Biomedizinische Technik Band 43 Ergänzungsband 2

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DIE NACHBILDUNG DISKONTINUIERLICHER
ERREGUNGSLEITUNG DES HERZENS DURCH EIN HYBRIDES
HARDWARE-VOLUMSLEITER-MODELL
E. Hofer, A.P. Munuzuri*, M. deCastro*, M. Gomez-Gesteira*, G. Plank, V. Perez-Munuzuri*,
V. Perez-Vilar* und I. Schafferhofer
Institut f. Medizinische Physik und Biophysik, Karl-Franzens-Universität, A8010 Graz
*Grupo Fisica Nolineal, Facultad de Fisica. Univ. Santiago de Compostela, E-15706 Spanien
elektronisch realisierten Elementen (Chua-Circuits [1]),
welches nachfolgend beschrieben wird.
Zusammenfassung
Irregularitaeten in intrakardialen oder epikardialen
Signalformen, bekannt als "fraktionierte Elektrogramme" zeigen multiple Depolarisationsprozesse. Die
Genesis dieser komplexen Signale beruht auf lokaler
elektrischer Entkoppelung von Zellgruppen. Es wurde
ein Hardwaremodell entwickelt, welches die Abbildung
derartiger Entkoppelungen im passiven kontinuierlichen
Volumsleiter nachbildet.
Einleitung
Mikrofibrose im Herzgewebe ist oftmals Ursache für letale Herzrhythmusstörungen, für Flimmern und vermutlich auch für den plötzlichen Herztod. Elektrische Entkoppelung von Zellen oder Gruppen von Zellen (wie sie
bei Mikrofibrose vorkommen kann) ändert den
Leitungsweg und den Verlauf der Erregungsfront und
führt
zu
Irregularitäten
im
Signal
des
Elektrokardiogramms („fractionated electrograms,,). Die
Schwierigkeit in der Bewertung derartiger Signale liegt
darin, daß es unmöglich ist, die exakte Topologie dieses
Koppelungsnetzes und der Stromquellen zu ermitteln
und darin, daß die das Herz im elektrophysiolischen
Experiment umgebende Nährlösung einen Volumsleiter
mit räumlichem Integrationseffekt bildet. Wegen des
enormen Rechenaufwandes nehmen Computermodelle
kardialer Erregungsausbreitung allgemein keine
Rücksicht auf die Geometrie und die elektrische
Rückwirkung des kontinuierlichen Volumsleiters,
welcher das Präparat umgibt. Andererseits kann damit
gerechnet werden, daß jede Sonde, welche nahe an die
Herzoberfläche geführt wird, je nach den geometrischen
Gegebenheiten den eingegrenzten Volumsleiter formt.
Es ist daher von fundametalem Interesse, diese das
Oberflächenfeld des Herzens bestimmenden Faktoren zu
untersuchen. Ein praktikabler Weg, dieser Frage in
einem sehr vereinfachten Modell nachzugehen, ist der
Bau eines Hardwaremodelles des erregbaren Gewebes,
welches an einen realen Volumsleiter beliebiger
Geometrie angeschlossen werden kann. Zusammen mit
unseren Kooperationspartnern aus Spanien entwickelten
wir ein derartiges eindimensionales Modell mit
Methoden
In-vitroExperimente: Herzteilpräparate von Meerschweinchen wurden in einem mit oxigenierter
Tyrodelösung ([mmol/1] NaCl 132.1, KC1 5.4, CaC12
2.5, MgC12 1.15, NaHCOS 24.0, NaH2PO4 0.42 und DGlucose 5.6 bei 36°C) durchströmten Versuchsbad
fixiert. Das superfundierte Gewebe wurde mittels einer
Wolframelektrode punktförmig stimuliert. Die räumlichzeitliche Verteilung der Reizantwort in Form von
extrazellulären Potentialen Oe wurde von Mikrosensorarrays aufgenommen. Die verwendeten Arrays sind in
Dünnschichttechnik gefertigt und enthalten 25 Elektroden in 2D-Anordnung. Der Elektrodenabstand (MitteMitte) der in Dünnschichttechnologie gefertigten
Elektrodenarrays betrug jeweils 50
Elektrodenabstand. Eine detaillierte Beschreibung der Sensortechnologie ist in [2] angeführt. Die extrazellulären
Depolarisationssignale wurden mit 200 kHz/14Bit pro
Kanal digitalisiert und mit einem Arrayrecorder, welcher
auf Basis des international standardisierten VXI-Buses
entwickelt wurde, aufgezeichnet, visualisiert und
ausgewertet [3], [4]. Normale sowie fraktionierte
Elektrogramme konnten jeweils durch geeignete Wahl
des Reizortes induziert werden. Die Signalanalyse von
Mikrostruktureffekten
wurde
folgendermaßen
vorgenommen: Die zeitlich differenzierten Signale
9<J>e/3t von nebeneinander liegenden Meßorten (lineare
Anordnung) wurden als Zeit-Raum-Diagramm (Densityoder Waterfallplot) dargestellt. Jede lokale Änderung
der Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie jede lokale
Verzögerung oder das Auftreten von doppelten oder
multiplen Signalen kann so in Ort und Zeit genau
zugeordnet werden.
Hardware-Simulation: 30 elektronische Schaltkreise
nach Chua [1] wurden aufgebaut und mit
Koppelungs widerständen zu einem l D-Kettenleiter
geformt. Ein Chua-Schaltkreis ist ein universeller
nichtlinearer Schaltkreis, welcher unter anderem durch
geeignete Parameter in einem erregbaren Zustand
betrieben werden kann. Durch ohmsche Koppelung kann
die Erregung eines Chua-Schaltkreises auf die
benachbarten weitergeleitet werden und durch Variation
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Koppelungswiderstandes
die
Ausbreitungsgeschwindigkeit in bestimmten Grenzen moduliert
werden. Eine deutliche Erhöhung dieses Widerstandes
an einer einzigen Stelle im Kettenleiter kommt so einer
lokalen Entkoppelung von erregbaren Elementen
(Herzzellen) gleich, welche nicht notwendigerweise zu
einem Zusammenbruch der Erregungsleitung, sondern
nur zu einer lokalen Verzögerung und einer lokalen
Deformation des Signales führt. Das oberflächliche
Netzwerk von Herzzellen ist nicht nur netzförmig
gekoppelt und entkoppelt, sondern auch über den angrenzenden Volumsleiter geshuntet. Dieser Umstand
wird im Modell insoferne berücksichtigt, daß jeder
Ausgang eines Chua-Schaltkreises auch mit einem
Versuchsbad elektrisch verbunden wird, welches mit
leitfähiger Lösung gefüllt ist. Es ist somit jedes Element
nicht nur mit dem Nachbarelement, sondern über den
Volumsleiter
mit jedem anderen Element in
unterschiedlicher Gewichtung verbunden. Eine detaillierte Beschreibung des Aufbaus kann [5] entnommen
werden. Die Signale wurden gruppenweise mit einem 4Kanal-Oscilloscop (HP54601) mit 4MHz/8Bit aufgenommen und danach in gleicher Weise analysiert, wie
die in-vitro Signale.
Ergebnisse
Wie bereits früher berichtet [6], konnten in Präparaten
von bekannt guter Koppelungsstruktur (Papillarmuskel)
nahezu ideal uniforme Ausbreitungsmuster bei Erregungsausbreitung longitudinal zur Faserrichtung (LP)
gewonnen werden. Bei Erregungsausbreitung transversal
zur Faserrichtung (TP) zerfiel an derselben Meßstelle
die Erregungsfront in multiple und komplexe Formen.
Während Densityplots von
diese qualitative
Veränderung
kaum
erkennen
ließen,
zeigten
Densityplots von 9Oe/3t markante Änderungen der
Ausbreitungsmuster. Die komplexen Wellenfronten
waren durchwegs in ihrer Amplitude vermindert (64V/s
bis 64V/s für LP gegenüber 0.7V/S bis 22V/S für TP).
Der Vergleich von benachbarten
Signalen (50
Distanz) von 3<IV3t ergab folgende Resultate: multiple
Auslenkungen von 3<>e/3t waren jeweils um eine
Zeitspanne von 240 5 bis 640 $ getrennt. Dies
entspricht
damit
den
lokalen
Verzögerungen
entkoppelter Erregungswellen. Verfolgte man einzelne
Signale von 9<J>e/9t entlang benachbarter Meßpunkte, so
konnte man feststellen, daß der zeitliche Versatz
entweder der erwarteten Ausbreitungsgeschwindigkeit
über diese Distanz entsprach (sich ausbreitende Depolarisationsfront) oder aber nahezu Null war (elektrotonisches Übersprechen einer zusammenbrechenden
Depolarisationsfront). Zweiteres Signal war durch eine
deutliche Amplitudenverminderung (1/r-Beziehung) mit
fortschreitender Distanz charakterisiert. Bei einer angenommenen mittleren Geschwindigkeit fürTP von etwa
0.15m/s entsprechen die oben genannten Verzögerungszeiten ganz gut den Distanzen von perimysialen
Layers, Strukturen, welche Zellgruppen longitudinal
voneinander trennen. Allein die eindeutige Zuordnung
derartiger Diskontinuitäten zu den individuellen Aus*
lenkungen von
,/ ist wegen der histologischen
Komplexität und der dreidimensionalen Natur des Gewebes ein eher aussichtloses Unterfangen. Mit einem
Hardwaremodell war in dieser Hinsicht eine derartige
Zuordnung realisierbar.
Die Depolarisationssignale des Kettenleiters wurden sowohl direkt an den einzelnen Kontakten zum benachbarten Schaltkreis (Vj) als auch im Volumsleiter (Ve) auf
Höhe des jeweilen Elementes des Kettenleiters mit einer
definierten Distanz zum Kontaktpunkt gemessen. Wenngleich hier die Skalierung der Ausbreitungsgeschwindigkeit (0.14 Elemente^s), der Amplitude (10V) und
der
Widerstandsverhältnisse
naturgemäß
nicht
vergleichbar sind, sind die vorhin beschriebenen Effekte
diskontinuierlicher Ausbreitung klar zu delektieren. Die
internen Signale Vj zeigten selbst in der Nähe der Stelle
hochohmiger Koppelung keine Formveränderung. Ab
dieser Stelle konnte lediglich eine konstante zusätzliche
Verzögerung (von ca. 80% der erwarteten Leitungszeit)
gemessen werden, welche offensichtlich der Entkoppelungsstelle zuzuordnen ist. Die externen Signale im
Volumsleiter zeigten nicht nur diese lokale
Verzögerung, sondern darüber hinaus all jene Effekte,
welche bei den in-vitro Experimenten beobachtet
wurden: Auftreten von Doppelauslenkungen der
differenzierten Signale, von denen jeweils eines einer
sich ausbreitenden Depolarisationsfront, das andere
einem
elektrotonischen
Übersprechen
einer
zusammenbrechenden Depolarisationsfront zugeordnet
werden kann. Die eindeutige räumlich-zeitliche
Zuordnung zur Diskontinuitätsstelle, sowie zu den
internen Signal verlaufen war durch die gegebenen
Schaltkreise leicht zu bewerkstelligen.
Diskussion
Der Mechanismus diskontinuierlicher kardialer Erregungsausbreitung
und
deren
Abbildung
als
Potentialfelder im Volumsleiter läßt sich mit einem
elektronisch-physikalisch realisierbaren Hybridmodell
(kontinuierlich-diskontinuierlich) sehr vereinfacht aber
klar beschreiben. Die Zuordnung der einzelnen
„fraktionierten Signale" zu den Orten der Diskontinuität
ist eindeutig und leicht möglich. Wenngleich
Signalform, Amplitude und die räumlichen und
zeitlichen Skalen unterschiedlich sind, stimmen die
grundsätzlichen Effekte der Entkoppelung gut überein.
Es läßt sich weiters zeigen, daß jene Methode zur
Bestimmung der lokalen Aktivierungszeit, nämlich das
Minimum des differenzierten Signales zu nehmen, auch
bei den Irregularitäten der Signalformen nahe der
Diskontinuitätsstelle am besten mit den Ereignissen im
erregbaren Medium korreliert.
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Literatur
Adresse
[1] L.O. Chua, Int. J. Elec. and Comm., 46,250 (1992)
[2] E. Hofer et al.; Am J. Physiol. 266, H2136 (1994)
[3] G. Plank et al, Jahrestagung der Österreichischen
Gesellschaft für Medizinische Physik, 437 (1996)
[4] Mohr G et al, Jahrestagung der Österreichischen
Gesellschaft für Medizinische Physik, 435 (1996)
[5] A.P. Munuzurri et al, Int. J. of Bif. and Chaos 6,10,
1829 (1996)
E. Hofer
Institut für Medizinische Physik und Biophysik
Karl-Franzens-Universität Graz
8010 Graz
Harrachgasse 21
Tel: +43-316-380-4154
Fax: +43-316-380-9660
email: [email protected]
*Diese Arbeit wurde von den Projekten P-9468-MED
und P-12293-MED des FWF sowie vom spanischösterreichischen Projekt ACCIONES INTECKADAS
97/8 unterstützt.
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