Fachtagung AHG Kliniken Daun Workshop 01.07.2013 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität 28.06.2013 An der Schwelle zur Ewigkeit. Vincent van Gogh, 1890 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Studien zur Wirksamkeit von Antidepressiva Antidepressiva lebensgefährliche Placebos – Arznei-Telegramm 5/2005 Antidepressiva kaum besser als Placebos – Welt 26.2.2008 Meta-Analyse von Prof. I. Kirsch et al 2008 veröffentlicht im Fachmagazin Public Library of Science Medicine 47 Studien – Untersuchung von Fluoxetin, Venlafaxin, Paroxetin Ergebnis: Antidepressiva kaum wirksamer als Plazebos, allenfalls bei schweren Depressionen Antidepressiva sind besser als ihr Ruf; Ärztezeitung 26.6.2012 Studie Dr. R. Gibbson et al. University Chicago – Arch Gen Psych 2012; 69:572 20 Studien Fluoxetin, 21 Studien Venlafaxin, n=9200, Behandlungszeitraum 6 Wochen Ergebnis: AD wirken bei leichten u. schweren Depressionen, SSRI scheinen bei Erwachsenen mit schwerer Depression besser zu wirken als bei leichten 28.06.2013 Depressionen. 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Verlaufsformen depressiver Störungen 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Chronische Depression versus einzelne depressive Episode chronische Depression beeinträchtigender Suizidversuche häufiger Inanspruchnahme des Gesundheitswesen häufiger 60% Traumata u. schwere Belastungen in Kindheit u. Jugend (Cave Missbrauch!) mehr Komorbiditäten: Angst- Panikstörung (46%), Substanzmissbrauch (30%), Persönlichkeitsstörungen (50%) Therapieansprechbarkeit auf Pharmakotherapie u. Psychotherapie 28.06.2013 schlechter Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Ursachen der Depression Die eine Ursache gibt es nicht neurobiologische Forschung: Depression = Hirnstoffwechselstörung gestörte Funktion Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin, Dopamin neuere Untersuchungen zeigen Cortisolüberschuß bei Depression - weitergehende Vermutung - Störungen des Hormonhaushalts und der Serotoninrezeptor-Dichte psychoanalytische Position: frühkindliche Störungen in der Entwicklung des Selbstwertgefühls lerntheoretische Modelle: Konzept der erlernten Hilflosigkeit Verstärker-Verlust-Modell 28.06.2013 Wahrnehmungseinseitigkeit Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Definition – pharmakologisch therapieresistente Depression Erfolglose Behandlung mit 2, in der der pharmakologischen Wirkweise differenter Antidepressiva in ausreichender Dosierung und Zeitdauer (4-6 Wochen) Gilt für ca. 20% aller Depressionen 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Gründe bei mangelndem Ansprechen auf Pharmakotherapie inadäquate Diagnose (z.B. übersehene Komorbidität – C2 Erkrankung) übersehene somatische Diagnose (z.B. Schilddrüsenerkrankung) gravierende psychosoziale Belastungen zu kurze Behandlungszeit : Info an Patienten über zu erwartende Veränderungen bei Gabe eines AD in Zeitraum von 14-21 Tagen zu niedrige Dosierung: Info an Patienten, dass ggf. Medikament ausdosiert werden muss, um zu erwartende Veränderungen zu erleben (Medikamentenmonitoring mit Stimmungstagbuch) zu niedriger Plasmaspiegel in Folge Medikamenteninteraktionen (z.B. Enzyminduktion, Cytochrom P450 Interaktionen unzureichende Info über Nebenwirkungen mangelnde Compliance 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Wirkstoff Handelsname Startdosis (mg/d) Angestrebte Dosis (mg/d) Citalopram Citalopram 10-20 20-60 Escitalopram Cipralex 5-10 10-30 Fluoxetin Fluctine 10-20 20-60 Fluvoxamin Floxyfral 50 100-300 Paroxetin Seroxat 10-20 20-60 Sertralin Gladem 25-50 50-200 Duloxetin Cymbalta 30-60 60-120 Milnacipran Dalciparn 50 100 Venlafaxin Efectin 37,5-75 75-375 SSRI SNRI 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Wirkstoff Handelsname Startdosis (mg/d) Angestrebte Dosis (mg/d) SNDRI Buproprion Elontril 150 300 Edronax 4 4-10 Mirtazapin Mirtazapin 15-30 30-45 Agomelatin Valdoxan 25 25-50 Moclobemid Aurorix 300 300-600 SNRI Reboxetin Andere Wirkmechanismen 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität AD – Verordnung nach Zielsyndromen Agitiert-ängstliches Syndrom: sedierendes AD – TZA, Mirtazapin Gehemmtes Syndrom: antriebssteigerndes AD – SSRI, Venlafaxin, Reboxetin Psychotische Depression – AD + atypisches NL Atypische Depression (Steigerung von Appetit und Schlafbedürfnis) – MAO-Hemmer Saisonal bedingte Depression – SSRI, MAO-Hemmer 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität AD – Nebenwirkungsprofil Neuere AD besser verträglich als ältere AD-Generation TZA: - anticholinerge NW: Obstipation, Miktionstörungen, Ileus, Orthostase, Mundtrockenheit, Sehstörungen, anticholinerges Syndrom (Verwirrtheit) - Histaminantagonismus: Gewichtszunahme, Sedierung - Alpha-1-Blockade: Orthostase, Schwindel, sex. Dysfunktion - Chindin-artige Wirkung: Herzrhythmusstörungen, allergische Reaktion, Interaktion mit C2 Kontraindikation: Prostatahypertrophie, Engwinkelglaukom, Herzrhythmusstörungen Mirtazapin: Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Sedierung 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität AD – Nebenwirkungsprofil Reboxetin: Mundtrockenheit, Schlafstörungen, Schwitzen, Kopfschmerzen, Tachkardie, Obstipation sex. Dysfunktion Fluoxetin: Unruhe, Angst, Schwindel, Übelkeit, sex. Dysfunktion Paroxetin: Gewichtszunahme, Tremor, sex. Dysfunktion, orofaciale Dystonien Sertralin, Citalopram: gastro-intesinale Nebenwirkungen 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Teilweise oder kein Ansprechen auf 4-6 wöchige Behandlung mit einem AD in adäquater Dosierung Optimierung – Dosiserhöhung – der Behandlung Wechsel zu AD aus anderer oder gleicher pharmakologischer Klasse Zusätzlich PT zu jedem Zeitpunkt der Behandlung 28.06.2013 Kombination zweier AD aus verschiedenen Klassen Augmentation 1. Wahl Lithium EKT zu jedem Zeitpunkt der Behandlung Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Nach vier Wochen Behandlung in adäquater Dosierung ohne Besserung sinkt Wahrscheinlichkeit auf Ansprechen eines AD. Bei partieller Response, Verlängerung des Behandlungsversuches um weitere 2-4 Wochen Danach alternative Strategien: 1.Wechsel auf anderes AD anderer pharmakologischer Klasse 2.Wechsel auf anderes AD der gleichen pharmakologischen Klasse 3.Kombination zweier AD aus verschiedenen Klassen 4.Augmentation eines AD mit anderen Wirkstoffen 5.Elektrokrampftherapie 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch Depressiven Störungen Mythen versus Effektivität 1. Wechsel zu einem neuen AD aus anderer Klasse - Bei ca. 50% kann durch Wechsel der Substanzklasse (SSRI, TZA …) eine Response erzielt werden - Langsames Ausschleichen des ersten AD um Absetzphänomenen vorzubeugen 2. Wechsel zu einem neuen AD aus derselben Klasse - 40-70% der Patienten respondieren bei einem Wechsel von einem SSRI zu einem anderen. - Bei TZA Responserate von 9-27% 3. Kombination von zwei AD unterschiedlicher Klassen - Vorteil: Aufrechterhaltung einer Teilresponse des alten AD bei Wirklatenz des neuen AD - Nachteil: mögliche Wechselwirkungen, vermehrte Nebenwirkungen, verminderte Compliance, vermehrte Kosten 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität 4. Augmentation eines AD - erste Wahl einer Augmentation Lithium: - angestrebter Lithium-Serumspiegel bei 0,6-0,8 mmol/l - enge therapeutisches Fenster im Hinblick auf Lithium Nebenwirkungen - gute Compliance Voraussetzung 4.a Augmentation mit Schilddrüsenhormonen - meist Gabe von T3 in Dosierungen zwischen 25 – 37,5 ug/d 4.b Augmentation mit atypischen Psychotika - Indikation insbesondere bei chron. Depression mit psychotischer Symptomatik - Positive Ergebnisse für Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon 5. Elektrokrampftherapie - Bei psychopharmakologischer Therapieresistenz Durchführung von EKT an universitären Zentren 28.06.2013 28.06.2013 Pharmakotherapie bei chronisch depressiven Störungen Mythen versus Effektivität Fazit AD gehören neben der PT u. sozialtherapeutischen Maßnahmen zu den gesicherten Behandlungssäulen der Depression Für Kliniker ist pragmatische Haltung zielführend, was hilft zählt! Studien geben allgemeines Ergebnis wieder, in Behandlung zählt der einzelne Patient Einsatz von AD sollte vom Patient im Sinne eines Behandlungsversuches mitgetragen werden (Kontraindiziert: „ich verschreibe Ihnen jetzt mal…) Einsatz von AD setzt eine gute Aufklärung über Wirkung (Zielsyndromen) und Nebenwirkung voraus Effiziente antidepressive Pharmakotherapie setzt regelmäßiges Medikamentenmonitoring (z.B. Stimmungstagebuch) voraus. 28.06.2013 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 28.06.2013