•144- DIE NACHBILDUNG DISKONTINUIERLICHER ERREGUNGSLEITUNG DES HERZENS DURCH EIN HYBRIDES HARDWARE-VOLUMSLEITER-MODELL E. Hofer, A.P. Munuzuri*, M. deCastro*, M. Gomez-Gesteira*, G. Plank, V. Perez-Munuzuri*, V. Perez-Vilar* und I. Schafferhofer Institut f. Medizinische Physik und Biophysik, Karl-Franzens-Universität, A8010 Graz *Grupo Fisica Nolineal, Facultad de Fisica. Univ. Santiago de Compostela, E-15706 Spanien elektronisch realisierten Elementen (Chua-Circuits [1]), welches nachfolgend beschrieben wird. Zusammenfassung Irregularitaeten in intrakardialen oder epikardialen Signalformen, bekannt als "fraktionierte Elektrogramme" zeigen multiple Depolarisationsprozesse. Die Genesis dieser komplexen Signale beruht auf lokaler elektrischer Entkoppelung von Zellgruppen. Es wurde ein Hardwaremodell entwickelt, welches die Abbildung derartiger Entkoppelungen im passiven kontinuierlichen Volumsleiter nachbildet. Einleitung Mikrofibrose im Herzgewebe ist oftmals Ursache für letale Herzrhythmusstörungen, für Flimmern und vermutlich auch für den plötzlichen Herztod. Elektrische Entkoppelung von Zellen oder Gruppen von Zellen (wie sie bei Mikrofibrose vorkommen kann) ändert den Leitungsweg und den Verlauf der Erregungsfront und führt zu Irregularitäten im Signal des Elektrokardiogramms („fractionated electrograms,,). Die Schwierigkeit in der Bewertung derartiger Signale liegt darin, daß es unmöglich ist, die exakte Topologie dieses Koppelungsnetzes und der Stromquellen zu ermitteln und darin, daß die das Herz im elektrophysiolischen Experiment umgebende Nährlösung einen Volumsleiter mit räumlichem Integrationseffekt bildet. Wegen des enormen Rechenaufwandes nehmen Computermodelle kardialer Erregungsausbreitung allgemein keine Rücksicht auf die Geometrie und die elektrische Rückwirkung des kontinuierlichen Volumsleiters, welcher das Präparat umgibt. Andererseits kann damit gerechnet werden, daß jede Sonde, welche nahe an die Herzoberfläche geführt wird, je nach den geometrischen Gegebenheiten den eingegrenzten Volumsleiter formt. Es ist daher von fundametalem Interesse, diese das Oberflächenfeld des Herzens bestimmenden Faktoren zu untersuchen. Ein praktikabler Weg, dieser Frage in einem sehr vereinfachten Modell nachzugehen, ist der Bau eines Hardwaremodelles des erregbaren Gewebes, welches an einen realen Volumsleiter beliebiger Geometrie angeschlossen werden kann. Zusammen mit unseren Kooperationspartnern aus Spanien entwickelten wir ein derartiges eindimensionales Modell mit Methoden In-vitroExperimente: Herzteilpräparate von Meerschweinchen wurden in einem mit oxigenierter Tyrodelösung ([mmol/1] NaCl 132.1, KC1 5.4, CaC12 2.5, MgC12 1.15, NaHCOS 24.0, NaH2PO4 0.42 und DGlucose 5.6 bei 36°C) durchströmten Versuchsbad fixiert. Das superfundierte Gewebe wurde mittels einer Wolframelektrode punktförmig stimuliert. Die räumlichzeitliche Verteilung der Reizantwort in Form von extrazellulären Potentialen Oe wurde von Mikrosensorarrays aufgenommen. Die verwendeten Arrays sind in Dünnschichttechnik gefertigt und enthalten 25 Elektroden in 2D-Anordnung. Der Elektrodenabstand (MitteMitte) der in Dünnschichttechnologie gefertigten Elektrodenarrays betrug jeweils 50 Elektrodenabstand. Eine detaillierte Beschreibung der Sensortechnologie ist in [2] angeführt. Die extrazellulären Depolarisationssignale wurden mit 200 kHz/14Bit pro Kanal digitalisiert und mit einem Arrayrecorder, welcher auf Basis des international standardisierten VXI-Buses entwickelt wurde, aufgezeichnet, visualisiert und ausgewertet [3], [4]. Normale sowie fraktionierte Elektrogramme konnten jeweils durch geeignete Wahl des Reizortes induziert werden. Die Signalanalyse von Mikrostruktureffekten wurde folgendermaßen vorgenommen: Die zeitlich differenzierten Signale 9<J>e/3t von nebeneinander liegenden Meßorten (lineare Anordnung) wurden als Zeit-Raum-Diagramm (Densityoder Waterfallplot) dargestellt. Jede lokale Änderung der Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie jede lokale Verzögerung oder das Auftreten von doppelten oder multiplen Signalen kann so in Ort und Zeit genau zugeordnet werden. Hardware-Simulation: 30 elektronische Schaltkreise nach Chua [1] wurden aufgebaut und mit Koppelungs widerständen zu einem l D-Kettenleiter geformt. Ein Chua-Schaltkreis ist ein universeller nichtlinearer Schaltkreis, welcher unter anderem durch geeignete Parameter in einem erregbaren Zustand betrieben werden kann. Durch ohmsche Koppelung kann die Erregung eines Chua-Schaltkreises auf die benachbarten weitergeleitet werden und durch Variation Biomedizinische Technik Band 43 Ergänzungsband 2 1998 Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:29 PM -145des Koppelungswiderstandes die Ausbreitungsgeschwindigkeit in bestimmten Grenzen moduliert werden. Eine deutliche Erhöhung dieses Widerstandes an einer einzigen Stelle im Kettenleiter kommt so einer lokalen Entkoppelung von erregbaren Elementen (Herzzellen) gleich, welche nicht notwendigerweise zu einem Zusammenbruch der Erregungsleitung, sondern nur zu einer lokalen Verzögerung und einer lokalen Deformation des Signales führt. Das oberflächliche Netzwerk von Herzzellen ist nicht nur netzförmig gekoppelt und entkoppelt, sondern auch über den angrenzenden Volumsleiter geshuntet. Dieser Umstand wird im Modell insoferne berücksichtigt, daß jeder Ausgang eines Chua-Schaltkreises auch mit einem Versuchsbad elektrisch verbunden wird, welches mit leitfähiger Lösung gefüllt ist. Es ist somit jedes Element nicht nur mit dem Nachbarelement, sondern über den Volumsleiter mit jedem anderen Element in unterschiedlicher Gewichtung verbunden. Eine detaillierte Beschreibung des Aufbaus kann [5] entnommen werden. Die Signale wurden gruppenweise mit einem 4Kanal-Oscilloscop (HP54601) mit 4MHz/8Bit aufgenommen und danach in gleicher Weise analysiert, wie die in-vitro Signale. Ergebnisse Wie bereits früher berichtet [6], konnten in Präparaten von bekannt guter Koppelungsstruktur (Papillarmuskel) nahezu ideal uniforme Ausbreitungsmuster bei Erregungsausbreitung longitudinal zur Faserrichtung (LP) gewonnen werden. Bei Erregungsausbreitung transversal zur Faserrichtung (TP) zerfiel an derselben Meßstelle die Erregungsfront in multiple und komplexe Formen. Während Densityplots von diese qualitative Veränderung kaum erkennen ließen, zeigten Densityplots von 9Oe/3t markante Änderungen der Ausbreitungsmuster. Die komplexen Wellenfronten waren durchwegs in ihrer Amplitude vermindert (64V/s bis 64V/s für LP gegenüber 0.7V/S bis 22V/S für TP). Der Vergleich von benachbarten Signalen (50 Distanz) von 3<IV3t ergab folgende Resultate: multiple Auslenkungen von 3<>e/3t waren jeweils um eine Zeitspanne von 240 5 bis 640 $ getrennt. Dies entspricht damit den lokalen Verzögerungen entkoppelter Erregungswellen. Verfolgte man einzelne Signale von 9<J>e/9t entlang benachbarter Meßpunkte, so konnte man feststellen, daß der zeitliche Versatz entweder der erwarteten Ausbreitungsgeschwindigkeit über diese Distanz entsprach (sich ausbreitende Depolarisationsfront) oder aber nahezu Null war (elektrotonisches Übersprechen einer zusammenbrechenden Depolarisationsfront). Zweiteres Signal war durch eine deutliche Amplitudenverminderung (1/r-Beziehung) mit fortschreitender Distanz charakterisiert. Bei einer angenommenen mittleren Geschwindigkeit fürTP von etwa 0.15m/s entsprechen die oben genannten Verzögerungszeiten ganz gut den Distanzen von perimysialen Layers, Strukturen, welche Zellgruppen longitudinal voneinander trennen. Allein die eindeutige Zuordnung derartiger Diskontinuitäten zu den individuellen Aus* lenkungen von ,/ ist wegen der histologischen Komplexität und der dreidimensionalen Natur des Gewebes ein eher aussichtloses Unterfangen. Mit einem Hardwaremodell war in dieser Hinsicht eine derartige Zuordnung realisierbar. Die Depolarisationssignale des Kettenleiters wurden sowohl direkt an den einzelnen Kontakten zum benachbarten Schaltkreis (Vj) als auch im Volumsleiter (Ve) auf Höhe des jeweilen Elementes des Kettenleiters mit einer definierten Distanz zum Kontaktpunkt gemessen. Wenngleich hier die Skalierung der Ausbreitungsgeschwindigkeit (0.14 Elemente^s), der Amplitude (10V) und der Widerstandsverhältnisse naturgemäß nicht vergleichbar sind, sind die vorhin beschriebenen Effekte diskontinuierlicher Ausbreitung klar zu delektieren. Die internen Signale Vj zeigten selbst in der Nähe der Stelle hochohmiger Koppelung keine Formveränderung. Ab dieser Stelle konnte lediglich eine konstante zusätzliche Verzögerung (von ca. 80% der erwarteten Leitungszeit) gemessen werden, welche offensichtlich der Entkoppelungsstelle zuzuordnen ist. Die externen Signale im Volumsleiter zeigten nicht nur diese lokale Verzögerung, sondern darüber hinaus all jene Effekte, welche bei den in-vitro Experimenten beobachtet wurden: Auftreten von Doppelauslenkungen der differenzierten Signale, von denen jeweils eines einer sich ausbreitenden Depolarisationsfront, das andere einem elektrotonischen Übersprechen einer zusammenbrechenden Depolarisationsfront zugeordnet werden kann. Die eindeutige räumlich-zeitliche Zuordnung zur Diskontinuitätsstelle, sowie zu den internen Signal verlaufen war durch die gegebenen Schaltkreise leicht zu bewerkstelligen. Diskussion Der Mechanismus diskontinuierlicher kardialer Erregungsausbreitung und deren Abbildung als Potentialfelder im Volumsleiter läßt sich mit einem elektronisch-physikalisch realisierbaren Hybridmodell (kontinuierlich-diskontinuierlich) sehr vereinfacht aber klar beschreiben. Die Zuordnung der einzelnen „fraktionierten Signale" zu den Orten der Diskontinuität ist eindeutig und leicht möglich. Wenngleich Signalform, Amplitude und die räumlichen und zeitlichen Skalen unterschiedlich sind, stimmen die grundsätzlichen Effekte der Entkoppelung gut überein. Es läßt sich weiters zeigen, daß jene Methode zur Bestimmung der lokalen Aktivierungszeit, nämlich das Minimum des differenzierten Signales zu nehmen, auch bei den Irregularitäten der Signalformen nahe der Diskontinuitätsstelle am besten mit den Ereignissen im erregbaren Medium korreliert. Biomedizinische Technik Band 43 Ergänzungsband 2 1998 Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:29 PM -146- Literatur Adresse [1] L.O. Chua, Int. J. Elec. and Comm., 46,250 (1992) [2] E. Hofer et al.; Am J. Physiol. 266, H2136 (1994) [3] G. Plank et al, Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Medizinische Physik, 437 (1996) [4] Mohr G et al, Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Medizinische Physik, 435 (1996) [5] A.P. Munuzurri et al, Int. J. of Bif. and Chaos 6,10, 1829 (1996) E. Hofer Institut für Medizinische Physik und Biophysik Karl-Franzens-Universität Graz 8010 Graz Harrachgasse 21 Tel: +43-316-380-4154 Fax: +43-316-380-9660 email: [email protected] *Diese Arbeit wurde von den Projekten P-9468-MED und P-12293-MED des FWF sowie vom spanischösterreichischen Projekt ACCIONES INTECKADAS 97/8 unterstützt. Biomedizinische Technik Band 43 Ergänzungsband 2 1998 Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:29 PM