bereich der Diagnostik und Epidemiologie bei Persönlichkeitsstörungen ausgelöst. Zur wissenschaftlichen und klinischen Nutzung wurden standardisierte Fragebogen, Checklisten und Interviewverfahren zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen entwickelt und es wurden Untersuchungen zur Reliabilität und Validität 9 der Verfahren durchgeführt. Die vorliegenden Studien zeigen, daß eine Diagnostik mit standardisierten Verfahren auf der Grundlage operationalisierter Kriterien, wie sie durch DSM-III-R, DSM-IV oder ICD-10 verwirklicht ist, zumindest eine befriedigende Reliabilität erreicht; die Validität ist nach wie vor unbefriedigend (Bronisch 1992; Fvdrich 1996; Perry 1992). Die psychosomatischen bzw. psychosozialen Krankheitsfolgen der Persönlichkeitsstörungen sind vielfältig: V.a. im Leistungsbereich im beruflichen Kontext resultieren typische Komplikationen als Schwierigkeiten bei der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und als inadäquates Einschätzen der Leistungsgrenzen wodurch sich verminderte StreßbeIastung ergibt und Aufnahmevermögen, Schnelligkeit und Genauigkeit häufig leiden. Ebenso ist oft die psychische Funktionsfähigkeit im Rahmen der sozialen Beziehungen beeinträchtigt wie v a. die Affektregulation, FrustrationstoIeranz, Selbstreflexionsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Angemessenheit der inneren Repräsentanz, ReaIitätsnähe oder das Differenzierungsvermögen in der sozialen Perspektivenübernahme. Durch diese Defizite kommt es häufig zu einem physiologischen Spannungsaufbau, der sich dann vielfach in funktionellen körperlichen Beschwerden ein Ventil sucht, die die Erwerbs- und Leistungsfähigkeit weiter beeinträchtigen. Diese Leistungsfähigkeit wird bei Persönlichkeitsstörungen darüber hinaus typischerweise durch die psychosozialen Auswirkungen der schwerwiegenden Persönlichkeitsproblematik herabgesetzt: Die soziale Kompetenz ist oft soweit gestört daß funktionsfähige Arbeitsbeziehungcn nicht autrechterhalten werden können. Unter den Folgen dieser sozialen Konflikte leidet dann der Patient weiterhin, ohne an den Ursachen, die durch seine Persönlichkeitsstörung mitbedingt sind, aus eigener Kraft etwas ändern zu können. Eine Alkohol - bzw. Medikamentenabhängigkeit kompliziert diese Krankheitsfolgen drastisch und bedarf in der Rehabilitation besonderer therapeutischer Anstrengungen. Bei alkohol- bzw. medikamentenabhängigen Patienten wird das Suchtmittel bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung der Abhängigkeit funktional eingesetzt um die Defizite in der Persönlichkeitsorganisation zu kompensieren. Entsprechend wird die Komorbidität dieses Beschwerdebilds durch die enge Verflechtung von Persönlichkeitsproblematik und Alkohol- bzw. Medikamentenabhängigkeit bestimmt. Dieser Verzahnung muß in Diagnose und Therapie Rechnung getragen werden, wenn das Therapieziel ,Abstinenz' mit günstiger Prognose erreicht werden soll, das bei jeder stationären Entwöhnungshehandlung erste Priorität hat. Besondere Anstrengungen erscheinen um so dringlicher, als abhängige Patienten mit Persönlichkeitsstörungen offensichtlich in vielfacher Hinsicht besonders belastet sind: Wie die Auswertung der Basisdokumentation der Fachklinik Münchwies von 600 Patienten eines Jahrgangs (1996) zeigte, sind diese Patienten vor Aufnahme häufiger arbeitslos, haben eher problematische Partnerbeziehungen und unternehmen signifikant häufiger Suizidversuche als abhängige Patienten ohne komorbide Persönlichkeitsproblematik. Zudem setzt der Chronifizierungsprozeß früher ein: Die Abhängigkeit trat bei Patienten mit Persönlichkeitsstörung 2 Jahre früher, bereits mit 31 Jahren ein. Psychosomatisch gestörte Patienten mit affektiven Störungen, Angststörungen oder somatoformen Störungen und einer zusätzlichen Persönlichkeitsstörung weisen häufig chronisch ungünstige und traumatisierende Beziehungserfahrungen in Kindheit und Jugend (sexueller Mißbrauch, körperliche Gewalterfahrung, Verlust wichtiger Bezugspersonen, chronische Vernachlässigung) auf. Vermutlich führen diese 10 ungünstigen Sozialisationsbedingungen zu der komplexen und schwerwiegenden Persönlichkeitsproblematik die sich als Persönlichkeitsstörung manifestiert und auf der Symptomebene zu psychischen Störungen führt. Die empirische Therapieforschung im Bereich der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen steht noch am Anfang. Wie Fiedler (1995) ausführt, beziehen sich die Lücken nicht nur auf die Wirksamkeitsüberprüfung spezifischer Programme, sondern bereits auf die Indikationsstellung. Dies gilt insbesondere für gruppentherapeutische Ansätze. Die ungünstigen Behandlungsergebnisse von Patienten mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen verwundern nicht, wenn man die langjährige Vorgeschichte, die Komplexität der Probleme und Beschwerden sowie die häufig zu findenden Interaktions-, Motivations- und Complianceprobleme im stationären Verlauf berücksichtigt. Die Behandlung gilt vor allem deshalb als schwierig, weil die Patienten das eigene Verhalten als „zu sich gehörig“ (ich-synton) erleben und nicht als „ich-fremde“, auch im subjektiven Empfinden veränderungswürdige (ich-dystone) Symptomatik. Darüber hinaus werden die Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen und Problemen oft unabhängig vom eigenen Verhalten gesehen, die eigene Person eher als Opfer anderer oder des Systems verstanden, wenig Einsicht in die Unangemessenheit ihrer Überzeugungen und Verhaltensweisen gezeigt. Eine Therapie wird erst wegen der Folgeprobleme aufgesucht oder auf vehementes Drängen der Umwelt. Die hohen Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen oder Abhängigkeitserkrankungen, die schwierigen und kostenintensiven Behandlungsverläufe und vor allem die vielfältigen Folgen der komplexen Beschwerdebilder für die Arbeits- und Leistungsfähigkeit machen in der stationären Rehabilitation dringend Überlegungen und Maßnahmen erforderlich, um die notwendigen konzeptuellen Erweiterungen oder Modifikationen der therapeutischen Vorgehensweise für diese schwierige Patientengruppe zu entwickeln und zu präzisieren. Dies erscheint um so dringlicher als sich die vorliegenden therapeutischen Modelle fast ausschießlich auf Einzeltherapien beziehen und problemspezifische Gruppentherapiemaßnahmen bislang selten systematisch überprüft wurden. Meist werden soziale Kompetenztrainings für Persönlichkeitsstörungen empfohlen und eingesetzt, die oft nicht speziell für Patienten mit akzentuierter Persönlichkeit entwickelt wurden. In der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim wie in der Psychosomatischen Fachklinik Münchwies werden für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen –wie es dem Standard entspricht – Selbstsicherheitstrainings (in Anlehnung an Ullrich & Ullrich, 1980, sowie Schneider 1994) durchgeführt, die als Therapiebaustein im multimodalen Behandlungskonzept einer psychosomatischen bzw. Suchtklinik integriert werden. Für die herkömmliche Indikationsstellung wird davon ausgegangen, daß ein standardisiertes Therapieprogramm zur Förderung sozialer Kompetenzen wohl auch geeignet ist, die grundlegenden Interaktions- und Beziehungsdefizite von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen günstig zu beeinflussen. Dem kann entgegengehalten werden, daß spezifische, auf die Persönlichkeitsstörungen zugeschnittene therapeutische Maßnahmen in ihren Auswirkungen auf deren Leistungssymptome einer als Breitbandtherapeutikum zu verstehenden Standardintervention überlegen sein dürften. Die leitende Fragestellung richtet sich dementsprechend auf die Überprüfung 11 der Effekte neuer persönlichkeitsstörungsspezifischer Interventionsmassnahmen im Vergleich zu herkömmlichen therapeutischen Massnahmen. Im Zentrum des Forschungsinteresses stehen die spezifischen Auswirkungen von Interventionsmassnahmen auf zwei Subgruppen, nämlich in der psychosomatischen Klinik auf Patienten mit symptpmatischen depressiven Störungen, Angststörungen oder somatoformen Störungen und komorbider Persönlichkeitsstörung und in der Suchtklinik auf alkohol- oder medikamentenabhängige Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung. Die drei Gruppen symptomatischer Störungen in Verbindung mit Persönlichkeitsstörungen im Indikationsgebiet Psychosomatik wurden nach der Prävalenzrate (Fydrich & Schmitz, 1995) ausgewählt. Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit haben die größte klinische Relevanz im Indikationsgebiet Sucht. Für diese fünf symptomatischen Störungsbilder in Verbindung mit Persönlichkeitsstörung wurde ein Interventionsprogramm entwickelt und evaluiert. Das Gruppentherapieprogramm wurde speziell für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen aus dem ängstlichen und emotional instabilen Cluster nach DSM-IV entwikkelt, d.h. für Patienten mit selbstunsicherer, dependenter, zwanghafter, histrionischer, narzißtischer und Borderline-Persönlchkeitsstörung. Diese sechs Persönlichkeitsstörungen kommen nach den vorliegenden Ergebnissen am häufigsten in der stationären psychosomatischen und Suchttherapie vor. 12 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Klassifikation und Diagnostik bei Persönlichkeitsstörungen Die Klassifikation und Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen hat sich in den vergangenen Jahren, wie die gesamte Klassifikation psychischer Störungen, durch die Einführung der operationalisierten Diagnostik in die maßgeblichen psychiatrischen Klassifikationssysteme DSM (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung, APA) und ICD (Internationale Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation) erheblich gewandelt. Ausgehend von der mangelnden Reliabilität psychiatrischer Diagnosen und der Kritik am medizinischen Modell in der psychiatrischen Diagnostik wurden zahlreiche Neuerungen in die Klassifikation psychischer Störungen nach DSM-III (APA, 1980) und seiner Nachfolger (DSM-III-R, APA, 1987; DSM-IV, APA, 1994) sowie nach ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 1991, 1993) eingeführt, die auch die Persönlichkeitsstörungen betreffen. Theoretisch umstrittene und unklar beschriebene Begriffe und Krankheitskonzepte (z.B. das Neurosenkonzept) wurden aufgegeben zugunsten einer deskriptiven, möglichst theoriefreien Beschreibung von psychischen Störungen mit explizit definierten und reliabel erfassbaren diagnostischen Kriterien und darauf aufbauenden operationalisierten Diagnosen. So wurde auch der stark kritisierte ”Psychopathiebegriff” in diesen Neukonzeptualisierungen durch den der ”Persönlichkeitsstörungen” ersetzt. Mit diesen Neuerungen verlagerte sich die Fundierung des klassifikatorischen Systems von nosologischen Grundannahmen, wie sie seit Beginn des vorigen Jahrhunderts prägend gewesen waren, auf die Verbesserung der diagnostischen Reliabilität durch die Definition systematischer Regeln der Anwendung und Operationalisierung für das Stellen einer psychiatrischen Diagnose (Saß, Jünemann & Houben, 2000). 2.1.1 Allgemeine diagnostische Kriterien Das US-amerikanische DSM unterscheidet seit der Einführung des DSM-III im Rahmen seiner multiaxialen Klassifikation zwischen Achse-I Störungen (klinische Syndrome) und Achse-II Störungen (Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderungen) und gibt in seiner aktuellen deutschsprachigen Version des DSM-IV folgende allgemeine Definition von Persönlichkeitsstörungen: „Eine Persönlichkeitsstörung stellt ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten dar, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht, tiefgreifend und unflexibel ist, seinen Beginn in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter hat, im Zeitverlauf stabil ist und zu Leid oder Beeinträchtigungen führt" (Saß, Zaudig & Wittchen, 1996, S. 71). Die allgemeinen diagnostischen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV sind in Tabelle 1 wiedergegeben. 13 Tab. 1 1. 2. 3. 4. 5. 6. Allgemeine diagnostische Kriterien einer Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster manifestiert sich in mindestens zwei der folgenden Bereiche: Kognition, Affektivität, Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen, Impulskontrolle. Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher und sozialer Situationen. Das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Das überdauernde Muster ist stabil und langdauernd, und sein Beginn ist zumindest bis in die Adoleszenz oder ins frühe Erwachsenenalter zurückzuverfolgen. Das überdauernde Muster läßt sich nicht besser als Manifestation oder Folge einer anderen psychischen Störung erklären. Das überdauernde Muster geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Hirnverletzung) zurück. Die ICD-10 ordnet die Persönlichkeitsstörungen dem Kapitel F6 "Persönlichkeitsund Verhaltensstörungen" zu. Im Vergleich der beiden Klassifikationssysteme zeigen sich Übereinstimmungen und Unterschiede in der Konzeptualisierung der einzelnen Persönlichkeitsstörungen (siehe Tab. 2). Im DSM-IV werden die einzelnen Persönlichkeitsstörungen auf der Basis von deskriptiven Ähnlichkeiten in drei Hauptgruppen (Cluster) geordnet. Tab. 2 Die Persönlichkeitsstörungen (PS) in DSM-IV und ICD-10 DSM-IV ICD-10 Cluster A (sonderbar, exzentrisch) paranoide PS schizoide PS schizotypische PS paranoide PS schizoide PS (als schizotype Störung in Kapitel F2) Cluster B (dramatisch, emotional, launisch) antisoziale PS Borderline-PS histrionische PS narzisstische PS dissoziale PS emotional instabile PS: Borderline Typ impulsiver Typ histrionische PS -- Cluster C (ängstlich, furchtsam) vermeidend-selbstunsichere PS dependente PS zwanghafte PS ängstlich vermeidende PS abhängige PS anankastische PS Forschungskriterien vorgeschlagen für: Negativistische PS depressive PS --- 14 2.1.2 Spezifische diagnostische Kriterien Beide Klassifikationssysteme, DSM und ICD, verzichten weitgehend auf Gesamteindrücke und ätiologische Spekulationen, statt dessen ist der Diagnostiker aufgefordert, seine Wahrnehmungen und Einschätzungen durch konkrete Verhaltensaspekte zu belegen, die für spezifische Persönlichkeitsstörungen als prototypisch betrachtet werden. Anstelle einer konsequenten kategorialen Diagnostik wurde ein prototypischer Ansatz entwickelt, der auch Mehrfachdiagnosen ermöglicht. Um die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung zu vergeben, müssen - neben den allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung - aus einer größeren Anzahl von Merkmalen, die für eine spezifische Persönlichkeitsstörung charakteristisch sind, eine kritische Mindestzahl von Kriterien erfüllt sein. In Tabelle 3 sind die Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV und ihre Hauptmerkmale zusammengefasst. Tab. 3 Spezifische Persönlichkeitsstörungen und deren Hauptmerkmale nach DSM-IV Paranoide PS: Ein Muster von Misstrauen und Argwohn und zwar in dem Sinne, dass die Motive anderer als böswillig ausgelegt werden. Schizoide PS: Ein Muster von Distanziertheit in sozialen Beziehungen und von eingeschränkter Bandbreite emotionaler Ausdruckmöglichkeiten. Schizotypische PS: Ein Muster von starkem Unbehagen in nahen Beziehungen, von Verzerrungen des Denkens und der Wahrnehmung und von Eigentümlichkeiten des Verhaltens (in der ICD-10 wird diese Störung dem Bereich Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störung/F2 zugeordnet) Antisoziale PS: Ein Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer. Borderline-PS: Ein Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivität. Histrionische PS: Ein Muster von übermäßiger Emotionalität und von Heischen nach Aufmerksamkeit. Narzisstische PS: Ein Muster von Großartigkeitsgefühlen, einem Bedürfnis nach Bewundertwerden sowie mangelnder Empathie. Vermeidend-selbstunsichere PS: Ein Muster von sozialer Hemmung, Unzulänglichkeitsgefühlen und Überempfindlichkeit gegenüber negativer Bewertung. Dependente PS: Ein Muster von unterwürfigem und anklammerndem Verhalten, das in Beziehung zu einem übermäßigen Bedürfnis nach Umsorgtwerden steht. Zwanghafte PS: Ein Muster von ständiger Beschäftigung mit Ordnung, Perfektionismus und Kontrolle. 2.1.3 Probleme der Diagnostik Durch die Einführung der operationalisierten Diagnostik und mit der Nutzung standardisierter und strukturierter Untersuchungsinstrumente hat sich die Reliabilität von Persönlichkeitsstörungs-Diagnosen erheblich verbessert. Trotz dieser Fortschritte sind viele Probleme weiterhin ungelöst (vgl. Fiedler, 1995; Fydrich, Schmitz, Dietrich, Heinicke & König, 1996a; Fydrich, Schmitz, Hennch & Bodem, 1996b; Lieb, 1998; Perris, 1999; Schmitz, Fydrich, Schifferer, Obermeier & Teufel, 1996b; Wittchen, 1996). Hierzu gehören insbesondere: • die mangelnde Validität der Diagnosen, 15 • die ungenügende empirische Fundierung der Kriterienauswahl und der Schwellenwerte für die spezifischen Persönlichkeitsstörungen, • die hohen inneren Komorbiditäten zwischen einzelnen Persönlichkeitsstörungen, • die unklare Abgrenzung zu klinischen Syndromen, • die Konfundierung von Persönlichkeitsstörungen und klinischen Syndromen sowie • die stigmatisierende Sprache und defizitorientierte Sichtweise des Persönlichkeitsstörungskonzepts. Wittchen (1996) bezweifelt deshalb, dass die sich immer weiter öffnende Schere zwischen methodischer Grundproblematik des Persönlichkeitsstörungskonzepts und seiner praktischen Relevanz in einer klinisch-therapeutischen Perspektive bald zu schließen ist und kritisiert das theoretische Defizit. Fiedler (1995) kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass auch die gegenwärtigen Klassifikationssysteme "selbstkritisch, flexibel und perspektivisch als antiquierte Diagnostik im Wandel und im Übergang zu betrachten" sind. 2.1.4 Störungsübergreifende Merkmale bei Persönlichkeitsstörungen Im folgenden werden wesentliche störungsübergreifende Merkmale der hauptsächlichen Persönlichkeitsstörungen zusammengefasst (vgl. Oldham & Skodol, 1996), die in der Therapieplanung besondere Berücksichtigung finden sollten. Persönlichkeitsstörungen können sich manifestieren als: • Störung des Interaktionsverhaltens, das sich entscheidend auf die Qualität persönlicher und beruflicher Beziehungen auswirkt, z.B. extremes interpersonelles Misstrauen bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung oder klammerndes Verhalten bei der dependenten Persönlichkeitsstörung. • Störung der Emotionalität, die sich nur auf bestimmte Gefühlqualitäten beziehen kann (z.B. Angst und Unsicherheit bei der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung) oder sich in einer grundlegenden geringen Fähigkeit zur Gefühlsmodulation äußert (z. B. bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung). • Störung der Realitätswahrnehmung, d.h. die äußeren Umstände oder Beziehungserfahrungen werden verzerrt wahrgenommen oder falsch bewertet (z.B. sich durch harmlose Bewertungen bedroht fühlen und böswillige Motive unterstellen). • Störung der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung, d.h. wie jemand sich selbst sieht, wie er über sich denkt und welche gefühlsmäßigen Einstellungen jemand zu sich hat (z.B. Übertreiben eigener Leistungen und Fähigkeiten bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, Mangel an Selbstvertrauen bei der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung). • Störung der Impuls- und Selbstkontrolle, die häufig besonders gravierende soziale Folgen hat (z.B. Neigung zu suizidalen und selbstverletzenden Handlungen oder zu Substanzmissbrauch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung; Diebstahl oder körperliche Gewaltanwendung bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung). 16 2.2 Ausgewählte Forschungsschwerpunkte bei Persönlichkeitsstörungen Die Einführung der operationalisierten Diagnostik in die psychiatrischen Klassifikationssysteme DSM und ICD hat in den vergangenen Jahren umfassende Forschungsaktivitäten im Bereich der Persönlichkeitsstörungen ausgelöst, an denen auch klinische Psychologen und Verhaltenstherapeuten aktiv beteiligt waren und sind. 2.2.1 Kategoriale versus dimensionale Ansätze in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen Dem kategorialen Konzept der psychiatrischen Diagnostik steht die psychologische Tradition der differentiellen Psychologie gegenüber, die im Bereich der Diagnostik von Persönlichkeitseigenschaften meist einem dimensionalen Modell folgt. Dies bedeutet, dass bei Personen von einem Kontinuum von Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen ausgegangen wird, nicht aber von qualitativen "Sprüngen" oder einer Unterscheidung von "gestört" versus "nicht gestört". Es gibt eine Vielzahl von Forschungsarbeiten, die sich dem Unterschied zwischen der dimensionalen und kategorialen Persönlichkeitsdiagnostik widmen (vgl. Saß, Houben, Herpertz & Steinmeyer, 1996a; Saß et al., 2000) und deren Vor- und Nachteile aufzeigen. Es wird auch untersucht, ob Persönlichkeitsstörungen von normalen Aspekten der Persönlichkeit unterschieden werden können, ob sie unabhängig von symptomatischen psychischen Störungen wie Depressionen oder Angststörungen klassifiziert werden sollen oder ob sie tatsächlich so valide voneinander unterschieden werden können, dass eine kategoriale Einteilung gerechtfertigt ist ( vgl. Livesley, Schroeder, Jackson & Kang, 1994; Livesley, Jang & Veron, 1998; Widiger, 1992; Widiger & Francis, 1985). 2.2.2 Entwicklung standardisierter und strukturierter Untersuchungsinstrumente Zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen wurden Untersuchungsinstrumente entwickelt, die sich in drei Gruppen unterteilen lassen: Selbstbeurteilungsverfahren, Checklisten und Interviewverfahren. Es liegen Verfahren zur Erfassung spezifischer Persönlichkeitsstörungen und Verfahren zur systematischen Diagnostik aller Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV und/oder ICD-10 vor (z.B. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, Achse II: Persönlichkeitsstörungen; Fydrich, Renneberg, Schmitz & Wittchen, 1997). Die vorliegenden Studien zeigen, dass eine Diagnostik auf der Grundlage operationalisierter Kriterien, wie sie durch DSM-III-R , DSM-IV oder ICD-10 verwirklicht ist, zumindest eine befriedigende Reliabilität erreicht (Bronisch, 1992; Fydrich et al., 1996b). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass standardisierte und strukturierte Untersuchungsinstrumente eingesetzt werden. Die Reliabilität von nicht-strukturierten Interviews ist dagegen deutlich schlechter. Im Vergleich der verschiedenen Verfahren zeigte sich, dass Selbstbeurteilungsverfahren zwar eine ähnlich hohe Reliabilität wie Checklisten oder strukturierte Interviews erreichten, bei hoher Sensitivität jedoch nur eine geringe Spezifität 17 aufwiesen, d.h. mit Fragebögen wurden viele falsch positive Diagnosen einer Persönlichkeitsstörung gestellt (Fydrich et al., 1996b). Die Validität der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen muss nach wie vor als unzureichend bezeichnet werden (Bronisch, 1992; Fydrich et al., 1996b; Perry, 1992). Angesichts der unzureichenden Validität der Verfahren ist für die Praxis auf jeden Fall eine Validierung der "Statusoder Querschnittsdiagnostik" an Genese- oder Verlaufsdaten erforderlich (vgl. Fiedler, 1995; Turkat, 1990). Nach Spitzer (1983) gilt als „gold standard“ eine Konsensdiagnostik auf der Basis einer "longitudinalen Expertenevaluation im Verlauf unter Nutzung aller verfügbaren Daten" ("LEAD-Methode"). 2.2.3 Epidemiologische Untersuchungen und Komorbiditätsforschung Es wurden erste größere epidemiologische Untersuchungen zur Häufigkeit und Verteilung von Persönlichkeitsstörungen durchgeführt, die sich an den Klassifikationssystemen DSM-III, DSM-III-R bzw. DSM IV und ICD-10 orientieren und die die neueren Untersuchungsinstrumente benutzen. Die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen in verschiedenen Bevölkerungsstichproben (unbehandelte Prävalenz) liegen zwischen 10 und 14 Prozent (Maier, Lichtermann, Klinger, Heun & Hallmeyer, 1992; Reich, Yates & Nduaguba, 1989; Zimmerman & Coryell, 1990), die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen in Patientenstichproben (behandelte Prävalenz) liegen verständlicherweise höher. Bei einer extremen Spannweite der Prozentsätze werden im Mittel bei 52% der ambulanten Patienten (Spannweite zwischen 38% und 81%) und bei 65% der stationären Patienten (Spannweite zwischen 26% und 92%) mindestens eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Fydrich et al., 1996a). Auch die Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen streuen weit angesichts der unterschiedlichen Methoden und Stichproben. Für verschiedene Gruppen psychischer Störungen, die nach DSM-III-R auf Achse-I diagnostiziert werden, zeigen sich im Mittel allerdings vergleichbar hohe Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen in den vorliegenden Studien: bei durchschnittlich 56% der Patienten mit Angststörungen, bei 57% der Patienten mit affektiven Störungen und bei 60% der Patienten mit Essstörungen wurde mindestens eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Fydrich et al., 1996a). Im Vergleich der Studien zeigt sich die Abhängigkeit der berichteten Prävalenzraten von den jeweiligen Erhebungsmethoden. Im Mittel werden in den vorliegenden Studien bei der Verwendung eines Fragebogens bei 60% der untersuchten Probanden Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert, mit strukturierten Interviews dagegen beträgt diese Rate durchschnittlich nur 44%. In einer eigenen Studie an 435 Patienten einer psychosomatischen Fachklinik (Bad Dürkheimer Komorbiditätsstudie, vgl. Fydrich et al., 1996a) wurden die Symptomstörungen und Persönlichkeitsstörungen mit dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM-III-R (SKID-I, Wittchen, Zaudig, Spengler, Mombour, Klug & Horn, 1990; SKIDII, Wittchen, Schramm, Zaudig & Umland, 1993) im Rahmen einer "strengen" oder "konservativen" Beurteilung der diagnostischen Kriterien erfasst. In Tabelle 4 werden die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen für verschiedene diagnostische Teilgruppen dargestellt. 18 Tab. 4 Bad Dürkheimer Komorbiditätsstudie: Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen in verschiedenen diagnostischen Gruppen (aus: Fydrich et al., 1996a, S. 73) Persönlichkeitsstörungen N1 N2 % 435 112 323 182 141 171 167 127 32 Stichprobe gesamt Ohne DSM-Achse-1 Diagnose Mit DSM-Achse-1 Diagnose Einfache DSM-Achse-1 Diagnose Mehrfache DSM-Achse-1 Diagnose1 Affektive Störungen Angststörungen Somatoforme Störungen Essstörungen 117 13 104 35 69 78 72 34 14 26.9 11.6 32.2 19.2 48.9 45.6 43.1 26.8 43.8 Anmerkung: N1 = Anzahl der Personen in der jeweiligen Gruppe; N2 = Anzahl der Diagnosen von Persönlichkeitsstörungen;1 Mehrfachdiagnosen innerhalb der diagnostischen Hauptgruppen nicht berücksichtigt. Die Prävalenzrate komorbider Persönlichkeitsstörungen insgesamt liegt mit 26,9% niedriger als in anderen vergleichbaren Studien, wobei die Diagnosen der "leichteren" Persönlichkeitsstörungen (selbstunsichere, dependente und zwanghafte Persönlichkeitsstörungen) am häufigsten vorkommen. Die Prävalenzrate komorbider Persönlichkeitsstörungen ist mit etwa 45% gleich hoch für Patienten mit affektiven Störungen, Angststörungen und Essstörungen und liegt etwa 10% unter den mittleren Prävalenzraten der vorliegenden Komorbiditätsstudien. Nur 26,8% der Patienten mit somatoformen Störungen erhalten die Diagnose einer zusätzlichen Persönlichkeitsstörung. Patienten ohne Achse-I Diagnosen (d.h. Patienten mit psychischen Beeinträchtigungen, die aber nicht mit dem verwendeten strukturierten Interview diagnostiziert werden können) erfüllten nur zu 11,6% die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung. Dies entspricht etwa der Häufigkeit, wie sie auch in unbehandelten Stichproben gefunden wird. Persönlichkeitsstörungen können nach Millon (1996) in verschiedener Weise mit klinischen Syndromen zusammenhängen: Persönlichkeitsstörungen können aufgrund der eingeschränkten Bewältigungsfähigkeiten der Betroffenen zu einer Vulnerabilität für klinische Syndrome führen ("Vulnerability Model"), klinische Syndrome können Veränderungen der Persönlichkeit bewirken ("Complication Model"), konstitutionelle Faktoren können als "dritte Variable" gleichzeitig eine Persönlichkeitsstörung und ein klinisches Syndrom zur Folge haben ("Spectrum Model") oder es wird angenommen, dass die Persönlichkeit alleine den Verlauf eines klinisches Syndroms beeinflusst ("Pathoplasty Model"). Komorbidität kann aber auch als Artefakt auf eine ungenaue Differenzierung oder eine Überlappung von Bestimmungskriterien verschiedener Diagnosen zurückgeführt werden. Da die Merkmalslisten verschiedener Persönlichkeitsstörungen zum Teil gleichlautende Kriterien enthalten (z.B. ist sozialer Rückzug ein Kriterium für die selbstunsichere, die schizoide und die schizotypische Persönlichkeitsstörung), überraschen die oft hohen Komorbiditätsraten innerhalb der Gruppe der Persönlichkeitsstörungen (innere Komorbidität) nicht. Bei systematischer Erfassung der Persönlichkeitsstörungen in klinischen Stichproben werden in der Tat oft sehr hohe Raten der inneren Komorbidität gefunden. So erhalten in vielen Studien über die Hälfte der Pa19 tienten mit Persönlichkeitsstörungsdiagnosen zwei oder mehr Diagnosen. In der Bad Dürkheimer Komorbiditätsstudie liegt bei etwa einem Drittel der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (36,4%) mehr als eine Persönlichkeitsstörung vor. Was die vorliegenden Ergebnisse bei aller Unschärfe interessant machen, sind die Unterschiede in klinischen und biographischen Variablen, die sich zwischen einzelnen Gruppen von Patienten mit klinischen Syndromen (Achse-I Störungen) mit und ohne zusätzliche Persönlichkeitsstörungen zeigen. So berichten z.B. in einer Studie von Wonderlich und Swift (1990) essgestörte Patientinnen mit zusätzlicher Borderline-Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu essgestörten Patientinnen mit anderen Persönlichkeitsstörungen über deutlich mehr zusätzliche Achse-I Störungen und häufiger über sexuellen Mißbrauch, Suizidversuche und konflikthafte und feindliche familiäre Beziehungen. Die beiden essgestörten Gruppen mit Persönlichkeitsstörungen unterschieden sich darüber hinaus signifikant in den meisten untersuchten Variablen von einer dritten Gruppe essgestörter Patientinnen ohne Persönlichkeitsstörung. Diese dritte Gruppe zeigte keine weiteren Auffälligkeiten bis auf ihre konkrete Essstörung und unterschied sich in den untersuchten Variablen nur wenig von einer Kontrollgruppe ohne Essstörungen. Essgestörte Patientinnen mit zusätzlichen Persönlichkeitsstörungen und insbesondere Borderline-Persönlichkeitsstörungen zeigen sich nach den Ergebnissen dieser Untersuchung als besonders gefährdete Subgruppe, deren besondere Situation auch besondere therapeutische Maßnahmen erfordert. 2.2.4 Persönlichkeitsstörungen und Abhängigkeitserkrankungen Im deutschsprachigen Raum gab es bisher noch keine gesicherten Ergebnisse zur Prävalenz, Komorbidität oder gar Effektivität der Behandlung der Persönlichkeitsstörung bei Suchterkrankungen. Ganz allgemein ist die differentielle Effektivität spezifischer therapeutischer Maßnahmen innerhalb der Suchttherapie nicht befriedigend belegt (Petry, 1998). Dies gilt in besonderem Maße für die Koinzidenz von Suchterkrankung und Persönlichkeitsstörung. Eine Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit kompliziert die bei Persönlichkeitsstörungen ohnehin ausgeprägten Krankheitsfolgen drastisch. Ein Teufelskreis dürfte insofern einsetzen, als durch fortgesetzten Alkohol- bzw. Medikamentenkonsum regressive Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur erfolgen, die die Interaktionsfähigkeit und Selbststeuerung weiter labilisieren (Kipp & Stolzenburg, 2000). Die Persönlichkeit abhängiger Menschen war häufig Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Im Mittelpunkt stand dabei die Suche nach der „Suchtpersönlichkeit“, d.h. die Suche nach einer Pathologie, die spezifisch prädisponiert für die Entwicklung einer manifesten Abhängigkeit ist. Zunächst wurde dabei ein dimensionaler Aspekt der Persönlichkeitspsychologie verfolgt, der in den letzten 20 Jahren mit der Einführung des DSM-Systems durch einen kategorialen Persönlichkeitsansatz abgelöst wurde. Im frühen dimensionalen Ansatz wurde zumeist auf der Grundlage des MMPI, nach einem typischen, immer wieder auffindbaren Cluster von suchtspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen gesucht. Die typische Alkoholikerpersönlichkeit ließ sich bei aller Suche jedoch empirisch nicht nachweisen (Harten & Röhling, 1987; Barnes, 1979; McAndrew, 1979; Vaillant, 1994). In der Arbeit von Kammeier, Hoffman, & Coper (1973) wurden Studenten bei Studiumsbeginn und mehr als 10 Jahre später bei Beginn einer Entwöhnungsbehandlung untersucht: Der erste Messzeitpunkt ergab kei20 ne Besonderheit, die 10 Jahre später erfolgte Untersuchung der nun manifest Abhängigen zeigte gewisse pathologische Veränderungen, allerdings nur bei einem Drittel der Probanden. Daraus wurde geschlossen, dass es weder eine 'präalkoholische Persönlichkeit', wie von Barnes (1979) vorgeschlagen, gab, noch eine typische Veränderung der Persönlichkeitsorganisation in der Abhängigkeitsentwicklung. Eine andere Arbeit (Acevedo, Elder & Harrison, 1988) untersuchte Zusammenhänge zwischen kognitiven Veränderungen in der Persönlichkeitsorganisation im Zuge einer Abhängigkeitsentwicklung. Die Ergebnisse ließen keine eindeutigen Rückschlüsse zu, ebenso wenig wie die Untersuchung zentraler Merkmale auf der Persönlichkeitsebene wie Kontrollüberzeugungen, Selbstwertgefühl oder Autonomiestreben (Küfner, 1981). Auch die Suche nach mehreren unterschiedlichen Persönlichkeitstypen erbrachte keine konsistenten Befunde (Nerviano & Gross, 1987). Hervorzuheben sind neben den Studien, die die 'big-five'-Persönlichkeitsdimensionen zugrundelegen (Trull, 1992; Borkenau & Ostendorf, 1993; Bouchard, 1993), die prospektiven Arbeiten von Cloninger, Sigvardsson & Bohmann (1988), die die Bedeutung der Persönlichkeitsdimension 'sensation and novelty seeking' für die Abhängigkeitsentwicklung belegen. In einer neueren Untersuchung, in der die Differentialdiagnostik und Behandlungsindikation bei abhängigen pathologischen Glücksspielern im Mittelpunkt stand (Petry & Jahrreiss, 1999), ergab sich durch clusteranalytische Verfahren eine psychopathologisch unauffällige Gruppe manifest Abhängiger, die keine Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit, gemessen mit dem Trierer Persönlichkeitsfragebogen von Becker (1989), aufwies und nur eine leicht erniedrigte, aber noch im Normalbereich liegende Verhaltenskontrolle zeigte. In bezug auf alle speziellen Merkmale der seelischen Gesundheit lagen bei dieser Untergruppe Werte vor, die sich nahe der mittleren Normalwerte befinden. Diese Gruppe könnte als 'suchtspezifisch Verhaltensgestörte' bezeichnet werden, da das Suchtverhalten offensichtlich nicht mit einer zugrundeliegenden psychopathologischen Störung einhergeht, sondern eine ausschließlich dysfunktionale Anpassungsleistung darstellt. Eine zweite, davon unterscheidbare Untergruppe von Suchtkranken wies eine deutliche Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit auf, aber mit einer geringfügig herabgesetzten Verhaltenskontrolle. Die genaue Betrachtung der Ergebnisse verwies auf eine deutliche Sinnproblematik und gleichzeitig eine Beeinträchtigung der Selbstaktualisierungstendenz. Diese spezifische Merkmalskonstellation dürfte Ausdruck von der offenbar am häufigsten bei Suchtkranken vertretenen selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung - hinsichtlich der Merkmale Sinngebung und Selbstbehauptung - sein, da neben der Sinnproblematik auch eine Beeinträchtigung der autonomen Selbstbehauptung bestand und die Einschränkung der Impulskontrolle nur gering ausgeprägt war (Petry, i. Druck). Auch die Untersuchungen der Persönlichkeitsstörungen bei Alkoholismus auf der Grundlage eines kategorialen Modells der Persönlichkeitsstörung, wie sie das DSMSystem bereitstellt, erbrachten wenig übereinstimmende Aussagen (De Jong, van den Brink, Hartefeld & van der Wielen, 1993; Koenigsberg, Kaplan, Gilmor & Cooper, 1985). Die Prävalenzraten, die in den einzelnen Studien ermittelt wurden, variieren stark, wobei auch das schwierige Problem der diagnostischen Einordnung dabei einen wesentlichen Einfluss haben dürfte. Festzuhalten ist, dass der Anteil von Persönlichkeitsstörungen bei Alkoholkranken viermal so hoch zu veranschlagen ist wie bei nichtabhängigen Menschen (Maier et al., 1992; Reich, Yates & Nduaguba, 1989). Kritisch ist bei den Untersuchungen anzumerken, dass keine sorgfältige Unterscheidung zwischen 'Abhängigkeit' einerseits und 'Missbrauch' oder 'schädlichem Gebrauch' (Schuhler & Jahrreiss, 1994; Schuhler & Baumeister, 1999; Schuhler, 21 Baumeister & Jahrreiss, 2002) andererseits getroffen wurde. Dies gilt auch für die US-amerikanische Komorbiditätsforschung, die bisher auf die Untersuchung der antisozialen Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit Alkoholabhängigkeiten den Schwerpunkt legte, neben der der Borderline-Störung, von der allgemein angenommen wird, dass alkoholabhängige Menschen davon in besonderem Maß betroffen sind. Werden jedoch die Suchtmittelkonsum bedingten Symptome bei der Diagnosestellung außer acht gelassen, konnte in vielen Fällen die Diagnose 'BorderlineStörung' nicht aufrechterhalten werden (Dulit, Fyer, Haas, Sullivan & Frances, 1990; Nace, Davis & Caspari, 1991). Bislang liegt über die häufig vermutete enge Beziehung zwischen Borderline-Störung und Abhängigkeit wenig gesichertes Wissen vor. In einer eigenen Studie (Schuhler, Jung, Jahrreiss, Wagner, Schmitz, HandkeRaubach, Limbacher, Husen, 2000b) über die Häufigkeitsverteilung von Persönlichkeitsstörungen, ergaben sich bei abhängigen Patienten in der stationären Entwöhnungsbehandlung (Jahrreiss, 1990) auf der Grundlage einer reliablen und validen Diagnostik mit dem SKID-Interviewverfahren, dass die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung am häufigsten vertreten war, gefolgt von der Borderline- und narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wobei insgesamt über 40% der abhängigen Patientengruppe eine Persönlichkeitsstörung aufwies. In einer weiteren Arbeit (Schuhler, Wagner, Jung & Jahrreiss, 2000c), die ebenfalls aus dem erwähnten Forschungsprojekt heraus entstand, konnten darüber hinaus Ergebnisse zur Komorbidität und zu Merkmalen der Patientengruppe vorgelegt werden: Abhängige Patienten mit Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen zeigten zu Beginn der Behandlung signifikant höhere Mittelwerte hinsichtlich Depressivität, Angstreaktionsbereitschaft und Symptombelastetheit, gemessen mit dem Depressionsinventar von Beck, dem Beck-Angstinventar und dem SCL-90-R. Darüber hinaus wurde die Schwere der Abhängigkeitserkrankung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen untersucht, gemessen mit dem Münchwieser Diagnose-Inventar (Schuhler & Wagner, 1999): Dabei zeigte sich, dass die Suchtentwicklung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei Behandlungsbeginn stärker ausgeprägt ist und dass das Suchtmittel funktional signifikant häufiger zur Regulation interaktiver Anforderungen eingesetzt wird, als von abhängigen Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. Hinsichtlich Chronifizierung, Arbeitslosigkeit, Partnerschaftssituation, Leistungsfähigkeit, Suizidalität, Rückfallgefährdung ist diese Patientengruppe besonders belastet bzw. gefährdet. Im deutschsprachigen Raum ist die Lübecker Untersuchung (Lübeck Evaluation of Motivational treatment in Alcohol dependence) hervorzuheben, die eine Komorbiditätsuntersuchung bei 250 Alkoholabhängigen durchführte, d.h. eine manifeste Abhängigkeit war zweifelsfrei gegeben. Darüber hinaus wurde kontrolliert, dass die Patienten keine zusätzlichen substanzbezogenen Störungen durch Drogen oder Medikamente aufwiesen (Driessen, 1996; Driessen, Veltrup, John, Wetterling & Dilling, 1998). Die Ergebnisse wiesen vier unterschiedliche Gruppen aus: Die größte Gruppe wies keine Komorbidität auf, die zweitgrößte Gruppe wies eine Symptomdiagnose der Achse-I ohne Persönlichkeitsstörungsdiagnose auf, die drittgrößte Gruppe wies eine Symptomdiagnose und eine Persönlichkeitsstörungsdiagnose auf und schließlich die vierte Gruppe wies ausschließlich eine Persönlichkeitsstörungsdiagnose ohne Symptomdiagnose auf. Darüber hinaus gab es einen hohen Anteil nicht näher bezeichneter Persönlichkeitsstörungen innerhalb der Achse-II-Gruppe. Das heißt, eine große Gruppe von Patienten erfüllte zwar nicht die Kriterien einer einzigen Persönlichkeitsstörung, kam aber randschwellig auf verschiedenen Störungsbildern an eine diagnoserechtfertigende Ausprägung heran. Die Ergebnisse zeigten, dass Pati22 enten mit Persönlichkeitsstörungen häufiger männlich und jünger waren, seltener in einer Partnerschaft lebten, dass die Chronizität der Abhängigkeitserkrankung länger zurücklag und rascher progredient vorangeschritten war. Die Autoren verweisen auf die Bedeutung der Ergebnisse für eine spezifische Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeitsstörung und Alkoholabhängigkeit. So zwingend diese Einsicht scheint, so schmal ist die wirklich gesicherte Wissensbasis über die Wechselbeziehungen zwischen Persönlichkeit und Alkoholismus. Insbesondere therapeutische Schlussfolgerungen auf empirischer Basis sind gegenwärtig nur sehr eingeschränkt zu ziehen. In erster Linie fehlen bislang kontrollierte Interventionsstudien. 2.2.5 Therapiebezogene Komorbiditätsforschung Die Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gilt als schwierig. Dementsprechend häufig wird angenommen, dass sich eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung ungünstig auf die symptomatische Behandlung einer depressiven Störung oder einer anderen Achse-I Störung auswirkt. Daher wird erwartet, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen häufiger die Behandlung abbrechen oder ein ungünstigeres Behandlungsergebnis zeigen als Patienten ohne zusätzliche Persönlichkeitsstörungen. Die therapiebezogene Komorbiditätsforschung ist dieser Frage in den letzten Jahren verstärkt nachgegangen. Bisher wurde insbesondere der Einfluss zusätzlicher Persönlichkeitsstörungen auf den Behandlungserfolg bei Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, Essstörungen und Substanzmissbrauch bzw. - abhängigkeit untersucht (vgl. Pretzer, 1996; Reich & Green, 1991; Reich & Vasile, 1993; Shea, Widiger & Klein, 1992; Schmitz et al., 1996b). Als Maßnahmen wurden in diesen Studien sowohl pharmakotherapeutische als auch psychotherapeutische Behandlungen überprüft, in selteneren Fällen auch kombinierte Behandlungsmaßnahmen. Die überwiegende Mehrzahl der Studien berichten über einen ungünstigen Einfluss von Persönlichkeitsstörungen auf die Behandlung von Achse-I Störungen. So zeigten auch die ersten Studien, die die Wirksamkeit kognitivverhaltenstherapeutischer Behandlungen an Patienten mit Bulimia nervosa (Giles, Young & Young, 1985), mit sozialer Phobie (Turner, 1987) oder Agoraphobie (Mavissakalien & Hamman, 1987) untersuchten, dass die meisten Patienten mit einer zusätzlichen Persönlichkeitsstörung im Rahmen standardisierter gruppentherapeutischer Vorgehensweisen wenige oder keine Fortschritte in ihrem symptomatischen Verhalten machten. Neuere Studien, die den Einfluss komorbider Persönlichkeitsstörungen auf den Erfolg kognitiv-verhaltenstherapeutischer Behandlung von generalisierten Angststörungen (Sanderson, Beck & McGinn, 1994) von Panikstörungen (Arndtz & Dreessen, 1990) oder von depressiven Störungen (Shea, Pilkonis, Beckham, Collins, Elkin, Sotsky & Docherty, 1990) untersuchten, stellten dagegen fest, dass diejenigen Patienten, die die Behandlung nicht vorzeitig abbrachen, genauso gut bzw. sogar etwas besser auf die Behandlung ansprachen als Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen und umfassende positive Veränderungen in vielen Lebensbereichen erzielten. Da die günstigeren Ergebnisse der neueren Studien z.T. auf Einzeltherapien basieren, die den individuellen Problemen des Patienten angepasst werden konnten, könnte man vermuten, dass eine individualisierte kognitivverhaltenstherapeutiche Therapie bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wirksamer ist als standardisierte störungsspezifische Vorgehensweisen. Eine eigene Studie an Patienten mit affektiven Störungen, Angststörungen, Essstörungen und somatoformen Schmerzstörungen fand vergleichbar günstige Ergebnisse (Schmitz 23 et al., 1996b). Es zeigte sich, dass eine komorbide Persönlichkeitsstörung kein Prädiktor für einen schlechteren Therapieerfolg ist, d.h. alle Subgruppen mit und ohne komorbide Persönlichkeitsstörungen profitieren signifikant von der stationären Therapie. Zum Katamnesezeitpunkt (8 Monate nach Therapieende) konnten die Subgruppen mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen ihren Therapieerfolg in etwa aufrechterhalten, während sich die Subgruppen ohne Persönlichkeitsstörungen sogar signifikant verschlechterten. Diese Ergebnisse stützen die Annahme verschiedener Autoren, dass Patienten mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen erfolgreich in ihrer klinischen Symptomatik behandelt werden können, wenn die Therapie den individuellen Problemen des Patienten angepasst wird, und wenn die störungsspezifischen symptomatischen Vorgehensweisen mit den neueren kognitiv-verhaltenstherapeutischen Konzepten für Persönlichkeitsstörungen verbunden werden. So wurden klinische Syndrome und Persönlichkeitsstörungen gleichermaßen im Rahmen eines multimodalen und adaptiven verhaltenstherapeutischen Behandlungskonzepts berücksichtigt (vgl. Limbacher & Schmitz, 1996). Verschiedene Studien, die die Auswirkungen einzelner Persönlichkeitsstörungen untersuchten, legen darüber hinaus eine differentielle Prädiktivität verschiedener Persönlichkeitsstörungen nahe (vgl. Fiedler, 1995). 2.2.6 Studien zur Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen Die meisten Beiträge zur kognitiven und verhaltenstherapeutischen Behandlung von Persönlichkeitsstörungen basieren auf klinischen Beobachtungen und EinzelfallUntersuchungen. Da sich die Forschung noch in den Anfängen befindet, betonen die meisten Autoren angesichts der Komplexität der Probleme die Bedeutsamkeit eines individuellen Fallkonzepts und seiner empirischen Überprüfung in der Therapie. Die Ergebnisse von Turkat und Maisto (1985) zeigen zumindest für einzelne Persönlichkeitsstörungen, wie ein effektiver Behandlungsplan auf der Basis eines individuellen Konzeptes für die Probleme eines Patienten aufgestellt und überprüft wird. In den letzten Jahren wurden auch erste kontrollierte Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit der psychotherapeutischen Behandlung der Persönlichkeitsstörungen durchgeführt (z.B. Renneberg, 1996; Shea, 1996). Am häufigsten wurde die Behandlung der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung und der BorderlinePersönlichkeitsstörung untersucht. Die Ergebnisse sind ermutigend, hervorzuheben sind besonders die Studien von Linehan und Mitarbeitern (Linehan, Armstrong, Suarez, Allmon & Heard, 1991; Linehan, Tutek, Heard & Armstrong, 1994), die die Wirksamkeit der dialektischen Verhaltenstherapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen nachdrücklich belegen. 2.3 Verhaltenstherapeutische Erklärungs- und Behandlungsansätze bei Persönlichkeitsstörungen Seit den 80er Jahren kann man ein zunehmendes klinisches und wissenschaftliches Interesse an der Diagnostik und psychotherapeutischen Behandlung von Persönlichkeitsstörungen feststellen. Nachdem Persönlichkeitsstörungen in der Literatur der vorangehenden Jahre hauptsächlich aus psychiatrischer und psychoanalytischer Sicht behandelt wurden, findet man heute eine breite Forschungs- und Publikations24 tätigkeit, an der auch Verhaltenstherapeuten aktiv beteiligt sind (vgl. Fiedler, 1995; Schmitz, Fydrich, Limbacher, 1996a). Millon legte bereits 1981 mit seiner biosozialen Lerntheorie einen ersten verhaltentheoretisch orientierten Erklärungsansatz für Persönlichkeitsstörungen vor und entwickelte ein differenziertes Modell des Wechselspiels von biologischen Faktoren, neuropsychologischen Entwicklungsmöglichkeiten und lernpsychologischen Prozessen (vgl. Millon, 1996; Millon & Everly, 1985). Erste kognitiv oder verhaltenstherapeutisch orientierte Konzepte zur Erklärung und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen wurden dann ab Mitte der 80er Jahre publiziert (Fleming, 1988; Liebowitz, Stone & Turkat, 1986; Linehan, 1987, 1989; Pretzer, 1988; Turkat & Maisto, 1985; Young & Swift, 1988). Mittlerweile liegen sowohl zur kognitiv (z.B. Beck, Freeman et al., 1990/deutsch 1993; Safran & Segal, 1990; Young, 1990) als auch zur verhaltenstherapeutisch orientierten Behandlung (z.B. Linehan, 1993a/deutsch: 1996a, 1993b/deutsch 1996b; Turkat, 1990/deutsch: 1996) ausgearbeitete Konzepte und Manuale vor. Als kognitive Ansätze werden hier die Konzepte mit schematheoretischer Grundlegung zusammengefasst (zur Schematheorie siehe auch Grawe, Donati & Bernauer, 1994). Das Thema der Persönlichkeitsstörungen wurde seit dem Ende der 80er Jahre auch im deutschsprachigen Raum von Verhaltenstherapeuten aufgegriffen (z.B. Bohus & Berger, 1996, Bohus, Stieglitz, Fiedler & Berger, 1999; Bruch, 1988; Fiedler 1993, 1995, 1996a, 2000; Juli, 1992; Schmitz & Limbacher, 1989; Schmitz, 1996, 1999, 2000; Schmitz et al., 1996a). Im folgenden wird auf den Einstellungswandel in der Verhaltenstherapie gegenüber dem Konzept der Persönlichkeitsstörungen näher eingegangen, und es werden einige ausgewählte kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte Erklärungs- und Behandlungskonzepte für Persönlichkeitsstörungen dargestellt. Zum Einstellungswandel in der Verhaltenstherapie. Es mag überraschen, dass sich seit einigen Jahren auch Verhaltenstherapeuten mit den Persönlichkeitsstörungen beschäftigen, nachdem man in den früheren Jahren vielfältige konzeptuelle und methodische Vorbehalte gegenüber der klassifikatorischen Diagnostik und dem Konzept der Persönlichkeitsstörungen im besonderen äußerte. So orientieren sich Verhaltenstherapeuten in ihren Verhaltens- und Bedingungsanalysen an einer ideographischen Diagnostik und lehnten in den früheren Jahren die klassifikatorische Diagnostik nicht nur wegen der mangelnden Zuverlässigkeit der Diagnosen oder der negativen Stigmatisierung der Betroffenen durch die Diagnosen ab, sondern auch wegen ihres geringen Nutzens für die Therapie. Viele Verhaltenstherapeuten haben in den vergangenen Jahren ihre ablehnende Haltung gegenüber den Persönlichkeitsstörungen, ihrer Diagnostik und Behandlung zumindest soweit aufgegeben, dass sie sich aktiv mit den Störungen diagnostisch, therapeutisch und wissenschaftlich auseinandersetzen, obwohl weiterhin Vorbehalte bestehen. Für den Einstellungswandel von Verhaltenstherapeuten gegenüber den Persönlichkeitsstörungen sind verschiedene Entwicklungen verantwortlich. Dazu gehören nicht nur die Neuerungen in den psychiatrischen Klassifikationssystemen (vgl. Saß et al., 1996b; Wittchen, 1996), sondern auch konzeptuelle interne Entwicklungen in der Verhaltenstherapie und veränderte berufs- und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen. Für eine veränderte Einstellung gegenüber der psychiatrischen Klassifikation werden von Verhaltenstherapeuten vor allem zwei Gesichtspunkte ins Feld geführt (z.B. 25 Margraf & Schneider, 1993). Zum einen habe sich durch die Einführung der operationalisierten Diagnostik in die neueren psychiatrischen Klassifikationssysteme DSM und ICD und durch die Entwicklung standardisierter und strukturierter Untersuchungsverfahren die Qualität der Diagnosen, d.h. ihre Reliabilität deutlich verbessert. Zum anderen wird auf die Fortschritte in der Entwicklung störungsspezifischer Therapieverfahren in der Verhaltenstherapie hingewiesen, deren Effektivität nachgewiesen sei und die belegen, dass Diagnosen auch tatsächlich zu therapeutischen Konsequenzen führen. Mittlerweile liegen für viele Störungen ausgearbeitete Behandlungsmanuale vor, die ganz gezielt auf die Besonderheiten der jeweiligen Störungen zugeschnitten sind, und die sich in der empirischen Überprüfung auch als effektiv erwiesen haben. Entsprechende Konzepte und Manuale wurden nicht nur für die Behandlung klinischer Syndrome entwickelt, sondern auch für die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. Durch diese Entwicklung relativiert sich auch der Stellenwert der individuellen Problemanalyse im Rahmen der verhaltenstherapeutischen Diagnostik. Zunehmend wird deshalb von Verhaltenstherapeuten eine Kombination von individueller Problemanalyse, klassifikatorischer Diagnostik mit strukturierten Interviews und gegebenenfalls psychometrischen Verfahren vorgeschlagen, um die Therapiestrategie sowohl an den Ergebnissen der Therapieforschung als auch an den individuellen Besonderheiten des Patienten zu orientieren (vgl. Margraf & Schneider, 1993). Auch die ablehnende Haltung gegenüber der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen im besonderen hat sich für viele Verhaltenstherapeuten vor diesem Entwicklungs- und Argumentationshintergrund zumindest in einen pragmatisch-kritischen Umgang verändert. Beide Klassifikationssysteme, DSM und ICD, verzichten in ihren Neufassungen auch in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen weitgehend auf Gesamteindrücke und intuitive Erfahrungen des Diagnostikers sowie ätiologische Spekulationen psychoanalytischer oder psychiatrischer Herkunft. Statt dessen ist der Diagnostiker aufgefordert, seine Wahrnehmungen und Einschätzungen durch konkrete Verhaltensaspekte zu belegen, die für spezifische Persönlichkeitsstörungen als prototypisch betrachtet werden. Damit kommen die deskriptiven Klassifikationssysteme auch dem konkreten verhaltenstherapeutischen Denken entgegen. Die Verhaltenstherapie hat in der Vergangenheit ihre besondere Stärke und Identität gewonnen in der Feinanalyse und mehrdimensionalen Betrachtungsweise menschlichen Verhaltens in spezifischen Situationen und seiner konkreten internen und externen Auslöser und Konsequenzen. Wenn sich heute und relativ spät Verhaltenstherapeuten mit dem Thema der Persönlichkeitsstörungen beschäftigen, so ist dies auch Ausdruck eines Mangels und eines Bedürfnisses nach grundlegenden theoretischen Beiträgen zur menschlichen Entwicklung und Persönlichkeitsorganisation, die situationsübergreifende Muster der inneren Erfahrung und des Verhaltens erklären und sich zugleich abgrenzen vom dispositionsorientierten Ansatz der Persönlichkeitspsychologie. Als Beispiel soll auf den Ansatz von Safran und Mitarbeiter (Safran & Segal, 1990; Safran & McMain, 1992) verwiesen werden. Die Autoren sehen ihr Interesse an den Persönlichkeitsstörungen im Zusammenhang mit grundlegenden Bemühungen, die Begrenzungen des kognitiven Therapieansatzes für Achse-I Störungen (Beck, Rush, Shaw & Emery, 1986) zu überwinden und konzeptuell und therapeutisch weiter zu entwickeln, auch unter Einbeziehung anderer therapeutischer Richtungen. Sie kritisieren am klassischen kognitiven Therapieansatz: • die Vernachlässigung der therapeutischen Beziehung als Wirkfaktor der Behandlung, 26 • die eingeschränkte Sichtweise von Emotionen als post-kognitive Phänomene, • die Vernachlässigung wichtiger interpersoneller und sozialer Aspekte bei psychischen Störungen, • die Gleichsetzung von Gesundheit mit Rationalität und die Betonung realitätsangepassten Denkens und Wahrnehmens sowie die Unterschätzung des Patienten, der Experte seines eigenen Erlebens sei und • die Betonung strukturierender und technischer Aspekte der Therapie, anstelle von prozessorientierten und Beziehungsfaktoren. In ihrem eigenen kognitiv-interpersonellen Ansatz stellen sie das Konstrukt des "interpersonellen Schemas" in den Mittelpunkt, das die frühkindlichen Interaktionen mit signifikanten Bezugspersonen repräsentiert und beziehen sich in ihrem theoretischen Modell u.a. auf die interpersonelle Theorie (Sullivan, 1953), auf den bindungstheoretischen Ansatz (Bowlby 1969, 1973, 1980) und auf neuere, auch eigene Beiträge zur Emotionstheorie (z.B. Safran & Greenberg, 1987). Der Einstellungswandel hängt nicht zuletzt auch zusammen mit der erfolgreichen wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Anerkennung der Verhaltenstherapie, die es mittlerweile erlaubt, über den eigenen Zaun zu schauen, sowie mit den praktischen Anforderungen einer therapeutischen Tätigkeit in der ambulanten oder stationären Routineversorgung, die Verhaltenstherapeuten mit komplexen Problemstellungen von nicht-ausgewählten Patientengruppen konfrontiert. Angesichts der hohen Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei ambulanten und stationären Patienten (vgl. Fydrich, et al., 1996a) und der oft schwierigen Therapieverläufe (vgl. Limbacher & Schmitz, 1996) müssen sich auch Verhaltenstherapeuten verstärkt mit den Persönlichkeitsstörungen beschäftigen und Konzepte entwickeln, die die besonderen Problemstellungen der Patienten erklären und behandeln helfen. 2.3.1 Entwicklungsbedingungen ausgewählter Persönlichkeitsstörungen nach Millon Ein vielversprechender Zugang zu den Entwicklungsbedingungen der Persönlichkeitsstörung besteht in der biosozialen Lerntheorie der Persönlichkeitsstörungen von Millon (1981; 1990; 1996; Millon & Everly, 1985). Millons Arbeit eröffnete eine bislang fehlende lerntheoretisch fundierte, entwicklungspsycho-pathologische Forschungsperspektive (Esser, Ihle, Schmidt & Blanz, 2000; Laucht, Esser & Schmidt, 2000), die die Zusammenhänge zwischen frühen Einflüssen und Auswirkungen im Jugend- und Erwachsenenalter, zwischen Risiko- und Schutzfaktoren der Persönlichkeitsentwicklung aufhellen helfen kann. Sein Ansatz unterscheidet biologische Faktoren, die sich einerseits aus Anlagefaktoren und andererseits aus Einflüssen der pränatalen Entwicklung ergeben. Daneben werden Entwicklungsfaktoren berücksichtigt, die den Einfluss zwischenmenschlicher Erfahrungen und Lernbedingungen thematisieren im Hinblick auf die neuropsychologische Entwicklung des Kindes. In der Pathogenese der Persönlichkeitsentwicklung wird ein komplexes Ineinandergreifen zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Prozessen im Erziehungskontext angenommen. Millon postuliert dabei keine mechanistische, einseitige Einwirkungsrichtung der drei Faktoren auf Entwicklung, sondern ein transaktives dynamisches Wechselspiel. Er geht von der Entwicklungsdynamik zweier Polaritäten menschlicher Grundbedürfnisse aus: Eine Hauptachse wird aufgespannt zwischen 27 Autonomie und Bindung, eine zweite orthogonal darauf stehende zwischen Selbstkontrolle und Selbstaktualisierung. Mit Hilfe dieses Raummodells der Persönlichkeit können Persönlichkeitsstile im Kontinuum bis hin zu Persönlichkeitsstörungen dimensioniert werden. Fiedler (2000) diskutiert dieses Modell in seinen, die Therapieschulen übergreifenden integrierenden Bezügen. Gewisse Parallelen zwischen dem Vulnerabilitätsmodell (Zubin & Springer, 1977), das ein Zusammenwirken von Anlagebedingungen und pränatalen Faktoren annimmt, das dann als sogenannte diathetische Vulnerabilität die weitere Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst, und dem Modell von Millon, scheinen auf der Hand zu liegen. Jedoch versteht sich Millons Ansatz gerade nicht als Dispositionsmodell, zu denen das Vulnerabilitätsmodell gehört, in dem keine Aussagen über die Entwicklung psychischer Störungen gemacht werden kann und in dem Individuen nicht als integrierte Systeme aus biologischen, psychologischen und sozialen Funktionen angesehen werden. Die Persönlichkeitsentwicklung wird in Millons Ansatz zwar als von einer ‚Vulnerabilität’ abhängig gesehen, die im Fall der Persönlichkeitsstörung zu einer besonderen Labilität oder Verletzlichkeit der Person gegenüber ungünstigen Umweltbedingungen oder psychosozialen Einflussfaktoren führt, vornehmlich durch familiäre, schulische oder Peer-group-Einflüsse (Fiedler, 1999). Die Problemverhaltensweisen als Ausdruck einer krisenhaften Persönlichkeitsentwicklung werden aber als aktive Bewältigungsleistung verstanden, als die gewissermaßen bestmögliche Antwort auf psychosoziale Anforderungen und Entwicklungsaufgaben. Sperry (1995) favorisiert die biopsychosoziale Sichtweise in Diagnose und Therapie von Persönlichkeitsstörungen und gibt neben der Darstellung von Millons Ansatz hinsichtlich Entwicklungsdimensionen einen Überblick über kognitiv-behaviorale, interpersonelle und psychoanalytische Modelle. Drei Faktoren stehen nach Millon in einem dynamischen Wechselspiel: (1) Biologische Faktoren, die sich aus Anlage und pränatalen Entwicklungsfaktoren bestimmen. (2) Neuropsychologische Faktoren und (3) die interaktiven Erfahrungen und Lernbedingungen im familiären und Peer-group-Kontext und deren Einflüsse auf die weitere neuropsychologische Entwicklung. Es werden dabei vier Stufen unterschieden, die zwar grob bestimmten Zeitabschnitten der Entwicklung zugeordnet werden, die aber auch während der gesamten Life-span-Entwicklung in den Vordergrund rücken können: Auf der ersten Stufe (sensory-attachment-stage) wird die neurologische Entwicklung des Kleinkindes wesentlich als von den Bedingungen der ElternKind-Beziehung abhängig diskutiert. Risikofaktoren für eine gestörte Persönlichkeitsentwicklung liegen in ungünstigen Bindungserfahrungen, die im Kern entweder über- oder unterstimulierend sein können. Auf der zweiten Stufe (sensorimotorautonomy-stage) sind vor allem die Zusammenhänge zwischen sensomotorischer Entwicklung und neurologischer paralleler Entwicklung von Bedeutung. Aktivität und Passivität, die Akkomodation von neuen Erfahrungen, die zur Weiterentwicklung von kognitiven Strukturen im Sinne Piagets führt, bilden den Boden für eine selbstsichere und funktionale Bewältigung der Entwicklungsaufgaben. Auch hier werden ein zu geringer Anregungsgehalt bzw. eine Überforderung als die entscheidenden Risikofaktoren diskutiert. Auf der dritten Stufe (pubertal-gender-identity-stage) steht die Ausformung der Geschlechtsidentität im Mittelpunkt. Wesentliche Entwicklungsaufgaben sind in der Entwicklung der Selbstsicht und der sozialen Perspektive zu sehen. Die Existenz geeigneter Modelle im familiären oder schulischen Kontext wird als bedeutsam angesehen, um geeignete Identifizierungsmöglichkeiten bereitzustellen. Auf der vierten Stufe (intracortical-integrative-stage) ist der Zuwachs an kortikalen Hirnfunktionen, d.h. die Erweiterung der Möglichkeiten zum abstrakten Den28 ken und planvollem Handeln sowie die Ausdifferenzierung der Werturteile über das eigene und fremde Handeln zentral. In der Entwicklung gelingt idealerweise eine Gleichgewichtsfindung zwischen Vernunft und Gefühl. Wieder sollen Unterforderungen bzw. Überforderungen die Entwicklung empfindlich stören können. Im folgenden Abschnitt werden die sechs im Manual behandelten Persönlichkeitsstörungen nach Entwicklungsaspekten beschrieben. Der Ansatz von Millon hat dabei einen besonderen Stellenwert, ebenso wie die Arbeit von Benjamin (1993), die das Zusammenspiel von kognitiver, affektiver und interpersonaler Dimension in der Entwicklung berücksichtigt. Im Therapieprogramm findet sich eine entwicklungsorientierte Betrachtung im Sinn plausibler Modelle im psychoedukativen Teil als Element ‚Wenn der Persönlichkeitsstil zum Problem wird’. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Allgemein wird von einer extrem geringen Selbstachtung als primäre Problemkonstellation des Patienten ausgegangen, der unter einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung leidet. Dabei soll ein solches Gefühl entstanden sein, wenn ein Kind in einer häuslichen Umgebung aufwächst, in der es viel Aggression, Ablehnung, Wut und Destruktivität gab. Wesentlich soll dabei sein, dass diese destruktiven Gefühle hinter einer oberflächlich freundlichen Fassade verborgen bleiben (Sullivan, 1956). Daher lernt der Zwanghafte das, was Sullivan „verbale Magie“ nennt. Worte und Regeln werden dadurch wichtiger als Emotionen. Auch im Fall der zwanghaften Persönlichkeitsstörung steht die Beeinträchtigung der affektiven Regulation im Fokus. In diesem Fall wird generell emotionale Nähe und Miteilungsbereitschaft anderen gegenüber vermieden bzw. nicht gezeigt. Dieses Grundmodell Sullivans wird auch von Angyal (1965) unterstützt. Dabei wird das inkonsistente widersprüchliche Verhalten der Eltern als Herausforderung an das kindliche Anpassungsvermögen gesehen, das versucht, Kontrolle zu erlangen, die es sonst überwiegend nicht erlebt. Millon (1981; Millon und Everly, 1985) geht davon aus, dass der Mensch mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung von überaus stark kontrollierenden Eltern darin eingeschränkt wird, sich autonom oder abweichend von einer sozialen Erwünschtheitsperspektive, also konformistisch zu verhalten. Die Identitätsentwicklung und der reife Umgang mit Normen und Werten soll dadurch in der Lebensperspektive erschwert werden. Als Kind soll das zwanghafte Verhalten direkt und indirekt innerhalb der Familie gelernt werden dadurch, dass Strafe vermieden werden kann durch Akzeptieren und kritikloses Übernehmen der Erwartungen perfektionistischer und strafender Eltern. Die histrionische Persönlichkeitsstörung. Die biologische Grundausstattung der histrionischen Persönlichkeit zeichnet sich durch ein hohes energetisches Level und rasche psychovegetative Reaktionsbereitschaft aus (Millon, 1996). Als Kinder zeigen diese Menschen ein hohes Ausmaß an emotionaler Labilität und Ansprechbarkeit. Ein dominierender Wesenszug ist die überaus große und rasche Reaktionsbereitschaft und die Orientierung an der Gratifikation von außen. Im Erziehungsverhalten der Bezugspersonen wird Reziprozität angenommen, d.h., die histrionische Persönlichkeit stößt offenbar schon als Kind auf soziale Umwelten, die dann Aufmerksamkeit geben, wenn das Kind selbst auf sich aufmerksam macht und stark präsent ist. Diese Entwicklung wird durch wenig auf Disziplin ausgerichtete Erziehung unterstützt. Vermutlich wird diese Entwicklung auch verstärkt durch wenigstens einen histrionischen Elternteil, der via Modellernen und entsprechende selektive Verstärkung des histrionischen Verhaltens des Kindes den Kreislauf weiter aufrechterhält. Kurzlebige Beziehungen, vorherrschende Beschäftigung mit Äußerlichkeiten und perma29 nente Verleugnung und Verdrängung innerer Bewegung machen Weiterentwicklungen aus dem histrionischen Kreislauf hinaus für die betreffende Person aus eigener Kraft sehr schwer. Benjamin (1993) geht davon aus, dass histrionische Persönlichkeiten über operante Verstärkungsmechanismen gelernt haben, mit äußerer Attraktivität, gutem Aussehen und Charme viel bewirken zu können, um bei wichtigen Bezugspersonen eigene Ziele zu erreichen. Sie postuliert in elterlichem Erziehungsverhalten unvorhersehbare Brüche und Inkonsequenzen, auf die sich das Kind durch das histrionisch gefärbte Verhalten einstellt und die gleichzeitig wieder Modell bieten für eigenes dramatisches Verhalten. Warmherzige Zuneigung durch wichtige Bezugspersonen wird vor allem durch Kranksein und Klagen erreicht und ist nicht selbstverständlich verfügbar. Die Tendenz zur Verleugnung von inneren Konflikten geht mit dieser funktionalen Verstärkung von Kranksein einher und fördert die Neigung zur Externalisierung von emotionalem Druck in Form der Krankenrolle. Die dependente Persönlichkeitsstörung. Bei der Entwicklung der dependenten Persönlichkeitsstörung wird als charakteristisches Bindungsmuster (Bowlby, 1969; 1977) die „angstbeladene Bindung“ angenommen, die aus der vom Kind nicht sicher erlebten Präsenz und Ansprechbarkeit der Bezugsperson resultieren soll. Dieses frühe Bindungsmuster wird gewissermaßen in späteren Beziehungen wiederbelebt und verursacht auf diese Weise die ständige Angst, alleingelassen zu werden, wodurch sich die extreme Abhängigkeit vom Partner erklärt. Millon und Everly (1985) vermuten, dass dependente Persönlichkeiten als Kind ängstliche, in sich zurückgezogene oder traurige Wesenszüge aufwiesen, die bei den Bezugspersonen überbehütendes Verhalten auslösten. Als physiologische Grundausstattung wird entweder ein ektomorpher Körpertyp, also dünn und zerbrechlich, oder ein endomorpher Körpertyp, d.h. schwerfällig und plump, vermutet, wodurch die geringe energetische Ladung, die zu einem Mangel an physischer Kraft und Vitalität führt, verursacht wird. Diese biologischen Prädispositonen in Wechselwirkung mit der Überbehütung durch die Bezugspersonen münden in der dependenten Persönlichkeitsstruktur. Geringe Expressivität und stark ausgeprägte Kontrolle scheinen die Familien, in denen dependente Persönlichkeiten heranwachsen, zu charakterisieren (Hend, Baker & Williamson, 1991). Operante Konditionierung durch verstärkendes Erziehungsverhalten auf dependente Verhaltensweisen unterstützen die Entwicklung der sozialen Ängstlichkeit und die mangelnde Zuversicht in die eigene Handlungswirksamkeit. Benjamin (1993) geht von einer zu lange andauernden behütenden und versorgenden Haltung von Eltern aus, die die Autonomie des Kindes nicht angemessen zum richtigen Zeitpunkt fördern. Auf diese Weise entwickeln sich bei diesen Kindern Selbstzweifel und geringe Selbstachtung, die die Kränkungen durch andere erdulden lassen. Diese, die Herabsetzung hinnehmende Haltung wird durch die unzureichende Handlungskompetenz ungünstig ergänzt, die durch die überversorgende elterliche Haltung mitverursacht wurde. Vor diesem Hintergrund werden Gefühle, unzureichend und unfähig zu sein, ständig verstärkt und setzen wiederum die rasche Bereitschaft, sich unterdrücken zu lassen, erneut in Gang. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Von der biologischen Grundausstattung her wird bei der narzisstischen Persönlichkeit angenommen (Millon, 1996), dass, ähnlich wie bei der histrionischen Persönlichkeit, eine Neigung zur Hyperreagibilität besteht. Als Kinder, so wird angenommen, fallen diese Persönlichkeiten oft als vielversprechend oder besonders talentiert auf. Besonders wird eine frühe Sprachentwicklung vermerkt und eine besondere Ausrichtung der Kinder auf interperso30 nelle Prozesse. Das typische Verhalten der Eltern besteht in Bewunderung und in der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Erwartung an das Kind, außerordentlich zu sein, um den Eltern zu gefallen. Einzelkinder sind überproportional häufig ebenso wie der Verlust enger Bezugspersonen in der Kindheit. Früh wird ausbeuterisches und manipulatives Verhalten, auch durch das Modell der Eltern, gelernt, wodurch ein gering ausgeprägtes Verantwortungsgefühl für andere und auch ein geringes Interesse an sozialen Belangen resultiert. Diese innere Haltung korrespondiert dann wieder mit dem narzisstischen Grundzug der ausschließlichen Beschäftigung mit dem eigenen Selbst. Benjamin (1993) vermutet, dass narzisstische Persönlichkeiten in einem kritiklosen und das Kind uneingeschränkt bewundernden Familienklima aufwachsen. Introspektion und Selbstreflexion werden dabei nicht gefördert, ebenso wenig wie die Fähigkeit, die Perspektive des andern zu übernehmen und die Welt aus seiner Sicht zu sehen. Daraus resultiert der Anspruch, bewundert werden zu wollen und das Unvermögen, sich in andere hineinzuversetzen. Diese Haltung kollidiert dann in der weiteren Entwicklung mit der unvermeidlichen Enttäuschung, die die Eltern dem Kind deutlich vermitteln, wenn es die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt. Da wirkliche Bewältigungskompetenzen fehlen, bleibt eine große Empfindlichkeit gegenüber Kritik und das fast unstillbare Verlangen nach Bewunderung, das Ängste, unzureichend und schwach zu sein, gar nicht erst aufkommen lassen soll. Die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung. Der Grundzug der selbstunsicheren Persönlichkeit besteht in der extremen Anspannung und Angst im Umgang mit Menschen und in dem einzig zur Verfügung stehenden Heilmittel, nämlich der Abschottung vor anderen, obwohl sie sich gleichzeitig diese Nähe wünschen. Millon und Everly (1985) vermuten, dass selbstunsichere Persönlichkeiten häufig auf elterliche Ablehnung und Kränkung gestoßen sind, die dann in der so wichtigen adoleszenten Phase abgelöst wurden von der Ablehnung durch die Peer-group. Diese Umweltbedingungen treffen bei selbstunsicheren Persönlichkeiten auf hoch irritierbare biologische Grundmuster, die über ein niedrigschwellig leicht erregbares vegetatives Nervensystem aktiviert werden. Vermutlich haben die Eltern hohe eigene Standards, die sie an die Leistungen und Verhaltensweisen des Kindes anlegen. Wird die so hochgelegte Marke nicht erreicht, wird das Kind mit Abwertung, Kränkung und Demütigung bestraft. Diese frühen Erfahrungen führen zu überdauernden inneren Einstellungen und Erwartungen, die in einem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit wurzeln und in einer generalisierten Angst vor Zurückweisung in sozialen Situationen. Selbstmitleid, Ängstlichkeit und depressive Verarbeitung als Folge der Selbstabwertung und ängstlichen Erwartungshaltung tragen im Sinn eines Circulus vitiosus wieder zur Bestätigung der selbstunsicheren Grundannahmen und Überzeugungen bei. Benjamin (1993) nimmt an, dass selbstunsichere Persönlichkeiten in ihrer frühen Entwicklung gut versorgt und sicher gebunden (Bowlby, 1977) waren. Daraus resultiert das große Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung, das aber durch unbarmherzige Eltern frustriert wird, die perfektionistische Ansprüche haben. Fehler oder Unzulänglichkeiten des Kindes werden durch Demütigung und Herabsetzung bestraft. Als Erwachsene vermeiden die so aufgewachsenen Kinder Situationen und Aufgaben, an denen sie scheitern könnten und vermeintlich wieder Anlass zur Herabsetzung und zum Ausgeschlossenwerden bieten. Die Borderline-Störung. Bei der Entwicklung von Menschen mit BorderlineStörungen wurden überzufällig häufig schwere Traumatisierungen festgestellt (van 31 der Kolk, 1999). Fiedler (2000) weist darauf hin, dass es auch BorderlineEntwicklungsverläufe gibt, die keine Traumatisierung aufweisen. Dabei handelt es sich offenbar um solche Menschen, die in ihrer Kindheit auffällig sozial gehemmt und ängstlich gewesen waren. Als verursachende Faktoren werden ausgeprägte emotionale Vernachlässigung der Kinder diskutiert, ebenso wie rigide Erziehungsmuster und ein fortwährend die Person kränkendes Erziehungsverhalten. BorderlinePatienten mit schwerwiegendem Trauma in der Vorgeschichte weisen typischerweise posttraumatische Störungen wie Amnesien, Depersonalisation, Derealisation, Identitätsstörungen und selbstverletzende Tendenzen auf. Die Traumatisierung zieht offensichtlich erhebliche affektive Dysregulation nach sich, die zu Destruktivität im sozialen Verhalten und in der Selbststeuerung führt. Jedoch auch die BorderlinePersönlichkeiten, die kein Trauma erfuhren, sondern offenbar einer vernachlässigenden rigiden und invalidierenden Erziehung ausgesetzt waren, können ein stark beeinträchtigtes soziales Interaktionsverhalten zeigen. Auch hier bilden die Probleme der affektiven Regulierung den Boden für die Störung in den sozialen Beziehungen und in der Selbststeuerung. Die Wahrnehmung und der Ausdruck der eigenen Emotionen wird durch das ungünstige Erziehungsverhalten nicht gelernt und erfahren, sondern bleibt in der unzureichenden Form stecken, die in der Folge dann die Beziehungswelt beeinträchtigt. Millon (1981) sieht als virulenten Kern der Borderline-Persönlichkeitsstörung ein nicht-kohärentes Identitätsgefühl und geht davon aus, dass die BorderlinePersönlichkeit im Grunde eine schwergewichtigere Variante der abhängigen, histrionischen und passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung sei. Er setzt seine drei Grundtypen in Beziehung zu bestimmten familiären Mustern, die entsprechend geeignet sind, die Ausformung der jeweiligen Borderline-Variante zu begünstigen. Unterschieden wird der warme, aber überbehütende Erziehungsstil, während bei der histrionisch gefärbten Borderline-Persönlichkeitsstörung das elterliche Erziehungsverhalten zwar konsequent verstärkt, aber nur im von den Eltern erwünschten Sinne, so dass die Kinder lernen zu funktionieren, wenn sie Unterstützung, Aufmerksamkeit und Zugewandtheit erhalten wollen. Die passiv-aggressiv gefärbte BorderlinePersönlichkeitsstörung soll sich in Erziehungsumwelten entwickeln, die durch inkonsistente, schwer voraussagbare Reaktionen geprägt sind. Millon vermutet eine dominierende Gefühlsorientierung, die abruptes und impulsdurchbrüchiges Verhalten verursacht und nur ein gering ausgeprägtes rationales, auf abwägender Überlegung beruhendes Handeln ermöglicht. Lorna Benjamin (1993) nimmt an, dass BorderlinePersönlichkeiten in emotional-chaotischen Familien aufwachsen und dass Alltagsroutine ohne Aufregungen den Betroffenen leer und langweilig vorkomme. Destruktive Internalisierungen machen es der Borderline-Persönlichkeit unmöglich, stabile Gefühle von Wert und Glück zu entwickeln. 2.3.2 Der kognitive Ansatz von Beck und Mitarbeitern Die Arbeitsgruppe um Beck und Freeman (Beck et al., 1990; Fleming, 1996; Freeman, Pretzer, Fleming & Simon, 1990; Pretzer, 1996) bezieht sich auf den kognitiven Erklärungs- und Behandlungsansatz, wie er erstmalig von Beck und Mitarbeitern (Beck et al., 1981) für die Kurzzeitbehandlung der Depression und im weiteren auch für andere Achse-I Störungen entwickelt wurde, überträgt ihn auf die Behandlung der Persönlichkeitsstörungen und hebt das Schema-Konstrukt als grundlegende Einheit der Persönlichkeit hervor. 32 Kognitives Erklärungsmodell. Im kognitiven Konzept werden einige Begriffe, wie automatische Gedanken, situationsspezifisch verstanden, während andere, wie Schemata oder Überzeugungen, als situationsübergreifend gelten. Die persistierenden, unflexiblen Verhaltensmuster bei Persönlichkeitsstörungen werden als sichtbare Zeichen dysfunktionaler Schemata aufgefasst und als interpersonelle Strategien bezeichnet. Persönlichkeitsstörungen sind nach diesem Modell durch besonders extreme, starre und unumgängliche Schemata gekennzeichnet ( z.B. "ich bin nicht liebenswert"), die im Sinne der kognitiven Grundannahme eine kontinuierliche Verzerrung in der alltäglichen Informationsverarbeitung bewirken (z.B. Überbewertung jeglicher Anzeichen von Ablehnung). Sie führen zu entsprechenden interpersonellen Strategien zum Schutz der eigenen Vulnerabilität (z.B. Vermeidung von Situationen der Bewertung), bestätigen sich in komplexen Interaktionsprozessen immer wieder und verhindern, dass neue Erfahrungen gemacht werden. Die Art und Weise, wie die Betroffenen auf diese Situationen reagieren, können als ich-syntone Bewältigungsversuche verstanden werden, gegenüber diesen Situationen zu bestehen, als Verhalten zum Schutz der eigenen Vulnerabilität. So kann z.B. die überwertige Selbstdarstellung und geringe Empathie eines Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung als selbstschützendes Verhalten betrachtet werden, der Angst vor Kritik und Ablehnung entgegenzuwirken oder die extrem misstrauischen und überempfindlichen Reaktionen eines Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung schon bei harmlosen Bemerkungen als Versuch, einer befürchteten Abwertung oder Täuschung zu begegnen. Das Ausmaß dieser Störungen hängt auch davon ab, ob die Betroffenen mit ihrem Verhalten auf Verständnis stoßen und sozialen Rückhalt finden. Da die Selbsthilfeversuche der Betroffenen für die Umgebung oft nicht nachvollziehbar sind, sondern meistens als Verletzung interpersoneller Umgangsformen verstanden werden, provozieren sie geradezu die Kritik und Ablehnung bei anderen, vor der sich die Betroffenen zu schützen versuchen (vgl. Fiedler, 1995) So erfährt der Mensch mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, dass andere seine überwertige Selbstdarstellung nicht teilen und von ihm eine realistische Sichtweise einfordern. Und genau diese Bedrohung führt wiederum fast zwangläufig in einen erneuten Rechtfertigungszwang und zu einer Aufrechterhaltung des Verhaltens. Oder der Mensch mit paranoider Persönlichkeitsstörung erzeugt durch sein Misstrauen erst recht das Misstrauen und die Feindseligkeit der anderen, was ihn in seinem Weltbild bestätigt. Pretzer (1996) hebt diese Zusammenhänge in einer neueren Definition von Persönlichkeitsstörungen hervor: "Die kognitive Sichtweise der Persönlichkeitsstörungen bezieht diesen Begriff auf Individuen mit durchgängigen, sich selbst aufrechterhaltenden kognitiv-interpersonalen Kreisläufen, die so dysfunktional sind, dass sie in eine psychotherapeutische Behandlung führen"(S. 160). Zur Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen können nach Beck und Mitarbeitern (1990) im Sinne eines bio-psycho-sozialen Ansatzes verschiedene Faktoren und ihre Wechselwirkungen beitragen. Genetische Prädispositionen werden als "Neigungen" betrachtet, die durch Erfahrung akzentuiert oder abgebaut werden können. So sind z.B. Menschen mit dependenter Persönlichkeitsstörung auf enge Bindungen fixiert, die im Laufe der Entwicklung von den Bezugspersonen aus unterschiedlichsten Gründen verstärkt werden können oder es werden dysfunktionale Muster von Bezugspersonen über Identifikationsprozesse und durch Modellernen übernommen und weiterentwickelt. Die Aufarbeitung frühkindlicher Erfahrungen zeigt in vielen 33 Fällen, dass sich Persönlichkeitsstörungen aus der kompensatorischen Bewältigung traumatischer Kindheitserlebnisse entwickeln: eine paranoide Persönlichkeitsstörung kann sich als Reaktion auf frühe Erfahrungen von Verrat und Täuschung herausbilden oder eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung als Reaktion auf chaotische Zustände in der Kindheit. Für jede Persönlichkeitsstörung wurde ein spezifisches "kognitiv-behavioralemotionales Profil" erarbeitet, das am Beispiel der paranoiden Persönlichkeitsstörung konkretisiert werden soll: • Selbstbild: Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung sehen sich selbst als rechtschaffen und glauben , von anderen schlecht behandelt zu werden • Bild über die Mitmenschen: Sie betrachten andere Menschen im wesentlichen als unaufrichtig, als Betrüger und Verräter, die verdeckt manipulieren und sich gegen sie verschwören • Hauptannahmen: "Ich bin anderen Menschen gegenüber verletzlich", "Man kann anderen Menschen nicht trauen", "Ihre Motive sind suspekt", "Sie täuschen mich, sie wollen mich hintergehen oder geringschätzen" • Hauptstrategien: Sie sind vorsichtig, misstrauisch, äußerst wachsam und jederzeit auf der Suche nach Hinweisen, die "verdeckten Motive" oder "Feinde" zu entlarven • Hauptaffekt: Ärger über die angeblich schlechte Behandlung und Angst vor wahrgenommener Bedrohung In der nachfolgenden Tabelle 5 sind ausgewählte Persönlichkeitsstörungen im Sinne des „kognitiv-behavioral-emotionalen Profils“ nach Beck zusammenfassend dargestellt. Tab. 5 Das Eigenschaftsprofil nach Beck et al. (1993) für ausgewählte Persönlichkeitsstörungen PersönlichkeitsStörung Zwanghaft Selbstbild Verantwotungsbewusst Pflichtbewusst Anspruchsvoll Histrionisch Bezaubernd Eindrucksvoll Bild über Hauptannahmen Mitmenschen Verantwortungslos Ich weiß, was das Beste ist. Nachlässig Einzelheiten sind wesentlich. Inkompetent Die Leute sollten sich mehr Mühe geben. Verführbar Menschen sind dazu da, um mir zu dienen oder mich zu bewundern. Sie haben nicht Empfänglich das Recht, mir das zu verweigern, was mir rechtmäßig zuBewunderer steht. Ich kann mich von meinen Gefühlen leiten lassen. 34 Hauptstrategien Hält sich an Regeln Perfektionismus Bewertet, kontrolliert Theatralisch, charmant; Wutausbrüche, Weinen; Selbstmordversuche Fortsetzung Tab.5 PersönlichkeitsStörung Dependent Narzisstisch Selbstunsicher Selbstbild Bedürftig Bild über Mitmenschen (idealisiert) Schwach Fürsorglich Außergewöhnlich, einzigartig Minderwertig Mir stehen Sonderregeln zu; ich bin überlegen Ich stehe über den Regeln Verletzbar durch Abwertung, Ablehnung Sozial ungeschickt Bewunderer Inkompetent Überlegen Ich bin besser als andere Kritisch Demütigend Hauptannahmen Hauptstrategien Ich brauche Menschen, um zu überleben, um glücklich zu sein. Ich brauche ständig Unterstützung, Ermutigung. Da ich etwas Besonderes bin, verdiene ich besondere Regeln. Ich stehe über den Regeln. Baut dependente Beziehungen auf Benutzt die anderen Übergeht Regeln Manipuliert Es ist schlimm, abgelehnt, gedemütigt zu werden. Wenn andere mein wahres Ich kennenlernen, werden sie mich ablehnen. Ich kann unangenehme Gefühle nicht ertragen. Vermeidung von Situationen der Bewertung Vermeidung von unangenehmen Gedanken und Gefühlen Bei der Darstellung der Eigenschaftsprofile der verschiedenen Persönlichkeitsstörungen wird auf eine systematische Beschreibung der Borderline-Persönlichkeitstörung verzichtet, da sich diese aufgrund ihrer Komplexität und ihrer innewohnenden Ambivalenzen nur schwer so vereinfacht darstellen lässt. Bei der Borderline-Persönlichkeit sind eine Vielzahl typischer Annahmen und Verhaltensmuster, die auch für viele andere Persönlichkeitsstörungen charakteristisch sind, vereinigt. Beck et al. (1993) heben bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung drei Grundannahmen hervor: „Die Welt ist gefährlich und feindselig:“, „Ich bin machtlos und verletzlich.“ und „“Ich bin von Natur aus inakzeptabel.“ Zusammen mit dem dichotomen Denken der Betroffenen und ihrem schwachen Identitätssinn bilden diese Grundannahmen ein komplexes System mit sich selbstverstärkenden kognitivinterpersonellen Kreisläufen und tragen wesentlich zur Störung bei. Kognitives Behandlungskonzept. Aus den prototypischen Schemata des Patienten bzw. seiner jeweiligen Persönlichkeitsstörung ergeben sich ausdrücklich störungsspezifische Therapieempfehlungen für den Therapeuten, die sich sowohl auf die Gestaltung der therapeutischen Beziehung und Zusammenarbeit als auch auf die weiteren Problembereiche und Vorgehensweisen beziehen. Im Rahmen einer kognitiven Schwerpunktsetzung läßt sich der Behandlungsansatz von Beck und Mitarbeitern als ein aktiver und hypothesengeleiteter empirischer Therapieansatz charakterisieren, der auf einem individualisierten Konzept der Probleme eines jeden Pa- 35 tienten basiert und der interpersonelle, kognitive, verhaltens- und erlebnisorientierte Interventionen ebenso umfasst wie die Einbeziehung der sozialen Umwelt in die Therapie. Therapeutische Zielsetzungen. Das Hauptgewicht des kognitiven Behandlungsansatzes liegt auf der Entwicklung neuer und der Modifikation alter Schemata. Schemata können rekonstruiert, modifiziert und neuinterpretiert werden. Das Ziel einer "schematischen Rekonstruktion" (z.B. ein Patient mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung wird zu einem vertrauensseligen Menschen) scheint kaum erfolgversprechend, erinnert eher an die behavioristische Machbarkeitsideologie vergangener Jahre und überfordert in der Regel Patient und Therapeut. Als Folge stellen sich im therapeutischen Verlauf dann schnell Frustration und Ärger auf den Patienten ein, die scheinbar ungenügende Mitarbeit des Patienten wird als therapiewidriges Verhalten gegen den Therapeuten gerichtet interpretiert, und dem Patienten wird eine interaktionelle Flexibilität unterstellt, über die er nicht verfügt. Für den Patienten bedeuten derartige Zielsetzungen eine grundlegende Infragestellung der eigenen Person und des eigenen Selbstwerts. Sie verleugnen die tatsächlich oft schwierigen Umstände, unter denen er aufgewachsen ist bzw. unter denen er lebt. Wenn festgestellt wird, dass ein Patient andere Menschen als böswillig wahrnimmt, so ist auch nicht unbedingt davon auszugehen, dass die Ansichten des Patienten verzerrt sind. So könnte der Patient mit feindseligen Menschen zu tun haben oder die Feindseligkeit anderer provoziert haben. Anstatt nun davon auszugehen, dass alle Menschen schlecht sind, könnte der Patient im Sinne einer "Schema-Modifikation" unterscheiden lernen, wem er mehr oder weniger trauen kann. In Übereinstimmung mit den entsprechenden kognitiven Interventionen ist es dann auch wichtig, das der Patient seine dysfunktionalen Interaktionen verändert, damit er keine weiteren feindlichen Reaktionen anderer provoziert oder auch relevante Bezugspersonen in die Therapie einzubeziehen. Angemessener und versöhnlicher sind also Zielsetzungen, die in Richtung einer "schematischen Modifikation" (ein Patient mit paranoider Persönlichkeitsstörung lernt einigen Menschen in einigen Situationen zu vertrauen) oder auch einer "Neuinterpretation der Schemata" gehen. Letzteres bedeutet, dass dem Patienten geholfen wird, das eigene Verhalten im Kontext seiner Biographie als sinnhaftes, selbstschützendes Verhalten zu verstehen, und alle Möglichkeiten auszunutzen, die Umwelt so zu gestalten, dass er mit seiner persönlichen Eigenart befriedigender leben kann und seine persönlichen Eigenarten unter Umständen auch als Kompetenzen zum Ausdruck kommen können (vgl. Fiedler, 1995). So könnte sich ein Patient mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung einen Arbeitsplatz suchen, der in seinen Anforderungen seinem Arbeitsstil entspricht. Die dysfunktionalen Annahmen, die "nur" mit klinischen Syndromen wie Angst- oder Affektstörungen einhergehen, sind weniger stabil und leichter veränderbar. Somit ist die Behandlung der komplexeren, tiefverwurzelten Probleme bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wesentlich langwieriger und stellt spezifische Anforderungen an die interaktionelle und methodische Kompetenz des Therapeuten. Beck und Mitarbeiter sprechen hier auch von der „Charakterphase“ der Behandlung und geben eine Behandlungsdauer zwischen 12 und 20 Monaten an im Unterschied zu 12 -20 Wochen bei der kognitiven Therapie von Achse-I Störungen. Die Fülle und Intensität der Problembereiche bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen sollte nicht zu unrealistischen Erwartungen hinsichtlich der Ziele, des therapeutischen Aufwandes oder der raschen Veränderbarkeit führen. In jeder Phase des 36 Behandlungsverlaufs ist zu prüfen, welche konkreten Ziele aktuell relevant und erreichbar sind und welche Prioritäten auch durch die soziale Realität gesetzt werden. Therapeutische Interventionen. Zur Entwicklung neuer und zur Modifikation alter Schemata werden klassische kognitive Techniken wie z.B. Aufdecken dysfunktionaler Annahmen unter Anleitung, empirisches Vorgehen zur Überprüfung der Validität der Annahmen, Reattribuierung oder die Verwendung von Schema-Tagebüchern vorgeschlagen. Um die Validität der in der Kindheit entstandenen Schemata anhand der Realität prüfen zu können, müssen diese Annahmen jedoch bewusst gemacht werden. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei erlebnisorientierte Vorgehensweisen ein ("experientel techniques"), die die Schemata verfügbarer machen (als sogenannte "heiße Schemata"). So erleichtert das kathartische Erleben im psychodramatischen Rollenspiel den Zugang zu den beherrschenden Schemata (im Sinne des "statedepending-learning"). Das wiederholte Betrachten zentraler Kindheitsepisoden kann Einblick geben in die Ursprünge der eigenen dysfunktionalen Annahmen (z.B. zu erkennen, dass die Neigung zur Selbstkritik keinen triftigen Grund hat, sondern übernommen wurde von der Mutter, die ständig Kritik übte) und ermöglicht damit eine kognitive Umstrukturierung und Erweiterung der Perspektive (z.B. Abschwächung der eigenen Selbstkritik). Durch Rollentausch kann Verständnis entstehen für das Verhalten wichtiger Bezugspersonen, ihre Aussagen und Urteile können relativiert werden (z.B. dass die Mutter unzufrieden war und ihren Ärger an ihrem Kind ausließ) und damit auch die Einstellungen sich selbst gegenüber. Verhaltenstherapeutische Methoden wie z.B. Aktivitätenplanung, Modellvorgaben, soziales Kompetenz- und Selbstsicherheitstraining, Rollenspiele oder Hausaufgaben können zur Modifikation der selbstzerstörerischen Verhaltensweisen und zur Förderung sozialer Kompetenz und lebenspraktischer Fertigkeiten eingesetzt werden. Eine besondere Beachtung finden im kognitiven Ansatz die Probleme und Strategien der Zusammenarbeit und Beziehungsgestaltung mit der Intention, die Therapiebeziehung an den interaktionellen Möglichkeiten des Patienten zu orientieren und sie als Wirkfaktor für Veränderungsprozesse zu nutzen. Angesichts der Komplexität der Probleme und der schwierigen Beziehungsgestaltung wird die Erfordernis betont, klare und gemeinsame Behandlungsziele zu entwickeln und mit Interventionen zu beginnen, die kein umfassendes Sich-Öffnen erfordern und von Behandlungsbeginn an das Gefühl der Selbstwirksamkeit des Patienten fördern. Am Beispiel der paranoiden Persönlichkeitsstörung sollen Aspekte der Beziehungsgestaltung und Zusammenarbeit kurz dargestellt werden. Angesichts des paranoiden Weltbildes der Patienten überrascht es nicht, dass die Patienten die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Hilfe eher vermeiden, sie hinauszögern und erst dann in einer Psychotherapie erscheinen, wenn andere starken Druck ausüben oder wenn die Lebensverhältnisse unerträglich geworden sind. Es ist offensichtlich, dass gerade die Anfangsphase einer Therapie eine besonders bedrohliche Situation für den Patienten darstellt, da von ihm Verhaltensweisen erwartet werden (Vertrauen schenken, sich offenbaren, intime Gefühle und Gedanken mitteilen, ein Arbeitsbündnis eingehen und Hilfe annehmen), die für ihn gefährlich sind. Der Patient sollte deshalb, mehr als gewöhnlich, die Kontrolle über den Inhalt der therapeutischen Gespräche, über die Hausaufgaben und über die weitere Therapieplanung haben. Da die Patienten ihre paranoiden Einstellungen und Wahrnehmungen selten als zu bearbeitendes Problem sehen und sich oft bedroht fühlen, wenn sie frühzeitig konfrontiert und zur selbstkritischen Einsicht gedrängt werden, 37 ist es wichtig, Verständnis zu zeigen und auf die Therapieziele des Patienten hinzuarbeiten (z.B. besser entspannen können, mehr Selbstsicherheit gewinnen, Partneroder Arbeitsplatzprobleme klären). In Anbetracht der besonderen Wachsamkeit des Patienten gegenüber strategischem und manipulierendem Verhalten sollte sich der Therapeut Mühe geben, klar und eindeutig zu kommunizieren, und die Therapie transparent zu gestalten. Förderlich für die Vertrauensbildung ist, das Misstrauen des Patienten offen anzusprechen und zu respektieren, verbunden mit dem Angebot, sich Zeit zu lassen für den Prozess der Entwicklung gegenseitigen Vertrauens, Missverständnisse offen anzusprechen und zu klären und sich darauf einzulassen, die Worte des Therapeuten an seinen Taten zu messen. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass der Therapeut das Misstrauen des Patienten nicht als persönlichen Angriff wertet. Das Misstrauen des Patienten kann sich eher verstärken, wenn der Therapeut den Patienten versucht zu überreden, ihm zu vertrauen, oder wenn der Therapeut sich übermäßig verständnisvoll um den Patienten bemüht. Beide Verhaltensweisen können vom Patienten als Täuschungsmanöver wahrgenommen werden, letztere in dem Sinne, dass die besondere Freundlichkeit des Gegenübers gerade der Beweis für seine böse Absicht ist. Eine übermäßig verständnisvolle Haltung des Therapeuten kann auch bald ins Gegenteil einer gekränkten, verärgerten oder misstrauischen Haltung umschlagen, wenn der Patient die besonderen Anstrengungen des Therapeuten nicht "honoriert" durch eine entsprechende Verhaltensänderung. Auch diese Interaktions-Sequenz kann aus der Sicht des Patienten wieder als Beleg gelten für die manipulative Absicht des Therapeuten. Die Probleme in der Therapeut-Patient-Beziehung sollten als Interventionsgelegenheiten genutzt werden und nicht als Störungen betrachtet werden, die so schnell wie möglich beigelegt werden muss. Patienten mit Persönlichkeitsstörungen nehmen Therapeuten auf Grund ihrer generalisierten Annahmen oft unzutreffend wahr ("Übertragungs-Kognition"). Hier bieten sich Möglichkeiten für neue Erfahrungen an durch eine einfühlsame Aufklärung der Fehlwahrnehmungen und der Missverständnisse. Auftretende Probleme in der Zusammenarbeit gehören sorgfältig analysiert und können nicht nur Ausdruck der persönlichkeitsbedingten Kooperationsstörung des Patienten sein (z.B. Rigidität, Angst vor Veränderungen) sondern auch ihre Ursachen im Verhalten des Therapeuten oder des Teams haben (z.B. geringe Erfahrung, unrealistische Therapieziele), durch das Setting bedingt sein (z.B. mangelnde Kommunikation, Organisation oder Supervision) oder in der Umwelt des Patienten liegen (z.B. wenn die Umwelt die dysfunktionalen Annahmen des Patienten verstärkt oder die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe ablehnt). Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist nicht nur ein individuelles, für den Patienten transparentes Fallkonzept sondern auch eine besondere Flexibilität und Kreativität des Therapeuten im Umgang mit dem Patienten und seinen Problemen (z.B. lebendige und anregende Sprache, Humor, Verwendung von Anekdoten und Metaphern) sowie die Bereitschaft, Verständnis für die besondere Eigenart des Patienten zu gewinnen. 2.3.3 Der schematheoretische Ansatz von Young Young (1990) publizierte im gleichen Jahr wie Beck und Mitarbeiter ebenfalls einen schematheoretischen kognitiven Therapieansatz zur Behandlung von Persönlich38 keitsstörungen. Die beiden Ansätze gleichen sich in ihrer schematheoretischen Grundlegung (bei Young findet man eine etwas systematischere Darstellung) als auch in ihrem therapeutischen Vorgehen. Im Unterschied zu Beck und Mitarbeitern entwickelt Young allerdings keine spezifischen Modelle bzw. kognitiv-behavioralemotionalen Profile für die jeweiligen Persönlichkeitsstörungen und setzt sich auch nicht mit den einzelnen Persönlichkeitsstörungen diagnostisch, theoretisch und klinisch auseinander. Young wählt einen anderen Zugang, indem er eine begrenzte Anzahl "früher nicht-adaptiver Schemata" im Kontext primärer Entwicklungsbereiche identifiziert als Heuristik für die individuelle Schemaanalyse und Therapie bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. Young verweist mit Bezug auf Millon (1981) auf die besonderen psychopathologischen Charakteristika von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen ("Rigidität", "kognitive und affektive Vermeidung" und "interpersonelle Schwierigkeiten") und geht davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen durch extrem stabile und dauerhafte Denkmuster gekennzeichnet sind, die im kognitiven Therapieansatz für depressive Störungen oder Angststörungen bisher zwar betont, aber nicht ausreichend und systematisch genug berücksichtigt werden. Diese "frühen nicht-adaptiven Schemata" entstehen während der Kindheit und sind nach Young vor allem das Ergebnis wiederkehrender ungünstiger alltäglicher Erfahrungen (z.B. ist ein Kind, das ständig kritisiert wird, weil es die Erwartungen der Eltern nicht erfüllt empfänglich für die Entwicklung eines Schemas der Inkompetenz und des Misserfolgs) und weniger das Ergebnis isolierter traumatischer Erfahrungen. Young vermutet ebenso wie Beck und Mitarbeiter eine biologische Vulnerabilität, die die Entwicklung dieser Schemata begünstigen kann, die prägenden Faktoren sieht aber auch er im sozialen Einfluss der Eltern, der Geschwister und der Peer-Gruppe. Young hebt fünf primäre Entwicklungsbereiche hervor (Autonomie, Zugehörigkeit, Selbstwert, die Fähigkeit angemessene Erwartungen an die eigene Person und an Andere zu stellen sowie die Fähigkeit realistische Grenzen für das eigene Verhalten zu akzeptieren und umzusetzen) und identifiziert insgesamt fünfzehn frühe nicht-adaptive Schemata, die er diesen fünf Bereichen zuordnet als Ergebnis einer ungünstigen Entwicklung. Als Beispiel sollen die Schemata bei beeinträchtigter Autonomie dargestellt werden: 1. 2. 3. 4. "Dependence": Die Überzeugung, alleine nicht zurecht zu kommen und jemanden zu brauchen, auf den man sich verlassen kann. "Subjugation/lack of individuation": Der freiwillige oder unfreiwillige Verzicht auf die eigenen Wünsche, um die Wünsche der anderen zu befriedigen. "Vulnerability to harm and illness": Die Furcht, es könne einen zu jeder Zeit ein Unheil treffen. "Fear of losing self-control": Die Furcht, unfreiwillig die Kontrolle über das eigene Verhalten, die Gefühle, das Denken oder den Körper zu verlieren. Young beschreibt in seinem Patientenmanual sehr anschaulich an Beispielen wie die Umwelt in jedem dieser Bereiche einen günstigen Einfluß auf die gesunde Entwicklung des Kindes nehmen kann (z.B. Autonomie: Ermunterung zum Ausdruck eigener Bedürfnisse ohne ungerechtfertigte Einschränkungen oder Bestrafungen) oder wie durch ungünstige Verhaltensweisen eine Vulnerabilität des Kindes für die Entwicklung früher nicht-adaptiver Schemata begünstigt wird. Die Funktionsweisen der Schemata und die damit verbundenen kognitiven, affektiven und behavioralen Prozesse werden von Young unter den Gesichtspunkten der 39 "schema-maintenance", "schema avoidance" und "schema compensation" zusammengefasst. "Schema-maintenance": Die Schemata werden aufrechterhalten und verewigen sich selbst durch die kognitive Verzerrung von Information und durch schemagesteuerte selbstschädigende Verhaltensweisen. Auf der kognitiven Ebene werden die Schemata aufrechterhalten und verewigen sich selbst durch die kognitive Verzerrung von Information (Überbewertung von schema-bestätigender Information und Verleugnung von schema-widersprechender Information, kognitive Fehler wie Übergeneralisation, dichotomes Denken etc.). Auf der Verhaltensebene werden die Schemata aufrechterhalten durch schemagesteuerte selbstschädigende Verhaltensweisen. Diese können in der Kindheit im familiären Setting angepasst und funktional sein, im späteren Leben sich aber als selbstschädigend erweisen und die Schemata des Betroffenen verstärken (Beispiele: wenn sich jemand mit einem Schema der Unterordnung und fehlenden Individuation immer wieder dominante Partner sucht und damit das eigene Selbstbild verstärkt oder wenn sich jemand mit einem Schema der sozialen Unerwünschtheit/"niemand hier mag mich" zurückzieht). "Schema avoidance": Da die Aktivierung der Schemata mit starken negativen Gefühlen verbunden ist (Ärger, Angst, Schuld) versuchen die Betroffenen die Aktivierung eines Schemas zu vermeiden oder zumindest die Wahrnehmung der Gefühle. Es werden drei Typen der "Schema-Vermeidung" beschrieben: • Kognitive Vermeidung: Ein automatischer oder willentlicher Versuch, Gedanken oder Vorstellungen zu blockieren, die ein Schema auslösen, z.B. folgende Antworten auf die Frage nach auslösenden Ereignissen: "Ich möchte nicht daran denken", "Ich habe es vergessen", wobei insbesondere schmerzhafte Ereignisse vergessen werden (z.B. sexueller Missbrauch). • Affektive Vermeidung: Automatische und willentliche Versuche, Gefühle zu blokkieren, die durch ein Schema ausgelöst werden, z.B. Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörungen, die sich selbst verletzen, um sich taub zu machen gegenüber den unerträglichen Schmerzen, die durch frühe Schemata ausgelöst werden. Andere nehmen kaum negative Gefühle wahr, auch nicht in Situationen, in denen die meisten Menschen extremen Ärger oder Angst erleben. Wieder andere können ihre Gedanken berichten ohne Zugang zu ihren Gefühlen zu haben. • Verhaltensmäßige Vermeidung: Vermeidung von Situationen und Ereignissen, die ein schmerzhaftes Schema auslösen, z.B. jemand mit einem InkompetenzSchema vermeidet eine neue schwierige Aufgabe zu übernehmen und vermeidet damit die starken Ängste, die durch das Schema aktiviert werden. Alle drei Typen der Schema-Vermeidung ermöglichen dem Betroffenen zwar unangenehme und schmerzhafte Wahrnehmungen und Gefühle zu vermeiden, die mit den frühen nicht-adaptiven Schemata verbunden sind, sie verhindern aber Lebenserfahrungen, die die Gültigkeit dieser Schemata in Frage stellen. "Schema compensation": Prozesse der "schema compensation" werden als langfristig meist untaugliche Selbsthilfeversuche des Betroffenen betrachtet, da sie sich oft als überschießend erweisen und zu nachteiligen Folgen führen können. Das individuelle Fallkonzept wird von Young in acht Schritten entwickelt, mit dem Hauptziel, die relevanten Schemata zu identifizieren. Während Beck und Mitarbeiter 40 die therapeutische Arbeit an den grundlegenden Überzeugungen und Schemata eher in einer fortgeschrittenen Therapiephase vorschlagen, arbeitet Young von Therapiebeginn an zielgerichtet und konfrontativer auf die Entdeckung und Modifikation der Kern-Schemata des Patienten hin. Die Beschwerden und Probleme des Patienten werden erfasst, es werden Fragebögen vorgelegt zur Lebensgeschichte (Lazarus, 1980) und zur Erfassung der frühen nicht-adaptiven Schemata (Young, 1990; deutsch: Schmitz & Barkfeld, 1995a) und der Patient wird anhand eines Patientenmanuals ausführlich über den schematheoretischen Ansatz informiert (Young, 1990; deutsch: Schmitz & Barkfeld, 1995b). Einen besonderen Stellenwert zur Identifikation und Überprüfung der Kernschemata nehmen auch bei Young erlebnisorientierte Techniken ein (Vorstellungsübungen, Besprechung gegenwärtiger und vergangener Ereignisse mit starker emotionaler Beteiligung, Klärung der therapeutischen Beziehung, Traumarbeit etc.) sowie konfrontative Techniken zur Überprüfung von individuellen Strategien der Schema-Vermeidung und Schema-Kompensation. Der therapeutische Ansatz von Young ist vergleichbar dem Ansatz von Beck et al. methodenintegrativ und umfasst erlebnisorientierte, interpersonelle, kognitive und verhaltensorientierte Vorgehensweisen. Im Vergleich zur standardmäßigen kognitiven Therapie ist der Ansatz von Young wie auch der von Beck und Mitarbeitern (1990) stärker orientiert an der therapeutischen Beziehung als Wirkfaktor für Veränderungen und der affektiven Beteiligung des Patienten. Während der schemafokussierten Sitzungen wird u.a. durch die Bearbeitung früher Beziehungserfahrungen und die Anwendung erlebnisorientierter Techniken dieser eine größere Bedeutung beigemessen sowohl für die Aktivierung und Überprüfung der Kernschemata wie auch für deren Modifikation. Erlebnisorientierte Techniken, u.a. aus der Gestalttherapie entlehnt, sollen die Schemata verfügbarer und flexibler machen gegenüber Veränderungen. Interpersonelle Strategien (z.B. Klärung und Überprüfung der interpersoneller Schemata, Ermöglichung neuer Beziehungserfahrungen durch "Reparenting": Gestaltung der Beziehung, um bislang unbefriedigte Bedürfnisse zu stillen) sind gefordert, wenn die Schemata in der therapeutischen Beziehung oder Gruppentherapie aktiviert werden. Kognitive Techniken ( z.B. Aufarbeitung von Ereignissen und Informationen, die für bzw. gegen die Schemata sprechen, Klärung nicht-adaptiver Einstellungen und Haltungen in der Familie, Sammlung schema-widersprechender Informationen über den Patienten) sind notwendig zur systematischen Modifikation der Schemata. Mit Hilfe behavioraler Techniken werden die selbstschädigenden Verhaltensmuster modifiziert und notwendige Veränderungen in der Lebenssituation eingeleitet. 2.3.4 Der drei-stufige empirische Behandlungsansatz von Turkat Turkat (1990) schlägt angesichts des geringen Kenntnisstandes zur Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen einen quasi-experimentellen und hypothesenüberprüfenden 3-stufigen Behandlungsansatz im Sinne eines Einzelfalldesigns vor. Der Behandlungsansatz orientiert sich an folgenden drei Stufen: • "Initial interview": In der ersten Stufe wird anhand einer differenzierten Verhaltens- und Bedingungsanalyse, ergänzt durch eine psychiatrische Diagnostik nach DSM-III-R und durch umfassende ätiopathogenetische Informationen ein individuelles Fallkonzept erstellt. Das individuelle Fallkonzept enthält Annahmen a) über den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Problemen des Patienten und 41 b) über deren Ätiopathogenese im Sinne begünstigender, auslösender und aufrechterhaltender Faktoren sowie c) Voraussagen über das zukünftige Verhalten des Patienten. • "Clinical experimentation": Daraufhin erfolgt in der zweiten Stufe die Überprüfung der Konzeptvalidität im Rahmen eines quasi-experimentellen Vorgehens, d.h. mit verschiedensten Methoden wie Verhaltensexperimenten oder Testverfahren werden die spezifischen Voraussagen über das Verhalten des Patienten überprüft. Turkat gibt dazu zahlreiche Beispiele und Anregungen wie z.B. Verhaltensexperimente zur Überprüfung geringer Empathie bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. • "Modification methodology": Sprechen die Ergebnisse für die Validität des Fallkonzepts und sind sich Therapeut und Patient über die Sichtweise der Probleme einig, erfolgt in der letzten Stufe die Aufstellung eines Interventionsplans und die systematische Evaluation der Maßnahmen. Im Unterschied zu standardisierten verhaltenstherapeutischen Vorgehensweisen wird ein individueller Interventionsplan erarbeitet, der sich direkt vom individuellen Fallkonzept ableitet. Der Interventionsplan sollte nicht nur die spezifischen verhaltenstherapeutischen Vorgehensweisen beschreiben sondern auch die therapeutische Strategie in der Gestaltung der Abfolge der Maßnahmen und die Art der Beziehungsgestaltung zum Patienten. Selbst wenn zwei Patienten die gleiche Diagnose haben, z.B. eine paranoide Persönlichkeitsstörung und als Problembereiche eine Überempfindlichkeit gegenüber Kritik sowie geringe soziale Fertigkeiten herausgearbeitet werden, kann sich aus dem individuellen Fallverständnis eine unterschiedliche Reihenfolge im Vorgehen ergeben. Bei dem einen Patienten mag es angebracht sein, im ersten Schritt die Angst vor Kritik zu verringern und dann ein soziales Fertigkeitentraining durchzuführen, da er zu ängstlich ist, um von den kritischen Rückmeldungen zu lernen, die im Fertigkeitentraining verwandt werden. Bei dem anderen Patienten wird unter Umständen zuerst ein Fertigkeitentraining durchgeführt, weil das soziale Verhalten als primär angesehen wird und die Angst vor Kritik als sekundär, da der Patient immer wieder Sozialverhalten zeigt, das die Kritik anderer auslöst. Turkat illustriert seinen 3-stufigen Behandlungsansatz für jede Persönlichkeitsstörung nach DSM-III-R anhand von klinischen Beobachtungen, methodischen Anregungen und Interventionsempfehlungen. Im Unterschied zu den anderen kognitiven und verhaltenstherapeutischen Ansätzen, über die berichtet wird, beschränkt sich Turkat mit seinen Interventionsempfehlungen im Rahmen eines mehrdimensionalen Therapieansatzes auf klassische verhaltenstherapeutische Methoden wie z.B. Training sozialer Fertigkeiten (bei den meisten Persönlichkeitsstörungen angezeigt), Angstbewältigung, Problemlösen oder kognitive Umstrukturierung (vgl. auch Liebowitz et al., 1986). So hebt Turkat z.B. für die Behandlung der paranoiden Persönlichkeitsstörung folgende Problembereiche und Methoden hervor: Verringerung der Überempfindlichkeit gegenüber Kritik durch Methoden der Angstbewältigung und Förderung sozialer Fertigkeiten im Hinblick auf soziale Wahrnehmung, korrekte Informationsverarbeitung, soziale Attraktivität, Umgang mit Feed-back. Inwieweit die von Turkat entwikkelten Konzepte und Interventionen auch auf andere Patienten mit derselben Diagnose übertragbar sind, müssen größere und kontrollierte Studien zeigen. 42 2.3.5 Der Ansatz der dialektischen Verhaltenstherapie bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen von Linehan Linehan hat seit Mitte der 80er Jahre in verschiedenen Artikeln (z.B. 1987, 1989, 1996c) und Buchpublikationen (1993a, 1993b) ihr Konzept der "dialektischen Verhaltenstherapie" bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen dargestellt. Biosoziale Theorie. Linehan vertritt mit ihrem Ansatz der dialektischen Verhaltenstherapie ein affektives Vulnerabilitätskonzept und vermutet eine konstitutionell angelegte Dysfunktion der Affektregulation ("Vulnerabilität) bei Individuen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, die mitverantwortlich sein soll für die heftigen Überreaktionen und das impulsive Handeln der Betroffenen. Emotionale Vulnerabilität bezieht sich auf ein durchgängiges Muster hoher Sensitivität gegenüber emotionalen Reizen, heftigen emotionalen Reaktionen schon auf schwache Reize und eine nur langsame Rückkehr zum Ausgangsniveau und führt zu Gefühlen von Panik, Verzweiflung und dem Überwältigtwerden von Emotionen bis hin zu suizidalem Verhalten. Linehan vergleicht die heftigen emotionalen Überreaktionen von BorderlinePatienten mit der Empfindlichkeit von Patienten mit ausgedehnten Verbrennungen, die die leichteste Berührung oder Bewegung als schmerzhaft empfinden. BorderlinePatienten haben sozusagen keine "emotionale Haut" und erleben vor allem schmerzhafte Emotionen mit besonderer Intensität und Unkontrollierbarkeit. Dieser initialen affektiven Vulnerabilität stehen ungünstige Lernerfahrungen gegenüber, die dazu führen, dass die Betroffenen keine Fertigkeiten zur Emotionsregulierung lernen ("Invalidierungs- bzw. Entwertungssyndrom"). Unter dem Invalidierungssyndrom versteht Linehan die Neigung wichtiger Bezugspersonen, insbesondere negative emotionale Erfahrungen zu missachten, Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung herunterzuspielen und viel Wert auf positives Denken zu legen. Persönliche Erfahrungen und insbesondere emotionale schmerzhafte Erfahrungen werden als nicht angemessene Reaktionen auf Ereignisse gesehen, sie werden bestraft, bagatellisiert, nicht beachtet oder sie werden der Überempfindlichkeit des Betroffenen, seinem Mangel an Motivation, Disziplin oder Anstrengung zugeschrieben. Beispiele für eine Invalidierung sind z.B. sich lächerlich-machen über die Gefühle des Kindes bis hin zu physischem oder sexuellem Missbrauch als prototypischem invalidierenden Umfeld. Vulnerable Individuen lernen in einer invalidierenden Umgebung keine Fähigkeiten der Emotionsregulierung, sie entwickeln kein Gespür dafür, wann sie ihren eigenen Gefühlen trauen können als einer gültigen Interpretation des Geschehens, und sie übernehmen zunehmend die Reaktionen der Umgebung auf die eigenen Gefühle und reagieren mit Scham, Selbstkritik und Selbstbestrafung. Drogen - oder Medikamentenmissbrauch und suizidale oder andere impulsive oder selbstschädigende Verhaltensweisen haben affektregulierende Funktion und werden als Flucht aus dem als überwältigend und unkontrollierbar erlebten Affekt verständlich oder als Warnung an die Umwelt, vorsichtig zu sein und lösen Helferverhalten aus, das sonst nicht zugänglich ist. Dialektik. Linehan verwendet den Begriff "Dialektik" in zweifacher Bedeutung: als Ausdruck einer dialektischen Weltsicht, nach der Ganzheit, Wechselbeziehungen und Veränderungen prinzipielle Charakteristika der Wirklichkeit sind und zur Charakterisierung ihres Behandlungsansatzes und der Strategien, die vom Therapeuten zur Beeinflussung von Veränderungen eingesetzt werden. 43 Linehan begreift die in der psychoanalytischen Konzeption als Spaltung beschriebene Neigung der Borderline-Patienten zu dichotomem Denken als Bestreben, an Gegensätzlichkeiten, d.h. entweder an These oder Antithese festzuhalten und als Unfähigkeit , sich auf eine Synthese hinzubewegen. Ein Beispiel für die Unfähigkeit von Borderline-Patienten zur dialektischen Integration wäre etwa ihr Nichtbegreifen des Paradoxons, dass man gleichzeitig einzigartig oder verschieden und Teil eines Ganzen sein kann. Vielfach versuchen die Patienten ein Gefühl der Einheit und Integration durch die Unterdrückung bzw. Nichtentwicklung der eigenen Identität zu erreichen und sich im Sinne der "as if personality" (falsches Selbst) an die Erwartungen ihrer Bezugspersonen anzupassen. Das Festhalten an Gegensätzlichem und die Unfähigkeit, sich auf eine Synthese hinzubewegen, spiegelt sich nach Linehan in drei bipolaren Verhaltensdimensionen bzw. dialektischen Dilemmata des BorderlinePatienten. So schwankt das Verhalten von Borderline-Patienten zwischen "emotionaler Vulnerabilität" und "Selbst-Invalidierung", zwischen "aktiver Passivität" und "scheinbarer Kompetenz" sowie zwischen "permanenter Krise " und "gehemmter Trauer". Emotionale Vulnerabilität versus Selbst-Invalidierung. Je nachdem, ob die Betroffenen ihre eigene Vulnerabilität validieren oder invalidieren, schwankt ihr Verhalten zwischen emotionaler Vulnerabilität und Selbst-Invalidierung und führt zu zwei gegensätzlichen Erfahrungen ihrer Situation. Wird die eigene Vulnerabilität validiert, so ist die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit oft begleitet von einem starken Zorn auf andere, die kein Verständnis haben und einem Bemühen, zu beweisen, dass man ihre Erwartungen nicht erfüllen kann (auch mit suizidalen und anderen extremen Verhaltensweisen). Mit der Selbst-Invalidierung übernimmt das Individuum die Charakteristika des "invalidierenden Umfeldes", in dieser Stimmung tritt häufig übermäßige Selbstkritik und Selbstbestrafung auf oder es werden oft unrealistische Zielsetzungen verfolgt, die unweigerlich scheitern müssen. Aktive Passivität versus scheinbare Kompetenz. Aktive Passivität bezieht sich auf die bei Borderline-Patienten vorhandene Neigung, sich als unfähig zu erleben, eigene Probleme zu lösen und von anderen eine Lösung zu erwarten oder zu fordern. Da die Patienten die Erfahrung machen, trotz erheblicher Anstrengungen zu versagen, entwickeln sie ein typisches Muster der erlernten Hilflosigkeit mit intensiven emotionalen Reaktionen auf den drohenden oder erlittenen Verlust wichtiger Bezugspersonen, verbunden mit übermäßigen Erwartungen und starker Abhängigkeit von anderen. Scheinbare Kompetenz kennzeichnet den Gegenpol dazu und bedeutet, dass Borderline-Patienten leicht einen täuschend kompetenten Eindruck vermitteln. Die Täuschung beruht u.a. darauf, dass die tatsächlich vorhandenen Kompetenzen der Betroffenen nicht über alle relevanten Situationen und nicht über die verschiedenen Stimmungslagen hinweg generalisiert werden können, sondern im Gegenteil extremen Schwankungen unterworfen sind. Scheinbare Kompetenz kann das invalidierende Umfeld verewigen, indem sie andere, einschließlich den Therapeuten, davon überzeugt, dass der Betroffene über mehr Kompetenz verfügt, als er tatsächlich hat. Permanente Krise versus gehemmte Trauer. Permanente Krise kennzeichnet die anscheinend niemals endenden persönlichen Krisen der Patienten und ihre Unfähigkeit, auf ein Grundniveau "neutralen" emotionalen Funktionierens zurückzukehren. Die Krisen, die häufig mit traumatischen Ereignissen zusammenhängen, werden in44 tensiviert durch die individuelle Vulnerabilität und mangelnde zwischenmenschliche Fertigkeiten der Betroffenen und durch fehlende soziale Unterstützung. Gehemmte Trauer bezeichnet die Neigung, die Erfahrung und Erinnerung starker negativer Emotionen zu hemmen, was verhindert, das die wiederholten Traumen und Verluste (Inzest, physischer und sexueller Missbrauch, Tod eines Elternteils oder Geschwisters, Vernachlässigung etc.) tatsächlich durchlebt und integriert werden. Das Individuum wird von ständigen Verlusten überfordert ("bereavement overload") und vermeidet alle negativen Gefühle einer notwendigen Trauerarbeit ("wenn ich zu weinen anfange, werde ich nicht wieder aufhören können zu weinen"). Das Behandlungskonzept Die dialektische Verhaltenstherapie (DBT) verbindet einen verhaltenstherapeutischen Ansatz, der klassische Methoden wie Problemlöse- und Fertigkeitentraining, Exposition oder Kontingenzmanagement umfasst, mit Prinzipien der Zen-Philosopie und der Betonung dialektischer Prozesse und Strategien. Die Behandlung wird durchgeführt in einer gleichzeitigen Anwendung von Einzel- und Gruppentherapie. Die standardisierte Gruppentherapie dient ausschließlich der Vermittlung spezieller Fertigkeiten (emotional-kognitve Balance, Emotionsregulierung, Stresstoleranz, soziale Kompetenz). In der Einzeltherapie werden die individuellen Probleme bearbeitet, die sich aus der Symptomatik der Borderline-Persönlichkeitsstörung ergeben, und es werden individuelle Fertigkeiten gefördert. Die einzelnen Problem- und Zielbereiche sind hierarchisch geordnet nach ihrer Priorität für den Behandlungsverlauf: • Verringerung von suizidalen und parasuizidalen Verhaltensweisen, • Verringerung therapiegefährdender Verhaltensweisen wie z.B. Terminversäumnisse, Verweigerung von Hausaufgaben oder der Mitarbeit im Verhaltenstraining, feindseliges oder aggressives Verhalten, • Verringerung von Verhalten, das die Lebensqualität schwer beeinträchtigt wie z.B. Drogen- und Alkoholmissbrauch, Essstörungen, finanzielle Probleme, antisoziales Verhalten oder Promiskuität, • Förderung von innerer Achtsamkeit, Umgang mit Gefühlen, Stresstoleranz sowie zwischenmenschlichen Fertigkeiten als adäquate Bewältigungsstrategien und als Voraussetzung für die nächsten Therapieschritte, • Verringerung posttraumatischer Belastungsreaktionen, deren Bearbeitung in vier Schritten erfolgt: Akzeptanz des Traumas, Verminderung von Stigmatisierung und Selbstbeschuldigung, Bearbeitung der Verleugnung und Umgang mit der Missbrauchsdichotomie, • Förderung der Selbstachtung und anderer Ziele des Patienten. Linehan unterscheidet zwischen sogenannten Basisstrategien (den dialektischen und Validierungsstrategien), die in jeder Phase der Therapie zur Anwendung kommen und den spezifischen Strategien (Kontingenzmanagement, Fertigkeitentraining, Emotions-Exposition und kognitive Umstrukturierung), die den jeweiligen Problembereichen zugeordnet sind. Der Behandlungsansatz von Linehan fördert mit Nachdruck das Ertragen von Widersprüchen und Veränderung sowie die Vermittlung dialektischer Denkmuster (von einer "entweder-oder" zu einer "sowohl-als-auch-Position") anstelle der für Borderline-Patienten typischen dichotomen Denkweisen. Für den Therapeuten fordert die dialektische Denkweise, dass seine Haltung gegenüber dem Patienten geprägt sein müsse von dem Gleichgewicht oder der Synthese zwischen "Akzeptanz und Verän45 derung", "Standfestigkeit und mitfühlender Flexibilität" und "wohlwollendem Fordern und Versorgen". Als besondere Aufgabe sieht Linehan das Ausbalancieren der Veränderungstechniken der Verhaltenstherapie mit der Haltung einer radikalen oder bedingungslosen Akzeptanz der Patienten. In Anlehnung an Zen-Prinzipien ("Du bist vollkommen, so wie du bist") und klientenzentrierte Behandlungsansätze fordert Linehan die Bereitschaft des Therapeuten zu bedingungsloser Akzeptanz, das Verhalten des Patienten sinnhaft zu verstehen und sich auf den Patienten und die Therapie einzulassen ohne Wertung, Vorwurf oder Manipulation. Als Hauptvermittler der Akzeptanz benennt sie verschiedene Validierungsstrategien wie aktives Beobachten (aufmerksames und unvoreingenommenes Zuhören und Wahrnehmen), Reflexion (genaues Spiegeln, Identifizieren oder Beschreiben der Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen des Patienten), Gedanken lesen (Gedanken und Gefühle formulieren, die der Patient nicht verbalisiert) oder Validierung in Bezug auf die Vergangenheit und auf die Gegenwart (Identifizierung wesentlicher Lernerfahrungen oder aktueller Ereignisse, die die Reaktionsmuster des Patienten unvermeidlich werden ließen oder unterstützen und verstärken). 2.3.6 Zusammenfassung Die vorliegenden kognitiven und verhaltenstherapeutischen Erklärungs- und Behandlungsmodelle für Persönlichkeitsstörungen beschäftigen sich mit einzelnen ausgewählten Persönlichkeitsstörungen oder es werden umfassendere Ansätze zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen vorgelegt, wobei einzelne Autoren sich auch mehr oder weniger ausführlich diagnostisch, theoretisch und klinisch mit den hauptsächlichen Persönlichkeitsstörungen auseinandersetzen. Angesichts der Komplexität der Probleme und der schwierigen Therapieverläufe bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen verbinden viele Konzepte (z.B. Linehan, 1993a; Liotti, 1992; Lockwood, 1992; Safran & McMain, 1992; Safran & Segal, 1990; Young, 1990; Young & Lindeman, 1992) andere Theorie- und Therapiemodelle wie Gestalttherapie, Gesprächspsychotherapie, interpersonelle Therapie, Bindungstheorie, psychoanalytische Therapie oder Prinzipien der Zen-Philosophie mit dem kognitiven oder verhaltenstherapeutischen Ansatz und verstehen sich mehr oder weniger als integrative Therapiemodelle. Vergleicht man die kognitiv und verhaltenstherapeutisch orientierten Beiträge miteinander, so gibt es grundsätzliche Gemeinsamkeiten in der Auffassung von Persönlichkeitsstörungen und ihrer Entwicklung und Behandlung (Schmitz, 1996): 1. 2. Persönlichkeitsstörungen sind komplexe, mehrdimensionale Beziehungsstörungen mit persistierenden, unflexiblen und sozial wenig angepassten Verhaltensauffälligkeiten. Das Verhalten der Betroffenen wird als ein, aus der individuellen Lerngeschichte nachvollziehbarer und sinnhafter, im weiteren Lebenslauf aber untauglicher Coping- oder Selbsthilfeversuch aufgefasst zum Schutz der eigenen zwischenmenschlichen Verletzbarkeit. Die Erklärungsmodelle orientieren sich mit unterschiedlicher Akzentuierung und Differenziertheit in ihren ätiopathogenetischen Vorstellungen an einem bio-psycho-sozialen Störungsmodell und verstehen Persönlichkeitsstörungen als Ergebnis biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren und ihrer Wechselwirkungen. 46 3. 4. 5. 6. 2.4 Die Erklärungsmodelle heben die chronisch ungünstigen und häufig traumatischen Entwicklungsbedingungen bei Individuen mit Persönlichkeitsstörungen hervor und betonen die Rolle früher Beziehungserfahrungen für die Entwicklung der Kernschemata und Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen sowie die Bedeutung von kognitiv-interpersonellen Kreisläufen für deren Aufrechterhaltung. Die Behandlungskonzepte verfolgen einen hypothesengeleiteten, empirischen Therapieansatz, der auf einer individuellen Problem- und Ätiologieanalyse basiert und der mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung klassische kognitive und verhaltenstherapeutische Interventionen, aber auch interpersonelle und erlebnisorientierte Interventionen umfasst sowie die Einbeziehung der sozialen Umwelt in die Therapie. Probleme und Strategien der Beziehungsgestaltung und Zusammenarbeit werden in den meisten Beiträgen besonders berücksichtigt mit der Intention, eine vertrauensvolle und tragfähige Therapiebeziehung aufzubauen, die Beziehungsgestaltung an den interaktionellen Möglichkeiten des Patienten zu orientieren und sie explizit als Focus und Wirkfaktor für Veränderungsprozesse zu nutzen. Insbesondere die kognitiven Ansätze betonen die Bedeutung erlebnisorientierter Vorgehensweisen zur Identifikation und Überprüfung der Schemata. Ebenso wird die Bedeutung der biographischen Rekonstruktion zentraler Kindheitsepisoden hervorgehoben. Sie ist mit emotionaler Beteiligung ein wichtiger Zugang zu den Überzeugungen des Patienten und seinen Gefühlen. Sie ermöglicht als sinnstiftende und entlastende Erfahrung, die eigenen Überzeugungen und Verhaltensweisen als Ergebnis einer notwendigen Anpassung- und Überlebensstrategie in spezifischen Sozialisationskontexten verstehen zu lernen. Psychoedukation und Persönlichkeitsstörungen Psychoedukation oder Patientenschulung gewinnt in der Psychotherapie, Psychosomatik oder Rehabilitation eine immer größere Bedeutung (z.B. Fiedler, 1996b; Petermann, 1997; Schmitz, Bischoff, Ehrhardt & Leidig, 2000). Die Zielsetzungen psychoedukativer Maßnahmen sind in der Regel, das Expertentum des Patienten gezielt um Kenntnisse über seine körperliche Erkrankung oder psychische Störung anzureichern und ihm Fertigkeiten der Einflussnahme auf die Förderung und Aufrechterhaltung der eigenen Gesundheit zu vermitteln (Petermann, 1997). Die vorliegenden Forschungsergebnisse über die Folgen angemessener oder fehlender Information bei Patienten mit unterschiedlichen psychischen Störungen oder körperlichen Erkrankungen belegen, dass mit einer angemessenen Aufklärung des Patienten die Zufriedenheit mit der Therapie und das Vertrauen in die Behandlung wächst. "Akzeptierbare" Information begünstigt die aktive und eigenverantwortliche Mitarbeit des Patienten und wirkt für sich bereits hochgradig therapeutisch (Fiedler, 1996b). In der kognitiven Verhaltenstherapie gehört die Aufklärung und Informierung des Patienten über seine spezifischen Probleme und Störungen, deren Diagnose, Ätiologie, Behandlung und Prognose zu einem integralen Bestandteil des therapeutischen Vorgehens. Patienten sollten in einer angemessenen Sprache erfahren, was ihre Therapeuten aus Sicht der Forschung und klinischen Erfahrung über ihre Beschwerden und Probleme sowie deren Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten wissen. 47 Psychoedukative Maßnahmen und Informationsmaterialien finden sich seit Mitte der 80er Jahre in fast allen Therapiemanualen zu psychischen oder psychosomatischen Störungen (vgl. Fiedler, 1996b) wie auch zu den Persönlichkeitsstörungen (z.B. Linehan, 1993a, 1993b; Young, 1990). Angesichts der komplexen Probleme bei Persönlichkeitsstörungen sowie der "IchSyntonie" dieser Störungen und der damit zusammenhängenden Einstellungen und Verhaltensweisen ist Psychoedukation für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen besonders indiziert. So gelten Patienten mit Persönlichkeitsstörungen unter anderem deshalb als schwer zu behandeln, weil sie das eigene Verhalten als "zu sich gehörig" (ichsynton) erleben und nicht als "ichfremde" (ichdystone) Symptomatik, die sie gerne wieder los wären. Die Patienten sehen die Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen und Problemen oft unabhängig vom eigenen Verhalten (sie sehen sich als Opfer anderer oder des Systems), haben wenig Einsicht in die Unangemessenheit ihrer Überzeugungen und Verhaltensweisen und suchen eine Therapie oft erst wegen der Folgeprobleme (z.B. Depressionen) oder auf Drängen der Umwelt auf. Empirische Untersuchungen zum Stellenwert psychoedukativer Maßnahmen im Bereich der Persönlichkeitsstörungen liegen bislang allerdings nicht vor, obwohl deren Bedeutsamkeit von verschiedenen Autoren gesehen wird (z.B. Linehan, 1993a; Young, 1990). So prognostiziert auch Fiedler (2000), dass sich Psychoedukation oder Patientenschulung zukünftig zu einem der wichtigsten Aspekte einer integrativen Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen entwickeln wird. 2.4.1 Die stigmatisierende Sprache und Defizitorientierung des Persönlichkeitsstörungskonzepts Die klinische Erfahrung zeigt, dass psychoedukative Maßnahmen bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen nicht nur durch die besonderen Probleme der Patienten erschwert werden, sondern auch durch das Persönlichkeitsstörungskonzept selbst und seine Sprache. Als besonders kritischen Gesichtspunkt wird das unbeirrte Festhalten am überholten Begriff der Persönlichkeitsstörungen gesehen, der eine psychopathologisch eingeengte Sicht des Menschen und seines Erlebens und Verhaltens nahe legt und der von den Betroffenen kaum weniger diskriminierend erlebt wird, als seine sprachlichen Vorgänger "abnorme Persönlichkeit" oder "Psychopathie" und ebenso mit persönlicher Minderwertigkeit, Unreife oder Charakterschwäche gleichgesetzt wird. Tölle (1990) fragt in diesem Zusammenhang zu Recht: "Wer möchte schon seine Persönlichkeit alleine unter den Aspekt einer Störung gestellt sehen?" (S. 9) und Jaspers (1976) formuliert so beeindruckend, dass er mehrfach zitiert wird: "Menschlich aber bedeutet die Klassifikation und Festlegung des Wesens eines Menschen eine Erledigung, die bei näherer Besinnung beleidigend ist und die Kommunikation abbricht" (zit. nach Tölle 1990, S. 9). Die psychiatrischen Kategorien mögen der Kommunikation unter Fachkollegen dienen "als Einladung zur neugierigen Selbsterfahrung, als Ausgangspunkt für persönliche Entwicklung und für vertieftes zwischenmenschliches Verstehen taugen sie nicht" (Schulz von Thun 1989b, S. 60). Hinter der "Ich-Syntonie" der Persönlichkeitsstörungen verbirgt sich u.U. auch der Widerstand von Patienten gegenüber einer therapeutischen Sprache und Sichtweise, die Persönlichkeit eines Menschen "allein unter dem Aspekt einer Störung" zu betrachten, meistens verbunden mit einer einseitigen Schuldzuweisung für die auftretenden Probleme an die Betroffenen. 48 Die Sprache des Persönlichkeitsstörungskonzepts und die durch das Konzept nahegelegte einseitige Psychopathologisierung und Defizitorientierung wirken sich bei vielen Patienten ungünstig auf die Motivation und Mitarbeit aus und stößt auch bei vielen Therapeuten auf Ablehnung. Die ablehnende Haltung von Therapeuten führt oft dazu, dass Persönlichkeitsstörungen diagnostisch nicht abgeklärt werden und Therapeuten erst dann das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung bei ihren Patienten vermuten, wenn es zu erheblichen Problemen in der therapeutischen Beziehung und Zusammenarbeit kommt. Zu diesem Zeitpunkt ist auf Grund der starken negativen Gefühle aller Beteiligten und der vorausgegangenen konflikthaften und kränkenden Beziehungserfahrungen das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut oft so beeinträchtigt, dass eine weitere konstruktive Zusammenarbeit nicht mehr möglich scheint. Therapeuten fühlen sich in dieser Phase oft ausgenutzt, enttäuscht oder verärgert und möchten am liebsten nichts mehr mit ihrem Patienten zu tun haben. Unter Umständen legt sich der Ärger, wenn der Therapeut in der Supervision einen Schritt zurückgeht, das Verhalten des Patienten weniger persönlich nimmt, die interpersonelle Strategie des Patienten im biographischen Kontext verstehen lernt und mit einem ausgewogenen Verhältnis von Einfühlung und Abgrenzung darauf zu reagieren vermag. Ein Perspektivenwechsel, die Verarbeitung anderer Aspekte oder neuer Informationen aus der Biographie des Patienten erlauben dann im günstigen Falle eine ganz neue Art des Verstehens und Herangehens. Angesichts der beschriebenen Probleme des Persönlichkeitsstörungskonzepts überrascht es nicht, dass Therapeuten sich scheuen, ihre Patienten über die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung und ihre Bedeutung aufzuklären. Die mangelnde Informierung und Aufklärung der Patienten steht aber nicht nur im Widerspruch zu einem Grundrecht des Patienten nach Aufklärung sondern schadet auch der Wirksamkeit therapeutischer Maßnahmen. 2.4.2 Das dimensionale Modell der Persönlichkeitsstile als Grundlage eines psychoedukativen Behandlungsansatzes Mit dem vorliegenden psychoedukativen Behandlungsansatz wird davon ausgegangen, dass sich die Therapieverläufe von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen grundsätzlich günstiger gestalten lassen, wenn Therapeuten im Rahmen einer umfassenden Eingangsdiagnostik auch die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung überprüfen und ein "angemessenes" konzeptuelles und sprachliches Handwerkszeug zur Verfügung haben, um die Probleme offen und transparent mit ihren Patienten zu thematisieren und in die therapeutischen Überlegungen einzubeziehen. Im Rahmen einer von Therapeut und Patient gemeinsam erarbeiteten funktionalen Bedingungsanalyse kann der Einfluss persönlichkeitsspezifischer Einstellungs- und Verhaltensmuster auf symptomatische Störungen und andere Problembereiche (z.B. Beziehungsgestaltung) dann frühzeitig in der Therapie zur Sprache kommen. Dies sollte allen Beteiligten nicht nur ein angemesseneres Verständnis der Probleme des Patienten und ihrer Zusammenhänge ermöglichen, sondern auch einen konstruktiveren Umgang mit den aufkommenden Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit und Beziehungsgestaltung sowie die Entwicklung angemessener und realistischer Therapieziele und insgesamt einen günstigeren Verlauf der Behandlungsmaßnahme bewirken. 49 Erfolgt diese Klärung mit einem "angemessenen" konzeptuellen und sprachlichen Handwerkszeug und ist als gemeinsamer Verstehensprozess eingebettet in eine von Empathie, Wertschätzung und Ressourcenorientierung geprägte dialektische Grundhaltung, wird darin einen wesentlichen Beitrag zu einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zu Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gesehen. Durch diese Haltung des Therapeuten bietet sich für den Patienten v.a. die Möglichkeit, seine persönliche Eigenart in ihren Stärken und Schwächen zu verstehen und seine symptomatischen Beschwerden in einen sinnhaften Bezug zu der persönlichen Art der Lebens- und Problembewältigung zu stellen. Für die psychoedukative Konzeptentwicklung von folgenden Vorüberlegungen ausgegangen (vgl. Schmitz, 1999; Schmitz et al., 2000; Schmitz & Handke-Raubach, 1999): • Psychoedukation ist aufgrund der oft ungünstigen Behandlungsverläufe sowie der "Ich-Syntonie" der Persönlichkeitsstörungen und der damit zusammenhängenden Einstellungen und Verhaltensweisen besonders indiziert und schwierig zugleich. • Psychoedukative Maßnahmen für Patienten mit ich-syntonen Persönlichkeitsstörungen sind nur dann wirksam in der Förderung von günstigen Einsichtsprozessen, Behandlungsmotivation und Vertrauensbildung, wenn sie in besonderer Weise durch Ressourcenorientierung, Transparenz und Entscheidungsfreiheit gekennzeichnet sind. • Als Alternative zum kategorialen Konzept der Persönlichkeitsstörungen und seiner stigmatisierenden Sprache und einseitigen Defizitorientierung stellt das dimensionale Modell der Persönlichkeitsstile (vgl. Kuhl & Kazen, 1997; Oldham & Morris, 1992) ein "akzeptierbares" konzeptuelles und sprachliches Handwerkszeug für psychoedukative Maßnahmen zur Verfügung. Oldham und Morris (1992) haben mit lebendiger und wertschätzender Sprache eine Publikation für Laien vorgelegt, die - basierend auf dem dimensionalen Modell - über Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen informiert. Im einzelnen handelt es sich um 13 Persönlichkeitsstile, die in Anlehnung an die im DSM-III-R (APA, 1987) beschriebenen Persönlichkeitsstörungen von Oldham und Morris beschrieben werden. Hinzugefügt werden sollte, dass dieses Buch (trotz der oft großzügigen Verallgemeinerungen) nicht nur ein gelungener Text für Laien ist, sondern auch für Therapeuten vielfältige Anregungen gibt. Kenntnisse und Wissensbestände der psychiatrischen und klinisch-psychologischen Forschung werden in eine Sprache übersetzt, mit der sich Patienten verstanden und nicht stigmatisiert fühlen, die motiviert und anregt. Dem dimensionalen Modell liegt die Annahme zugrunde, dass es zu jeder der klinisch relevanten Persönlichkeitsstörungen einen nicht-pathologischen Persönlichkeitsstil gibt. Ausgehend von den normalen, anpassungsfähigen Persönlichkeitsstilen mit großer Variationsbreite werden Persönlichkeitsstörungen als deren Extreme aufgefasst, als "Übertreibungen" der jeweiligen Persönlichkeitsstile (des Guten zuviel). Daraus folgt, dass die "Quantität" des Persönlichkeitsstils in einem Kontinuum Probleme im Leben schafft und nicht seine "Qualität". Die beschriebenen Persönlichkeitsstile sind in milderer Form universelle Umgangsformen, die in unterschiedlichen Anteilen in jedem Menschen als unverzichtbare Qualitäten des zwischenmenschlichen Zusammenlebens vorhanden sind (Oldham & Morris, 1992). Das dimensionale Konzept der Persönlichkeitsstile ermöglicht gleichermaßen einen ressourcenorientierten als auch einen problemorientierten therapeutischen Zugang, indem jeder Persönlichkeitsstil in seinen Stärken und in seinen Risiken/Schwächen dargestellt wird und der Patient die Erfahrung 50 macht, dass sein oftmals seltsam und befremdlich wirkendes Verhalten als subjektiv sinnhafte Anpassungs- und Überlebensstrategie in spezifischen Sozialisationskontexten verstanden wird. Die Ressourcenorientierung bildet sich auch in einer lebendigen und wertschätzenden Sprache ab, die eher Neugier und Mitarbeit des Patienten sowie seine Bereitschaft zur Selbstoffenbarung und Reflexion eigener Einstellungen und Verhaltensweisen fördert als eine einseitige Defizitorientierung. Das dimensionale Konzept der Persönlichkeitsstile stellt einen Kompromiss zwischen psychiatrischer Sichtweise und Erfahrung (typologische Einteilung der Stile) und der dimensionalen Sichtweise der differentiellen Psychologie dar. Persönlichkeitsdimensionen werden in den psychologischen Modellen in der Regel auf der Basis empirisch auffindbarer Zusammenhangsmuster definiert (z.B. Catell, 1965; Eysenck, 1967; Fahrenberg, Hampel & Selg, 1989; McCrae & Costa, 1987). Die Nachteile dieser korrelationsstatistischen Ansätze für die klinische Praxis sind u.a., dass die gewonnenen Zusammenhangsdimensionen sehr abstrakte Konstrukte darstellen, wenig Bezug zur klinischen und Alltags-Sprache haben und unter Umständen Verhaltensmerkmale zusammenfassen, die aus klinischer Sicht als unterscheidbare Phänomene behandelt werden (vgl. Kuhl & Kazen, 1997). Tab. 6 Das Kontinuum vom Persönlichkeitsstil zur Persönlichkeitsstörung (nach Oldham & Morris, 1992) Persönlichkeitsstil Wachsam Ungesellig Exzentrisch Abenteuerlich Sprunghaft Dramatisch Selbstbewußt Sensibel Anhänglich Gewissenhaft Lässig Aufopfernd Aggressiv Persönlichkeitsstörung > > > > > > > > > > > > > Paranoid Schizoid Schizotypisch Antisozial Borderline Histrionisch Narzisstisch Selbstunsicher Dependent Zwanghaft Passiv-Aggressiv Selbstschädigend Sadistisch Nachdem zuerst von Oldham und Morris (1992) der Entwurf eines Fragebogens zur Erfassung von Persönlichkeitsstilen in Anlehnung an die im DSM-III-R (APA, 1987) beschriebenen Persönlichkeitsstörungen vorgelegt wurde, publizierten in jüngster Zeit Kuhl und Kazen (1997) mit vergleichbarer Absicht erste Daten zu einem empirisch konstruierten Fragebogen (PSSI, Persönlichkeitsstil- und Störungs-Inventar), der sich am DSM-IV (APA, 1994) orientiert. Mit dem PSSI liegt damit jetzt ein wissenschaftlich konstruiertes Selbstbeurteilungsinstrument vor, das die relative Ausprägung von 13 Persönlichkeitsstilen quantifiziert und das für jeden Probanden die Erstellung und Auswertung eines Persönlichkeitsstil-Profils ermöglicht. Auch wenn manche Menschen einen Stil in auffälliger "Reinkultur" verkörpern, sind es eher be- 51 stimmte Kombinationen oder Mischungen von Stilen, die für einen bestimmten Menschen in bestimmten Situationen typisch sind und die seine Einzigartigkeit belegen. 2.4.3 Psychoedukation und Motivierung Das vorliegende Therapieprogramm umfasst in ungewöhnlich breiter Form psychoedukative Elemente: Die Hälfte der veranschlagten Zeit im Therapieprogramm wird auf Information und Aufklärung verwandt, die als ‚Psychoedukation’ in der Regel als therapievorbereitende Maßnahme angesehen wird. Dabei vermag die Vermittlung therapierelevanter Informationen sehr viel mehr als ein warming-up bereitzustellen oder einen wünschenswerten, aber doch entbehrlichen Instruierungseffekt: Wie verschiedene Studien nachweisen, können Therapieeffekte durch Information und Aufklärung des Patienten verbessert werden (Hoehn-Saric, Frank, Stanley, Nash, Stone & Battle, 1964; Duchro, Beal & Georg, 1979). Lieb (1994) pointiert, dass Informationsvermittlung Therapie selbst im eigentlichen Sinne ist. Die Ergebnisse zur Bewältigung chronischer Erkrankungen aus verhaltensmedizinischer Sicht stützen diese Auffassung: Dort erwies sich die Copingvariante „Informationssuche“ über die Erkrankung als eine der zentralen Ressourcen und Bewältigungsstrategien, die dem schwerkranken Patienten zur Verfügung stehen (Broda & Muthny, 1990, Beutel, 1988). In diesem Sinn argumentieren Systemtheoretiker, dass die subjektiven Erklärungsmodelle der Erkrankung, vor allem bei psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen, bei der Krankheitsbewältigung eine wesentliche Rolle spielen. Solche Anstrengungen, die darauf zielen, Veränderungen im Denken über die Erkrankung zu bewirken, scheinen effektiver zu sein, als das Problem selbst durch direkt darauf bezogene Maßnahmen zu beeinflussen. Hier ist eine Metaebene angesprochen, auf der die subjektive Bedeutung bzw. das Verständnis einer Erkrankung angesiedelt ist und die eigene Gesetzmäßigkeiten impliziert, sollen Veränderungen erreicht werden. Das subjektive Krankheits- oder Problemverständnis wirkt in einer Art dynamischem Interaktionsprozess auf das Problem selbst ein: Das Nachdenken über das Problem verändert das Problem selbst, wodurch der Reflexionsprozess wieder neue Impulse erhält, der den Umgang mit der Erkrankung wieder verändert. Damit ist ein Weg eröffnet, der direkt zu den subjektiven Vorstellungen des Patienten führt, zu seinen Meinungen und Einstellungen über sein Problem, wobei man davon ausgeht, dass diese Subjektivität in der Einstellung zu dem spezifischen Problembereich ungünstig, problemverstärkend und problemaufrechterhaltend ist. Es kommt also darauf an, die subjektiven Erklärungs- und Bedeutungsmodelle des Patienten hinsichtlich seiner Problematik zu erschüttern und neue, funktionalere Verstehens- und Bedeutungsmuster einzufädeln. Damit sind die Motivation und die Möglichkeiten des Patienten berührt, von eigenen Vorstellungen abzurücken und neue, mit seinem herkömmlichen Modell diskrepante Informationen zuzulassen. In den Blickpunkt rücken dadurch Fragen der Einstellungsänderung, der Veränderung von Attributionen (Heider, 1958; Weiner, 1986; Heckhausen, 1980), der Erweiterung des eigenen Verstehensspektrums, der Selbstkritik, der Flexibilität und Differenziertheit im Denken und Erleben, wenn es um das eigene Problem geht. Besteht schon für den nicht besonders belasteten „Alltagsmenschen“ ein genuines Bedürfnis danach, eigenes und fremdes Verhalten erklären zu können, so gilt dies im besonderen Maße für den Menschen, der unter einer Persönlichkeitsstörung leidet: In diesem Fall wird das Bedürfnis nach Reduktion der Informationsmenge angesichts einer unerklärlichen und häufig bedrohlich und aversiv erlebten sozialen Umwelt besonders drängend sein. Im folgen52 den werden zwei Ansätze diskutiert, die die Bedeutung von Aufklärung, Information und Vermittlung kausaler Modelle für die Entwicklung von Veränderungsbereitschaft und Motivierung belegen. Health-belief-Modelle. Die Health-belief-Modelle (Becker & Rosenstock, 1984; Farina & Fisher, 1982; Di Matteo & Di Niccola, 1982) gehören zu den einschlägigen Konstrukten, die Attribution, innere Einstellung und das Krankheitsverhalten sowie Veränderungsimpulse, Motivation und Selbststeuerung berücksichtigen. Diese Modellvorstellungen umfassen die subjektiven Erklärungen eines Menschen für die Entwicklung und die Aufrechterhaltung seiner Beschwerden und Einschränkungen (Becker, 1974; Becker & Rosenstock, 1984). Die Bedeutung dieser subjektiven Modelle für die Veränderungsbereitschaft und den Therapieerfolg liegt in der Ursachenvermutung für problematisches Verhalten, in den subjektiven Bewältigungsstrategien, die bislang eingesetzt wurden und in den sogenannten Heilserwartungen, d.h. wo sieht der Patient für sich Möglichkeiten, Hilfe zu bekommen. Es liegt auf der Hand, dass Health-belief-Modelle direkt zusammenhängen mit der Kontrollattribution, mit der subjektiven Ursachenzuschreibung für Ereignisse, wobei klassischerweise interne bzw. externe Ursachen unterschieden werden, d.h. Erklärungen werden entweder in der eigenen Person oder in der personenunabhängigen Umwelt gesucht. Diese gegensätzlichen Pole bedeuten im Health-belief-Modell, dass der Patient entweder glaubt, aus eigener Kraft selbstgesteckte Ziele erreichen zu können (intern) oder dass er sich eher als Spielball der Ereignisse sieht, der wenig Einfluss hat auf den Gang der Dinge (extern). Die Brisanz für die Krankheitsbewältigung zieht das Konstrukt der Kontrollattribution daraus, dass eindeutig belegt ist, dass Personen, die aversive, unangenehme, negative Ereignisse für kontrollierbar halten, unangenehme Situationen als deutlich weniger belastend empfanden als Personen, die sich den gleichen Situationen gegenüber hilflos ausgeliefert fühlten. Entsprechend nahe liegen dann die Ansätze, die versuchen, die Kontrollüberzeugungen der Patienten dahingehend zu stärken, dass sie mehr internale Kontrollüberzeugungen und insgesamt mehr internale kausale Attributionsmuster entwickeln. Das bedeutet, dass der Mensch den Fokus für die Ursachen seiner Probleme mehr bei sich selbst sucht als in seiner Umwelt und entsprechend auch das Schwergewicht bei der angestrebten Veränderung seiner misslichen Situation bei sich selbst setzt und dadurch für beeinflussbar und vor allem durch die eigene Kraft veränderbar hält (Strong, 1978). Das Health-belief-Modell fußt nun auf einer speziellen Betrachtung der Attributionsweise und unterscheidet nach Di Matteo und Di Niccola (1982) folgende Merkmale: Die Person kennt ihre Anfälligkeit für eine bestimmte Beeinträchtigung, sie hat Effektivitätserwartungen an eine Behandlung, sie schätzt ihre eigenen Fähigkeiten in bestimmter Weise ein, das Problem zu bewältigen und sie hat Vorstellungen über den Aufwand für eine Behandlung, nicht nur zeitlich oder finanziell gesehen, sondern auch emotional. Wünschenswert ist nun eine Veränderung von einer reinen mechanistisch-biologistischen Sichtweise im subjektiven Erklärungsmodell des Patienten hin zu einer interaktionistischen Perspektive, die die Einflussnahme, vor allem durch die eigene Person, machbar erscheinen lässt. Plausible Modelle. Neben den Health-belief-Modellen sind vor allem die ‚plausiblen Modelle’ (Frank, 1985; 1987) ein Ansatz, der für günstige innere Haltungen beim Patienten sorgen kann. Ausgangspunkt ist dabei, dass das Unvermögen des Patienten, eine befriedigende Erklärung für seine Probleme zu finden, besonders belastend ist. Dass er nicht verstehen kann, woher die Störung resultiert, warum gerade 53 er davon betroffen ist und welche Mechanismen in Gange sind, die die Beeinträchtigung aufrechterhalten. Gerade bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen ist das Erleben des Patienten, dass seinem Therapeuten das Problem bekannt ist, eine wichtige initiale Erkenntnis für die Beschäftigung mit den eigenen, in der Regel doch vorhandenen, aber nicht hinterfragten impliziten, aber hochwirksamen „plausiblen Erklärungsmodellen“ (Wilson & Evans, 1977). Dies setzt kundige, aber auch einfühlsame Exploration voraus und die Vermittlung diskrepanter Informationen und Überzeugungen, mit denen sich der Patient, wiewohl abweichend von den eigenen Erklärungen oder sogar gänzlich neu, auch schließlich identifizieren kann. Wilson und Evans (1977) definieren als Anforderungen an das therapeutische Geschick: Ausführungen zur Entwicklung, Aufrechterhaltung und Beeinflussbarkeit der Probleme, die Bereitstellung einer einsichtigen Erklärung für die vorgeschlagenen therapeutischen Methoden, die Skizzierung der erforderlichen therapeutischen Schritte und die Einsicht in die dazu erforderliche Aktivität und Mitarbeit der Patienten. Reinecker (1999a) weist darauf hin, dass zwischen einem Modell für die Entstehung (plausibles Ätiologiemodell) und einem Modell für Veränderung (plausiblem Therapiemodell) unterschieden werden sollte. Gleich, ob sich nun um Entstehung oder Veränderbarkeit von Problemen mit dem Patienten zusammen bemüht wird, sollte der Patient aktiv mit einbezogen werden, an seinen Denk- und Einstellungsmustern angeknüpft und diese dann weitergeführt werden in ein konsistentes, stimmiges Strukturmodell der Erklärung für Entstehung und Veränderung problematischer Erlebens- und Verhaltensweisen. Eng damit verbunden ist der Selbstmanagementansatz von Kanfer, Reinecker und Schmelzer (1991), der besonders die Transparenz des therapeutischen Vorgehens betont. Damit es zu einer Internalisierung des angebotenen Modells kommen kann, scheint es unverzichtbar zu sein, dass der Patient auf einer emotional bedeutsamen Erlebensebene die vom Therapeuten postulierten Zusammenhänge nachvollziehen kann. Danach sind vor allem solche Motivierungsansätze vorzuziehen, die statt negativer oder „Leidensdruckmotivation“ versuchen, positive Zielsetzungen beim Patienten zu verankern, die eine Art „Zugkraft“-Motivation hervorrufen. Die Health-beliefSysteme des Patienten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie wirken gewissermaßen verdeckt, haben aber entscheidenden Einfluss auf die Vermutungen und Überzeugungen des Patienten, woher seine Störung wohl rührt, auf seine wahrgenommenen Einflussmöglichkeiten auf die Störung und auf die prognostischen Aussichten, die der Patient sich selbst gibt. Je optimistischer und zukunftszugewandter diese inneren Überzeugungen sind, umso mehr wird sich der Patient Einflussmöglichkeiten zuschreiben und aktive Problemlösungen unternehmen. Kanfer, Reinecker & Schmelzer (1991) weisen besonders auf den Aspekt der „Demoralisierung“ (Dohrenwend, Dohrenwend, Schwartz-Gould, Link, Neugebauer & Wunsch-Hitzig, 1980) hin, der das Ausmaß der Hoffnungslosigkeit und aufgehobenen Kontrollkompetenz des Patienten umfasst, was die Veränderbarkeit seiner Störungen angeht. Entscheidend ist daher das Vermögen des Therapeuten, beim Patienten Hoffnungen und Pläne für eine Veränderung zu initiieren. Ganz allgemein sollen solche Versuche von mechanistisch-biologistischen Vorstellungen, die häufig fatalistische Züge tragen, wegorientieren hin zu interaktiv-dynamischen Modellvorstellungen, die die motivierenden Aspekte eines Störungsbilds miteinschließen, Veränderungen machbar erscheinen lassen und bewältigbare Schritte auf dem Weg hin zur Veränderung aufzeigen. Kanfer et al. (1991) betonen die Bedeutung der therapeutischen Aufgabe, beim Patienten solche Anreize und erstrebenswerten Perspektiven anzustoßen. 54 Vermittlung von Verstehensmodellen. Das vorliegende Therapieprogramm stützt sich auf die Vermittlung plausibler Modelle hinsichtlich der Entstehung und Veränderbarkeit der Probleme, die Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit sich und der Umwelt haben. Diese Motivierungsgrundlage ist gerade bei Patienten mit ‚ichsyntonen’ Störungen von entscheidender Bedeutung und nimmt in vielfältiger Form großen Raum in der Intervention ein: Im einzelnen drückt sich die Grundorientierung in der Abkehr von der stigmatisierenden Sprache und Defizitorientierung des Persönlichkeitsstörungskonzepts aus, in der plausiblen Vermittlung von Stärken und Schwächen eines Persönlichkeitsstils (bzw. Persönlichkeitsstörung), in der leicht nachvollziehbaren Entwicklung eines bestimmten Persönlichkeitsstils, in dem Aufzeigen der Zusammenhänge zwischen eigenem Verhalten und der Reaktion des andern und in einer eingängigen Darstellung der Zusammenhänge der Persönlichkeitsstörung (oder in der Sprache des Programms des ‚Persönlichkeitsstils’) mit psychischen oder körperlichen Beeinträchtigungen. Den „plausiblen Modellen“ wird ein besonderer Stellenwert eingeräumt, wenn Patienten eine subjektiv überzeugende Erklärung für ihr Problem vermittelt werden soll (Frank, 1985; 1987). Damit in Zusammenhang steht eine nachvollziehbare Vermittlung der Funktionalität des Problems, seiner Bedingungszusammenhänge und erstes Aufzeigen von Wegen, die aus der Problematik führen. Zentrale Bedeutung hat dabei, dass der Patient auch emotional erreicht wird und die angebotenen Erklärungs- und Verstehensmodelle auch wirklich für sich übernimmt. Dabei liegt es auf der Hand, dass es dabei nicht um Genauigkeit im wissenschaftlichen Sinn gehen kann, sondern eben um Plausibilität und Nachvollziehbarkeit im subjektiven Denken und Erleben des Patienten. Transparenz als Wirkfaktor für die Entwicklung und den Ausbau von Veränderungsmotivation bei Patienten mit ich-syntonen Störungen kann durch das so skizzierte Vorgehen unterstützt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden sechs Persönlichkeitsstile (bzw. Persönlichkeitsstörungen) in ihren Stärken und Schwächen erarbeitet, ihre Entwicklungsbedingungen prototypisch aufgezeigt sowie die Dynamik des eigenen Verhaltens, das zu dem Persönlichkeitsstil gehört, in einen nachvollziehbaren plausiblen Zusammenhang gebracht wird. Ressourcenorientierung wird dabei mitgedacht in dem Sinn, dass die Hinwendung auf die trotz aller Probleme bestehenden Stärken eines Persönlichkeitsstils und die Vermittlung, dass das oft kritisierte und zu Isolation und Ablehnung führende Verhalten des Betroffenen eine sinnhafte Anpassungsleistung in bedrohlichen oder die eigenen Möglichkeiten übersteigenden Situationen im Entwicklungsverlauf waren. Rollenspiel und Narrativ als Motivierungsmethoden. Es ist eine therapeutische Binsenweisheit, dass wirksame Prozesse nur dann in Gang kommen, wenn Patienten emotional beteiligt sind. Im Gruppenprogramm werden neben der Psychoedukation im Sinn von Aufklärung, Wissens- und Modellvermittlung zwei methodische Wege beschritten, um die emotionale Beteiligung der Patienten zu erreichen, nämlich Demonstrationsrollenspiele und Narrative, die in den psychoedukativen Teil eingebunden sind. Es werden dabei in der Handlung vorskizzierte Rollenspiele, die den jeweiligen Persönlichkeitsstil demonstrieren und anschaulich vorstellen, eingesetzt; Narrative, also kleine Erzählungen, bildliche, nicht-sachliche Geschichten, dienen dem gleichen Zweck. Die Rollenspiele werden vom Gruppentherapeuten und einem instruierten Teilnehmer übernommen, die Narrative werden vom Gruppentherapeuten erzählt. 55 Rollenspiele ebenso wie Narrative sind dialogische Geschehen. Dabei wirkt in beiden Fällen eine individuelle, mit Affekt versetzte Sprache, die den Patienten dazu anregen soll, die oft nicht mehr zur Verfügung stehende Fähigkeit, Sprache mit Bedeutungen, Affekten und Beziehungen aufzuladen, wieder zu vollziehen. Das Rollenspiel ist handlungsbetont, ebenso wie das Narrativ, das über einen einfachen Bericht hinausweist: Es erweitert ihn und vertieft und veranschaulicht das, was gesagt werden soll, durch eine metapher- und bilderreiche Sprache. In Narrativen werden Zusammenhänge anschaulich hergestellt, Mimik, Gestik und die szenische Darstellung des Erzählers gehören zum Narrativ dazu. Es ist ein Mittel zur gleichnishaften sinnstiftenden Darstellung und beinhaltet immer eine innere Begegnung zwischen Rezipienten und Erzähler. Narrative werden in einer Reihe von Therapieansätzen verwandt. Zuerst ist die Hypnotherapie von Erickson (1994) zu nennen, aber beispielsweise auch in der rational-emotiven Therapie von Ellis (Schelp, Malock, Gravemeier & Meusling, 1990) werden Geschichten erzählt, ebenso wie in der kognitiven Verhaltenstherapie des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs (Schuhler & Baumeister, 1999). In einer eigenen Untersuchung (Schuhler, Jahrreiss & Wagner, 2000a) konnte nachgewiesen werden, dass Behandlungserfolg und Gruppeninteraktionsprozesse wesentlich vom Einsatz von Narrativen, v.a. bei der produktiven Wendung aggressiver Impulse profitieren. Im Rollenspiel wird eine Metarealität entrollt: Mindestens zwei Personen spielen miteinander und stellen etwas szenisch dar. Dzwiewas (1980) betont, dass es sich positiv auf die Gruppenkohäsion auswirkt, wenn sich möglichst viele Gruppenmitglieder an Rollenspielen, in-vivo-Übungen oder an für die aktuelle Gruppensituation bedeutsamen gruppendynamischen Übungen beteiligen. Eine ähnlich förderliche Wirkung mag sich für das Gruppenklima und die Gruppenkultur einstellen, wenn der Gruppentherapeut selbst ein Rollenspiel zu dem vom Therapeuten initiierten Thema mit durchführt, wie es in den Demonstrationsrollenspielen im Gruppenprogramm geschieht. Dass Rollenspiel und Modellernen in jedem Fall sehr wirksam kombiniert werden können, legen die Untersuchungsergebnisse von Friedman (1972) sowie Sarason und Ganzer (1974) nahe. Johnson (1975) beschreibt bereits, wie er in der Anfangs- und Orientierungsphase einer Gruppe selbst im Rollenspiel dem Patienten Gelegenheit gibt, sich einzubringen durch ergänzende zustimmende oder kritische Äußerungen. Dabei wird szenisch dargestellt, welche prototypischen Merkmale in einer Interaktion auftauchen, die durch einen bestimmten Persönlichkeitsstil geprägt werden. Durch diese szenische Darstellung mit Modellcharakter für einen bestimmten Persönlichkeitsstil wird der assoziative Raum beim zuschauenden Patienten erweitert, das Einbezogenwerden, die emotional getönte, wenn auch vorerst nur stille Teilhabe am Geschehen in der Szene wird gefördert. Dadurch wird die Bereitschaft, Inhalte und Assoziationen zu der Szene auf die eigene Person anzuwenden, unterstützt. Dies erleichtert die engagierte Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen und Erläuterungen zur typischen Interaktion des Persönlichkeitsstils, die anschließend vorgestellt werden. Die didaktische Inszenierung wird zur Evozierung von die Szene kommentierenden Gedanken und Gefühlen beim Patienten genutzt, die unter dem Gesichtspunkt ausgewertet werden, welche interaktiven Zusammenhänge und typischen Ausdrucksformen des Protagonisten erkannt werden. Die Analyse des Problemverhaltens wird in Rollenspielen und Gruppendiskussion fortgeführt. In symbolhaften Geschichten, den Narrativen, werden im Verhalten der Hauptfigur paradigmatisch zentrale Probleme oder Zusammenhänge im Alltag deutlich. Solche paradigmatischen Geschichten lösen keineswegs immer die gleiche Assoziation aus. 56 In der Gruppenarbeit ist es eher so, dass einige Teilnehmer bei einem bestimmten positiven vielleicht sogar heiteren Aspekt verweilen, während andere durchaus Tränen in die Augen bekommen können, weil ihnen eine bedrückende Stelle besonders nahe geht und sie stark an ihre eigene Situation erinnert. Aus den Geschichten lassen sich entsprechend ganz verschiedene Botschaften entnehmen. Die Geschichten informieren und kommentieren gleichzeitig. Sie laden dazu ein, den eigenen Anteil an der Reaktion auf das Narrativ zu elaborieren und sich mit der eigenen Innenwelt zu beschäftigen, denn Geschichten können faktisches Wissen "in persönliches Wissen" umwandeln, indem die Phantasie der Patienten angeregt wird (vgl. Bettelheim, 1990; Buchholz, 1993). Die Figuren und Ereignisse gewinnen nämlich Gestalt aus der Phantasie der Patienten und nicht aus der Vorgabe des Therapeuten. Den Patienten gelingt dadurch, selbst einen angstfreieren Umgang mit dem bedrohlichen Thema zu finden. Sie fühlen sich in ihrer Beschämung und in ihren Ängsten verstanden und gewürdigt, ohne dass diese konfrontativ dargestellt und kühl-rational erforscht werden. Die Narrative schaffen im therapeutischen Prozess zunächst einen bestimmten wünschenswerten Effekt: Sie verbreitern nämlich das Bedeutungs- und Verständnisspektrum. Wenn die Gruppe dadurch eine reichere Palette von Bedeutungen entdeckt, die mit dem Thema zusammenhängt, dann hat sich bereits eine aktive Umgangsweise mit der Problematik entwickelt. Sowohl beim Rollenspiel wie auch beim Narrativ ist gerade auch der spielerische Aspekt besonders wichtig. Die Rollenspiele bzw. Geschichten versorgen die Gruppe mit einem kreativen Bild, das die Vorstellungskraft anregt und durch die ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Spiel aufgebaut wird. Ausdauernde ernste Arbeit, in unserem Fall also die Beschäftigung mit der Persönlichkeitsentwicklung und deren Krisen, ihre definitorischen Merkmale, die gesundheitlichen Folgen etc. kann dadurch günstig mit spielerischen, phantasieanregenden und motivierenden Elementen ergänzt werden. 2.5 Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen Nachfolgend werden in Anlehnung an Oldham und Morris (1992) die wichtigsten prototypischen Charakteristika der Persönlichkeitsstile (als Normalvarianten der 10 hauptsächlichen Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV) zusammengefasst. Daran schließt sich die Beschreibung der prototypischen Extremvarianten - der entsprechenden Persönlichkeitsstörungen nach und DSM-IV - an. Wachsamer Persönlichkeitsstil > Paranoide Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Der wachsame Stil macht Menschen zu Überlebensexperten. Nichts entgeht ihrer Aufmerksamkeit, Menschen und Situationen in ihrer Umgebung werden wachsam beobachtet und geprüft. Wachsame Menschen erkennen verborgene Motive, Ausflüchte und kleinste Verzerrungen der Wahrheit. Sie schätzen Treue und Loyalität und besitzen eine unverwüstliche Unabhängigkeit. Sie sind vorsichtig im Umgang mit anderen, sind gute Zuhörer, aber auch sehr reizbar und bereit sich zu verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Kritik nehmen sie sehr ernst, sie schüchtert sie aber nicht ein. Persönlichkeitsstörung. Die paranoide Persönlichkeitsstörung ist durch ein alles durchdringendes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen gekennzeichnet, da deren Motive von vornherein als böswillig wahrgenommen werden. 57 Es besteht ein ausgesprochen negatives Menschenbild, die soziale Umwelt wird als feindselig wahrgenommen. Personen mit dieser Störung verdächtigen andere ohne hinreichenden Grund oder einen Beweis zu haben, sie ausnutzen, schädigen oder täuschen zu wollen. Sie haben ständig ungerechtfertigte Zweifel bezüglich der Loyalität oder Glaubwürdigkeit ihrer Freunde und Partner. Die paranoide Persönlichkeit überprüft ständig sozusagen die soziale Umwelt auf Abweichungen hinsichtlich Glaubwürdigkeit oder Loyalität. Wenn eine solche Abweichung dann angenommen wird, was leicht geschieht, werden die zugrundeliegenden misstrauischen Annahmen weiter gestärkt, die wiederum den Boden bilden für weitere subjektive Bestätigungen der Unzuverlässigkeit bis hin zu Feindseligkeit der sozialen Umwelt und so fort. Dementsprechend vermeiden Personen mit dieser Störung es, sich anderen anzuvertrauen oder in einen engeren Kontakt mit ihnen zu treten, da die stets wache Befürchtung besteht, der Kontakt könnte in böswilliger Art und Weise gegen sie verwandt werden. Dies gilt schon für geringfügige soziale Anlässe: So wird beispielsweise die Beantwortung persönlicher Fragen abgelehnt oder in neutrale bzw. harmlose Bemerkungen oder Ereignisse werden abwertende und bedrohliche Motive bzw. Bedeutungen hineininterpretiert. Auf diese Weise fühlen sie sich häufig in ihrer Person, ihrem Charakter oder Reputation missachtet bzw. angegriffen und reagieren daraufhin mit Zorn oder einem Gegenangriff. Erlittene Kränkungen, Verletzungen oder Herabsetzungen werden nicht vergessen und nicht verziehen. Diese Personen sind extrem lange nachtragend. Bei Personen mit dieser Störung kann sich eine pathologische Eifersucht entwickeln. Ehe- oder Sexualpartner werden ohne jeden Anhaltspunkt verdächtigt, untreu zu sein. Ungeselliger Persönlichkeitsstil > Schizoide Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem ungeselligen Stil haben ein geringes Bedürfnis nach Gesellschaft und brauchen niemanden außer sich selbst. Sie sind selbständig und unabhängig, ausgeglichen, ruhig und leidenschaftslos, unsentimental und unerschütterlich. Ungesellige Menschen wollen weder beeindrucken noch gefallen, sie sind frei von verwickelnden Gefühlen aber voller Klarsicht. Sie werden nicht von sexuellen Bedürfnissen getrieben, wenn sie ihnen auch Spaß machen und bleiben auch bei Lob und Kritik mit beiden Beinen auf dem Boden. Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster zu charakterisieren, das durch Distanziertheit in sozialen Beziehungen und einem eingeschränkten Affektausdruck in zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist. Bei Personen mit dieser Störung fehlt der Wunsch nach Intimität, stattdessen dominiert Gleichgültigkeit gegenüber engen Beziehungen: Es wird keine oder nur wenig Freude daran gefunden, Teil einer Familie oder sozialen Gruppe zu sein. Diese Personen verbringen ihre Zeit lieber alleine, sind häufig sozial isoliert und einzelgängerisch. Aktivitäten, die keine Interaktion mit anderen Menschen beinhalten, werden bevorzugt, ebenso mechanische oder abstrakte Tätigkeiten, wie beispielsweise mathematische Spiele. Es besteht ein geringes Interesse an sexuellen Kontakten. Wenn überhaupt, finden diese Menschen nur an wenigen Aktivitäten Freude. Es bestehen im Grunde genommen keine engeren sozialen Kontakte. Diese Personen habe keine engen Freunde. Auch scheinen Personen mit dieser Persönlichkeitsstörung häufig gleichgültig gegenüber Lob und Kritik anderer zu sein. Was andere über sie denken könnten, scheint sie nicht zu interessieren. Diese Menschen wirken häufig emotional kalt, sozial unbeholfen und oberflächlich. 58 Exzentrischer Persönlichkeitsstil > Schizotypische Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem exzentrischen Stil sind nicht wie irgend jemand anders. Sie sind Träumer, Suchende, Visionäre, Mystiker. Sie beziehen Kraft aus ihren eigenen Gefühlen und Glaubenssystemen, leben in einer eigenen Welt und sind blind gegenüber Konventionen, weshalb sie oft unübliche und ausgefallene Lebensstile pflegen. Sie sind interessiert am Okkulten, Außersinnlichen und Übernatürlichen; abstraktes und spekulatives Denken zieht sie an. Obwohl nach innen gewandt, sind sie sensibel und beobachten genau, wie andere auf sie reagieren. Persönlichkeitsstörung. Bei dieser Persönlichkeitsstörung dominiert ein Muster von starkem Unbehagen in nahen Beziehungen, von Verzerrungen des Denkens und Wahrnehmens in sozialen Bezügen sowie von Eigentümlichkeiten des Verhaltens. Personen mit dieser Störung interpretieren Ereignisse oft so, als ob diese eine besondere und ungewöhnliche Bedeutung speziell für diese Person hätten (Beziehungsideen). Es entwickeln sich seltsame Ideen und Überzeugungen oder auch magische Denkinhalte. So kann der- oder diejenige davon überzeugt sein, Dinge vorhersehen zu können oder die Gedanken anderer lesen zu können. Es können ungewöhnliche Wahrnehmungen auftauchen, beispielsweise das Gefühl, dass eine andere Person anwesend sei, obwohl man alleine ist. Die Denk- und Sprechweise wirkt seltsam, sie kann vage, umständlich, übergenau, abstrakt, stereotyp oder metaphorisch sein. Häufig sind Personen mit dieser Störung misstrauisch oder haben paranoide Vorstellungen. Der Affekt ist eingeschränkt oder inadäquat. Diese Menschen verhalten sich oft steif und verschlossen. Aufgrund dieses Verhaltens, aber auch häufig wegen der oft ungepflegten oder vernachlässigten äußeren Erscheinung, wirken diese Menschen seltsam, exzentrisch oder merkwürdig. Ebenso wie bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung haben sie kaum enge Freunde oder Vertraute. In sozialen Situationen sind Menschen mit dieser Störung ängstlich, besonders dann, wenn unbekannte Personen beteiligt sind. Sie haben das Gefühl, anders als die anderen zu sein, einfach nicht dazu zu gehören. Die soziale Angst vermindert sich auch dann nicht, wenn der Betroffene länger in einer Situation bleibt oder mit den anderen Menschen vertraut geworden ist. Hintergrund ist hier nicht, wie bei der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung, eine negative Selbstbeurteilung, sondern es besteht ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber den vermuteten Absichten der Mitmenschen (paranoide Befürchtungen). Abenteuerlicher Persönlichkeitsstil > Antisoziale Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Abenteuerliche Menschen werfen ihre Vorsicht aus dem Fenster und führen uns in Bereiche, vor denen die meisten Sterblichen Angst haben. Sie leben auf des Messers Schneide, stellen Grenzen und Beschränkungen in Frage und lassen sich auf Gedeih und Verderb auf ein packendes Spiel gegen die eigene Sterblichkeit ein. Abenteuerliche Menschen leben nach einem eigenen Wertkodex, ihr Leben heißt wagen, sie lieben das Risiko und den Nervenkitzel. Sie machen sich um andere kaum Sorgen, denn sie halten jeden für selbstverantwortlich. Sie besitzen große Überzeugungskraft und haben eine besondere Fähigkeit, Freunde zu gewinnen und andere zu überzeugen. Sie genießen ihre zahlreichen erotischen Abenteuer und sind gerne unterwegs in ihrem großen Bedürfnis nach weiteren Entdeckungsreisen. Abenteuerliche Menschen verdienen ihr Brot am liebsten frei, selbstständig und unabhängig, sie gehen locker und großzügig mit Geld um. In ihrer Jugend fielen sie bereits durch Unerschrockenheit und Unruhe auf, sie sind mutig und haben keine 59 Schuldgefühle in bezug auf die Vergangenheit, weil sie ganz und gar in der Gegenwart und im Jetzt leben. Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer gekennzeichnet. Menschen mit dieser Störung neigen dazu, Gesetze oder gesellschaftliche Normen zu missachten. Diebstähle oder kriminelle bzw. illegale Handlungen werden begangen. Gefühle, Wünsche oder Rechte anderer werden missachtet. Täuschung und Manipulation sind die Hauptstrategien mit dem Ziel, einen persönlichen Vorteil oder ein persönliches Vergnügen zu erlangen (z.B. Sex, Geld oder Macht). Die Fähigkeit zur Selbststeuerung ist herabgesetzt, ebenso wie das antipizierende Denken und Abwägen von Konsequenzen. Menschen mit dieser Störung sind häufig an Überfällen oder Schlägereien beteiligt. Sie neigen zu reizbarem und aggressivem Verhalten. Sie sind in ihrem Verhalten rücksichtslos gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst. Weiter kann eine ausgeprägte und andauernde Tendenz zu verantwortungslosem Handeln bestehen (bspw. kommt es trotz vorhandener Arbeitsangebote zu längerfristigen Zeiten der Arbeitslosigkeit oder zum wiederholten Fernbleiben von der Arbeitsstelle, ohne dass die entsprechende Person krank ist, Schulden werden nicht zurückgezahlt etc.). Menschen mit dieser Störung reagieren gleichgültig, zeigen keine Reue, wenn sie jemanden verletzt, misshandelt oder bestohlen haben. Schon vor Vollendung des 15. Lebensjahres liegen Anzeichen für eine Störung des Sozialverhaltens, wie z. B. Aggression gegen Menschen und Tiere, Zerstörung fremden Eigentums, Betrug oder Diebstahl, vor. Sprunghafter Persönlichkeitsstil > Borderline-Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Für sprunghafte Menschen ist das Leben eine Achterbahn. Sie brauchen immer eine tiefe, romantische Beziehung zu einem anderen Menschen und treten voller Leidenschaft und Intensität mit dem Leben und anderen Menschen in Kontakt. Sie reagieren auf jeden und finden in allem, was ein anderer sagt oder tut eine emotionale Bedeutung. Sie sind daher leicht geschmeichelt und erfreut, genauso schnell aber am Boden zerstört oder enttäuscht. Sie zeigen, was sie fühlen, sind hemmungslos, spontan, lieben Spaß und haben keine Angst vor Risiken. Phantasievoll und neugierig treten sie anderen Kulturen, Rollen und Wertsystemen entgegen, experimentieren gerne und sind bereit, neuen Pfaden zu folgen. Persönlichkeitsstörung. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung findet sich ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie eine deutliche Impulsivität. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung sind verzweifelt bemüht, tatsächliches oder erwartetes Verlassenwerden zu vermeiden. Selbst geringfügige Anlässe, z.B. wenn jemand eine Verabredung absagt oder sich verspätet, führen zu intensiven Ängsten oder aber auch unangemessener Wut. Ein Muster instabiler aber intensiver Beziehungen ist charakteristisch für Personen mit dieser Störung. Ein Muster von Idealisierung und Abwertung ist kennzeichnend für ihre Beziehungen. Es kommt zu plötzlichen und dramatischen Änderungen in der Sichtweise von anderen, besonders dann, wenn Menschen mit dieser Störung sich zurückgewiesen fühlen. Häufig liegt eine Identitätsstörung vor. Diese ist gekennzeichnet durch ein auffällig und durchgängig instabiles Selbstbild und schwankende Selbstwahrnehmung. Dies kann sich darin äußern, dass die betreffende Person plötzlich ihre Zielsetzungen, ihre beruflichen Pläne, religiösen Anschauungen, Wertvorstellungen oder Einschätzung der eigenen sexuellen Orientierung ändert. Betroffene Menschen zeigen impulsives Verhalten bei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten, z.B. Glücksspielen, bei Sub60 stanzmissbrauch, risikoreichem Geschlechtsverhalten oder rücksichtslosem Fahren. In der Lebensgeschichte kommt es häufig zu wiederholten Suizidhandlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder auch zu selbstverletzendem Verhalten, z.B. Aufritzen oder Schneiden der Haut mit einer Rasierklinge. Selbstschädigende Verhaltensweisen werden oft durch Erlebnisse drohender Trennung oder Zurückweisung ausgelöst. Selbstverletzende Handlungen treten häufig im Rahmen der drohenden Überflutung von Angstgefühlen auf. Der dadurch ausgelöste konkrete Schmerz gibt Sicherheit und ist leichter zu ertragen als das innere Empfinden und lenkt von diesem ab. Bei Menschen mit dieser Störung findet sich häufig eine affektive Instabilität, die auf eine sehr ausgeprägte Reaktivität der Stimmung zurückzuführen ist. Die Stimmung kann sehr abrupt von dysphorischer Grundstimmung auf Wut, Angst oder Verzweiflung umschlagen, wobei diese Zustände gewöhnlich nur einige Stunden und nur selten länger als einige Tage dauern. Die betroffenen Personen leiden häufig unter einem chronischen Gefühl der inneren Leere, was im engen Zusammenhang mit der Identitätsstörung steht. Personen mit dieser Störung haben oft heftige Wutausbrüche oder verspüren eine langanhaltende Wut. Die Wut ist häufig so extrem, dass die betreffende Person Schwierigkeit hat, sie zu kontrollieren. Wutausbrüche treten auch hier insbesondere bei wahrgenommenen Zurückweisungen oder Vernachlässigung durch den Partner oder eine andere wichtige Bezugsperson auf. Wird die Belastung als besonders extrem erlebt, kann es vorübergehend zu paranoiden Vorstellungen oder dissoziativen Symptomen kommen, die gewöhnlich von geringem Ausmaß oder kurzer Dauer sind. Dramatischer Persönlichkeitsstil > Histrionische Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Dramatische Menschen sind Gefühlsmenschen und leben in einer Welt voller Farbe und Intensität. Sie sind empfindungsorientiert, zeigen ihre Gefühle offen, wechseln schnell von Stimmung zu Stimmung, neigen zu spontanem und impulsivem Verhalten und nutzen den Augenblick. Für Menschen mit diesem Stil ist das Leben nie dumpf und langweilig, sie füllen ihre Welt mit Aufregung und Phantasie und erleben das Leben intensiv und überschwenglich. Sie betrachten die ganze Welt als ihre Bühne, sie möchten gesehen werden und brauchen Aufmerksamkeit, Applaus und Komplimente wie Wasser und Brot. Sie lieben ein gepflegtes Äußeres und genießen ihre erotische Anziehungskraft. Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster übermäßiger Emotionalität oder Streben nach Aufmerksamkeit charakterisiert. Personen mit dieser Störung verlangen ständig danach, im Mittelpunkt zu stehen. Das Verhalten ist typischerweise darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Betroffene Personen verhalten sich im Sozialkontakt häufig unangemessen, aufreizend bzw. sexuell provokativ. Der Gefühlsausdruck ist oberflächlich und kann sehr rasch wechseln. Personen mit dieser Störung nutzen ihr äußeres Erscheinungsbild, wie z.B. Kleidung, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: Es wird übermäßig viel Zeit auf die äußere Erscheinung verwendet oder die betreffende Person fühlt sich extrem gestört, wenn sie sich nicht attraktiv fühlt. Der Sprachstil ist übertrieben impressionistisch, kennt im Grunde genommen keine Details, echte Fakten fehlen. Charmantes Auftreten, theatralisches In-Szene-Setzen, Weinen, Wutausbrüche bis hin zu Suizidandrohungen gehören dazu. Nur flüchtige Bekannte werden mit unangemessener Begeisterung umarmt oder es kommt zu „Weinkrämpfen“, wobei das Ausmaß der emotionalen Reaktion in keinem Verhältnis zum Anlass steht. Personen mit dieser Störung sind auch häufig unsicher in ihren Meinungen und Ansich61 ten und übernehmen daher schnell die Meinung anderer. Beziehungen werden von ihnen enger wahrgenommen, als sie tatsächlich sind. Sie glauben, zu fast allen Menschen, die sie treffen, einen schnellen engen Kontakt zu haben. Das kann sich beispielsweise darin äußern, dass der behandelnde Zahnarzt nach zwei Terminen mit seinem Vornamen angesprochen wird etc. Selbstbewusster Persönlichkeitsstil > Narzisstische Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem selbstbewussten Stil sind oft begabte Führungspersönlichkeiten und der Mittelpunkt ihrer öffentlichen oder privaten Welt. Sie glauben an sich und ihre Fähigkeiten, sind sich ihrer Gedanken und Gefühle genau bewusst und sie wissen, was sie wollen. Selbstbewusste Menschen verkaufen sich und ihre Ideen energisch und effizient. Sie haben oft auch eine besondere Gabe, andere für die eigenen Ziele zu begeistern und erwarten, dass sie immer besonders gut behandelt werden. Im Umgang mit anderen sind sie geschickt, mit taktischem Gespür begabt und siegesgewiss auf Konkurrenz eingestellt. Sie nehmen Lob und Bewunderung gelassen entgegen, fühlen sich aber von Kritik tief getroffen. Persönlichkeitsstörung. Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung findet sich ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Phantasie oder Verhalten), ein durchgehendes Bedürfnis nach Bewunderung und ein Mangel an Empathie. Personen mit dieser Störung legen ein übertriebenes Selbstwertgefühl an den Tag. Eigene Leistungen und Fähigkeiten werden überbetont und überbewertet. Die betreffende Person erwartet, auch ohne entsprechende Leistung, als überlegen zu gelten. Dadurch wirken diese Personen häufig prahlerisch und großspurig. Ihr Denken ist häufig von Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit oder vollkommene Liebe beherrscht. Die betreffende Person begibt sich gern in diese Tagträume, andere Aktivitäten können dadurch verdrängt werden. Personen mit dieser Störung glauben von sich, überlegen, besonders oder einzigartig zu sein. Dementsprechend sind sie der Überzeugung, nur von Leuten verstanden zu werden oder nur mit Leuten Kontakt zu haben, die ebenfalls etwas besonders sind oder eine hohe Position innehaben. So bestehen sie beispielsweise bei einer Beschwerde darauf, nur mit dem höchsten Vorgesetzten zu sprechen. Auch verlangen Betroffene mit dieser Störung nach übermäßiger Bewunderung. Es ist ihnen sehr wichtig, dass sie von anderen beachtet oder in irgendeiner Weise bewundert werden. Dementsprechend sind die Verhaltensweisen häufig darauf ausgerichtet, Bestätigung und Bewunderung zu erhalten. Ein hohes Anspruchsdenken ist häufig bei diesen Personen zu finden. So erwarten sie beispielsweise, bevorzugt behandelt zu werden. Diese hohe Anspruchshaltung geht oft einher mit einem Mangel an Sensibilität gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen anderer Menschen. Zwischenmenschliche Beziehungen werden dahingehend ausgenutzt, die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Ziele zu realisieren. Es besteht die Erwartung, dass andere den eigenen Wünschen bedingungslos nachkommen. Menschen mit dieser Störung halten es oft für unwichtig, sich mit den Angelegenheiten oder den Gefühlen anderer auseinanderzusetzen. Sie haben Schwierigkeiten, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen und deren Wünsche und Gefühle wahrzunehmen. Sie können es häufig nur schwer ertragen, wenn andere erfolgreich sind oder haben den Eindruck, dass andere oft neidisch auf sie sind. Auch zeigen betroffene Personen häufig arrogante und überhebliche Verhaltensweisen und Einstellungen. 62 Sensibler Persönlichkeitsstil > Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem sensiblen Stil ziehen das Bekannte dem Unbekannten vor und können ihre Fähigkeiten dann entfalten, wenn die Welt klein ist und ihnen die Menschen vertraut sind. Sensible Menschen lieben Gewohnheit, Wiederholung und Routine. Sie sind ihrer Familie und ihren engen Freunden tief verbunden und schätzen die Behaglichkeit des Zuhause. Im sozialen Umgang liegt ihnen sehr daran, was andere von ihnen denken, sie sind umsichtig und taktvoll, fällen keine vorschnellen Entscheidungen und verhalten sich liebenswürdig und beherrscht mit höflicher Zurückhaltung. Persönlichkeitsstörung. Die vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster von sozialer Gehemmtheit, Insuffizienzgefühlen und der Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung durch andere gekennzeichnet. Personen mit dieser Störung vermeiden berufliche Aufgaben oder Aufträge, bei denen sie mit vielen Menschen zu tun haben, aus Angst vor Kritik, Ablehnung oder Zurückweisung. Soziale Kontakte werden in der Regel nur eingegangen, wenn der Betroffene sich der Sympathie und des Angenommenseins durch den anderen sicher ist. Selbst in engeren Beziehungen fällt ihnen es schwer, für sich selbst zu sprechen und intimere Gefühle zu zeigen aus Angst, man könnte sich über sie lustig macht oder sie in Verlegenheit bringen. In sozialen Situationen sind die Betroffenen ständig gedanklich damit beschäftigt, kritisiert oder abgelehnt zu werden. Ihre Aufmerksamkeit ist ganz auf den anderen gerichtet. Sie sehen sich sozusagen durch die Augen des anderen. Selbst eher neutrale Verhaltensweisen können schon als Kritik und Ablehnung bewertet werden, wodurch sich der Betroffene äußerst verletzt fühlt. Menschen mit dieser Störung halten sich für gesellschaftlich unbeholfen, persönlich unattraktiv oder dem anderen gegenüber unterlegen. Die geringe Selbstachtung führt dazu, dass sich die Betroffenen schweigsam zurückhalten, wenn sie neue Leute kennen lernen. Auch nehmen Menschen mit dieser Störung in der Regel ungern persönliche Risiken in Kauf oder wagen sich nicht an neue Aktivitäten heran, weil sie große Angst haben, sich dabei zu blamieren. Anhänglicher Persönlichkeitsstil > Dependente Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Anhängliche Menschen haben sich den Beziehungen in ihrem Leben verschrieben und kümmern sich um andere, was ihr Leben lebenswert macht. Sie legen höchsten Wert auf dauerhafte Beziehungen, bemühen sich, ihre Beziehungen zusammenzuhalten und sind dabei loyal, hilfsbereit und fürsorglich. Um Harmonie bemüht, neigen sie zu höflichem und taktvollen Verhalten ohne zu widersprechen und fallen durch besondere Rücksichtnahme auf. Anhängliche Menschen ziehen die Gesellschaft anderer dem Alleinsein vor, sie möchten eher folgen als führen, sind kooperativ und bemühen sich, ihr Verhalten zu ändern, wenn sie kritisiert werden. Persönlichkeitsstörung. Bei der dependenten Persönlichkeitsstörung steht ein tiefgreifendes und überstarkes Bedürfnis im Vordergrund, versorgt zu werden, das zu unterwürfigem und anklammerndem Verhalten und ausgeprägten Trennungsängsten führt. Betroffene benötigen häufig ausgiebige Ratschläge oder Bestätigung von anderen, bevor sie alltägliche Entscheidungen treffen können. Bei der Organisation wichtiger Lebensbereiche, wie z.B. Planung des Alltags oder Geldangelegenheiten, sind sie von anderen, meist einer einzelnen Person, abhängig. Aus Angst, die Unterstützung und den Rückhalt zu verlieren, ohne die sich die dependente Persönlichkeitsstörung 63 schwach, hilflos und lebensunfähig fühlt, fällt es den betroffenen Menschen sehr schwer, anderen zu widersprechen oder eine andere Meinung zu vertreten. Es wird alles Erdenkliche getan, um die Versorgung oder Zuwendung anderer zu erhalten. So werden beispielsweise freiwillig unangenehme Aufgaben übernommen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung fällt es schwer, Aufgaben zu beginnen oder daran zu bleiben, wenn ihnen niemand dabei hilft. Dies geschieht nicht aus mangelnder Motivation oder Tatkraft, sondern auf dem Hintergrund tiefsitzender Selbstzweifel. Die Betroffenen sind sich beispielsweise sicher, dass andere Menschen Dinge besser können. Aus der Überzeugung heraus, ohne eine enge Beziehung nicht lebensfähig zu sein, gehen Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung schnell wieder eine andere Beziehung ein, wenn eine enge Beziehung endet. Auf dem Boden dieser Überzeugung, die Hilfe und Unterstützung des anderen zum Überleben zu benötigen, besteht bei den Betroffenen eine ständige Angst davor, alleine gelassen zu werden, obwohl dafür kein offensichtlicher oder greifbarer Grund vorliegt. Daraus resultiert häufig ein anklammerndes Verhalten. Gewissenhafter Persönlichkeitsstil > Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstil. Menschen mit einem gewissenhaften Persönlichkeitsstil sind das Rückgrat der westlichen Industriegesellschaften. Sie haben starke moralische Prinzipien und absolute Überzeugungen, ihr Verhalten ist durch eine besondere Hingabe an harte Arbeit gekennzeichnet und dem Willen, das Richtige zu tun. Alles muss richtig gemacht werden, und der gewissenhafte Mensch weiß genau, was dies bedeutet: mit der richtigen Methode, perfekt und bis ins letzte Detail ohne den kleinsten Fehler. Gewissenhafte Menschen lieben Ordnung und Sauberkeit, Listen und Pläne und machen sich ohne viel Aufhebens an die Arbeit. Sie sind in allen Bereichen ihres Lebens sparsam, behutsam und vorsichtig. Sie neigen dazu, alles mögliche zu verwahren und zu sammeln, da man ja nie weiß, ob man es nicht wieder brauchen könnte. Persönlichkeitsstörung. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster von übergroßer Ordnung, Perfektion und Kontrollstreben auf Kosten von Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Effizienz geprägt. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung legen großen Wert auf die sorgfältige Beachtung von Regeln, Verfahrensfragen, Ordnung und Organisation. Nebensächlichen Details wird eine außergewöhnliche Beachtung geschenkt und sie werden auf mögliche Fehler überprüft. Der übertriebene Perfektionismus führt bei diesen Menschen zu beträchtlichen Beeinträchtigungen und Leid. In dem Bemühen, eine Aufgabe absolut perfekt zu erledigen, vertiefen sie sich so sehr in Details, dass die eigentliche Arbeit nie zum Abschluss kommt. Für Freunde oder Vergnügungen bleibt häufig keine Zeit mehr. Arbeit und Produktivität haben absolute Priorität, obwohl keine finanzielle Notlage vorliegt oder zeitlich begrenzte berufliche Anforderungen bestehen. Freie, unverplante Zeit bedeutet eher Stress: Hobbys oder Beschäftigungen mit Erholungswert werden zu ernstzunehmenden Aufgaben umfunktioniert, wobei stets die perfekte Leistung betont wird. Nur was mit Anstrengung und Leistung verbunden ist, besitzt einen wirklichen Wert. Es bestehen sehr starre, unflexible Ansichten in bezug auf Moral und Wertvorstellungen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung haben eine genaue Vorstellung davon, was richtig und falsch ist, dementsprechend verhalten sie sich und erwarten von anderen Menschen, dass diese sich genauso verhalten. Gegenüber eigenen Fehlern sind sie erbarmungslos selbstkritisch. Aufgaben werden nur mit Widerwillen delegiert. Denn die Betroffenen haben eine klare, rigide Vorstellung davon, wie eine Arbeit zu erledigen ist, und erwarten, dass andere 64 bis ins Detail ihren Arbeitsstil übernehmen. So geben sie beispielsweise detaillierte Instruktionen, wie die Küche zu putzen, der Rasen zu mähen ist etc. Keiner kann es ihnen recht machen. Auf Verbesserungsvorschläge anderer reagieren sie eher irritiert und überrascht, Hilfe wird abgelehnt. Häufig sind sie auch unfähig, kaputte oder wertlose Gegenstände wegzuwerfen, da sie denken, dass sie diese eines Tages vielleicht doch noch einmal brauchen könnten. Durch dieses Horten kann es zu Platzproblemen in der Wohnung oder im Haus kommen. Es fällt häufig schwer, Geld für sich selbst oder andere auszugeben, auch wenn genügend zur Verfügung steht. Sie sind geizig, da das Geld für künftige Katastrophen gehortet werden muss. Es ist ihnen häufig ganz gleichgültig, was andere Leute sagen, weil sie sich sicher sind, recht zu haben. Dabei sind sie so in ihre eigene Sichtweise verstrickt, dass es ihnen fast unmöglich ist, Vorschläge und Standpunkte anderer zu berücksichtigen. 65 66 3 Interventionsmaßnahme: Das psychoedukativ- und kompetentorientierte Gruppentherapieprogramm 3.1 Institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen der Kliniken 3.1.1 Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim wurde als Einrichtung für stationäre Psychotherapie und psychosomatische Rehabilitation konzipiert und bietet für insgesamt 225 Patienten Therapieplätze. Bei der Klinik handelt es sich um eine Versorgungs- und Rehabilitationseinrichtung im Sinne des § 107 SGB V. Sie wird von allen Rentenversicherungsträgern gem. §§ 15 und 31 SGB VI, von allen Krankenkassen gem. § 111 SGB V sowie privaten Krankenversicherungen und Sozialhilfeträgern belegt. Die Zuweisung der Patienten erfolgt durch niedergelassene Ärzte, Psychotherapeuten bzw. auf Veranlassung der Rentenversicherungsträger. Behandlungskonzept. Das Behandlungskonzept basiert auf den wissenschaftlich fundierten, empirisch überprüften Verfahren der Verhaltenstherapie. Durch die plausible Verknüpfung medizinischer und lerntheoretisch begründeter psychologischer Erkenntnisse hat sich der Begriff der „Verhaltensmedizin“ etabliert und liegt der gesamten Konzeption zugrunde. Im Bereich der diagnostischen sowie therapeutischen Prozesse führt die Verhaltensmedizin die Verhaltenstherapie auf der Basis der wissenschaftlichen Lerntheorie, ergänzt durch Ergebnisse der psychologischen Grundlagenforschung, der Sozialpsychologie, der kognitiven Psychologie und der Psychophysiologie mit dem gesicherten Wissen der somatischen Medizin zusammen. Vor dem Hintergrund, dass viele Gesundheitsstörungen bzw. Krankheitsbilder durch ein interdependentes Zusammentreffen von somatischen, psychischen und sozialen Gegebenheiten ausgelöst und aufrechterhalten werden, leitet sich die Multimodalität adäquater therapeutischer Ansätze ab. An die Stelle eines monokausalen und ebenso reduktionistischen Erklärungsmodells tritt damit ein Interaktionsmodell aller relevanter Einflussgrößen im Sinne eines bio-psycho-sozialen Modells. Der sich daraus ableitende Behandlungsansatz versucht, im Hinblick auf bestimmte Verhaltensmuster von Patienten mit funktionellen oder psychosomatischen Beschwerden alternative Lösungen aus der Krise oder Krankheit auf verschiedenen Ebenen aufzuzeigen. Nach einer angemessenen organmedizinischen Diagnostik erfolgt durch den jeweils behandelnden Bezugstherapeuten im Rahmen einer verhaltensanalytisch orientierten Exploration der Symptomatik, ihrer vorausgehenden Bedingungen und ihrer Konsequenzen gemeinsam mit dem Patienten die Erarbeitung eines plausiblen übergeordneten Störungsmodells, aus dem Veränderungsziele und Therapiestrategien abgeleitet werden. Durch die offene und transparente therapeutische Vorgehensweise in einem wertschätzenden Rahmen soll ein der Krankheit vermeintlich hilflos ausgelieferter Patient schrittweise an ein eigenverantwortliches Handeln im Interesse der Symptomreduktion, einer Verbesserung des Leistungsvermögens oder einen Aufbau von gesundheitsbewusstem Verhalten geführt werden. Patienten mit neurotischen oder psychosomatischen Beschwerden vermeiden häufig bestimmte psychosoziale Anforderungs- und Belastungssituationen, so dass es in der Therapie v.a. darum geht, die spezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen zu fördern, die für 67 die adäquate Bewältigung solcher Anforderungen im Hier und Jetzt notwendig sind. Da sich viele solcher Fertigkeiten bzw. deren defizitäre Ausprägung auf interaktionelles Verhalten in Gruppen beziehen, ist die Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie ein geeigneter Zugang. Sich abzeichnende therapeutische Fortschritte innerhalb des relativ geschützten Milieus der Klinik, werden dann durch sukzessive Einbeziehung der sozialen Wirklichkeit des Patienten stabilisiert und generalisiert, z.B. mittels berufsbezogener Belastungserprobungen innerhalb und/oder außerhalb der Klinik, Verhaltenserprobungen im häuslichen Milieu, Gespräche unter Einbezug der Angehörigen u.ä. Ziel jeder Behandlung ist die erfolgreiche medizinische, psychosoziale und berufliche Rehabilitation des Patienten. Indikation. Das Indikationsspektrum der Klinik umfasst Neurosen und andere seelischen Krankheiten wie z.B. Depressionen, Angstzustände und Phobien, Zwangsneurosen, Persönlichkeitsstörungen, Intervallbehandlung bei Psychosen; psychovegetative bzw. funktionelle Erkrankungen sämtlicher Organsysteme wie z.B. funktionelle kardiovaskuläre Syndrome, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, chronische Schmerzzustände und sexuelle Störungen; psychosomatische Erkrankungen z.B. des Herz-Kreislauf-Systems wie Hypertonie, Störungen des Essverhaltens wie Anorexia und Bulimia sowie Adipositas, Ulcusleiden, entzündliche Darmerkrankungen, Asthma bronchiale; psychische Störungen bei Körperkrankheiten, d.h. seelische Auswirkungen von schweren und langwierigen Erkrankungen wie beispielsweise Multipler Sklerose, Diabetes mellitus, Krebserkrankungen, chronischem Gelenkrheuma oder Unfällen mit bleibender körperlicher Behinderung. Nicht behandelt werden Patienten mit akuter Selbstgefährdung; Patienten mit Medikamenten-, Drogenund Alkoholabhängigkeit; Kinder bzw. Jugendliche unter 16 Jahren sowie hirnorganisch oder psychotisch beeinträchtigte Patienten. Therapiekonzept. Das Therapiekonzept basiert auf einem Bezugstherapeutensystem, d.h. dass die therapeutischen Leistungen incl. der notwendigen medizinischen Versorgung gemeinsam mit dem Patienten und dem zuständigen ärztlichen oder psychologischen „Bezugstherapeuten“ so erarbeitet werden, dass der Patient sie nicht als „Verordnungen“ versteht, sondern als sinnvolle und adäquate Antwort auf die Fragen bzw. die Problemdefinition erkennen kann, die sich im diagnostischtherapeutischen Prozess ergeben haben. Die Aufgabe des Bezugstherapeuten ist es, im Rahmen von Einzelgesprächen, sowohl mit dem Patienten realistische Therapieziele herauszuarbeiten, wie ihn auch fördernd und beratend bei der Umsetzung gemeinsam erarbeiteter Strategien zu begleiten. Der Bezugstherapeut – entweder Arzt oder Psychologe – ist zunächst für alle Aspekte bzw. Problembereiche seiner Patienten (z.B. Klagen des Patienten über Schmerzen, Anforderung von Konsiliaruntersuchungen, Planung der Einzel- und Gruppentherapien, Probleme des Patienten mit Mitpatienten bis zum Schreiben des kompletten Entlassungsberichtes) zuständig. Um die bestmöglichen Problemlöseansätze für seine Patienten zu gewährleisten, hat er in einem interdisziplinär zusammengesetztem Team die Möglichkeit für die Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Strategien die jeweils erforderlichen Kompetenzen der vorhandenen anderen Berufsgruppe anzufordern. Die ergänzenden gruppentherapeutischen Angebote und Methoden der Funktionsbereiche, die jeweils über den Bezugstherapeuten eingeleitet werden, sind plausibel aufeinander bezogen und transparent gestaltet, um die Patienten für eine aktive und verantwortliche Mitarbeit zu motivieren und eine vertrauensvolle Kooperation zu ermöglichen. 68 Therapeutisches Team. Das therapeutische Team besteht aus 18 ärztlichen, 14 (+6) psychologischen Planstellen und insgesamt ca. 45 weiteren therapeutischen Mitarbeitern der Ergo-, Sport-, Sozio- und Co-Therapie sowie der Medizinischen Zentrale. An fachärztlicher Kompetenz sind die Gebiete Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin, Neurologie, Innere Medizin, Allgemeinmedizin und Gynäkologie vertreten. Die therapeutischen Mitarbeiter sind auf 8 interdisziplinär zusammengesetzte Behandlungsteams verteilt, in denen jeweils 27 bis 30 Patienten betreut werden. Jedem Team ist ein leitender Arzt oder leitender Psychologe zugeordnet. Je zwei Teams werden von einem supervisorischem „Tandem“ betreut, das aus einem leitenden Arzt und einem leitenden Psychologen besteht. Die fachärztliche Ausrichtung des ärztlichen Supervisors akzentuiert den medizinischen Schwerpunkt der Arbeit eines Behandlungsteams. Ärztliche und psychologische Supervisoren sind gleichzeitig in einem der beiden Teams eines solchen Tandems mit eigenen Patienten als Bezugstherapeuten integriert. Daneben verfügt jedes Behandlungsteam über 1 ½ oder 1 ¾ ärztliche Planstellen, 1 ½ Planstellen für Diplom-Psychologen bzw. eine psychologische Planstelle und eine Stelle für einen Psychologen im Praktikum (PiP). Komplementiert werden die Teams durch jeweils 3 Co-Therapeuten. CoTherapeuten sind Krankenschwestern, Krankenpfleger, Erzieher, Arzthelferinnen oder Angehörige anderer medizinischer Assistenzberufe. In enger Zusammenarbeit mit den Bezugstherapeuten sind sie in bestimmte Aufgaben im diagnostischen und therapeutischen Bereich integriert (u.a. Teilnahme an Einzel- und Gruppengesprächen bzw. selbständige Durchführung bestimmter Gruppentherapien, wie z.B. Entspannungstraining, Selbstsicherheitstraining, Durchführung von Biofeedbacktherapie oder Verhaltenserprobungen mit Patienten, z.B. im Rahmen der Behandlung von Patienten mit Angst- oder Zwangsstörungen). Co-Therapeuten sind von Beginn der stationären Behandlung an konstante Ansprechpartner ihrer Patienten sowohl für organisatorische Abläufe wie auch für inhaltliche Fragen. Supervision. Die therapeutischen Teams bilden gleichzeitig eine Supervisions- und Ausbildungseinheit zum Erlernen komplexer therapeutischer Konzepte. Im Rahmen einer internen Supervision finden in jedem Behandlungsteam wöchentlich mehrstündige Supervisionssitzungen statt (i.d.R. eine Stunde medizinische Supervision und drei Stunden psychotherapeutische Supervision). In der Supervision werden u.a. neu aufgenommene Patienten von den jeweilig behandelnden Bezugstherapeuten vorgestellt, indem die Ergebnisse der diagnostischen Maßnahmen referiert werden, ebenso werden Überlegungen zur Indikation und Differentialindikation verhaltensmedizinischer Interventionen diskutiert. Die zuständigen Supervisoren steuern ihre Einschätzungen bei, die sie bei einem ambulanten Vorgespräch oder bei dem obligatorischen Einzelkontakt mit den Patienten kurz nach Aufnahme gewonnen haben und geben Anleitungen zur weiteren Befunderhebung, Differentialdiagnostik, gegebenenfalls notwendigen Pharmakotherapie und möglichen Kriseninterventionen. Daneben werden Behandlungsverläufe reflektiert, patientenbezogene Beobachtungen und Erfahrungen der Mitarbeiter aus den Funktionsbereichen ausgetauscht oder sozialmedizinische Beurteilungen und Empfehlungen für die Nachbehandler diskutiert. Im Vordergrund der Supervision steht besonders die Erstellung individualisierter Therapiepläne und die Therapeut-Patient-Dyade. Vorbereitung der Patienten. Bei Patienten mit bestimmten Zuweisungsdiagnosen, Unklarheiten in der Indikationsstellung oder unklarer Motivationslage aufgrund erst69 maliger Konfrontation mit der Thematik „Psychosomatik“ wird vor der stationären Aufnahme in die Klinik von den leitenden Therapeuten ein ca. einstündiges Vorgespräch durchgeführt. Die Zielsetzungen solcher Vorgespräche bestehen darin, neben Klärung der Indikation, dem Ausschluss von Kontraindikationen sowie der Überprüfung bzw. Stärkung einer spezifischen Motivation, den Patienten das diagnostische und therapeutische Vorgehen transparent und plausibel zu erläutern, um die Compliance für eine aktive Mitarbeit im Rahmen des Behandlungskonzeptes zu fördern. Unabhängig von diesen motivationalen Aspekten werden bei einer Reihe von Störungen Vorgespräche obligatorisch durchgeführt, insbesondere um spezifische verhaltenstherapeutische Interventionen konkret zu erläutern, die sich in der Behandlung bestimmter Störungen bewährt haben (z.B. Ruheprogramm bei anorektischen Patienten, Reaktionsverhinderung bei Patienten mit Zwangsstörungen). Ebenso kann das Vorgespräch dazu dienen, die Gefahr einer Überforderung durch das therapeutische Setting einzuschätzen (z.B. bei Patienten mit Residualsyndrom). In der Regel werden Patienten nach einem Vorgespräch auch in der Klinik aufgenommen; die Quote der abgelehnten Aufnahmeersuchen insgesamt liegt unter 5 %. Einführung der Patienten. Pro Woche werden etwa 25 bis 35 Patienten aufgenommen und - entsprechend des störungsspezifischen Schwerpunktes sowie der frei werdenden Therapieplätze - einem Behandlungsteam bzw. Bezugstherapeuten zugeordnet. Sämtliche neu aufgenommenen Patienten nehmen in der ersten Behandlungswoche neben der medizinischen und psychologischen Aufnahme an einem Einführungstraining teil. Hier wird handlungsrelevantes Wissen über Therapieziele, über Wege und Möglichkeiten der Therapieplanung und über einzelne Therapiebausteine über die Demonstration von Videoausschnitten, Kleingruppenarbeit, Interviews mit „älteren“ Patienten und offene Gesprächsrunden vermittelt. Durch die über diese Einführung erreichte Transparenz ist es dem Patienten eher möglich, die für ihn wichtigen Therapiebausteine auszuwählen und gezielt zu nutzen. Ebenso können die Patienten so Einsichten in die konzeptionelle Gestaltung der Klinik und das Setting der therapeutischen Maßnahmen erlangen. Es erleichtert es ihnen, bestimmte diagnostische Schritte (z.B. das Führen von Verhaltensprotokollen) und therapeutische Vorgehensweisen (z.B. Expositionsübungen) als relevant für den eigenen Behandlungsprozess zu erkennen. Die anchfolgende Tabelle stellt die Struktur des therapeutischen Angebotes zusammenfassend dar. 70 Tab. 7: Struktur des therapeutischen Angebotes Indikationsstellung durch Einweiser oder Leistungsträger – ggf. Vorgespräch Aufnahme Psychotherapeutische Maßnahmen Somatomedizinische Maßnahmen Bezugstherapeut/ Kontaktaufnahme Teamarzt Bezugs-Co-Therapeut Diagnostik • Individuelle Problem- und Bedin• Sichtung der Vorbefunde gungsanalyse (MULP-Schema) • Anamnese • Verhaltensbeobachtung • Körperlicher Befund • Testpsychologie • Psychischer Befund • ggf. Familienanamnese • Routinelabor • EKG Teamsupervision/ Zusammenfassung der Medizin. Supervision/ Fallbesprechung psychologischen und soZweitsicht durch den leitenden matischen Befunde zu Arzt einem bio-psycho-sozialen Störungsmodell • Definition individueller Rehabili• Veranlassung weiterer appatations- und Behandlungsziele rativer Diagnostik (z.B. EEG, Sonographie, Ergometrie, • Planung der Therapiebausteine Schlafapnoediagnostik etc.) • Einbeziehung der Funktionsberei• Veranlassung interner und che externer Konsile • Auswertung der Selbstbeobach• Indikationsstellung für Sporttungsprotokolle und Pysiotherapie Verbale Psychotherapie Therapie • Medizinische Betreuung • Einzelgespräche • Psychosomatikgruppe • Monitoring somatischer Parameter • Problemlösegruppe • Kurvenvisite • Störungsspezifische Gruppen Übende und aktivierende Verfahren • ggf. Medikation • Selbstsicherheitstraining • Behandlung interkurrenter Erkrankungen • Entspannungstraining • ggf. konsiliarische Mitbe• Expositionsverfahren handlungen • Biofeedback • ggf. Diätberatung Partner- bzw. Familiengespräche Bibliotherapie/Freizeitgestaltung • Gesundheitstraining Ergotherapie Soziotherapie Funktionsbereiche • • • • Sporttherapie Krankengymnastik Physikalische und Balneotherapie • Abschlussuntersuchung • Laborkontrolle • Beurteilung der Arbeitsfähigkeit • Erstellung eines positiven und negativen Leistungsbildes • Nachsorgeplanung Sozialmedizinische DiArbeitsbezogene Fokussierung mension Therapeutische Beurlaubung (Transferphase) Hausinternes Belastungstraining Externe berufsbezogene Belastungserprobung • Beratung bzgl. Weiterqualifikation / Wiedereingliederung Basisdokumentation Erfassung der therapeutischen Leistungen/Einschätzung der Ergebnisqualität Arztbrief mit sozialmedizinischer Einschätzung und Weiterbehandlungsempfehlungen für den Hausarzt/Psychotherapeuten usw. 71 Einzeltherapie. Während des gesamten Aufenthaltes finden in der PatientBezugstherapeuten-Dyade Einzelgespräche statt, häufig in Anwesenheit des zuständigen Co-Therapeuten. Häufigkeit und Dauer der Einzelgespräche werden in Abhängigkeit individueller Erfordernisse gestaltet. Üblicherweise finden in den ersten drei Behandlungswochen zwei Einzelgespräche à 50 Minuten pro Woche statt. Im weiteren Verlauf der Therapie treten die Einzelgespräche zugunsten von Gruppentherapien, Verhaltensübungen und klinikexternen Interventionen zurück. Die in den Einzelkontakten entwickelten individuellen Zielsetzungen und Therapieschritte werden dabei zum einen in den Einzelgesprächen umgesetzt, zu anderen auch in entsprechenden gruppentherapeutischen Aktivitäten. Insofern dienen die Einzelkontakte ebenso der Aufarbeitung therapeutischer Schritte „zwischen den Sitzungen“ (z.B. von Verhaltensexperimenten“ und von Erfahrungen in den Gruppentherapien oder anderen sozialen Kontexten). Gruppentherapie. Vor dem Hintergrund der Verzahnung von Einzel- und Gruppentherapie wird in der Einzeltherapie auf der Basis der Therapieziele die Indikation an bestimmten Gruppen gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet. Insgesamt ist das Angebot an Gruppentherapien breit gefächert (vgl. Jahresbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim 1998/99). Die Gruppentherapien werden nach Standardgruppen (team- oder tandemintern) und themenzentrierten bzw. störungsspezifischen Gruppen (teamübergreifend) unterschieden. Im einzelnen sind im Bereich der psychotherapeutischen Gruppen folgende Angebote: Psychosomatikgruppe, Problemlösegruppe (nach Grawe, 1980), Progressive Muskelrelaxation, Selbstsicherheitstraining, Essstörungsgruppe (zum einen für Anorexie und BulimiePatientinnen sowie eine gesonderte Gruppe nach einem Anti-Diät-Konzept für adipöse Patienten), Angstgruppe sowie spezielle Angstbewältigungsgruppe für Agopraphobiker, Schmerzgruppe, Frauengruppe und Depressionsgruppe. Standard- und themenzentrierte Gruppen. In den sogenannten Standardgruppen (z.B. Psychosomatikgruppe) werden Themen bearbeitet und Inhalte vermittelt, die sich „standardmäßig“ nahezu bei jedem Patienten finden, häufig unabhängig von der jeweiligen Einweisungsdiagnose. Die themenzentrierten Gruppen (z.B. Angstgruppe) zielen dagegen auf die diagnostisch-therapeutische Bearbeitung spezifischer Störungsbereiche ab. Neben den Standardgruppen und themenzentrieretn Angeboten als psychotherapeutisch-psychosomatisch orientierte Gruppen im engeren Sinne erfolgen auch in den Funktionsbereichen Ergotherapie, Soziotherapie und Sporttherapie einzel- und gruppentherapeutische Interventionen mit jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen. Einzelne Behandlungselemente der Funktionsbereiche sind dabei ebenso Therapieelemente von Standard- oder themenzentrierten Gruppen (z.B. sporttherapeutische Interventionen im Rahmen der Angst- und Schmerzbehandlung, die sporttherapeutischen Aktivierungsbausteine der Depressionsbewältigungsgruppe oder soziotherapeutische Themen in einem Selbstsicherheitstraining (z.B. Umgang mit „Autoritäten“ im Zusammenhang mit einer Bewerbungssituation auf dem Arbeitsmarkt)). Ergotherapie. In der Ergotherapie steht der tätige, handelnde Mensch und seine materielle Umwelt im Blickpunkt. Neben Sprache werden kreative und handwerkliche Techniken als therapeutische Mittel eingesetzt. Im Umgang mit verschiedenen Materialien werden dem Patienten die eigene Art des Herangehens, seine Ressourcen 72 und Defizite sichtbar. Im therapeutischen Prozess können diese dem Patienten bewusst gemacht und durch Training verändert werden. Der Umgang des Patienten mit Material und sachorientierten Aufgaben sowie seine Kommunikation darüber können im Zusammenhang mit der beruflichen Anamnese und sonstigen klinischen Beobachtungen zur Arbeits- und Leistungsbeurteilung beitragen. Dabei bietet die Ergotherapie zum einen geschlossene indikative Therapiegruppen mit spezifischen Zielsetzungen (z.B. Malgruppe, Kochgruppe, Projektgruppe) und zum anderen offene Werkstätten an. Soziotherapie. Die Soziotherapie umfasst beratende und themenzentrierte therapeutische Arbeit mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Förderung des Selbstmanagements der Patienten im sozialen Alltag, insbesondere während der Ausbildung und im Erwerbsleben. Neben einer Bearbeitung konkreter Problemfelder im direkten Kontakt mit den Patienten besteht die Aufgabe der soziotherapeutischen Abteilung auch in der Beratung der therapeutischen Teams hinsichtlich einzelner Aspekte des psychosozialen Versorgungsnetzes und des Erwerbslebens. In Einzel- und Gruppengesprächen erfahren Patienten Hilfe bei der Definition ihrer sozialen bzw. beruflichen Probleme und bei der Suche nach realisierbaren Lösungen. Schwerpunkt bildet in den soziotherapeutischen Sitzungen die Klärung von persönlichen Neigungen, Eignungen und Interessen, sowohl im Hinblick auf spezifische Berufswünsche, als auch im Hinblick auf die aktuelle berufliche Position. Zum festen Behandlungsangebot der Soziotherapie gehört ebenso die Einleitung berufsbezogener Belastungstrainings an klinikinternen und -externen Arbeitsplätzen, das Bewerbertraining sowie spezifische Maßnahmen für jugendliche Patienten. Die therapeutischen Aktivitäten zielen jeweils darauf ab, problematische Kognitionen und daraus resultierende Verhaltensweisen anzusprechen und deren Veränderung anzustoßen. Die soziotherapeutischen Bemühungen werden schließlich in einer sozialmedizinischen Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit konkretisiert, ebenso bilden sie Grundlage eines auf das Erwerbsleben ausgerichteten Handlungsplanes des Patienten (u.a. Entwicklung eines Nachsorgekonzeptes, das der Festigung der stationären Behandlungserfolge dient). Sporttherapie und Krankengymnastik. Die therapeutischen Ziele der Sporttherapie und Krankengymnastik bestehen u.a. in der Steigerung der physischen Leistungsfähigkeit sowie der Verbesserung psychosozialer Kompetenzen (u.a. Erhöhung der Kontakt- und Gruppenfähigkeit). Um der unterschiedlichen Belastbarkeit und den unterschiedlichen sportlichen Vorerfahrungen der Patienten Rechnung zu tragen, besteht ein differenziertes Angebot, welches neben Teamsport, Fit-up, Zirkeltraining, Adipositassport, Ergometertraining, ebenso spezielle indikative und störungsspezifische Gruppenangebote bietet (u.a. Körpererfahrungsgruppe für missbrauchte Frauen bzw. anorktische/bulimische Patienten, Rückenschule, Wirbelsäulengymnastik, Energiegruppe, Atemgruppe, Walking- und Jogginggruppe). Insgesamt sind die sporttherapeutischen Angebote durch übende Verfahren, Elemente der Körpererfahrung, psychoedukative und Gesprächseinheiten gekennzeichnet. Neben Gruppeninterventionen sind ebenso übende Einzelbehandlungen z.B. im Bereich der Krankengymnastik möglich. In der therapiefreien Zeit können die Patieten ein sportartspezifisches Freizeitprogramm nutzen (u.a. Fußball, Volleyball, Tanzen). Pysikalisch-balneologische Maßnahmen werden bei medizinischer Indikation durch den jeweiligen Teamarzt verordnet. 73 Verweildauer und Therapiedosis. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten liegt, je nach Diagnose und Komorbidität, zwischen 6 und 10 Wochen. In der Regel besuchen alle Patienten ein sogenanntes Basisprogramm, welches neben den obligatorischen einzeltherapeutischen Gesprächen das Entspannungstraining, die Teilnahme an einer Gruppentherapie (Psychosomatikgruppe oder Problemlösegruppe), am sporttherapeutischen Angebot (je nach individueller Belastungsfähigkeit Teamsport, Fit-up oder Adipositassport) und einer bis zwei entsprechenden themenzentrierten bzw. störungsspezifischen Gruppe umfasst, die jeweils zweimal wöchentlich stattfinden. Insofern umfasst die Therapiedosis bei jedem Patienten einen durchschnittlichen Umfang von mindestens 12 bis ca. 15 Therapieeinheiten (inclusive der Einzelgespräche) in einem Zeitrahmen von insgesamt ca. 11 ½ - 14 ½ Stunden/Woche. Bei einem engen Zeit- und Wochenplan im Rahmen fest strukturierter Zeitschienen ist davon auszugehen, dass Patienten mit gleicher Aufenthaltsdauer einer vergleichbaren Anzahl von Angeboten zugeführt werden, so dass die Aufenthaltsdauer als Indikator für die Therapiedosis angenommen werden kann. Weitere Informationen zum Klinikkonzept sowie Beschreibungen bezüglich spezifischer gruppentherapeutischer Interventionen finden sich u.a. in den jährlich veröffentlichten Jahresberichten der Klinik (z.B. Jahresbericht der Psychosomatischen Fachklink Bad Dürkheim 1998/1999). 3.1.2 Psychosomatische Fachklinik Münchwies Die Psychosomatische Fachklinik Münchwies besteht aus einer Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen mit 72 Behandlungsplätzen und einer Abteilung für Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit 160 mit Therapieplätzen. Die Klinik wird von allen Rentenversicherungsträgern gemäß § 9 bis 15 SGB VI belegt. Mit den Krankenkassen besteht ein Versorgungsvertrag gemäß § 111 SGB V. Des weiteren wird die Klinik von privaten Krankenversicherungen und Sozialhilfeträgern belegt. Sie ist beihilfefähig. Im folgenden beschränkt sich die Darstellung der Rahmenbedingungen auf die Abhängigkeitsabteilung, in der das Projekt ausschließlich durchgeführt wurde. Therapeutische Ausrichtung. Die Therapie hat einen integrativ-verhaltenstherapeutischen Rahmen, der auch Elemente der klientenzentrierten Gesprächstherapie und körpertherapeutischer Verfahren einschließt. Entscheidend ist die Zielgerichtetheit, Transparenz und Überprüfbarkeit des Vorgehens. So besteht die Verpflichtung zur Evaluierung der Behandlungsprogramme und zur Durchführung regelmäßiger Katamnesen. Innerhalb des vorgegebenen therapeutischen Rahmens hat sich die Nutzung einer Vielzahl therapeutischer Techniken zur Erreichung umschriebener Therapieziele bewährt. Neben Bioenergetik und konzentrativer Bewegungstherapie als körperorientierte Methoden werden imaginative Verfahren sowie im Rahmen der Traumatherapie das EMDR eingesetzt. Indikation. Zum Indikationsgebiet zählen Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit sowie die zugrundeliegenden und aufrechterhaltenden Störungen auf psychischem, sozialem und körperlichem Gebiet. Behandelt werden Männer und Frauen zwischen 18 und 60 Jahren. Kontraindiziert sind: Abhängigkeit von so genannten illegalen 74 Drogen, Akute Psychosen, ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom oder sonstige gravierende Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit. Therapeutisches Team. Das therapeutische Team der Abhängigkeitsabteilung besteht aus 7 Ärzten, 10 Diplom-Psychologen, 3 Suchtkrankentherapeuten, 2 DiplomSozialarbeiter, 3 Sporttherapeuten, 3 Ergotherapeuten, 2 Soziotherapeuten und 8 Mitarbeitern des Pflegepersonals. Die Mitarbeiter verteilen sich auf zwei Hausteams, jedes Hausteam wird von einem Oberarzt und einem Leitenden Psychologen geführt. Die leitenden Mitarbeiter bilden das Leitungsteam, dem die Chefärztin vorsteht. In der Abhängigkeitsabteilung bilden zwei Gruppen, die zusammen einen Flur bewohnen, ein Kleinteam. Ein Therapeut ist Hauptansprechpartner (Bezugstherapeut) für die Patienten einer Gruppe und gleichzeitig Co-Therapeut in der anderen. Die Therapeuten vertreten sich gegenseitig. Teamkonferenzen und Supervision. Treffen und Konferenzen sowie Supervision auf unterschiedlichen Ebenen gewährleisten einen reibungslosen Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klinik : Mittagsteam. Täglich treffen sich alle Mitarbeiter eines Hausteams einschließlich ergo-, sport- und soziotherapeutischer Mitarbeiter zum Austausch über aktuelle therapeutische Interventionen, technisch formale Fragen etc. Hier werden Informationen aus allen Therapiebereichen zusammengetragen und in Entscheidungen einbezogen. Großteam. Einmal pro Monat (bei Bedarf häufiger) findet eine einstündige Besprechung des gesamten Teams statt. Sie dient der Erörterung übergreifender therapeutischer und organisatorischer Fragen. Supervision. Wöchentlich zweistündig findet die Supervision auf der Ebene der Hausteams statt, die im Wechsel von den jeweils zuständigen leitenden Mitarbeitern (Arzt und Psychologe) und einem externen Supervisor geleitet wird. Anhand von exemplarisch ausgewählten Fällen aus der laufenden Therapie wird das therapeutische Vorgehen besprochen. Kleinteamsupervision. In der Abhängigkeitsabteilung führen die leitenden Mitarbeiter (Arzt und Psychologe) in ihren Kleinteams dreiwöchentlich eine zweistündige Fallbesprechung durch. Hier wird anhand der Arztkurve und Therapiepläne das ärztlichtherapeutische Vorgehen überprüft. Leitungsteam. Wöchentlich zweistündig Treffen der leitenden Mitarbeiter. Inhaltlich konzeptionelle Diskussion und Besprechung von Problemen bei Supervision und Fachaufsicht. Bei organisatorischen Fragen kommt der Verwaltungsleiter bzw. Geschäftsführer hinzu. Fortbildung. 4-Wöchentlich einstündig für Ärzte zu aktuellen medizinischen Themen aus dem Bereich der Neurologie, Psychiatrie, inneren Medizin (leitende Ärztin und Oberärzte). 4-Wöchentlich zweistündig Fortbildung für das gesamte Team zu aktuellen Themen aus Sucht und Psychosomatik (leitende Mitarbeiter). Ein- bis zweimal jährlich finden ganztägige Fortbildungsveranstaltungen für die ärztlich-therapeutischen Mitarbeiter durch externe Referenten statt. Krankheitsverständnis. Suchtmittelabhängigkeit wird verstanden als eine eigenständige Erkrankung, die einer spezifischen Behandlung bedarf und nicht als Symptom einer anderen Störung. Bei den einzelnen Patienten bestehen jedoch individuell unterschiedliche mehr oder weniger ausgeprägte Defizite in der Persönlichkeits75 entwicklung, die eine wesentliche Rolle im Bedingungsgefüge der Entstehung der Abhängigkeit und auch bei deren Aufrechterhaltung spielen. Im Laufe der Abhängigkeitsentwicklung bildet sich allmählich eine Störung von eigenem Krankheitswert heraus, die ab einem bestimmten Punkt einen eigengesetzlichen Verlauf nimmt, der nicht mehr umkehrbar ist. Beim heutigen Stand der Forschung ist dieses Phänomen weder aus psychologischer Sicht (lerntheoretisch oder tiefenpsychologisch) noch organisch-medizinisch befriedigend zu erklären. Aus diesem Krankheitsverständnis heraus ist es wichtig, der Bearbeitung der Sucht innerhalb der Behandlung einen genügend großen Raum zu geben und Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, in einem Prozess der offenen Auseinandersetzung die Unumkehrbarkeit der eigenen Suchtentwicklung zu akzeptieren und mit der kränkenden Erfahrung, abhängig zu sein, fertig zu werden. Nur dann ist eine von der gesamten Person getragene Abstinenzentscheidung möglich. Erst wenn dieser Schritt innerhalb des therapeutischen Prozesses getan ist, wird die Bearbeitung der zugrunde liegenden Persönlichkeitsdefizite effektiv und neu erlernte Fertigkeiten und Einsichten können sinnvoll in ein neues Lebenskonzept integriert werden. Therapieziele. Aufgrund der Komplexität einer Abhängigkeitserkrankung ergeben sich für deren effektive Behandlung vier große Zielbereiche: (1) Abhängigkeit selbst und alle damit in direktem Zusammenhang stehenden Probleme mit dem Ziel der Krankheitsakzeptanz und Abstinenzentscheidung, Erwerb von Strategien zur Aufrechterhaltung der Abstinenz, Rückfallprophylaxe etc., (2) die vorhandenen primären und sekundären Störungen des Verhaltens und Erlebens, insbesondere die intrapsychischen Konflikte und ihre Dynamik und die dadurch bedingten interpersonellen Störungen, (3) die körperlichen Folge- und Begleiterkrankungen und (4) die Störungen im sozialen Bereich (Arbeit, Familie, Freizeit etc.). Behandlungsrahmen. Die Patienten leben in quasi familiären Bezugsgruppen zusammen, in denen durch das dichte Miteinander bedeutsame Situationen entstehen können, die für therapeutische Interventionen nutzbar gemacht werden können. Jeweils 12 Patienten (Männer und Frauen) wohnen auf einem Flur in sechs Doppelzimmern zusammen und nehmen an der gemeinsamen, interaktionell ausgerichteten teil. In der Eingangsphase finden umfassende anamnestische Datenerhebungen, eingehende internistische und neuropsychiatrische Untersuchungen sowie gesundheitsmedizinische Aufklärungs- und Informationsarbeit statt. Zum Basisprogramm gehören viermal pro Woche (à 90 Minuten) Gruppenpsychotherapie (interaktionelle und problemlöseorientierte Arbeit), Sport- und Bewegungstherapie (4x wöchentlich à 45 Minuten) sowie Ergotherapie (4x wöchentlich à 90 Minuten). Darüber hinaus werden anhand erstellter Bedingungsanalysen Einzelpsychotherapie (à 50 Minuten), indikationsgeleitete Gruppenpsychotherapie (à 90 Minuten), medizinische und physikalisch-balneologische Behandlungsmöglichkeiten sowie soziotherapeutische Massnahmen als weitere Bausteine in den Tagesablauf integriert. 76 Tab. 8 Zeit 7.15 – 7.45 8.00 8.30 8.45 – 10.15 10.30 – 12.00 12.30 13.30 – 14.15 14.15 – 15.00 15.15 – 17.00 18.00 18.30 – 20.00 20.00 – 22.30 Exemplarischer Wochenplan der Abhängigkeitsabteilung Mo Di Mi Do Frühsport Frühstück Organisation: Terminabsprachen, Wäschetausch Gruppenthe- indikative Gruppenthe- Gruppentherapie rapie rapie Gruppen Ergotherapie Ergotherapie Ergotherapie: Wohnbereichsbzw. Projektarbeiten Mittagessen indikative Sport- und Sport- und Sport- und Bewegungs- Gruppen Bewegungs- Bewegungstherapie therapie therapie z.B. Arztbez.B. Arztbe- indikative such / physisuch / physi- Gruppen kal. Anwenkal. Anwendung / Terdung / Termin mit Somin mit Soziotherapie / ziotherapie / EinzelgeEinzelgespräche spräche PatientenPatientengruppen gruppen Abendessen Neigungs- und Freizeitgruppen Fr Sa/So Gruppenthe- im Rahmen rapie der Gruppe Ergotherapie und geplante durchgeführte Freizeitaktivitäten Sport- und Bewegungstherapie z.B. Arztbesuch / physikal. Anwendung / Termin mit Soziotherapie / Einzelgespräche Patientengruppen im Rahmen der Gruppe und geplante durchgeführte Freizeitaktivitäten Freizeitgestaltung Behandlungsverlauf. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten beträgt 1216 Wochen, im Durchschnitt werden pro Woche 10-15 Patienten neu aufgenommen. Jeder Patient durchläuft eine 8–14tägige Aufnahmephase auf der Aufnahmestation, die diagnostische und therapievorbereitende Funktionen hat. Sie soll den Patienten in die Lage versetzen, aktiv an der stationären Therapie teilzunehmen. Hier erfolgt die medizinische Anamneseerhebung, Aufnahmeuntersuchung, Laboruntersuchungen sowie medizinische Überwachung und gegebenenfalls Entzugsbehandlung. In der täglichen Visite wird die Behandlung festgelegt. Einmal wöchentlich findet eine große Visite durch die Chefärztin mit anschließender Fallbesprechung statt, an der auch die ärztlichen und psychologischen Leitungsteammitglieder teilnehmen. Sobald es die körperliche Verfassung erlaubt, nimmt der Patient an dem strukturierten Behandlungsangebot der Aufnahmestation teil, wie es im Wochenplan festgelegt ist. Zur Informationsvermittlung über Abhängigkeitserkrankungen aus medizinischer, psychologischer und sozialer Sicht werden Literatur, Video, Fragebögen und die Gruppengespräche eingesetzt. Daneben nimmt die Informationsvermittlung über die Arbeit in der Klinik, insbesondere über Hausordnung, Therapievereinbarung, Ablauf und Inhalte der Therapie einen wichtigen Raum ein. Nach Absolvierung der Aufnahmephase wird der Patient in den Wohnbereich verlegt und einer Gruppe zugeteilt, in der er die gesamte Therapiezeit verbleibt. Er nimmt hier an der Therapie im Rahmen 77 der Wohngruppengemeinschaft und an indikativen Angeboten teil. Die Gruppen sind halboffen. Behandlungsangebote. Zu den drei Säulen des therapeutischen Angebotes zählen die Therapie im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft, indikative Therapiebausteine und Einzeltherapie. Therapie im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft. Zwölf Patienten (Männer und Frauen) bilden eine therapeutische Wohngruppe, das heißt, sie wohnen und leben zusammen, durchlaufen die wichtigsten therapeutischen Aktivitäten gemeinsam, ebenso einen Großteil der Freizeit. Neben sechs Doppelzimmern steht einer Wohngruppe ein Aufenthaltsraum mit Teeküche sowie ein Therapieraum zur Verfügung. Für die Patienten entsteht durch diese Form der Therapieorganisation ein überschaubarer, quasi familiärer Bezugsrahmen, der das Entstehen einer vertrauensvollen Atmosphäre als Basis für die Therapie erleichtert. Das dichte Leben in der Wohngruppe schafft für den Patienten emotional bedeutsame Situationen, was sich generell günstig und motivierend für das Erlernen neuen Verhaltens auswirkt. In diesem Setting werden in relativ kurzer Zeit die auch in der natürlichen Realität vorhandenen Verhaltensweisen und Defizite sichtbar und so der Bearbeitung direkt zugänglich. Günstig wirkt sich weiterhin aus, dass auch außerhalb der Therapiestunden die gruppendynamischen Prozesse weiterlaufen und so eine Intensivierung der Therapie entsteht. Die Gruppe selbst wirkt als therapeutisches Instrument. Sie bildet ein soziales Lern- und Erfahrungsfeld, das ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den sozialen Gegebenheiten außerhalb der Klinik aufweist und so ein Modell für eine wirklichkeitsnahe Umgebung darstellt, wodurch Realitätstraining und Übertragung des Erlernten auf die Alltagsrealität leichter möglich wird. Interaktionelle Gruppentherapie. Wesentlicher Bestandteil der therapeutischen Arbeit im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft ist die Gruppentherapie, in der die Abhängigkeitsproblematik und alle damit in Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten des Patienten/in bearbeitet werden. Aufgabe des Gruppentherapeuten ist es unter anderem, sicherzustellen, dass Veränderungen auf der Ebene der Kognitionen, der Emotionen und der Handlungsebene stattfinden, wobei die motivationalen Aspekte besondere Beachtung finden. Neben der Motivation zur Abstinenz, die aus der Erkenntnis heraus, dass Abstinenz die wichtigste Voraussetzung für das weitere Leben ist, erwächst, geht es um die Motivierung zur Veränderung und die Durchführung derselben, das heißt, die Umsetzung der kognitiven und emotionalen Erfahrungen auf die Handlungsebene. Schließlich ist die Motivation zur Aufrechterhaltung von Veränderungen, die durch das Verdeutlichen der positiven Konsequenzen neuer Verhaltens- und Lebensweisen gefördert wird, notwendig. Regelhaft gehört auch Rückfallprophylaxe und Identifizierung von individuellen Risikosituationen und Erarbeitung von Handlungsstrategien bei eingetretenem Rückfall zum Programm. Das Vorgehen der Therapeuten wird im Hinblick auf die inhaltlichen und die geschilderten motivationalen Aspekte wöchentlich supervidiert. Sport- und Bewegungstherapie. Die Sporttherapie (und auch die Ergotherapie) im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft bedeutet eine Fortsetzung der verbalen Therapie auf der Handlungsebene. Aus der Gruppentherapie können in die Sporttherapie (und auch Ergotherapie) Aufgaben und Problemstellungen eingebracht und 78 weitergeführt werden, so dass ein erweitertes soziales Erfahrungs- und Lernfeld entsteht, dessen Ergebnisse in den gesamten therapeutischen Prozess integriert werden. Erfahrbar werden hier Kooperationsverhalten, Erfolgs- oder Misserfolgsorientierung, Frustrationstoleranz etc. Konkret hat die Sport- und Bewegungstherapie drei Hauptzielsetzungen: (1) Körperliche Rehabilitation, d. h. Wiederherstellung und Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, (2)Verbesserung der Körperwahrnehmung und Aufbau eines neuen Körperbewusstseins und (3) Verbesserung der Wahrnehmung sozialer Beziehungen und Situationen.Daneben soll die Sporttherapie zum Aufbau eines neuen Freizeitverhaltens beitragen. Im Sinne der obengenannten Zielsetzung werden unter anderem eingesetzt: Gymnastik, Gruppenspiele, Wettkampfspiele, Geschicklichkeits- und Koordinationsübungen, Tanz, rhythmische Gymnastik, Intervallbelastungen, Konzentrationsübungen, Wahrnehmungs- und sensomotorische Übungen, Entspannungsübungen. Sport im Rahmen der Wohngruppenzusammensetzung ist aufgrund des unterschiedlichen Alters und Leistungsniveaus der Patienten besonders geeignet, Leistungsverhalten (Über- und Unterforderung) zu thematisieren und den Patienten anzuleiten, seine Grenzen zu akzeptieren, aber auch seine Möglichkeiten zu nutzen. Dies wird dadurch erreicht, dass offene Bewegungsaufgaben gestellt werden, in denen Intensität und Wiederholungszahl vom Patienten nach individueller Leistungsfähigkeit gewählt werden können. Neben der hier beschriebenen Sporttherapie im Wohngruppenrahmen gibt es sporttherapeutische Angebote nach Indikation sowie individuelles körperliches Aufbautraining unter ärztlicher Anleitung. Ergotherapie. Die Ergotherapie ist der dritte wichtige Therapiebaustein, der im Rahmen der Wohngruppenzusammensetzung angeboten wird. Auch hier geht es wie in der Sporttherapie darum, dass die Patienten, ihre Erfahrungen in einem anderen Kontext erweitern. Neben gestalterischem Arbeiten mit verschiedenen Materialien zur Förderung der Kreativität und dem Erlernen von einfachen Techniken, die später für eine sinnvolle Freizeitgestaltung genutzt werden können ist die Projektarbeit ein wichtiger Bestandteil. Die Gruppe plant und entwickelt ein Projekt und führt es bis zum Ende durch. Die Projekte können mehr gestalterischen oder arbeitstherapeutischen Charakter haben (z.B. Herstellen von Skulpturen, einer Zeitung, eines Filmes etc.). Hier werden die interaktionellen Verhaltensweisen über die verschiedenen Phasen der Projektarbeit hinweg besonders herausgearbeitet, und es ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, eigenes automatisiertes Verhalten zu korrigieren, die Kooperationsfähigkeit im Bewältigen der gemeinsamen Aufgabe zu verbessern sowie alle Phasen eines solchen Projektes von der optimistischen Planung, den oft schwierigen und mühsamen Phasen bis zur Fertigstellung durchzustehen, wodurch Frustrationstoleranz und positives Leistungsverhalten verbessert werden. Patientengruppe. Die Patientengruppe stellt den vierten Baustein innerhalb der Therapie im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft dar. Sinn dieser Patientengruppe ist es, Eigeninitiative einzuüben und Selbstverantwortlichkeit zu fördern sowie auf die spätere Arbeit in Selbsthilfegruppen vorzubereiten. Die Thematik, die in der Patientengruppe behandelt wird, schließt sich oft an die Thematik der Gruppentherapiesitzung und führt diese in eigener Regie der Patienten fort. Darüber hinaus kann vom Gruppentherapeuten eine Thematik vorgegeben werden, die themenzentriert bearbeitet wird. Mitunter werden auch organisatorische Fragen, die das Zusammenleben betreffen, geklärt, aber auch gemeinsame Freizeitprojekte geplant. Der Therapeut informiert sich anhand der Patientenprotokolle über Inhalte, Probleme 79 und Fortschritte in der Patientengruppe und achtet darauf, dass kein Leerlauf entsteht. Er greift jedoch nur in Ausnahmefällen selbst korrigierend ein. Indikative Therapiebausteine. Zusätzlich zum Wohngruppenprogramm nehmen die Patienten an indikativen Gruppen teil, in denen spezifische Defizite und umschriebene Problembereiche behandelt werden. Folgende Gruppen werden angeboten: Indikationsbereich „Medizin und Gesundheit“ Basisprogramm Gesundheit Ernährungsberatung Gewichtsreduktion Hirnleistungstraining Raucherentwöhnung Rückenschule Schmerzbewältigung Indikationsbereich „Erleben und Verhalten“ Adipositasgruppe Angstbewältigung Angstüberwindung vor dem Wasser mit Schwimmkurs Autogenes Training Bioenergetische Übungsgruppe Entspannung nach Jakobson Gestaltungstherapie Konzentrative Bewegungstherapie Körperwahrnehmung für Frauen Lauftherapie Musiktherapie Naturkontakte Selbstsicherheitstraining Selbstwahrnehmung (Focusing) Sexuelle Missbrauchserfahrungen (Frauengruppe II) Tanztherapie Umgang mit Aggressionen II (aggressiv Gehemmte) Umgang mit Aggressionen I (Patienten mit Impulsdurchbrüchen) Wege aus der Depression Indikationsbereich „Abstinenzsicherung“ Frauenspezifische Aspekte der Sucht (Frauengruppe I) Medikamentenabhängigkeit Spezielle Gruppe zur Rückfallanalyse Indikationsbereich „Soziale Stabilität“ Aktive Freizeitgestaltung Arbeit und Arbeitslosigkeit Strukturiertes Arbeiten Patientinnen/Patienten mit Essstörungen (Anorexie/Bulimie) und Glücksspieler nehmen die gesamte Behandlungsdauer über an den speziellen indikativen Programmen teil. 80 Einzeltherapie. Alle Patienten der Abhängigkeitsabteilung erhalten regelmäßige Einzelgespräche, deren Frequenz sich nach der Indikation richtet. Bei Patienten mit erheblichen strukturellen Persönlichkeitsdefiziten kann mitunter ein überwiegend einzeltherapeutisches Vorgehen bei Herausnahme aus der Wohngruppentherapie angezeigt sein. Medizinische Versorgung und Physiotherapie. Von der stationären Aufnahme bis zur Entlassung ist eine umfassende medizinische Versorgung gewährleistet. Die ärztliche Versorgung während des gesamten Aufenthaltes findet in Form von Sprechstunden statt. Zusätzlich werden regelmäßig Visiten im Wechsel mit Gesundheitsaufklärung im Rahmen der Wohngruppe durch. Darüber hinaus finden verschiedene Maßnahmen statt, die eine gezielte, auf die individuellen Bedingungen des einzelnen Patienten abgestimmte Gesundheitserziehung ermöglichen: In der Sprechstunde persönliche Beratung über Risikofaktoren wie Rauchen, falsche Ernährung, Bluthochdruck, Aufklärung über psychosomatische Zusammenhänge, gesunde Lebensführung. Gesundheitserziehung im Rahmen der Wohngruppengemeinschaft. Weiterhin ist die Teilnahme am Basisprogramm Gesundheit für jeden Patienten verpflichtend. Schwerpunkt der Physiotherapie liegt in der Mobilisierung des Patienten. Diesem Ziel dienen die zunächst durchgeführten passiven Anwendungen wie verschiedenste Bäder, Massagen, Fangopackungen, Kryotherapie, Elektrotherapie, Kneippsche Anwendungen. Weiterführend werden individuelle Bewegungsprogramme durchgeführt mit entsprechender Aufklärung und Anleitung zu selbständigen aktiven Bewegungsübungen mit dem Ziel, den Patienten zu einer aktiven Haltung hinzuführen. Soziotherapie. Für viele Patienten in der Langzeittherapie ist die Hilfe und Unterstützung bei der Klärung sozialer Fragen und der beruflichen Wiedereingliederung erforderlich, die die Abteilung Soziotherapie übernimmt. Die Aufgabe der Abteilung Soziotherapie (Sozialarbeit/Nachsorge) besteht vornehmlich darin, den Patienten bei der Klärung und Bewältigung von beruflichen, rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten sowie bei Wohnproblemen behilflich zu sein. Diese Hilfe findet dabei vorrangig nach dem Grundsatz »Hilfe zur Selbsthilfe« statt. Weitere therapeutische Angebote. Zweimal pro Behandlungszeitraum finden zweitägige Familienseminare statt. Die Seminare werden vom Bezugstherapeuten im Rahmen der Wohngruppenzusammensetzung durchgeführt. Die Schwerpunkte der Familienarbeit liegen neben Informationsvermittlung in der Förderung eines besseren Verständnisses der Partner füreinander, dem Erkennen von co-abhängigem Verhalten und insgesamt der Herausarbeitung des Stellenwertes, den die Abhängigkeit des Patienten innerhalb des familiären Systems hat. Es wird versucht, die gegenseitigen Wahrnehmungen, die oft sehr verzerrt sind, zu analysieren und wieder auf eine objektivere Basis zu stellen. Weiter geht es um die Formulierung von Wünschen und Bedürfnissen in der Partnerschaft und die Erwartungen an die Zukunft, wobei die Vereinbarung konkreter Veränderungen angestrebt wird. Heimfahrten werden im Sinne des Realitätstrainings mit genau geplanten und beschriebenen Fragestellungen für den familiären und beruflichen Bereich vorgenommen und nach Möglichkeit mit dem Besuch der Nachsorgestelle verbunden. 81 3.2 Das psychoedukativund kompetenzorientierte Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen Im folgenden soll ein kurzer Überblick über das psychoedukativ- und kompetenzorientierte Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gegeben werden – Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Evaluationsstudie. Eine ausführliche Darstellung des Progamms findet sich bei Schmitz, Schuhler, Handke-Raubach & Jung (2001). Bei dem Therapieprogramm handelt es sich, um eine Interventionsmaßnahme für Patienten mit ausgewählten Persönlichkeitsstörungen bzw. unflexiblen Persönlichkeitsstilen aus dem ängstlichen und emotional-instabilen Cluster nach DSM-IV, mit Orientierung an kognitiv-verhaltenstherapeutischen Grundsätzen. Es basiert in Abgrenzung zur stigmatisierenden Sprache und einseitigen Defizitorientierung des Persönlichkeitsstörungskonzepts auf dem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstile und ist dadurch gekennzeichnet, dass es die besonderen Problemstellungen von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen durch eine stärkere Ressourcenorientierung und Informierung des Patienten berücksichtigt. Unter den Gesichtspunkten der "Ich-Syntonie" der Persönlichkeitsstörungen und der günstigen Ergebnisse der vorliegenden Therapiestudien, die die Wirksamkeit des sozialen Kompetenztrainings bei ausgewählten Persönlichkeitsstörungen untersuchen (vgl. Fiedler, 1995), umfasst die Interventionsmaßnahme sowohl psychoedukative als auch kompetenzorientierte Behandlungsbausteine und kann als Gruppenprogramm ökonomisch in das multimodale Behandlungsangebot der stationären verhaltenstherapeutischen Psychosomatik und Suchttherapie eingegliedert werden. Die Inhalte des Gruppenprogramms wurden in Anlehnung an die Arbeiten von Beck und Mitarbeitern (1990), Benjamin (1993, 1996), Linehan (1993a, 1993b), Oldham und Morris (1992), Riemann (1989), Schulz von Thun (1989a; 1989b), Turkat (1990) und Young (1990) entwickelt. Im Gruppenprogramm wird mit kognitiven, erlebnisund verhaltensorientierten Methoden (z.B. Sokratischer Dialog, Disput irrationaler Einstellungen, Phantasieübungen, szenischen Darstellungen und Rollenspielen, Hausaufgaben etc.) gearbeitet, ergänzt durch vielfältige Wahrnehmungs- und Kommunikationsübungen und durch Methoden der Unterrichtsdidaktik (Lesematerial, Informationsvermittlung im Gruppengespräch, Kurzreferate, Kleingruppenarbeit, Fallbeispiele etc.). 3.2.1 Organisatorische Rahmenbedingungen Das psychoedukative und kompetenzorientierte Gruppenprogramm verfolgt die Zielsetzung, frühzeitig im Therapieprozess den Patienten für eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Persönlichkeits- und Kommunikationsstil, seiner Entwicklung und seinen Auswirkungen anzuregen. Die organisatorischen Rahmenbedingungen des Gruppenprogramms sind zusammengefasst: • Es handelt sich um eine halboffene Gruppe mit zwei eineinhalbstündigen Sitzungen wöchentlich. • Der Einstieg neuer Patienten in das Gruppenprogramm erfolgt in 14-tägigem Rhythmus. 82 • Es werden insgesamt 6 Persönlichkeitsstile und ihre Extremvarianten der Persönlichkeitsstörungen, im einzelnen der gewissenhafte Stil bzw. die zwanghafte Persönlichkeit, der dramatische Stil bzw. die histrionische Persönlichkeit, der anhängliche Stil bzw. die dependente Persönlichkeit, der selbstbewusste Stil bzw. die narzisstische Persönlichkeit, der sensible Stil bzw. die selbstunsichere Persönlichkeit und der sprunghafte Stil bzw. die Borderline-Persönlichkeit, bearbeitet. • Voraussetzung für die Gruppenteilnahme ist, dass der Patient in mindestens einem dieser sechs Persönlichkeitsstile eine starke Ausprägung aufweist im Sinne einer Persönlichkeitsstörung. • Für jeden Persönlichkeitsstil werden zwei Sitzungen durchgeführt, d.h. die Gruppe umfasst insgesamt 12 Sitzungen und dauert 6 Wochen. • Zu jedem Persönlichkeitsstil gibt es einen psychoedukativen Baustein als informierende Einführung und einen zweiten kompetenzorientierten Baustein als Übungsteil. 3.2.2 Die psychoedukativen Themen Im Einzelnen werden für jeden Persönlichkeitsstil die folgenden psychoedukativen Themen behandelt. Beschreibung des Persönlichkeitsstils mit seinen Stärken und Risiken/Schwächen. Anhand anschaulicher Beispiele, Rollenspiele, Narrative und Falldarstellungen werden die Merkmale des jeweiligen Stils sowie seine Stärken und Risiken/Schwächen herausgearbeitet. Dabei wird das charakteristische Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens in verschiedenen Schlüsselbereichen des Lebens erläutert: Selbstbild, Beziehungen, Arbeit, Gefühle, Selbstbeherrschung und Vorstellungen von der realen Welt (vgl. Oldham & Morris, 1992). Im Blickpunkt steht der jeweilige Persönlichkeitsstil, die typische Art zu reagieren und sich mit anderen Menschen in Beziehung zu setzen. Dabei offenbaren sich die Stärken des Persönlichkeitsstils (z.B. pflichtbewusste Sorge, Hingabe und Leistung beim gewissenhaften Stil), aber auch seine Risiken oder Schwächen (z.B. geringe Flexibilität, andere Arbeitsstile zu respektieren; geringe Fähigkeiten zum Abschalten oder Entspannen beim gewissenhaften Stil), zu deren Überwindung es von Person zu Person ganz unterschiedlicher Anregungen bedarf. Klärung individueller Einstellungen und Verhaltenweisen. Im Rahmen einer Paarübung beantworten die Teilnehmer - zunächst jeder für sich - einen Kurzfragebogen zur Erfassung von Einstellungen und Verhaltensweisen des jeweiligen Persönlichkeitsstils. Die Kurzfragebögen wurden aus leicht modifizierten Items des Selbstportrait-Fragebogens (Oldham & Morris, 1992) und des Persönlichkeits-Stil und Störungs-Inventar (PSSI; Kuhl & Kazen, 1997) zusammengestellt. Im anschließenden Paargespräch berichten sich die Teilnehmer gegenseitig ihre Selbst- und Fremdeinschätzungen und überprüfen diese durch gegenseitiges Befragen nach konkreten Erfahrungen und Beispielen. Wenn der Persönlichkeitsstil zum Problem wird: Der Einfluss grundlegender Überzeugungen auf das Verhalten in konkreten Situationen. Das Gruppenprogramm soll helfen, die eigenen Verhaltensweisen wahrzunehmen und zu erkennen, in welchen Situationen sie zum Problem werden, woher sie kommen, wofür sie gut 83 sind und welche Folgen sie haben. An konkreten Beispielen und in szenischen Übungen werden typische Problemsituationen für die extremen Varianten der Persönlichkeitsstile dargestellt und in Form modellhafter Verhaltensanalysen und kognitiv-interpersoneller Teufelskreise ausgewertet. Ausgehend von den normalen, anpassungsfähigen Persönlichkeitsstilen mit großer Variationsbreite werden dysfunktionale Stile (dysfunktionale Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen) als deren extreme Ausprägung aufgefasst, als „Übertreibungen“ der jeweiligen Persönlichkeitsstile, die in unterschiedlichen Anteilen in jedem Menschen vorhanden sind. Diese dysfunktionalen Stile sind durch eine geringe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sowie mangelnde Stressbewältigungsfähigkeiten gekennzeichnet (Millon, 1981). Auch wenn wir lieber auf den Begriff der Persönlichkeitsstörung gänzlich verzichtet hätten und ihn auch gerne für die Diagnostik durch den Begriff des Persönlichkeitsstils austauschen würden, führen wir ihn unter den gegebenen Verhältnissen zur Informierung der Patienten als Fachbegriff ein, der zum professionellen Gebrauch bestimmt ist. Im sprachlichen Umgang werden Bezeichnungen wie „überentwickelte“ oder „unflexible“ Persönlichkeitsstile vorgezogen. Es wird angenommen, dass dysfunktionale Stile in milderer Art universelle Umgangsformen sind. Es wird also nicht von einer dichotomen Abgrenzung von „normal“ und „gestört“ ausgegangen, sondern es werden fließende Übergänge angenommen, nach dem Motto „die Quantität des Persönlichkeitsstils in einem Kontinuum schafft Probleme im Leben, nicht seine Qualität“ (vgl. Oldham & Morris, 1992). Am Beispiel typischer Problemsituationen wird das Verhalten mehrdimensional beschrieben und es werden für jeden Persönlichkeitsstil dysfunktionale grundlegende Überzeugungen herausgearbeitet, die das Verhalten in konkreten Situationen prägen. Aus schematheoretischer oder kognitiv-verhaltenstherapeutischer Sicht werden dysfunktionale Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen vorrangig als Beziehungsstörungen verstanden und es wird davon ausgegangen, dass die dysfunktionalen Schemata des Patienten eine zentrale Rolle bei Persönlichkeitsstörungen spielen. Schemata sind äußerst stabile und durchgängige kognitiv-affektive Muster, die sich in der Kindheit entwickeln und über ein Leben lang erweitert werden. Die aktiven Schemata regeln die Informationsaufnahme, die Integration von Erfahrungen in unsere persönliche Welt und bestimmen unsere Gefühle, unser Alltagsverhalten sowie die Art und Weise, wie wir das Verhalten anderer wahrnehmen und wie wir generell mit Menschen und Aufgaben umgehen (vgl. Beck et al., 1990; Young, 1990). Der Einfluss von Erfahrungen aus Kindheit und Jugendzeit für die Entwicklung des Persönlichkeitsstils. Die Einstellungen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen des Patienten sind nicht aus sich heraus entstanden sondern Ergebnis der Interaktion mit signifikanten Bezugspersonen. Für jeden Persönlichkeitsstil werden prototypische Entwicklungskontexte und Beziehungserfahrungen erarbeitet, die im Kontext eines biopsychosozialen Erklärungsmodells die Entwicklung dysfunktionaler Schemata/Überzeugungen und Stile begünstigen können (vgl. Benjamin, 1993; Millon, 1996; Millon & Everly, 1985; Sperry, 1995). Das frühkindliche Beziehungsumfeld prägt wesentlich die Kategorien, mit denen das Individuum seine Welt von individuellen Bedeutungen konstruiert. Der kognitivverhaltenstherapeutische Erklärungsansatz hebt die chronisch ungünstigen und häufig traumatischen Sozialisationsbedingungen bei Individuen mit Persönlichkeitsstörungen hervor und betont die Rolle früher Beziehungserfahrungen für die Entwicklung der Kernschemata und Problembereiche. Um z.B. ein positives Selbstwert84 gefühl zu entwickeln, brauchen Kinder die Liebe und den Respekt der Eltern und Geschwister sowie die Anerkennung Gleichaltriger. Wenn Kinder nicht genug Respekt, Liebe und Anerkennung erhalten und stattdessen übermäßig kritisiert oder bestraft werden, sind sie vulnerabel für die Schemata der Wertlosigkeit: Unzulänglichkeit/nicht liebenswert sein, soziale Unerwünschtheit, Inkompetenz/Versagen, Schuld/Strafe oder Scham/Verlegenheit. Das Verhalten der Betroffenen wird als eine aus der individuellen Lerngeschichte nachvollziehbare und subjektiv sinnhafte, im weiteren Lebenslauf aber untaugliche Anpassungs- und Überlebensstrategie zum Schutz der eigenen zwischenmenschlichen Verletzbarkeit aufgefasst. Die Zusammenhänge zwischen den aktuellen interpersonellen Bedürfnissen, Einstellungen und Verhaltensweisen und der eigenen Lern- und Entwicklungsgeschichte sind den Betroffenen meistens nicht bewusst. Eine wichtige Aufgabe der Therapie besteht darin, dem Patienten dabei zu helfen, diese Zusammenhänge wahrzunehmen und ihm damit ein Erklärungsmodell für sein Verhalten zu bieten. Dies löst zwar noch nicht die Schwierigkeiten, entlastet aber und macht sie verständlich und nachvollziehbar. Ziel ist ebenfalls, zu akzeptieren, dass die Probleme nur durch einen selbst vermindert werden können, auch wenn sie durch andere „verschuldet“ worden sind (vgl. Linehan, 1993a). Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung des Persönlichkeitsstils. Welchen Einfluss hat der Persönlichkeitsstil eines Menschen auf seine persönliche und berufliche Beziehungsgestaltung, welche Reaktionen bewirkt er und welche Rückwirkungen hat dies für den Betroffenen? Die individualpsychologische Betrachtung der Entwicklung dysfunktionaler Stile wird durch eine systemische Analyse prototypischer Beziehungserfahrungen ergänzt. Am Modell der „Teufelskreise“ (vgl. Schulz von Thun, 1989b) werden für jeden Stil prototypische Beziehungserfahrungen dargestellt bzw. erarbeitet, die wesentlich zur Aufrechterhaltung dysfunktionaler Stile beitragen. Die Patienten können in die Erarbeitung dieser Teufelskreise miteinbezogen werden und haben dann z.B. die Aufgabe, typische Beziehungsabläufe (z.B. klammerndes Verhalten bei abhängigem/dependentem Stil, kontrollierendes und bestimmendes Verhalten bei gewissenhaftem/zwanghaftem Stil) szenisch und „ohne Worte“ darzustellen. Ziel ist es, die Beziehungsgestaltung aus der Distanz einer Vogelperspektive zu betrachten und die eigene Mitverantwortung für die bestehenden zwischenmenschlichen Schwierigkeiten wahrzunehmen. Der Einfluss des Persönlichkeitsstils auf die Entwicklung psychischer und psychosomatischer Störungen. Für jeden Persönlichkeitsstil wird an Beispielen aufgezeigt, wie sich symptomatische Störungen vor dem Hintergrund dysfunktionaler Stile entwickeln können (vgl. Millon & Everly, 1985), und die Patienten werden aufgefordert, über eigene Erfahrungen zu berichten. Aus klinischer Sicht sehen wir die Entwicklung symptomatischer Störungen bei Patienten mit dysfunktionalen Stilen oft vor dem Hintergrund zunehmender interpersoneller Anforderungen, Belastungen und Konflikte der Betroffenen in der jeweiligen Lebenssituation und einem Mangel an grundlegenden psychosozialen Kompetenzen. Im Krankheitsverlauf gewinnt die symptomatische Störung dann meist eine Eigendynamik (z.B. Teufelskreis bei Angststörungen) und eine spezifische intrapsychische und interpersonelle Funktionalität im Sinne eines unangemessenen Bewältigungsversuchs des Patienten (z.B. Schutz des fragilen Selbstbildes, Spannungsreduktion, Zuwendung). So können sich z.B. bei Patienten mit narzisstischer Persönlichkeit depressive Störungen entwickeln als Folge der Enttäuschung grandioser Er85 wartungen. Somatoforme Störungen ermöglichen über einen sozial anerkannten Weg den klassischen sekundären Krankheitsgewinn durch Aufmerksamkeit und Zuwendung und sind eine annehmbare Erklärung dafür, dass in der Realität nicht erreicht wurde, was aufgrund grandioser Erwartungen möglich gewesen wäre. Eine Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch andere kann sich als soziale Phobie manifestieren und uneingestandene Spannungen auf Grund dieser Überempfindlichkeit können mit Alkohol oder Medikamenten abgebaut werden. 3.2.3 Die kompetenzorientierten Bausteine Als Starthilfe für den Patienten und für die Einzeltherapie werden für jeden Persönlichkeitsstil Anregungen gegeben und Übungen durchgeführt, um neue Perspektiven, Erfahrungen und Kompetenzen zu fördern. Richtungen der Persönlichkeitsentwicklung. Anhand des Modells der Werte- und Entwicklungsquadrate (vgl. Schulz von Thun, 1989b) werden für jeden Persönlichkeitsstil Entwicklungsrichtungen aufgezeigt. Mittels dieses gedanklichen Werkzeuges, in dem das dialektische Denken verankert ist, ist es möglich, für jeden Wert bzw. für jede (Persönlichkeits-)Eigenschaft eine klare Zielrichtung von Entwicklungsmöglichkeiten und Interventionsmaßnahmen zu bilden. Bei einer dialektischen Betrachtungsweise wird davon ausgegangen, dass jeder Wert nur dann konstruktiv ist, wenn er zu einem positivem Gegenwert, einer sogenannten „Schwestertugend“, in einer ausgewogenen Balance steht. Besteht eine solche Balance nicht, kann ein Wert „verkommen“ (in unserer Sprache des Guten zu viel werden) und zu einer Übertreibung werden. Übertragen auf unser Konzept heißt das, dass in den Persönlichkeitsstilen bestimmte, für das Zusammenleben der Menschen unverzichtbare Qualitäten verwirklicht sind, die zur Belastung werden können, wenn sie nicht durch die entsprechenden Gegenqualitäten ausbalanciert werden. So kann z.B. Akzeptanz ohne Konfrontation zu konfliktscheuer Harmonisierung führen, während Konfrontation ohne akzeptierende Haltung zu Entwertung führt. Machen sie das Beste aus ihrem Stil. Für jeden Persönlichkeitsstil werden spezifische Anregungen gegeben, die neue Erfahrungen und Kompetenzen im Denken, Erleben und Verhalten ermöglichen. Ausgewählte Übungsschwerpunkte. Für jeden Persönlichkeitsstil werden ausgewählte Übungen und Rollenspiele durchgeführt (Motto: "Ohne Übung kein Meister"). Die thematischen Schwerpunkte für die einzelnen Persönlichkeitsstile sind in wiedergegeben. 86 Tab. 9 Persönlichkeitsstile und psychosoziale Fertigkeiten Persönlichkeitsstil (Persönlichkeitsstörung) Gewissenhafter Stil (Zwanghafte Persönlichkeitsstörung) Dramatischer Stil (Histrionische Persönlichkeitsstörung) Anhänglicher Stil (Dependente Persönlichkeitsstörung) Selbstbewusster Stil (Narzisstische Persönlichkeitsstörung) Sensibler Stil (Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung) Sprunghafter Stil (Borderline-Persönlichkeitsstörung) 3.2.4 Psychosoziale Fertigkeiten Gelassenheit und Genussfähigkeit Wahrnehmungsschulung und Konfliktfähigkeit Selbstverantwortliches Handeln, Wahrnehmung und Ausdruck eigener Gefühle und Bedürfnisse Einfühlungsvermögen und Umgang mit Kritik Selbstsicheres Verhalten und Durchsetzung eigener Rechte Achtsamkeit und Umgang mit Gefühlsstürmen Zielsetzungen und Besonderheiten Im Unterschied zu Behandlungs- und Gruppenkonzepten für Patienten mit spezifischen Persönlichkeitsstörungen basiert das Konzept auf einer heterogenen Gruppenzusammensetzung und es werden verschiedene Persönlichkeitsstile bzw. Persönlichkeitsstörungen bearbeitet. Für dieses Vorgehen sprechen nicht nur die hohen inneren Komorbiditäten bei Persönlichkeitsstörungen (vgl. Fydrich et al., 1996a), sondern auch, dass die Patienten so nicht nur etwas über die Persönlichkeitsstile erfahren, die sie direkt betreffen, sondern dass sie auch mit anderen Stilen konfrontiert werden, in die es gilt, sich hineinzuversetzen und damit Verständnis zu entwikkeln für unterschiedliche interpersonelle Bedürfnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen. Patienten mit Persönlichkeitsstörungen erleben die Welt oft nur aus der eigenen egozentrischen Perspektive (Liotti, 1992), sie haben dann nur geringe Fähigkeiten der Perspektivenübernahme, d.h. sie können sich nur wenig in das Erleben anderer hineinversetzen, den Standpunkt oder Blickwinkel eines anderen einnehmen. So verstehen wir die Gruppe unter diesem Aspekt als ein Übungsfeld zur Förderung von Fähigkeiten der Perspektivenübernahme. Die Verschiedenheit der Gruppenteilnehmer kann sich im kompetenzorientierten Übungsteil dann besonders günstig auswirken, wenn die positiven Seiten oder Stärken der einzelnen Stile in einem ausgewogenen Verhältnis (z.B. von Einfühlung und Abgrenzung) situationsgerecht in den konkreten Übungen und Rollenspielen zum Ausdruck kommen. Dies fördert auch ein positives Gruppenklima und die gegenseitige Wertschätzung und Toleranz. Die Zielsetzungen des Gruppenprogramms sind sowohl verstehens- als auch veränderungsorientiert, d.h. es geht nicht nur darum, sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen und damit die Selbstakzeptanz, Menschenkenntnis und Toleranz zu fördern, sondern auch darum, Anregungen für die Förderung psychosozialer Fertigkeiten zu geben und diese zu üben. Die Besonderheiten des Gruppenprogramms liegen in seiner Themenbreite, seiner Transparenz und vorgegebenen Struktur, in der Vielfalt der therapeutischen Methoden und Vorgehensweisen wie auch in den vorbereiteten Arbeitsmaterialien und Hausaufgaben, die eine kontinuierliche Arbeit gewährleisten (vgl. Schmitz, Ecker & Hofmann, 1991). 87 Die übersichtliche und für jeden Persönlichkeitsstil identische Struktur des Programms trägt zur Entängstigung bei und gibt durch seinen psychoedukativen Charakter besonders misstrauischen, sozial ängstlichen oder affektiv instabilen Patienten Halt und einen Orientierungsrahmen mit mäßigem Anspruch an Nähe und Beziehungsintensität. Die Themen bedrängen weniger und machen eher neugierig, weil sie überschaubar sind und wechseln. Durch unterschiedliche Vorgehensweisen wird ein anregender und lebendiger Zugang ermöglicht, und Informationen erzeugen weniger Abwehr und Widerstand, wenn sie sachlich berichtet werden und die Gruppe der Adressat ist und weniger der Einzelne in der direkten Konfrontation. Die therapeutischen Interventionen sollten durch einfühlendes Verstehen und Anteilnahme geleitet sein, die Gruppenatmosphäre sollte unterstützend und nicht bedrohlich wirken. Darüber hinaus bemühen wir uns durch die Vergabe von Hausaufgaben in Kleingruppenarbeit, die aktive Mitarbeit der Patienten und die Kontaktaufnahme untereinander direkt zu fördern. Psychoedukation verstehen wir als "lebendigen Lernprozess" der gemeinsamen und kreativen Erarbeitung relevanter Informationen und nicht als einseitige Kommunikation in einer asymmetrischen Beziehungsgestaltung (vgl. Schmitz et al., 2000). 88 4 Evaluation 4.1 Herleitung der Hypothesen 4.1.1 Übergeordnete inhaltliche Hypothese Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen oder somatoformen Störungen und komorbider Persönlichkeitsstörung (der Fachklinik Bad Dürkheim) bzw. alkohol- und/oder medikamentenabhängige Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung (der Fachklinik Münchwies), die zusätzlich an einem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, erzielen günstigere Rehabilitationsergebnisse als Patienten mit symptomatischen Störungen und Persönlichkeitsstörungen, die nur am etablierten Behandlungsprogramm teilnehmen. Die Daten zum Messzeitpunkt Beginn der Rehabilitation (stationäre Aufnahme) werden mit den Daten zu den Zeitpunkten: Ende der Rehabilitation (stationäre Entlassung) 1 Jahr nach dem Ende der Rehabilitation (1-Jahres-Katamnese) verglichen. Die empirische Therapieforschung der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung von Persönlichkeitsstörungen steht noch am Anfang (Fiedler, 2001). Es gibt vor allem wenig kontrollierte Wirksamkeitsstudien zur speziellen Effektivität kognitivverhaltenstherapeutischer Behandlung von Patienten, bei denen auf der Grundlage einer reliablen und validen Diagnostik eine Persönlichkeitsstörung festgestellt wurde. Im Feld der stationären psychosomatischen - und Suchtrehabilitation mit ihren besonderen Anforderungen an die psychosoziale Belastbarkeit, vornehmlich im Arbeitsleben, steht eine solche Überprüfung noch ganz aus. Die, wenn auch nicht zahlreichen, vorliegenden Ergebnisse belegen jedoch die Effizienz kognitivverhaltenstherapeutisch ausgerichteter Behandlungen, vornehmlich der BorderlinePersönlichkeitsstörung (Linehan, 1994) und verhaltenstherapeutischer Behandlungen im Sinne eines Expositionstrainings und dem Training von social skills im Rahmen der selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung (Beck et al., 1990; Arntz, 1994; Cappe & Alden, 1986; Alden, 1989; Alden & Capreol, 1993; Renneberg et al., 1990), und der dissozialen Persönlichkeitsstörung (Dolan & Coid, 1993). Kennzeichnend für die bisherige Forschungsarbeit ist die Schwerpunktsetzung der eingesetzten Behandlungsprogramme: Typischerweise richten sich die Interventionsprogramme auf die Förderung von Kompetenzen im Erlebens- und Verhaltensbereich, von denen angenommen werden kann, daß die Persönlichkeitsstörung diese beeinträchtigen, und stellen nicht direkt die Persönlichkeitsstörung in den Fokus der Behandlung. Eine Ausnahme bildet dabei am ehesten das Borderline-Therapiekonzept von Linehan. Der Meinung, daß Persönlichkeitsstörungen nicht unmittelbar oder direkt zum Gegenstand der Behandlung gemacht werden, sondern nur mittelbar angegangen werden sollten, stehen Ansätze aus jüngster Zeit gegenüber, die die Persönlichkeitsstörung explizit in den Fokus der Behandlung rücken (Schmitz & Handke-Raubach, 2001). In diesem Spannungsfeld ist die übergeordnete Hypothese des Projekts angesiedelt, die ein neues persönlichkeitsstörungsspezifisches stationäres (Gruppen)Therapieprogramm mit dem herkömmlichen stationären Programm der Rehabilitati89 onskliniken vergleichend gegenüberstellt. Dieses herkömmliche stationäre Therapieprogramm der Kliniken stellt bereits in hohem Maß Interventionsprogramme im Gruppen- und parallelen Einzelsetting bereit, die sich hinsichtlich der Persönlichkeitsstörung unsystematisch auf Defizite im Interaktionsverhalten und der Selbststeuerung richten (s. Institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen). Das heißt, daß im üblichen Therapieprogramm bereits in dichter Form persönlichkeitsbedingte Interaktions- und Selbstregulationsprobleme, beispielsweise im Selbstsicherheitstraining, in den Problemlösegruppen, in der interaktionellen Gruppentherapie angegangen werden. Aber: die bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen zugrundeliegende Persönlichkeitsproblematik wird bislang nicht systematisch in den Fokus gerückt. Bei dem herkömmlichen Therapieprogramm wird dabei davon ausgegangen, daß sich mit veränderten Interaktions- und Selbststeuerungsmustern mutmaßlich auch die Persönlichkeitsmerkmale von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in wünschenswerter Weise verändern. Die Leithypothese greift nun die Hinweise aus der jüngsten Therapieforschung über Persönlichkeitsstörungen auf, die vielversprechende günstige Effekte durch ein, auf die Persönlichkeitsstörung fokussierendes Vorgehen vermuten lassen (Schmitz, 1999): Besonders hervorzuheben ist die große Akzeptanz des in der Studie realisierten psychoedukativen Vorgehens, das ausgewählte Persönlichkeitsstile, die sich im Extrem als dysfunktionale Stile oder Störungen darstellen, in ihren Merkmalen, Stärken und Risiken bzw. Schwächen und in ihren Entwicklungsbedingungen beschreibt und erarbeitet. Darüber hinaus wurden den Patienten funktionale Zusammenhänge zwischen akzentuierten Persönlichkeitsstilen und symptomatischen psychischen Störungen aufgezeigt. Die ersten positiven Erfahrungen mit diesem psychoedukativen, auf die Persönlichkeitsstörung fokussierenden, dabei aber entängstigenden Ansatz bestimmen das zur Evaluation stehende störungsspezifische Gruppenprogramm, das in der Leithypothese mit dem in dichter Form bereits auf Erlebens- und Verhaltensdefizite auf dem Boden von Persönlichkeitsstörungen zugeschnittenen herkömmliche Therapieprogramm verglichen wird. Persönlichkeitsstörungen gehen typischerweise mit anderen spezifischen psychischen Störungen und Syndromen einher und gelten als Risikofaktoren für eine später einsetzende evtl. Entwicklung spezifischer psychischer Störungen. Dafür sprechen die hohen Komorbiditätsraten zwischen Persönlichkeitsstörung und Störungen der Achse-I-Ebene. Jedoch ist auch dieser Bereich erst in Ansätzen erforscht (Stuart et al.; Fydrich et al., 1996). Die dependente, zwanghafte und narzißtische Persönlichkeitsstörung geben offensichtlich häufig den Boden für die Entwicklung affektiver, insbesondere dysthymer Störungen, selbstunsichere, aber auch dependente Persönlichkeitsstörungen gehen oft mit Angst- und Panikstörungen einher (Reich et al., 1987). Die Borderline-Persönlichkeitsstörung scheint häufig der Entwicklung einer dysthymen oder bipolaren Störung zugrunde zu liegen (Gundersson & Phillips, 1991). In großem Maß werden komorbide Abhängigkeitserkrankungen auf dem Boden einer Persönlichkeitsstörung festgestellt (Schuhler et al., 2000). Suchtmittel bieten sich dependenten Persönlichkeiten zur vermeintlichen Rückenstärkung und Hilfe an, die auf anderem Weg nicht erreicht werden kann, d.h. komorbide dependente Persönlichkeitsstörungen werden häufig bei Abhängigkeitserkrankungen beschrieben (Greenberg & Bornstein, 1988). Vornehmlich werden jedoch komorbide mehrfache Persönlichkeitsstörungen als sogenannte "innere Komorbidität" beschrieben (Driessen & Hill, 1998). Die Ergebnisse der Komorbiditätsstudien, die sich auf 90 die Veränderbarkeit von Achse-I-Störungen bei komorbiden Persönlichkeitsstörungen beziehen, sind widersprüchlich: Einerseits werden ungünstigere Verläufe, andererseits aber auch günstigere Verläufe berichtet (Chambless et al., 1992). Studien, die mit Borderline-Patienten durchgeführt wurden (Pope et al., 1983; McGlashan, 1987) zeigten günstigere Langzeitverläufe nach Therapieende, wenn zusätzlich zur Borderline-Persönlichkeitsstörung eine affektive Störung diagnostiziert worden war, sowohl störungsbezogen als auch im Hinblick auf die soziale Anpassung. Differentielle Behandlungseffekte in Abhängigkeit von einer komorbiden Persönlichkeitsstörung bei Suchterkrankungen sind bislang nicht eindeutig belegt, es wird jedoch von weniger erfolgreichen Behandlungsergebnissen ausgegangen. Die ohnehin schmale Forschungsbasis hinsichtlich der Komorbidität der Persönlichkeitsstörungen gegenüber den spezifischen psychischen Störungen und Abhängigkeitserkrankungen liefert bislang erst recht keine gesicherten Ergebnisse hinsichtlich der Frage, inwiefern eine wünschenswerte Entwicklung der Persönlichkeitsstörung zu einer systematischen Veränderung der Achse-I-Störungen führt. Im Bereich der Abhängigkeitserkrankungen werden Persönlichkeitsstörungen als extrem erschwerende Bedingung für therapeutische Maßnahmen diskutiert (Fiedler, 2001). Die Leithypothese geht nun davon aus, daß sich bei den Patienten, die an dem neuen störungsspezifischen Gruppenprogramm teilgenommen haben, und bei denen größere Effekte hinsichtlich der Veränderung der Persönlichkeitsstörungsmerkmale erwartet werden, auch größere Effekte hinsichtlich der Achse-I-Störungen erwartet werden können. Die Leithypothese sagt günstigere Rehabilitationsergebnisse bei den Patienten voraus, die an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Programm teilgenommen haben. Rehabilitation richtet sich ganz allgemein auf die Störungen intrinsicher Systeme, z.B. der physiologischen oder psychologischen Funktionen (impairments) und auf Störungen der Fähigkeiten, die üblichen Aktivitäten des täglichen Lebens (Alltag, Beruf, Freizeit, Partnerschaft) durchzuführen (disabilities), sowie auf die Störungen des sozialen Gleichgewichts (handicaps). Es liegt auf der Hand, daß bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen die Rehabilitationsziele im Sinn von der Beseitigung bzw. Reduzierung der Fähigkeitsstörungen und sozial beeinträchtigenden Bedingungen dann eher erreicht werden, wenn die dysfunktionalen Persönlichkeitsmerkmale günstig beeinflußt werden konnten. 4.1.2 Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen Problembereiche Das neue störungsspezifische Programm legt den Fokus der therapeutischen Intervention auf die explizite Beschäftigung mit der Persönlichkeitsstörung und zeigt die jeweils spezifischen Besonderheiten auf. Der Übungsteil ist stets eingebettet in den Kontext der jeweiligen Persönlichkeitsstörung und wird nicht nur mittelbar, bei bekannten Interaktions- und Selbststeuerungsprobleme eingesetzt, von den angenommen werden kann, daß diese bei der jeweiligen Persönlichkeitsstörung auftreten. Obwohl die Untersuchungsteilnehmer auch diese Form der Intervention durch die Teilnahme an dem herkömmlichen Therapieprogramm erfahren haben, vermuten die Hypothesen, die sich auf die Veränderung der interpersonellen Problembereiche richten, eine relative Überlegenheit der Patienten der Experimentalgruppe. 91 Kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze, die auf die Veränderung interpersoneller Problembereiche bei Persönlichkeiten zielen, zeigen widersprüchliche Befunde: Turkat & Maisto (1985) schildern fehlgeschlagene Versuche bei Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung ein verhaltenstherapeutisches Training sozialer Kompetenz durchführen zu wollen. Die Versuche scheiterten offenbar an der Therapiebereitschaft der Patienten, die zwar die Zielrichtung des Therapieprogramms angemessen fanden, aber dennoch nicht bereit waren, an der Therapie teilzunehmen. Beck et al. (1989), betonen die besonderen Möglichkeiten der kognitiven Therapie bei zwanghaften Persönlichkeitsstörungen, wenn diese klare und systematische Problemlöseangebote mache. Besonders hingewiesen wird auf den therapeutischen Nutzen von Hausaufgaben, deren eingegrenzte und klare Struktur der zwanghaften Persönlichkeitsorganisation der Patienten entgegenkomme. Beck weist auf die besondere Bedeutung der ausgewählten Übungen im Verhaltensbereich hin, da gerade die zwanghafte Persönlichkeit ihr nicht einsichtige Methoden ablehne. Auch hier erfolgt wieder der Verweis, daß die eingesetzten Hausaufgaben für den Patienten nachvollziehbar mit dem ihm zur Verfügung gestellten Erklärungsmodell in Übereinstimmung gebracht werden muß. Fiedler (2001) betont die Bedeutung eines fokusbildenden Konfliktmanagements, das die Verbesserung der interpersonellen und/oder intrapsychischen Selbsteinsicht und die Kompetenz im Umgang mit interaktionellen Konflikten zum Ziel haben muß. Gerade die Ergebnisse zur Veränderung der zwanghaften Persönlichkeitsstörung weist auf die mögliche Potenz eines persönlichkeitsstörungsspezifischen Behandlungsansatzes hin, der Erklärungsmodell und darauf bezogene Verhaltensübungen im Kontext anbietet. Auch die Behandlungserfahrungen bei der Therapie histrionischer Persönlichkeitsstörungen verweisen auf die Bedeutung klar strukturierten Vorgehens und der Möglichkeiten zum Erproben der Selbstkontrolle wie Hausaufgaben, Selbstbeobachtung, Selbstevaluation und Selbstmanagement (Fiedler, 2001). Für die Behandlung dependenter Persönlichkeitsstörungen wird ausdrücklich vorgeschlagen, die Diagnose der dependenten Persönlichkeitsstörung transparent zu machen und aus ihr Therapieziele abzuleiten, wie eine Verbesserung der persönlichen Möglichkeiten, Ressourcen oder Kompetenzen, die dem Patienten langfristig, von anderen Menschen unabhängige Entscheidungen erlauben (Benjamin, 1995; Fiedler, 1994). Explizit wird darauf verwiesen, daß Aufklärung und Information den Patienten helfen können, ihre Interaktionsschwierigkeiten und Hilflosigkeit in der sozialen Interaktion besser einzuordnen und daß die Therapiemotivation dadurch ansteigt. Hinsichtlich konkreter Therapieempfehlungen wird jedoch nur unspezifisch auf social skills-Trainingsprogramme verwiesen. Vogelgesang (2001) beschreibt interessanterweise einen Therapieansatz bei abhängigen Patientinnen mit dependenter Persönlichkeitsstörung, bei dem die Rationale der dependenten Störung erarbeitet wird und die verhaltensorientierten Übungsschritte darauf bezogen werden. Die ersten Behandlungsansätze aus der Verhaltenstherapie und der kognitiven Therapie zur Behandlung von Borderline-Störungen ist vom Ansatz von Linehan (1993) geprägt. Darin steht die Ressourcenaktivierung und Kompetenzförderung im Rahmen eines psychoedukativen Trainings interaktiver Kompetenzen im Vordergrund. Untersuchungsergebnisse über die Wirksamkeit dieses Therapieansatzes im deutschsprachigen Raum (Bohus et al., 1996, 2000) sind ermutigend. Die Verbin92 dung von Psychoedukation und darauf bezogenem Verhaltens- und Erlebenstraining, wie dies im persönlichkeitsstörungsspezifischen Therapieprogramm erfolgt, erfährt durch den Linehan'schen Ansatz Unterstützung. In der Verhaltenstherapie und kognitiven Therapie liegen zur Veränderung narzißtischer Persönlichkeitsstörungen nur Fallberichte vor, in denen die narzißtische Persönlichkeitsstörung nicht unmittelbar im Fokus der Behandlung stand (Turkat & Maisto, 1985; Turkat, 1990). Überlegungen zum konzeptionellen Vorgehen (Beck et al., 1989; Fiedler, 2001) betonen die Interaktionsprobleme, die durch fehlende Empathie und der Angst vor kritischer Bewertung durch andere geprägt sind. Vorgeschlagen wird eine zweigleisige Strategie, die behutsam korrigierendes Feedback zu den narzißtisch getönten Interpretationen des Patienten vorsieht, sowie die Nutzung von Rollenspielen und der Einsatz von Trainingsmaterialien, die der klientenzentrierten Therapie zum Empathietraining von Therapeuten entlehnt sind. Auch im Bereich der narzißtischen Persönlichkeitsstörungen fällt auf, daß zwar die Bedeutung der Vermittlung von Erklärungsmodellen betont wird, aber andererseits die empfohlenen Therapieschritte auf der Verhaltensebene nicht systematisch darauf bezogen werden, sondern eher lose damit verknüpft werden. Modelle, die Interaktionsprobleme erklären, behutsames Feedback in aktuellen Interaktionen während des therapeutischen Verlaufs, sowie Rollenspielerfahrungen und Empathieübungen werden gehäuft auch im herkömmlichen Therapieprogramm durchgeführt. Das systematische Aufeinanderbezogensein vom Verstehensmodell der eigenen Interaktions- und Selbstregulationsprobleme sowie die darauf bezogenen Übungen und selbständig zu bearbeitenden Materialien bedingen jedoch einen Therapieerfolg, der über das Ergebnis durch die herkömmliche Therapie hinausgeht. Die Hypothesen zur Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen Probleme vermuten entsprechend eine Überlegenheit des persönlichkeitsstörungsspezifischen Programms, das Erklärungsmodell einerseits und Verhaltenstraining bzw. Hausaufgaben andererseits in systematischer Weise miteinander verbindet. Die inhaltlichen Hypothesen zur Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen Problembereiche in der Selbstbeschreibung der Patienten sagen voraus, daß Patienten der Experimentalgruppe günstigere Veränderungen zeigen als die Patienten, die am herkömmlichen Therapieprogramm teilgenommen haben. Dieser Effekt zeigt sich auch hinsichtlich der Persönlichkeitsfähigkeiten und dem Ausmaß interpersoneller Probleme in der sozialen Angst und Inkompetenz. 4.1.2.1 Selbstbeurteilung „Persönlichkeitsstörung vs. Persönlichkeitsstile“ Patienten der ExG zeigen eine ausgeprägtere Abschwächung des jeweils mit ihrer Persönlichkeitsstörungsdiagnose korrespondierenden Persönlichkeitsstils gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG. Im dichten thematischen- und Erlebenskontext wird Informationsvermittlung und Aufklärung über das Störungsbild und der darauf direkt bezogene Übungsteil sechsmal im neuen Programm umgesetzt. Dies führt zu größeren günstigen Veränderungen als das herkömmliche Therapieprogramm, das persönlichkeitsstörungsbezogene Informationen und Aufklärung sowie Therapieangebote im Erlebens- und Verhaltensbereich zwar enthält, aber nicht in der systematisierten und unmittelbaren Form. 93 Das persönlichkeitsstörungsspezifische Gruppentherapieprogramm ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Persönlichkeits- und Kommunikationsstil, seiner Entwicklung und seiner Auswirkungen. Von der Teilnahme an anderen, identisch aufgebauten Programmelementen als dem eigenen Persönlichkeitsund Kommunikationsstil wird ein Transferprozeß erwartet, der die gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten, bezogen auf die eigene Persönlichkeitseigenart, vertieft und flexibilisiert. Aus diesen beiden Gründen sind größere Effekte im Behandlungsergebnis zu erwarten als bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die am herkömmlichen Behandlungsprogramm teilnehmen, das nur unsystematisch und mittelbar Therapieelemente zur Persönlichkeitsstörung bereithält. Diese Überlegenheit zeigt sich in der Beurteilung, wie stark die Ausprägung bestimmter wesentlicher Persönlichkeitsmerkmale in der sozialen Interaktionsfähigkeit beurteilt werden. Vermutlich dürften die psychoedukativen Themenbereiche „die charakteristischen Merkmale des Persönlichkeitsstils mit seinen Stärken und Schwächen“, die „Klärung individueller Einstellungen und Verhaltensweisen“, die Darstellung und Analyse typischer Problemsituationen, die darauf hinausläuft, darzulegen, wann der eigene Persönlichkeitsstil zum Problem wird und die Anregungen für die persönliche Entwicklung und Beziehungsgestaltung in Kombination mit den direkt darauf bezogenen Übungsteilen und Hausaufgabenelementen die wesentliche Treatmentvariable dafür sein. 4.1.2.2 Selbstbeurteilung "Persönlichkeitsfähigkeiten im sozialen Kontakt " Patienten der ExG zeigen größere Verbesserungen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeitsfähigkeiten als vergleichbare Patienten der KoG. Das persönlichkeitsstörungsspezifische Programm trägt zu größeren Verbesserungen hinsichtlich der Persönlichkeitsfähigkeiten bei als die Teilnahme am herkömmlichen Gruppentherapieprogramm. Persönlichkeitsfähigkeiten werden verstanden als Fähigkeit, andere zu unterstützen und Hilfestellung zu geben, eigene Interessen durchzusetzen, Geduld zu haben, Fähigkeit, Kontakte zuknüpfen und zu wahren, Emotionen zu kontrollieren und Konflikte auszutragen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Patienten der Experimentalgruppe auf der Basis der Klärung individueller Einstellungen und Verhaltensweisen sich mit der Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung des eigenen Persönlichkeitsstils, unter besonderer Betonung der Auswirkungen auf andere, beschäftigen. In engem thematischen Zusammenhang und unter stetem Rückgriff auf die zuvor vermittelten Konzepte werden diese interaktionellen Einsichten im Übungsteil und durch Hausaufgaben umgesetzt und vertieft. Darin ist die Überlegenheit des persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppenprogramms zu sehen im Vergleich mit dem nur unsystematisch und mittelbar vermittelnden Elementen im herkömmlichen Therapieprogramm. 4.1.2.3 Selbstbeurteilung "Interpersonelle Probleme" Patienten der ExG zeigen größere Effekte als vergleichbare Patienten der KoG, und zwar hinsichtlich von Veränderungen hin zur Mitte. Die Bewertung interaktioneller Probleme und Persönlichkeitseigenarten kann grundsätzlich auf den Dimensionen freundlich-unfreundlich und dominant-submissiv ein94 geordnet werden. die darauf bezogene Hypothese lautet, daß Patienten, die an dem persönlichkeitsstörungsspezifischen Programm teilnehmen, größere Verbesserungen hinsichtlich weniger extremer Ausprägungen auf den beiden bipolaren Dimensionen zeigen, als Patienten, die am herkömmlichen Behandlungsprogramm teilnehmen. Insbesondere das psychoedukative Programmelement “der Einfluß grundlegender Überzeugungen auf das Verhalten in konkreten Situationen" in Verbindung mit dem Programmelement “Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung des Persönlichkeitsstils”, die in dem Übungsorientierten und Aufgabenteil wieder aufgegriffen werden und in weiteren fünf verschiedenen Kontexten dargeboten werden, tragen zur Überlegenheit des persönlichkeitsstörungsspezifischen Programms bei. 4.1.2.4 Soziale Angst und Inkompetenz Patienten der ExG zeigen größere Verbesserungen hinsichtlich sozialer Angst und Inkompetenz als vergleichbare Patienten der KoG. Soziale Angst als Fehlschlag und Kritikangst, als Ängstlichkeit im sozialen Kontakt und übergrößer Nachgiebigkeit in interaktiven Zusammenhängen, die mit übertriebenen Schuldgefühlen verknüpft ist, sowie als mangelnde Kenntnis realitätsadäquatem Verhalten wird durch das neue Programm günstiger beeinflusst als durch das herkömmliche Therapieprogramm. 4.1.2.5 Selbstbeurteilung "Basisfertigkeiten und soziale Unterstützung" Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen in der Entwicklung allgemeiner Basisfertigkeiten als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe. Das persönlichkeitsstörungsspezifische Programm, das auch die Stärken und Ressourcen eines Persönlichkeitsstils bzw. einer Persönlichkeitsstörung aufzeigt und erreichbare Wege aufweist, die aus den Problemen hinausführen können, tragen zur relativen Überlegenheit dieses Programms bei hinsichtlich der Beurteilung der Selbstwirksamkeit, der Einschätzung der Bewältigungskraft hinsichtlich Anforderungen und hinsichtlich der Einschätzung von grundlegenden Fertigkeiten in sozialen Interaktionen. Diese Veränderungstendenz wird im wesentlichen dadurch gestärkt, daß Ressourcenorientierung und Kontrollkompetenz in insgesamt sechs Kontexten dargeboten wird, die erwarten lassen, daß sich günstige Einstellungen und Einsichten dadurch verankern und generalisieren. 4.1.2.6 Selbstbeurteilung "Veränderung psychosozialer Fähigkeiten" Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen hinsichtlich der psychosozialen Fähigkeiten, soziale Unterstützung zu erlangen, als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe. Das neue persönlichkeitsstörungsspezifische Programm, das in vielfältiger Weise die Abhängigkeiten des eigenen Verhaltens auf die Reaktion anderer und vice versa 95 darstellt, erläutert und mit Übungen erlebnisaktivierend nachvollziehbar macht, ist dem herkömmlichen Therapieprogramm, das Erklärens- und Verstehensmodelle nicht im Kontext mit Übungen und Erfahrungsweisen auf der Verhaltensebene verbindet, überlegen. Erwartet wird eine größere Verbesserung hinsichtlich der Erwartung, von anderen akzeptiert zu werden, praktische Unterstützung von anderen zu bekommen, sozial integriert im Freundeskreis zu sein, eine Vertrauensperson zu haben und insgesamt mit der sozialen Unterstützung im Alltagsleben zufrieden zu sein. 4.1.3 Symptomatologie Die Symptomebene wird bei dem psychosomatisch gestörten Patienten der Fachklinik Bad Dürkheim hinsichtlich Depressivität, Angst und somatoformen Beschwerden berücksichtigt, bei Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen der Fachklinik Münchwies hinsichtlich der Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. 4.1.3.1 Depressivität Bei Patienten in der Experimentalgruppe ergeben sich stärkere Effekte als bei Patienten in der Kontrollgruppe. Das persönlichkeitsstörungsspezifische Programm erläutert und illustriert sowohl im psychoedukativen Teil als auch unter Rückgriff auf die dort vermittelnden Inhalte, in dem übungsorientierten Teil wesentliche Zusammenhänge zwischen Depression und Persönlichkeitsstörungen. Deshalb wird eine Überlegenheit des neuen Gruppenprogramms im Vergleich mit dem herkömmlichen Therapieprogramm erwartet, das keine systematischen Verbindungen zwischen Erklärungs- und Verstehensmodellen und Erfahrungen auf der Erlebens- und Verhaltensebene hinsichtlich Persönlichkeitsstörung und Depressivität bereit hält. 4.1.3.2 Angst Bei Patienten in der Experimentalgruppe ergeben sich stärkere Effekte als bei Patienten in der Kontrollgruppe. Der Einfluß von Persönlichkeitsstörungen auf die Entwicklung psychischer und psychosomatischer Störungen wird explizit zum Gegenstand in dem neuen störungsspezifischen Gruppenprogramm gemacht, das aber auch an anderen Stellen, sowohl im psychoedukativen als auch im darauf bezogenen Übungsteil Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen auf die Symptomebene thematisiert und durch direkt darauf bezogene Übungen verdeutlicht. 96 4.1.3.3 Somatoforme Beschwerden Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen als Patienten der Kontrollgruppe. Schmerz, Müdigkeit, Herz-Kreislauf-Probleme, Magen-Darm-Beschwerden und ein insgesamt erhöhtes psychovegetatives Anspannungsniveau, die bis zu somatoformen Störungen der einzelnen Organsysteme führen können, werden durch das neue störungsspezifische Programm günstiger beeinflusst, weil dort die Bezüge zwischen somatoformen Beschwerden und Persönlichkeitsstörungen explizit herausgearbeitet werden und in dem Transfer von psychoedukativer Vermittlung auf der Wissens- und Einstellungsebene auf die Verhaltens- und Erlebensebene ein besonderer Schwerpunkt eingeräumt wird. Deshalb wird eine relative Überlegenheit des neuen Programms im Vergleich mit dem herkömmlichen Therapieprogramm erwartet, das zwar auch Informationen und psychoedukative Elemente hinsichtlich somatoformer Beschwerden und Persönlichkeitsmerkmale bereithält, die sich in der Interaktion mit anderen und der Selbststeuerung auswirken, aber dies nur in unsystematischer Weise und auch nicht in direktem Bezug zu Verhaltens- und Übungselementen. 4.1.3.4 Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit Patienten der Experimentalgruppe, die bei Therapiebeginn zeigen stärkere günstige Veränderungen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe. Diese relative Überlegenheit zeigt sich auch hinsichtlich der Veränderungen der Abstinenzzuversicht und der Abstinenzquote ein Jahr nach Entlassung. Die Akzeptanz der Unumkehrbarkeit der Sucht, sowie die Akzeptanz der Abhängigkeit für die eigene Person und eine von der ganzen Person getragene Abstinenzentscheidung als die Kernziele einer Abhängigkeitsbehandlung gehen in ihrer Bedeutung mit der Erarbeitung der Funktionalität des Suchtmittelkonsums, die für die Rückfallprophylaxe unerläßlich ist, einher. Diesen Schwerpunkten wird in dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Programm dadurch Rechnung getragen, daß die vielfältigen Bezüge zwischen Suchtmittelkonsum und Persönlichkeitsstörung in verschiedenen psychoedukativen Elementen, erlebnisaktivierenden Methoden und Übungsteilen verknüpft werden. Auch hier dürfte die insgesamt sechsfache Darbietung von Verstehensmodellen, Erlebnisaktivierung und Übungsteil für einen günstigen Transfer und Verankerungseffekt sorgen. Trotz der langen Verweildauer im herkömmlichen Therapieprogramm, das sich über vier Monate erstreckt und sich auf die beschriebenen Kernelemente konzentriert, wird eine relative Überlegenheit des neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppengruppenprogramms erwartet, durch die Verknüpfung von Persönlichkeitsstörung und Abhängigkeitserkrankung im inhaltlichen und vor allem erlebens- und verhaltensorientierten Kontext. 4.1.4 Selbstbeurteilung "Subjektive Gesundheit / Lebensqualität" Patienten der Experimentalgruppe zeigen größere Verbesserungen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe. 97 Berufliche Belastungen, Funktionsfähigkeit, psychische Belastungen und soziale Probleme in Alltag und Beruf, sowie körperliche und psychische Folgenbelastungen dürften in enger Beziehung zu den Kompetenzen und Grenzen stehen, die die Persönlichkeitsorganisation dem Einzelnen erlaubt. In der Summe der genannten erwarteten Überlegenheit des neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppenprogramms gegenüber dem herkömmlichen Therapieprogramm werden auch größere wünschenswerte Entwicklungen auf diesen Dimensionen erwartet, die sich spezifisch auf die Rehabilitationsziele der Behandlung beziehen. 4.1.5 Arbeitsunfähigkeitszeiten Im einjährigen Pre-Post-stationären Vergleich weisen Patienten der Experimentalgruppe größere Abnahmen in den AU-Zeiten auf als Patienten der Kontrollgruppe. In ähnlicher Weise wird ein wünschenswerter Effekt auf die Entwicklung im Einjahreszeitraum nach Entlassung vermutet hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeiten, die ein direktes Maß der Belastbarkeit in der beruflichen Tätigkeit darstellen. 4.1.6 Hypothese zur Akzeptanz und Zufriedenheit Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die am neuen Interventionsprogramm teilnehmen , zeigen größere Akzeptanz zum stationären Therapieangebot als die Patienten, die am herkömmlichen Therapieprogramm teilnehmen. Die günstigere allgemeine Einschätzung der therapeutischen Maßnahmen ist im direkten Zusammenhang mit den positiven Bewertungen der neuen Interventionsmaßnahmen zu sehen. 4.1.6.1 Gruppenbewertung Insgesamt schätzen Patienten der Experimentalgruppe die Gruppensitzungen positiv ein. Die allgemeine Zufriedenheit mit der Gruppe, eine positiv erlebte Wirkung hinsichtlich Problembewusstsein und Verhaltensänderung, eine subjektiv bewertete hohe Aktivierung durch die Gruppenteilnahme, sowie das Gefühl von Gruppenkohäsion und Integration in die Gruppe wird erwartet, wenn Patienten an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppenprogramm teilnehmen. Dies gründet sich auf die patientengerechte Sprache, die im Gruppenprogramm gepflegt wird, seine Ressourcenorientierung und Kompetenzstärkung, sowie die enge thematische Verknüpfung zwischen psychoedukativem Inhalt und erlebens- und verhaltensorientierter Übung, sowie von sorgfältig ausgearbeiteten Hausarbeitsmaterialien, die Inhalte des Programms wieder aufgreifen und vertiefen. 4.1.6.2 Allgemeine Therapiezufriedenheit Patienten der Experimentalgruppe zeigen eine größere Zufriedenheit mit der stationären Therapie als Patienten der Kontrollgruppe. 98 Die positive Tendenz in der Einschätzung und subjektiven Bewertung des Interventionsprogramms zeigt sich auch in der allgemeinen Beurteilung der stationären Therapie. 4.2 Forschungsdesign / Versuchsplan Der Interventionsstudie liegt ein quasi experimenteller Untersuchungsplan zugrunde, der über drei Meßpunkte die Effekte des neuen störungsspezifischen Behandlungsprogrammes auf zwei Experimentalgruppen (jeweils eine Gruppe von Patienten der psychosomatischen Klinik und eine Gruppe abhängiger Patienten der Suchtklinik) mit Effekten der jeweils herkömmlichen Therapie auf zwei Kontrollgruppen (wieder jeweils eine Gruppe von Patienten der psychosomatischen bzw. der Suchtklinik) vergleicht. Der Rehabilitationsverlauf und Rehabilitationserfolg wird an drei Meßzeitpunkten untersucht: Klinikaufnahme, Klinikentlassung und Einjahreskatamnese. Das varianzanalytische Grundmodell ist somit ein zweifaktorieller Untersuchungsplan mit einem zweistufigen Gruppenfaktor (Experimental- oder Kontrollgruppe) und einem dreistufigen Meßzeitfaktor (Klinikaufnahme, Klinikentlassung, Einjahreskatamnese). Tab. 10 Zweifaktorieller (Grundplan) Versuchsplan für die Fachkliniken Bad Dürkheim „Düw“ und Münchwies „Müw“ Versuchsgruppen (Faktor 1) Experimentalgruppe Kontrollgruppe Meßzeitpunkte (Faktor 2) t1 stationäre Aufnahme Bereiche abhängiger Variablen A. Symptomatologie / t2 Entlassung aus der stationäB. Subjektive Gesundheit ren Therapie C. Persönlichkeitsstile; Interpersonelle Probleme t3 Katamnese D. Basisfertigkeiten – Soziale Unterstützung (1 Jahr nach Therapieende) E. Bewertung der Maßnahmen F. Objektive Daten 4.3 Operationalisierung 4.3.1 Überblick Die abhängigen Variablen lassen sich in sechs Bereiche gruppieren: Symptomatologie, Subjektive Gesundheit/ Lebensqualität, Persönlichkeitsstile/interpersonelle Probleme, Personale/ Soziale Kompetenzen – Soziale Unterstützung, Bewertung und Akzeptanz der Maßnahmen sowie Objektive Daten bzw. Therapeuten/Arzteinschätzungen. Zur Erfassung wurden bewährte Verfahren zur Selbst- und Fremdbeurteilung durch Ärzte/ Therapeuten eingesetzt (Fragebögen, Basisdokumentation). Die Auswahl der Instrumente orientierte sich an den Empfehlungen der Arbeitsgruppe „generische Methoden“ des Förderschwerpunkts „Rehabilitationswissenschaften“ (Muthny, Bullinger und Kohlmann, 1999). Objektive Daten zu Arbeitsunfähigkeitszeiten wurden über Krankenkassenstammdaten der Patienten für das Jahr vor und nach dem Klinikaufenthalt erhoben. 99 Tab. 11 Nr. Die abhängigen Variablen und ihre Untersuchungsinstrumente Bereich (Untersuchungsinstrumente) Messzeitpunkte t1 t2 A1 Symptomatologie 1 Somatoforme Störungen (FBL) * 2 Depressive Störungen (BDI) * 3 Angststörungen (BAI) * A2 Symptomatologie (nur Fachklinik Münchwies) 5 Abhängigkeit und Funktionalität (MDI) * Abstinenzzuversicht (KAZ-35) Trinkmuster (TAI) * * * * * * * * BD/MW BD/MW BD/MW * * (nur bei Rückfall) * * (nur bei Rückfall) * MW MW MW * * * BD/MW BD/MW BD/MW * * * BD/MW BD/MW BD/MW * * BD/MW BD/MW * * BD/MW BD/MW * 6 Abstinenzrate (Katamnesefragebogen) B Subjektive Gesundheit/ Lebensqualität 1 Subjektive Beeinträchtigung (SCL-90-R) * * 2 Indikatoren des Rehastatus (IRES) * * 3 Gesundheitszustand (SF-12) * * C Persönlichkeitsstile/interpersonelle Probleme 1 Persönlichkeitsstile (PSSI) * * 2 Interpersonelle Probleme (IIP-D) * * 3 Persönlichkeits-Fähigkeiten (PFI) * * D Personale/ Soziale Kompetenzen – Soziale Unterstützung 1 Soziale Unterstützung (F-SOZU) * * 2 Soziale Kompetenzen/Selbstwertgefühl * * (U-Fragebogen) 3 Personale und soziale Kompetenzen (FPF) * * 4 Selbstwirksamkeit (SWS) * * E Bewertung und Akzeptanz der Maßnahmen 1 Patientenurteile, Zufriedenheit (Entlassfra* gebogen) 2 Patienteneinschätzung der neuen Gruppen- nach jedem behandelten interventionen Persönlichkeitsstil (Prozessbewertungsbogen) Patienteneinschätzung der neuen Gruppen- nach Abschluss des interventionen (Abschlussbewertungsbogen) Gruppentherapieprogrammes F Objektive Daten bzw. Therapeuten/Arzteinschätzungen 1 arbeitsbezogene Leistungsfähigkeit, Funkti* onsstatus, Prognose (BaDo) 2 Verweildauer (BaDo) * 3 Krankenkassenstammdaten (AU-Zeiten) 4.3.2 Ort t3 MW BD/MW BD/MW BD/MW BD/MW * BD/MW BD/MW Eingesetzte Fragebogenverfahren Die Beschreibung der zur Ergebnismessung eingesetzten Messinstrumente und Skalen erfolgt nach den zuvor beschriebenen Untersuchungsbereichen. 100 A Symptomatologie Freiburger Beschwerdenliste (FBL-R). Der Fragebogen ist ein vollstandardisiertes Verfahren zur Selbstbeurteilung und dient der Inventarisierung körperlicher Beschwerden aus verschiedenen Funktionsbereichen. Für unser Klientel wurden sieben Skalen ausgewählt: - Allgemeinbefinden - Müdigkeit - Herz - Kreislauf - Magen - Darm - Anspannung - Emotionale Reaktivität - Schmerz Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Antwortskala, erfragt wird die Auftretenshäufigkeit vorgegebener Beschwerden. Itembeispiele: - Haben Sie Schwierigkeiten durchzuschlafen? - Fühlen Sie sich benommen? - Haben sie feuchte Hände? - Haben sie Nackenschmerzen? - Haben Sie das Gefühl unter Stress zu sein? Beck – Depressions – Inventar (BDI). Das Verfahren ist ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung des Schweregrades einer depressiven Symptomatik auf 21 vorgegebenen Symptomkategorien: - Traurige Stimmung - Pessimismus - Versagen - Unzufriedenheit - Schuldgefühle - Strafbedürfnis - Selbsthass - Selbstanklagen - Selbstmordimpulse - Weinen - Reizbarkeit - Sozialer Rückzug - Entschlussunfähigkeit - Körperbild - Arbeitsunfähigkeit - Schlafstörungen - Ermüdbarkeit - Appetitverlust - Gewichtsverlust - Hypchondrie - Libidoverlust Zu jedem Bereich werden vier Selbstaussagen formuliert, die in aufsteigender Folge zunehmende depressive Stimmungslage repräsentieren. Itembeispiel: - Ich bin nicht von mir enttäuscht 101 - Ich bin von mir enttäuscht Ich finde mich fürchterlich Ich hasse mich Beck Angstinventar Deutsche Version (BAI). Das vollstandardisierte Selbstbeurteilungsinstrument dient der Erfassung des Konstruktes Ängstlichkeit, unabhängig von einer depressiven Symptomatik. Der Fragebogen besteht aus 21 Items, die sich an die Symptomlisten des DSM-IV für Panikanfälle und generalisierte Angst anlehnen. Die Probanden beurteilen auf einer 4-stufigen Skala wie sehr sie sich durch vorgegebene Symptome in den letzten 7 Tagen vor der Befragung belastet fühlten. Itembeispiele: - Herzrasen oder Herzklopfen - Angst, Kontrolle zu verlieren - Unfähigkeit, mich zu entspannen Münchwieser Diagnoseinventar (MDI). Ziel des neuentwickelten Verfahrens ist eine differentialdiagnotische Abklärung zwischen unauffälligem Konsum, schädlichem Gebrauch von Suchtmitteln oder einer manifesten Abhängigkeit von Alkohol oder Medikamenten. Der Fragebogen umfasst 18 Items, von denen vier Items Merkmale einer Abhängigkeit repräsentieren, fünf Items fragen nach kritischem Konsum und neun Items erfassen die Funktionalität des Suchtmitteleinsatzes. Auf einer vier-stufigen Skala wird die Auftretenshäufigkeit bestimmter Verhaltensweisen bzw. Wirkungsweisen im Umgang mit Suchtmitteln erfragt. Itembeispiele: - Um besser schlafen zu können, habe ich Alkohol oder Medikamente eingenommen. - Ich habe Ausreden gebraucht, wenn ich Alkohol trank oder wenn ich Medikamente einnahm. - Es kam vor, dass ich unruhig, zittrig oder nervös wurde, wenn die Wirkung des Alkohols oder der Medikamente nachließ. Kurzfragebogen zur Abstinezzuversicht (KAZ-35). Der KAZ erfasst die Ausprägung der Zuversicht von Alkoholabhängigen, in risikoreichen potentiellen Rückfallsituationen dem Trinken widerstehen zu können. Die 35 Items differenzieren vier Subskalen: - unangenehme Gefühle - Austesten der eigenen Kontrollmöglichkeiten - sozialer Druck - angenehme Gefühle Auf einer Skala von 0 bis 100% werden die Probanden aufgefordert anzugeben, wie zuversichtlich sie sind in den vorgegebenen Situationen dem Trinken widerstehen zu können. Itembeispiele: Ich bin zuversichtlich dem trinken widerstehen zu können, - wenn ich mich zuversichtlich und entspannt fühle - wenn ich mich für etwas schuldig fühle - wenn ich Probleme am Arbeitsplatz habe Trierer Alkoholismusinventar (TAI). Der TAI ist ein standardisiertes Instrument, der spezifische Erlebens- und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit exzessivem 102 Alkoholkonsum erfasst. Der Fragebogen umfasst 90 Items, die sich sieben Skalen zuzuordnen lassen: - Verlust der Verhaltenskontrolle und negative Gefühle nach dem Trinken - Soziales Trinken - Süchtiges Trinken - Trinkmotive - Folgen - Schädigung und Versuche der Selbstbehandlung von physiologischen Begleiterscheinungen - Partnerprobleme wegen des Trinkens - Trinken wegen Partnerproblemen Gefragt wird nach der Auftretenshäufigkeit beschriebener Konsequenzen des Alkoholkonsums, nach Funktionalität und Trinkgewohnheiten. Itembeispiele: - Stolperten, strauchelten oder schwankten Sie, wenn Sie getrunken hatten - Haben Sie getrunken, um Ihre Schüchternheit zu überwinden - Zitterten Sie, wenn Sie nüchtern wurden - Hat Ihr Trinken zu Partnerschwierigkeiten beigetragen Nachbefragungsbogen für ehemalige Patienten (Kat Sucht 98 Version 1.0). Die Routinekatamnese, die bei allen Patienten der Suchtklinik ein Jahr nach Entlassung durchgeführt wird, umfasst insgesamt 25 Items mit Fragen zur Lebenszufriedenheit, Familien- , Partner-, Wohnungs- und Arbeitssituation, zum beruflichen Status, zum Lebensunterhalt, zur Arbeitsfähigkeit und Arbeitslosigkeit, zur Rentensituation, zum Besuch von Selbsthilfegruppen und Inanspruchnahme professioneller Hilfe. Weiterhin wird nach der Abstinenz gefragt und bei Rückfall eine genaue Rückfallanalyse erhoben (Art des eingesetzten Suchtmittels, Rückfallsituation, Dauer und Häufigkeit der Rückfälle sowie Rückfallbeendigung). B Subjektive Gesundheit/Lebensqualität Symptom – Checkliste von Derogatis, Deutsche Version (SCL-90-R). Der vollstandardisierte Fragebogen mißt die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome einer Person. Die 90 Items der neun Skalen beschreiben die Bereiche: - Somatisierung - Zwanghaftigkeit - Unsicherheit im Sozialkontakt - Depressivität - Ängstlichkeit - Aggressivität/Feindseligkeit - Phobische Angst - Paranoides Denken - Psychotizismus Der Proband soll auf einer fünfstufigen Skala einschätzen wie stark ihn die jeweilige Beschwerde belastet hat. Itembeispiele Wie stark litten Sie unter:: - Kopfschmerzen 103 - Neigung zum Weinen Verletzlichkeit in Gefühlsdingen Herzklopfen und Herzjagen schreckenerregenden Gedanken und Vorstellungen Indikatoren des Rehastatus (IRES). Das Instrument erlaubt die Erfassung wesentlicher Parameter des somatischen, funktionalen und psychosozialen Status von Rehabilitationspatienten. Jede Dimension wird in zwei Unterdimensionen aufgeteilt, die jeweils fünf bis neun Einzelskalen enthalten. Der Fragebogen erfasst insgesamt 51 Variablen, die mit insgesamt 160 Items abgefragt werden: - Somatischer Status: Schmerzen / Symptome (z.B. Schmerzskala, AU-Zeiten, Seelische Ge sundheit) Risikofaktoren (z.B. Übergewicht, Rauchen. Cholesterin) - Funktionaler Status: Belastung im Beruf (z.B. Beanspruchung am Arbeitsplatz, Erschöpfung, Rentenantrag) Behinderung im Alltag (z.B. Mobilität, Aktivitäten im Haushalt, Körperliche Aktivität) - Psychosozialer Status: Psychische Belastung (z.B. „burn-out“, Ängstlichkeit, Lebenszufriedenheit) Soziale Probleme (z.B. soziale Isolierung, Partnerschaft, social support) Itembeispiele: - Sind Sie in der Lage einen Zug oder Bus zu benutzen - Wie stark leiden Sie unter Reizbarkeit - Mir fehlen Menschen, die mich wirklich verstehen - Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeitssituation C Persönlichkeitsstile/interpersonelle Probleme Persönlichkeits – Stil - und Störungs - Inventar (PSSI). Das PSSI ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, das die relative Ausprägung von Persönlichkeitsstilen quantifiziert. Diese gelten als nicht-pathologische Entsprechungen der in DSM-IV und ICD-10 beschriebenen Persönlichkeitsstörungen. Das Inventar besteht aus 140 Items, die 14 Skalen zugeordnet sind: - Selbstbestimmter Stil / antisoziale Persönlichkeit - Eigenwilliger Stil / paranoide Persönlichkeit - Zurückhaltender Stil / schizoide Persönlichkeit - Selbstkritischer Stil / selbstunsichere Persönlichkeit - Sorgfältiger Stil / zwanghafte Persönlichkeit - Ahnungsloser Stil / schizotypische Persönlichkeit - Optimistischer Stil / rhapsodische Persönlichkeit - Ehrgeiziger Stil / narzißtische Persönlichkeit - Kritischer Stil / passiv-aggressive bzw. negativistische Persönlichkeit - Loyaler Stil / abhängige Persönlichkeit - Spontaner Stil / Borderline Persönlichkeit - Liebenswürdiger Stil / histrionische Persönlichkeit - Passiver Stil / depressive Persönlichkeit - Altruistischer Stil / selbstlose Persönlichkeit 104 Auf einer vier-stufigen Antwortskala sollen die Probanden angeben, wie stark die vorgegebenen Aussagen auf sie zutreffen. Itembeispiele: - Ich brauche sehr viel Liebe und Angenommensein - Der Gedanke, eine berühmte Persönlichkeit zu sein reizt mich - Meine Gefühle wechseln oft abrupt und impulsiv - Ich wahre immer die Distanz zu Menschen - Ich habe auf das andere Geschlecht eine besondere Anziehungskraft Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme, Deutsche Version (IIP-D). Das IIP ist ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung interpersonaler Probleme. Erfragt werden interpersonale Verhaltensweisen, die dem Probanden schwer fallen bzw. die ein Proband im Übermaß zeigt. Der Fragebogen liegt als Kurz- und als Langform vor. Die Kurzform umfasst 64 Items, die 8 faktorenanalytisch gebildeten Skalen zuzuordnen sind: - zu autokratisch/dominant - zu streitsüchtig/konkurrierend - zu abweisend/kalt - zu introvertiert/vermeidend - zu selbstunsicher/unterwürfig - zu ausnutzbar/nachgiebig - zu fürsorglich/freundlich - zu expressiv/aufdringlich Gefragt wird auf einer fünfstufigen Antwortskala wie schwierig verschiedene Aspekte im Umgang mit anderen Menschen fallen. Itembeispiele: - Es fällt mir schwer, anderen menschen zu vertrauen - Es fällt mir scher, die Ansichten eines Anderen zu verstehen - Es fällt mir schwer, anderen gegenüber ehrlich zu sein - Es fällt mir schwer, alleine zu sein - Es fällt mir schwer, jemanden ein Geschenk zu machen. Persönlichkeits – Fähigkeiten – Inventar (PFI). Der Fragebogen dient der Erfassung von Persönlichkeitsfähigkeiten. Er besteht aus 94 Items, die sich auf sechs Skalen verteilen: - Unterstützung - Durchsetzung - Geduld - Kontakt - Selbstbeherrschung - Ausdauer Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Skala, von „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft voll zu“. Itembeispiele: - Es fällt mir schwer eine traurige Person zu trösten - Auch wenn ich eigentlich eine Gehaltserhöhung oder Beförderung verdient hätte, vermeide ich danach zu fragen - Es fällt mir schwer, an einer wichtigen Aufgabe zu bleiben, bis ich fertig bin. 105 D Personale/Soziale Kompetenzen – Soziale Unterstützung Fragebogen zur sozialen Unterstützung (F-SOZU). Der Fragebogen erfasst die subjektive Überzeugung Unterstützung aus dem sozialen Umfeld zu erhalten bzw. auf Ressourcen des sozialen Umfeldes zurückgreifen zu können. Mit 22 Items, die sechs Skalen zuzuordnen sind erfasst der Fragebogen: - soziale Unterstützung - praktische Unterstützung - soziale Integration - Vertrauenspersonen - Zufriedenheit mit der sozialen Unterstützung Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Skala. Itembeispiele: - Ich habe Menschen, die sich um meine Wohnung kümmern, wenn ich mal nicht da bin - Bei manchen Freunden/Angehörigen kann ich auch mal ganz ausgelassen sein - Es gibt Menschen, die zu mir halten, auch wenn ich Fehler mache Unsicherheitsfragebogen (U-Fragebogen). Der Fragebogen erfasst soziale Angst und Inkompetenz auf sechs Skalen: - Fehlschlagangst - Kritikangst - Kontaktangst - Fordern können - Nicht-Nein-Sagen-Können - Schuldgefühle und Anständigkeit Auf einer sechsstufigen Skala wird das Ausmaß an Zustimmung zu 65 Items erfragt. Itembeispiele: - Eine Gesprächspause verunsichert mich stark - Ich vermeide es möglichst Verantwortung zu übernehmen - Ich schlucke meinen Ärger immer herunter Fragebogen zu psychosozialen Fähigkeiten (FpF). Der Fragebogen erfasst die subjektive Beurteilung der eigenen Basisfertigkeiten und der Fähigkeiten Anforderungen zu bewältigen. Er enthält 13 Items, die auf einer sechsstufigen Skala von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“ zu beantworten sind. Itembeispiele: - Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit sich zu entspannen - Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit die Freizeit zu gestalten - Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit die täglichen Anforderungen im Beruf zu erfüllen. Selbstwirksamkeitsskala (SWS), deutsche Adaption. Die Selbstwirksamkeitsskala erfasst Selbstvertrauen als Ausdruck der Zuversicht, Ziele, die man sich selbst gesetzt hat, verwirklichen zu können. Der Fragebogen umfasst 13 Items, die auf einer sechsstufigen Skala zu beantworten sind. Itembeispiele: - Wenn ich mir hohe Ziele setze, erreiche ich diese nur selten - Offenbar bin ich nicht imstande, mit den Problemen des Lebens fertig zu werden 106 - Wenn mir etwas auf Anhieb nicht gelingt, probiere ich solange weiter, bis ich es kann. E Bewertung und Akzeptanz der Maßnahmen Entlassungsfragebogen. Der Fragebogen, der am Ende der Behandlung jedem Patienten ausgeteilt wird, erfasst die Beurteilung der Patienten zum Therapieverlauf. Im einzelnen werden subjektive Veränderungen im Therapieverlauf, die Zufriedenheit mit dem Behandlungserfolg, mit Therapiemassnahmen, und Serviceleistungen sowie Erfahrungen mit dem Therapiekonzept und dem Therapieprogramm erfragt. Patienteneinschätzung der neuen Gruppenintervention (Prozessbewertungsbogen und Abschlussbewertungsbogen). Die Erfassung der Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem neuen Gruppenprogramm erfolgt über zwei eigens entwickelte Fragebögen. Der Prozessbewertungsbogen thematisiert jeweils einen behandelten Persönlichkeitsstil. Dieser wird am Ende einer Therapieeinheit zu einem Persönlichkeitsstil vorgelegt. Mit dem Abschlussbewertungsbogen wird um eine Gesamtbeurteilung des Gruppenprogramms gebeten. Die beiden Fragebögen entsprechen sich in den thematisierten Fragebereichen. Sie bestehen jeweils aus einem Item zur Einordnung des bzw. der Persönlichkeitsstile, 25 sechsfachgestuften likertskalierten Items sowie einer offenen Frage zu allgemeinen Anmerkungen, Kritik oder Verbesserungsvorschlägen. Aus den quantitativen Items konnten für beide Bewertungsbögen reliabel jeweils 5 differenzierende Skalen - Wirkung - Anregungsgehalt - Informationsgehalt - Verständlichkeit - Atmosphäre gebildet werden sowie eine zusammenfassende Skala „Gesamteindruck“ (Skalenreliabilitäten .68 < α < .94). Die Werte der Skalen umfassen über Mittelwertsbildung der sie konstituierenden Items je Antworter den Range von 1 bis 6, wobei Werte hin zu 1 positive Ausprägungen und Werte hin zu 6 negative Ausprägungen bedeuten. Itembeispiele: - Die vermittelten Informationen waren für mich interessant - Insgesamt hätte es mehr praktische Übungen geben sollen - Es sind mir wichtige Zusammenhänge zwischen meinem Persönlichkeitsstil und meinen Beschwerden deutlich geworden - Für den Erfolg meiner Therapie war das Gruppenangebot sehr wichtig F Objektive Daten bzw. Therapeuten/Arzteinschätzungen Basisdokumentation (Bado). Die Basisdokumentationssysteme „Basisdokumentation Verhaltenstherapeutische Psychosomatik“ (Fachausschuß Psychosomatik des AHG-Wissenschaftsrates (Hrsg.) 1995 Basisdokumentation Verhaltenstherapeutische Psychosomatik, Hilden) und die „Bado Sucht 97“ (Ott E.S., Braukmann, W., Buschmann, H., Dehmlow, A., Fischer, M., Herder, F., Jahrreiss, R., Missel, P., Quinten, C., Rösch, W., Scheele, S. , Schneider, B., Zemlin, U. (1997) Neuentwicklung einer Basisdokumentation für den Bereich stationärer Rehabilitation Suchtkran107 ker (Bado Sucht 97) in: Fachausschuß Sucht (Hrsg.) Verhaltensmedizin Heute, Qualitätsstandards, 7, S 15-24) stellen ökonomische Systeme zur Erfassung relevanter Patienten- und Behandlungsdaten dar. Neben der Übernahme verwaltungstechnisch erfaßter Daten zum Behandlungsverlauf, wie z.B. Aufnahme- und Entlassungsdatum, Kostenträger, Alter, Geschlecht usw., werden soziodemographische - , sozialmedizinische - und diagnostische Basisdaten sowie Daten zur Behandlung und dem Behandlungsrahmen erhoben. Im einzelnen sind dies: Soziodemographische Daten (z.B. Familien- und Partnersituation, Schulbildung, Berufsausbildung, beruflicher Status, Berufsausübung) Sozialmedizinische Daten ( z.B. Arbeitsfähigkeit, Leistungsbeurteilung, Rentensituation) Diagnostische Daten (Diagnosen nach ICD 10 mit Zusatz, Sicherheit und Behandlungsergebnis) Daten zur Behandlung und dem Behandlungsrahmen (z.B. Vorgespräch, Vermittler, Entlassungsform, geplante Weiterbehandlung, Gesamteinschätzung der Veränderungen und Prognose) Für den Abhängigkeitsbereich werden zusätzlich Daten zur Abhängigkeitserkrankung wie Anzahl und Verlauf bisheriger Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlungen, Abhängigkeitsdauer, Suchtprobleme bei Bezugspersonen, Suchtmittel bei Aufnahme, Konsum oder Besitz von Suchtmitteln während der Behandlung erfaßt. Jeder Bezugstherapeut füllt am Ende einer Behandlung eine Basisdokumentation für seinen Patienten aus. Krankenkassenstammdaten. Als objektive Daten werden für jeden Projektteilnehmer Daten zum Arbeitsunfähigkeitsgeschehen im Jahr vor Klinikaufnahme und im Jahr nach Klinikentlassung bei den zuständigen Krankenkassen erfragt. 4.4 Diagnostisches Vorgehen 4.4.1 Beschreibung der symptomatischen Störungen und der Persönlichkeitsstörungsdiagnosen Im folgenden werden die symptomatischen Diagnosen (nach IDC-10), die als Einschlusskriterien zur Untersuchungsteilnahme galten, dargestellt; im Anschluss folgt eine Beschreibung der Diagnosen auf Persönlichkeitsebene (Achse-II-Störungen nach DSM-IV). Die symptomatischen Störungen wurden dabei in der Regel als Erstdiagnosen vergeben, die entsprechenden Persönlichkeitsstörungen als komorbide Störungen. Symptomatische Störungen (Achse I). In die Stichprobe wurden in der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim Patienten mit folgenden symptomatischen Störungen aufgenommen: 1. 2. 3. Angststörungen depressiven Störungen somatoformen Störungen 108 In die Stichprobe wurden in der Psychosomatischen Fachklinik Münchwies Patienten mit folgenden symptomatischen Störungen aufgenommen: 4. Abhängigkeitssyndrom Ad 1: ren: Bei den Angststörungen lassen sich folgende Untergruppen differenzie• phobische Störungen ¾ Agoraphobie ohne bzw. mit Panikstörung ¾ Soziale Phobien ¾ Spezifische isolierte Phobien ¾ Sonstige phobische Störungen ¾ Nicht näher bezeichnete phobische Störungen • andere Angststörungen ¾ Panikstörung ¾ Generalisierte Angststörung ¾ Angst und depressive Störung gemischt ¾ Sonstige gemischte Angststörungen ¾ Sonstige näher bezeichnete Angststörungen ¾ Nicht näher bezeichnete Angststörungen Exkurs: Zwangsstörungen ¾ Vorwiegend Zwangsgedanken und Grübelzwang ¾ Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) ¾ Zwangsgedanken und –handlungen gemischt ¾ Sonstige Zwangsstörungen ¾ Nicht näher bezeichnete Zwangsstörungen Exkurs: Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen ¾ Akute Belastungsreaktion ¾ Posttraumatische Belastungsreaktion ¾ Anpassungsstörung kurze depressive Reaktion längere depressive Reaktion Angst und depressive Störung gemischt mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten mit sonstigen vorwiegend genannten Symptomen ¾ sonstige Reaktionen auf schwere Belastung ¾ nicht näher bezeichnete Reaktionen auf schwere Belastungen Ad 2: Bei den depressiven Störungen lassen sich folgende Untergruppen differenzieren: ¾ depressive Episode leicht mittelschwer schwer ¾ rezidivierende depressive Störung leicht 109 mittelschwer schwer ¾ Dysthymia Ad 3: Bei den somatoformen Störungen lassen sich folgende Untergruppen differenzieren: ¾ Somatisierungsstörung Undifferenzierte Somatisierungsstörung ¾ Hypochondrische Störung ¾ Somatoforme autonome Funktionsstörung kardiovaskuläres System oberer Gastrointestinaltrakt unterer Gastrointestinaltrakt respiratorisches System Urogenitalsystem Sonstiges Organ oder Organsystem ¾ Anhaltende somatoforme Schmerzstörung ¾ Sonstige somatoforme Störungen ¾ Nicht näher bezeichnete somatoforme Störungen Ad 4: Bei dem Abhängigkeitssyndrom lassen sich folgende Untergruppen differenzieren: ¾ Störungen durch Alkohol ¾ Störungen durch Opioide ¾ Störungen durch Sedativa oder Hypnotika ¾ Störungen durch sonstige Stimulantien einschließlich Koffein ¾ Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum sonstiger Substanzen Agoraphobie. Es besteht eine deutliche Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen: Menschenmengen, öffentliche Plätze, alleine Reisen und/oder Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause. Zumindest einmal nach Auftreten der Störung müssen in den oben genannten Situationen mindestens zwei Angstsymptome wenigstens einmalig gemeinsam vorhanden gewesen sein. Dabei werden folgende Symptomklassen differenziert: Vegetative Symptome (z.B. Herzklopfen, erhöhte Herzfrequenz, Schweißausbrüche, Tremor, Mundtrockenheit), Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen (wie z.B. Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen oder –missempfindungen, Unruhegefühl im Magen), Psychische Symptome (wie Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, Derealisiation oder Depersonalisation, Angst vor Kontrollverlust, Angst zu sterben) und/oder allgemeine Symptome (wie Hitzewallungen oder Kälteschauer, Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle). Bei dem Betroffenen muss eine emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome vorliegen, gleichzeitig eine Einsicht, dass das Verhalten bzw. das Erleben der Symptomatik unvernünftig oder übertrieben ist. Die Symptome beziehen sich ausschließlich oder vor allem auf die gefürchtete Situation oder Gedanken an sie. Die Diagnose wird nicht vergeben, wenn die Furcht oder Vermeidung der oben genannten Situationen durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen organische psychische Störungen, Schizophrenie und verwandte Störungen, affekti- 110 ve Störungen oder eine Zwangsstörung bedingt ist bzw. erklärbar durch die Folge einer kulturell akzeptierten Anschauung ist. Bei dieser Angststörung lassen sich durch das Vorhandensein oder Fehlen einer Panikstörung mit der Agoraphobie ohne Panikstörung und der Agoraphobie mit Panikstörung zwei Untergruppen differenzieren. Soziale Phobie. Die soziale Phobie ist gekennzeichnet entweder durch eine deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten oder durch eine deutliche Vermeidung im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten. Die beschriebenen Ängste beziehen sich auf soziale Situationen, wie Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, Treffen von Bekannten in der Öffentlichkeit, Teilnahme an kleinen Gruppen, z.B. Partys, Konferenzen. Ebenso wie bei der Agoraphobie müssen mindestens zwei Angstsymptome in den angstbesetzten Situationen mindestens einmal seit Beginn der Störung aufgetreten sein, zusätzlich mindestens eins der folgenden Symptome: Erröten oder Zittern, Angst zu erbrechen, Miktions- oder Defäktionsdrang bzw. Angst davor. Die weiteren Kriterien zur Stellung der Diagnose einer sozialen Phobie wie emotionale Belastung, Einsicht in die Unvernünftigkeit der Symptome oder des Vermeidungsverhaltens sowie Ausschlusskriterien entsprechen den oben bereits beschriebenen Kriterien bei der Diagnosestellung einer Agoraphobie. Spezifische isolierte Phobien. Hier besteht entweder eine deutliche Furcht vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation oder eine deutliche Vermeidung solcher Objekte oder Situationen. Typische phobische Objekte und Situationen sind Tiere, Höhen, Donner, im Flugzeug fliegen, kleine geschlossene Räume, Anblick von Blut, Verletzungen, Injektionen oder Zahnarzt- und Krankenhausbesuche. Handelt es sich bei der angstbesetzten Situation um soziale Situationen, wie unter der Diagnose „soziale Phobie“ beschrieben, wird diese Diagnose gestellt. Ebenso sind die für eine Agoraphobie typischen Situationen hier ausgeschlossen. Bei Vorhandensein der für die Agoraphobie typischen Situationen (u.a. Menschenmengen, alleine Reisen) würde unter Einschluss der weiteren Kriterien die Diagnose einer Agoraphobie gestellt werden. Im weiteren müssen auch bei der sozialen Phobie die bereits oben genannten Kriterien erfüllt sein. Panikstörung. Um die Diagnose einer Panikstörung zu vergeben müssen folgende Kriterien erfüllt sein: Zum einen müssen wiederholt Panikattacken aufgetreten sein, die nicht auf eine bestimmte Situation oder ein spezifisches Objekt bezogen sind, sondern spontan auftreten und somit nicht vorhersagbar sind. Die Panikattacken sind nicht mit besonderer Anstrengung, gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen verbunden. Eine Panikattacke muss darüber hinaus durch alle der nachfolgenden Charakteristika gekennzeichnet sein: Es muss sich um eine einzelne Episode intensiver Angst oder Unbehagen handeln, die abrupt beginnt, innerhalb weniger Minuten ein Maximum erreicht und mindestens einige Minuten dauert. Daneben müssen mindestens vier Symptome aus den Symptomklassen „Vegetative Symptome“ (z.B. Herzklopfen, Schweißausbrüche, Tremor, Mundtrockenheit), „Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen“ (u.a. Atembeschwerden, abdominelle Missempfindungen), „Psychische Symptome“ (wie Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Angst zu sterben) und/oder „Allgemeine Symptome“ (z.B. Hitzegefühl) vorliegen. Mindestens ein Symptom muss dabei aus der Symptomgruppe der vegetativen Symptome 111 sein. Die Panikstörung darf nicht erklärbar sein durch eine körperliche oder andere psychische Störung (z.B. Schizophrenie, somatoforme Störung). Generalisierte Angststörung. Über eine Zeitspanne von mindestens sechs Monate muss Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme vorherrschen. Dabei muss, genauso wie bei der Panikstörung mindestens ein Symptom aus der Symptomgruppe der vegetativen Symptome vorhanden sein. D.h. es müssen entweder Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz und/oder Schweißausbrüche und/oder fein- oder grobschlägiger Tremor und/oder Mundtrockenheit vorhanden sein. Insgesamt müssen mindesten vier Symptome aus den für Angststörungen typischen Symptomklassen vorliegen (siehe Panikstörung und Agoraphobie). Bei der generalisierten Angststörung sind diese bereits beschriebenen durch zwei weitere Symptomgruppen erweitert. Zum einen können zusätzlich Symptome der Anspannung, wie Muskelverspannungen, akute oder chronische Schmerzen, Ruhelosigkeit oder Unfähigkeit zum Entspannen, Gefühle des Aufgedrehtseins, Nervosität und psychische Anspannung und/oder Kloßgefühl im Hals oder Schluckbeschwerden und/oder andere unspezifische Symptome, wie übertriebene Reaktionen auf kleine Überraschungen oder Erschrecktwerden, Konzentrationsschwierigkeiten, Leeregefühl im Kopf wegen Sorgen oder Angst, anhaltende Reizbarkeit und/oder Einschlafstörungen wegen der Besorgnis vorliegen. Die Störung erfüllt nicht die Kriterien für eine Panikstörung, eine phobische Störung, eine Zwangsstörung oder eine hypochondrische Störung. Ebenso darf sich die Störung nicht auf eine organische Erkrankung, eine organische psychische Störung oder eine durch psychotrope Substanzen bedingte Störung zurückführen lassen. Zwangsstörung. Um die Diagnose einer Zwangsstörung zu vergeben, müssen über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen vorliegen. Die Zwangsgedanken oder handlungen müssen dabei alle der im folgenden aufgeführten Merkmale zeigen: Die Handlungen oder Gedanken werden von den Betroffenen als ihre eigenen angesehen und nicht als von anderen Personen oder Einflüssen bestimmt. Die Gedanken oder Handlungen wiederholen sich ständig und werden als unangenehm angesehen. Mindestens ein Zwangsgedanke oder eine Zwangshandlung werden dabei von dem Betroffenen als unsinnig oder übertrieben anerkannt. Die Betroffenen versuchen Widerstand zu leisten und gegen mindestens einen Zwangsgedanken oder eine handlung wird dabei erfolglos Widerstand geleistet. Die Ausführung eines Zwangsgedanken oder einer -handlung ist, auch, wenn vorübergehend Erleichterung von Spannung und Angst erlebt wird, für sich genommen nicht angenehm. Die Betroffenen haben einen Leidensdruck im Zusammenhang mit ihren Zwangsgedanken oder -handlungen oder werden durch den meist beträchtlichen Zeitaufwand in ihrer sozialen oder individuellen Leistungsfähigkeit behindert. Die Diagnose einer Zwangsstörung wird nicht vergeben, wenn die Symptomatik durch eine andere psychische Störung, wie z.B. eine Schizophrenie bedingt ist. Bei der Vergabe einer Zwangsstörung kann, je nachdem, was im Vordergrund steht, zwischen verschiedenen Untergruppen unterschieden werden. Anpassungsstörung. Einer Anpassungsstörung muss eine identifizierbare psychosoziale Belastung von nicht außergewöhnlichem oder katastrophalem Ausmaß vorausgegangen sein. Die darauf folgende Symptomatik muss binnen eines Monats zum Ausbruch kommen. Es zeigen sich Symptome, wie sie bei affektiven Störungen, 112 bei neurotischen, somatoformen oder Belastungsstörungen und bei den Störungen des Sozialverhaltens vorkommen, wobei die Kriterien einzelner Störungen aber nicht erfüllt werden. Die Symptome können insgesamt in Art und Schwere variieren. Bei der Vergabe einer Anpassungsstörung wird vor dem Hintergrund des vorherrschenden Erscheinungsbildes in verschiedene Untergruppen unterteilt. Z.B. kann neben anderen eine kurze depressive Reaktion (vorübergehend leichter depressiver Zustand, der nicht länger als einen Monat dauert), eine längere depressive Reaktion (leichter depressiver Zustand als Reaktion auf eine länger anhaltende Belastungssituation, der zwei Jahre aber nicht überschreitet) und Angst und depressive Störung gemischt (sowohl Angst als auch depressive Symptome sind vorhanden, das Ausmaß der Symptomatik ist allerdings nicht so groß, dass die vollständigen Kriterien für eine Angst- oder depressive Störung oder aber Angst und depressive Störung gemischt erfüllt sind) unterschieden werden. Depressive Episode / rezidivierende depressive Störung. Dysthymia. Über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren besteht eine konstante oder konstant wiederkehrende Depression. Dazwischenliegende Phasen mit normaler Stimmung dauern selten länger als einige Wochen, hypomanische Phasen treten nicht auf. Keine oder nur sehr wenige der einzelnen depressiven Episoden während des Zwei-Jahres-Zeitraumes sind so schwer oder dauern so lange an, dass die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllt sind. Mindestens drei der folgenden Symptome sollten während einiger Perioden der Depression vorhanden sein: verminderter Antrieb oder Aktivität; Schlaflosigkeit; Verlust des Selbstvertrauens oder Gefühl der Unzulänglichkeit; Konzentrationsschwierigkeiten; Neigung zum Weinen; Verlust des Interesses oder der Freude an Sexualität und anderen angenehmen Aktivitäten; Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung; erkennbares Unvermögen mit Routineaufgaben des alltäglichen Lebens fertig zu werden; Pessimismus im Hinblick auf die Zukunft oder Grübeln über die Vergangenheit; sozialer Rückzug; verminderte Gesprächigkeit. Somatisierungsstörung. In der Vorgeschichte über eine Zeitdauer von mindestens zwei Jahren müssen anhaltende Klagen über multiple und wechselnde körperliche Beschwerden vorliegen, die durch keine diagnostizierbare körperliche Krankheit erklärt werden können. Liegt eine körperliche Erkrankung vor, so kann diese nicht die Schwere, das Ausmaß, die Vielfalt und die Dauer der körperlichen Beschwerden oder die damit verbundene soziale Behinderung erklären. Die ständige Sorge der Betroffenen um die Symptome führt zu andauerndem Leiden und dazu, dass die Patienten mehrfach (mindestens dreimal) um Konsultationen oder Zusatzuntersuchungen in der Primärversorgung oder bei Spezialisten nachsuchen. Sind medizinische Einrichtungen z.B. aus finanziellen oder geographischen Gründen nicht erreichbar, kommt es zu andauernder Selbstmedikation oder mehrfachen Konsultationen bei örtlichen Laienheilern. Bei den Betroffenen besteht eine hartnäckige Weigerung, die medizinische Feststellung zu akzeptieren, dass keine ausreichende körperliche Ursache für die Symptome vorliegt. Eine Akzeptanz der ärztlichen Feststellung erfolgt allenfalls für kurze Zeiträume bis zu einigen Wochen oder unmittelbar nach einer medizinischen Untersuchung. Es müssen insgesamt sechs oder mehr Symptome aus mindestens zwei verschiedenen der nachfolgend aufgezeigten Symptomgruppen vorliegen: Gastrointestinale Symptome (z.B. Bauchschmerzen, Übelkeit, Gefühl von Überblähung), Kardio-vaskuläre Symptome (z.B. Atemlosigkeit ohne Anstren113 gung, Brustschmerzen), Urogenitale Symptome (z.B. Dysurie oder Klagen über Miktionshäufigkeit, unangenehme Empfindungen im oder um den Genitalbereich) und/oder Haut- und Schmerzsymptome (z.B. Klagen über Fleckigkeit oder Farbveränderungen der Haut, unangenehme Taubheit oder Kribbelgefühl). Die Störung darf nicht ausschließlich während einer Schizophrenie oder einer verwandten Störung, einer affektiven oder einer Panikstörung auftreten. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Um eine somatoforme autonome Schmerzstörung zu vergeben, müssen alle der im folgenden genannten Kriterien erfüllt sein. Es muss über ein Zeitfenster von mindestens sechs Monaten ein kontinuierlicher, an den meisten Tagen anhaltender, schwerer und belastender Schmerz in einem Körperteil bestehen, der nicht adäquat durch den Nachweis eines physiologischen Prozesses oder einer körperlichen Störung erklärt werden aknn. Gleichzeitig muss die Schmerzsymptomatik anhaltend der Hauptfokus für die Aufmerksamkeit des Betroffenen sein. Die Schmerzstörung tritt dabei nicht während einer Schizophrenie oder einer verwandten Störung oder ausschließlich während einer affektiven, einer Somatisierungsstörung, einer undifferenzierten somatoformen Störung oder einer hypochondrischen Störung auf. Eine ausführliche Beschreibung aller diagnostischer Kriterien im Sinne von klinischdiagnostischen Leitlinien für die symptomatischen Störungen findet sich in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F) der WHO, übersetzt und herausgegeben von Dilling, Mombour & Schmidt (1993) sowie in den Forschungskriterien (Dilling, Mombour, Schmidt & Schulte-Markwort, 1994). Abhängigkeitssyndrom. Es handelt sich um eine Gruppe körperlicher, Verhaltensund kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum von Alkohol- bzw. suchtpotenten Medikamenten für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet wurden. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, Alkohol oder Medikamente (ärztlich verordnet oder nicht), zu konsumieren. Diagnostische Leitlinien. Die sichere Diagnose „Abhängigkeit" wird nur dann gestellt, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren: (1) Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol oder suchtpotente Medikamente zu konsumieren (2) Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums (3) Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, nachgewiesen durch die substanzspezifischen Entzugssymptome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden. (4) Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen von Alkohol oder Medikamenten hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich (5) Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Suchtmittelkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um Alkohol oder Medikamente zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen 114 (6) Anhaltender Suchtmittelkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, wie z.B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmungen infolge starken Suchtmittelkonsums oder dadurch bedingte Verschlechterung kognitiver Funktionen. Ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol bzw. Medikamenten wird ebenfalls als charakteristisches Merkmal beschrieben (z.B. die Tendenz, alkoholische Getränke werktags in gleicher Weise zu konsumieren wie an Wochenenden, ungeachtet dem gesellschaftlich vorgegebenen Trinkverhalten). Als wesentliches Charakteristikum des Abhängigkeitssyndroms gilt ein starker Wunsch nach Alkohol bzw. Medikamenten. Der innere Zwang, das Suchtmittel zu konsumieren, wird meist dann bewußt, wenn versucht wird, den Konsum zu beenden oder zu kontrollieren Diese diagnostische Forderung schließt aber beispielsweise chirurgische Patienten aus, die Opioide zur Schmerzlinderung erhalten haben und die ein Opioidentzugssyndrom entwickeln, wenn diese Mittel abgesetzt werden, die aber selbst kein Verlangen nach weiterer Opioideinnahme haben. Das Abhängigkeitssyndrom kann sich auf das einzelne Suchtmittel (bspw. Alkohol oder Diazepam) beziehen, auf eine Gruppe von Substanzen (wie z.B. Opioide) oder auch auf ein weiteres Spektrum unterschiedlicher Substanzen, wie z.B. bei jenen Personen, die eine Art Zwang erleben, regelmäßig jedes nur erreichbare Mittel zu sich zu nehmen und die qualvolle Gefühle, Unruhe oder körperliche Entzugserscheinungen bei Abstinenz entwickeln. Persönlichkeitsstörungen. Bei der Beschreibung der diagnostischen Kriterien für die in die Untersuchung einbezogenen Persönlichkeitsstörungen wird auf das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung, DSM-IV, APA, 1994 verwiesen. Im folgenden sollen nochmals die sechs für die empirische Untersuchung relevanten Persönlichkeitsstörungen charakterisiert werden. Bei der Vergabe einer Persönlichkeitsstörung versteht es sich definitionsgemäß, dass die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt sein müssen. Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung findet sich ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie eine deutliche Impulsivität. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung sind verzweifelt bemüht, tatsächliches oder erwartetes Verlassenwerden zu vermeiden. Selbst geringfügige Anlässe, z.B. wenn jemand eine Verabredung absagt oder sich verspätet, führen zu intensiven Ängsten oder aber auch unangemessener Wut. Ein Muster instabiler aber intensiver Beziehungen ist charakteristisch für Personen mit dieser Störung. Ein Muster von Idealisierung und Abwertung ist kennzeichnend für ihre Beziehungen. Es kommt zu plötzlichen und dramatischen Änderungen in der Sichtweise von anderen, besonders dann, wenn Menschen mit dieser Störung sich zurückgewiesen fühlen. Häufig liegt eine Identitätsstörung vor. Diese ist gekennzeichnet durch ein auffällig und durchgängig instabiles Selbstbild und schwankende Selbstwahrnehmung. Dies kann sich darin äußern, dass die betreffende Person plötzlich ihre Zielsetzungen, ihre beruflichen Pläne, religiösen Anschauungen, Wertvorstellungen oder Einschätzung der eigenen sexuellen Orientierung ändert. Betroffene Menschen zeigen impulsives Ver115 halten bei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten, z.B. Glücksspielen, bei Substanzmissbrauch, risikoreichem Geschlechtsverhalten oder rücksichtslosem Fahren. In der Lebensgeschichte kommt es häufig zu wiederholten Suizidhandlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder auch zu selbstverletzendem Verhalten, z.B. Aufritzen oder Schneiden der Haut mit einer Rasierklinge. Selbstschädigende Verhaltensweisen werden oft durch Erlebnisse drohender Trennung oder Zurückweisung ausgelöst. Selbstverletzende Handlungen treten häufig im Rahmen der drohenden Überflutung von Angstgefühlen auf. Der dadurch ausgelöste konkrete Schmerz gibt Sicherheit und ist leichter zu ertragen als das innere Empfinden und lenkt von diesem ab. Bei Menschen mit dieser Störung findet sich häufig eine affektive Instabilität, die auf eine sehr ausgeprägte Reaktivität der Stimmung zurückzuführen ist. Die Stimmung kann sehr abrupt von dysphorischer Grundstimmung auf Wut, Angst oder Verzweiflung umschlagen, wobei diese Zustände gewöhnlich nur einige Stunden und nur selten länger als einige Tage dauern. Die betroffenen Personen leiden häufig unter einem chronischen Gefühl der inneren Leere, was im engen Zusammenhang mit der Identitätsstörung steht. Personen mit dieser Störung haben oft heftige Wutausbrüche oder verspüren eine langanhaltende Wut. Die Wut ist häufig so extrem, dass die betreffende Person Schwierigkeit hat, sie zu kontrollieren. Wutausbrüche treten auch hier insbesondere bei wahrgenommenen Zurückweisungen oder Vernachlässigung durch den Partner oder eine andere wichtige Bezugsperson auf. Wird die Belastung als besonders extrem erlebt, kann es vorübergehend zu paranoiden Vorstellungen oder dissoziativen Symptomen kommen, die gewöhnlich von geringem Ausmaß oder kurzer Dauer sind. Von den insgesamt neun Kriterien, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen. Histrionische Persönlichkeitsstörung. Diese Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster übermäßiger Emotionalität oder Streben nach Aufmerksamkeit charakterisiert. Personen mit dieser Störung verlangen ständig danach, im Mittelpunkt zu stehen. Das Verhalten ist typischerweise darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Betroffene Personen verhalten sich im Sozialkontakt häufig unangemessen, aufreizend bzw. sexuell provokativ. Der Gefühlsausdruck ist oberflächlich und kann sehr rasch wechseln. Personen mit dieser Störung nutzen ihr äußeres Erscheinungsbild, wie z.B. Kleidung, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: Es wird übermäßig viel Zeit auf die äußere Erscheinung verwendet oder die betreffende Person fühlt sich extrem gestört, wenn sie sich nicht attraktiv fühlt. Der Sprachstil ist übertrieben impressionistisch, kennt im Grunde genommen keine Details, echte Fakten fehlen. Charmantes Auftreten, theatralisches In-Szene-Setzen, Weinen, Wutausbrüche bis hin zu Suizidandrohungen gehören dazu. Nur flüchtige Bekannte werden mit unangemessener Begeisterung umarmt oder es kommt zu „Weinkrämpfen“, wobei das Ausmaß der emotionalen Reaktion in keinem Verhältnis zum Anlass steht. Personen mit dieser Störung sind auch häufig unsicher in ihren Meinungen und Ansichten und übernehmen daher schnell die Meinung anderer. Beziehungen werden von ihnen enger wahrgenommen, als sie tatsächlich sind. Sie glauben, zu fast allen Menschen, die sie treffen, einen schnellen engen Kontakt zu haben. Das kann sich beispielsweise darin äußern, dass der behandelnde Zahnarzt nach zwei Terminen mit seinem Vornamen angesprochen wird etc. 116 Von den insgesamt acht Kriterien, die eine histrionische Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen. Narzisstische Persönlichkeitsstörung. Personen mit dieser Störung legen ein übertriebenes Selbstwertgefühl an den Tag. Eigene Leistungen und Fähigkeiten werden überbetont und überbewertet. Die betreffende Person erwartet, auch ohne entsprechende Leistung, als überlegen zu gelten. Dadurch wirken diese Personen häufig prahlerisch und großspurig. Ihr Denken ist häufig von Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit oder vollkommene Liebe beherrscht. Die betreffende Person begibt sich gern in diese Tagträume, andere Aktivitäten können dadurch verdrängt werden. Personen mit dieser Störung glauben von sich, überlegen, besonders oder einzigartig zu sein. Dementsprechend sind sie der Überzeugung, nur von Leuten verstanden zu werden oder nur mit Leuten Kontakt zu haben, die ebenfalls etwas besonders sind oder eine hohe Position innehaben. So bestehen sie beispielsweise bei einer Beschwerde darauf, nur mit dem höchsten Vorgesetzten zu sprechen. Auch verlangen Betroffene mit dieser Störung nach übermäßiger Bewunderung. Es ist ihnen sehr wichtig, dass sie von anderen beachtet oder in irgendeiner Weise bewundert werden. Dementsprechend sind die Verhaltensweisen häufig darauf ausgerichtet, Bestätigung und Bewunderung zu erhalten. Ein hohes Anspruchsdenken ist häufig bei diesen Personen zu finden. So erwarten sie beispielsweise, bevorzugt behandelt zu werden. Diese hohe Anspruchshaltung geht oft einher mit einem Mangel an Sensibilität gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen anderer Menschen. Zwischenmenschliche Beziehungen werden dahingehend ausgenutzt, die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Ziele zu realisieren. Es besteht die Erwartung, dass andere den eigenen Wünschen bedingungslos nachkommen. Menschen mit dieser Störung halten es oft für unwichtig, sich mit den Angelegenheiten oder den Gefühlen anderer aus einander zu setzen. Sie haben Schwierigkeiten, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen und deren Wünsche und Gefühle wahrzunehmen. Sie können es häufig nur schwer ertragen, wenn andere erfolgreich sind oder haben den Eindruck, dass andere oft neidisch auf sie sind. Auch zeigen betroffene Personen häufig arrogante und überhebliche Verhaltensweisen und Einstellungen. Von den insgesamt neun Kriterien, die eine narzisstische Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen. Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung. Die vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster von sozialer Gehemmtheit, Insuffizienzgefühlen und der Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung durch andere gekennzeichnet. Personen mit dieser Störung vermeiden berufliche Aufgaben oder Aufträge, bei denen sie mit vielen Menschen zu tun haben, aus Angst vor Kritik, Ablehnung oder Zurückweisung. Soziale Kontakte werden in der Regel nur eingegangen, wenn der Betroffene sich der Sympathie und des Angenommenseins durch den anderen sicher ist. Selbst in engeren Beziehungen fällt ihnen es schwer, für sich selbst zu sprechen und intimere Gefühle zu zeigen aus Angst, man könnte sich über sie lustig macht oder sie in Verlegenheit bringen. In sozialen Situationen sind die Betroffenen ständig gedanklich damit beschäftigt, kritisiert oder abgelehnt zu werden. Ihre Aufmerksamkeit ist ganz auf den anderen gerichtet. Sie sehen sich sozusagen durch die Augen des anderen. Selbst eher neutrale Verhaltensweisen können schon als Kritik und 117 Ablehnung bewertet werden, wodurch sich der Betroffene äußerst verletzt fühlt. Menschen mit dieser Störung halten sich für gesellschaftlich unbeholfen, persönlich unattraktiv oder dem anderen gegenüber unterlegen. Die geringe Selbstachtung führt dazu, dass sich die Betroffenen schweigsam zurückhalten, wenn sie neue Leute kennen lernen. Auch nehmen Menschen mit dieser Störung in der Regel ungern persönliche Risiken in Kauf oder wagen sich nicht an neue Aktivitäten heran, weil sie große Angst haben, sich dabei zu blamieren. Von den insgesamt sieben Kriterien, die eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens vier Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen. Dependente Persönlichkeitsstörung. Bei der dependenten Persönlichkeitsstörung steht ein tiefgreifendes und überstarkes Bedürfnis im Vordergrund, versorgt zu werden, das zu unterwürfigem und anklammerndem Verhalten und ausgeprägten Trennungsängsten führt. Betroffene benötigen häufig ausgiebige Ratschläge oder Bestätigung von anderen, bevor sie alltägliche Entscheidungen treffen können. Bei der Organisation wichtiger Lebensbereiche, wie z.B. Planung des Alltags oder Geldangelegenheiten, sind sie von anderen, meist einer einzelnen Person, abhängig. Aus Angst, die Unterstützung und den Rückhalt zu verlieren, ohne die sich die dependente Persönlichkeitsstörung schwach, hilflos und lebensunfähig fühlt, fällt es den betroffenen Menschen sehr schwer, anderen zu widersprechen oder eine andere Meinung zu vertreten. Es wird alles Erdenkliche getan, um die Versorgung oder Zuwendung anderer zu erhalten. So werden beispielsweise freiwillig unangenehme Aufgaben übernommen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung fällt es schwer, Aufgaben zu beginnen oder daran zu bleiben, wenn ihnen niemand dabei hilft. Dies geschieht nicht aus mangelnder Motivation oder Tatkraft, sondern auf dem Hintergrund tiefsitzender Selbstzweifel. Die Betroffenen sind sich beispielsweise sicher, dass andere Menschen Dinge besser können. Aus der Überzeugung heraus, ohne eine enge Beziehung nicht lebensfähig zu sein, gehen Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung schnell wieder eine andere Beziehung ein, wenn eine enge Beziehung endet. Auf dem Boden dieser Überzeugung, die Hilfe und Unterstützung des anderen zum Überleben zu benötigen, besteht bei den Betroffenen eine ständige Angst davor, alleine gelassen zu werden, obwohl dafür kein offensichtlicher oder greifbarer Grund vorliegt. Daraus resultiert häufig ein anklammerndes Verhalten. Von den insgesamt acht Kriterien, die eine dependente Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen. Zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist durch ein tiefgreifendes Muster von übergroßer Ordnung, Perfektion und Kontrollstreben auf Kosten von Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Effizienz geprägt. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung legen großen Wert auf die sorgfältige Beachtung von Regeln, Verfahrensfragen, Ordnung und Organisation. Nebensächlichen Details wird eine außergewöhnliche Beachtung geschenkt und sie werden auf mögliche Fehler überprüft. Der übertriebene Perfektionismus führt bei diesen Menschen zu beträchtlichen Beeinträchtigungen und Leid. In dem Bemühen, eine Aufgabe absolut perfekt zu erledigen, vertiefen sie sich so sehr in Details, dass die eigentliche Arbeit nie zum Abschluss kommt. Für Freunde oder Vergnügungen bleibt häufig keine Zeit mehr. Arbeit und Produktivität haben absolute Priorität, obwohl keine 118 finanzielle Notlage vorliegt oder zeitlich begrenzte berufliche Anforderungen bestehen. Freie, unverplante Zeit bedeutet eher Stress: Hobbys oder Beschäftigungen mit Erholungswert werden zu ernstzunehmenden Aufgaben umfunktioniert, wobei stets die perfekte Leistung betont wird. Nur was mit Anstrengung und Leistung verbunden ist, besitzt einen wirklichen Wert. Es bestehen sehr starre, unflexible Ansichten in bezug auf Moral und Wertvorstellungen. Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung haben eine genaue Vorstellung davon, was richtig und falsch ist, dementsprechend verhalten sie sich und erwarten von anderen Menschen, dass diese sich genauso verhalten. Gegenüber eigenen Fehlern sind sie erbarmungslos selbstkritisch. Aufgaben werden nur mit Widerwillen delegiert. Denn die Betroffenen haben eine klare, rigide Vorstellung davon, wie eine Arbeit zu erledigen ist, und erwarten, dass andere bis ins Detail ihren Arbeitsstil übernehmen. So geben sie beispielsweise detaillierte Instruktionen, wie die Küche zu putzen, der Rasen zu mähen ist etc. Keiner kann es ihnen recht machen. Auf Verbesserungsvorschläge anderer reagieren sie eher irritiert und überrascht, Hilfe wird abgelehnt. Häufig sind sie auch unfähig, kaputte oder wertlose Gegenstände wegzuwerfen, da sie denken, dass sie diese eines Tages vielleicht doch noch einmal brauchen könnten. Durch dieses Horten kann es zu Platzproblemen in der Wohnung oder im Haus kommen. Es fällt häufig schwer, Geld für sich selbst oder andere auszugeben, auch wenn genügend zur Verfügung steht. Sie sind geizig, da das Geld für künftige Katastrophen gehortet werden muss. Es ist ihnen häufig ganz gleichgültig, was andere Leute sagen, weil sie sich sicher sind, recht zu haben. Dabei sind sie so in ihre eigene Sichtweise verstrickt, dass es ihnen fast unmöglich ist, Vorschläge und Standpunkte anderer zu berücksichtigen. Von den insgesamt acht Kriterien, die eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung kennzeichnen, müssen mindestens vier Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnosestellung zu gerechtfertigen. Kombinierte Persönlichkeitsstörung. Sind die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt, die Kriterien der oben genannten oder der sonstigen existierenden Persönlichkeitsstörungen (negativistische, depressive, paranoide, schizotypische, schizoide oder antisoziale Persönlichkeitsstörung) allerdings nur unterschwellig (jeweils ein Kriterium weniger als gefordert), kann die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung vergeben werden. Dabei sind alle möglichen Kombinationen denkbar. 4.4.2 Diagnostik der symptomatischen Störungen in der Psychosomatik Die Diagnoselisten IDCL nach ICD-10 und DSM-IV stellen ein einheitlich konzipiertes und in standardisierter Form anwendbares Instrument zur Klassifizierung von Patienten dar. Die IDCL für ICD-10 bestehen aus einzelnen Listen, wobei sich jede einzelne Checkliste auf eine einzige Diagnose bezieht (z.B. ermöglicht die IDCL „Agoraphobie“ die Diagnose der gleichnamigen Störung). In jeder Liste sind alle Merkmale und Kriterien aufgeführt, die zur Beurteilung der Störung und zur Diagnosestellung erforderlich sind. Neben psychopathologischen Symptomen und Verhaltensmerkmalen werden Zeit- und Verlaufscharakteristika, Schweregradbestimmungen sowie Ausschlusskriterien angegeben. Der Wortlaut der einzelnen Kriterien entspricht in der Regel dem im Klassifikationssystem vorgegebenen Text. Den ICD-10Listen liegen die diagnostischen Forschungskriterien (WHO, 1993, Dilling et al., 1994) zugrunde. Für jedes zu beurteilende Merkmal oder Kriterium sind Kodierungs119 kästchen zum Ankreuzen des Befundes vorgesehen. Bei den meisten Merkmalen sind die Kodierungsmöglichkeiten „ja“, „Verdacht“ oder „nein“ vorgesehen. Einige Kriterien werden mit „erfüllt“, „Verdacht“ oder „nicht erfüllt“ beurteilt. In jeder Checkliste sind klare Regeln zur Diagnosestellung angegeben. Die Diagnose kann somit während oder unmittelbar nach der Untersuchung erstellt werden. Insgesamt sind die für jede Diagnose relevanten Kriterien so aufgelistet, dass der Diagnostiker aufgrund der erhobenen Informationen rasch und unkompliziert eine diagnostische Entscheidung treffen kann. Für jede Störung ist des weiteren angegeben, mit welchem Diagnosecode sie verschlüsselt werden kann. In den vorliegenden Listen kann ebenso dokumentiert werden, ob eine derzeitige (aktuelle) oder frühere Symptomatik erfasst wurde. Insofern eignen sich die IDCL auch zur Stellung von lifetimeDiagnosen. Insgesamt liegen für ICD-10 32 Listen vor. Die nachfolgende Tabelle zeigt die für ICD-10 vorliegenden IDCL. Tab. 12 Übersicht über die für das Klassifikationssystem ICD-10 verfügbaren Internationalen Diagnosen Checklisten (IDCL) Psychotische Störungen Schizophrenie Schizoaffektive Störung Akute vorübergehende psychotische Störungen Schizotype Störung Schizophrenia simplex Wahnhafte Störung Affektive Störungen Depressive Episode Manische Episode oder Hypomanie Anpassungsstörung Dysthymia Zyklothymia Angststörungen Panikstörung Spezifische (isolierte) Phobie Gereralisierte Angststörung Agoraphobie Soziale Phobie Zwangsstörung Störungen durch Einnahme psychotroper Substanzen Alkoholabhängigkeit und schädlicher Gebrauch Abhängigkeit und schädlicher Gebrauch von Drogen/Medikamenten Somatoforme Störungen, Essstörungen Somatoforme Störungen Hypochondrische Störungen Dissoziative und Konversionsstörungen Anorexia nervosa Bulimia nervosa Organisch bedingte psychische Störungen Delir Entzugssyndrom Akute Intoxikation Organisches amnestisches Syndrom Organische psychische Störungen Organische Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen Psychotische Störungen, bedingt durch psychotrope Substanzen Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung, bedingt durch psychotrope Substanzen 120 Der IDCL-Befund basiert grundsätzlich auf einer Fremdbeurteilung. Die einzuschätzenden Merkmale sind durch die diagnostischen Kriterien zwar vorgegeben, die Art ihrer Erhebung ist aber frei. Als Informationsquellen kommen Angaben des Patienten, Angaben dritter Personen (z.B. Angehörige, Freunde) und Verhaltensbeobachtungen in Betracht. Bei der Arbeit mit den IDCL können alle Informationsquellen genutzt werden, so dass Angaben unterschiedlicher Herkunft miteinander kombiniert werden können. Die Diagnoseerhebung erfolgte über die IDCL für ICD-10 durch eine verbale Exploration des Patienten, d.h. es wurde mit dem Patienten ein Gespräch über dessen Beschwerden und Symptome geführt. Die IDCL lagen dabei vor und dienten als Leitfaden und Unterstützung bei der Strukturierung des Gesprächs. Die zu beurteilenden Merkmale bzw. Kriterien wurden zu einem jeweils in den Gesprächsverlauf passenden Zeitpunkt angesprochen und beurteilt. Mit Hilfe der Checklisten konnte so systematisch und umfassend geprüft werden, welche Diagnose bzw. welche Diagnosen für den untersuchten Patienten in Frage kamen. Die diagnostische Beurteilung erfolgte noch während des Gesprächs. Ein wesentlicher Vorteil bei einem Einsatz der IDCL ist, dass alle diagnoserelevanten Merkmale explizit und gezielt erhoben werden können und das sicher gestellt werden kann, dass sämtliche Informationen vorliegen, die für eine diagnostische Entscheidung erforderlich sind. Dabei ermöglicht die Arbeit mit den IDCL ein hypothesengeleitetes Vorgehen. Während des Gesprächs kann der Diagnostiker fortlaufend diagnostische Hypothesen aufstellen und überprüfen. Konkret bedeutet dies, dass er für den untersuchten Patienten eine diagnostische Einordnung erwägen kann und diese durch eine gezielte Erhebung der relevanten Informationen sofort überprüfen kann. Dieser Vorgang kann so lange wiederholt werden, bis eine adäquate Klassifizierung gelungen ist. Sind bei einem Patienten die Kriterien für mehrere Diagnosen erfüllt, werden alle Diagnosen vergeben, auch wenn vom klinischen Bild her eine der Störungen im Vordergrund steht. Bei Untersuchungsgesprächen sollten neben der Exploration der im Vordergrund stehenden Symptomatik auch Fragen nach anderen Störungsbereichen gestellt werden (sogenannte Screeningoder Suchfragen). Ergeben sich bei solchen Orientierungsfragen Hinweise auf zusätzliche Störungen wird die Symptomatik mit Hilfe der entsprechenden IDCL genauer exploriert. Eine Übersicht über bisherige Arbeiten mit IDCL sowie Untersuchungsergebnisse zur Reliabilität der IDCL, auch im Vergleich zwischen IDCL für ICD-10 und DSM-IV finden sich bei Hiller et al., 1995. 4.4.3 Diagnostik der Abhängigkeitserkrankungen in der Suchtklinik Die Diagnose „Abhängigkeitserkrankung“ wird gestellt auf der Grundlage der Diagnosekriterien von DSM-IV und ICD-10 unter Einbeziehung der Vorbefunde der prästationär vom Patienten aufgesuchten Beratungsstelle, Berichte von stationären Aufenthalten (beispielsweise von Entgiftungen) und einer ausführlichen anamnestischen und Befunderhebung, die auf der Aufnahmestation am Beginn der Entwöhnungsbehandlung für jeden Patienten obligatorisch steht. In den Mittelpunkt rückt dabei die Erhebung körperlicher und psychischer Abhängigkeitsmerkmale wie körperliche Entzugszeichen, Gewöhnung, Toleranzentwicklung, Craving, Kontrollverlust 121 als Kernmerkmal der Abhängigkeit, körperliche wie psychosoziale Folgeerscheinungen als Sekundärmerkmale der Abhängigkeitsentwicklung. Medizinische Laborbefunde, wie z.B. Erhöhung der Gamma-GT, GOT, GPT, Bilirubin und MCV sowie CDT-Messung, die Hinweise auf einen chronisch hohen Alkoholkonsum geben, werden in die Diagnostik als Indikator zur Objektivierung eines pathologischen Alkoholkonsums mit ein bezogen. Objektivierbare Indikatoren für eine Medikamentenabhängigkeit lassen sich aus laborchemischen Daten nicht ableiten. Der Further Fragebogen als Selbstbeurteilungsinstrument ergänzt die anamnestische und Befunderhebung. 4.4.4 Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV Die Diagnosen der Persönlichkeitsstörungen wurden mit dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM-IV, Achse-II: Persönlichkeitsstörungen (SKID-II; Fydrich, Renneberg, Schmitz & Wittchen, 1997) erhoben. Das SKID-II ist ein häufig verwendetes diagnostisches Instrument zur standardisierten Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen. Es handelt sich bei dem Instrument um ein halbstrukturiertes Interview zur Diagnostik der zehn auf Achse-II sowie der zwei im Anhang des DSM-IV aufgeführten Persönlichkeitsstörungen ( selbstunsichere, dependente, zwanghafte, negativistische, depressive, paranoide, schizotypische, schizoide, histrionische, narzisstische, borderline und antisoziale Persönlichkeitsstörung). Der Vorteil des Verfahrens gegenüber anderen strukturierten Interviews ist, dass ein zweistufiges Vorgehen möglich ist: Das Interview wird in der Regel in Kombination mit einem Fragebogen verwendet, der von Probanden vor der Durchführung des Interviews beantwortet wird. Die insgesamt 117 Items des Fragebogens repräsentieren dabei die Kriterien des DSM-IV für die spezifischen Persönlichkeitsstörungen. Der Fragebogen dient als Screening für die Merkmale der zwölf erfassten Persönlichkeitsstörungen. Im anschließenden Interview werden die Fragen vertieft nachexploriert, die im Fragebogen von dem Probanden eindeutig mit „ja“ gekennzeichnet wurden. Liegen keine oder lediglich eine zu geringe Anzahl von „ja“-Antworten vor, um die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung zu erfüllen, ist eine anschließende Durchführung des Interviews nicht erforderlich. In der Literatur (u.a. Fydrich, Schmitz, Hennch & Bodem, 1996) sowie im Handbuch zum SKID-II werden vor dem Hintergrund dieses zweistufigen Vorgehens erheblich verkürzte Durchführungszeiten des Interviews angegeben. So liegt die Durchführungszeit des Interviews je nach untersuchtem Klientel und Anzahl der „ja“-Antworten zwischen wenigen Minuten und etwa einer Stunde. Erfahrungsgemäß beträgt die durchschnittliche Durchführungszeit ungefähr 30 Minuten. Im Projektrahmen dauerte das SKID-II-Interview auf Grundlage des von dem Probanden vorher ausgefüllten Fragebogens eher eine Zeitstunde und mehr. Die Fragebogen-Items sind sehr allgemein formuliert, so dass eine hohe Bejahungswahrscheinlichkeit besteht, d.h. dass Probanden eher dazu tendieren, die vorgegebenen Items mit ja zu beantworten und sich somit falsch positive Ergebnisse ergeben. Zur zuverlässigen Diagnostik der Persönlichkeitsstörung muss die klinische Bedeutsamkeit der einzelnen Items mit „ja“-Antworten über die entsprechenden Fragen des Interviews und die jeweiligen diagnostischen Kriterien unbedingt überprüft werden. Vor der Durchführung des SKID-II sollte immer eine gesicherte Abklärung der Symptomstörung nach Achse-I erfolgen, was über die Internationalen Diagnose Checkli122 sten für ICD-10 (IDCL; Hiller, Zaudig & Mombour, 1995) erfolgte. Dieser Aspekt ist insofern bedeutsam, als dass damit einer Vermischung diagnostischer Kriterien auf Achse-I- (bzw. Symptomebene) und Achse-II-Ebene (bzw. Persönlichkeitsstörungsebene) vorgebeugt werden kann. Nach wie vor bleibt die Trennung von Symptomatik und Persönlichkeitseigenschaften erschwert, wenn die Achse-I-Störung (bzw. Symptomdiagnose), besonders aber affektive Störungen bereits über einen längeren Zeitraum (z.B. mehr als die Hälfte der Zeit in den vergangenen fünf Jahren) bestehen oder bestanden haben. Eine Durchführung des SKID-II ist beim Vorliegen einer akuten psychotischen Störung nicht möglich. Patienten mit psychotischen Störungen wurden von einer Teilnahme an der Untersuchung ausgeschlossen. Bei der Vorgabe des Fragebogens wie auch zu Beginn des Interviews wird der Proband explizit darauf hingewiesen, dass er sich bei der Beantwortung der Fragen auf die letzten fünf bis zehn Jahre beziehen soll, nicht nur auf die letzten Tage oder Wochen, in denen möglicherweise akute psychische Probleme vorgelegen haben. Auch dieser Aspekt soll einer Vermischung der symptomatischen Störung und Persönlichkeitsstörung vorbeugen und so eine mögliche falsch positive Diagnose auf Persönlichkeitsebene verhindern. Nach einer Auswertung des SKID-II-Fragebogens (Auszählen der gegebenen „ja“Antworten für die zwölf Persönlichkeitsstörungen) wurde in der zweiten Stufe das SKID-II-Interviewheft verwendet. Am Beginn des Interview stand ein kurzer Explorationsleitfaden, in dem sich der Interviewer über insgesamt acht offene Fragen einen ersten Eindruck im Zusammenhang mit relevanten Persönlichkeitseigenschaften über den Probanden machen kann. Gleichzeitig diente dieser Explorationsleitfaden als Warming-up und gab dem Probanden bei einer gewissen Strukturierung die Möglichkeit frei zu erzählen. Kurzer Explorationsleitfaden: Ich möchte Ihnen jetzt einige Fragen zu Ihrer Persönlichkeit stellen, d.h. wie Sie sich normalerweise verhalten und wie Sie empfinden. [Falls im SKID Achse-I-Interview eine DSM-IV Störung diagnostiziert wurde, fragen Sie:] Es ist mir bekannt, dass es Zeiten gab, in denen Sie Probleme hatten, wie... (bitte typische Symptome aus dem Achse-I-Interview entsprechend modifiziert als Beispiel geben). Sie sollten versuchen, sich bei der Beantwortung meiner folgenden Fragen auf Zeiten zu beziehen, in denen Sie nicht unter derartigen Problemen gelitten haben. Ich möchte wissen, wie Sie sich normalerweise verhalten, also wenn Sie keine Probleme haben, wie z.B. ... . Haben Sie dazu noch Fragen? 123 Fragen 1. Notizen Wie würden Sie sich selbst beschreiben? (Bitte vor Auftreten bzw. unabhängig von Achse-I Störung) [Wenn keine spontane Antwort gegeben wird, fragen Sie weiter:] 2. Wie würden denn wohl andere Leute Sie beschreiben? (Bitte vor Auftreten bzw. unabhängig von Achse-I Störung) 3. Wer sind die wichtigsten Menschen in Ihrem Leben? [Wenn nur Angehörige erwähnt werden:] Wie ist es mit Ihren Freunden, Arbeitskollegen, etc.? 4. aus? Wie kommen Sie im allgemeinen mit Ihnen 5. Haben Sie den Eindruck, dass die Art und Weise, wie Sie üblicherweise auf Dinge und Ereignisse reagieren, zu Problemen im Umgang mit anderen Leuten führt (wie ist es zu Hause? in der Schule? bei der Arbeit?) (in welcher Weise?) 6. [Falls unklar:] Haben Sie schon einmal etwas getan, womit Sie andere Leute möglicherweise verärgert haben? 7. Wie verbringen Sie im allgemeinen Ihre Freizeit? 8. Wenn Sie Ihre Persönlichkeit in einigen Punkten ändern könnten, in welcher Beziehung wären Sie gern anders? Falls der Fragebogen ausgefüllt wurde: 9a. Jetzt möchte ich gerne zu einigen Fragen kommen, die Sie im Fragebogen mit „ja“ beantwortet haben. Falls der Fragebogen nicht ausgefüllt wurde: 9b. Jetzt möchte ich Ihnen gerne noch einige genauere Fragen stellen. Im Interview selbst wurden den Probanden genau formulierte Fragen zum jeweiligen Bereich gestellt. Der Interviewleitfaden gab neben der eigentlichen Frage selbst auch das diagnostische Kriterium zur Beurteilung vor (siehe exemplarisch für die dependente Persönlichkeitsstörung in Tab. 13). Welche konkreten Items des Fragebogens im Interview überprüft werden, unterlag der klinischen Einschätzung des Interviewers und war abhängig von der Vorinformation (u.a. über den Explorationsleitfaden zu Beginn des Interviews), die über den Probanden vorliegt. Im Rahmen des Interviews sollten auf alle Fälle die mit „ja“ beantworteten Fragen verifiziert werden. Falls nach der Antwort auf die Frage noch keine Entscheidung über das Kriterium getroffen werden konnte, musste der Interviewer zusätzliche Fragen stellen. Auf dieser Basis wird dann für das einzelne Kriterium eine Einschätzung gegeben. D.h. es wurde nicht die Antwort auf die Frage kodiert, sondern das vorgegebene Kriterium. 124 Die Beurteilung erfolgte auf einer dreistufigen Skala mit den Kategorien „Kriterium nicht erfüllt“ (= 1), „“Kriterium unterschwellig erfüllt“ (=2) und „Kriterium voll erfüllt“ (= 3). Zudem wird die Kategorie „Information nicht ausreichend“ (= ?) vorgegeben. Neben den spezifischen Kriterien für die entsprechende Persönlichkeitsstörung musste der Interviewer auch die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung beachten, nach denen die jeweiligen Merkmale überdauernde, für den Patienten charakteristische Formen des Erlebens und Verhaltens sind und nicht nur dann auftreten, wenn eine andere primäre psychische Störung auf der Symptom- oder Syndromebene vorliegt. Tab. 13 SKID-II für die dependente Persönlichkeitsstörung Dependente Persönlichkeitsstörung Kriterien (Leiten Sie die Fragen, die im Fragebogen be- Ein durchgängiges und übermäßiges jaht sind, gegebenenfalls wie folgt ein: Bedürfnis, umsorgt zu werden, das zu unterwürfigem und anklammerndem Sie sagten im Fragebogen, dass Sie ...“ und Verhalten sowie zu Trennungsängsten formulieren Sie die Interviewerfrage um) führt. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter; die Störung manifestiert sich in den verschiedensten Lebensbereichen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein: Benötigen Sie häufig Ratschläge oder Bestäti- (1) hat Schwierigkeiten, alltäg-liche ? 1 2 3 gung von anderen, bevor Sie alltägliche Ent- Entscheidungen allein zu treffen; beschei-dungen treffen können, zum Bei-spiel nötigt übermäßig viele Ratschläge und wenn es darum geht, was Sie anziehen oder in Bestätigung durch andere einem Restau-rant bestellen sollen? Können Sie mir einige Beispiele für solche Ent- ( 3 = mehrere Beispiele) scheidungen nennen, für die Sie Rat und Bestätigung bei anderen suchen? (Kommt das fast jeden Tag vor?) Sind Sie bei der Organisation wichtiger Lebensbereiche, wie zum Beispiel Geldangelegenhei-ten, Kindererziehung oder Planung des Alltags von anderen Personen abhängig? Können Sie mir einige Beispiele nennen, in denen Sie von anderen mehr als nur beraten werden. (2) braucht andere, die die Verant- ? 1 2 3 wortung für fast alle wichtigen Bereiche seines/ihres Lebens übernehmen (3 = mehrere Beispiele) [Anmerkung: bloße Ratsuche oder Verhalten, das durch Normen kultureller Untergruppen bestimmt ist, hier nicht berücksichtigen] (3) hat Schwierigkeiten, anderen zu ? 1 2 3 widersprechen aus Angst Unterstützung, Rückhalt oder Anerkennung zu verlieren (Ist das in den meisten Bereichen Ihres Lebens so?) Fällt es Ihnen schwer anderen zu widersprechen, selbst wenn Sie denken, dass diese unrecht haben? Bei welchen Gelegenheiten war oder ist das für Sie so? Was befürchten Sie, könnte passieren, wenn (3 = Zustimmung oder mehrere BeiSie wider-sprechen würden? spiele) [Anmerkung: realistische Angst vor Bestrafung hier nicht berücksichtigen] 125 Fortsetzung Tab.13 Dependente Persönlichkeitsstörung Fällt es Ihnen schwer, Aufgaben zu beginnen oder daran zu arbeiten, wenn Ihnen niemand dabei hilft? Nennen Sie mir einige Beispiele! Warum ist das so? (Haben Sie Zweifel, ob Sie es allein gut genug machen können?) Übernehmen Sie oft freiwillig unangenehme Aufgaben? Warum tun Sie das? Kriterien (4) hat Schwierigkeiten damit, Unter- ? 1 2 3 nehmungen allein zu beginnen, eher auf Grund von mangelndem Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit oder in die eigenen Fähigkeiten, als aus mangelnder Motivation oder Tatkraft (3 = Zustimmung) (5) tut alles Erdenkliche, um die Ver- ? 1 2 3 sorgung und Zuwendung anderer zu erhalten bis hin zur freiwilligen Übernahme unangenehmer Tätigkeiten (3 = Zustimmung und mindestens ein Beispiel) [Anmerkung: Nur Verhalten berücksichtigen, das darauf abzielt, Zuneigung zu gewinnen, z.B. nicht berufliches Weiterkommen] Fühlen Sie sich im allgemeinen hilflos, wenn (6) fühlt sich unwohl oder hilflos, wenn ? 1 2 3 Sie allein sind? er/sie allein ist, aus übersteigerter Woran liegt das? Angst, nicht für sich selbst sorgen zu können (Ist es so, weil Sie jemanden brauchen, der sich um Sie kümmert?) (3 = Zustimmung) Wenn eine enge Beziehung endet, brauchen (7) sucht dringend eine andere Bezie- ? 1 2 3 Sie anderen schnell einen anderen Menschen, hung als Quelle der Fürsorge und auf den Sie sich verlassen können? Unterstützung, wenn eine enge BezieErklärten Sie mir das genauer! hung endet (Verhalten Sie sich fast immer so, wenn enge Beziehungen enden?) Denken Sie oft darüber nach, allein gelassen zu werden und niemanden zu haben, der sich um Sie kümmert? Beunruhigt Sie das oft? (3 = passiert immer, wenn eine enge Beziehung endet) (8) unrealistische Angst, verlas-sen zu ? 1 2 3 werden und für sich selbst sorgen zu müssen (3 = ständige unbegründete Beunruhigung) Für jede Persönlichkeitsstörung werden Cutoffs angegeben, d.h. dass die Anzahl der mindestens zu erfüllenden Kriterien, um eine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren, angegeben wird. Dabei wird, in Anlehnung an den DSM-IV auf eine Wertung der einzelnen Kriterien verzichtet, die Zusammensetzung einzelner Persönlichkeitsstörungen aus den verschiedenen Kriterien kann somit unterschiedlich sein. 126 Tab. 14 Zuordnung der Fragebogen und Interview-Items zu Persönlichkeitsstörungen und Angabe der Cutoffs Persönlichkeitsstörung Selbstunsichere Dependente Zwanghafte Negativistische Depressive Paranoide Schizotypische Schizoide Histrionische Narzisstische Borderline Antisoziale Itemzahl 7 8 9 8 8 9 8 8 7 16 14 15 Itemnummer 1-7 8-15 16-24 25-32 33-40 41-48 49-59 60-65 66-72 73-88 89-102 103-117 Cutoff 4/7 5/8 4/8 4/7 5/7 4/7 5/9 4/7 5/8 5/9 5/9 3/15 Neben den zwölf im SKID-II-Interview angegebenen Persönlichkeitsstörungen wurde zudem, wenn die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt waren und in mindestens zwei spezifischen Persönlichkeitsstörungen die Kriterien unterschwellig erfüllt waren (d.h. ein Kriterium weniger als nötig zur vollen Erfüllung der Persönlichkeitsstörung) die Diagnose der gemischten bzw. kombinierten Persönlichkeitsstörung vergeben. 4.4.5 Stichprobenrekrutierung Die folgende Darstellung beschreibt exemplarisch die Stichprobenrekrutierung und die Fragebogenerhebung in der Fachklinik Bad Dürkheim nach Aufgabe, Verantwortlichkeit und Erledigungszeitraum. Ziele sind die Identifikation von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und deren randomisierte Zuweisung zu Experimental- und Kontrollgruppe. Die Rekrutierung wird in 2 Phasen realisiert: Phase 1: vor der stationären Aufnahme Phase 2: in der ersten bzw. zweiten Woche nach Aufnahme in die Fachklinik. Phase 1: Vor stationärer Aufnahme Nr. 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2 2.1 Vorauswahl nach Aktenlage Beurteilung von ca. 25 Akten pro Woche nach vorliegenden Informationen z.B. des einweisenden Arztes hinsichtlich einer PS Einschlußkriterien Achse II.-Diagnose OK-Geber (Eintrag auf OK-Blatt bei PS), zur Aufnahme zum Eva-Team Eintrag Datenbank PsP: PS nach Akte Klassifikation der Diagnose: „sicher“ wenn Psychologe/Psychiater o.ä. /mit ICD oder DSM Nummer versehen „unsicher“ wenn Hausarzt o.ä. / unklare Spezifikation der Diagnose Kennzeichnung der Patienten- Akte zurück zur Aufnahme wenn Patient Achse II. Diagnose Eintrag auf OK-Formblatt 127 Wer OK-Geber Wann Mo-Fr OK-Geber Aufnah. PsP-E-T Mo-Fr Mo-Fr PsP-E-T VG-Führer nach VG VG-Führer nach VG 2.2 2.3 2.4 2.5 Info von VG-Führer an Aufnahme PPP –Eva-Team PsP –Eva-Team Info von Aufnahme/ PPP-Eva-Team an PsP-Eva-Team Eintrag Datenbank PsP Klassifikation der Diagnose: „sicher“ Kennzeichnung der Akten zurück zur Aufnahme VG-Führer nach VG PPP-E-T Aufnahm PsP-E-T ständig PsP-E-T Erläuterungen: Ps = Persönlichkeitsstörung PsP-E-T, PsP-Eva-Team = Persönlichkeitsstörungsevaluationsteam PPP-Eva-Team = Prä-Post-Evaluationsteam OK-Geber = Freigabe für Persönlichkeitsprojekt nach Sichtung der Vorbefunde in Akte VG-Führer = Arzt oder Psychologe der Vorgespräch führte Phase 2: Aufnahmewoche Nr. 3 3.1 3.2 3.3 Nr. 4 4.1 4.2 4.3 Nr. 5 5.1 5.2 5.3 5.4 Task (AP) – Aufnahmewoche Wer Check PS nach Akte (Aufnahmelisten) Info von der Aufnahme „Aufnahmeliste“ Aufnah. (Patienten müssen auf Liste gekennzeichnet sein: alle der nach Akte ausgewählten Patienten) Check der Aufnahmelisten PsP-E-T wenn Diagnose nach Akte „sicher“: PsP-E-T Einholen zusätzlicher Infos: Therapeuteneinschätzung Zuweisung zu SKID Interview wenn Diagnose nach Akte „unsicher“ PsP-E-T Einholen zusätzlicher Infos: SKID Fragebogen Therapeuteneinschätzung Task (AP) - 1. / 2. Woche Therapeuteninfo (PS nach Erstkontakten) Info von Therapeuten: Verdacht auf PS Formblatt in jede Therapeutenakte Zuweisung zu SKID Interview wenn Verdacht auf PS „sicher“ wenn Diagnose nach Erstkontakt „unsicher“ zusätzliche Infos heranziehen SKID Fragebogen Task (AP) – Aufnahmewoche SKID II Fragebogen Screening 1 Fragebogen SKID II Überprüfung der 6 Persönlichkeitsstörungen in Kombination mit SCL 90-R Aufnahmefragebogen Check der ca. 30 Neuaufnahmen pro Woche nach Aufnahmeliste Kopieren Bereitstellen des Screening-Inventars für die Teams Kopien in Fächer (Co-Treff) Verbindung mit PPP-Fragebogen Check Aufnahmeliste Info von der Aufnahme „Aufnahmeliste“ 128 Wann Fr Fr Fr Fr Wer Wann Therap Aufnah. PsP-E-T 1. /2. Wo PsP-E-T Fr Wer Wann PsP-E-T Do-Mi PsP-E-T PsP-E-T PsP-E-T Mi/Do Fr Aufnah. Fr Fr 5.5 5.6 5.7 Nr. 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Nr. 7 7.1 7.2 (Patienten müssen durch Aufnahme gekennzeichnet sein: alle der nach Akte ausgewählten Patienten) Information aller neu aufgenommenen Patienten über Forschungsprojekte im Einführungstraining Do 14-16 oder Fr 9-10 (Listen) Ausgabe der Einwilligungserklärungen zur Teilnahme an Forschungsprojekten, Abgabe bei Einwilligung Auswertung SKID II direkt nach Abgabe Eingabe in SPSS / Auswertungsschablonen Auswertung Bei Verdacht Persönlichkeitsstörung (von den untersuchten ca. 30 Patienten die 6 mit den höchsten Scores: die meisten Ja-Antworten) Gegencheck Therapeuteneinschätzung bei Bestätigung des Therapeuten Zuweisung zum SKID-Interview Task (AP) – Interview SKID II und IDCL Validierung der Diagnose nach Akte hinsichtlich Einschlußkriterium 1 und 2 ab Freitag Nachmittag 15.30 Uhr 4 Patienten (2 ExG 2 KoG) + Patienten Sicherheit Terminierung SKID-Interview (Fr. Nachm.) Auswahl Patienten mit der höchsten Wahrscheinlichkeit einer Persönlichkeitsstörung nach den Ergebnissen der Tasks 3, 4, 5 Benachrichtigung 6 ausgewählte Patienten, Einladung zur Terminierung (Formblätter) Eintrag Datenbank Terminlisten erstellen Benachrichtigung Kliniker: Liste Benachrichtigung DAK-Projekt: Interview-Teilnehmer Durchführung des strukturierten Interviews SKID II Überprüfung PS Auswertung wenn PS, dann Durchführung des strukturierten Interviews IDCL-Achse I Auswertung wenn PS, dann Ausgabe Dia1-Inventar Task (AP) – Zuweisung ExG-KoG Benachrichtigung EVA-Team Eingabe Datenbank Randomisierte Zuweisung zu Experimentalgruppe (ExG) Kontrollgruppe (KoG) Parallelisierung nach Datenbank-Infos Leiko Do/Fr PsP-E-T Do/Fr PsP-E-T Fr Mittag Wer Wann Fr Mo Mi PsP-E-T Fr Nachm. PsP-E-T Fr PsP-E-T PsP-E-T Kliniker Fr Fr Kliniker Kliniker Kliniker Kliniker Wer Kliniker PsP-E-T PsP-E-T Wann Mi Mi Mi Durchführung der Fragebogenuntersuchungen Nr. 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Nr. 2 2.1 Task (AP) Erhebung aV Meßzeitpunkt1 (t1) Wer t1- Aufnahme in die stationäre Therapie Ausgabe Fragebögen durch Kliniker nach positivem Interviewre- Kliniker sultat Einführung in die Evaluation Kliniker Fragebogenausgabe Kliniker Untersuchung / Ausfüllen der Fragebögen Patient Eintrag Datenbank PsP-E-T Task (AP) Erhebung aV Meßzeitpunkt2 (t2) Wer t2- Entlassung aus der stationären Therapie Entlassungstermin Verwalt 129 Wann Fr/Mo/Mi Wann Fr 2.2 2.3 2.4 2.5 Nr. 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 Info von Verwaltung bzw. Therapieteam Abgleich Entlassungstermin Eintrag Datenbank Fragebogenausgabe Untersuchung / Ausfüllen der Fragebögen Eintrag Datenabnk Task (AP) Erhebung aV Meßzeitpunkt2 (t3) t3- Katamnese 12 Monate nach Entlassung Benachrichtigung durch Datenbank automatisierte Listen postalisch Fragebögen wenn zurück Eintrag Datenbank wenn nicht: 2tes Anschreiben wenn nicht: telefonische Nachfrage wenn nicht: Eintrag Datenbank Abbrecher PsP-E-T PsP-E-T Patient PsP-E-T Wer Fr Sa/So Mi Wann PsP-E-T Mi PsP-E-T PsP-E-T PsP-E-T PsP-E-T PsP-E-T Mi Mi Mi Mi Mi Wer PsP-E-T PsP-E-T PsP-E-T PsP-E-T Leitung Wann ständig Auswertungen Nr. 1. 2. 3. 4. 5. Task (AP) Dateneingabe Auswertungen Formatierungen Interpretationen Berichtswesen 130 4.5 Beschreibung der Stichproben 4.5.1 Teilnehmerzahlen Tab. 15 Stichprobenrekrutierung Projektphase Psychosomatik Anzahl 2179 610 311 Screenings SKID Interviews Projektaufnahme (Identifikation PS) Sucht Anzahl 1086 510 299 Insgesamt wurden 3265 Patienten ins screening einbezogen, 2179 Patienten in der Psychosomatik und 1086 Patienten in der Sucht. Bei 1120 Patienten wurde nachfolgend ein SKID-Interview durchgeführt, bei 665 Patienten eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und diese in das Projekt aufgenommen. Die Ausgangsstichprobe betrug somit in der Psychosomatik 311 Patienten und in der Suchtklinik 299 Patienten. Tab. 16 Stichprobenverteilung bzw. Phasenverteilung Projektphase Stichprobenverteilung Projektaufnahme Grundstichprobe* Drop-Out in Behandlung Drop-Out Katamnese Pschosomatik ExG KoG 152 159 125 133 27 26 25 35 Sucht ExG 132 115 17 34 Gesamt 311 258 53 60 KoG 167 113 54 41 Gesamt 299 228 71 75 * nach den Kriterien: Vorliegen Fragebogen Messzeitpunkt Aufnahme und Entlassung, regulärer Entlassungsmodus, bei ExG Teilnahme an mindestens 5 Gruppensitzungen Von den ausgewählten Patienten durchliefen in der Psychosomatik 258 Patienten und in der Sucht 228 Patienten das Projekt. Eine Übersicht über die drop-out Gründe im Behandlungsverlauf gibt die nachfolgende Tabelle: Tab. 17 Drop-Out Gründe während der Behandlungsmaßnahme (nur 1 Angabe/Hauptgrund pro Patient, Zuordnung: an erster Stelle steht Therapieabbruch, an zweiter Anzahl Gruppensitzungen < 6, an dritter Projekteva-Abbruch) Abbruchgründe – Psychosomatik Therapieabbruch Projektabbruch (< 3 Gruppensitzungen) Projektevaabbruch (Weigerung FB auszufüllen) Sonstiges Gesamt ExG N 2 8 15 2 27 131 % 7,4 29,6 55,6 7,4 100 KoG N 3 22 1 26 % 11,6 84,6 3,8 100 Gesamt N 5 8 37 3 53 % 9,3 15,1 69,8 5,7 100 Tab. 18 Drop-Out Gründe während der Behandlungsmaßnahme (nur 1 Angabe/Hauptgrund pro Patient, Zuordnung: an erster Stelle steht Therapieabbruch, an zweiter Anzahl Gruppensitzungen < 6, an dritter Projekteva-Abbruch) Abbruchgründe – Sucht Therapieabbruch Projektabbruch (< 3 Gruppensitzungen) Projektevaabbruch (Weigerung FB auszufüllen) Gesamt ExG N 10 1 6 17 KoG % 58,8 5,9 35,3 100 N 25 29 54 Gesamt % 46,3 53,7 100 N 35 1 35 71 % 49,3 1,4 49,3 100 In der Suchtklinik zeigt sich ein Unterschied zwischen Abbruchgründen in der Experimentalgruppe und der Kontrollgruppe. An erster Stelle der drop-out Gründe steht in der Experimentalgruppe der Therapieabbruch, in der Kontrollgruppe die Weigerung den Fragebogen auszufüllen. In der Kontrollgruppe finden sich insgesamt mehr drop-outs als in der Experimentalgruppe. 4.5.2 Stichrobenmerkmale Grundlage der nachfolgenden Vergleiche bilden die am Ende der Therapie für jeden Patienten erhobenen Basisdokumentationsdaten. Die Vergleiche werden getrennt für jede Klinik durchgeführt. Es werden folgende Fragen untersucht: 1. Unterscheidet sich die Experimentalgruppe in zentralen Parametern von der Kontrollgruppe? 2. Unterscheiden sich aus der Studie ausgeschiedene Patienten in zentralen Parametern von den Teilnehmern an der Studie? 3. Unterscheiden sich Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in zentralen Parametern von Patienten ohne Persönlichkeitsstörung? Zur statistischen Prüfung werden chi2-Test, Fisher- exakt (bei kleinen Zellenbesetzungen N ≤ 5), Mann-Whitney-U-Test oder t-Test für unabhängige Stichproben eingesetzt. (Abkürzungen: X: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Anzahl, %: Prozentualer Anteil, Signifikanz der Werte (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%). Die Testung der Hypothesen erfolgt auf einem Signifikanzniveau von α = 1% (Alphafehleradjustierung). Weiterhin ist bei der Bewertung der signifikanten Unterschiede zu berücksichtigen, daß bei großen Stichproben bereits kleine Unterschiede statistische Signifikanz aufweisen, ohne praktische Relevanz zu erreichen (theoretische vs. praktische Signifikanz). 4.5.2.1 Vergleich der Projektteilnehmer mit der Kontrollgruppe Zusammenfassung: Beim Vergleich der Experimentalgruppe mit der Kontrollgruppe ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen, die Gruppen können somit als vergleichbar angesehen werden. 132 A Soziodemographische Daten Tab. 19 Geschlecht männlich weiblich Geschlecht Psychosomatik ExG N % 49 39,2 76 60,8 KoG N 51 82 % 38,3 61,7 Sucht chi 2 / ExG sign N 55 0,2 58 % 48,7 51,3 KoG N 55 57 % 49,1 50,9 chi 2 / sign 0,0 Die Variable Geschlecht zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 20 Alter Jahre Alter in Jahren Psychosomatik ExG KoG X s X 36,4 10,0 37,2 s 10,2 t-Wert sign -,5 Sucht ExG X 40,6 s 8,3 KoG X 41,9 s 8,3 t-Wert sign -1,1 Die Variable Alter zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 21 Schulbildung Hauptschule Real-/ Fachschule Abitur sonstige Schulbildung Psychosomatik ExG N % 50 40,3 45 36,3 KoG N 55 51 % 41,7 38,6 25 4 22 4 16,7 3,0 20,2 3,2 Sucht chi 2 / ExG sign N 47 0,6 41 22 3 % 41,6 36,3 KoG N 53 29 % 47,7 26,1 19,5 2,7 24 5 21,6 4,5 chi 2 / sign 2,9 Die Variable Schulbildung zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 22 Familienstand ledig verheiratet geschieden verwitwet Familienstand Psychosomatik ExG N % 60 48,8 44 35,8 18 14,6 1 0,8 KoG N 54 51 20 2 % 42,5 40,2 15,7 1,6 Sucht chi 2 / ExG sign N 46 1,2 40 26 1 % 40,7 35,4 23,0 0,9 KoG N 39 42 30 % 35,1 37,8 27,0 chi 2 / sign 2,7 Die Variable Familienstand zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. 133 Tab. 23 Partnersituation Partnersituation kein fester Partner fester Partner Psychosomatik ExG KoG N % N 49 39,5 64 % 48,9 75 51,1 60,5 67 Sucht chi 2 / ExG sign N 57 2,2 56 % 50,4 KoG N 53 % 47,7 49,6 58 52,3 chi 2 / sign 0,1 Die Variable Partnersituation zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. B Daten zur beruflichen Situation Tab. 24 Beruflicher Status Arbeiter / Facharbeiter Angestellter / Beamter in Ausbildung sonstige Letzter beruflicher Status Psychosomatik ExG KoG N % N 48 38,7 52 % 39,7 62 50,0 61 46,6 13 1 10,5 0,8 9 9 6,9 6,9 Sucht chi 2 / ExG sign N 32 7,2 % 28,3 KoG N 26 % 23,6 67 59,3 71 64,5 4 10 3,5 8,8 2 11 1,8 10,0 chi 2 / sign 1,4 Die Variable letzter beruflicher Status zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 25 Berufsausübung Vollzeit (auch ABM) Teilzeit (auch ABM) arbeitslos sonstige Berufsausübung bei Behandlungsbeginn Psychosomatik ExG KoG N % N 65 52,4 73 % 55,3 14 11,3 10 7,6 33 12 26,6 9,7 34 15 25,8 11,4 Sucht chi 2 / ExG sign N 51 1,2 % 45,1 KoG N 52 % 46,8 7 6,2 5 4,5 44 11 38,9 11,6 42 12 37,8 10,8 chi 2 / sign 0,4 Die Variable Berufsausübung bei Behandlungsbeginn zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. In die Berechnung der Arbeitsfähigkeit werden hier und in den späteren Vergleichen nur Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte sowie Arbeitslose einbezogen. 134 Tab. 26 Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme arbeitsfähig arbeitsunfähig keine Angabe vorhanden Psychosomatik ExG N % 61 54,5 48 42,9 3 2,7 KoG N 64 53 Sucht chi 2 / ExG sign N 51 3,2 51 % 54,7 45,3 % 50 50 KoG N 44 55 % 44,4 55,6 chi 2 / sign 0,6 Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 27 Arbeitsfähigkeit bei Entlassung Arbeitsfähigkeit bei Entlassung arbeitsfähig arbeitsunfähig keine Angabe vorhanden Psychosomatik ExG N % 90 80,4 21 18,8 1 0,9 KoG N 83 34 Sucht chi 2 / ExG sign N 91 4,2 9 2 % 70,9 29,1 % 89,2 8,8 2,0 KoG N 85 13 1 % 85,9 13,0 1,0 chi 2 / sign 1,2 Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Entlassung zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. C Daten zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf Tab. 28 Mittlerer Erkrankungsbeginn in Jahren Mittlerer Erkrankungsbeginn Psychosomatik ExG KoG X s X Jahre 8,1 8,2 7,8 s t-Wert sign Sucht ExG X s KoG X s t-Wert sign 7,0 0,3 10,3 6,1 11,3 6,7 -1,2 Die Variable Erkrankungsbeginn zeigt keinen Unterschied zwischen Experimentalund Kontrollgruppe. Tab. 29 Anzahl der Diagnosen 1 Diagnose 2 Diagnosen 3 Diagnosen 4 Diagnosen 5 Diagnosen 6 Diagnosen Anzahl Achse II-Diagnosen Psychosomatik ExG KoG N % N % 80 35 9 1 69,9 22,6 6,8 0,8 64,0 28,0 7,2 0,8 93 30 9 1 UWert/ sign 7845 Sucht ExG N % 59 37 15 2 2 51,3 32,2 13,0 1,7 1,7 KoG N % 63 32 9 6 2 1 55,8 28,3 8,0 5,3 1,8 0,9 UWert/ sign 6217 Die Variable Anzahl der Achse II-Diagnosen zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. 135 Tab. 30 Achse II-Diagnosen / nur Patienten mir einer Persönlichkeitsstörung Achse IIDiagnosen / nur eine PS Dependente PS selbstunsichere PS Zwanghafte PS Narzißtische Ps Borderline PS Histrionische Ps Kombinierte PS Gesamtanzahl der Diagnosen = Patienten Psychosomatik ExG KoG N % N 8 10,0 9 % 9,7 20 25,0 25 26,9 7 8,8 11 5 6,3 17 5 Sucht chi 2 / ExG sign N 4,7 4 % 6,8 KoG N 3 % 4,8 14 23,7 18 28,6 11,8 4 6,8 5 7,9 7 7,5 15 25,4 8 12,7 21,3 6,3 16 3 17,2 3,2 5 2 8,5 3,4 8 2 12,7 3,2 18 22,5 22 23,7 15 25,4 19 30,2 80 100 93 100 59 100 63 100 chi 2 / sign 3,9 Die Variable Achse II-Diagnosen / nur Patienten mir einer Persönlichkeitsstörung zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 31 Alle vergebenen Achse II-Diagnosen (einschließlich Patienten mit mehreren Diagnosen) alle Achse IIDiagnosen Dependente PS selbstunsichere PS Zwanghafte PS Narzißtische Ps Borderline PS Histrionische Ps Kombinierte PS Depressive PS Passivaggressive PS Antisoziale PS Paranoide PS Schizotypische PS Schizoide PS Gesamtanzahl der Diagnosen Gesamtanzahl der Patienten Psychosomatik ExG N % 20 11,2 KoG N 27 % 15,2 Sucht ExG N 24 % 12,1 KoG N 16 % 8,2 43 24,0 58 32,6 48 24,1 47 24,2 16 8,9 1 0,6 17 8,5 16 8,2 18 10,1 8 4,5 25 12,6 17 8,8 34 8 19,0 4,5 9 27 5,1 15,2 23 5 11,6 2,5 24 6 12,4 3,1 23 12,8 4 2,2 24 12,1 26 13,4 3 11 1,7 6,1 28 9 15,7 5,1 20 6 10,1 3,0 21 10 10,8 5,2 2 1,1 1 0,6 5 1 1 2,8 0,6 0,6 3 1 1,5 0,5 10 1 5,2 0,5 179 100 178 100 3 199 100 194 100 125 133 115 136 113 Tab. 32 Anzahl Achse I-Diagnosen Anzahl der Diagnosen Psychosomatik ExG KoG N % N UWert/ sign 5639 % Sucht * ExG N % KoG N keine Achse-I- 11 10,1 10 9,1 Diagnose 1 Diagnose 53 48,6 48 43,6 90 78,3 79 2 Diagnosen 35 32,1 40 36,4 19 16,5 32 3 Diagnosen 8 7,3 12 10,9 6 5,2 2 4 Diagnosen 2 1,8 * In der Suchtklinik werden nur die suchtspezifischen Achse-I-Diagnosen berichtet. UWert/ sign 6032 % 69,9 28,3 1,8 Die Variable Anzahl der Achse I-Diagnosen zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 33 Achse I-Diagnosen in der Psychosomatik, einschließlich Patienten mit mehreren Diagnosen Achse I-Diagnosen Angststörung Depression somatoforme Störungen Eßstörungen sonstige (u.a. Dysthymia) Abhängigkeit keine Achse IStörung Tab. 34 Psychosomatik ExG N % 45 26,9 68 40,7 15 9,0 KoG N 35 68 27 % 19,9 38,6 15,3 Gesamt N 80 136 42 % 23,3 39,7 12,2 21 3 12,6 1,8 23 4 13,1 2,3 44 7 12,8 2,0 4 11 2,4 1,6 7 12 4,0 6,8 11 23 3,2 6,7 Achse I-Diagnosen in der Sucht, einschließlich Patienten mit mehreren Diagnosen Achse I-Diagnosen Alkoholabhängigkeit Medikamentenabhängigkeit Polytoxikomanie Drogenabhängigkeit Pathologisches Glücksspiel Sucht ExG N 108 % 81,8 KoG N 107 % 81,1 Gesamt N 215 % 81,4 15 11,4 14 10,6 29 11,0 2 1,5 5 3,8 7 2,7 3 2,3 3 1,1 4 3,0 10 3,8 6 4,5 137 Tab. 35 Weitere Auffälligkeiten und Problembereiche Weitere Auffälligkeiten und Problembereiche Suizidale Handlungen in der Vorgeschichte Zustand nach sexueller Gewalt Psychosomatik ExG KoG N % N % Sucht chi 2 / ExG sign N 19 15,3 31 23,7 2,8 14 11,3 20 15,3 0,8 % KoG N % chi 2 / sign 25 22,1 28 25,2 0,2 11 9,7 15 13,5 0,7 Die Variablen suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach sexueller Gewalt zeigen keine Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 36 Mittlere Behandlungsdauer in Tagen dauer Psychosomatik ExG KoG X s X Tage 64,0 Behandlungs- 19,5 62,0 s t-Wert sign Sucht ExG X s KoG X s t-Wert sign 19,6 0,8 97,2 27,1 96,0 28,3 0,3 Die Variable Behandlungsdauer zeigt keinen Unterschied zwischen Experimentalund Kontrollgruppe. Tab. 37 Gesamteinschätzung der Veränderungen durch den Therapeuten Gesamteinschätzung der Veränderungen gebessert unverändert verschlechtert Psychosomatik ExG KoG N % N % 118 6 92,4 7,6 95,2 4,8 122 10 Sucht chi 2 / ExG sign N 0,8 111 2 % KoG N % 98,2 1,8 108 3 97,3 2,7 chi 2 / sign 0,2 Die Variable Gesamteinschätzung der Veränderungen bei Entlassung zeigt keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 38 Prognose günstig ungünstig Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Sucht Sucht ExG N 92 121 % 81,4 18,6 KoG N 81 30 chi 2 / sign % 73,0 27,0 2,2 Die Variable Prognose zeigt in der Suchtklinik keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. 138 Tab. 39 Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Psychosomatik Prognose Psychosomatik ExG N 72 46 3 günstig zweifelhaft ungünstig KoG N 64 59 9 % 59,5 38,0 2,5 chi 2 / sign % 48,5 44,7 6,8 4,5 Die Variable Prognose zeigt in der Psychosomatik keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Tab. 40 Rückfall während der Behandlung Rückfall kein Rückfall Rückfall Sucht ExG N 106 7 KoG N 100 11 % 93,8 6,2 chi 2 / sign % 90,1 9,9 1,0 Die Variable Rückfall während der Behandlung zeigt in der Suchtklinik keinen Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. 4.5.2.2 Vergleich der Projektteilnehmer mit den drop-outs Zusammenfassung: Als drop-out wird ein Patient eingestuft, der vorzeitig die Therapie abgebrochen bzw. disziplinarisch oder auf ärztliche Veranlassung entlassen wurde. Ein weiterer drop-out Grund ist die Weigerung an der Datenerhebung bei Entlassung teilzunehmen. Zusätzlich wird in der Experimentalgruppe die Teilnahme an mindestens sechs Gruppensitzungen des Gruppenprogramms vorausgesetzt. Beim Vergleich der Projektteilnehmer mit den drop-out Patienten ergeben sich für die soziodemographischen und die Variablen zur beruflichen Situation keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Suchtklinik weisen die drop-out Patienten eine höhere Arbeitslosenquote auf als die Projektpatienten. Für die Variablen zum Behandlungsverlauf ergeben sich erwartungsgemäß in beiden Kliniken signifikante Unterschiede zwischen den Projektteilnehmern und den dropout Patienten hinsichtlich Behandlungsdauer, Gesamteinschätzung der Veränderungen und Prognose (signifikant in der Sucht, Tendenz in der Psychosomatik). In der Suchtklinik zeigt sich weiterhin ein signifikanter Unterschied bezüglich der Rückfälle während der Behandlung, wobei Rückfälle während der Entwöhnungsbehandlung häufig zur vorzeitigen Entlassung führen. A Tab. 41 Geschlecht männlich weiblich Soziodemographische Daten Geschlecht Psychosomatik Projektteilnehmer N % 98 38,4 157 61,6 Drop-out N 24 28 % 46,2 53,8 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 109 48,7 1,0 115 51,3 139 Drop-out chi 2 / sign N 35 36 0,0 % 49,3 50,7 Die Variable Geschlecht zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 42 Alter Jahre Alter in Jahren Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer X s X s 36,8 10,1 36,4 10,4 t-Wert sign 0,2 Sucht Projektteilnehmer X s 41,3 8,3 Drop-out X 41,0 s 8,1 t-Wert sign 0,2 Die Variable Geschlecht zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 43 Schulbildung Hauptschule Real-/ Fachschule Abitur sonstige Schulbildung Psychosomatik Projektteilnehmer N % 105 41,0 96 37,5 N 23 17 % 44,2 32,7 47 8 7 5 13,5 9,6 18,4 3,1 Drop-out Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 100 44,6 4,7 70 31,3 46 8 20,5 3,6 Drop-out chi 2 / sign N 36 23 % 50,7 32,4 1,6 11 1 15,5 1,4 Die Variable Schulbildung zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 44 Familienstand ledig verheiratet geschieden verwitwet Familienstand Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer N % N % 114 45,6 27 52,9 95 38 3 38,0 15,2 1,2 21 3 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 3,5 85 37,9 41,2 5,9 82 56 1 36,6 25,0 0,4 Drop-out N 23 % 32,4 29 17 2 40,9 23,9 2,8 chi 2 / sign 3,8 Die Variable Familienstand zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 45 Partnersituation kein fester Partner fester Partner Partnersituation Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer N % N % 113 44,3 23 44,2 142 55,7 29 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 110 49,1 0,0 55,8 114 140 50,9 Drop-out N 37 % 52,1 34 47,9 chi 2 / sign 0,2 Die Variable Partnersituation zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. B Daten zur beruflichen Situation Tab. 46 Beruflicher Status Arbeiter / Facharbeiter Angestellter / Beamter in Ausbildung sonstige Letzter beruflicher Status Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer N % N % 100 39,2 22 42,3 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 58 26,0 5,8 Drop-out N 23 % 32,4 123 48,2 19 36,5 138 61,9 36 50,7 22 10 8,6 3,9 5 6 9,6 11,5 6 21 2,7 9,4 3 9 4,2 12,7 chi 2 / sign 3,2 Die Variable beruflicher Status zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 47 Berufsausübung Vollzeit (auch ABM) Teilzeit (auch ABM) arbeitslos sonstige Berufsausübung bei Behandlungsbeginn Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer N % N % 138 53,9 20 38,5 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 103 46,0 4,7 Drop-out N 18 % 25,4 24 9,4 6 11,5 12 5,4 3 4,2 67 27 26,2 10,5 20 6 38,5 11,5 86 23 38,4 10,3 37 13 52,1 18,3 chi 2 / sign 11,2** Die Variable Berufsausübung zeigt in der Psychosomatik keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. In der Suchtklinik sind bei den drop-out Patienten Arbeitslose stärker vertreten als in der Projektgruppe. Tab. 48 Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme arbeitsfähig arbeitsunfähig unbekannt Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme Psychosomatik Projektteilnehmer N % 125 54,6 101 44,1 3 1,3 Drop-out N 23 23 % 50,0 50,0 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 95 47,3 1,0 106 52,7 Drop-out N 24 33 1 % 41,4 56,9 1,7 chi 2 / sign 3,9 Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. 141 Tab. 49 Arbeitsfähigkeit bei Entlassung ArbeitsfähigPsychosomatik keit bei Entlas- Projektteilneh- Drop-out sung mer N % N % arbeitsfähig 173 75,5 32 69,6 arbeitsunfähig 55 24,0 14 30,4 unbekannt 1 0,4 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 176 87,6 1,0 22 10,9 3 1,5 Drop-out N 49 7 2 % 84,5 12,1 3,4 chi 2 / sign 3,5 Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Entlassung zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. C Daten zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf Tab. 50 Mittlerer Erkrankungsbeginn in Jahren Mittlerer Erkrankungsbeginn Jahre Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer X s X s 8,0 7,6 8,4 6,4 t-Wert sign -0,3 Sucht Projektteilnehmer X s 10,7 6,4 Drop-out X 9,8 s 5,7 t-Wert sign 1,0 Die Variable Erkrankungsbeginn zeigt keinen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 51 Weitere Auffälligkeiten und Problembereiche Weitere Auffälligkeiten und Problembereiche Suizidale Handlungen in der Vorgeschichte Zustand nach sexueller Gewalt Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer N % N % 50 19,6 9 17,3 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 0,1 53 23,7 N 21 % 29,6 1,0 3 0,1 11 15,5 0,7 13,3 6 11,5 26 11,6 Drop-out chi 2 / sign Die Variablen suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach sexueller Gewalt zeigen keine Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 52 Mittlere Behandlungsdauer in Tagen Behandlungsdauer Tage Psychosomatik Projektteilneh- Drop-out mer X s X s 63,0 19,6 48,9 19,5 t-Wert sign 4,7** 142 Sucht Projektteilnehmer X s 96,7 27,7 Drop-out X 76,7 s 32,6 t-Wert sign 5,0** Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien zeigt die Variable mittlere Behandlungsdauer signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 53 Gesamteinschätzung der Veränderungen durch den Therapeuten Gesamteinschätzunge der Veränderungen gebessert unverändert verschlechtert Psychosomatik Projektteilnehmer N % 240 93,8 16 6,3 Drop-out N 39 13 % 75,0 25,0 Sucht chi 2 / Projektteilnehsign mer N % 97,8 17,8** 219 5 2,2 Drop-out N 49 20 2 % 69,0 28,2 2,8 chi 2 / sign 44,4** Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien und den impliziten Beurteilungen zum Therapieverlauf zeigt die Variable Gesamteinschätzung der Veränderungen signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Tab. 54 Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Sucht Prognose Sucht Projektteilnehmer N % 173 77,2 51 22,8 günstig ungünstig Drop-out N 21 50 chi 2 / sign % 29,6 70,4 54,3** Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien und den impliziten Beurteilungen zum Therapieverlauf zeigt die Variable Prognose in der Suchtklinik signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Projektteilnehmer bekommen eine günstigere Prognose als drop-out Patienten. Tab. 55 Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Psychosomatik Prognose günstig zweifelhaft ungünstig Psychosomatik Projektteilnehmer N % 136 53,8 105 41,5 12 4,7 Drop-out N 20 25 7 chi 2 / sign % 38,5 48,1 13,5 7,6* Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien und den impliziten Beurteilungen zum Therapieverlauf zeigt die Variable Prognose in der Psychosomatik einen tendenziellen Unterschied zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. Projektteilnehmer bekommen eine günstigere Prognose als drop-out Patienten. Tab. 56 Rückfall kein Rückfall Rückfall Rückfall während der Behandlung Sucht Projektteilnehmer N % 206 92,0 18 8,0 Drop-out N 53 18 143 chi 2 / sign % 74,6 25,4 15,0** Entsprechend den drop-out Auswahlkriterien zeigt die Variable Rückfall während der Behandlung signifikante Unterschiede zwischen Projektteilnehmern und drop-out Patienten. 4.5.2.3 Vergleich der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit Patienten ohne Persönlichkeitsstörung Zusammenfassung: Der nachfolgende Vergleich stellt Patienten mit Persönlichkeitsstörungen den Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen gegenüber. Die Gruppe der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wird gebildet aus den Projektteilnehmern. Patienten, die im Skid-Fragebogen keine auffälligen Werte aufwiesen, bei denen aber im Therapieverlauf eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde, werden bei diesem Vergleich ausgeschlossen. Bei der Beurteilung der gefundenen Unterschiede ist zu berücksichtigen, daß die Vergleichsstichproben unterschiedlich groß sind und bei sehr großen Stichproben bereits kleinere Unterschiede statistisch signifikant werden können. Signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne Persönlichkeitsstörungen zeigen sich in beiden Kliniken für die Variablen: Alter, Familienstand, Partnersituation und Arbeitslosigkeit. Bezüglich der Variablen zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf zeigen sich signifikante Unterschiede für die Variablen: Alter bei Erkrankungsbeginn, suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach sexueller Gewalt, Behandlungsdauer und Beurteilung der Veränderungen durch den Therapeuten (signifikant in Psychosomatik, Tendenz in Sucht). In der Psychosomatik ergeben sich weiterhin signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne Persönlichkeitsstörung für die Variablen Schulbildung und Prognose aus der Sicht des Therapeuten, in der Suchtklinik für die Variablen Arbeitsfähigkeit bei Behandlungsbeginn und Rückfall während der Behandlung (tendenziell). A Tab. 57 Alter Jahre Soziodemographische Daten Alter in Jahren Psychosomatik Patienten mit PS X s 36,7 10,0 Patienten ohne t-Wert PS sign X s 41,6 11,9 -7,9** Sucht Patienten mit Patienten ohne t-Wert PS PS sign X s X s 41,2 8,3 44,7 9,0 -5,5** Die Variable Alter zeigt signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. In der Psychosomatik sind Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei Behandlungsbeginn im Mittel 4,9 Jahre jünger als Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen, in der Suchtklinik 3,5 Jahre. 144 Tab. 58 Schulbildung Hauptschule Real-/ Fachschule Abitur sonstige Schulbildung Psychosomatik Patienten mit PS N % 128 41,6 113 36,7 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 1508 51,1 15,9** 871 29,5 Sucht Patienten mit PS N % 136 46,1 93 31,5 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 285 44,3 0,7 207 32,1 54 13 385 186 57 9 125 27 17,5 4,2 13,1 6,3 19,3 3,1 19,4 4,2 Die Variable Schulbildung zeigt in der Suchtklinik keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. In der Psychosomatik liegt das Bildungsniveau bei den Patienten mit Persönlichkeitsstörungen höher als bei Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. Tab. 59 Familienstand ledig verheiratet geschieden verwitwet unbekannt Familienstand Psychosomatik Patienten mit PS N % 144 46,9 119 38,8 41 13,4 3 1,0 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 826 27,9 51,5** 1564 52,9 453 15,3 114 3,9 Sucht Patienten mit PS N % 108 36,6 111 37,7 73 24,7 3 1,0 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 165 25,5 17,3** 298 46,0 24,9 24,9 22 3,4 1 02 Die Variable Familienstand zeigt signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. In beiden Kliniken ist der Anteil lediger Patienten bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen überrepräsentiert. Tab. 60 Partnersituation kein fester Partner fester Partner Partnersituation Psychosomatik Patienten mit PS N % 136 44,3 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 882 29,9 16,8** Sucht Patienten mit PS N % 147 49,8 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 254 39,3 9,1** 171 2068 148 392 55,7 70,1 50,2 60,7 Die Variable Partnersituation zeigt in der Psychosomatik und in der Suchtklinik signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen leben signifikant häufiger in einer festen Partnersituation. 145 B Daten zur beruflichen Rehabilitation Tab. 61 Beruflicher Status Arbeiter / Facharbeiter Angestellter / Beamter in Ausbildung sonstige Letzter beruflicher Status Psychosomatik Patienten mit PS N % 122 39,7 Sucht Patienten ohne chi 2 / Patienten mit PS sign PS N % N % 1262 42,7 81 27,6 1,9 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 178 27,6 0,8 142 46,3 1289 43,6 174 59,2 376 58,4 27 16 8,8 5,2 223 181 7,5 6,1 9 30 3,1 10,2 15 75 2,3 11,6 Die Variable beruflicher Status zeigt keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. Tab. 62 Berufsausübung Vollzeit (auch ABM) Teilzeit (auch ABM) arbeitslos sonstige Berufsausübung bei Behandlungsbeginn Psychosomatik Patienten mit PS N % 158 51,3 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 1468 49,8 36,4** Sucht Patienten mit PS N % 121 41,0 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 322 49,8 11,8** 30 9,7 475 16,1 15 5,1 37 5,7 87 33 28,2 10,7 490 517 16,6 17,5 123 36 41,7 12,2 195 92 30,1 14,2 Die Variable Berufsausübung zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Patienten mit Persönlichkeitsstörungen sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Tab. 63 Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme arbeitsfähig arbeitsunfähig keine Information vorhanden Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme Psychosomatik Patienten mit PS N % 148 53,8 124 45,1 3 1,1 Sucht Patienten ohne chi 2 / Patienten mit PS sign PS N % N % 1195 49,1 119 45,9 3,1 1186 48,7 139 53,7 52 2,1 1 0,4 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 315 56,9 10,2** 239 43,1 Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Aufnahme zeigt in der Psychosomatik keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Suchtklinik sind Patienten mit Persönlichkeitsstörungen zu Therapiebeginn häufiger arbeitsunfähig. 146 Tab. 64 Arbeitsfähigkeit bei Entlassung ArbeitsfähigPsychosomatik Sucht keit bei Entlas- Patienten mit Patienten ohne chi 2 / Patienten mit sung PS PS sign PS N % N % N % arbeitsfähig 205 74,5 1688 69,5 225 86,9 3,3 arbeitsunfähig 69 25,1 735 30,3 29 11,2 keine Informa- 1 0,4 5 0,2 5 1,9 tion vorhanden Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 496 89,5 3,3 49 8,8 9 1,6 Die Variable Arbeitsfähigkeit bei Entlassung zeigt keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. C Daten zur Erkrankung und zum Behandlungsverlauf Tab. 65 Mittlerer Erkrankungsbeginn in Jahren Mittlerer Erkrankungsbeginn Jahre Psychosomatik Patienten mit PS X s 8,1 7,4 Patienten ohne t-Wert PS sign X s 6,3 7,3 4,3** Sucht Patienten mit Patienten ohne t-Wert PS PS sign X s X s 10,6 6,3 10,3 6,6 0,5 Die Variable Erkrankungsbeginn zeigt in der Suchtklinik keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Psychosomatik liegt der Erkrankungsbeginn bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei 8,1 Jahren, bei Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen dagegen bei 6,3 Jahren. Tab. 66 Alter bei Erkrankungsbeginn in Jahren Alter bei Erkrankungsbeginn Jahre Psychosomatik Patienten mit PS X s 28,5 12,0 Patienten ohne t-Wert PS sign X s 35,3 13,0 -8,7** Sucht Patienten mit Patienten ohne t-Wert PS PS sign X s X s 30,6 8,7 34,2 9,7 -5,4** Die Variable Alter bei Erkrankungsbeginn zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. In beiden Klinken sind Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bei Erkrankungsbeginn signifikant jünger. Tab. 67 Auffälligkeiten und Problembereiche Weitere Auffälligkeiten und Problembereiche Suizidale Handlungen in der Vorgeschichte Zustand nach sexueller Gewalt Psychosomatik Patienten mit PS N % 60 19,4 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 202 6,8 60,3** Sucht Patienten mit PS N % 74 25,1 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 61 9,4 40,4** 41 194 37 20, 13,3 6,5 18,9** 147 12,5 3,1 31,8** Die Variablen suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und Zustand nach sexueller Gewalt zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. In beiden Klinken liegen bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen suizidale Handlungen in der Vorgeschichte und sexuelle Gewalt signifikant häufiger vor. Tab. 68 Mittlere Behandlungsdauer in Tagen Behandlungsdauer Tage Psychosomatik Patienten mit PS X s 60,8 20,8 Patienten ohne t-Wert PS sign X s 45,2 18,8 12,5** Sucht Patienten mit PS X s 91,9 30,1 Patienten ohne t-Wert PS sign X s 77,8 32,8 6,2** Die Variable Behandlungsdauer zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. In beiden Klinken ist die Behandlungsdauer bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen signifikant länger. Tab. 69 Gesamteinschätzung der Veränderungen durch den Therapeuten Gesamteinschätzunge der Veränderungen gebessert unverändert verschlechtert Psychosomatik Patienten mit PS N % 279 90,6 29 9,4 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 2454 83,3 11,8** 472 16,0 19 0,6 Sucht Patienten mit PS N % 268 90,8 25 8,5 2 0,7 Patienten ohne chi 2 / PS sign N % 540 84,0 8,0* 93 14,5 10 1,6 In der Psychosomatik werden bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen Veränderungen vom Therapeuten insgesamt positiver beurteilt, dies zeigt sich auch in der Tendenz in der Sucht. Tab. 70 Prognose günstig ungünstig Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Sucht Sucht Patienten mit PS N % 194 65,8 101 34,2 Patienten ohne PS N % 427 67,9 202 32,1 chi 2 / sign 0,4 Die Variable Prognose zeigt in der Suchtklinik keine signifikanten Unterschiede. Tab. 71 Prognose günstig zweifelhaft ungünstig Prognose aus der Sicht des Therapeuten in der Psychosomatik Psychosomatik Patienten mit PS N % 156 51,1 130 42,6 19 6,2 Patienten ohne PS N % 1644 56,8 957 33,1 291 10,1 chi 2 / sign 12,9** Die Variable Prognose zeigt in der Psychosomatik signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Prognose bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen ist häufiger zweifelhaft. 148 Tab. 72 Rückfall während der Behandlung Rückfall kein Rückfall Rückfall Sucht Patienten mit PS N % 259 87,8 36 12,2 Patienten ohne PS N % 598 92,4 49 7,6 chi 2 / sign 5,2* In der Suchtklinik zeigt sich in der Tendenz, daß Patienten mit Persönlichkeitsstörungen während der Behandlung häufiger rückfällig werden als Patienten ohne Persönlichkeitsstörungen. 4.6 Statistische Auswertungen Überprüfung der inhaltlichen Hypothesen: Die übergeordnete inhaltliche Hypothese, dass Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen, somatoformen Störungen und/ oder Essstörungen und komorbider Persönlichkeitsstörung (der Psychosomatik) bzw. alkohol- und/oder medikamentenabhängige Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung (der Sucht), die an einem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen (Patienten der Experimentalgruppe, ExG), günstigere Rehabilitationsergebnisse erzielen, als Patienten mit symptomatischen Störungen bzw. Abhängigkeitserkrankung(en) und Persönlichkeitsstörungen, die am etablierten Behandlungsprogramm teilnehmen (Patienten der Kontrollgruppe, KoG), wirrd spezifisch in den Unterhypothesen überprüft. Die Effekte der ExG und der KoG werden über die Messzeitpunkte „Beginn der Rehabilitation“ (Aufnahme), „Ende der Rehabilitation“ (Entlassung) und „1 Jahr nach dem Ende der Rehabilitation“ (Katamnese) verglichen. Um die jeweiligen Unterhypothesen statistisch zu prüfen bzw. die spezifischen Effekte der ExG und der KoG auf die abhängigen Variablen statistisch miteinander zu vergleichen, wurden gerichtete, zweifaktorielle Varianzanalysen mit Messwiederholung mit folgenden Faktoren durchgeführt: Gruppierungsfaktor „Gruppe“ (in den Tabellen als Gru abgekürzt) mit den beiden Bedingungen ExG und KoG, Messwiederholungsfaktor „Messzeitpunkte“ (MW) mit den Stufen: „Aufnahme“ und „Entlassung“ im 2-stufigen Meßmodell sowie „Aufnahme“, „Entlassung“ und „Katamnese“ im dreistufigen Meßmodell. Auf eine spezifische Testung poststationärer Effekte über die Messzeitpunkte „Entlassung“ und „Katamnese“ in einem zweistufigen Messmodell wurde verzichtet. Dies halten wir aufgrund des damit verbundenen relativ geringen zusätzlichen Informationsgewinns zur Testung der Hypothesen angesichts der eindeutigen Datenlage für gerechtfertigt, insbesondere auch angesichts des Zieles, die Darstellung der Ergebnisse übersichtlich zu halten. Aufgrund der Anzahl der in dieser Studie durchgeführten statistischen Hypothesentests erfolgte die Testung der Hypothesen zur Kontrolle der Inflation des Fehlers erster Art konservativ auf einem Signifikanzniveau von α = 1% (Alphafehleradjustierung). Die gerichteten Hypothesen wurden einseitig getestet. Signifikante Interaktionseffekte (Gru*MW) weisen auf ein signifikant günstigeres Rehabilitationsergebnis 149 eines der beiden Therapiesettings (ExG vs. KoG) relativ zum anderen hin und bestätigen die jeweilige Hypothese, sofern die Richtung der Mittelwertsveränderungen mit der jeweiligen gerichteten Hypothese übereinstimmt. Da von einer hohen Wirksamkeit des allgemeinen Behandlungsprogramms beider Kliniken ausgegangen wird, erwarten wir weiterhin, dass sowohl Patienten der ExG als auch der KoG Verbesserungen bzw. günstige Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern wurden auch Effekte des Messwiederholungsfaktors einseitig getestet. Die Analysen erfolgten jeweils getrennt für die Stichproben Psychosomatik und Sucht. Von einer Zusammenführung bzw. gemeinsamen Analyse der beiden Stichproben wurde aufgrund der sich stark unterscheidenden Kliniksettings und Behandlungszeiträume abgesehen. Mittelwerte (x), Standardabweichungen (s) und Stichprobengrößen (N) der abhängigen Variablen werden jeweils getrennt für die beiden Untersuchungsbedingungen ExG und KoG (bzw. für die Bedingungen des Gruppierungsfaktors) sowie die zwei (Aufnahme und Entlassung) bzw. drei Messzeitpunkte (Aufnahme, Entlassung und Katamnese) des Messwiederholungsfaktors in Tabellen aufgelistet. Bei den mit ↑ gekennzeichneten Skalen verweist ein hoher Mittelwert auf ein günstiges Ergebnis (z.B. IRES-Skala „somatischer Status“ „steigend“, „sich verbessernd“), bei den mit ↓ gekennzeichneten Skalen verweist ein niedriger Testwert auf ein günstiges Ergebnis ((z.B. IRES-Skala „Schmerzen – Symptome“ „abnehmend“, „schwächer werdend“). In den Mittelwertstabellen werden für jede abhängige Variable immer zuerst die Kennwerte des 2-stufigen Meßmodells und in einer weiteren Zeile die Kennwerte des 3-stufigen Meßmodells aufgeführt. Die Skalenbezeichnungen und die Kliniklabel stehen immer in der Zeile, in der die Kennwerte für das zweistufige Messmodell aufgelistet sind. Weiterhin werden immer zuerst die in der Psychosomatik (Psy) erhobenen Kennwerte aufgeführt und dann die der Sucht (Su). Zur Darstellung der Kennwerte (x und s) werden für jede abhängige Variable insofern 4 Tabellenzeilen benötigt: 2-stufiges Meßmodell / Psychosomatik (Psy) 3-stufiges Meßmodell / Psychosomatik (Psy) 2-stufiges Meßmodell / Sucht (Su) 3-stufiges Meßmodell / Sucht (Su) In ergänzenden Tabellen, die auf die Mittelwertstabellen folgen, finden sich für die abhängigen Variablen jeweils die Ergebnisse der Hpothesentestungen. Dargestellt sind im Einzelnen die F-Werte für den Gruppierungsfaktor (Gru), den Messwiederholungsfaktor (MW) und den Interaktionseffekt (Gru*MW). Signifikante F-Werte sind in den Tabellen durch Sternchen gekennzeichnet (*:α = 5%, **α = 1%). Dabei sind die Kennwerte für das 2-stufige Meßmodell jeweils in der linken Tabellenhälfte und die Kennwerte für das 3-stufige Meßmodell in der rechten Tabellenhälfte ausgewiesen. Für statistisch signifikante F-Werte wird zusätzlich das partielle η2 als Maß für die Effektstärke ausgewiesen. Die konventionelle, auch von Bortz & Döring (2002, S.604) vorgeschlagene Klassifikation der Effektgrössen für „Cohens f“ kann auf η2– Werte übertragen werden (Umrechnungsformel zur Transformation von „Cohens f“ in „η2“ s. Bortz & Döring, 2002, S. 608). Insofern kann ab η2 = ,01 von einem kleinen 150 Effekt (durch + gekennzeichnet), ab η2 = ,06 von einem mittleren Effekt (++) und ab η2 = ,14 von einem großen Effekt (+++) ausgegangen werden. Von dem im Projektantrag beschriebenen dreifaktoriellen Design bzw. Auswertungsplan wurde abgewichen: Die Varianzanalysen wurden durchgängig zweifaktoriell durchgeführt. Der Faktor „Achse I Störungen“ mit den Stufen „affektive Störungen“, „Angststörungen“ und „somatoforme Störungen“ wurde nicht - wie ursprünglich projektiert – berücksichtigt. Angesichts der eindeutigen Datenlage halten wir es für gerechtfertigt, auf eine nach Achse I –Störungen differenzierende Auswertung zu verzichten. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in gleicher Abfolge und Ordnung wie die Darstellung der spezifischen Hypothesen, auf die in dem entsprechenden Abschnitt jeweils direkt Bezug genommen wird. 151 Überprüfung der Hypothese: Veränderung der Persönlichkeitsstörung und der interpersonellen Problembereiche Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Persönlichkeitsstörung vs. Persönlichkeitsstile“ Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG mit narzißtischer, dependenter, histrionischer, zwanghafter, selbstunsicherer oder BorderlinePersönlichkeitsstörung bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des jeweils mit ihrer Persönlichkeitsstörungsdiagnose korrespondierenden Persönlichkeitsstils (im PSSI) wahrnehmen, wurden aus der Gesamtstichprobe zunächst Substichproben von Patienten mit narzißtischer, dependenter, histrionischer, zwanghafter, selbstunsicherer sowie BorderlinePersönlichkeitsstörung gebildet. Voraussetzung für die Zuweisung eines Patienten zu einer der sechs Untergruppen von Persönlichkeitsstörungen war die Vergabe der entsprechenden Persönlichkeitsstörungsdiagnose im Rahmen der klinischen Diagnostik, unabhängig davon, ob bei dem betreffenden Patienten auch noch weitere, komorbide Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert worden sind oder nicht. Dies hat zur Folge, daß die Daten von Patienten, bei denen mehrere Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert worden sind, in die Analysen für mehrere Untergruppen von Persönlichkeitsstörungen eingegangen sind. Beispielsweise gingen die Daten eines Patienten mit dependenter und selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in die Analysen für die Untergruppen „Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung“ und „Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung“ ein. Die Hypothesentestungen erfolgten in einem weiteren Schritt jeweils getrennt für jede der sechs nach den jeweiligen Persönlichkeitsstörungen gebildeten Subpopulationen. Die Entscheidung, die mit diesem Vorgehen verbundene Reduzierung der Stichprobengröße (in den Substichproben) gegenüber der Gesamtstichprobengröße und damit eine Verminderung der Teststärke (Power) in Kauf zu nehmen, wurde aufgrund von die PSSI-Skalen betreffenden inhaltlichen / theoretischen Überlegungen getroffen. So sind die Skalen des PSSI so konzipiert, dass zumindest bei der Mehrzahl der Skalen beide Pole des Kontinuums ein „Defizit“ wiederspiegeln können und im mittleren Bereich (um T = 50) durchschnittliche / gewöhnliche Ausprägungen eines Stils angesiedelt sind. Ein Beispiel führen die Autoren des PSSI in der Handanweisung auf Seite 20 an: „So kann z.B. ein extrem niedriger Wert auf der Skala ,selbstbestimmt-antisozial‘ als Hinweis auf Selbstbehauptungsdefizite interpretiert werden ...“ (Kuhl & Kazen, 1997). Insofern kann eine Reduktion eines hohen Wertes als eine Abschwächung bzw. „Verbesserung“ auf der entsprechenden Dimension angesehen werden (z.B. bei einem narzißtischen Patienten auf der Dimension „narzißtisch“), während andererseits eine Steigerung eines niedrigen Wertes in den Bereich um T = 50 ebenfalls eine „Verbesserung“ darstellen kann (z.B. bei einem selbstunsicheren Patienten auf der Dimension „narzißtisch“). Bei der simplen Bildung von Mittelwerten in der Gesamtpopulation würden sich diese beiden Varianten von Verbesserungen gegenseitig „neutralisieren“. Die Ergebnisse könnten unseres Erachtens nicht sinnvoll interpretiert werden. Entsprechendes gilt für Verschlechterungen in einer Dimension. Wir gingen bei unserer Vorgehensweise deshalb davon aus, dass bei Patienten mit einer spezifischen Persönlichkeitsstörung (z.B. narzißtische Persönlichkeitsstörung) eine Verringerung des Wertes auf der je152 weiligen Skala im PSSI, die mit der jeweiligen Persönlichkeitsstörung korrespondiert (hier z.B. „narzißtisch“), als eine günstige Veränderung bzw. Verbesserung auf dieser Dimension angesehen kann, unabhängig davon, wie hoch der Ausgangswert auf dieser Skala war. Gegenüber einem Vergleich von Patienten, die auf einer relevanten Skala einen bestimmten kritischen Wert überschreiten (Extremgruppenvergleich) hat unser Vorgehen den Vorteil, dass Patienten, bei denen es z.B. durch eine vorübergehende Belastung oder im Zusammenhang mit einer Achse-I Störung (nach DSM-IV) zu einer vorübergehenden (im PSSI erfaßbaren) Übersteigerung bestimmter Persönlichkeitszüge kam, nicht in unsere Analysen eingegangen sind. Andererseits gingen Patienten in unsere Analysen ein, die die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllten, sich selbst aber auf der entsprechenden PSSI-Skala nicht im Extrembereich einschätzten. Im einzelnen wurden folgende statistische Hypothesen überprüft. Patienten der ExG mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils „narzißtisch“ / „egozentrisch“ / „ehrgeizig“ (PSSI) wahr. Patienten der ExG mit dependenter Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils „abhängig“ / „anhänglich“ / „loyal“ (PSSI) wahr. Patienten der ExG mit histrionischer Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils „histrionisch“ / „selbstdarstellerisch“ / „liebenswürdig“ (PSSI) wahr. Patienten der ExG mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils „zwanghaft“ / „genau/perfektionistisch“ / „sorgfältig“ (PSSI) wahr. Patienten der ExG mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils „selbstunsicher“ / „selbstzweifelnd“ / „selbstkritisch“ (PSSI) wahr. Patienten der ExG mit Borderline-Persönlichkeitsstörung nehmen bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der KoG eine ausgeprägtere Abschwächung des Stils „borderline“ / „wechselhaft“ / „spontan“ (PSSI) wahr. 153 Ergebnisse für Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „zwanghaft“ / „genau/perfektionistisch“ / „sorgfältig“ In der Psychosomatik nahmen sich die Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung auf der PSSI-Skala „zwanghaft“ unabhängig vom Treatment über die Messzeitpunkte hinweg in der Tendenz zunehmend weniger „zwanghaft“ wahr. Die η2 – Werte zeigen einen mittleren (im zweistufigen Modell) bzw. großen Effekt (im dreistufigen Modell) des Messwiederholungsfaktors an. In der Sucht ergeben sich über die Messzeitpunkte hinweg keine statistisch bedeutsamen Veränderungen. Ein signifikanter Effekt ergibt sich in der Sucht nur für den Gruppierungsfaktor im zweistufigen Messmodell, der darauf hinweist, daß sich Pat. der ExG unabhängig von den jeweils durchgeführten Interventionen statistisch signifikant „zwanghafter“ als die KoG beschrieben haben (hohe Effektstärke). Bedeutsame Unterschiede zwischen ExG und KoG in den Mittelwertsverläufen ergaben sich nicht. Die Hypothese, dass Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des zwanghaften Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung konnte nicht bestätigt werden. Tab. 73 Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „zwanghaft“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung. Skalen (Klinik) zwanghaft (Psychosomatik) zwanghaft (Sucht) Tab. 74 Skalen (Klinik) zwanghaft (Psy) zwanghaft (Sucht) Gruppe Aufnahme x s ExG 62,20 7,43 KoG 61,33 6,90 ExG 63,36 8,02 KoG 63,60 5,70 ExG 66,35 8,12 KoG 60,44 8,02 ExG 66,23 8,38 KoG 63,00 9,30 Entlassung x s 60,80 9,35 58,50 7,31 60,45 9,42 59,90 7,81 67,18 9,49 60,75 7,66 65,77 9,78 60,56 7,88 Katamnese x s 59,73 59,30 6,80 7,75 63,85 60,67 10,18 8,82 N 15 18 11 10 17 16 13 9 Hypothesentestung für Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „zwanghaft“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW ,4 3,1* ,09++ ,4 ,0 3,7* ,29+++ ,0 6,4** ,17+++ ,1 ,0 1,5 154 ,8 ,1 Ergebnisse für Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „narzißtisch“ / „egozentrisch“ / „ehrgeizig“ In der Sucht ergeben sich keine signifikanten Effekte. Bedeutsame Unterschiede zwischen ExG und KoG ergaben sich nicht. Die Daten im dreistufigen Messmodell – auch hier ergeben sich weder für den Meßwiederholungsfaktor noch für die Interaktion Signifikanzen - weisen darauf hin, dass sich über den gesamten Zeitraum Aufnahme zu 1-Jahres-Katamnese weder in der ExG noch in der KoG bedeutsame Veränderungen hinsichtlich der Selbstwahrnehmung als narzißtisch ergaben. In der Psychosomatik wurde nur das dreistufige Messmodell varianzanalytisch ausgewertet. Bortz (1999) stellt fest, dass „die Varianzanalyse bei gleichgroßen Stichproben gegenüber Verletzungen ihrer Voraussetzungen relativ robust ist“ (S. 276). Bei kleinen (n < 10) und ungleichgroßen Stichproben und einer Voraussetzungsverletzung empfiehlt er, ein verteilungsfreies Verfahren einzusetzen. Vor diesem Hintergrund wurde angesichts heterogener Varianzen (signifikanter Levene-Test, F = 6,7) in der Psychosomatik im zweistufigen Modell bei ungleichen und kleinen Stichprobenumfängen von einer varianzanalytischen Auswertung abgesehen. Im dreistufigen Messmodell ergaben sich ebenfalls heterogene Varianzen (signifikanter LeveneTest, F = 6,7). Bei annähernd gleichgroßen Stichprobenumfängen erschien eine varianzanalytische Auswertung jedoch noch vertretbar. In der Psychosomatik nahmen sich Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung auf der PSSI-Skala „narzißtisch“ unabhängig von der Untersuchungsbedingung über die Messzeitpunkte hinweg in statistisch bedeutsamer Weise zunehmend weniger narzißtisch wahr, was sich in einem signifikanten Meßwiederholungseffekt bei hoher Effektstärke im dreistufigen Messmodell wiederspiegelt. Pat. der ExG zeigen sich unabhängig vom Messzeitpunkt in der Tendenz „narzißtischer“ als die KoG (hoher Effekt). Ein Vergleich der auf den ersten Blick poststationär deutlich voneinander abweichenden Mittelwertsverläufe von ExG und KoG in der Psychosomatik deutet zunächst eine wesentlich stärkere Abschwächung der Selbstwahrnehmung als „narzißtisch“ in der Kontrollgruppe an. Ein signifikanter Interaktionseffekt ergab sich hier jedoch nicht. Neben dem geringen Stichprobenumfang und der damit verbundenen geringen Power der Testung kann dies durch eine sehr hohe Streuung der Werte innerhalb der beiden Gruppen in der Katamnese und der tendenziellen Unterschiede zwischen ExG und KoG unabhängig von den Messzeitpunkten erklärt werden, wodurch Varianz innerhalb des Messmodells gebunden wird. Die Hypothese, dass Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des narzißtischen Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung konnte nicht bestätigt werden. Auf die Durchführung verteilungsfreier Analysen konnte hier verzichtet werden, da bereits ein Blick auf die Mittelwertsverläufe zeigt, dass die Untersuchungshypothese nicht bestätigt wurde. 155 Tab. 75 Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „narzißtisch“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s ExG 58,50 13,95 57,28 12,21 18 narzißtisch a) (Psychosomatik) KoG 49,38 7,13 47,75 6,76 8 ExG 57,50 12,12 56,00 10,75 55,30 13,32 10 KoG 49,38 7,13 47,75 6,76 40,13 14,05 8 ExG 51,13 9,57 55,17 11,81 24 narzißtisch (Sucht) KoG 52,65 10,85 53,82 7,13 17 ExG 50,16 8,67 52,74 10,30 50,05 7,79 19 KoG 53,00 12,21 52,89 5,40 50,89 7,49 9 Tab. 76 Hypothesentestung für Patienten mit narzißtischer Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „narzißtisch“ als abhängiger Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese (Klinik) Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW narzißtisch a) s. 4,8* ,23+++ 5,5** ,42+++ 1,7 s. s. (Psy) Text Text Text Narzißtisch ,0 3,1 ,9 ,2 1,0 ,2 (Sucht) a) Levene-Tests im zweistufigen und dreistufigen Modell signifikant (jeweils F = 6,7). Ergebnisse für Patienten mit Borderline- Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „borderline“ / „wechselhaft“ / „spontan“ In der Psychosomatik nahmen sich Patienten mit Borderline- Persönlichkeitsstörung auf der PSSI-Skala „borderline“ unabhängig vom Treatment über die drei Messzeitpunkte hinweg statistisch signifikant weniger „wechselhaft“ wahr. Dies spiegelt sich in signifikanten Messwiederholungseffekten und hohen Effektstärken im zwei- und dreistufigen Messmodell wieder. In der Sucht zeigt sich dieser Effekt nur in der Tendenz bei mittlerer bzw. hoher Effektstärke. In der Rehabilitationsphase nahm in der Psychosomatik die Selbsteinschätzung auf der Dimension „borderline“ in der ExG in der Tendenz stärker ab als in der KoG (mittlere Effektstärke). In der Katamnese nahmen die Selbsteinschätzungen von ExG und KoG in gleichem Ausmaß weiter ab. Im dreistufigen Modell ergibt sich kein Interaktionseffekt. Auch in der Sucht ergeben sich im zwei- und dreistufigen Modell keine bedeutsamen Unterschiede in den Mittelwertsverläufen für ExG und KoG. Die Hypothese, dass Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilneh156 men, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des „borderline“- Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit Borderline-Persönlichkeitsstörung konnte insofern nicht bestätigt werden. In der Psychosomatik zeigen sich für den Zeitraum Aufnahme zu Entlassung in der Tendenz hypothesenkonforme Mittelwertsveränderungen. Tab. 77 Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „borderline“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung. Skalen (Klinik) borderline (Psychosomatik) borderline (Sucht) Tab. 78 Skalen (Klinik) borderline (Psy) borderline (Sucht) Gruppe Aufnahme x s ExG 65,24 7,64 KoG 61,52 6,82 ExG 67,68 6,64 KoG 61,89 6,20 ExG 59,67 8,37 KoG 59,92 6,73 ExG 61,40 9,57 KoG 60,85 7,89 Entlassung x s 59,58 9,77 59,32 7,80 61,95 8,93 58,06 6,75 56,19 10,28 58,17 8,90 53,80 9,08 59,31 9,38 Katamnese x s 58,50 55,39 11,13 8,63 52,10 58,31 8,75 8,91 N 33 25 22 18 21 24 10 13 Hypothesentestung für Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „borderline“ als abhängiger Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW 1,0 20** ,26+++ 3,9* ,07++ 4,4* ,10++ 16** ,46+++ ,6 ,3 3,5* ,08++ ,4 1,5 4,1* ,29+++ 1,4 Ergebnisse für Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „selbstunsicher“ / „selbstzweifelnd“ / „selbstkritisch“ In beiden Kliniken nahmen sich Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung auf der PSSI-Skala „selbstunsicher“ bei Entlassung unabhängig vom Treatment in statistisch bedeutsamer Weise weniger „selbstunsicher“ wahr, was sich in einem signifikanten Meßwiederholungseffekt im zwei und dreistufigen Messmodell wiederspiegelt. Die Effekte fallen mittel bis hoch aus. Im Katamnesezeitraum kam es zu einer Stabilisierung der Therapieergebnisse. Es zeigt sich keine statistische Signifikanz des Interaktionseffektes im zwei- und dreistufigen Modell. Die Hypothese, dass Patienten mit selbstunsicher Persönlichkeitsstörung, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des selbstunsicheren Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung konnte nicht bestätigt werden. 157 Tab. 79 Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „selbstunsicher“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s ExG 66,78 7,77 60,27 10,58 41 selbstunsicher (Psychosomatik) KoG 66,17 7,33 61,19 8,03 48 ExG 67,69 7,59 62,97 9,38 63,97 9,10 29 KoG 65,83 6,95 59,86 7,60 60,31 11,02 36 ExG 63,06 8,42 60,42 8,43 48 selbstunsicher (Sucht) KoG 60,09 7,31 56,85 8,32 47 Tab. 80 Skalen (Klinik) Hypothesentestung für Patienten mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „selbstunsicher als abhängiger Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Gru MW η2 η2 selbstunsich. ,0 (Psy) selbstunsich. 5,5* (Sucht) ,06++ 43** ,33+++ Gru* MW ,8 11** ,10++ ,1 η2 Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 η2 MW 2,4 15** ,32+++ ,3 2,1 6,4** η2 ,17+++ 2,0 Ergebnisse für Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung in der PSSISkala „abhängig“ / „anhänglich“ / „loyal“ In der Psychosomatik nahmen sich Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung bei Entlassung unabhängig vom Treatment in statistisch bedeutsamer Weise weniger „abhängig“ wahr, was sich in einem signifikanten Meßwiederholungseffekt im zweistufigen Messmodell und einer hohen Effektstärke wiederspiegelt. In der Sucht zeigt sich dieser Effekt nur im zweistufigen Modell in der Tendenz (mittlere Effektstärke), nicht jedoch im dreistufigen Modell. Im dreistufigen Messmodell zeigt sich in der Psychosomatik derselbe (hohe) Effekt zwischen Aufnahme- und Entlassungszeitpunkt bei unwesentlichen Veränderungen beider Gruppen in der Katamnese relativ zur Entlassung. Beim Vergleich von ExG und KoG über die verschiedenen Messzeitpunkte hinweg ergeben sich keine bedeutsamen Interaktionseffekte. Die Hypothese, dass Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des abhängigen Persön- 158 lichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG mit dependenter Persönlichkeitsstörung konnte nicht bestätigt werden. Tab. 81 Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „abhängig“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s ExG 63,50 7,76 58,05 9,62 20 abhängig (Psychosomatik) KoG 63,96 10,65 59,09 11,54 23 ExG 63,00 7,97 59,25 11,29 60,33 7,48 12 KoG 63,64 12,33 58,43 11,29 56,43 9,44 14 ExG 60,75 9,20 55,54 10,01 24 abhängig (Sucht) KoG 57,56 8,56 56,69 12,98 16 ExG 59,94 9,96 55,72 10,91 55,17 11,33 18 KoG Tab. 82 57,78 10,71 57,78 13,88 55,44 12,17 9 Hypothesentestung für Patienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung und den PSSISkalen bzw. –Stilen „selbstunsicher“, „zwanghaft“, „narzißtisch“, „abhängig“, „borderline“ und „histrionisch“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen (Klinik) Aufnahme-Entlassung Gru MW η2 η2 abhängig (Psy) abhängig (Sucht) ,1 22** ,35+++ Gru* MW ,1 ,1 5,2* ,10++ 2,7 η2 Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 η2 MW ,1 7,7** ,40+++ 1,1 ,0 2,5 η2 ,8 Ergebnisse für Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung in der PSSI-Skala „histrionisch“ / „selbstdarstellerisch“ / „liebenswürdig“ Aufgrund von sehr kleinen Zellenbesetzungen (n < 5) in der Psychosomatik (insbesondere in der KoG, n=2 im zweistufigen Modell und n=4 im dreistufigen Modell) sowie im dreistufigen Messmodell der Sucht (für beide Gruppen jeweils n=3) wurden nur die Daten für die Zeitpunkte Aufnahme-Entlassung aus der Sucht varianzanalytisch ausgewertet, da hier die Zellenbesetzungen zumindest die von uns festgelegte Mindestanforderung von n = 5 erfüllten. In der Sucht ergab sich bei Entlassung für die Skala „histrionisch“ eine statistisch signifikante Zunahme der Selbsteinschätzung als „histrionisch“ über beide Treatments hinweg. Dies drückt sich in einem signifikanten und hohen Messwiederholungseffekt im zweistufigen Messmodell aus. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen ExG und KoG hinsichtlich der Mittelwertsverläufe bzw. ein Interaktionseffekt ergab sich hier nicht. 159 Insofern konnte die Hypothese, dass Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, bei sich eine ausgeprägtere Abschwächung des histrionischen Persönlichkeitsstils wahrnehmen als Patienten der KoG, nicht bestätigt werden. Tab. 83 Mittelwerte und Standardabweichungen für Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung in den PSSI-Skalen bzw. –Stilen „selbstunsicher“, „zwanghaft“, „narzißtisch“, „abhängig“, „borderline“ und „histrionisch“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme des Stils in der Selbstwahrnehmung. Skalen (Klinik) histrionisch (Psychosomatik) histrionisch (Sucht) Gruppe Aufnahme x s KoG 51,33 10,26 ExG 53,50 9,68 KoG 63,75 3,30 ExG 51,20 6,34 KoG 65,00 1,41 ExG 53,80 5,02 KoG 49,67 8,52 ExG 51,00 3,46 KoG 47,00 10,54 Entlassung x s 54,33 6,66 57,75 11,71 61,25 6,85 58,20 13,31 58,50 7,78 64,60 8,73 56,83 8,64 62,67 9,81 56,67 13,65 Katamnese x s 50,33 6,35 54,00 60,50 13,27 7,78 54,00 49,33 3,61 8,39 N 3 8 4 5 2 5 6 3 3 Tab. 84 Hypothesentestung für Patienten mit histrionischer Persönlichkeitsstörung und den PSSI-Skalen bzw. –Stilen „selbstunsicher“, „zwanghaft“, „narzißtisch“, „abhängig“, „borderline“ und „histrionisch“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese (Klinik) Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW histrionisch 2,0 15** ,63++ ,6 + (Sucht) Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung "Persönlichkeitsfähigkeiten im sozialen Kontakt " Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG größere Verbesserungen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeitsfähigkeiten zeigen als vergleichbare Patienten der KoG, wurde der PFI eingesetzt. In beiden Kliniken konnten sich während des stationären Aufenhaltes sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsfähigkeiten wesentlich verbessern. Die deutlichen Verbesserungen spiegeln sich über fast alle Skalen in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. In der Skala „Selbstbeherrschung“ zeigt sich dieser Effekt für beide Kliniken nur in der Tendenz. In der Skala „Geduld“ in der Psychosomatik ergeben sich keine bedeutsamen Mittelwertsveränderungen. Aus diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, daß sich sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG hinsichtlich ihrer Fähigkeit, andere zu unterstützen und ihnen bei Problemen zu helfen (Unterstützung), ihrer Fähigkeit, legitime Interessen in di- 160 rekter Interaktion durchzusetzen (Durchsetzung), ihrer Fähigkeit, Kontakte zu initiieren und die eigene Person positiv darzustellen (Kontakte) sowie ihrer Fähigkeit, konzentriert und ausdauernd zu arbeiten und längerfristige Ziele konsequent zu verfolgen (Ausdauer) wesentlich verbessert haben. Hinsichtlich ihrer Fähigkeit, eigene Anliegen zurückzustellen, Anweisungen und Ratschläge zu akzeptieren und eigene Planungen zu überdenken (Geduld) konnten die Patienten in der Sucht signifikante Fortschritte erzielen. Diese Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken für die Entwicklung von Persönlichkeitsfähigkeiten. Die Ergebnisse sprechen in beiden Kliniken dafür, daß die Patienten der ExG während der Rehabilitation ihre Persönlichkeitsfähigkeiten verglichen mit den Patienten der KoG nicht stärker verbessern konnten. Über alle Skalen zeigen sich keine statistisch signifikanten Interaktionseffekte in erwarteter Richtung. Die Ergebnisse sprechen in beiden Kliniken dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einem Zuwachs von Persönlichkeitsfähigkeiten bis zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhen konnte. Im 1-Jahres-Katamnesezeitraum gelang es den Patienten beider Untersuchungsbedingungen über fast alle Skalen hinweg, ihre Therapieerfolge im Bereich Persönlichkeitsfähigkeiten zumindest zu stabilisieren. Die Skalenmittelwerte im Bereich Persönlichkeitsfähigkeiten blieben im Katamnesezeitraum in beiden Untersuchungsbedingungen über fast alle Skalen hinweg weitgehend stabil oder nahmen teilweise leicht zu. Signifikante Messwiederholungseffekte ergaben sich im dreistufigen Modell noch für die Skalen „Durchsetzung“ und „Kontakt“ in beiden Kliniken. Für die Skalen „Selbstbeherrschung“, „Ausdauer“, „Geduld“ und „Unterstützung“ ergaben sich nur noch in der Sucht signifikante Messwiederholungseffekte. In der Psychosomatik zeichnet sich nur in der Skala „Ausdauer“ in der Tendenz ein Effekt ab. Auch im dreistufigen Modell ergeben sich in allen Skalen keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Mittelwertsverläufen von ExG und KoG. Insofern kann davon ausgegangen werden, daß sich für die ExG auch während des Katamnesezeitraums relativ zur KoG keine signifikant günstigeren Effekte hinsichtlich der untersuchten Persönlichkeitsfähigkeiten ergeben haben. Im Bereich „Persönlichkeitsfähigkeiten“ konnte die zu überprüfende Hypothese insofern nicht bestätigt werden. Betrachtet man die η2 –Werte, so fallen die signifikanten Messwiederholungseffekte mittel bis hoch aus. 161 Tab. 85 Mittelwerte und Standardabweichungen für die PFI-Skalen „Unterstützung“, „Durchsetzung“, „Geduld“, „Kontakte“, „Selbstbeherrschung“ und „Ausdauer“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme der Selbsteinschätzung einer spezifischen Persönlichkeitsfähigkeit. Skalen (Klinik) Unterstützung (Psychosomatik) Gruppe Aufnahme x s ExG 3,45 ,74 KoG 3,27 ,62 ExG 3,46 ,74 KoG 3,33 ,61 ExG 3,58 ,60 Unterstützung (Sucht) KoG 3,42 ,60 ExG 3,56 ,61 KoG 3,37 ,63 ExG 2,84 ,85 Durchsetzung (Psychosomatik) KoG 2,81 ,82 ExG 2,83 ,85 KoG 2,87 ,78 ExG 3,13 ,83 Durchsetzung (Sucht) KoG 3,11 ,85 ExG 3,11 ,85 KoG 3,10 ,81 ExG 3,58 ,67 Geduld (Psychosomatik) KoG 3,57 ,55 ExG 3,62 ,69 KoG 3,68 ,47 ExG 3,70 ,52 Geduld (Sucht) KoG 3,61 ,58 ExG 3,66 ,49 KoG 3,67 ,61 ExG 2,58 ,82 Kontakt (Psychosomatik) KoG 2,43 ,78 ExG 2,59 ,82 KoG 2,41 ,78 ExG 2,74 ,81 Kontakt (Sucht) KoG 2,70 ,75 ExG 2,66 ,73 KoG 2,63 ,76 2,92 ,58 Selbstbeherrschung ExG (Psychosomatik) KoG 3,03 ,55 ExG 2,98 ,54 KoG 3,09 ,51 3,11 ,55 Selbstbeherrschung ExG (Sucht) KoG 3,13 ,59 ExG 3,08 ,51 KoG 3,13 ,59 ExG 2,95 ,65 Ausdauer (Psychosomatik) KoG 2,88 ,60 ExG 2,96 ,61 KoG 2,94 ,63 ExG 3,23 ,58 Ausdauer (Sucht) KoG 3,26 ,57 ExG 3,25 ,57 KoG 3,27 ,59 Entlassung x s 3,52 ,68 3,48 ,61 3,43 ,69 3,50 ,52 3,71 ,55 3,58 ,64 3,64 ,54 3,57 ,63 3,14 ,82 3,02 ,81 3,10 ,82 3,05 ,74 3,49 ,81 3,47 ,82 3,47 ,81 3,48 ,80 3,64 ,65 3,63 ,53 3,63 ,65 3,70 ,47 3,83 ,54 3,78 ,60 3,78 ,52 3,81 ,58 2,84 ,84 2,67 ,83 2,81 ,87 2,62 ,83 3,09 ,81 3,02 ,78 3,03 ,76 2,99 ,77 3,01 ,54 3,06 ,53 3,01 ,52 3,12 ,54 3,21 ,54 3,18 ,58 3,19 ,56 3,22 ,60 3,03 ,64 3,05 ,62 3,00 ,64 3,06 ,63 3,36 ,58 3,43 ,61 3,37 ,60 3,47 ,61 162 Katamnese x s 3,47 3,49 ,70 ,64 3,75 3,61 ,62 ,68 3,02 3,08 ,82 ,77 3,48 3,54 ,80 1,03 3,63 3,72 ,69 ,55 3,91 3,81 ,62 ,61 2,65 2,70 ,86 ,79 3,09 3,02 ,73 1,02 3,02 3,17 ,53 ,53 3,29 3,38 ,59 ,65 3,00 3,02 ,57 ,58 3,43 3,48 ,55 ,78 N 102 110 64 71 97 103 69 64 102 110 63 71 97 103 68 64 102 110 63 71 98 103 69 64 101 109 63 70 97 103 69 64 101 109 63 71 97 103 68 64 101 110 63 71 97 104 68 65 Tab. 86 Skalen (Klinik) Hypothesentestung für die PFI-Skalen „Unterstützung“ (Unterstütz), „Durchsetzung“ (Durchsetz), „Geduld“, „Kontakte“, „Selbstbeherrschung“ (Selbstbeherr) und „Ausdauer“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW ,02+ ,0 2,2 3,4* ,05+ 1,6 17** ,07++ 4,1* Unterstütz (Psy) Unterstütz (Sucht) Durchsetz (Psy) Durchsetz (Sucht) Geduld (Psy) Geduld (Sucht) Kontakt (Psy) Kontakt (Sucht) Selbstbeherr (Psy) Selbstbeherr (Sucht) Ausdauer (Psy) Ausdauer (Sucht) 3,4 24** ,11++ 1,8 16** ,20+++ 1,4 ,5 42** ,17+++ 1,0 ,0 18** ,21+++ 1,1 ,0 80** ,29+++ ,0 0 34** ,35+++ ,2 ,0 3,0 ,0 ,6 ,3 1,1 20** ,09++ ,3 ,0 10** ,14+++ 1,1 2,3 46** ,18+++ ,1 ,6 13** ,17+++ 3,7* ,3 73** ,27+++ ,2 ,2 36** ,36+++ ,1 1,3 3,9* ,02+ ,9 2,4 1,1 0 5,0* ,03+ ,5 ,4 15** ,19+++ ,2 ,1 14** ,07++ 1,9 ,0 2,1* ,03+ ,4 25** ,11++ ,4 ,4 13** ,17+++ ,7 ,2 ,7 ,05+ ,2 ,5 Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Interpersonelle Probleme“ Zur Überprüfung der Hypothese, daß sich bei Patienten der ExG größere Effekte hinsichtlich einer Abschwächung interpersoneller Probleme zeigen als bei vergleichbaren Patienten der KoG wurde der IIP-D eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG beider Kliniken konnten während des stationären Aufenhaltes ihre interpersonalen Probleme wesentlich reduzieren. Diese deutlichen Verbesserungen spiegeln sich über alle Skalen hinweg in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Aus diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, daß sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zum Zeitpunkt der Entlassung eine signifikante Abschwächung ihrer interpersonalen Probleme wahrnehmen und sich im einzelnen als signifikant weniger zu autokratisch / zu dominant, zu streitsüchtig / zu konkurrierend, zu abweisend / zu kalt, zu introvertiert / zu sozial vermeidend, zu selbstunsicher / zu unterwürfig, zu fürsorglich / zu freundlich, zu ausnutzbar / zu nachgiebig und zu expressiv / zu aufdringlich beschrieben. Diese Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken zur Abschwächung interpersoneller Probleme. 163 In der Psychosomatik weisen signifikante Interaktionseffekte in den Skalen abweisend, introvertiert, und selbstunsicher darauf hin, daß die Patienten der ExG gegenüber den Patienten der KoG insgesamt eine bedeutsam höhere Abschwächung ihrer interpersonellen Probleme wahrnehmen. In der Skala „streitsüchtig“ und in der IIPGesamtskala zeigen sich diese Effekte in der Tendenz. Im einzelnen nehmen Patienten, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, sich zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem stationären Setting statistisch bedeutsam weniger zu abweisend / zu kalt, zu introvertiert / zu sozial vermeidend und zu selbstunsicher / zu unterwürfig wahr. Auf diesen Dimensionen konnte insofern eine höhere Effektivität der Therapie durch die Durchführung des neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramms nachgewiesen werden. In der Tendenz zeigt sich dieser Effekt auch für die Skala „zu streitsüchtig / zu konkurrierend“. Insgesamt nehmen sie in der Tendenz eine Abschwächung ihrer interpersonellen Probleme wahr. In den anderen Skalen der Psychosomatik sowie in allen IIP-Skalen der Sucht zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede der Mittelwertsverläufe zwischen den Gruppen. Die Daten weisen darauf hin, dass es in der Sucht den Patienten der ExG und der KoG im 1-Jahres-Katamnesezeitraum über alle Skalen hinweg gelungen ist, die erzielten Therapieerfolge im Bereich interpersonelle Probleme zumindest weitgehend zu festigen oder sogar noch auszubauen. Während im dreistufigen Messmodell für alle Skalen die Messwiederholungseffekte signifikant sind, ergeben sich keine signifikanten Interaktionseffekte, was darauf schließen lässt, dass sich in der Sucht für die ExG auch während des Katamnesezeitraums relativ zur KoG keine signifikant günstigeren Effekte im Sinne einer Abschwächung interpersoneller Probleme ergeben haben. Auch in der Psychosomatik ergaben sich im dreistufigen Messmodell erneut durchgängig signifikante Messwiederholungseffekte. Vergleicht man im dreistufigen Messmodell die Effekte der ExG und KoG miteinander, so ergibt sich im Katamnesezeitraum gegenüber dem Zeitraum „Aufnahme zu Entlassung“ eine gegenläufige, für die Skalen „zu streitsüchtig“ und „zu abweisend“ in der Psychosomatik signifikante Mittelwertsentwicklung im Sinne einer ungünstigen Zunahme der Mittelwerte in der ExG und eine weitere günstige Entwicklung der Werte in der KoG. Dies spiegelt sich in signifikanten Interaktionseffekten im dreistufigen Messmodell auch bei zweiseitiger Testung wieder. In der Tendenz zeigt sich diese Entwicklung auch für die Skala „zu introvertiert“. Die Ergebnisse sprechen 1 Jahr nach der Rehabilitation insgesamt für einen etwas günstigeren Rehabilitationsverlauf der KoG, der ausschließlich auf Verbesserungen in der Zeit nach der Rehabilitation zurückzuführen ist. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Hypothese, dass sich bei Patienten, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, die Wahrnehmung interpersoneller Probleme stärker abschwächt als bei Patienten der KoG in der Psychosomatik für den Zeitraum Aufnahme zu Entlassung über mehrere Skalen hinweg bestätigt werden konnte. In der Psychosomatik zeigen allerdings 1 Jahr nach der Rehamaßnahme die Patienten der ExG keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse als Patienten der KoG hinsichtlich der Abschwächung interpersoneller Probleme. In der Sucht konnte die Hypothese generell nicht bestätigt werden. 164 Die Effektstärken der Messwiederholungseffekte sind meist hoch und selten von mittlerer Höhe, die der Interaktionseffekte fallen leicht aus (bis auf einen mitteren Effekt der Skala „streitsüchtig“ in der Psychosomatik im dreistufigen Modell). Tab. 87 Mittelwerte und Standardabweichungen für die IIP-D-Skalen „autokratisch“, „streitsüchtig“, „abweisend“, „introvertiert“, selbstunsicher, „ausnutzbar“, „fürsorglich“, „expressiv“ und „Gesamtschwierigkeiten“ (Gesamt). Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, niedrigere Werte bedeuten eine Abnahme der Selbsteinschätzung hinsichtlich eines bestimmten interpersonellen Problembereichs. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s ExG 16,07 6,17 14,08 6,28 121 autokratisch (Psychosomatik) KoG 17,10 5,89 15,36 6,25 122 ExG 16,09 6,22 14,12 6,49 14,96 7,11 82 KoG 16,51 5,52 15,26 6,06 14,73 6,33 82 ExG 14,55 5,09 11,82 5,60 106 autokratisch (Sucht) KoG 15,03 5,35 12,21 6,20 109 ExG 14,73 4,96 12,26 4,99 12,30 6,05 73 KoG 15,03 5,29 12,06 6,30 12,03 6,33 70 ExG 16,69 4,85 13,95 5,52 121 streitsüchtig (Psychosomatik) KoG 16,35 4,85 14,80 5,46 122 ExG 16,74 5,02 13,95 5,88 15,94 5,89 82 KoG 16,11 4,89 15,05 5,44 14,49 5,50 82 ExG 14,82 4,66 12,54 5,08 106 streitsüchtig (Sucht) KoG 15,49 4,99 12,57 5,43 109 ExG 15,36 4,29 13,08 5,13 12,40 6,20 73 KoG 15,67 5,06 12,77 5,34 12,10 6,32 70 ExG 17,74 6,08 13,65 6,82 121 abweisend (Psychosomatik) KoG 17,78 6,50 16,25 7,30 122 ExG 17,65 5,99 14,17 6,60 16,24 6,59 82 KoG 17,87 6,50 16,48 7,25 15,71 6,90 82 ExG 15,93 5,98 12,73 6,16 106 abweisend (Sucht) KoG 15,96 5,81 12,91 6,54 109 ExG 16,12 5,58 12,89 6,10 12,59 6,84 73 KoG 16,67 5,62 13,21 6,41 13,80 7,52 70 ExG 16,59 5,44 13,19 6,35 122 introvertiert (Psychosomatik) KoG 16,81 5,46 15,11 6,22 122 ExG 16,49 5,60 13,34 6,44 15,34 6,21 83 KoG 16,84 5,49 15,06 6,32 14,71 6,09 82 ExG 14,26 5,26 11,20 5,46 106 introvertiert (Sucht) KoG 14,90 5,91 11,91 6,04 109 ExG 14,37 4,84 11,64 5,40 11,77 6,18 73 KoG 15,20 5,63 11,93 6,14 11,94 6,84 70 ExG 19,44 5,76 14,87 6,90 121 selbstunsicher (Psychosomatik) KoG 18,80 5,98 16,49 6,64 122 ExG 19,17 5,72 15,00 7,00 17,56 6,64 82 KoG 18,79 6,01 16,10 6,67 16,46 6,07 82 ExG 16,91 5,88 13,15 5,80 106 selbstunsicher (Sucht) KoG 17,17 5,72 13,59 6,35 109 ExG 17,11 5,83 13,21 5,68 13,53 6,26 73 KoG 17,59 5,23 14,10 6,04 13,93 6,98 70 165 Fortsetzung Tab. 87 ausnutzbar (Psychosomatik) ausnutzbar (Sucht) fürsorglich (Psychosomatik) fürsorglich (Sucht) expressiv (Psychosomatik) expressiv (Sucht) Gesamt (Psychosomatik) Gesamt (Sucht) ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG 15,21 15,11 14,93 15,38 12,62 13,53 12,63 13,57 14,69 14,98 14,71 14,82 13,15 13,17 13,34 13,54 14,90 15,52 14,79 15,16 14,57 14,27 14,56 14,54 2,08 2,09 2,08 2,09 1,80 1,84 1,82 1,88 6,50 5,48 5,08 5,20 5,16 5,54 4,79 5,90 5,30 5,14 5,41 4,96 4,60 4,93 4,63 4,72 4,95 4,99 5,07 5,16 4,77 5,52 4,38 5,47 ,56 ,61 ,57 ,59 ,58 ,63 ,55 ,61 12,42 13,26 12,98 13,52 10,12 10,69 10,59 10,41 13,00 13,60 13,55 13,45 10,58 10,82 11,00 10,90 12,74 13,87 12,88 13,72 11,61 11,75 11,86 12,13 1,76 1,89 1,83 1,91 1,48 1,51 1,52 1,51 166 5,74 5,95 5,95 5,78 5,23 5,89 5,09 5,80 5,78 5,64 5,79 5,45 5,24 5,81 5,10 5,59 4,76 5,57 4,71 5,48 4,90 5,62 4,69 5,42 ,64 ,69 ,63 ,68 ,61 ,66 ,59 ,67 14,02 13,93 6,12 5,87 10,82 10,24 5,81 6,59 14,52 13,72 6,06 5,56 10,48 10,50 5,83 5,23 14,13 13,48 5,68 5,46 11,44 11,47 5,40 6,01 1,93 1,88 ,71 ,65 1,48 1,49 ,70 ,76 121 122 82 82 106 109 73 70 121 122 82 82 106 109 73 70 121 122 82 82 106 109 73 70 108 115 74 77 114 113 81 73 Tab. 88 Hypothesentestung für die IIP-D-Skalen „autokratisch“, „streitsüchtig“, „abweisend“, „introvertiert“, selbstunsicher, „ausnutzbar“, „fürsorglich“, „expressiv“ und „Gesamtschwierigkeiten“ (Gesamt) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese (Klinik) Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW autokratisch 2,5 39** ,14+++ ,2 ,3 11** ,12++ 1,4 (Psy) autokratisch ,4 ,0 22** ,24+++ ,2 58** ,22+++ ,0 (Sucht) streitsüchtig ,2 45** ,16+++ 3,5* ,01+ ,2 13** ,14+++ 5,0** ,06++ (Psy) streitsüchtig ,3 69** ,25+++ 1,0 ,0 31** ,31+++ ,4 (Sucht) abweisend ,6 17** ,18+++ 4,5** ,05+ 2,9 58** ,19+++ 11** ,05+ (Psy) abweisend ,0 65** ,23+++ ,0 ,6 28** ,28+++ ,5 (Sucht) introvertiert ,4 18** ,19+++ 3,5* ,04+ 2,5 55** ,19+++ 6,1** ,03+ (Psy) introvertiert ,9 82** ,28+++ ,0 ,3 28** ,29+++ ,3 (Sucht) selbstunsich ,5 76** ,24+++ 8,3** ,03+ ,0 29** ,27+++ 2,4 (Psy) selbstunsich ,2 ,5 39** ,36+++ ,2 95** ,31+++ ,0 (Sucht) ausnutzbar ,3 43** ,15+++ 1,7 ,2 13** ,14+++ ,7 (Psy) ausnutzbar 1,3 59** ,22+++ ,2 ,0 21** ,22+++ 1,3 (Sucht) fürsorglich ,3 ,1 6,7** ,08++ ,7 ,5 26** ,1++ (Psy) fürsorglich ,0 69** ,24+++ ,1 ,0 31** ,31+++ ,1 (Sucht) expressiv 2,4 37** ,13++ ,7 ,1 9,5** ,11++ 1,9 (Psy) expressiv ,0 66** ,24+++ ,4 ,0 26** ,27+++ ,1 (Sucht) Gesamt ,8 68** ,24+++ 3,3* ,02+ ,0 19** ,21+++ 1,2 (Psy) Gesamt ,1 28** ,27+++ ,3 ,2 73** ,25+++ ,0 (Sucht) 167 Überprüfung der Hypothese: Soziale Angst und Inkompetenz Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG größere Verbesserungen hinsichtlich sozialer Angst und Inkompetenz zeigen als vergleichbare Patienten der KoG, wurde der U-Fragebogen eingesetzt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG beider Kliniken während des stationären Aufenhaltes soziale Ängste und soziale Inkompetenz deutlich reduzieren konnten. Diese Veränderungen spiegeln sich über alle Skalen des UFragebogens hinweg in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Aus den Daten kann geschlossen werden, daß sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zum Zeitpunkt der Entlassung eine signifikant geringere Fehlschlag- / Kritikangst und Kontaktangst zeigten, bedeutend besser „Nein-sagen“ (im Sinne einer geringeren Nachgiebigkeit) und Fordern konnten, signifikant weniger Schuldgefühle erlebten, wenn Ansprüche anderer nicht erfüllt werden konnten sowie sich als bedeutend weniger anständig (im Sinne einer überhöflichen Beachtung sozialer Normen) einschätzten. Diese Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken zur Abschwächung sozialer Ängste und sozialer Inkompetenz bzw. zum Aufbau von Selbstsicherheit. Die Daten weisen in beiden Kliniken darauf hin, dass die Patienten der ExG während des stat. Aufenthaltes ihre sozialen Ängste und sozialen Inkompetenzen verglichen mit den Patienten der KoG nicht stärker verbessern konnten. Über fast alle Skalen hinweg zeigen sich keine signifikanten Interaktionseffekte. Ein signifikanter (leichter) Interaktionseffekt in der Skala „Anständigkeit“ weist darauf hin, daß sich in der Psychosomatik bei Patienten der ExG im Vergleich zur KoG Anständigkeit im Sinne einer überhöflichen Beachtung von Normen und einer übergroßen Peinlichkeit bei der Verletzung von Anstandsregeln statistisch bedeutsam abmilderte. Die Ergebnisse sprechen in beiden Kliniken dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Abschwächung sozialer Ängste und sozialer Inkompetenz bis zum Entlassungszeitpunkt nicht wesentlich erhöhen konnte. Die Mittelwertsverläufe zeigen, dass es den Patienten beider Untersuchungsbedingungen im 1-Jahres-Katamnesezeitraum über alle Skalen hinweg gelang, ihre Therapieerfolge im Bereich soziale Ängste und soziale Inkompetenz noch leicht auszubauen oder zumindest weitgehend zu stabilisieren. Dies spiegelt sich auch im dreistufigen Meßmodell in durchgängig signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Signifikante Interaktionseffekte ergaben sich nicht. Es kann insgesamt davon ausgegangen werden, daß sich für die ExG im dreistufigen Messmodell relativ zur KoG keine signifikant günstigeren Effekte im Bereich soziale Ängste und soziale Inkompetenz ergeben haben. Die zu überprüfende Hypothese konnte insgesamt nicht bestätigt werden. Die Effektstärken der Messwiederholungseffekte fallen in der Regel hoch aus, bei wenigen mittleren Effekten und einem geringen Effekt. 168 Tab. 89 Mittelwerte und Standardabweichungen für die U-Fragebogen-Skalen „Fehlschlagangst“, „Kontaktangst“, „Fordern können“, „Nicht-nein-sagen-können“, „Schuldgefühle“ und „Anständigkeit“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s Fehlschlagangst ExG 49,39 16,66 42,09 16,25 122 KoG 50,37 14,92 44,98 15,51 123 ↓ (Psychosomatik) ExG 48,07 16,78 42,10 16,57 43,33 18,79 83 KoG 50,83 15,62 45,81 15,83 43,62 17,77 82 Fehlschlagangst ExG 42,64 18,84 33,75 17,45 114 KoG 41,31 17,28 33,27 17,21 111 ↓ (Sucht) ExG 44,60 18,33 34,33 17,12 32,54 18,01 80 KoG 43,10 16,27 33,96 16,70 33,46 18,88 71 Kontaktangst ExG 41,51 15,54 35,10 15,87 122 KoG 41,98 15,33 37,74 15,79 123 ↓ (Psychosomatik) ExG 41,16 15,67 35,29 15,57 35,96 16,98 83 KoG 41,90 16,28 38,40 16,34 36,83 16,86 82 Kontaktangst ExG 37,06 15,59 31,17 15,50 114 KoG 39,65 15,47 34,41 15,92 111 ↓ (Sucht) ExG 38,94 14,50 32,23 15,50 31,43 16,26 80 KoG 40,28 14,20 33,89 15,77 32,94 17,55 71 Fordern können ExG 26,12 13,20 32,75 13,18 122 KoG 28,00 13,61 32,87 12,28 123 ↑ (Psychosomatik) ExG 25,86 12,94 32,23 12,48 30,82 12,99 83 KoG 28,21 12,97 33,13 12,13 31,72 13,93 82 Fordern können ExG 34,18 14,14 40,14 14,56 114 KoG 32,72 12,13 39,26 12,29 111 ↑ (Sucht) ExG 33,88 14,21 40,29 14,20 41,74 13,48 80 KoG 31,34 11,86 37,87 12,17 38,45 13,51 71 Nicht-nein-sagen ExG 30,70 10,90 26,75 10,83 122 KoG 31,76 10,68 28,60 9,69 123 ↓ (Psychosomatik) ExG 30,54 10,54 27,60 10,21 27,43 11,32 83 KoG 31,18 10,98 28,61 10,43 27,88 10,87 82 Nicht-nein-sagen ExG 30,01 11,77 23,68 11,94 114 KoG 29,11 11,39 22,82 11,75 111 ↓ (Sucht) ExG 30,85 11,46 23,88 12,34 23,99 11,55 80 KoG 30,62 9,84 23,92 10,99 22,92 12,74 71 Schuldgefühle ExG 8,39 5,94 6,76 5,45 119 KoG 8,08 5,68 7,21 5,53 121 ↓ (Psychosomatik) ExG 8,20 5,94 6,73 5,15 8,04 5,81 80 KoG 7,73 5,82 7,36 5,60 7,64 6,17 81 Schuldgefühle ExG 8,01 5,54 5,89 4,87 113 KoG 8,23 6,09 6,55 5,44 110 ↓ (Sucht) ExG 8,25 5,46 6,36 4,93 5,99 5,19 80 KoG 7,60 5,76 5,99 4,87 5,30 5,03 70 Anständigkeit ExG 15,96 5,79 13,42 5,80 122 KoG 16,21 5,17 15,07 5,12 123 ↓ (Psychosomatik) ExG 16,13 5,40 13,48 5,75 14,06 5,60 83 KoG 13,23 5,32 15,12 5,09 14,73 5,84 82 Anständigkeit ExG 14,80 5,59 12,25 5,49 114 KoG 15,04 5,04 13,16 5,54 111 ↓ (Sucht) ExG 15,09 5,31 12,39 5,33 13,33 5,76 80 KoG 14,80 5,09 13,17 5,17 12,44 5,49 71 169 Tab. 90 Hypothesentestung für die U-Fragebogen-Skalen „Fehlschlagangst“ (Fehl.angst), „Kontaktangst“, „Fordern können“ (Fordern), „Nicht-nein-sagen-können“ (Nicht-nein-s.), „Schuldgefühle“ und „Anständigkeit“ (Anständigk.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie AufnahmeEntlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese (Klinik) Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW Fehl.angst 1,1 56** ,19+++ 1,3 ,9 18** ,19+++ 1,5 (Psy) Fehl.angst ,0 47** ,39+++ ,5 ,2 78** ,26+++ ,2 (Sucht) Kontaktangst ,7 48** ,17+++ 2 ,5 18** ,19+++ 1,0 (Psy) Kontaktangst 2,3 44** ,17+++ ,2 ,4 27** ,27+++ ,0 (Sucht) Fordern ,6 26** ,24+++ ,5 ,4 64** ,21+++ 1,5 (Psy) Fordern ,5 67** ,23+++ ,1 2,1 36** ,33+++ ,1 (Sucht) Nicht-nein-s. 1,4 34** ,12++ ,4 ,2 12** ,13++ ,1 (Psy) Nicht-nein-s. ,4 91** ,29+++ ,0 ,1 52** ,41+++ ,3 (Sucht) Schuldgefühl ,0 17** ,07++ 1,6 4,3** ,05+ 1,7 (Psy) Schuldgefühl ,4 ,6 15** ,17+++ ,1 30** ,12++ ,4 (Sucht) Anständigk. 2,2 39** ,14+++ 5,6** ,02+ 1,1 17** ,17+++ 2,5* ,03+ (Psy) Anständigk. ,8 42** ,16+++ ,9 ,0 17** ,19+++ 3,1* ,04+ (Sucht) Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Selbstwirksamkeit und Basisfertigkeiten“ Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen in ihrer Selbstwirksamkeit, ihrer Anforderungsbewältigung und in allgemeinen Basisfertigkeiten zeigen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe, wurde die Selbstwirksamkeitsskala sowie die Skalen „Anforderungsbewältigung“ und „Basisfertigkeiten“ (personale Kompetenzen) eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG nehmen in beiden Kliniken zum Ende ihrer Rehabilitation eine deutliche Verbesserung ihrer Selbstwirksamkeit, ihrer Anforderungsbewältigung und ihrer allgemeinen Basisfertigkeiten wahr. Diese Veränderungen spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder, sowohl im zwei- als auch im dreistufigen Messmodell. Die deutlichen Veränderungen in den Bereichen Selbstwirksamkeit, Anforderungsbewältigung und Basisfertigkeiten für Patienten beider Untersuchungsbedingungen und beider Kliniken sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken für eine Förderung von Selbstwirksamkeit, den Aufbau von allgemeinen Basisfertigkeiten und eine Verbesserung der Anforderungsbewältigung. In der Post170 phase kam es in der Sucht unabhängig vom Treatment über alle Skalen hinweg zu einer weitgehenden Stabilisierung, teilweise sogar zu einer weiteren Verbesserung der während der Rehamaßnahme erreichten Fortschritte. In der Psychosomatik gelang es den Pat. beider Gruppen nicht ganz, die in der Rehabilitation erzielten Fortschritte in der Katamnese auch aufrechtzuerhalten. Die Pat. beider Gruppen schätzten sich jedoch noch deutlich gebessert zum Ausgangsniveau ein. Die in beiden Kliniken während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen sind bei Patienten der Experimentalgruppe jedoch nicht höher als bei Patienten der Kontrollgruppe. Statistisch bedeutsame Unterschiede in den Mittelwertsveränderungen zwischen ExG und KoG konnten für die Skalen Selbstwirksamkeit, Basisfertigkeiten und Anforderungsbewältigung nicht gefunden werden. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Verbesserung in den Bereichen Selbstwirksamkeit, Anforderungsbewältigung und allgemeinen Basisfertigkeiten in beiden Kliniken nicht erhöhen konnte bzw. Patienten der ExG in diesem Bereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen als die KoG. Insofern konnte die zu überprüfende Hypothese in diesem Bereich nicht bestätigt werden. Die Effektstärken der Messwiederholungseffekte sind durchgängig hoch (bis auf einen mittleren Effekt). Tab. 91 Mittelwerte und Standardabweichungen für die Selbstwirksamkeitsskala (SWS) und die FPF-Skalen „Basisfertigkeiten“ und „Anforderungsbewältigung“ (Anforderungsbe.). Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen (Klinik) SWS ↑ (Psychosomatik) SWS ↑ (Sucht) Basisfertigkeiten ↓ (Psychosomatik) Basisfertigkeiten ↓ (Sucht) Anforderungsbe. ↓ (Psychosomatik) Anforderungsbe. ↓ (Sucht) Gruppe Aufnahme x s ExG 2,94 ,90 KoG 2,90 ,89 ExG 2,89 ,91 KoG 2,92 ,90 ExG 3,38 1,01 KoG 3,29 1,05 ExG 3,38 1,02 KoG 3,20 1,08 ExG 4,06 ,81 KoG 4,03 ,83 ExG 4,09 ,84 KoG 4,04 ,87 ExG 3,64 ,83 KoG 3,70 ,85 ExG 3,69 ,81 KoG 3,75 ,86 ExG 3,79 ,98 KoG 3,84 1,11 ExG 3,80 ,98 KoG 3,84 1,15 ExG 3,06 ,91 KoG 3,17 1,14 ExG 3,10 ,94 KoG 3,14 1,19 Entlassung x s 3,38 ,91 3,30 1,10 3,34 ,94 3,26 1,11 4,00 ,95 3,87 1,03 3,96 ,97 3,81 ,99 3,38 ,91 3,53 ,98 3,33 ,89 3,49 ,96 2,89 ,86 3,03 ,92 2,95 ,85 3,04 ,97 3,46 1,14 3,53 1,16 3,41 1,09 3,47 1,12 2,57 ,87 2,75 1,08 2,62 ,89 2,75 1,16 171 Katamnese x s 3,17 3,15 1,02 ,98 4,07 3,82 ,94 1,11 3,71 3,56 ,97 ,94 2,82 3,06 ,94 1,04 3,69 3,42 1,11 1,13 2,57 2,74 1,08 1,26 N 113 120 75 80 110 110 77 71 121 122 83 82 114 111 80 71 120 122 83 82 114 111 80 71 Tab. 92 Skalen (Klinik) SWS (Psy) SWS (Sucht) Basisfertigk. (Psy) Basisfertigk. (Sucht) Anford.bew. (Psy) Anford.bew. (Sucht) Hypothesentestung für die SWS und die FPF-Skalen „Basisfertigkeiten“ (Basisfertigk.) und „Anforderungsbewältigung“ (Anford.bew.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie AufnahmeEntlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW ,3 55** ,19+++ ,1 ,0 21** ,22+++ ,4 ,7 115** ,35*** 1,7 46** ,39+++ ,4 ,3 93** ,0 43** ,35+++ 2,5 1,0 170** ,43+++ ,5 1,1 74** ,50+++ ,9 ,2 29** ,11++ ,0 ,1 14** ,15+++ 2,8 1,5 58** ,21+++ ,4 ,6 23** ,24+++ ,4 ,1 ,28+++ 2,2 Überprüfung der Hypothese: Selbstbeurteilung „Veränderung psychosozialer Fähigkeiten“ Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen hinsichtlich psychosozialer Fähigkeiten, soziale Unterstützung zu erlangen, zeigen als vergleichbare Patienten der Kontrollgruppe wurde der SOZUFragebogen eingesetzt. Während des stationären Aufenhaltes nahm in der Sucht sowohl bei den Patienten der ExG als auch bei den Patienten der KoG die Wahrnehmung von sozialer Unterstützung über alle Skalen hinweg signifikant zu. Aus diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, daß sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zum Zeitpunkt ihrer Entlassung signifikant mehr soziale Unterstützung wahrnehmen, d.h. in der Sucht erleben die Patienten beider Untersuchungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt mehr emotionale und praktische Unterstützung, fühlen sich sozial besser integriert, fühlen sich zufriedener mit der sozialen Unterstützung und verfügen subjektiv über eine Vertrauensperson. In der Psychosomatik zeigen sich diese Effekte überwiegend nur in der Tendenz. Nur in der Skala „soziale Integration“ ergibt sich ein signifikanter Effekt. Diese Ergebnisse sprechen insgesamt für die Effektivität insbesondere des Behandlungsangebots der Sucht zur Steigerung der Wahrnehmung sozialer Unterstützung. Die Ergebnisse sprechen dafür, daß die Patienten der ExG nach dem stat. Aufenthalt nicht mehr soziale Unterstützung wahrnehmen können als die Patienten der KoG. Dies gilt für beide Kliniken. Über alle Skalen hinweg zeigen sich keine signifikante Interaktionseffekte. Die Ergebnisse lassen sich so interpretieren, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Zunahme der Wahrnehmung sozialer Unterstützung im Zeitraum Aufnahme zu Entlassung nicht erhöhen konnte. 172 In der Sucht konnten die Patienten im Bereich soziale Unterstützung die positiven Veränderungen der stationären Phase im Katamnesezeitraum unabhängig vom Treatment aufrechterhalten oder sogar noch weiter verbessern, was sich in signifikanten Messwiederholungseffekten wiederspiegelt. Dieser Effekt zeigt sich in der Skala „Vertrauensperson“ nur in der Tendenz. In der Psychosomatik kam es im 1Jahres-Katamnesezeitraum über alle Skalen hinweg zu einer Stabilisierung der während des stat. Aufenthaltes erzielten Therapieerfolge. Signifikante Messiwiederholungseffekte ergeben sich nur noch für die Skalen „“Soziale Integration“ und „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ wieder. Die „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ nahm in der Psychosomatik erst im 1-Jahreskatamnese-Zeitraum signifikant zu, nachdem es während der stat. Behandlung zu keiner Veränderung kam. Es ergaben sich über alle Skalen hinweg jedoch keine signifikante Interaktionseffekte. Insofern ist aufgrund der Daten davon auszugehen, dass sich auch während des Katamnesezeitraums keine günstigeren Effekte einer der beiden Untersuchungsbedingungen hinsichtlich einer Zunahme der Wahrnehmung sozialer Unterstützung ergaben. Die Ergebnisse lassen sich so interpretieren, dass die Hypothese, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Zunahme der Wahrnehmung sozialer Unterstützung erhöht, nicht bestätigt werden konnte. Die Höhe der Effektstärken variiert für die signifikanten Messwiederholungseffekte von leichten bis hohen Effekten. Dabei fallen die Effekte im dreistufigen Messmodell etwas höher aus. 173 Tab. 93 Mittelwerte und Standardabweichungen für die F-SOZU-Skalen „Emotionale Unterstützung“, „Praktische Unterstützung“, „Soziale Integration“, „Vertrauensperson“ und „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ (Zufr. m. Unterstütz). Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s Emot.Unterstützung ExG 3,61 1,00 3,68 1,03 122 KoG 3,60 1,13 3,71 1,06 122 ↑ (Psychosomatik) ExG 3,59 1,03 3,71 1,02 3,71 1,01 82 KoG 3,71 1,02 3,72 1,02 3,76 1,11 82 Emot.Unterstütz ExG 3,84 ,87 4,00 ,97 112 KoG 3,67 1,14 3,82 1,10 111 ↑ (Sucht) ExG 3,75 ,89 3,96 ,95 4,16 ,94 79 KoG 3,65 1,19 3,87 1,11 3,98 1,08 71 Prakt.Unterstützung ExG 3,65 1,03 3,80 1,05 122 KoG 3,70 1,10 3,86 1,01 122 ↑ (Psychosomatik) ExG 3,73 1,03 3,88 1,00 3,80 1,15 82 KoG 3,74 1,05 3,86 ,98 3,86 1,10 82 Prakt.Unterstütz ExG 4,03 ,87 4,19 ,85 112 KoG 3,89 1,04 4,06 1,01 111 ↑ (Sucht) ExG 4,02 ,88 4,22 ,78 4,38 ,79 79 KoG 3,91 1,06 4,17 ,99 4,11 1,05 71 Soziale Integration ExG 3,01 ,98 3,33 1,06 112 KoG 3,05 1,07 3,28 1,08 115 ↑ (Psychosomatik) ExG 2,96 ,91 3,28 1,10 3,14 1,10 73 KoG 3,02 1,06 3,25 1,07 3,32 1,11 77 Soz. Integration ExG 3,13 ,92 3,50 ,85 112 KoG 3,03 1,08 3,38 1,09 111 ↑ (Sucht) ExG 3,13 ,88 3,49 ,79 3,77 1,34 79 KoG 2,99 1,18 3,44 1,14 3,50 1,27 71 Vertrauensperson ExG 4,12 1,10 4,16 ,99 122 KoG 3,97 1,24 4,15 1,05 122 ↑ (Psychosomatik) ExG 4,04 1,21 4,13 1,00 3,99 1,07 82 KoG 4,08 1,20 4,06 1,13 4,01 1,18 82 Vertrauenspers ExG 4,26 1,03 4,33 ,99 112 KoG 3,98 1,30 4,25 1,12 111 ↑ (Sucht) ExG 4,15 1,05 4,27 1,03 4,37 1,06 79 KoG 3,99 1,33 4,27 1,15 4,25 1,21 71 Zufr. m. Unterstütz ExG 2,10 1,13 2,12 1,13 109 KoG 1,95 ,94 2,13 1,20 108 ↑ (Psychosomatik) ExG 2,14 1,13 2,14 1,11 2,35 1,37 62 KoG 1,97 ,96 2,07 1,11 2,47 1,27 70 Zufr. m. Unterstütz ExG 2,29 1,08 2,59 1,14 112 KoG 2,35 1,17 2,58 1,24 111 ↑ (Sucht) ExG 2,12 ,96 2,49 1,00 2,83 1,25 79 KoG 2,31 1,20 2,54 1,28 2,79 1,32 71 174 Tab. 94 Skalen (Klinik) Emot. U. (Psy) Emot. U. (Sucht) Prakt. U. (Psy) Prakt. U. (Sucht) Soz.Integ. (Psy) Soz.Integ. (Sucht) Vertrau. (Psy) Vertrau. (Sucht) Zufr. m. U. (Psy) Zufr. m. U. (Sucht) Hypothesentestung für die F-SOZU-Skalen „Emotionale Unterstützung“ (Emot. U.), „Praktische Unterstützung“ (Prakt. U.), „Soziale Integration“ (Soz. Integ.), „Vertrauensperson“ (Vertrau.) und „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ (Zufr. m. U.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte AufnahmeEntlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW ,0 3,0* ,01+ ,1 ,2 ,9 ,4 1,9 9,2** ,04+ ,0 ,7 13** ,16+++ ,3 ,2 9,7* ,04+ ,0 ,0 2,5* ,03+ ,3 1,3 12** ,05+ ,0 1,1 8,8** ,11++ 1,5 ,0 26** ,1++ ,7 ,2 10** ,12++ 1,3 ,7 47** ,17+++ ,0 ,9 29** ,28+++ 1,1 ,4 3,4* 1,2 ,0 ,8 1,8 7,1** 2,6 ,4 4,9* ,05+ ,6 ,3 1,7 1,1 ,1 5,4** ,08++ ,9 ,0 15** ,3 ,2 16** ,18+++ ,6 ,03+ ,06++ ,4 Überprüfung der Hypothese: Symptomatologie Die Hypothese, dass Patienten der ExG größere Verbesserungen auf der Symptomebene zeigen als Patienten der KoG, wurde für verschiedene Symptombereiche überprüft: Überprüfung der Hypothese: Depressivität Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen im Symptombereich „Depressivität“ zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurden der BDI und die SCL90-R-Skala „Depressivität“ eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen sich zum Ende ihrer Rehabilitation wesentlich weniger depressiv als zu Beginn der Rehabilitation. In den 1-Jahreskatamnesen beschreiben sich die Patienten in beiden Untersuchungsbedingungen etwas depressiver als zum Entlassungszeitpunkt, aber gegenüber dem Zeitpunkt der stat. Aufnahme nach wie vor gebessert. Die deutlichen Veränderungen im Symptombereich „Depressivität“ für Patienten beider Untersuchungsbedingungen zeigen sich sowohl im BDI als auch in der SCLSkala „Depressivität“ für beide Kliniken und spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Die Ergebnisse sprechen für eine hohe 175 Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich der Behandlung / Veränderungen im Symptombereich „Depressivität“. Die signifikanten Messwiederholungseffekte sind als hoch zu bewerten. Die in beiden Kliniken während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen im Symptombereich Depressivität sind bei Patienten der Experimentalgruppe jedoch nicht höher als bei Patienten der Kontrollgruppe. Dies spiegelt sich für jede der Skalen in nicht-signifikanten Interaktionseffekten sowohl im zwei- als auch im dreistufigen Messmodell wieder. In der Sucht zeigen sich Pat. der KoG unabhängig vom Messzeitpunkt in der Tendenz „depressiver“ als die KoG (kleiner Effekt). Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich „Depressivität“ in den beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der ExG in diesem Beschwerdenbereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern konnte im Symptombereich „Depressivität“ die zu überprüfende Hypothese nicht bestätigt werden. Tab. 95 Mittelwerte und Standardabweichungen für den BDI und die SCL-Skala „Depressivität“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s BDI ExG 21,22 10,74 14,38 10,88 117 KoG 22,73 11,75 15,58 12,13 120 ↓ (Psychosomatik) ExG 21,05 11,01 14,53 11,14 18,18 12,72 79 KoG 22,64 11,72 15,45 12,18 17,45 11,84 78 BDI ExG 15,95 9,48 7,34 8,23 114 KoG 18,21 11,19 10,22 10,67 112 ↓ (Sucht) ExG 15,91 9,72 7,37 8,74 10,59 10,72 79 KoG 17,89 11,60 10,52 10,95 12,79 13,33 73 SCL-Depressivität ExG 1,77 ,87 1,22 ,97 106 KoG 1,84 ,88 1,24 ,87 106 ↓ (Psychosomatik) ExG 1,73 ,83 1,21 ,97 1,46 ,98 74 KoG 1,79 ,89 1,20 ,84 1,28 ,98 66 SCL-Depressivität ExG 1,50 ,94 ,65 ,68 115 KoG 1,58 ,93 ,83 ,78 113 ↓ (Sucht) ExG 1,46 ,89 ,68 ,70 ,86 ,91 81 KoG 1,56 ,96 ,81 ,76 1,05 ,99 72 176 Tab. 96 Skalen (Klinik) Hypothesentestung für den BDI und die SCL-Skala „Depressivität“ (SCL-Dep.) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte AufnahmeEntlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW 1,0 139** ,37+++ ,1 ,1 46** ,38+++ ,7 BDI (Psy) BDI 5,0* (Sucht) Depressivität ,2 (Psy) Depressivität 2,0 (Sucht) ,02+ 157** ,41+++ ,2 86** ,29+++ ,2 180** ,44+++ ,7 2,8* 46** ,38+++ ,4 ,1 29** ,30+++ 1,2 1,5 56** ,43+++ ,2 Überprüfung der Hypothese: Angst Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen im Symptombereich „Angst“ zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurden der BAI und der SCL90-R eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen sich zum Ende ihrer Rehabilitation hinsichtlich ihrer Ängste im Vergleich zum Zeitpunkt ihrer stat. Aufnahme wesentlich gebessert. Die deutlichen Verbesserungen im Symptombereich „Angst“ für beide Untersuchungsbedingungen zeigen sich sowohl im BAI als auch in den SCL-Skalen „Ängstlichkeit“, „Phobische Angst“ und „Unsicherheit im sozialen Kontakt“ für beide Kliniken und spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich der Behandlung / Veränderungen im Symptombereich „Angst“. Die signifikanten Messwiederholungseffekte sind durchgängig als hoch zu bewerten. Signifikante Interaktionseffekte zeigen sich nicht. Insofern gilt für beide Kliniken, daß die während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen im Symptombereich „Angst“ bei Patienten der Experimentalgruppe nicht höher ausfielen als bei Patienten der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich „Angst“ in beiden Kliniken bis zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhte. Betrachtet man die Ergebnisse zu den 1-Jahres-Katamnesen, so fällt für beide Kliniken auf, dass die Patienten beider Untersuchungsbedingungen 1 Jahr nach ihrer Entlassung sich gegenüber den Aufnahmewerten über sämtliche angstbezogenen Skalen hinweg nach wie vor gebessert zeigen. In einigen Skalen konnten die Patienten beider Gruppen die deutlichen Verbesserungen in der Ausprägung ihrer Ängste im Katamnesezeitraum sogar aufrechterhalten. Auch für das dreistufige Meßmodell ergeben sich durchgängig signifikante und hohe Meßwiederholungseffekte und keine Interaktionseffekte. Insofern kann davon ausgegangen werden, daß sich für die ExG auch während des Katamnesezeitraums relativ zur KoG keine signifikant 177 günstigeren Effekte hinsichtlich der erhobenen Angstvariablen/-bereiche ergeben haben. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich „Angst“ in beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der ExG in diesem Beschwerdenbereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern konnte im Symptombereich „Angst“ die zu überprüfende Hypothese nicht bestätigt werden. Tab. 97 Mittelwerte und Standardabweichungen für den BAI und die SCL-Skalen „Ängstlichkeit“, „Phobische Angst“ und „Unsicherheit im Sozialkontakt“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s BAI ExG 1,10 ,58 ,81 ,62 122 KoG 1,12 ,62 ,89 ,61 122 ↓ (Psychosomatik) ExG 1,05 ,59 ,80 ,65 ,88 ,66 83 KoG 1,05 ,61 ,83 ,60 ,80 ,59 82 BAI ExG ,72 ,59 ,41 ,43 115 KoG ,76 ,57 ,48 ,51 113 ↓ (Sucht) ExG ,71 ,58 ,40 ,42 10,58 11,56 81 KoG ,68 ,54 ,45 ,50 10,22 10,96 73 SCL-Ängstlichkeit ExG 1,47 ,86 1,02 ,84 106 KoG 1,49 ,84 1,01 ,80 106 ↓ (Psychosomatik) ExG 1,40 ,88 ,96 ,88 1,11 ,91 74 KoG 1,43 ,82 ,97 ,82 1,01 ,81 66 SCL-Ängstlichkeit ExG 1,16 ,86 ,51 ,67 115 KoG 1,16 ,91 ,60 ,68 113 ↓ (Sucht) ExG 1,16 ,84 ,55 ,70 ,67 ,85 81 KoG 1,12 ,89 ,56 ,64 ,64 ,71 72 SCL-Phob. Angst ExG 1,01 ,93 ,56 ,67 106 KoG 1,05 ,91 ,62 ,67 106 ↓ (Psychosomatik) ExG ,94 ,48 ,48 ,59 ,73 ,85 74 KoG 1,04 ,60 ,60 ,69 ,80 ,82 66 SCL-Phob. Angst ExG ,75 ,79 ,21 ,42 115 KoG ,80 ,87 ,34 ,57 113 ↓ (Sucht) ExG ,76 ,79 ,27 ,47 ,40 ,63 81 KoG ,65 ,68 ,28 ,48 ,39 ,59 72 SCL-Unsicherheit ExG 1,58 ,87 1,10 ,89 106 KoG 1,64 ,97 1,18 ,77 106 ↓ (Psychosomatik) ExG 1,55 ,91 1,09 ,92 1,31 1,00 74 KoG 1,52 ,96 1,08 ,74 1,27 ,98 66 SCL-Unsicherheit ExG 1,20 ,88 ,64 ,63 115 KoG 1,27 ,90 ,80 ,68 113 ↓ (Sucht) ExG 1,21 ,90 ,69 ,65 ,79 ,84 81 KoG 1,19 ,83 ,75 ,61 ,91 ,84 72 178 Tab. 98 Skalen (Klinik) BAI (Psy) BAI (Sucht) Ängstlichkeit (Psy) Ängstlichkeit (Sucht) Phob. Angst (Psy) Phob. Angst (Sucht) Unsicherheit (Psy) Unsicherheit (Sucht) Hypothesentestung für den BAI und die SCL-Skalen „Ängstlichkeit“, „Phobische Angst“ und „Unsicherheit im Sozialkontakt“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-EntlassungKatamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW ,6 57** ,19+++ ,8 ,0 18** ,18+++ ,9 ,8 79** ,26+++ ,1 ,0 83** ,52+++ ,5 ,0 66** ,24+++ ,1 ,0 20** ,23+++ ,4 ,2 122** ,35+++ ,6 ,0 23** ,25+++ ,1 ,3 61** ,23+++ ,0 ,2 38** ,34+++ ,1 1,3 114** ,34+++ ,8 ,0 35** ,32+++ ,7 ,5 64** ,24+++ ,0 ,0 21** ,23+++ ,0 1,6 88** ,28+++ ,6 ,3 26** ,26+++ ,5 Überprüfung der Hypothese: somatoforme Beschwerden Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen im Bereich „somatoforme Beschwerden“ zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurden der FBL-R und die SCL90-RSkala „Somatisierung“ eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen sich zum Ende ihrer Rehabilitation in beiden Kliniken hinsichtlich „somatoformer Beschwerden“ statistisch bedeutsam weniger belastet als zu Beginn der Rehabilitation (mittlere bis hohe Effekte). Dafür sprechen die Daten zu den Skalen FBL-R-„Schmerz“, -„Müdigkeit“, -„Herz/Kreislauf“, -„Emotionale Reaktivität“ und -„Anspannung“ und SCL- „Somatisierung“. Lediglich in der Skala „Magen/Darm“ zeigt sich dieser Effekt nur für die Sucht und in der Psychosomatik in der Tendenz (leichte Effektstärke). Es kann davon ausgegangen werden, daß die Patienten in beiden Untersuchungsbedingungen bei ihrer Entlassung relativ zum Beginn der Rehabilitation weniger vielfältige und seltenere Mißempfindungen und Schmerzen erleben (FBL-R-„Schmerz“), sich weniger matt, benommen und ermüdbar und höher leistungsfähig fühlen (FBL-R-„Müdigkeit“), weniger herz-kreislaufbezogene (FBL-R-„ Herz/Kreislauf“) Schmerzen, Mißempfindungen und Beschwerden zeigen, weniger körperliche Symptome (wie z.B. zittern, erröten oder Stuhldrang) zeigen, wenn sie sich über etwas aufregen (FBL-R-„ Emotionale Reaktivität“) sowie weniger Schwitzen, weniger motorische Unruhe und Tics zeigen (FBL-R-„ Anspannung“). Weiterhin zeigen sie signifikant weniger solche Symptome und Zeichen, die eine hohe Prävalenz bei Störungen mit funktioneller Ätiologie haben, wie z.B. Kopf-, Brust-, Muskeloder Rückenschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühle, Atemnot, Hitzewallungen, ein 179 Kloßgefühl im Hals oder auch Taubheit, Kribbeln oder Schwächegefühle in einzelnen Gliedmaßen (SCL- „Somatisierung“). Die 1-Jahreskatamnesen zeigen, daß es sowohl den Patienten der ExG als auch den Patienten der KoG in fast allen Skalen gelungen ist, die während der Rehabilitation erzielten, meist deutlichen Verbesserungen auch im poststationären Zeitraum weitgehend aufrechtzuerhalten. Auch in den Skalen, in denen im 1-JahresKatamnesezeitraum wieder eine gewisse Verschlechterung bzw. Zunahme der Beschwerden eingetreten ist, beschreiben sich die Patienten über alle Skalen hinweg gegenüber dem Beginn der Rehabilitation als gebessert. Die deutlichen Verbesserungen, die sich in hohen Meßwiederholungseffekten sowohl im zwei- als auch im dreistufigen Meßmodell zeigen (mit Ausnahme der Skala „Magen/ darm in der Psychosomatik), sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich einer Besserung im Symptombereich „somatoforme Störungen“. Die η2-Werte weisen mittlere bis hohe Messwiederholungseffekte aus. Die in beiden Kliniken erzielten Verbesserungen im Symptombereich „somatoforme Beschwerden“ sind bei Patienten der Experimentalgruppe jedoch nicht signifikant höher ausgefallen als bei Patienten der Kontrollgruppe. Dies spiegelt sich für alle Skalen in nicht-signifikanten Interaktionseffekten sowohl im zwei- als auch im dreistufigen Messmodell wieder. Insofern gilt für beide Kliniken, daß die erzielten Verbesserungen im Symptombereich „somatoforme Beschwerden“ bei Patienten der Experimentalgruppe nicht höher ausfielen als bei Patienten der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich „somatoforme Störungen“ in beiden Kliniken bis zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhte. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Symptombereich „somatoforme Beschwerden“ in den beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der ExG in diesem Beschwerdenbereich keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern konnte im Symptombereich „somatoforme Beschwerden“ die zu überprüfende Hypothese nicht bestätigt werden. 180 Tab. 99 Mittelwerte und Standardabweichungen für die FBL-R-Skalen „Schmerz“, „Müdigkeit“, „Herz/Kreislauf“, „Magen/Darm“, „Emotionale Reaktivität“ und „Anspannung“ sowie die SCL-Skala „Somatisierung“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s FBL-Schmerz ExG 2,15 1,06 2,51 1,01 112 KoG 2,13 1,10 2,38 1,03 118 ↑ (Psychosomatik) ExG 2,28 1,04 2,51 1,02 2,37 1,06 75 KoG 2,14 1,15 2,40 ,99 2,29 1,11 78 FBL-Schmerz ExG 3,66 ,99 4,11 ,91 113 KoG 3,56 1,13 3,91 1,01 111 ↑ (Sucht) ExG 3,61 ,99 4,06 ,96 3,99 ,98 80 KoG 3,61 1,15 3,88 1,04 3,85 1,10 71 FBL-Müdigkeit ExG 1,47 ,94 1,98 ,96 119 KoG 1,45 ,94 1,87 1,10 117 ↑ (Psychosomatik) ExG 1,53 ,95 2,02 ,98 1,72 1,07 80 KoG 1,54 ,98 1,95 1,15 1,97 1,04 77 FBL-Müdigkeit ExG 3,13 ,93 3,84 ,92 113 KoG 3,05 1,14 3,57 1,12 111 ↑ (Sucht) ExG 3,14 ,93 3,79 ,96 3,60 ,95 80 KoG 3,13 1,14 3,61 1,14 3,59 1,16 71 FBL-Herz/Kreislauf ExG 3,07 ,94 3,28 ,95 117 KoG 2,93 ,99 3,10 ,96 116 ↑ (Psychosomatik) ExG 3,19 ,84 3,35 ,90 3,31 ,92 79 KoG 2,96 1,05 3,13 ,97 3,05 1,07 76 FBL-Herz/Kreisl. ExG 4,24 ,80 4,55 ,75 111 KoG 4,22 ,95 4,45 ,89 110 ↑ (Sucht) ExG 4,31 ,73 4,57 ,76 4,46 ,81 77 KoG 4,21 ,96 4,43 ,90 4,43 ,86 70 FBL-Magen/Darm ExG 2,49 ,97 2,63 1,03 112 KoG 2,64 ,87 2,73 ,84 116 ↑ (Psychosomatik) ExG 2,60 ,94 2,65 1,02 2,62 1,00 74 KoG 2,66 ,93 2,76 ,90 2,7 ,91 76 FBL-Magen/Darm ExG 3,96 ,85 4,30 ,74 111 KoG 3,97 1,14 4,16 ,89 110 ↑ (Sucht) ExG 4,00 ,78 4,31 ,72 4,16 ,85 79 KoG 4,12 ,81 4,30 ,82 4,26 ,84 70 FBL-Anspannung ExG 2,48 ,85 2,73 ,92 112 KoG 2,45 ,97 2,69 ,98 119 ↑ (Psychosomatik) ExG 2,49 ,84 2,68 ,91 2,66 1,11 75 KoG 2,53 1,02 2,75 ,99 2,89 ,097 77 FBL-Anspannung ExG 3,95 ,85 4,51 ,61 113 KoG 3,90 1,05 4,35 ,90 111 ↑ (Sucht) ExG 3,96 ,80 4,44 ,67 4,32 ,81 80 KoG 3,86 1,07 4,28 ,96 4,42 ,75 70 181 Fortsetzung Tab. 99 Skalen (Klinik) FBL-Emot. Reakt. ↑ (Psychosomatik) FBL-Emot. Reakt. ↑ (Sucht) SCL-Somatisierung ↑ (Psychosomatik) SCL-Somatisierung ↑ (Sucht) Gruppe Aufnahme Entlassung ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG 2,08 2,06 2,13 2,12 3,53 3,62 3,50 3,60 ,87 1,0 ,80 ,97 ,45 ,53 ,49 ,51 1,87 1,92 1,91 1,98 3,24 3,30 3,25 3,37 1,10 1,25 1,01 1,23 ,76 ,85 ,74 ,81 ,70 ,76 ,73 ,77 ,79 ,74 ,79 ,65 ,82 ,73 ,83 ,73 ,67 ,73 ,62 ,69 182 ,80 ,82 ,84 ,87 ,81 ,76 ,83 ,72 ,72 ,75 ,67 ,75 ,57 ,58 ,62 ,55 Katamnese 2,03 2,20 ,83 ,82 3,57 3,73 ,85 ,66 ,98 1,02 ,73 ,79 ,57 ,60 ,65 ,64 N 117 121 80 79 113 111 80 71 106 106 74 66 115 113 81 72 Tab. 100 Skalen (Klinik) Hypothesentestung für die FBL-R-Skalen „Schmerz“, „Müdigkeit“, „Herz/Kreislauf“, „Magen/Darm“, „Emotionale Reaktivität“ und „Anspannung“ sowie die SCL-Skala „Somatisierung“ als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: FWert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW ,3 36** ,14+++ 1,2 ,5 8,8** ,11++ ,1 Schmerz (Psy) Schmerz (Sucht) Müdigkeit (Psy) Müdigkeit (Sucht) Herz/Kreisl. (Psy) Herz/Kreisl. (Sucht) Magen/Darm (Psy) Magen/Darm (Sucht) Anspannung (Psy) Anspannung (Sucht) Emot. Reakt. (Psy) Emot. Reakt. (Sucht) SCL-Somati. (Psy) SCL-Somati. (Sucht) 1,5 58** ,21+++ ,9 ,5 16** ,18+++ 1,0 ,3 74** ,24+++ ,6 ,2 22** ,22+++ 2,7 1,9 114** ,34+++ 2,6 37** ,33+++ 1,1 1,9 22** ,09++ 2,9 6,0** ,07++ ,1 ,4 35** ,14+++ ,9 ,5 9,3** ,11++ ,7 1 7,2* ,03+ ,3 ,4 1,0 ,3 23** ,10++ 1,7 ,4 10** ,12++ ,8 ,1 24** ,10++ ,0 ,7 8,1** ,10++ ,9 1,0 91** ,29+++ 1,0 ,2 31** ,29+++ 2,3 ,0 18** ,07++ ,5 7,3** ,09++ ,6 57** ,20+++ ,2 1,4 18** ,20+++ ,2 2,1 28** ,12++ 1,9 9,3** ,12++ 1,3 64** ,22+++ ,1 ,2 17** ,19+++ ,1 ,3 ,7 ,0 183 ,1 1,3 ,9 Überprüfung der Hypothese: Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit Zur Überprüfung der Hypothese, dass Patienten der ExG günstigere Verbesserungen im Umgang mit dem Suchtmittel zeigen als vergleichbare Patienten der KoG, wurden verschiedene suchtspezifische Problembereiche untersucht: die Abstinenzquote (Katamnese), die Lebenszufriedenheit (Katamnese), Rückfallbeendigung (Katamnese), die Abstinenzzuversicht (KAZ) und die Funktionalität des Suchtmittels (MDI). Während des stationären Aufenthaltes konnten sich sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG hinsichtlich des Umgangs mit dem Suchtmittel wesentlich verbessern. Die deutlichen Verbesserungen spiegeln sich über alle Skalen in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Im Detail zeigen sich folgende Ergebnisse: Abstinenzquote: Zur Kontrolle des Behandlungserfolges in der Suchtklinik werden kontinuierlich suchtspezifische katamnestische Befragungen durchgeführt, die den Standards der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie entsprechen. Das Einjahresintervall wird dabei gewählt, weil nach diesem Zeitraum eine Stabilisierung der Suchtmittelabstinenz zu erwarten ist und somit aussagekräftige Ergebnisse über die Langzeiteffekte der Behandlung im Suchtbereich möglich werden. In diese Routinekatamnese werden alle 228 Projektteilnehmer in der Suchtklinik einbezogen. Tab. 101 Rücklauf der suchtspezifischen Katamnese (N=228 Patienten) Antworter Suchtkatamnese verweigert keine Information vorhanden Angaben nicht verwertbar verstorben ExG N 88 1 % 76,5 0,9 KoG N 84 1 % 74,3 0,9 Gesamt N 172 2 % 75,4 0,9 24 20,9 25 22,1 49 21,5 - - 1 0,9 1 0,4 2 1,7 2 1,8 4 1,8 Fisher exakt 1,40 Die Gesamtrücklaufquote der Projektpatienten liegt bei 75,4%, nach Abzug der verstorbenen Patienten ergibt sich ein Rücklauf von 76,8%. Im Vergleich zur Suchtkatamnese des Entlassungsjahrganges 1999 der Suchtklinik, bei der die Ausschöpfungsquote bei 71,0% lag, ergibt sich somit für die Projektstichprobe ein gutes Ergebnis. Der Anteil der Nichtteilnehmer ergibt sich zu 0,9% aus Patienten, die die Teilnahme an der Suchtkatamnese verweigerten, zu 21,5% aus Patienten, die nicht erreicht werden konnten (Patienten, die telefonisch nicht erreichbar waren, geheime Telefonnummern hatten oder trotz Recherche bei den Einwohnermeldeämtern nicht auffindbar waren und zu 0,4% aus Patienten, von denen keine auswertbaren Angaben vorlagen). Zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ergeben sich keine Unterschiede. Zur Bestimmung der Abstinenzquote werden die Kriterien der Katamnesestandards der DGSS zugrunde gelegt, nach denen Patienten ‚abstinent nach Rückfall‘ bezeichnet werden, die nach einem Rückfall mindestens 12 Wochen vor der Katamnesebefragung wieder abstinent lebten und keine weitere Entwöhnungsbehandlung im Befragungszeitraum in Anspruch genommen haben. 184 In Abhängigkeit der verschiedenen Berechnungsmethoden ergeben sich für die Projektstichprobe folgende Abstinenzquoten: Berechnungsmethode 1: Die Berechnungsmethode schließt alle Projektpatienten ein (N=228) Tab. 102 Abstinenzquote nach Berechnungsmethode 1. Chi-Quadrat-Test. Abkürzungen: N: Anzahl, %: Prozent, Chi 2: Chi-Quadrat-Wert. Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%. abstinent (einschließlich abstinent nach Rückfall) davon: durchgehend abstinent abstinent nach Rückfall rückfällig (einschließlich keine Info. vorhanden) davon: rückfällig keine Beurteilung möglich (keine Information, verstorben, nicht verwertbare Angaben) ExG N 60 % 52,2 KoG N 64 52 8 55 45,2 7,0 47,8 28 27 24,3 23,5 Chi 2 % 56,6 Gesamt N 124 % 54,4 51 13 49 45,1 11,5 43,3 103 21 104 45,2 9,2 45,6 19 30 16,8 26,5 47 57* 20,6 25,0 3,06 * bei einem Patienten war eine Einschätzung der Abstinenz nicht möglich, da die Einjahreskatamnese unvollständig ausgefüllt war und eine Zuordnung rückfällig oder abstinent nach Rückfall nicht möglich war. Dieser Patient wird hier in der Kategorie ‚keine Beurteilung möglich‘ geführt, bei der Bestimmung der Rücklaufquote jedoch bei den Antworter. Die Ergebnisse nach dieser Berechnungsart unterschätzen den Anteil der abstinenten Patienten, da Nicht-Antworter hier den rückfälligen Patienten zugeordnet werden. Zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede. Das Gesamtergebnis entspricht der Abstinenzquote aller Patienten der Suchtklinik des Entlassungsjahrganges 1999, die nach dieser ersten Berechnungsart bei 52,9% lag. 185 Berechnungsmethode 2: Die Berechnungsmethode schließt nur die Teilnehmer an der Katamnese ein, bei denen eine Beurteilung der Abstinenz möglich war (N=171). Tab. 103 Abstinenzquote nach Berechnungsmethode 2. Chi-Quadrat-Test. Abkürzungen: N: Anzahl, %: Prozent, Chi 2: Chi-Quadrat-Wert. Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%. ExG N 60 abstinent (einschließlich abstinent nach Rückfall) davon: durchgehend abstinent 52 abstinent nach Rückfall 8 rückfällig 28 % 68,2 KoG N 64 59,1 9,1 31,8 51 8 19 Chi 2 % 77,1 Gesamt N 124 % 72,5 61,4 15,7 22,9 103 21 47 60,2 12,3 27,5 2,78 Die Ergebnisse nach dieser Berechnungsart überschätzen den Anteil der abstinenten Patienten, da erfahrungsgemäß rückfälligen Patienten oft nicht an einer Nachbefragung zur Abstinenz teilnehmen. Zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede. Das Gesamtergebnis entspricht der Abstinenzquote aller Patienten der Suchtklinik des Entlassungsjahrganges 1999, die nach dieser Berechnungsart bei 72,1% lag. Die Ergebnisse nach beiden Berechnungsmethoden zeigen, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung im Hinblick auf die Abstinenzquote nicht erhöhte, die zu überprüfende Hypothese konnte nicht bestätigt werden. Lebenszufriedenheit: Patienten der Experimentalgruppe zeigen in der Einjahreskatamnese in der Tendenz höhere Zufriedenheit in den Bereichen Zufriedenheit mit der Familiensituation, Zufriedenheit mit der sozialen Situation und Zufriedenheit mit der Wohnungssituation als Patienten der Kontrollgruppe. Tab. 104 Beurteilung der Lebenszufriedenheit in der Experimentalgruppe (N=88) und der Kontrollgruppe (N=83) im Jahr nach Klinikentlassung. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, kleinere Werte bedeuten höhere Zufriedenheit , Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%. Zufriedenheit ... mit der Lebenssituation ... mit der Gesundheit ... mit der Arbeit ... mit der Wohnung ... mit der finanziellen Situation ... mit der sozialen Situation ... mit der Partnersituation ... mit der Familiensituation ... mit dem Freundeskreis ... mit der Freizeit ... mit dem Suchtmittelumgang ExG x 2,77 2,82 3,33 2,23 3,40 2,49 3,34 3,09 2,77 3,26 2,34 s 1,52 1,69 2,13 1,68 1,84 1,59 1,98 1,77 1,67 1,87 1,77 186 KoG x 3,07 2,98 3,72 2,78 3,49 3,22 3,61 3,49 3,43 3,43 2,61 t-Wert s 1,85 1,79 2,41 2,13 2,17 2,20 2,39 2,52 2,27 2,26 2,24 -1,1 -,59 -1,1 -1,9* -,31 -2,4* -,81 -1,2 -2,1* -,54 -,88 Werden in den Vergleich nur abstinente und nach Rückfall abstinente Patienten einbezogen, zeigen Patienten der Experimentalgruppe signifikant höhere Zufriedenheit in den Bereichen Freundeskreis und soziale Situation als Patienten der Kontrollgruppe. In der Tendenz günstigere Ergebnisse für die Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe ergeben sich für die Bereiche Wohnungssituation und Suchtmittelumgang. Tab. 105 Beurteilung der Lebenszufriedenheit in der Experimentalgruppe (N=60) und der Kontrollgruppe (N=64) im Jahr nach Klinikentlassung bei abstinenten und nach Rückfall abstinenten Patienten. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, kleinere Werte bedeuten höhere Zufriedenheit , Signifikanz (zweiseitiger Test): (*): 10%, *: α: 5%, **: α: 1%. Zufriedenheit ... mit der Lebenssituation ... mit der Gesundheit ... mit der Arbeit ... mit der Wohnung ... mit der finanziellen Situation ... mit der sozialen Situation ... mit der Partnersituation ... mit der Familiensituation ... mit dem Freundeskreis ... mit der Freizeit ... mit dem Suchtmittelumgang ExG x 2,30 2,25 2,93 1,93 3,08 2,05 3,08 2,68 2,35 2,85 1,38 s 1,12 1,00 2,03 1,49 1,61 1,25 1,92 1,47 1,45 1,73 0,58 KoG x 2,78 2,75 3,45 2,66 3,28 3,02 3,36 3,41 3,27 3,13 2,02 t-Wert s 1,81 1,82 2,40 2,15 2,16 2,17 2,39 2,63 2,32 2,26 2,02 -1,7 -1,9 -1,3 -2,1* -,58 -3,5** -,71 -1,9 -2,6** -,75 -2,3* Rückfallbeendigung: Patienten, die in den letzten sechs Monaten vor der Einjahreskatamnese Suchtmittel konsumierten, werden nach der Beendigung des Rückfalls gefragt. Hier zeigt sich, daß es Patienten der Experimentalgruppe in der Tendenz häufiger gelingt den Rückfall aus eigener Kraft zu beenden, bzw. sich aus eigenem Antrieb Hilfe zu suchen als Patienten der Kontrollgruppe. In der Kontrollgruppe sind zum Befragungszeitraum 56,3% der Patienten weiterhin rückfällig, in der Experimentalgruppe dagegen nur 25%. Tab. 106 Rückfallbeendigung bei Patienten der Experimentalgruppe und der Kontrollgruppe im Jahr nach Klinikentlassung Abkürzungen: N: Anzahl, %: Prozent, Chi 2: Chi-QuadratWert. Signifikanz (zweiseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%. Rückfallbeendigung aus eigener Kraft beendet aus eigenem Antrieb Hilfe gesucht auf andere Art beendet zur Zeit noch rückfällig ExG N 10 7 1 6 % 41,7 29,2 4,2 25,0 KoG N 5 2 9 Chi 2 % 31,3 12,5 56,3 8,47* Abstinenzzuversicht: Sowohl die Patienten der Experimentalgruppe als auch der Kontrollgruppe zeigen am Ende der Therapie höhere Erwartungen in rückfallkritischen Situationen, die durch unangenheme Gefühle (Skala1), sozialen Druck (Ska- 187 la2), Gedanken an kontrolliertes Trinken (Skala3) und angenehme Gefühle (Skalal4) entstehen können, dem Alkoholkonsum zu widerstehen. Für alle Skalen des Kurzfragebogens zur Abstinenzzuversicht sind die Mittelwertszunahmen signifikant. Ein signifikanter Effekt zeigt sich für den Gruppierungsfaktor im zweistufigen Messmodell der darauf hinweist, daß Patienten der Experimentalgruppe zu Beginn der Behandlung höhere Erwartungen haben in ‚positiven Situationen‘ dem Suchtmittel zu widerstehen. Die Ergebnisse sprechen dafür, daß die Patienten der ExG während der Rehabilitation ihre Abstinenzzuversicht verglichen mit den Patienten der KoG nicht stärker verbessern konnten. Über alle Skalen zeigen sich keine statistisch signifikanten Interaktionseffekte in erwarteter Richtung. Im 1-Jahres-Katamnesezeitraum gelingt es den Patienten beider Untersuchungsgruppen über alle Skalen hinweg, ihre Abstinenzzuversicht weitgehend zu stabilisieren. Die Zuversicht abstinenzgefährdende Situationen ohne Alkohol bewältigen zu können, bleibt weitgehend erhalten, es zeigen sich keine wesentlichen Veränderungen der Mittelwerte. Statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen Experimentalgruppe und Kontrollgruppe bzw. signifikante Interaktionseffekte ergeben sich nicht. Die Ergebnisse weisen darauf hin, daß das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Therapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer höheren Abstinenzzuversicht nicht steigern konnte, die zu überprüfende Hypothese kann nicht bestätigt werden. Tab. 107 Mittelwerte und Standardabweichungen für den Kurzfragebogen zur Abstinenzzuversicht. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine Zunahme der Abstinenzzuversicht. Skalen (nur Sucht) Skala 1: Negative Gefühlszustände Skala 2: Kontrollmöglichkeiten Skala 3: Sozialer Druck Skala 4: Positive Gefühle Gruppe Aufnahme x s ExG 62,5 27,4 KoG 57,1 28,0 ExG 61,8 28,6 KoG 59,7 27,3 ExG 61,9 32,3 KoG 56,0 32,9 ExG 62,0 33, KoG 59,8 30,6 ExG 75,2 29,3 KoG 69,5 29,9 ExG 74,5 30,1 KoG 72,2 28,5 ExG 80,8 22,7 KoG 74,9 26,6 ExG 81,6 22,0 KoG 77,9 25,1 Entlassung x s 79,7 20,7 75,1 23,0 79,0 21,3 78,3 18,0 73,3 31,0 70,4 30,4 72,9 31,7 76,4 25,8 89,7 17,7 84,6 22,4 89,8 16,9 90,1 13,5 88,4 16,1 80,8 25,9 89,0 14,7 89,3 14,9 188 Katamnese x s 80,6 79,8 22,1 24,1 66,5 72,8 34,6 30,2 87,2 85,2 18,2 22,1 85,3 83,9 21,5 23,1 N 68 58 48 39 67 58 47 39 68 58 48 39 68 58 48 39 Tab. 108 Hypothesentestung für den Kurzfragebogen zur Abstinenzzuversicht, (KAZ) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte AufnahmeEntlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen (nur Sucht) Aufnahme-Entlassung Gru MW η2 η2 Negative Gefühle Kontrollmöglichkeit Sozialer Druck Positive Gefühle 1,8 53** 0,30 Gru* MW 0,02 0,8 17** 0,12 0,24 0,2 7,8** 0,16 0,54 2,1 31** 0,20 0,01 0,1 15,1** 0,26 0,21 8** 0,06 0,13 0,2 8,6** 0,36 4,1* 0,03 η2 Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 η2 MW 0,1 20,6** 0,32 0,03 0,17 η2 Funktionalität: Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen bei der Erarbeitung der Funktionalität des Suchtmittels ergeben als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurde das Münchwieser Diagnoseinventar MDI eingesetzt. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen am Ende der Therapie stärkere Einsicht in die Funktionalität ihres Suchtmittels als zu Beginn der Rehabilitation. Die erzielten Verbesserungen während des stationären Aufenthaltes sind sowohl in der ExG als auch in der KoG zu finden. Dies spiegelt sich auch im nicht-signifikanten Interaktionseffekt im zweistufigen Messmodell wieder. Da der Fragebogen nach dem funktionalen Einsatz des Suchtmittels für die Alltagsbewältigung im jeweiligen Untersuchungszeitraum fragt, wurde er auch nur von Patienten ausgefüllt, die auch nach Klinikentlassung weiterhin Suchtmittel konsumierten. Hier zeigte sich in der 1-Jahreskatamnese in beiden Untersuchungsgruppen ein deutlicher Rückgang bei der Ermittlung der Funktionalität des Suchtmittels. Patienten, die weiterhin Suchtmittelkonsum betrieben scheinen ihre Suchtproblematik weitgehend zu verleugnen. Dieser Rückgang läßt sich gleichermaßen in der ExG als auch in der KoG verzeichnen. Das Ergebnis weist daraufhin, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich der Erarbeitung der Funktionalität des Suchtmitttels nicht erhöhte. Die zu überprüfende Hypothese ließ sich nicht bestätigen. Tab. 109 Skalen (nur Sucht) MDI gesamt Mittelwerte und Standardabweichungen für das Münchwieser Diagnoseinventar. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, höhere Werte bedeuten eine stärkere Einsicht in die Funktionalität. Gruppe Aufnahme x s ExG 36,6 10,6 KoG 34,7 10,4 ExG 37,1 10,0 KoG 34,0 11,5 Entlassung x s 39,7 10,3 36,9 10,9 40,4 10,8 37,4 8,8 189 Katamnese x s 24,8 24,4 13,2 10,6 N 101 109 23 19 Tab. 110 Hypothesentestung für das Münchwieser Diagnoseinventar (MDI) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen (nur Sucht) Aufnahme-Entlassung Gru MW η2 η2 MDI gesamt 3,1 18,1** 0,08 Gru* MW 0,57 η2 Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 η2 MW 0,5 39,5** 0,67 0,43 η2 Überprüfung der Hypothese: Allgemeine subjektive Gesundheit Die Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen hinsichtlich ihrer allgemeinen subjektiven Gesundheit zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurde mittels der FBL-R-Skala „Allgemeinzustand“ und der FBL-R- Beschwerdesumme, dem SCL-90-R Gesamtbeschwerdeindex (GSI) und des IRES- „Index des REHA- Gesamtstatus“ bzw. der IRESDimensionen somatischer Status, funktionaler Status und psychosozialer Status überprüft. Ergebnisse zu FBL-Beschwerdesumme, FBL-R-„Allgemeinzustand“, SCL-GSI: Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen sich zum Ende ihrer Rehabilitation hinsichtlich ihrer allgemeinen subjektiven Gesundheit im Vergleich zum Zeitpunkt ihrer stat. Aufnahme wesentlich gebessert. Die deutlichen Verbesserungen für beide Untersuchungsbedingungen zeigen sich sowohl in FBL-R „Allgemeinzustand“ und „Beschwerdesumme als auch im GSI für beide Kliniken und spiegeln sich durchgehend in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich Verbesserungen der allgemeinen subjektiven Gesundheit. Die Messwiederholungseffekte fallen durchgängig hoch aus. Betrachtet man die Ergebnisse zu den 1-Jahres-Katamnesen, so fällt für beide Kliniken auf, dass die Patienten beider Untersuchungsbedingungen 1 Jahr nach ihrer Entlassung sich gegenüber den Aufnahmewerten nach wie vor deutlich gebessert zeigen, teilweise ihre stationären Fortschritte sogar aufrechterhalten konnten. Im zwei- und dreistufigen Messmodell ergeben sich durchgängig hoch signifikante Messwiederholungseffekte. In der Tendenz zeigt sich in der Sucht ein günstigerer Mittelwertsverlauf der ExG gegenüber der KoG in der Skala „Allgemeinzustand“. Signifikante Interaktionseffekte zeigen sich in beiden Kliniken jedoch nicht. Die Ergebnisse können insofern nicht belegen, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung zur Verbesserung der allgemeinen subjektiven Gesundheit erhöht. 190 Tab. 111 Mittelwerte und Standardabweichungen für die Skalen FBL-Beschwerdesumme und – Allgemeinzustand, SCL-90-R Gesamtbeschwerdeindex (SCL-GSI), SF-12 „körperliche“ und „psychische“ Summenskala (SF-12 körperlich und SF-12 psychisch). Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen Gruppe Aufnahme Entlassung Katamnese N (Klinik) x s x s x s FBL-BeschwerdeS ExG 2,24 ,66 2,52 ,74 108 KoG 2,23 ,71 2,44 ,77 115 ↑ (Psychosomatik) ExG 2,31 ,65 2,51 ,74 2,42 ,81 72 KoG 2,30 ,77 2,49 ,82 2,49 ,80 74 FBL-BeschwerdeS ExG 3,66 ,64 4,10 ,60 111 KoG 3,64 ,78 3,98 ,73 111 ↑ (Sucht) ExG 3,67 ,62 4,06 ,63 3,97 ,70 79 KoG 3,69 ,74 3,99 ,74 4,00 ,73 71 FBL-Allgemeinzust. ExG 2,02 ,72 2,33 ,74 114 KoG 2,02 ,76 2,23 ,80 121 ↑ (Psychosomatik) ExG 2,09 ,75 2,35 ,78 2,18 ,81 79 KoG 2,13 ,81 2,32 ,86 2,34 ,81 80 FBL-Allgemeinzust. ExG 3,38 ,68 3,86 ,69 113 KoG 3,43 ,77 3,76 ,77 111 ↑ (Sucht) ExG 3,35 ,68 3,78 ,70 3,65 ,75 80 KoG 3,49 ,75 3,79 ,77 3,68 ,86 71 SCL-GSI ExG 1,34 ,65 ,95 ,70 106 KoG 1,42 ,65 1,0 ,65 106 ↓ (Psychosomatik) ExG 1,28 ,63 ,91 ,67 1,12 ,77 74 KoG 1,36 ,66 ,95 ,64 1,05 ,74 66 SCL-GSI ExG 1,05 ,68 ,50 ,52 115 KoG 1,11 ,70 ,65 ,59 113 ↓ (Sucht) ExG 1,03 ,65 ,55 ,56 ,66 ,69 81 KoG 1,04 ,67 ,61 ,54 ,75 ,70 72 Tab. 112 Skalen (Klinik) FBL BS (Psy) FBL BS (Sucht) FBL-A (Psy) FBL-A (Sucht) SCL GSI (Psy) SCL GSI (Sucht) Hypothesentestung für die Skalen FBL-Beschwerdesumme und –allgemein (FBL-BS und FBL-A), SCL-GSI sowie SF-12 körperliche und psychische Summenskala (SF-12-k und SF-12-p) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Aufnahme-Entlassung Aufnahme-Entlassung-Katamnese Gru MW Gru* η2 Gru MW Gru* η2 η2 η2 η2 η2 MW MW ,2 55** ,20+++ 1,2 ,0 13** ,16+++ ,6 ,7 134** ,38+++ 2,4 ,0 41** ,36+++ 1,2 ,3 45** ,16+++ 1,8 ,1 13** ,14+++ 2,6* ,1 114** ,34+++ 4,5* ,2 32** ,30+++ 1,1 ,7 83** ,28+++ ,1 ,0 28** ,29+++ ,6 2,0 141** ,39+++ ,9 ,4 42** ,36+++ ,2 ,02+ 191 ,03+ Ergebnisse zum IRES: Zur Überprüfung der Hypothese, dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Rehabilitationserfolge zeigen als bei vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe wurde der IRES-Fragebogen mit den drei Merkmalsdimensionen somatischer Status (Unterdimensionen: Schmerzen, Symptome und Risikofaktoren), funktionaler Status (Unterdimensionen: Beanspruchung im Beruf und Behinderungen im Alltag) und psychosozialer Status (Unterdimensionen: Psychische Belastung und Soziale Probleme) eingesetzt. Bis auf die Skala „Beanspruchung im Beruf“, für die sich in beiden Kliniken keine bedeutsame Veränderung ergibt, zeigen sich sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zum Ende ihrer Rehabilitation hinsichtlich aller anderen Skalen im Vergleich zum Zeitpunkt ihrer stat. Aufnahme wesentlich gebessert. Die deutlichen Verbesserungen zeigen sich sowohl in den übergeordnenten Skalen Rehagesamtstatus, somatischer -, funktionaler – und psychosozialer Status als auch in den Unterskalen Schmerzen, Symptome, Risikofaktoren, Behinderungen im Alltag, psychische Belastung und soziale Probleme für beide Kliniken und spiegeln sich durchgehend in signifikanten und fast durchgängig hohen Meßwiederholungseffekten wieder. Die Ergebnisse sprechen für eine hohe Effektivität der Behandlungsangebote beider Kliniken hinsichtlich der Behandlung. Ein signifikanter (leichter) Interaktionseffekt in der Skala „Risikofaktoren“ in der Psychosomatik weist auf eine stärkere Abnahme von Risikofaktoren in der Experimentalgruppe hin. In der Tendenz zeichnet sich auch ein günstigerer Verlauf der Mittelwerte in der Skala „soziale Probleme“ ab. Auf allen anderen Skalen zeigen sich keine signifikanten Interaktionseffekte. Die Ergebnisse zeigen für beide Kliniken, daß die während des stationären Aufenthaltes erzielten Verbesserungen bei Patienten der Experimentalgruppe nicht höher ausfielen als bei Patienten der Kontrollgruppe. Das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm konnte die Effektivität der Behandlung in beiden Kliniken hinsichtlich des Reha-Status bis zum Entlassungszeitpunkt nicht erhöhen. Betrachtet man die Ergebnisse zu den 1-Jahres-Katamnesen, so fällt für beide Kliniken auf, dass die Patienten beider Untersuchungsbedingungen 1 Jahr nach ihrer Entlassung sich gegenüber den Aufnahmewerten in allen Skalen nach wie vor gebessert zeigen. In vielen Bereichen konnten die Patienten beider Gruppen die deutlichen Verbesserungen im Katamnesezeitraum sogar aufrechterhalten. Auch für das dreistufige Meßmodell ergeben sich durchgängig signifikante Meßwiederholungseffekte (bis auf einen nur tendenziellen Effekt in der Skala „Risikofaktoren“) und keine Interaktionseffekte. Insofern kann davon ausgegangen werden, daß sich für die ExG auch während des Katamnesezeitraums relativ zur KoG keine signifikant günstigeren Effekte ergeben haben. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung in diesem Bereich in beiden Kliniken nicht erhöhte bzw. Patienten der ExG keine günstigeren Rehabilitationsergebnisse erzielen. Insofern konnte die zu überprüfende Hypothese insgesamt nicht bestätigt werden. 192 Tab. 113 Mittelwerte und Standardabweichungen für die IRES-Skalen „Somatischer Status“, Unterskalen: „Schmerzen und Symptome“ sowie „Risikofaktoren“, „Funktionaler Status“, Unterskalen: „Beanspruchung im Beruf“ und „Behinderung im Alltag“, „Psychosozialer Status“, Unterskalen: „Psychische Belastung“ und „Soziale Probleme“ sowie „Rehastatus Gesamtscore“. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe, ↑: hoher Testwert günstig, ↓: niedriger Testwert günstig. Skalen (Klinik) Somatischer Status (Psychosomatik) ↑ Gruppe Aufnahme x s ExG 5,58 1,68 KoG 5,44 1,60 ExG 5,78 1,75 KoG 5,45 1,56 Somatischer Status ExG 6,44 1,59 KoG 7,26 1,41 (Sucht) ↑ ExG 6,37 1,70 KoG 6,30 1,70 Schm. u. Symptome ExG 4,67 1,77 KoG 4,84 1,74 (Psychosomatik) ↓ ExG 4,46 1,84 KoG 4,84 1,71 Schm. u. Symptome ExG 3,61 1,70 KoG 3,90 1,92 (Sucht) ↓ ExG 3,69 1,82 KoG 3,76 1,87 Risikofaktoren ExG 2,21 2,00 KoG 2,11 1,52 (Psychosomatik) ↓ ExG 2,12 2,06 KoG 1,88 1,35 Risikofaktoren ExG 2,96 1,65 KoG 3,17 1,69 (Sucht) ↓ ExG 2,98 1,79 KoG 2,98 1,60 Funktionaler Status ExG 6,77 1,54 KoG 6,58 1,50 (Psychosomatik) ↑ ExG 6,82 1,54 KoG 6,62 1,54 Funktionaler Status ExG 7,78 1,41 KoG 7,71 1,63 (Sucht) ↑ ExG 7,68 1,46 KoG 7,79 1,68 Beanspru. im Beruf ExG 3,68 1,94 KoG 4,01 1,99 (Psychosomatik) ↓ ExG 3,46 1,93 KoG 3,75 2,18 Beanspru im Beruf ExG 3,23 1,80 KoG 3,15 1,97 (Sucht) ↓ ExG 3,13 1,77 KoG 3,09 2,03 Entlassung x s 6,40 1,66 6,09 1,64 6,52 1,69 6,14 1,76 6,16 1,79 6,88 1,75 7,14 1,48 6,96 1,79 3,81 1,76 4,13 1,76 3,67 1,80 4,10 1,71 2,81 1,50 3,21 1,87 2,94 1,59 3,15 1,94 1,71 1,53 1,97 1,55 1,70 1,48 1,70 1,34 2,01 1,43 2,19 1,48 2,03 1,22 1,90 1,22 7,18 1,52 7,03 1,54 7,15 1,55 7,16 1,49 8,48 1,24 8,36 1,48 8,40 1,31 8,35 1,53 3,73 1,86 4,03 2,14 3,35 1,78 3,84 2,26 3,22 1,91 3,12 1,98 3,31 2,07 2,97 2,09 193 Katamnese x s 6,33 6,19 1,67 1,95 7,23 6,90 1,58 1,93 3,88 4,04 1,78 2,09 2,85 3,22 1,65 2,07 1,71 1,79 1,41 1,49 1,93 1,84 1,72 1,30 7,34 7,43 1,61 1,64 8,59 8,29 1,47 1,57 3,02 2,72 1,84 2,04 1,80 1,54 1,20 1,18 N 126 123 81 81 114 109 77 70 126 123 81 81 114 109 77 70 128 124 83 83 114 109 77 69 123 121 79 81 114 107 77 70 85 78 48 36 49 45 24 28 Fortsetzung Tab. 113 Skalen (Klinik) Behinder. im Alltag (Psychosomatik) ↓ Behinder. im Alltag (Sucht) ↓ Psychosoz. Status (Psychosomatik) ↑ Psychosoz. Status (Sucht) ↑ Psych. Belastung (Psychosomatik) ↓ Psych. Belastung (Sucht) ↓ Soziale Probleme (Psychosomatik) ↓ Soziale Probleme (Sucht) ↓ Gesamtscore (Psychosomatik) ↑ Gesamtscore (Sucht) ↑ Gruppe Aufnahme Entlassung ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG ExG KoG 2,51 2,60 2,54 2,47 1,20 1,34 1,23 1,29 5,28 5,04 5,32 5,11 6,34 6,05 6,24 6,14 4,99 5,28 4,96 5,22 3,79 4,12 3,95 4,04 3,95 4,10 3,88 4,01 3,31 3,52 3,29 3,43 6,20 5,92 6,27 6,01 7,18 6,91 7,07 6,97 3,07 3,24 2,99 3,23 1,95 2,01 2,02 1,83 4,06 4,08 4,12 4,12 4,77 4,54 4,71 4,56 6,42 6,43 6,38 6,40 5,67 5,82 5,73 5,81 4,63 4,45 4,53 4,35 3,89 4,34 3,91 4,38 5,34 5,22 5,46 5,25 6,17 5,96 6,10 6,03 1,60 1,61 1,62 1,58 1,45 1,71 1,46 1,74 1,31 1,45 1,33 1,49 1,26 1,62 1,24 1,63 1,40 1,87 1,45 1,53 1,38 1,71 1,39 1,69 1,94 2,10 1,92 2,17 1,91 2,02 1,89 2,09 1,29 1,30 1,30 1,29 1,16 1,45 1,27 1,48 194 1,61 1,58 1,65 1,49 1,18 1,45 1,23 1,52 1,71 1,78 1,70 1,80 1,32 1,61 1,33 1,70 1,87 1,90 1,86 1,91 1,48 1,76 1,51 1,86 1,89 2,02 1,94 2,09 1,47 1,73 1,51 1,87 1,45 1,48 1,43 1,47 1,14 1,43 1,23 1,50 Katamnese 2,44 2,39 1,69 1,67 1,17 1,42 1,48 1,64 5,17 5,38 1,76 1,94 6,34 6,06 1,67 2,00 5,18 4,97 1,91 2,06 3,82 4,13 1,82 2,13 3,95 3,74 1,96 2,35 3,11 3,39 1,96 2,29 6,16 6,19 1,48 1,72 7,24 6,96 1,40 1,65 N 123 121 79 81 114 109 78 70 123 122 79 82 114 109 78 69 125 122 81 82 114 109 78 69 121 121 78 80 112 107 75 69 125 123 81 82 113 107 76 69 Tab. 114 Hypothesentestung für die IRES-Skalen Somatischer Status, Unterskalen: Schmerzen und Symptome sowie Risikofaktoren, Funktionaler Status, Unterskalen: Beanspruchung im Beruf und Behinderung im Alltag, Psychosozialer Status, Unterskalen: Psychische Belastung und Soziale Probleme sowie Rehastatus Gesamtscore als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über die Meßzeitpunkte Aufnahme-Entlassung sowie Aufnahme-Entlassung-Katamnese. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert „Meßzeitpunkte“ (Meßwiederholungsfaktor), Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. Skalen (Klinik) Aufnahme-Entlassung Gru MW η2 η2 Somatisch.S (Psy) Somatisch.S (Sucht) Symptome (Psy) Symptome (Sucht) Risikofaktor (Psy) Risikofaktor (Sucht) Funktional.S (Psy) Funktional.S (Sucht) Beruf (Psy) Beruf (Sucht) Alltag (Psy) Alltag (Sucht) Psychosoz.S (Psy) Psychosoz.S (Sucht) Psych. Bel. (Psy) Psych. Bel. (Sucht) Soziale Pr. (Psy) Soziale Pr. (Sucht) Rehastatus (Psy) Rehastatus (Sucht) 1,3 109** Gru* MW ,31+++ 1,3 2,4 121** ,35+++ ,5 ,6 37** ,34+++ ,6 1,4 110** ,31+++ ,9 1,6 33** ,30+++ ,9 2,3 100** ,31+++ ,5 ,6 29** ,29+++ ,7 ,2 12** ,05+ ,1 4,8* ,06++ 1,1 84** ,27+++ ,0 ,1 29** ,29+++ ,1 ,9 34** ,12++ ,1 ,0 21** ,21+++ 1,0 ,2 85** ,28+++ ,1 ,1 28** ,28+++ 1,7 1,2 ,1 ,0 ,9 10** ,20+++ 2,7 ,0 ,0 ,0 ,2 23** ,48+++ ,3 ,4 60** ,20+++ ,3 ,0 28** ,26+++ 1,6 ,3 86** ,28+++ ,2 ,0 29** ,27+++ 1,8 ,4 154** ,39+++ 2,3 ,0 63** ,44+++ 1,8 2,2 335** ,60+++ ,1 ,5 117** ,61+++ ,2 ,6 161** ,40+++ 1,9 ,0 64** ,45+++ 2,0 1,6 331** ,60+++ ,7 ,4 114** ,61+++ ,4 ,0 25** ,10++ ,1 13** ,15+++ 1,0 2,1 45** ,17+++ 1,2 1,1 22** ,24+++ ,7 1,5 141** ,36+++ 1,5 ,5 51** ,39+++ 1,4 2,1 278** ,56+++ ,2 ,4 88** ,55+++ ,5 4,0** 2,7* η2 ,02+ ,0 195 Aufnahme-Entllassung-Katamnese Gru Gru* η2 MW η2 MW 1,4 33** ,29+++ ,7 1,1 η2 Überprüfung der Hypothese: Arbeitsunfähigkeitszeiten Die Hypothese, dass Patienten der ExG im einjährigen Prä-Post-stationären Vergleich größere Abnahmen in den AU-Zeiten aufweisen als Patienten der Kontrollgruppe wurde überprüft, in dem die ExG und die KoG hinsichtlich der durchschnittlichen AU-Zeiten für die Zeiträume „1 Jahr vor der Heilbehandlung“ und „1 Jahr nach der Heilbehandlung“ verglichen wurden. Dabei wurden auch Krankenhausaufehthalte berücksichtigt. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden die Krankenkassenstammdaten der Projektteilnehmer ausgewertet. Für die Psychosomatik liegen die Krankenkassenstammdaten von insgesamt 203 Patienten vor, für die Sucht von insgesamt 235 Patienten. Sowohl die Patienten der ExG als auch die Patienten der KoG zeigen in beiden Kliniken eine deutliche Reduktion der AU-Zeiten im Prä-Post-Vergleich. Dies zeigt sich für beide Kliniken in hochsignifikanten Messwiederholungseffekten. Die Verminderung der AU-Zeiten fällt in beiden Kliniken in der ExG höher aus als in der KoG. So ergibt sich im Prä-Post-Verleich in der ExG eine Reduktion der AU-Zeiten in Höhe von 61,2 Tagen in der Psychosomatik und 60,6 Tagen in der Sucht gegenüber der KoG, in der sich die AU-Zeiten nur um 40,9 Tage in der Psychosomatik und 40,7 Tage in der Sucht verminderten. Trotz dieser auf den ersten Blick deutlichen Mittelwertsunterschiede und sich abzeichnenden günstigeren Rehabilitationsergebnisse der Teilnehmer der ExG ergeben sich in den varianzanalytischen Analysen in diesem Variablenbereich – auch vor dem Hintergrund sehr hoher Streuungen der Werte innerhalb der Gruppen keine signifikanten Interaktionseffekte. Tab. 115 Mittelwerte und Standardabweichungen der AU-Zeiten für die Zeiträume „1 Jahr vor der Heilbehandlung“ und „1 Jahr nach der Heilbehandlung“ in Tagen. Abkürzungen: x: Mittelwert; s: Standardabweichung; N: Stichprobengröße, Psy: Psychosomatik; Su: Sucht; ExG: Experimentalgruppe, KoG: Kontrollgruppe. Mittlere AU-Zeiten in Tagen 1 J. vor Behandlung Psy 1Su ExG KoG Gesamt ExG KoG Gesamt x 117,9 108,1 113,2 104,2 93,0 98,1 s 121,5 121,1 121,1 109,4 94,8 101,7 196 1 J. nach Behandlung x 56,7 67,2 61,7 43,6 52,3 48,4 s 88,3 108,5 98,4 76,1 82,4 79,6 N 105 98 203 107 128 235 Tab. 116 Hypothesentestung mit den AU-Zeiten (in Tagen) als abhängige Variablen. Zweifaktorielle Varianzanalysen über folgende Stufen des Messwiederholungsfaktors: „1 Jahr vor der Heilbehandlung“ und „1 Jahr nach der Heilbehandlung“. Abkürzungen: Gru: F-Wert „Gruppe“ (Gruppierungsfaktor), MW: F-Wert Meßwiederholungsfaktor „AU-Zeitraum“, Gru*MW: F-Wert für die Interaktion, Signifikanz der F-Werte (einseitiger Test): *: α: 5%, **: α: 1%, η2: Effektstärke. 1 J. nach Behandlung -1 J. nach Behandlung Gru MW Gru*MW η2 η2 η2 Psy ,0 32** ,14 1,2 Su ,0 46** ,17 1,8 Auch wenn Patienten der ExG im einjährigen Prä-Post-stationären Vergleich hypothesenkonform größere Abnahmen in den mittleren AU-Zeiten aufweisen als Patienten der Kontrollgruppe konnte statistisch nicht nachgewiesen, dass diese Unterschiede überzufällig sind. Insofern konnte die Hypothese statistisch nicht bestätigt werden. Überprüfung der Hypothese zu Akzeptanz und Zufriedenheit Überprüfung der Hypothese: Gruppenbewertung Die Hypothese, dass Patienten, die an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, die Gruppensitzungen positiv einschätzen, eine allgemeine Zufriedenheit mit der Gruppe und eine positive Wirkung hinsichtlich Problembewusstsein und Verhaltensänderungen wahrnehmen, eine hohe Aktivierung durch die Gruppenteilnahme wahrnehmen sowie ein Gefühl von Gruppenkohäsion und Integration in die Gruppe erleben, wurde mittels des Abschlussbewertungsbogens überprüft. In ihren abschließenden Bewertungen zeigten sich die Teilnehmer als zufrieden mit dem neuen Gruppenangebot, wobei im Vergleich zu Bad Dürkheim die Patienten der Fachklinik Münchwies eine noch höhere Zufriedenheit aufwiesen (s. Tab. 117). Insgesamt hinterließ das Gruppenprogramm einen guten Gesamteindruck. Die Patienten bewerteten insbesondere die Informationsbestandteile sehr positiv (Skalen Informationsgehalt und Verständlichkeit). Sie fühlten sich in der Gruppe wohl (Skala Atmosphäre) und gaben sich mit den Trainingselementen (Übungen und Hausaufgaben) sehr zufrieden (Skala Anregungsgehalt). Dem Programm wurde eine hohe Auswirkung (Skala Wirkung) hinsichtlich Problemverständnis und Verhaltensänderung zugeschrieben. Tab. 117 Abschlussbewertung des Gruppenangebots: Skalenwerte (x: Mittelwert; s: Standardabweichung; Antwortskalierung von 1 positive Ausprägung bis 6 negative Ausprägung) Skala (von 1 positive Ausprägung bis 6 negative) Psychosomatik x s S_Gesamteindruck 2,12 ,69 S_Wirkung 2,34 ,94 S_Anregungsgehalt 2,28 ,82 S_Informationsgehalt 1,58 ,62 S_Verständlichkeit 1,94 1,01 S_Verständlichkeit 1,94 1,01 S_Atmosphäre 2,20 1,00 S_Atmosphäre 2,20 1,00 197 Sucht x 1,85 2,16 1,84 1,39 1,56 1,56 1,71 1,71 s ,63 ,91 ,61 ,51 ,71 ,71 ,80 ,80 Im Rahmen der Prozessbewertung liegen durch die Mehrfachbeantwortung insgesamt 800 Datensätze von den Teilnehmern am Gruppenprogramm vor, aus den Stichproben Psychosomatik 521 Datensätze von 132 unterschiedlichen Patienten und Sucht 279 von 84 Patienten (jeweils incl. Abbrecher). Aus der nachfolgenden Tabelle geht hervor, wie viele Bewertungen zu einer Grupppeneinheit des jeweils behandelten Persönlichkeitsstils vorliegen. Die unterschiedlichen Zahlen resultieren daraus, dass nicht alle Patienten gleichermaßen zu allen Gruppeneinheiten Bewertungen abgegeben haben. Tab. 118 Prozeßbewertung: Anzahl Bewertungen der Gruppeneinheiten (GE) zu den behandelten Persönlichkeitsstil Gruppeneinheiten (GE) GE gewissenhafter Stil GE dramatischer Stil GE anhänglicher Stil GE selbstbewußter Stil GE sensibeler Stil GE sprunghafter Stil Gesamt Bewertungen Psychosomatik Anzahl % 83 15,9% 100 19,2% 96 18,4% 67 12,9% 87 16,7% 88 16,9% 521 100% Sucht Anzahl 36 39 38 54 55 57 279 % 12,9% 14% 13,6% 19,4% 19,7% 20,4% 100% Gesamt Anzahl 119 139 134 121 142 156 800 % 14,9% 17,4% 16,8% 15,1% 17,8% 18,1% 100% Auf die Frage, in wieweit der behandelte Persönlichkeitsstil einem Teilnehmer entsprach, ergibt sich, dass sich die Patienten in der Selbsteinschätzung im Mittel am ehesten mit dem sensiblen Persönlichkeitsstil in der Psychosomatik und dem gewissenhaften in der Sucht identifizierten. Tab. 119 Prozeßbewertung: Identifikation mit Persönlichkeitsstil (x: Mittelwert; s: Standardabweichung; Antwortskalierung von 1 positive Ausprägung bis 6 negative Ausprägung) Skala Identifikation mit Persönlichkeitsstil gewissenhaft dramatisch anhänglich selbstbewußt sensibel sprunghaft Psychosomatik x s 2,73 1,45 3,16 1,50 3,83 1,63 4,30 1,52 2,07 1,30 3,25 1,86 Sucht x 2,60 3,08 3,38 3,24 2,75 3,28 s 1,45 1,66 1,60 1,54 1,68 1,81 Im folgenden werden Daten der Skala Gesamteindruck differenziert über die 6 Gruppeneinheiten zu den einzelnen Persönlichkeitsstilen tabelliert. Mit einem geringen Range der Mittelwerte von ,54 in der Psychosomatik und ,39 in der Sucht werden die einzelnen Gruppeneinheiten von den Teilnehmern relativ homogen beurteilt. Die Höhe der Bewertungen stimmen in ihren Ausprägungen dabei nicht eindeutig mit den Angaben überein, mit welchem behandelten Persönlichkeitstil sich die Teilnehmer am ehesten identifiziert haben, so gaben bspw. die Patienten der Sucht an, dass der anhängliche Stil ihnen im Vergleich am geringsten entsprach - ihr Eindruck von der Gruppeneinheit zum anhänglichen Stil war jedoch sehr positiv. 198 Tab. 120 Prozeßbewertung: Daten der Skala Gesamteindruck im Vergleich über die einzelnen behandelten Persönlichkeitsstile (x: Mittelwert; s: Standardabweichung; Antwortskalierung von 1 positive Ausprägung bis 6 negative Ausprägung) Skala Gesamteindruck Gruppeneinheiten (GE) GE gewissenhafter Stil GE dramatischer Stil GE anhänglicher Stil GE selbstbewußter Stil GE sensibeler Stil GE sprunghafter Stil Psychosomatik x s 2,22 ,81 2,50 ,91 2,31 ,69 2,56 ,75 2,02 ,65 2,29 ,84 Sucht x 1,82 2,21 1,98 2,00 2,06 2,14 s ,57 ,66 ,68 ,70 ,80 ,84 Zusammenfassend geht aus der Prozeßbewertung der einzelnen Gruppeneinheiten als auch der Abschlussbeurteilung eine hohe Zufriedenheit der teilnehmenden Patienten mit dem neuen Gruppenprogramm hervor. Überprüfung der Hypothese: Allgemeine Therapiezufriedenheit Die folgenden Auswertungen beziehen sich auf Daten, die mit dem standardmäßig allen Patienten der Kliniken vorgelegten Entlassungsfragebogen (Wissenschaftsrat der AHG, unveröffentl.) erfasst werden. Die Patienten der Experimentalgruppe sind in der Psychosomatik mit dem erzielten Therapieerfolg signifikant zufriedener als die Patienten der Kontrollgruppe. Auch in der Sucht zeigt sich in der Tendenz eine höhere Zufriedenheit der Experimentalgruppe. Tab. 121 Zufriedenheit mit der gesamten Therapie (N: Anzahl; x: Mittelwert; s: Standardabweichung; n.s.: nicht signifikant, * α: 5%, ** α: 1%) Zufriedenheit mit... Psychosomatik Sucht Antwortskalierung ExG KoG t-Test ExG KoG t-Test 1 = sehr zufrieden bis (N=101) (N=84) (N=106) (N=108) 6 = sehr unzufrieden x s x s X s x s 2,33 1,17 2,85 1,25 -2,96 ** 1,81 0,73 2,05 0,98 -1,99* Therapieerfolg Die Signifikanzprüfungen (Mann-Whitney-U-Test) der Antwortverteilungen hinsichtlich wahrgenommener positiver Veränderungen (Skalierung „verschlechtert“, „unverändert“, „verbessert“) ergeben eine signifikant höhere Anzahl von Verbesserungseinschätzungen der Patienten der Experimentalgruppe gegenüber Patienten der Kontrollgruppe in den Bereichen „Beschwerden“, „Umgang mit Belastungen“, „Zusammenhänge zwischen Problemen und Beschwerden verstehen“ in beiden Kliniken und in „Fähigkeit, mich so zu verhalten oder zu denken, wie es gut für mein Befinden ist“ für die Psychosomatik. In der Tendenz zeigen sich diese Effekte auch für die Bereiche „Stimmungslage“, „Fähigkeit, mich so zu verhalten oder zu denken, wie es gut für mein Befinden ist“ und „Fähigkeit, Probleme zu lösen“ in der Sucht sowie „Selbstsicherheit“, „Fähigkeit, Bedürfnisse auszudrücken und durchzusetzen“ und Fähigkeit, Probleme zu lösen“ in der Psychosomatik. 199 Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die allgemeine Therapiezufriedenheit erhöht. Insofern konnte die zu überprüfende Hypothese insgesamt bestätigt werden. Tab. 122 Subjektive Selbsteinschätzung hinsichtlich erzielter positiver Veränderungen (N: Anzahl; n.s.: nicht signifikant, * α: 5%, ** α: 1%) Anzahl positiv beurteilter Veränderungen Beschwerden Stimmungslage Umgang mit Belastungen Zusammenhänge zw. Problemen u. Beschwerden verstehen Fähigkeit, mich so zu verhalten oder zu denken, wie es gut für mein Befinden ist Fähigkeit, Probleme zu lösen Selbstsicherheit Fähigkeit, Bedürfnisse auszudrücken und durchzusetzen Psychosomatik ExG KoG U-Test (N=95-101) (N=80-86) N % N % 83 84,7 56 68,3 3356,5** 81 81,8 62 74,7 n.s. 74 75,5 42 52,5 3010** Sucht ExG (N=86-103) N % 93 93,9 98 93,3 97 92,4 KoG (N=77-92) N % 79 79,8 90 84,9 77 75,5 4189,5** 5096,5* 4447,0** 90 94,7 60 75 3042,5** 95 97,9 88 88,0 4368,0** 89 89,9 63 74,1 3529,5** 103 96,3 92 87,6 5136,5* 75 77,3 53 63,1 3455* 95 93,1 84 83,2 4630,5* 82 79 81,2 59 81,4 56 68,6 69,1 3770,5* 3425* 88 86 89,8 88,7 82 85 83,7 84,2 n.s. n.s. 200 U-Test 5 Diskussion und Ausblick 5.1 Hintergrund, Fragestellung und Design Die neueren Forschungsergebnisse betonen den besonderen Stellenwert der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung in der Psychotherapie, Psychiatrie und Rehabilitation. Zahlreiche Studien weisen auf die zum Teil hohe Komorbidität der Persönlichkeitsstörungen mit anderen psychischen, psychosomatischen oder Abhängigkeitserkrankungen hin. Die Zusammenhänge sind nicht zufällig und nicht für jede Persönlichkeitsstörung gleich. So kann bei vorsichtiger Schätzung davon ausgegangen werden, dass bei mindestens einem Drittel aller stationären Patienten in psychosomatischen, psychiatrischen oder Sucht-Kliniken eine Persönlichkeitsstörung vorliegt, ausschließlich oder zusätzlich zu den symptomatischen Störungen, wobei oft die Hälfte der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen die diagnostischen Kriterien für mehr als eine Persönlichkeitsstörung erfüllen. Die Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen bei ambulanten Patienten sind nur unwesentlich geringer. Es kann davon ausgegangenen werden, dass Persönlichkeitsstörungen bedeutsame Auswirkungen auf das Erscheinungsbild, die Entwicklung und den Verlauf symptomatischer Störungen haben. Die Ergebnisse der therapiebezogenen Komorbiditätsforschung zeigen, dass komorbide Persönlichkeitsstörungen den Behandlungsverlauf einer symptomatischen Störung sowie die Prognose erheblich verschlechtern können. Die Behandlungsverläufe sind wegen der tiefverwurzelten und komplexen Probleme und auf Grund von ”Ich-Syntonie” und mangelndem Problembewusstsein der Betroffenen oft gekennzeichnet durch Motivations-, Kooperations- und Complianceprobleme, die zu kaum auflösbaren Krisen in der Zusammenarbeit, zu Therapieabbrüchen oder zu unbefriedigenden Behandlungsergebnissen führen können. Angesichts der schwierigen, langwierigen und kostenintensiven Behandlungsverläufe von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und der häufig negativen Auswirkungen dieser komplexen Beschwerdebilder auf die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Betroffenen sind v. a. in der psychosomatischen und suchttherapeutischen Rehabilitation Anstrengungen zu unternehmen, die Psychotherapie der Persönlichkeitsstörung zu optimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde in der Studie ein neues kognitivverhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm entwickelt und überprüft, das drei innovative Merkmale im Unterschied zur herkömmlichen Therapie umsetzt: (1) Es fußt auf einem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstörung, das deren interpersonelle Natur als Beziehungsstörung in den Blick nimmt. Dies bedeutet eine Abkehr vom klassischen kategorialen Klassifikationssystem und eröffnet damit neue Perspektiven für Diagnostik und Therapie. (2) Das neue Programm stellt die Persönlichkeitsstörung in den Fokus der Behandlung und nicht die unspezifische Förderung von Kompetenzen im Erlebens- und Verhaltensbereich, von denen angenommen wird, dass die Persönlichkeitsstörung diese positiv beeinflussen können. (3) Die bekannte Ich-Syntonie der Persönlichkeitsstörung erfährt im neuen Programm in besonderer Weise Beachtung: statt wie bislang üblich wird die Thematisierung der Persönlichkeitsstörung nicht vermieden, sondern in den Fokus gerückt im Rahmen eines ressourcenorientierten Ansatzes, der diese Fokussierung produktiv macht. Die neue dimensionale Betrachtungsweise der Persönlichkeitsstörung eröffnet in vielfäl201 tiger Weise einen solchen ressourcenstärkenden Zugang. Nicht-konfrontative Motivierungsstrategien bilden ein weiteres starkes günstiges Gegengewicht zu der oft vermuteten Überforderung der Patienten, wenn die Pathologie der Persönlichkeitsstörung direkt in den Mittelpunkt der Therapie gestellt werden wird. Vor diesem Hintergrund wurde ein neues, psychoedukativ- und kompetenzorientiertes Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen entwikkelt, das auf einem dimensionalen Modell der Persönlichkeitsstile basiert und das die Probleme bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in besonderer Weise durch Psychoedukation und Informierung des Patienten berücksichtigt. Das Therapieprogramm liegt als ausgearbeitetes Therapiemanual vor (Schmitz et al., 2001) und wurde in der stationären verhaltenstherapeutischen Psychosomatik und Suchttherapie für Patienten mit ausgewählten Persönlichkeitsstörungen und dysfunktionalen Persönlichkeitsstilen entwickelt, d.h. für Patienten mit selbstunsicherer, dependenter, zwanghafter, histrionischer, narzisstischer und Borderline-Persönlichkeitsstörung bzw. entsprechendem Persönlichkeitsstil. Das Programm ist kognitivverhaltenstherapeutisch orientiert und bietet für jede Persönlichkeitsvariante ein psychoedukatives Modul zur Förderung günstiger Einsichtsprozesse und zur Einführung in den jeweiligen Persönlichkeits- und Kommunikationsstil, seine Entwicklung und seine Auswirkungen sowie ein kompetenzorientiertes Modul zur Förderung spezifischer psychosozialer Fertigkeiten. Die Zielsetzungen des Programms sind damit sowohl verstehens- als auch veränderungsorientiert, d.h. es geht nicht nur darum, sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen, sondern auch darum, Perspektiven für die persönliche Entwicklung aufzuzeigen und dazu Starthilfen zu geben. Das Therapieprogramm stellt mit seinen Zielsetzungen und Vorgehensweisen die Persönlichkeitsstörung des Patienten direkt in den Fokus der Behandlung und unterscheidet sich damit von der oft vorherrschenden Meinung in der Fachliteratur, dass Persönlichkeitsstörungen auf Grund von "Ich-Syntonie" und mangelndem Problembewusstsein der Betroffenen nicht unmittelbar und direkt zum Gegenstand der Behandlung gemacht werden sollten (z. B. Fiedler, 1995). So richten sich die herkömmlichen kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionsempfehlungen mit einigen Ausnahmen (z.B. Linehan, 1993 - für die Borderline-Persönlichkeitsstörung) eher auf die Förderung der Kompetenzen im Erlebens- und Verhaltensbereich und es wird davon ausgegangen, dass sich mit den veränderten Interaktions- und Selbststeuerungsmustern mutmaßlich auch die Persönlichkeitsmerkmale von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in wünschenswerter Weise verändern. Im Spannungsfeld dieser Diskussion ist die Fragestellung der vorliegenden Studie nach der Wirksamkeit des neuen Behandlungsprogramms angesiedelt. Das Gruppentherapieprogramm wurde im Rahmen eines quasi-experimentellen Untersuchungsplans mit drei Messzeitpunkten (stationäre Aufnahme und Entlassung sowie 1-Jahres-Katamnese), breiter Kriteriumsmessung und randomisierter Zuweisung zu Experimental- und Kontrollgruppen (ExG und KoG) evaluiert. Die abhängigen Variablen lassen sich in 6 Bereiche ordnen: Symptomatologie (Verfahren u.a. FBL, BDI), Subjektive Gesundheit (u.a. IRES), Persönlichkeitsstile / Interpersonelle Probleme (u.a. IIP-D, PSSI), Basisfertigkeiten / Soziale Unterstützung (u.a. F-SOZU, U-Fragebogen), Bewertung und Akzeptanz der Maßnahme (Entlassfragebogen sowie Eigenentwicklungen) sowie Objektive Daten (AU-Zeiten). 202 Zentrale Hypothese der Studie war, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die als Teil ihres multimodalen Behandlungsprogramms auch an dem neu entwickelten Gruppentherapieprogramm teilnehmen, günstigere Rehabilitationsergebnisse erzielen als Patienten, die am gleichen Behandlungsprogramm teilnehmen, das unspezifisch Interaktions- und Selbststeuerungsprozesse fördert, was der herkömmlichen Behandlungsrationale bei Persönlichkeitsstörungen entspricht. So wurde erwartet, dass das Gruppenprogramm auf Grund seiner (persönlichkeits-) störungsspezifischen Zielorientierung in Verbindung mit Ressourcenorientierung sowie besonders geeigneten nicht-konfrontativen Motivierungsstrategien nicht nur günstigere Effekte im Bereich der Persönlichkeit und interpersoneller Probleme erzielt als das etablierte Behandlungsangebot, sondern auch solche Einsichts-, Motivations- und Kooperationsprozesse fördert, die sich auf die Mitarbeit in den anderen therapeutischen Angeboten auswirken und sich in günstigeren symptomatischen Besserungen und in einer größeren Zufriedenheit mit der stationären Behandlungsmaßnahme abbilden. Untersucht wurden Patienten mit depressiven Störungen, Angststörungen, somatoformen und Essstörungen in der Psychosomatik und Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol oder Medikamente) in der Sucht. Verglichen wurden in Sucht und Psychosomatik die Effekte eines individualisierten, multimodalen Behandlungsangebots, mit der experimentellen Variation der Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme am neuen Gruppentherapieprogramm. Insgesamt wurden in den beiden Kliniken jeweils eine Experimental- und Kontrollgruppe gebildet. Die entsprechenden Patienten der beiden Experimentalgruppen und der beiden Kontrollgruppen nahmen gleichermaßen am multimodalen Behandlungsangebot der Kliniken teil und für jeden Patienten wurde aus dem komplexen Behandlungsangebot der Kliniken ein individualisiertes Therapieprogramm zusammengestellt (siehe Behandlungskonzepte der Kliniken). Die Patienten der Kontrollgruppen nahmen nicht an dem neuen Gruppentherapieprogramm für Persönlichkeitsstörungen teil, sondern besuchten statt dessen eine andere, für sie im Bereich der Förderung psychosozialer Kompetenzen indizierte gruppentherapeutische Maßnahme, z.B. die Selbstsicherheitsgruppe. Im breiten Ausmaß wurden abhängige Variablen definiert um die Wirksamkeit des Treatments besser abschätzen können als dies nur mit einigen wenigen, theoretisch mit dem Treatment eng verbundenen abhängigen Variablen möglich gewesen wäre. Die Hypothesenformulierung bedeutet eine schwer zu erreichende Zielmarke für das neue Therapieprogramm – machte dessen Treatmentdosis doch nur 12 Stunden aus im Unterschied zu dem dichten herkömmlichen therapeutischen Programm. Kritisch muss aus methodischer Sicht darauf hingewiesen werden, dass das Design damit nur die Gegenüberstellung und Prüfung zweier komplexer Behandlungsvariationen ermöglicht, nämlich die Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme am neuen Gruppentherpieprogramm im Rahmen des herkömmlichen kompetenzorientierten Gruppenangebot. Die stationäre Behandlungsplanung, die für die Patienten routinemäßig einen vergleichbaren Umfang an gruppentherapeutischen Maßnahmen vorsieht, stellte in beiden Kliniken sicher, dass sich die Patienten der Experimentalgruppen und der Kontrollgruppen nicht in ihrer Therapiedosis hinsichtlich der Teilnahme an einem gruppentherapeutischen Angebot unterscheiden, so dass mögliche Unter- 203 schiede zwischen Experimentalgruppen und Kontrollgruppen nicht auf Unterschiede in der ”gruppentherapeutischen” Gesamttherapiedosis zurückzuführen sind. 5.2 Ergebnisse Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammengefasst. Die Analysen erfolgten jeweils getrennt für die Stichproben Psychosomatik und Sucht. Von einer Zusammenführung bzw. gemeinsamen Analysen der beiden Stichproben wurde auf Grund der sowohl hinsichtlich der Kennwerte der unabhängigen als auch abhängigen Variabeln sehr stark unterschiedlichen Stichproben abgesehen. Darin widerspiegeln sich die bekannten Unterschiede zwischen Patienten der beiden Indikationsgebiete „Psychosomatik“ und „Sucht“. 5.2.1 Merkmale der Stichproben Die Parallelisierung von Experimental- und Kontrollgruppe erfolgte in beiden Kliniken nach soziodemographischen Daten wie Geschlecht, Schuldbildung, Familienstand, letztem beruflichen Status, Arbeitsfähigkeit, Erstmanifestation der Erkrankung und Anzahl der Achse I und II- Diagnosen. Bei keinem Merkmal zeigten sich signifikante Unterschiede. Auch die drop-out-Analyse ergab keine bedeutsamen Unterschiede hinsichtlich der soziodemographischen Variablen und der Variabeln zur beruflichen Situation. Signifikante Unterschiede ergab jedoch der Vergleich der Patientengruppe mit Persönlichkeitsstörung mit der Gruppe ohne Persönlichkeitsstörung hinsichtlich soziodemographischer Daten: Patienten mit Persönlichkeitsstörung sind in Psychosomatik wie Sucht drei bis fünf Jahre jünger als Patienten ohne Persönlichkeitsstörung. Die schwerwiegenden Defizite in der Persönlichkeitsorganisation dürften dazu führen, dass die Entwicklung so ungünstig verläuft, dass früher ein stationärer Aufenthalt notwendig wird. Hinsichtlich des Schulbildungsniveaus zeigt sich nur in der Psychosomatik der Effekt, dass dort mehr Patienten mit Persönlichkeitsstörung einen höheren Schulabschluss als Patienten ohne Persönlichkeitsstörung haben. Vor allem die Lebensbereiche, die von den sozial-interaktiven Fähigkeiten geprägt sind, wie Familienstand oder Partnersituation, gestalten sich bei Patienten mit Persönlichkeitsstörung in Sucht wie Psychosomatik deutlich ungünstiger und stellen damit für diese Patientengruppe einen besonders schwerwiegenden Faktor sozialer Belastetheit. Der berufliche Leistungsbereich im Sinne des beruflichen Status steht in keinem Zusammenhang mit der Diagnose Persönlichkeitsstörung, jedoch sind Patienten mit Persönlichkeitsstörung häufiger arbeitslos. Dies dürfte vor allem mit den sozial-interaktiven Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zusammenhängen in die solche Patienten eher geraten und die sie schlechter lösen können als andere. 5.2.2 Akzeptanz und Zufriedenheit Die Daten bestätigen in beiden Kliniken die Hypothese, dass Patienten, die an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilnehmen, die Gruppensitzungen positiv einschätzen, eine allgemeine Zufriedenheit mit der 204 Gruppe und eine positive Wirkung hinsichtlich Problembewusstsein und Verhaltensänderungen wahrnehmen, eine hohe Aktivierung durch die Gruppenteilnahme erleben sowie ein Gefühl von Gruppenkohäsion und Integration in die Gruppe. In ihren abschließenden Bewertungen zeigten sich die Teilnehmer zufrieden mit dem neuen Gruppenangebot. Insgesamt hinterließ das Gruppenprogramm einen guten Gesamteindruck. Insbesondere die Informationsbestandteile wurden sehr positiv bewertet (Skalen Informationsgehalt und Verständlichkeit). Die Patienten fühlten sich in der Gruppe wohl (Skala Atmosphäre) und waren mit den Trainingselementen (Übungen und Hausaufgaben) sehr zufrieden (Skala Anregungsgehalt). Dem Programm wurde eine hohe Auswirkung (Skala Wirkung) hinsichtlich Problemverständnis und Verhaltensänderung zugeschrieben. Die einzelnen Gruppeneinheiten wurden relativ homogen und durchgehend positiv beurteilt. Diese Ergebnisse wurden mit dem Prozess- und dem Gruppenbewertungsbogen (Husen, 1998) gewonnen, die beide im Rahmen des Evaluationsprojektes entwickelt worden sind. Die positive Tendenz in der Einschätzung und subjektiven Bewertung des Interventionsprogramms wirkte sich auch in der allgemeinen Beurteilung der stationären Therapie aus. Die Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe eine größere Zufriedenheit mit der stationären Therapie zeigen als Patienten der Kontrollgruppe konnte damit ebenfalls bestätigt werden. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden spezifische Items des Entlassfragebogens ausgewertet (Wissenschaftsrat der AHG, unveröffentl.), auf denen die Patienten ihre Veränderungen (Verbesserungen und Verschlechterungen) durch die Therapie einschätzen. Zum Zeitpunkt der Entlassung zeigen sich die Patienten der Experimentalgruppe in beiden Kliniken mit dem erzielten Therapieerfolg zufriedener als die Patienten der Kontrollgruppen. In beiden Kliniken berichten in der Experimentalgruppe relativ zur Kontrollgruppe eine signifikant höhere Anzahl von Patienten über positive Veränderungen: hinsichtlich ihrer Beschwerden, ihrer Fähigkeit mit Belastungen umzugehen, ihrer Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen Problemen und Beschwerden zu verstehen und ihrer Fähigkeit, sich so zu verhalten oder zu denken, wie es gut für das eigene Befinden ist (in der Sucht in der Tendenz).Eine höhere Anzahl von Patienten der Experimentalgruppe nehmen im Vergleich zur Kontrollgruppe in der Tendenz eine Verbesserung ihrer Fähigketien mit Problemen umzugehen wahr, sowie eine Besserung ihrer Stimmungslage (in der Sucht) sowie eine Besserung ihrer Selbstsicherheit und ihrer Fähigkeit, Bedürfnisse auszudrücken und durchzusetzen (jeweils nur in der Psychosomatik). Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die oft geäußerte Furcht vor Reaktanz und negativer therapeutischer Reaktion bei direktem, auf die Persönlichkeitsstörung gezielt ausgerichtetem Vorgehen dann gegenstandslos ist, wenn gleichzeitig Anstrengungen unternommen werden, die verbliebenen Ressourcen und Kompetenzen aufzuzeigen und zu stärken sowie nicht-konfrontative Motivierungsstrategien umzusetzen. Der Weg, der mit dem neuen Gruppenprogramm eingeschlagen wurde, hat sich offenbar bewährt, sollen die für nachhaltige Therapieeffekte so wesentliche Zustimmung und Akzeptanz des Therapieprogramms erreicht werden. Dies gelingt mit der therapeutischen Rationale, die in dem neuen Programm ungesetzt wurde, offensichtlich in besonders günstiger Weise. 205 5.2.3 ”Veränderung der Persönlichkeitsstörung und interpersoneller Problembereiche” Die Hypothese, dass Patienten der Experimentalgruppe mit narzißtischer, dependenter, histrionischer, zwanghafter, selbstunsicherer oder BorderlinePersönlichkeitsstörung bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe eine ausgeprägtere Abschwächung des jeweils mit ihrer Persönlichkeitsstörungsdiagnose korrespondierenden Persönlichkeitsstils wahrnehmen, wurde jeweils mittels der mit dem entsprechenden Stil korrespondierenden PSSI-Skalen überprüft (Kuhl & Kazen, 1997) und konnte in der Psychosomatik für Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung bestätigt werden. So nehmen Patienten der Experimentalgruppe mit Borderline-Persönlichkeitsstörung bei sich gegenüber vergleichbaren Patienten der Kontrollgruppe ausgeprägtere Abschwächung des Stils ”borderline” / ”wechselhaft” / ”spontan” zum Zeitpunkt der Entlassung wahr (Tendenz). Für die aus den anderen fünf Persönlichkeitsstörungen gebildeten Subpopulationen bzw. die anderen fünf PSSI-Skalen konnte diese Hypothese nicht bestätigt werden. Die Ergebnisse des PFI (Riemann, 1996) weisen darauf hin, dass Patienten, die an dem neuen persönlichkeitsstörungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, ihre Persönlichkeitsfähigkeiten verglichen mit Patienten der Kontrollgruppe nicht stärker verbessern konnten. Die mittels IIP-D (Horowitz et al., 1994) gewonnen Daten zeigen, dass in der Psychosomatik Patienten der Experimentalgruppe in 4 von 8 erhobenen Skalen eine statistisch bedeutsame deutlichere Abschwächung interpersoneller Probleme wahrnehmen als Patienten der Kontrollgruppe: Im einzelnen nehmen Patienten, die an dem neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, sich zum Zeitpunkt der Entlassung statistisch bedeutsam weniger als zu abweisend / zu kalt, zu introvertiert / zu sozial vermeidend und zu selbstunsicher / zu unterwürfig und in der Tendenz weniger als zu streitsüchtig / zu konkurrierend wahr. Auf diesen Dimensionen konnte insofern eine höhere Effektivität der Therapie durch die Durchführung des neuen (persönlichkeits-) störungsspezifischen Gruppentherapieprogramms nachgewiesen werden. Poststationär gelang es den Teilnehmer der Experimentalgruppe jedoch nicht, diese günstigeren Veränderungen gegenüber der Kontrollgruppe aufrechtzuerhalten. In den anderen Skalen der Psychosomatik sowie in allen IIP-Skalen in der Sucht zeigen sich keine statistisch bedeutsamen Unterschiede der Mittelwertsverläufe zwischen Experimentalgruppe und Kontrollgruppe. Während die Daten der Psychosomatik hier mehrheitlich für eine Bestätigung der Hypothese sprechen, widersprechen die Daten der Sucht einer im Selbsturteil deutlicheren Abschwächung interpersoneller Probleme von Patienten der Experimentalgruppe. Die Daten des U-Fragebogens (Ullrich & Ullrich, 1980) weisen in beiden Kliniken darauf hin, dass die Patienten der Experimentalgruppe ihre sozialen Ängste und sozialen Inkompetenzen verglichen mit den Patienten der Kontrollgruppe nicht stärker verbessern konnten. Über fast alle Skalen hinweg zeigen sich keine signifikanten Interaktionseffekte. Nur ein signifikanter Interaktionseffekt in der Skala ”Anständigkeit” weist darauf hin, daß sich in der Psychosomatik bei Patienten der Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe Anständigkeit im Sinne einer überhöflichen Beachtung von Normen und einer übergroßen Peinlichkeit bei der Verletzung von Anstandsregeln statistisch bedeutsam stärker abmilderte. Allerdings 206 deutet sich in der Sucht in derselben Skala (dreistufiges Messmodell) sogar auf ein günstigeres Rehaergebnis der Kontrollgruppe an. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das neue (persönlichkeits-) störungsspezifische Gruppentherapieprogramm die Effektivität der Behandlung hinsichtlich einer Abschwächung sozialer Ängste und sozialer Inkompetenz nicht erhöhen konnte. Auch hinsichtlich ”Selbstwirksamkeit”, ”Basisfertigkeiten” und ”psychosozialer Fähigkeiten”, operationalisiert durch SWS (Klauer & Filipp, 19983), FPF (Husen, unveröffentlicht) und F-Sozu (Sommer & Fydrich, 1987), konnten die Patienten der Experimentalgruppe keine statistisch bedeutsam günstigeren Ergebnisse erzielen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Experimentalgruppen-Patienten auch hier keine günstigeren Rehaergebnisse bei Klinikentlassung erzielt haben als Patienten der Kontrollgruppen. Trotz einiger hypothesenbestätigender Ergebnisse in der Psychosomatik in Form in der Tendenz günstigerer Ergebnisse der Experimentalgruppe (in der PSSI-Skala ”borderline”/”wechselhaft”/”spontan” sowie in 4 von 8 IIP-Skalen) muß zusammenfassend festgehalten werden, dass die meisten Ergebnisse auf keine bedeutsamen Unterschiede zwischen Experimentalgruppe und Kontrollgruppe hinsichtlich der Veränderung ihrer Persönlichkeitsstörung und interpersoneller Problembereiche im Selbsturteil hinweisen. Gerade hinsichtlich dieser, dem Treatment theoretisch so nahen abhängigen Variablen wären interventionsspezifische Effekte zu erwarten gewesen, vor allem auch auf dem Hintergrund der treatmentspezifischen eindeutigen Ergebnisse zur hohen Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem Therapieprogramm. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Experimentalgruppen durchaus sehr günstige Ergebnisse – im Selbsturteil der interpersonellen Fähigkeiten – erreichen, aber keine signifikant besseren als die Kontrollgruppen. Womöglich ist ein bestimmter Deckeneffekt bereits in den Ergebnissen der Kontrollgruppen erreicht worden, der sich nur schwer steigern ließe. Aufschluss darüber wird ein Vergleich mit Werten der Normalpopulation geben, was in der weiteren Forschungsarbeit vorgesehen ist. Der Stellenwert der poststationären Ergebnisse ganz generell wird in den katamnestischen Verläufen zu beurteilen sein. 5.2.4 Symptomatologie Die Untersuchung von Depressivität, Angst, somatoforme Beschwerden, operationalisiert durch BDI (Hautzinger et al., 1992), SCL-90-R (Franke, 1995), BAI (Margraf, in Vorb.) und FBL-R (Fahrenberg, 1994), ergaben keine statistisch bedeutsamen Unterschiede in den Rehabilitationsverläufen zwischen den beiden Gruppen. Insofern konnten auch hier die Untersuchungshypothesen nicht bestätigt werden. 5.2.5 Subjektive Gesundheit Hinsichtlich des Gesundheitsempfindens operationalisiert durch FBL-RBeschwerdesumme, die FBL-R-Skala Allgemeinbefinden, SCL90-R-GSI und IRES (Gerdes & Jäckel, 1992) - konnte die Hypothese insgesamt ebenfalls nicht bestätigt werden, nämlich dass sich bei Patienten der Experimentalgruppe größere Verbesserungen hinsichtlich ihrer allgemeinen subjektiven Gesundheit zeigen als bei ver207 gleichbaren Patienten der Kontrollgruppe. Ein signifikant günstigeres Rehaergebnis der Experimentalgruppen-Patienten ergab sich nur in der IRES-Skala ”Risikofaktoren” in der Psychosomatik, sowie in der Tendenz in der Sucht in der FBL-R-Skala ”Allgemeinbefinden” und in der IRES-Skala ”soziale Probleme” in der Psychosomatik. 5.2.6 Suchtspezifische Ergebnisse Hinsichtlich der Abstinenzquote (Katamnese), Abstinenzzuversicht (KAZ) und Funktionalität (MDI) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Deutliche Verbesserungen spiegelten sich auf allen Skalen in signifikanten Meßwiederholungseffekten wieder. Sowohl hinsichtlich Abstinenzquote wie Abstinenzzuversicht erreichen Experimental- wie auch Kontrollgruppe sehr zufriedenstellende Ergebnisse. Auch hinsichtlich der Einsicht in die Funktionalität des Suchtmittelkonsums ergeben sich in beiden Gruppen wünschenswerte Entwicklungen, wobei sich Experimental- vs. Kontrollgruppe nicht signifikant voneinander unterscheiden. Deutliche Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe zeigen sich jedoch in der Einjahreskatamnese: Die Patienten der Experimentalgruppe erreichen eine höhere Lebenszufriedenheit mit der Familiensituation, ihrer sozialen Lebenssituation und der Wohnungssituation. Diese Ergebnisse beziehen alle Teilnehmer an der Katamnese ein. Werden nur abstinente und nach Rückfall abstinente Patienten ein Jahr nach Entlassung berücksichtigt, so zeigen diese in der Experimentalgruppe höhere Zufriedenheit in den Bereichen Freundeskreis und soziale Lebenssituation. Diese Ergebnisse werden in der Tendenz weiterhin durch günstigere Ergebnisse der Experimentalgruppe in den Bereichen Umgang mit Suchtmitteln und Wohnungssituation gestützt. Besonderen Stellenwert hinsichtlich der langfristigen Effekte des neuen Gruppenprogramms haben die Ergebnisse zur Rückfallbeendigung: Patienten der Experimentalgruppe beenden einen Rückfall in der poststationären Zeit in der Tendenz häufiger aus eigener Kraft als die Patienten der Kontrollgruppe. Hier zeigt sich eine entscheidende Überlegenheit des neuen Gruppenprogramms, das offenbar – trotz der geringen Treatmentdosis – nachhaltig auf so bedeutsame Parameter der poststationären Abhängigkeitsentwicklung wirkt wie Rückfallverhalten und Lebenszufriedenheit. Vor allem diese Ergebnisse ermutigen den eingeschlagenen Weg des fokussierten persönlichkeitsstörungsspezifischen Vorgehens weiter zu verfolgen und auszubauen. 5.2.7 Arbeitsunfähigkeitsgeschehen Die in beiden Untersuchungsgruppen beobachtete Verminderung der AU-Zeiten fällt in beiden Kliniken in der Experimentalgruppe hypothesenkonform deutlich höher aus als in der Kontrollgruppe. Im einjährigen prä-post-stationären Vergleich beträgt die Reduktion der AU-Zeiten in beiden Kliniken in der Experimentalgruppe 20 Tage mehr als in der Kontrollgruppe. Dieser deutliche Unterschied ist jedoch - die Werte innerhalb der Gruppen streuen sehr stark – statistisch nicht signifikant. Wenn auch die statistischen Signifikanz verfehlt wird, so sprechen doch diese deutlichen Unterschiede im Arbeitsunfähigkeitgeschehen dafür, das als Kulminationskennwert einer 208 positiven poststationären Entwicklung gelten kann, für die besondere Potenz des neuen Gruppentherapieprogramms, das offenbar bereits bei geringer Treatmentdosis spezifische langfristige günstige Effekte hervorruft. 5.3 Klinikspezifische Überlegungen zur Studie und ihren Ergebnissen Wie die Mittelwertsverläufe in beiden Kliniken zeigen, ergaben sich sowohl in den Experimentalgruppen als auch in den Kontrollgruppen sehr günstige Rehabilitationsverläufe über sämtliche Variablenbereiche hinweg. Dies spiegelt sich durchgängig in hohen Messwiederholungseffekten wieder. Experimentalgruppen-Patienten, die im Rahmen ihres stationären Behandlungsprogramms an dem neuen Gruppentherapieprogramm teilgenommen haben, erzielen sehr günstige Rehabilitationsergebnisse, ebenso jedoch die Patienten der KoG, die am etablierten Behandlungsprogramm bei gleicher Therapiedosis teilgenommen haben. Die Ergebnisse weisen insofern in beiden Kliniken auf eine hohe Effektivität und Wirksamkeit des etablierten Behandlungsprogramms zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen und symptomatologischen Störungen hin. Nicht durchgängige Nachweise einer größeren Effektivität des neuen Gruppenprogramms sind auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Das in der Untersuchung breit angesetzte Spektrum abhängiger Variablen sorgte dafür, dass ein spezifischer Wirkungsnachweis des neuen Treatments erreicht werden konnte. Wie die Ergebnisse zeigen, hat das neue Gruppentherapieprogramm vor allem Effekte auf Therapiemotivation, auf die Identifizierung mit dem Therapieangebot und die Zufriedenheit mit der durchlaufenen Therapie. Bislang in der Regel nur vermutete positive Auswirkungen auf langfristige Entwicklungen dieser Rehabilitationsergebnisse konnten in der Einjahrskatamnese vor allem im Abstinenzgeschehen und hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden. Festzuhalten bleiben die bedeutsamen langfristigen Effekte hinsichtlich der Abstinenz- und des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens als komplexe abhängige Variablen, die Rückschlüsse auf eine insgesamt positive poststationäre Entwicklung zulassen. Die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim ist seit Jahren klinisch und wissenschaftlich aktiv beteiligt an der Entwicklung und Integration geeigneter Behandlungsstrategien für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (Fydrich et al., 1995; Limbacher, 1989; Limbacher & Schmitz, 1996; Schmitz & Limbacher, 1989; Schmitz 1996; Schmitz et al., 1996). Im Rahmen dieser Aktivitäten wurde auch der psychoedukative Behandlungsansatz entwickelt, der dem neuen Gruppentherapieprogramm zugrunde liegt. Es wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche klinikinterne Fortbildungsveranstaltungen zur Diagnostik, Behandlung und Psychoedukation bei Persönlichkeitsstörungen durchgeführt und die regelhaft stattfindenden Supervisionen berücksichtigen die besonderen Problemstellungen von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in den relevanten diagnostisch-therapeutischen Aspekten. So kann davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter der Klinik gleichermaßen mit den neueren kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätzen sowie mit den psychoedukativen Vorgehensweisen bei Persönlichkeitsstörungen vertraut sind und eine hohe therapeutische Kompetenz in der Behandlung dieser schwierigen Patientengruppe haben. Vor diesem Hintergrund können auch die günstigen Rehabilitationsverläufe der Patienten der Kontrollgruppe gesehen werden. So kann davon ausgegangen werden, dass auch bei Patienten der Kontrollgruppe die psychoedukativen Inhalte des Gruppenprogramms vor allem über den Bezugstherapeuten mehr 209 oder weniger systematisch in die individuelle Therapie eingeflossen sind, wodurch eine Konfundierung der Effekte bzw. ein günstiges Rehabilitationsergebnis auch der Kontrollgruppe wahrscheinlich wird. In den Suchtkliniken ist es noch keineswegs therapeutische Routine, der komorbiden Erkrankung bei abhängigen Patienten, insbesondere der komorbiden Persönlichkeitsstörung, durch geeignete indikative Therapieprogramme Rechnung zu tragen. In der Fachklinik Münchwies wird jedoch schon seit vielen Jahren ein breitgefächertes indikatives Angebot vorgehalten, an dem die abhängigen Patienten zusätzlich zu dem Regelprogramm in der therapeutischen Wohngruppe mit Gruppen-, Sport- und Ergotherapie teilnehmen. Dazu gehören Angstbewältigungsprogramme, Selbstsicherheitsprogramme oder Therapieprogramme zur Förderung der Gefühlswahrnehmung. Diese indikativen Programme gehörten zu den Treatment-Bedingungen der Kontrollgruppe und der Experimentalgruppe, die zusätzlich noch an dem neuen Programm teilnahm. In der für beide Gruppen wesentlichen therapeutischen Bezugsgruppe sind bereits Rahmenbedingungen geschaffen, die sich direkt auf die interpersonellen und Selbstregulationsprobleme der abhängigen Patienten mit Persönlichkeitsstörungen richten. Darüber hinaus sorgte die hohe Akzeptanz des neuen Therapieprogramms für einen nicht kontrollierbaren Konfundierungseffekt: Die Patienten der Experimentalgruppe, die in der Regel hochmotiviert und sehr zufrieden die einzelnen Gruppenstunden verließen, tauschten Materialien und Erfahrungen aus der Gruppenstunde mit anderen Mitpatienten und eben auch solchen Patienten der Kontrollgruppe aus. In den Gruppentherapiestunden der therapeutischen Bezugsgruppe waren die Gruppenstunden des störungsspezifischen Programms häufig Thema, das die Patienten der Experimentalgruppe in die Gruppe einbrachten, um andere an ihren Erfahrungen und Einsichten teilhaben zu lassen. Wie wir in Erfahrung bringen konnten, waren die Themen und Übungen des neuen Programms auch Gegenstand in der in der Suchttherapie üblichen sogenannten Patientengruppe, d.h. von den Patienten und in Eigenregie durchgeführten Gruppen, in denen Interaktionsprobleme oder auch Probleme der Regelung des Alltags Thema waren. Diese Austauschprozesse waren nicht steuerbar, so daß von einer zumindest mittelbaren Teilhabe auch der Kontrollgruppenpatienten am neuen Therapieprogramm ausgegangen werden muss. Die Diskussion der Konfundierungsaspekte zeigt die Schwierigkeiten in der klinischen Praxis auf, den Anforderungen eines quasi-experimentellen Untersuchungsansatzes mit randomisierter Zuweisung zu Experimental- und Kontrollgruppe zu genügen. Vermutlich hätte ein zeitversetztes Design zumindest den Austauschprozeß zwischen den Gruppen verhindert, hätte u.U. aber nicht den wissenschaftlichen Anforderungen in der Phase der Projektantragstellung genügt. Angesichts der umfassenden multimodalen Behandlungsangebote beider Kliniken, die auch bereits ohne das neue persönlichkeitsstörungsspezifische Gruppentherapieprogramm hochpotente Therapiebausteine zur Förderung psychosozialen Kompetenzen (z.B. Problemlösegruppe, Selbstsicherheitstrainingsgruppe) und ein breites Spektrum störungspezifischer Gruppentherapien anbieten, kann weiterhin angenommen werden, dass die Therapiedosis des neuen Angebots vor dem Hintergrund der hohen Therapiedosis des Gesamtbehandlungsprogramms zu gering war, um weitere empirisch-statistisch nachweisbare Effekte aufzeigen zu können. 210 Damit im Zusammenhang steht auch eine kritische Reflexion derjenigen Hypothesen unserer Studie, die von günstigeren Behandlungsergebnissen der Experimentalgruppen-Patienten im Bereich der Symptomatologie und allgemeinen subjektiven Gesundheit ausgehen und die durch die Datenlage nicht belegt werden können. Diese Hypothesen und die damit ausgewählten abhängigen Variablen sind von zu weitreichenden Interventionseffekten des Treatments ausgegangen und unterschätzten die hohe Effektivität der störungs- und problemspezifischen Therapiebausteine der Kliniken. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Studie trotz der methodischen Probleme ihres quasi-experimentellen Untersuchungsansatzes und zu weitreichender Hypothesen zu den Treatment-Effekten den Nachweis erbracht hat, daß das neue Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit dieser Datenlage einen mehr als gleichwertigen Beitrag zum Behandlungserfolg der Patienten beigetragen hat - werden die etablierten gruppentherapeutischen Maßnahmen als Meßlatte angelegt. Dies scheint uns ein hinreichender Beleg dafür, daß Persönlichkeitsstörungen - wie in unserem psychoedukativ- und kompetenzorientierten Gruppenprogramm - erfolgreich direkt und unmittelbar zum Gegenstand der Behandlung gemacht werden können. Wie auch die positive Resonanz der Teilnehmer am Gruppenprogramm zeigt, scheint es uns gelungen, ein angemessenes konzeptuelles und sprachliches Handwerkszeug vorzulegen, um die Probleme mit den Patienten offen und transparent thematisieren zu können und in die therapeutischen Überlegungen einzubeziehen. 5.4 Relevanz für die Praxis der Rehabilitation und gesundheitsökonomische Aspekte Mit der vorliegenden Evaluations-Studie belegen wir die Wirksamkeit und in einigen wesentlichen Aspekten wie Zufriedenheit mit der stationären Therapie, Abstinenzund Arbeitsunfähigkeitsgeschehen die Überlegenheit des psychoedukativ- und kompetenzorientierten Gruppentherapieprogramms im Vergleich zu etablierten Therapiebausteinen für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in der stationären verhaltenstherapeutischen Psychosomatik und Suchttherapie. Das Interventionsprogramm und seine Evaluation entspricht den Anforderungen, wie sie von Kazdin (1993) für die Entwicklung und Evaluation störungsspezifischer Konzepte formuliert wurden: Entwicklung eines Störungskonzepts: Benennung der Kernpunkte für Entstehung, Entwicklung und Aufrechterhaltung der Dysfunktion im Erleben und Verhalten; Beachtung der Prozesse, die mit der Dysfunktionalität zusammenhängen; Entwicklung des Behandlungskonzepts unter Berücksichtigung des Behandlungsschwerpunkts und Benennung allgemeiner Prozeduren für den Umgang mit störungsrelevanten Prozessen; Spezifizierung der Behandlung durch konkrete Operationalisierung der Intervention, angezielt wird die Erarbeitung eines Manuals, das die Anwendung replizierbar macht; Prüfung des Behandlungsprozesses durch Messung der angenommenen für Veränderung zentralen inneren Erlebens- und Verhaltensbereiche und Prüfung des Behandlungserfolgs durch Pre-Post-Vergleiche und Einjahreskatamnese. Das Projekt ordnet sich damit in das Leitthema des Forschungsverbundes Freiburg/ Bad Säckingen ”Zielorientierung in der Rehabilitation” ein. Nach Gerdes, Bengel und 211 Jäckel (2000) ”besteht nämlich ein erheblicher Entwicklungsbedarf in der Rehabilitation vor allem darin, die Merkmale und Merkmalskombinationen, nach denen therapeutisch relevante Untergruppen gebildet werden, diagnostisch weiter auszudifferenzieren und erfolgversprechende Therapieprogramme für diese Untergruppen zu entwickeln und zu evaluieren”(S. 10). Das Projekt lenkt die Aufmerksamkeit auf eine große Patientengruppe in der psychosomatischen und Suchtrehabilitation, deren Rehabilitation mit vielfältigen und komplexen Problemen und Beschwerden sowie häufig zu beobachtenden Komplikationen im Behandlungsverlauf verbunden ist und die unter dem Gesichtspunkt der Reha-Relevanz an dieser Stelle nochmals zusammengefaßt werden sollen. So lassen sich die oft unbefriedigenden Behandlungsergebnisse in der Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit typischen, besonders ungünstigen Komplikationen in der Entwicklung und Aufrechterhaltung des Krankheitsbilds erklären, wie z.B. der langen Chronizität, der Komplexität der Problembereiche, den vielfältigen Interaktions-, Motivations- und Complianceproblemen im stationären Verlauf, oder den besonders ausgeprägten psychosozialen Belastungen dieser Patientengruppe. Patienten mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen weisen häufig chronisch ungünstige und traumatisierende Beziehungserfahrungen in Kindheit und Jugend (sexueller Mißbrauch, körperliche Gewalterfahrung, Verlust wichtiger Bezugspersonen, chronische Vernachlässigung) auf. Wie in einer eigenen, größeren Studie an 435 Patienten der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim berichtet wird (Fydrich, Schmitz, Dietrich, Heinicke & König, 1996), erhielten 27,1 % aller Patienten die Zusatzdiagnose Persönlichkeitsstörung. Die häufigsten psychischen Störungen, die mit den Persönlichkeitsstörungen einhergingen, waren affektive Störungen, Angststörungen und somatoforme Störungen. Die psychosomatischen bzw. psychosozialen Krankheitsfolgen der Persönlichkeitsstörungen sind vielfältig: v.a. im Leistungsbereich und beruflichen Kontext resultieren typische Komplikationen als Schwierigkeiten bei der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und als inadäquates Einschätzen der Leistungsgrenzen, wodurch sich verminderte Streßbelastung ergibt und Aufnahmevermögen, Schnelligkeit und Genauigkeit häufig leiden. Ebenso ist oft die psychische Funktionsfähigkeit im Rahmen der sozialen Beziehungen beeinträchtigt, wie v.a. die Affektregulation, Frustrationstoleranz, Selbstreflexionsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Angemessenheit der inneren Repräsentanz, Realitätsnähe oder das Differenzierungsvermögen in der sozialen Perspektivenübernahme. Durch diese Defizite kommt es häufig zu einem physiologischen Spannungsaufbau, der sich dann vielfach in funktionellen körperlichen Beschwerden ein Ventil sucht, die die Erwerbsund Leistungsfähigkeit weiter beeinträchtigen. Diese Leistungsfähigkeit wird bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen darüber hinaus typischerweise bereits durch die psychosozialen Auswirkungen der schwerwiegenden Persönlichkeitsproblematik herabgesetzt: Die soziale Kompetenz ist oft soweit gestört, daß funktionsfähige Arbeitsbeziehungen nicht aufrechterhalten werden können. Unter den Folgen dieser sozialen Konflikte leidet dann der Patient weiterhin, ohne an den Ursachen, die durch seine Persönlichkeitsstörung mitbedingt sind, aus eigener Kraft etwas ändern zu können. Eine Alkohol- bzw. Medikamentenabhängigkeit kompliziert diese Krankheitsfolgen drastisch und bedarf in der Rehabilitation besonderer therapeutischer Anstrengungen. Bei alkohol- bzw. medikamentenabhängigen Patienten wird das Suchtmittel bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung der Abhängigkeit funktional eingesetzt, um die 212 Defizite in der Persönlichkeitsorganisation zu kompensieren. Entsprechend wird die Komorbidität dieses Beschwerdebilds durch die enge Verflechtung von Persönlichkeitsproblematik und Alkohol- bzw. Medikamentenabhängigkeit bestimmt. Dieser Verzahnung muß in Diagnose und Therapie Rechnung getragen werden, wenn das Therapieziel ‘Abstinenz’ mit günstiger Prognose erreicht werden soll, das bei jeder stationären Entwöhnungsbehandlung erste Priorität hat. Besondere Anstrengungen erscheinen um so dringlicher, als abhängige Patienten mit Persönlichkeitsstörungen offensichtlich in vielfacher Hinsicht besonders belastet sind: Wie die Auswertung der Basisdokumentation der Fachklinik Münchwies von 600 Patienten eines Jahrgangs (1996) zeigte, sind diese Patienten vor Aufnahme häufiger arbeitslos, haben eher problematische Partnerbeziehungen und unternehmen signifikant häufiger Suizidversuche als abhängige Patienten ohne komorbide Persönlichkeitsproblematik. Zudem setzt der Chronifizierungsprozeß früher ein: Die Abhängigkeit trat bei Patienten mit extremem Persönlichkeitsstil bzw. -störung zwei Jahre früher, bereits mit 31 Jahren, ein. Die Veränderungsmotivation wird vor allem dadurch ungünstig beeinflußt, daß die Patienten die Art und Weise, wie sie Kontakt zu sich und zur sozialen Umwelt aufnehmen, als ich-synton erleben, d.h. als zu sich gehörig, und nicht als ich-dyston, d.h. auch im subjektiven Urteil als veränderungswürdige Symptomatik. Eng damit zusammen hängt die häufig zu beobachtende Einstellung der Patienten mit Persönlichkeitsstörung, daß sie eher Opfer von Umständen sind als daß sie selbst einen aktiven Anteil an den Problemen mit der sozialen Umwelt haben. Eine stationäre Behandlung wird häufig erst dann angestrebt, wenn die Folgeprobleme mit der sozialen Umwelt, sei es nun beruflich oder privat, so groß sind, daß der Patient unter diesen Folgeproblemen leidet, aber nicht sieht, daß er etwas in seinem Erleben oder Verhalten verändern sollte. Angesichts dieser komplexen Problemstellungen gilt die Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen als besonders schwierig und langwierig. Bisher liegen aus kognitiv-verhaltenstherapeutischer Sicht nur für einzelne Persönlichkeitsstörungen Behandlungskonzepte in manualisierter Form vor. Mit dem neu entwickelten Behandlungsprogramm kann nun in manualisierter Form für eine hinsichtlich der Persönlichkeitsstörungen heterogen zusammengesetzte Patientengruppe ein Behandlungskonzept vorgelegt werden. Das Gruppenprogramm ist störungsspezifisch auf sechs ausgewählte Persönlichkeitsstile bzw. Persönlichkeitsstörungen ausgerichtet und integriert psychoedukative Methoden zum Motivationsaufbau und zur ersten Förderung günstiger Einsichtsprozeße in die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Probleme, Beschwerden und der interaktiven Zusammenhänge mit einem kompetenzorientierten Übungsteil zur Förderung spezifischer psychosozialer Fertigkeiten. Hinsichtlich der Sucht schlägt das Therapieprogramm auch Brücken zwischen unterschiedlichen therapietheoretischen Positionen. Die Alternative zwischen der Sichtweise "Zunächst muß die eigentliche Ursache, die Persönlichkeitsstörung, therapiert werden, dann ergeben sich auch die Verbesserungen auf der Suchtebene" und der Gegenposition "Zuerst muß eine Verbesserung bei der Sucht erreicht werden, dann lösen sich auch die zugrundeliegenden Probleme in der Persönlichkeitsorganisation" wird überwunden: Unser Ansatz zielt von vornherein auf beides - die Abhängigkeitserkrankung und die Probleme in der Persönlichkeitsorganisation - und stellt insofern 213 Belege dafür bereit, daß ein zielorientiertes Aufgreifen der spezifischen Symptomatik zu einem frühen Zeitpunkt der Entwöhnungsbehandlung auf dem Hintergrund eines ganzheitlichen und kausal verstandenen Therapieansatzes besonders erfolgversprechend ist hinsichtlich Akzeptanz des Therapieangebotes, Patientenzufriedenheit und Kontrollkompetenz, was sich sogar in der für die Suchttherapie so zentralen Abstinenz und Rückfallgeschehen abzeichnet. Auf diesem Hintergrund ist es jetzt möglich, auf ein Programm zurückzugreifen, das nachweislich die Akzeptanz des Therapieangebots wesentlich erhöht und damit auch die aktive Patientenbeteiligung am Rehabilitationsgeschehen und am gesundheitsbezogenen Verlauf in der poststationären Zeit. Die Projektergebnisse geben Aufschlüsse über die Möglichkeiten eine schwierige Rehabilitandengruppe mit dem Rehabilitationsangebot zufriedenzustellen. In diesem Zusammenhang wurde ein Therapiebeurteilungsinstrument aus Patientensicht erarbeitet, das gute Item- und Skalenwerte aufweist und von anderen Anwendern umstandslos eingesetzt werden kann. Darüber hinaus geben die Projektergebnisse Aufschluß über den sozialmedizinischen Verlauf nach erfolgter stationärer Behandlung. In diesem Zusammenhang werden sozialmedizinische und somatisch-psychische Korrelate der beruflichen Reintegration bei Suchtpatienten und psychosomatisch gestörten Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung, bei denen typischerweise eine ausgeprägte Arbeitsplatzproblematik vorliegt, beschrieben. Als Ergebnisse für die Rehabilitationspraxis konnten bereitgestellt werden: (1) ein indikationsspezifisches Therapiemanual, das auch anderen Behandlern sowohl im stationären wie im ambulanten Rahmen die Anwendung erlaubt, (2) ein Therapieprogramm, das die Akzeptanz des Therapieangebotes wesentlich erhöht und damit die aktive Patientenbeteiligung, (3) ein Therapiebeurteilungsbogen für Patienten mit guten Item- und Skalenwerten, (4) Patientenschulungsmaterialien im Rahmen der Psychoedukation und (5) Aufschlüsse über Entwicklung des Erwerbsstatus, der Arbeitsfähigkeit, symptomatischer Störungen, interpersonaler Fähigkeiten und sozialer Kompetenz als differentielle Behandlungseffekte eines auf die Persönlichkeitsstörung konzentrierten Therapieprogramms. Betrachtet man die Projektergebnisse unter gesundheitsökonomischen Aspekten, so steht im Mittelpunkt der Vergleich der zu evaluierenden Intervention mit der hergebrachten Alternative im üblichen Therapieprogramm. Dabei bleibt festzuhalten, daß das neue Therapieprogramm mit absoluter Kostenneutralität im Vergleich zum herkömmlichen Therapieprogramm eingesetzt werden kann. Der Einsatz des neuen Programms verspricht aber eine höhere Effektivität hinsichtlich Patientenzufriedenheit, Akzeptanz des Therapieprogramms, Arbeitsunfähigkeitsgeschehen und langfristige Selbstmanagementkompetenzen. Zusatzkosten sind mit dieser gesteigerten Effektivität der stationären Behandlung nicht verbunden. Das Programm wird anstelle einer indikativen Gruppe durchgeführt und bereichert den Behandlungskanon der Klinik. Die Durchführung des Programms ist nicht mit einer zusätzlichen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder anderer Aufwendungen verbunden. Die notwendigen Personalressourcen zur therapeutischen Leitung des Programms müssen nicht zusätzlich aufgewandt werden, sondern sind aus der ohnehin zur Verfügung stehenden Mitarbeiterschaft zu bestreiten. Die Fragestellungen des Pro214 jektes haben einen hochrelevanten und unmittelbaren Praxisbezug und können direkt zur Verbesserung der rehabilitativen Versorgung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen beitragen. 215 216 6 Literatur Acevedo, H., Elder, I. & Harrison, A. (1988). A failure to find empirical support for Beardslee and Vaillant′s prediction about alkoholism. Journal of Clinical Psychology, 44, 837-841. Alden, L.E. & Capreol, M.J. (1993) Avoidant personality disorder: Interpersonal problems as predictors of treatment response. Behavior Therapy, 24, 357 – 376. Alden, L.E. (1989) Short-term structured treatment for avoidant personality disorder. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 56, 756 – 764. American Psychiatric Association (1980). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (3rd ed.). Washington, DC: American Psychiatric Association. American Psychiatric Association (1987). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (3rd ed.). 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Tab. 123 Hauptkomponentenanalyse über die Items des Abschlussbewertungsbogens: Erklärte Gesamtvarianz Komponente Summen von quadrierten Fak- Rotierte Summe der quadrierten torladungen für Extraktion Ladungen Gesamt % der Kumulierte Gesamt % der Kumulierte Varianz % Varianz % 1 9,684 38,737 38,737 5,621 22,482 22,482 2 2,663 10,654 49,391 3,252 13,007 35,489 3 1,744 6,977 56,368 2,699 10,795 46,285 4 1,280 5,120 61,488 2,403 9,614 55,898 5 1,225 4,902 66,389 2,083 8,332 64,230 6 1,021 4,082 70,471 1,560 6,241 70,471 Aus der rotierten Komponentenmatrix (Varimax mit Kaiser Normalisierung) lassen sich 5 inhaltlich interpretierbare Skalen ableiten, die über befriedigende bis gute Reliabilitätskoeffizienten (Cronbach´s Alpha) verfügen. Die Unabhängigkeit der 5 differenzierenden Skalen erscheint jedoch neben dem Eigenwerteverlauf der Hauptkomponentenanalyse aufgrund hoher signifikanter Interkorrelationen der Skalen eingeschränkt. Resultierend wird die Skala Gesamteindruck aus dem ersten extrahierten Faktor der unrotierten Hauptkomponentenanalyse gebildet bzw. aus den auf diesem Faktor ladenden Items. 237