Formale Genetik II (empirische Genetik) Erweiterungen zur Mendelgenetik Lernziele – Kernpunkte zur Prüfung Lernziele/Kernpunkte: • • • • Die Charakteristika von autosomalen und geschlechtsgebundenen Erbgängen können erläutert und anhand von Beispielen erklärt werden. Die Charakteristika des kodominanten und des intermediären Erbgangs sind bekannt und die Unterschiede zu den dominanten/ rezessiven intra-allelen Interaktion können erklärt werden. Der zytoplasmatische Erbgang und das maternale Vererbungsmuster können erläutert werden. Die Bedeutung der Begriffe Genkopplung, multiple Allelie, rare Allele, letale Allele, Polygenie, Pleiotropie, Epistasie, Umwelteinfluss, Reaktionsnorm und Modifikation sind bekannt und können anhand von Beispielen erläutert werden. formal <lat.>: die äussere Form betreffend • formale Genetik – experimentelle Genetik – empirische Genetik erarbeitet (wie die experimentelle Genetik) die Gesetzmässigkeiten der Vererbung, aber durch Studium von Stammbäumen. Viele Erkenntisse der menschlichen Genetik beruhen auf Resultaten der empirischen Genetik! Kreuzungen nach Mendel zwischen Hunderassen P P F1 F1 F2 F2 Empirische Genetik in Familien (Homo sapiens) Mendel’sche Gesetzmässigkeiten sind in einzelnen Familien oft nicht erkennbar! • begrenzte Anzahl von Kindern (Nachkommen) • fehlende Informationen über Phänotypen (Krankheitsstatus) von nahen und weiter entfernten Verwandten • keine für die Wissenschaft interessanten Verpaarungen möglich Mendel‘sche Regeln 1. Mendel’sche Regel oder Uniformitätsregel 2. Mendel’sche Regel oder Spaltungsregel 3. Mendel’sche Regel oder Prinzip der unabhängigen Segregation Diese drei Regeln von Mendel sind die Grundlage der modernen Vererbungslehre. 1. Erbgänge nach Mendel: autosomal dominanter Erbgang autosomal rezessiver Erbgang autosomal kodominanter Erbgang autosomal intermediärer Erbgang 1. Mendel’sche Regel oder Uniformitätsregel: Reziproke Kreuzungen reinerbiger Linien ergeben stets uniforme Nachkommen (in der F1 kommt nur eine der beiden alternativen Merkmalsformen zum Ausdruck). Ausnahmen: Regel gilt nicht für Merkmale, deren Gene auf den Geschlechtschromosomen liegen! 2. Geschlechtsgebundene Erbgänge X-chromosomal gekoppelte Erbgänge X-chromosomal rezessiver Erbgang X-chromosomal dominanter Erbgang Y-chromosomaler Erbgang 3. Mitochondrialer Erbgang (zytoplasmatischer Erbgang) Genom nukleäre DNA (DNA) im Nukleus mitochondriale DNA (mtDNA) in den Mitochondrien 4. Weitere Bezeichnungen von Erbgängen Digen (2 Gene beteiligt) Oligogen (wenige Gene beteiligt) Polygen (viele Gene beteiligt) Hauptgen (ein Gen ist für den grössten Teil der Variation für den Phänotyp verantwortlich, plus polygene Restkomponente) komplex (= multifaktoriell) nicht-genetisch (= rein umweltbedingt) Symbole für Stammbaumanalysen männliches Individuum nicht betroffen weibliches Individuum nicht betroffen männliches Individuum betroffen weibliches Individuum betroffen Geschlecht nicht bekannt keine Probe verfügbar oder gestorben ? Phänotyp unbekannt männliches Individuum heterozygot (autosomal) weibliches Individuum heterozygot (autosomal) weibliches Individuum Konduktorin (X-chromosomal) I II III 1 2 IV 1 2 3 4 Oft werden die Generationen mit römischen Zahlen bezeichnet und die Individuen mit arabischen Zahlen. Dies erleichtert die Identifizierung interessanter Individuen im Stammbaum (Pedigree). autosomale Erbgänge autosomal-dominanter Erbgang Mutation Wildtyp-Allel: a dominantes Allel: A heterozygotes Individuum ist betroffen (krank) autosomal-dominanter Erbgang (ca. 1 % der Neugeborenen betroffen) Zwei Phänotypen erkennbar: männliches Tier weibliches Tier schwarz weiss krank gesund autosomal-dominanter Erbgang Allel A (Mutation) ist dominant über Allel a aa Aa aa Aa aa aa aa Aa Aa Aa aa aa Aa aa Aa aa Aa aa Aa aa aa Aa Aa aa aa Aa Zwei Phänotypen erkennbar: männliches Tier weibliches Tier Aa Aa Aa Aa schwarz weiss krank gesund Aa Charakteristika des autosomal-dominanten Erbgangs: • Häufiger als intermediärer Erbgang. • Erkrankung manifestiert sich normalerweise in jeder Generation (vertikale Vererbung). • Unter der Voraussetzung, dass keine neuen Mutationen aufgetreten sind, hat jedes betroffene Individuum einen betroffenen Elter. • Normale Nachkommen von betroffenen Eltern haben, wenn sie mit nicht-betroffenen Tieren verpaart werden, nur gesunde Nachkommen. • Männliche und weibliche Tiere gleichermassen betroffen. • Häufig Gene für strukturelle Proteine betroffen (selten Enzyme). • Wenn die Erkrankung selten ist, aber nicht letal, so stammen kranke Tiere normalerweise aus Verpaarungen: aa X Aa mit 50 % betroffenen Nachkommen. A a a Aa aa a Aa aa Erkrankungsrisiko von Nachkommen = 50 % oder ½ Haploinsuffizienz Wenn die Aktivität des normalen Allels im heterozygoten Zustand für eine Gesamtfunktion des Gens nicht ausreicht, weil für einen normalen Phänotyp mehr Genprodukte gebraucht werden als eine einzige funktionelle Genkopie liefert. dominant-negative Genwirkung Wenn das Produkt des mutierten Allels die Funktion des normalen Allels stört. Abgrenzung einer Allelwirkung in dominant oder rezessiv ist aber nicht so einfach! •AA homozygot dominante Individuen? extrem selten gesehen, oft nicht mit dem Leben vereinbar, aber es gibt Fälle •AA homozygot dominante Individuen sind aber oft schwerer betroffen als heterozygote Aa Individuen. •In diesem Fall haben AA Individuen aber einen anderen Phänotyp als Aa Individuen und man müsste streng genommen von einem kodominanten Erbgang sprechen. autosomal-dominanter Vererbungsmodus Farabee, 1905: Inheritance of digital malformations in man. • sehr kurze Finger (Brachydaktylie) • Anzahl Finger vermindert 2005: 100 Jahre später! normal: ...CCAGCC... Mutation: ...CCAACC... autosomal-dominanter Erbgang Bullmastiff Progressive Retinaatrophie “Netzhautdegeneration" Beim Menschen sind 6‘000 dominante, meist sehr seltene, dominant erbliche Merkmale bekannt. Bei den Haustieren überwiegen aber die rezessivVererbten Merkmale/Erkrankungen! Warum? autosomal-rezessiver Erbgang Mutation Wildtyp-Allel: A rezessives Allel: a heterozygotes Individuum ist nicht betroffen (gesund) autosomal-rezessiver Erbgang (0.2 % der Neugeborenen betroffen) Zwei Phänotypen erkennbar: männliches Tier weibliches Tier schwarz weiss krank gesund autosomal-rezessiver Erbgang Allel a rezessiv gegenüber Allel A Aa Aa aa Aa aa AA Aa Aa Aa aa AA AA AA aa aa aa aa AA AA Aa Aa Aa Aa Aa Aa Aa Aa Zwei Phänotypen erkennbar: schwarz weiss Aa Aa Aa Aa aa krank gesund Aa Charakteristika des autosomal-rezessiven Erbgangs: Erkrankung kann Generationen überspringen (horizontale Vererbung). Alle Nachkommen von zwei betroffenen Eltern sind ebenfalls betroffen. Männliche und weibliche Tiere gleichermassen betroffen. Eltern sind normalerweise nicht betroffen, aber sie sind Träger (heterozygot) der Mutation. In kleinen Familien kann ein Fall fälschlicherweise als sporadisch eingestuft werden. Sporadisch: bezeichnet nicht-familiäres Auftreten einer Erkrankung bei ungeklärter oder nicht-genetischer Ursache. A a A AA Aa a Aa aa Erkrankungsrisiko von Nachkommen = 25 % oder ¼ Risiko der Geschwister eines betroffenen Nachkommen, selber Träger zu sein = 2/3. Pseudo-Dominanz: Verpaarung zwischen erkranktem Individuum und einem Träger! Aa aa aa Aa aa Aa Betroffenenrate: ähnlich wie bei autosomal-dominatem Erbgang! autosomal-rezessiver Vererbungsmodus Garrod, 1902: The incidence of alcaptonuria: a study in chemical individuality • zum ersten Mal wurde das Konzept von Mendel auf ein Merkmal des Menschen angewendet! Eltern nicht betroffen! Haben Nachkommen, die von der Erkrankung betroffen sind! Progressive Retinaatrophie (PRA) • Entlebucher Sennenhund • autosomal-rezessiv mit später Manifestation Normaler Veränderter Augenhintergrund Augenhintergrund Monohybride Kreuzungen mit der Gartenerbse (Mendel) Merkmal gegensätzliche Merkmale F1 Resultate F2-Verhältnis alle rund Samenfarbe rundgeschrumpft gelb-grün Hülsenform Hülsenfarbe glatt-geschnürt grün-gelb alle glatt alle grün 3:1 Blütenfarbe violett-weiss alle violett 3:1 Blütenstellung axial-endständig 3:1 Stängellänge grosswüchsigkleinwüchsig alle axial alle grosswüchsig Samenform 3:1 alle gelb 3:1 Im Gegensatz zu diesen Resultaten von Mendel, finden wir nach bestimmten monohybriden Kreuzungen F1-Nachkommen, die beide gegensätzlichen Merkmale der beiden Elternlinien zeigen! autosomal-kodominanter Erbgang Drei Phänotypen erkennbar: männliches Tier weibliches Tier Blutgruppe M Blutgruppe MN Blutgruppe N autosomal-kodominanter Erbgang MM Allel M und Allel N sind kodominant NN MN MN MN MN MN MN MN MN MN MN NN NN MN MN MN NN MN MN Drei Phänotypen erkennbar: männliches Tier weibliches Tier MM MN MN MN MM NN MN MM MN MM Blutgruppe M Blutgruppe MN Blutgruppe N MN kodominanter Erbgang MN-Blutgruppensystem Wiener et al. 1953 Genotypen der Kinder M N MN Genotyp Eltern Anzahl Familien Gesamtzahl Kinder MXM 153 326 0 1 327 MXN 179 1 0 376 377 NXN 57 0 106 0 106 MN X M 463 499 1 473 973 MN X N 351 3 382 411 796 MN X MN 377 199 196 405 800 Aufgrund der Resultate von weiteren Blutgruppenuntersuchungen sind diese Kinder wahrscheinlich nicht-ehelich! Charakteristika des autosomal-kodominanten Erbgangs: Beide Phänotypen der Eltern sind gleichzeitig im Nachkommen sichtbar. Jeder Genotyp führt zu einem unterscheidbaren Phänotyp oder unterscheidbarem Allelprodukt. Der Genotyp eines Individuums kann direkt am Phänotyp abgelesen werden. MN-Blutgruppensystem ABO-Blutgruppensystem (Blutgruppen A und B!) Allele eines genetischen Markers (z.B. Mikrosatellit) M N M MM MN N MN NN 1:2:1 Aufspaltung der Phänotypen F2 Interaktion zwischen den beiden Allelen eines Genorts • dominant • rezessiv • kodominant • intermediär (Spezialfall der kodominanten Interaktion) • überdominant (→ Allgemeine Tierzucht und Genetik) Beispiel aus der Pflanzenwelt: Löwenmäulchen (reinerbig) r r R Rr Rr R Rr Rr (uniform) R Genotypenverhältnis in F2 1:2:1 Phänotypenverhältnis in F2 1:2:1 r R RR Rr r Rr rr intermediäre Vererbung! autosomal intermediärer Erbgang Drei Phänotypen erkennbar: männliches Tier weibliches Tier schwarz grau weiss autosomal intermediärer Erbgang AA aa Aa Aa Aa Aa Aa Aa Aa Aa Aa aa AA AA Aa Aa Aa aa aa Aa Aa Aa aa Aa Aa Drei Phänotypen erkennbar: männliches Tier weibliches Tier Aa AA Aa AA schwarz grau weiss Aa Interaktion zwischen den beiden Allelen eines Genorts • dominant • rezessiv • kodominant • intermediär (Spezialfall der kodominanten Interaktion) • überdominant Phänotyp der heterozygoten Individuen liegt exakt zwischen den Phänotypen der homozygoten Individuen. autosomal intermediärer Erbgang Spezialfall der kodominanten Vererbung: Bei einer intermediären Vererbung liegt der heterozygote Zustand phänotypisch in der Mitte zwischen den beiden homozygoten Zuständen. Shorthorn Fellfarbe Rot - Schimmel - Weiss Mendel’sche Regeln 1. Mendel’sche Regel oder Uniformitätsregel: Reziproke Kreuzungen reinerbiger Linien ergeben stets gleiche Nachkommen (in der F1 kommt nur eine der beiden alternativen Merkmalsformen zum Ausdruck). Ausnahmen: Regel gilt nicht für Merkmale, deren Gene auf den Geschlechtschromosomen liegen! geschlechtsgebundene Erbgänge (gonosomal) Y-chromosomal X-chromosomal X-chromosomal rezessiver Erbgang (0.2 % der Neugeborenen betroffen) Zwei Phänotypen erkennbar: schwarz weiss krank gesund X-chromosomal rezessiver Erbgang Allel a rezessiv gegenüber Allel A A aa Aa Aa a A a a a aa aa A AA Aa Aa AA A A A A Aa Aa Aa Aa A Aa A Aa a A Aa Aa Konduktorin (Trägerin der Mutation) Männliche Individuen sind hemizygot: nur ein X Chromosom A Charakteristika des X-chromosomal-rezessiven Erbgangs: • Erkrankung kann Generationen überspringen. • Alle Nachkommen von zwei betroffenen Eltern sind ebenfalls betroffen. • Männliche Tiere sind häufiger betroffen. • Keine Vater-Sohn Übertragung. Erkrankungsrisiko von Nachkommen: Für Söhne heterozygoter Frauen: 50 % Für Töchter heterozygoter Frauen im Normalfall: 0 % X Y X XX XY x xX xY X-chromosomaler rezessiver Erbgang der Hämophilie A (FaktorVIII) Sibirischer Husky Progressive Retinaatrophie (PRA) X-chromosomal rezessiv X-chromosomal dominanter Erbgang (sehr selten) Zwei Phänotypen erkennbar: schwarz weiss krank gesund X-chromosomal dominanter Erbgang Allel A ist dominant über Allel a A aa Aa a a a a Aa Aa Aa aa a a a a aa aa aa aa a Aa A aa a A aa a Aa Männliche Individuen sind hemizygot: nur ein X Chromosom Charakteristika des X-chromosomal-dominanten Erbgangs: Betroffene männliche Tiere geben Betroffene weibliche Tiere geben die Erkrankung an alle Töchter weiter, die Erkrankung gleichermassen an aber nicht an die Söhne. die Söhne und Töchter weiter. X Xm Y XXm XY X Y Xm XXm XmY X XX XY Weibliche Tiere sind oft häufiger betroffen als die männlichen. Betroffene männliche Tiere zeigen oft etwas stärkere Symptome als weibliche betroffene Individuen. In bestimmten Stammbäumen kann es sehr schwierig sein, autosomal-dominant von X-chromosomal dominant zu unterscheiden. X-chromosomaler dominanter Erbgang (sehr selten) z.B: Vitamin-D-resistente Rachitis Y-chromosomaler Erbgang A = Mutation A N N A A A A N N A A A N N N N Männliche Individuen ein Y Chromosom Weibliche Individuen haben kein Y Chromosom Charakteristika des Y-chromosomalen Erbgangs: • Alle männlichen Nachkommen eines betroffenen Mannes sind betroffen • Paternale Vererbung • In Zusammenhang mit männlicher Fertilität von Bedeutung mtDNA nukleäre DNA (Chromosomen) Charakteristika der mtDNA • normalerweise 2-10 Kopien pro Mitochondrium • zirkuläres Molekül mit 16‘569 bp • hat kodierende Regionen für 13 Proteine (Zellatmung) • hat kodierende Regionen für 22 tRNAs (Translation) • hat kodierende Regionen für 2 rRNAs (Translation) • hat eine etwa 10fach höhere Mutationsrate als Kern-DNA • maternale Vererbung (nicht nach Mendel!) Mitochondriale Erkrankungen (Energiegewinnung) Männliche und weibliche Tiere sind betroffen. Weibliche Tiere geben die Erkrankung weiter. Organe: Nervensystem, Skelett- und Herzmuskulatur. Heteroplasmie-Problematik: die Anzahl mutierter mtDNA Moleküle kann von Zelle zu Zelle stark variieren! Zellteilungen normale mtDNA mutierte mtDNA Unterschiedliche Symptomenstärke! Erkrankung manifestiert sich, wenn ein Schwellenwert überschritten wird, d.h. wenn die Zahl der mutierten Moleküle diesen Schwellenwert in den Zellen überschreitet. Quelle: Buselmaier und Tariverdian HUMANGENETIK Springer Verlag Die Stammbaumanalysen von Familien in denen eine mtDNA-Erkrankung segregiert, führen nicht immer zu schlüssigen Aussagen! folgende Kriterien sprechen für das Vorliegen einer mtDNA-Erkrankung: • zeigt eher ein maternales Vererbungsmuster • Symptome der Erkrankung weisen auf eine verminderte Energiegewinnung der Zellen hin Eine mtDNA-Sequenzierung weist Gendefekt nach! Quelle: Buselmaier und Tariverdian HUMANGENETIK Springer Verlag Erweiterungen zu den Mendel‘schen Gesetzen für "monogene" Merkmale Zahl der Merkmale 1 2 3 4 10 n Zahl der Gametensorten der F1 2 22=4 23=8 24=16 210=1024 2n 3 32=9 33=27 34=81 310=59049 3n 2 22=4 23=8 24=16 210=1024 2n Zahl der Genotypen in der F2 Zahl der Phänotypen in der F2 Mendel hat für seine Experimente bestimmte Merkmale für seine Untersuchungen ausgelesen und andere Merkmale nicht berücksichtigt. Viele Merkmale scheinen sich nicht um die Regeln von Mendel zu kümmern! Phänotypenfrequenzen weichen von den vorhergesagten Mendel‘schen Frequenzen ab! Cunier-Pedigree,1839 Farbenblindheit: „nur weibliche Individuen betroffen“ Es ist offensichtlich, dass zusätzliche Überlegungen nötig sind, um die Vererbung solcher Merkmale zu erklären! Erweiterungen zu den Mendel‘schen Gesetzen für "monogene" Merkmale • Kopplung von Genen • multiple Allele - rare Allele (Varianten) • Pleiotropie • letale Allele • Polygenie • Epistase • Umwelteinflüsse (Peristase) Genotypenfrequenzen und Phänotypenfrequenzen in den Nachkommen weichen von den nach Mendel erwarteten Häufigkeiten ab! • Kopplung von Genen • multiple Allele - rare Allele (Varianten) • Pleiotropie • letale Allele • Polygenie 3. Mendel’sche Regel: • Epistase Prinzip der unabhängigen • Umwelteinflüsse (Peristase) Segregation Allele verteilen sich unabhängig von einander und unabhängig von anderen Genen auf die Nachkommen. Ausnahme: Regel gilt nicht für Merkmale, deren Gene gekoppelt sind, d.h. in unmittelbarer Nachbarschaft auf demselben Chromosom liegen! Humanes Genom 25‘000 -30‘000 Gene aber nur 23 Chromosomenpaare Viele Gene müssen auf demselben Chromosom liegen! (Walter Sutton, 1903) HSA 1 (Homo sapiens autosomales Chromosom 1) Genorte (Gene), die auf demselben Chromosom lokalisiert sind, sind syntänisch. Die Übertragungseinheit während der Meiose ist das Chromosom, und nicht das Gen! Man würde also erwarten, dass theoretisch die Allele aller Genorte auf einem Chromosom während der Bildung der Gameten als Einheit übertragen werden! Es besteht die Möglichkeit, dass sie zusammen vererbt werden → dann sind sie gekoppelt. In bestimmten Fällen ist das aber nicht der Fall! keine Kopplung der Gene Beispiel: zwei Gene auf unterschiedlichen Chromosomen mögliche Gameten a A A b b B A Häufigkeit der Gameten 0.25 0.25 B a 0.25 b a 0.25 = Zentromer B Mendel‘sche Regel 3 enge (vollständige) Kopplung der Gene Beispiel: zwei Gene auf demselben Chromosom ab mögliche Gameten ab AB Häufigkeit der Gameten 0.5 Mendel‘sche Regel 3 nein AB 0.5 Diese Kopplung kann über Generationen bestehen und die gekoppelten Allele a-b bzw. A-B können als Haplotypen bezeichnet werden. Erst ein Crossing-Over zwischen den Genorten kann diese Kopplung aufheben. Definition Haplotyp: Der von der mütterlichen bzw. väterlichen Seite vererbte Komplex gekoppelter Allele. A B c D E f G Chromosom der Mutter A B c D E f g Chromosom des Vaters Kopplung der Gene Beispiel: zwei Gene auf demselben Chromosom a b mögliche Gameten ohne Rekombination Häufigkeit der Gameten a b 0.4 A B 0.4 A B a b x A B a B x Crossing-Over mögliche Gameten mit Rekombination Häufigkeiten der Gameten (muss empirisch bestimmt werden!) a B 0.1 A b 0.1 A b = Zentromer Mendel‘sche Regel 3 nein Mendel‘s Merkmale Chromosom Samenfarbe Blütenfarbe Hülsenform gelb-grün violett-weiss glatt-geschnürt I-i A-a V-v 1 1 4 Blütenposition axial-terminal Fa-fa 4 Pflanzengrösse gross-klein Le-le 4 Hülsenfarbe Samenform grün-gelb glatt-runzelig GP-gp R-r 5 7 Einige Genorte sind syntänisch! Mendel beobachtete aber keine Kopplung? Genorte liegen zwar auf demselben Chromosom, aber soweit auseinander, dass COs immer auftreten und deshalb keine Kopplung nachgewiesen werden kann. • Kopplung von Genen • multiple Allele - seltene Allele (Varianten) • Pleiotropie • letale Allele • Polygenie • Epistase • Umwelteinflüsse (Peristase) Ein Gen mit zwei Allelen erklärt die Variation in der Ausprägung der Samenfarben! diploides Individuum max. 2 Allele A B B BC B A D A EA B Auf Stufe der Population multiple Allele möglich Ein normales, diploides Individuum kann immer nur zwei Allele eines Genes tragen. In einer Population können aber viele Allele eines Genes vorhanden sein. The Nobel Prize in Physiology or Medicine 1930 "for his discovery of human blood groups" KARL LANDSTEINER (1868 – 1943) Entdeckung 1900 Das Blutgruppensystem ABO war der erste monogene, stofflich fassbare Hinweis auf individuelle Unterscheidbarkeit! HSA 9 ABO-System Kohlehydratstrukturen Allel A = N-Acetyl-D-Galaktosaminyltransferase AB0-Gen Allel B = D-Galaktosyltransferase Allel 0 = mit üblicher Nachweistechnik kein Produkt "stummes Allel" HSA 19 0 H-Gen Vorläufermolekül Allele: IA, IB und I0 (I = Isoagglutinine) Dominanzverhältnisse: IA > I0; IB > I0; IA und IB sind kodominant Blutgruppe-Phänotyp Genotyp IA/IA oder IA/I0 IB/IB oder IB/I0 IA/IB I0/I0 A A B AB 0 B 0 AB Oberflächen -Antigene Antikörper im Serum A A Anti-B B B Anti-A AB A und B keine 0 keine Anti-A und Anti-B Blutgruppe Kompatibilität der Blutgruppen Empfänger AB+ AB− A+ A− B+ B− 0+ 0− 0− X X X X X X X X 0+ B− X X X X X X X Spender B+ A− A+ AB− AB+ X X X X X X X X X X X X (Ein 'X' in der Tabelle bedeutet , dass eine Transfusion vom Spender zum Empfänger möglich ist.) http://www.med4you.at/laborbefunde/techniken/transfusionsmedizin/lbef_transfusionsmedizin.htm Rares Allel (Variante): Frequenz in Population < 1 % Bombay-Blutgruppe - 0h • sehr selten (autosomal rezessiv) • Gendefekt (Fucosyltransferase 1) A AB AB • Rezeptor = Antigen H wird nicht gebildet B 0h A AB A B • Blutgruppen A, B können nicht exprimiert werden (Beispiel für Epistasie) • phänotypisch ~ Blutgruppe 0 • betroffen 1 in 300‘000 • betroffen 1 in 7‘600 in Teilen Indiens • kann nur Eigenblut oder Spenderblut von Oh erhalten! Aufgabe: Geben Sie jeder Person einen Genotyp! ? 0 A B ? ? Multiple Allele eines genetischen Markers: Beispiel Mikrosatellit M 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Versuchen Sie, herauszufinden, wie viele Allele es hat! Wie viele homozygote Genotypen sehen Sie? • Kopplung von Genen • multiple Allele - rare Allele (Varianten) • Pleiotropie (Polyphänie) • letale Allele Gen • Polygenie • Epistase • Umwelteinflüsse (Peristase) Merkmal 1 Merkmal 2 Merkmal 3 Ein Gen steuert die Ausprägung von mehreren Merkmalen. Die Mutation verursacht mehrere von einander unabhängige phänotypische Merkmale. • Marfan Syndrom (Mensch) Problem in der Feinstruktur des Bindegewebes (Fibrillin-Protein) • Herz- und Gefässsystem • Augen • Skelett • etc. Symptomenspektrum und Symptomenstärke sind von Patient zu Patient unterschiedlich! Pleiotropie: Merle Faktor in bestimmten Hunderassen Veränderungen Hörsinn Augenveränderungen (Microphtalmia, Linse, Retina) Merle Locus (SILV) auf Chromosom 10 inkomplett dominantes Allel: M > m bezüglich Fellfarbe • Kopplung von Genen • multiple Allele - rare Allele (Varianten) • Pleiotropie • letale Allele - Letalfaktoren • Polygenie • Epistase • Umwelteinflüsse (Peristase) Letalfaktoren sind mendelnde Einheiten (Allele), die den Tod eines Individuums vor Erreichen des fortpflanzungsfähigen Alters bewirken. Agouti-Gen: beeinflusst Fellfarbe Mutation gelbe Fellfarbe wildfarben, agouti Beobachtung von Cuénot (1905) Reinzucht von gelben Mäusen? X Generation 1 Generation 2 Erwartet: nur noch gelbe Mäuse! Generation 3 Beobachtet: gelbe Mäuse : agouti Mäuse 2 : 1 X mutiertes Allel AY ist dominant über Wildallel A AY A AY AY AY AY A A AY A erwartetes Phänotypenverhältnis: 3 (gelbe Fellfarbe) : 1 (wildfarben) AA beobachtetes Phänotypenverhältnis: 2 (gelbe Fellfarbe) : 1 (wildfarben) AY ist homozygot letal! AYAY Mäuse sterben in utero ab! AY A AY AY AY AY A A AY A AA l Die Mutation AY hat zwei Phänotypen: l (AY) L (A) (AY) ll Ll L (A) Ll LL • Die Fellfarbenmutation AY ist dominant! • Die Letalität der Fellfarbenmutation AY ist rezessiv! • Träger der rezessiv letalen Mutation AY erkennen wir an der Fellfarbe! • Möglicherweise sieht man die Auswirkung eines mutierten Alleles nie - und kann deren Träger nicht erkennen. mutierte Allele rezessiv letale Allele dominant letale Allele? Sehen wir normalerweise nicht, weil Träger solcher Mutationen nur sehr selten das fortpflanzungsfähige Alter erreichen d.h. sie werden sehr rasch aus der Population eliminiert • late-onset Erkrankungen (Huntington Disease) • Penetranz der Mutation ist < als 100 % • Neumutationen im selben Gen • Kopplung von Genen • multiple Allele - rare Allele (Varianten) • Pleiotropie • letale Allele • Polygenie • Epistase • Umwelteinflüsse (Peristase) Milchleistung von Kühen polygene Merkmale - Definition Merkmale, deren Ausprägung durch mehrere oder zahlreiche Gene gesteuert werden, wobei die Beiträge der einzelnen Gene oft nicht direkt fassbar sind. 6 Gene mit Einfluss auf Milchleistung (Gene sind teilweise nicht identifiziert) mehrere (viele) Gene (polygene Merkmale) Die Ausprägung einer Vielzahl von landwirtschaftlich wichtigen Merkmalen wird polygen kontrolliert. Genorte, welche diese Leistungsmerkmale kontrollieren werden als so genannte QTLs (Quantitative Trait Loci) bezeichnet. Zusätzlich spielt die Umwelt eine sehr grosse Rolle bei der Ausprägung solcher Merkmale. • Kopplung von Genen • multiple Allele - rare Allele (Varianten) • Pleiotropie • letale Allele • Polygenie • Epistase • Umwelteinflüsse (Peristase) Epistase (Interaktion zwischen Allelen unterschiedlicher Genorte) F1- Pflanzen mit runden, gelben Erbsen inter se Phänotypen in der F2-Generation: 9/16 gelb und rund 3/16 gelb und runzelig 3/16 grün und rund 1/16 grün und runzelig Dihybrider Erbgang nach Mendel: jedes untersuchte Gen hat einen unabhängigen Einfluss auf einen einzelnen Phänotyp! In diesem Fall sind gelb/grün und rund/runzelig beide Allelpaare durch dominant/rezessiv charakterisiert! Dihybrider Erbgang Mendel – aber Merkmale haben 2 unterschiedliche Vererbungsweisen! Albinismus: rezessiv GEN GENORT Tyrosinase Chromosom 11 P Chromosom 15 Dopachrom Tautomerase (TRP2) Chromosom 13 DHICA Oxidase (TRP1) Chromosom 9 Hermansky-Pudlak Syndrom (HPS) Chromosom 10 Ocula-Albinismus (OA1) Chromosom X AB-Blutgruppe: kodominant nur Pigmentierung (rezessiv) nur Blutgruppen (kodominant) ABXAB PpXPp P p P PP Pp p Pp pp A B A AA AB B AB BB pigmentiert: 3/4 Blutgruppe A: 1/4 nicht-pigmentiert: 1/4 Blutgruppe B: 1/4 Blutgruppe AB: 2/4 PpABXPpAB PA PB pA pB PA PPAA PP AB Pp AA Pp AB PB PP AB PP BB Pp AB Pp BB pA Pp AA Pp AB pp AA pp AB pB Pp AB Pp BB pp AB pp BB pigmentiert und Blutgruppe A: 3/ 16 pigmentiert und Blutgruppe B: 3/ 16 pigmentiert und Blutgruppe AB: 6/ 16 9:3:3:1 6:3:3:2:1:1 nicht-pigmentiert und Blutgruppe A: 1/ 16 nicht-pigmentiert und Blutgruppe B: 1/ 16 nicht-pigmentiert und Blutgruppe AB: 2/16 Die Zahlenverhältnisse weichen zwar vom klassischen 9:3:3:1 ab, aber es sind keine Allel-Interaktionen verantwortlich! Epistase: • Zwei (oder mehrere) Genorte interagieren und bewirken neuartige, zusätzliche Phänotypen! • Allel(e) am ersten Genort maskiert oder modifiziert den Einfluss von Allelen an einem zweiten (oder mehreren) Genort(en)! KOMPLEX! Verhältnis Beschreibung Bezeichnung der Epistasie 9:3:3:1 Komplette Dominanz beider Genpaare; neue Phänotypen resultieren aus Interaktionen zwischen dominanten Allelen, und auch aus Interaktionen zwischen homozygot rezessiven Allelen Ohne Bezeichnung 9:4:3 Komplette Dominanz beider Genpaare; aber wenn ein Gen homozygot rezessiv ist, wird Phänotyp des anderen Gens unterdrückt Rezessive Epistase 9:7 Komplette Dominanz beider Genpaare; aber wenn eines der Gene homozygot rezessiv ist, wird der Phänotyp des anderen gens unterdrückt Doppelte rezessive Epistase 12:3:1 Komplette Dominanz beider Genpaare; aber wenn ein Gen dominant ist, unterdrückt es den Phänotyp des anderen Gens Dominante Epistase 15:1 Komplette Dominanz beider Genpaare; aber wenn eines der Gene dominant ist, unterdrückt es den Einfluss des anderen Gens Doppelte dominante Epistase 13:3 Komplette Dominanz beider Genpaare; aber wenn eines der Gene dominant ist, unterdrückt es den Einfluss des anderen Gens Dominante and rezessive Epistase 9:6:1 Komplette Dominanz beider Genpaare; aber wenn eines der Gene dominant ist, unterdrückt es den Einfluss des anderen Gens Doppelte Interaktion 7:6:3 Komplette Dominanz eines Genepaares und partielle Dominanz des anderen Genpaares; im homozygot rezessiven Zustand ist das erste Genpaar epistatisch über das zweite Genpaar. Ohne Bezeichnung 3:6:3:4 Komplette Dominanz eines Genepaares und partielle Dominanz des anderen Genpaares; im homozygot rezessiven Zustand kann ein Genpaar den Effekt des anderen Genpaares unterdrücken - wenn beide Gene homozygot rezessiv sind, unterdrückt das zweite Genpaar den Effekt des ersten Genpaares Ohne Bezeichnung 11:5 Komplette Dominanz beider Genpaare aber nur wenn beide dominanten Allele vorhanden sind, sonst wird rezessiver Phänotyp sichtbar Ohne Bezeichnung 2 Genpaare (nicht gekoppelt) mit je 2 Allelen Gen Agouti: Allel A dominant über a Gen Albino: Allel C dominant über c Fellfarbe Maus Parentalgeneration Agouti Genotyp: AA CC Albino Genotyp: aa cc F1-Generation Agouti Genotyp: Aa Cc F2-Generation (F1 inter se) 9 : 4 : 3 Gen A Gen B Vorprodukt Schwarzes Pigment Agouti rezessive Epistase cc unterdrückt Bildung des schwarzen Pigments AC Ac aC ac AC AACC AACc AaCC AaCc Ac AACc AAcc AaCc Aacc aC AaCC AaCc aaCC aaCc ac AaCc Aacc aaCc aacc 9 agouti :4 albino :3 schwarz 2 Genpaare (nicht gekoppelt) mit je 2 Allelen Gen Fruchtfarbe A: Allel A dominant über a Gen Fruchtfarbe B: Allel B dominant über b F1-Generation Weiss Genotyp: Aa Bb Weiss Genotyp: Aa Bb (doppelt heterozygot) F2-Generation (F1 inter se) 12 : 3 : 1 Fruchtfarbe Kürbis AB Ab aB ab AB AABB AABb AaBB AaBb Ab AABb AAbb AaBb Aabb aB AaBB AaBb aaBB aaBb ab AaBb Aabb aaBb aabb 12 weiss :3 :1 gelb grün dominante Epistase Weizenkörnerfarbe: Gen A Produkt zwei Genpaare komplementieren sich! Vorprodukt > gefärbtes Korn Gen B Produkt AB Ab aB ab AB AABB AABb AaBB AaBb Ab AABb AAbb AaBb Aabb aB AaBB AaBb aaBB aaBb ab AaBb Aabb aaBb aabb 15:1 doppelte dominante Epistase • Kopplung von Genen • multiple Allele - rare Allele (Varianten) • Pleiotropie • letale Allele • Polygenie • Epistase • Umwelteinflüsse (~Peristase) • Reaktionsnorm eines Modellorganismus • Modifikation • Phänokopie Mendel‘s "entweder" - "oder " Merkmale P umweltstabil! hänotyp =G enotyp +U mwelt gleicher Genotyp – unterschiedlicher Phänotyp! Monozygote Drillinge aus Vogel und Motulsky, 1986 P hänotyp Monozygote Zwillinge, 10 Jahre alt aus Vogel und Motulsky, 1986 =G enotyp +U mwelt umweltlabil! P hänotyp =G enotyp +U mwelt Reaktionsnorm (Modellorganismen) Der durch die Erbanlagen gewährte Spielraum für Umweltfaktoren, um die Ausprägung eines Merkmals innerhalb physiologischer Grenzen während des Entwicklungsprozesses zu beeinflussen. Quantifizierung der Beziehungen zwischen Umwelt, Genotyp und Phänotyp Das Muster von Phänotypen, die aus einem bestimmten Genotyp in unterschiedlichen Umwelten hervorgehen. Gene Umwelt Phänotyp Augengrösse Temperatur Anzahl Facetten wild infrabar ultrabar -> Reaktionsnorm Schlüsse: • es sind keine allgemeingültigen Aussagen über Reaktionsnormen möglich. • es kann nicht zwingend vom Phänotyp auf den Genotyp geschlossen werden. • Reaktionsnormen sind nur für Modellorganismen bekannt. Modellorganismen • • • • einfach zu halten und zu züchten (Kosten) kurze Generationszeit, viele Nachkommen oft spezielle Linien mit speziellem genetischen Hintergrund vorhanden Genom für die meisten Modellorganismen entschlüsselt Weil von Modellorganismen viele Tiere gezüchtet werden können, sind oft sehr detaillierte Datensätze der experimentellen Genetik vorhanden! Beschreibung von Reaktionsnormen wird möglich! Reaktionsnorm bei Haustieren? nein! In der Tiezucht beispielsweise arbeiten wir mit der phänotypischen Varianz! Phänotypische Varianz bezeichnet die physiologische Variationsbreite eines Merkmals, das wir unter mehr oder weniger konstanten Umweltbedingungen beobachten Können, N.b. Genotypen der Tiere sind nicht identisch! Reaktionsnorm ≠ phänotypische Varianz Modifikationen Nicht-erbliche Abwandlungen des Phänotyps durch Umwelteinflüsse. • UV-Licht → Haut bildet mehr Pigment • körperliches Training → Durchmesser der Muskelzellen nimmt zu • Höhentraining → Anzahl rote Blutkörperchen nimmt zu • Alkoholkonsum → Alkoholdehydrogenase vermehrt synthetisiert Modifikationen sind nicht erblich! Beobachtung und Experiment von G. Bonnier (1853-1922) Bonnier beobachtete, dass die Löwenzahnpflanzen im Gebirge kleiner waren als im Tiefland! Er teilte eine Tieflandpflanze und setze die eine Hälfte im Gebirge, die andere Hälfte im Tiefland. Löwenzahn Tiefland-Pflanze Löwenzahn Tiefland-Pflanze im Tiefland gepflanzt Löwenzahn Tiefland-Pflanze in den Bergen gepflanzt kleinwüchsig UmweltModifikation grosswüchsig Umschlagende Modifikation (selten erkennbar) z.B: Russenkaninchen • Akromelanismus • hitzelabile Tyrosinase (Enzym ist an der Produktion von Pigment beteiligt) • je nach Hauttemperatur ist Enzym unterschiedlich aktiv • kältere Hautstellen (extreme Körperstellen) Enzym aktiv → schwarzes Pigment Anzahl Tiere Fliessende Modifikation (die Regel) • Pantoffeltierchen (Einzeller) • ungeschlechtliche Fortpflanzung → Nachkommen genetisch gleich (Klone) 130 µM 130 µM 210 µM 210 µM 130 µM • Grössenvariation 130-210 µM 210 µM Abgrenzung: Modifikation-Mutation? Unterschiedliche Kreuzungsversuche! Zusammenfassung Mendel hat mit Merkmalen gearbeitet, die höchstwahrscheinlich nur von einem Genort kontrolliert werden und die eine sehr grosse Umweltstabilität aufweisen. Er konnte die Ausprägung dieser Merkmale mit 2 Allelen erklären. Es gibt einige Merkmale (Erkrankungen), die wie die Merkmale der Gartenerbse vererbt werden. Durch empirische und experimentelle Ansätze wird klar, dass die oben erwähnte Situation aber eher die Ausnahme ist. Die Erweiterungen zur Mendelgenetik geben uns für einige Merkmale eine Erklärung, warum wir Abweichungen von den 3:1 oder 9:3:3:1 Verhältnissen der Phänotypen finden. Ausblick nächste Lektionseinheit Für einige "monogene" Erkrankungen kommen noch Besonderheiten dazu, die man erst erkennen und aufklären konnte, als moderne Untersuchungsmethoden der DNA zur Verfügung standen! Besonderheiten der "monogenen" Erkrankungen!