«Cholesterin zu hoch!» Die Blutprobe aus Ihrer Armvene oder aus Ihrem Finger ist untersucht worden, nun eröffnet Ihnen die Ärztin oder der Arzt: «Sie haben zu hohes Cholesterin.» Was können Sie jetzt tun? «Herz und Kreislauf» stellte die Frage dem Kardiologen und Cholesterinexperten Prof. Georg Noll vom Universitätsspital Zürich. Nun steht es fest: In Ihrem Blut schwimmen zu viele fettähnliche Stoffe, zu viel Cholesterin. Die beiden Hauptursachen dafür gewichten bei jedem Menschen unterschiedlich: Vererbung – und ein herzfeindlicher Lebensstil. Mit dem Alter nimmt der Cholesterinspiegel deutlich zu. Warum sollten Sie jetzt etwas gegen dieses Cholesterin unternehmen? Es tut Ihnen ja nicht weh. Ausserdem sind Fette in unserem Blut lebenswichtig, weil sie für den Aufbau der Zellen und verschiedener körpereigener Stoffe gebraucht werden. Die Antwort: Zuviel davon ist schädlich. Cholesterinexperte Prof. Georg Noll, Zürich: «Überschüssiges Cholesterin gilt seit den 80er-Jahren als eine der wichtigsten Ursachen für Arteriosklerose, jene Ablagerungen in 4 HERZUNDKREISLAUF 4/2009 den Arterien, die den Blutfluss behindern». Ziel der Cholesterinbehandlung ist es deshalb nicht, Laborwerte auf dem Papier zu korrigieren, sondern Sie vermindern damit Ihr Risiko für einen (weiteren) Herzinfarkt oder Hirnschlag oder einen Verschluss der Beinarterien und für weitere Erkrankungen, darunter Demenz. Freispruch für das Ei Dagegen, dass Sie möglicherweise ein hohes vererbtes Risiko haben, können Sie nichts tun. Aber Sie vermögen dieses Risiko zu verkleinern, indem Sie die zweite Hauptursache angehen und Ihre Lebensweise wo nötig ändern (siehe «Tipps auf Seite 6»). Report Wir können Ihnen nicht empfehlen, einfach «weniger cholesterinreich» zu essen. Entgegen früheren Annahmen weiss man heute, dass das Cholesterin in den einzelnen Nahrungsmitteln beziehungsweise der Verzicht darauf die Herz-Kreislauf-Gesundheit nur geringfügig beeinflusst. Den grössten Teil des Cholesterins produziert unser Körper in der Leber selber. Das bedeutet zum Beispiel einen Freispruch für das lang verpönte Ei: Obwohl das Eidotter das Lebensmittel mit dem höchsten Cholesteringehalt ist, dürfen Sie ruhig ein Ei pro Tag essen und damit von dessen Eiweiss, ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen profitieren. Nur Diabetiker sollten dabei etwas Mass halten. Fresszellen LDL-Cholesterin Endothel Glatte Muskelzellen Der Beginn der Arteriosklerose äussert sich in Fettstreifen. Sie sind durch Einlagerung von oxidiertem LDL-Cholesterin und grossen Fresszellen unter der innersten Schicht der Arterie (Endothel) gekennzeichnet. Worauf Sie achten sollten, ist die Art des Fetts, das Sie essen. Günstig sind das einheimische Rapsöl sowie Olivenöl und Nüsse, weil sie hohe Anteile an so genannt «ungesättigtem Fett» enthalten. Vermindern Sie dagegen den Konsum der «gesättigten» Fette. Sie kommen vor allem in Lebensmitteln tierischer Herkunft vor, aber auch in Produkten mit gewissen pflanzlichen Fetten wie Kokos- oder Palmfett. Das heisst: Fleischlose Mahlzeiten einschalten; magere Milch- und Quarkprodukte wählen; Wurst, Fritiertes (Chips) und Backwaren wegen ihres hohen Anteils an verstecktem gesättigtem Fett für Ausnahmetage reservieren. Und Butter? Auch sie enthält viele gesättigte Fette. Deshalb (und weniger wegen ihres Cholesteringehalts) sollten Sie damit geizen. Gewisse Spezialaufstriche können das Cholesterin senken. Aber ob damit das Herz-Kreislauf-Risiko wirklich sinkt, oder ob bestimmte Stoffe darin ihrerseits Arteriosklerose fördern – darüber weiss man noch zu wenig. Unser Tipp: Brotaufstriche grundsätzlich dünn aufstreichen. Was bewirkt Ihr neuer Lebensstil? Für den Transport im Blut werden die Fette schon in der Leber in besondere Eiweisse (Lipoproteine) wie in Unterwassertaxis verpackt. Etwa ein Drittel dieser Taxis heisst HDL (high density lipoproteins) oder als Gedanken- stütze «Hab dich lieb». Sie schleppen wie eine Putzequipe überschüssiges Cholesterin zur Leber zurück. Vor allem dieses «gute» Cholesterin wird sich zwei bis drei Monate nach Beginn Ihrer neuen, bewegten Lebensweise mit Rauchverzicht und Ernährungsumstellung günstig verändert haben, also höher sein. Auf die Erhöhung des HDL richtet die neuere Cholesterinforschung ihr Augenmerk zunehmend. Zielwerte für Cholesterin Für gesunde Personen mit niedrigem Gesamtrisiko: Gesamt- cholesterin unter 6,5 mmol/l, LDL unter 4,1 mmol/l, HDL über 1,0 mmol/l. Triglyzeride unter 4 mmol/l. Für Risikopersonen: Für Menschen, die ein erhöhtes Risiko für eine Herz-Kreislauf-Krankheit haben (wie Diabetiker oder Personen, die schon einen Herzinfarkt oder Hirnschlag erlitten haben) gelten – in Absprache mit Ihrem Arzt – tiefere Zielwerte: Gesamtcholesterin unter 5 mmol/l, LDL-Cholesterin unter 2,6 mmol/l, HDL-Cholesterin über 1 mmol/l. Triglyzeride unter 1,7 mmol/l. HERZUNDKREISLAUF 4/2009 5 Auch der Anteil eines weiteren Fetts im Blut, des Triglyzerids, lässt sich vergleichsweise gut durch Ihr neues herzbewusstes Verhalten im Alltag verbessern. Hohe Triglyzeridwerte weisen häufig – namentlich bei Diabetes Typ 2 – auf ungünstige Cholesterinwerte hin und erhöhen ebenfalls die Gefahr für Arteriosklerose. Der grössere Teil der Fett-Taxis reagiert schwerfälliger auf Lebensstilverbesserungen. Sie heissen «LDL» (low density lipoproteins). Sie geben überschüssiges Cholesterin ab, und es lagert sich in die Gefässwände ein. Um sie geht es, wenn von «zu hohem Cholesterin» die Rede ist. LDL-Senkung ist belegt, dass das Herz-Kreislauf-Risiko sinkt. Prof. Noll: «Damit Sie von der medikamentösen Behandlung ohne gesundheitliche Nachteile profitieren können, passt der Arzt Ihre Zielwerte an Ihr ganz persönliches Gesundheitsbild an (siehe Kasten «Zielwerte»). Und: Die oben erwähnten Anpassungen des Lebensstils, die Sie in Eigenregie machen können, sind nicht immer einfach. Aber sie bilden wirklich die Grundlage jeder Behandlung!» Christine Iselin-Kobler Oft sind Medikamente nötig Je nachdem, wie hoch Ihre Werte an «schlechtem» LDLCholesterin sind, und ob weitere Risikofaktoren vorliegen, verschreibt Ihnen der Arzt Medikamente. Dies vor allem auch, wenn Sie schon einen Herzinfarkt erlitten haben. Die wichtigste Medikamentengruppe sind die Statine. Sie hemmen die Cholesterinproduktion in der Leber und wirken laut neueren Studien vermutlich auch der Einlagerung von Cholesterin in die Arterienwände entgegen. Sollten Sie unerwünschte Nebenwirkungen spüren – wie Übelkeit oder Muskelschmerzen – sprechen Sie mit Ihrem Arzt. Er kann Ihnen ein anderes Statin oder ein Präparat aus einer anderen Medikamentengruppe verschreiben, darunter Fibrate (vor allem gegen hohe Triglyzeridwerte), Ionenaustauscher oder auch Cholesterin-Resorptionshemmer, welche die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm blockieren. Medikamente aus der Gruppe der Nikotinsäuren erhöhen das «gute» HDL und tragen damit zu einem besseren Gleichgewicht von «gutem» und «schlechtem» Cholesterin bei. Sie können allerdings unangenehme Nebenwirkungen haben wie Magen-Darm-Beschwerden, Hautrötung/Hitzegefühl. Cholesterin und Medikamente wirken auf vielschichtige und noch nicht in die letzte Einzelheit bekannte Weise in unserem Körper. Im Zusammenhang mit Statinen und rigoroser Prof. Georg Noll, Universitätsspital Zürich, ist Präsident der Schweizerischen Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose (AGLA) und Mitglied der Kommission Aufklärung und Prävention der Schweizerischen Herzstiftung. 6 HERZUNDKREISLAUF 4/2009 Sechs Tipps 1. Spätestens mit 35 Jahren sollten Sie Ihren Cholesterinwert kennen. Hat ein Elternteil hohes Cholesterin und früh (mit 40 oder 50) einen Herzinfarkt erlitten, sollten schon Jugendliche das Cholesterin messen und allenfalls behandeln. 2. Falls Sie bis jetzt geraucht haben – bitte, leben Sie ab jetzt rauchfrei! Sie schalten damit einen der wichtigsten Feinde für Ihren Fettstoffwechsel und überhaupt für Ihr Herz und Ihren Kreislauf aus. 3. Probieren Sie, weniger tierische Produkte als bisher zu essen und wenn – dann achten Sie auf fettarme Varianten wie mageres Fleisch, fettreduzierten Joghurt oder Magerquark. Geniessen Sie dafür reichlich Früchte und Gemüse. 4. Verwenden Sie das einheimische Rapsöl oder Olivenöl. 5. Günstig wirkt es sich auch aus, wenn Sie mehrmals pro Woche zum Beispiel durch intensives Gehen, Laufen oder Radfahren ins Schwitzen kommen oder zumindest «Treppe statt Lift» wählen. 6. Versuchen Sie, Ihr Gewicht im normalen Bereich zu halten. Suchen Sie Rezeptideen? Lassen Sie sich von unseren Kochbüchern «Kochen für das Herz» anregen (Rezeptbeispiel Seite 16). Weitere Informationen im neuen Sachbuch «Arteriosklerose – die stille Gefahr. Wie Herz und Gefässe gesund bleiben», siehe dazu auch Seite 21 (Bestelltalon letzte Seite oder www.swissheart.ch/shop).