Verhaltensbiologie r 183 9.2 Kommunikation Der Austausch von Nachrichten in Form von Signalen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für soziales Verhalten. Die Übertragung von Informationen (Nachrichtenübermittlung) zwischen Artgenossen bezeichnet man als intraspezifische Kommunikation. Bei einer interspezifischen Kommunikation werden Signale zwischen Lebewesen verschiedener Arten übermittelt. Beispiel Die Alarmrufe einer Amsel beim Auftauchen eines Greifvogels warnen auch andere Singvögel in der Umgebung. Beim Menschen spielen neben der verbalen Kommunikation auch die Gestik und Mimik als Übermittlung von nonverbalen Signalen eine wichtige Rolle. Sender-Empfänger-Modell Die Grundbegriffe dieses Modells stammen aus der Nachrichtentechnik. Ein Individuum, das Signale aussendet, um das Verhalten eines anderen Individuums zu beeinflussen, wird als Sender bezeichnet, das Individuum, dessen Verhalten sich ändern soll, als Empfänger. Die Signalübertragung erfolgt in den folgenden Schritten: • Der Sender weist eine Motivation zur Kommunikation auf. • Er erzeugt Signale, die vom Empfänger aufgenommen und verarbeitet werden können, Sender und Empfänger müssen also über denselben Signalcode verfügen (Codierung). • Die Signale werden über einen bestimmten (Sinnes-)Kanal gesendet. • Der Empfänger nimmt die Signale mit einem dafür geeigneten Sinnesorgan auf und entschlüsselt sie, d. h., er versteht sie (Decodierung). • Der Empfänger zeigt (meistens) eine Verhaltensänderung. Für eine erfolgreiche Kommunikation ist es wichtig, dass die Signalübertragung ohne Störung durch Umwelteinflüsse erfolgt sowie dass die Signale eindeutig und ohne Fehler deutbar sind. Signale als Voraussetzung für Kommunikation können in unterschiedlicher Form weitergegeben werden: akustische, optische, taktile oder chemische Signale. Akustische Signale Unter akustischen Signalen sind alle Formen der Lautäußerung zusammengefasst, also sowohl die mittels der Stimme hervorgebrachten Rufe als auch alle anderen Geräusche im Dienste der Kommunikation. 184 r Verhaltensbiologie Beispiele Das dem Menschen am längsten bekannte Mittel tierischer Nachrichtenübermittlung sind sicherlich die Stimmen der Vögel. Auch die Wiedergabe von Vogellauten durch menschliche Wortbildungen (Uhu, Kibitz, Kuckuck) lässt sich historisch sehr weit zurückverfolgen. Bei den Lauten, die Vögel hervorbringen können, unterscheidet man Geräusche, Rufe und Gesänge. Zu den ersten gehört das Klappern des Storches, mit dem sich ein Storchenpaar am Nest begrüßt, aber auch fremde Artgenossen abwehrt. Dabei wird der Unterschnabel gegen den Oberschnabel geschlagen. Rufe und Gesänge werden dagegen in Form von Lockrufen, Stimmfühlungslauten, Warnrufen und Angstschreien mit den Stimmorganen hervorgebracht. Der „Gesang“ der Vögel dient in erster Linie der Fortpflanzung: Er soll sowohl die paarungsbereiten Weibchen anlocken als auch das besetzte Territorium markieren bzw. abgrenzen. Auch im Leben von Delfinen spielen Lautäußerungen (Klickgeräusche, Knattertöne u. Ä.) im Rahmen der Verständigung untereinander eine wichtige Rolle. Optische Signale Optische Signale sind im gesamten Tierreich vielfältig verbreitet. Dazu gehören Körpermerkmale wie Färbung, Größe oder Form von Körperteilen etc. ebenso wie die Körpersprache (Gestik und Mimik). Beispiele Die intensive Färbung der Brust von Echsenmännchen, das farbenprächtige Gefieder des Pfaus, die leuchtenden Muster auf den Flügeln von Schmetterlingen oder die Lichtsequenzen von Glühwürmchen sind deutliche Beispiele optischer Signale. Auch der rote Fleck am Schnabel von Möwen, die deutliche Signalfarbe von sperrenden Jungvögeln und die silbrige Farbe des Rückens eines männlichen Gorillas stehen im Dienste der optischen Signalübermittlung. Eine sehr ausgeprägte optische Verständigungsmöglichkeit besitzen Hund und Wolf in der Körpersprache. Sie können Aggression, Angst und Unterwerfung allein durch Gestik und Mimik zum Ausdruck bringen. Die jeweilige Tendenz zu Angriff, Flucht oder Angst lässt sich an der Kopfhaltung, dem Nackenfell und der Ohrenstellung erkennen. Diese Stimmungsanzeichen sowie die Schwanzstellung unterscheiden nach außen hin einen dominanten deutlich von einem untergeordneten Wolf.