www.evimed.ch Gegen Schlafstörungen ist die kognitive Verhaltenstherapie effektiver als die Pharmakotherapie Frage: Ist zur längerfristigen Behandlung von chronischen Einschlafstörungen eine kognitive Verhaltenstherapie oder eine Pharmakotherapie wirksamer oder sollte bei Erwachsenen im mittleren Alte eine Kombination von beiden Therapien empfohlen werden? Hintergrund: In den USA leiden ca. 35% an täglichen Einschlafstörungen und 58% haben mehr als eine Nacht pro Woche Einschlafprobleme. Die häufigste Verschreibung gegen Einschlafstörungen sind Pharmakotherapien. Es ist jedoch bekannt, dass die Wirkung der Hypnotika mit der Zeit abnimmt und zusätzlich Nebenwirkungen auftreten. Bislang gibt es keine randomisiert kontrollierte Studie, welche die Wirksamkeit einer längerfristigen Pharmakotherapie mit einer Verhaltenstherapie verglichen hat. Einschlusskriterien: • • • Patienten im Alter von 25-64 Jahren, die seit mehr als 6 Monaten an Einschlafstörungen leiden Verzögerung des Einschlafens von 1-3 Stunden Mindestens eine daraus folgende Beschwerde (Schläfrigkeit, bedrückte Stimmung) Ausschlusskriterien: • • • Bereits Einnahme von verschriebenen Pharmakotherapeutika oder Selbstmedikation zur Verbesserung der Schlafstörung und Therapieabbruch bis 4 Wochen vor Studienbeginn nicht möglich. Einschlafsstörungen aufgrund medizinischer Probleme Momentane Behandlung für Depressionen, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch Studiendesign und Methode: Randomisiert kontrollierte Studie Studienort: Nordamerika Intervention: • • 3 verschiedene Interventionsgruppen: o Kognitive Verhaltenstherapie (5 individuelle Sessionen von15-30 min) während 6 Wochen o Pharmakotherapie (Stilnox®; 5-10 mg) während 6 Wochen o Kombination von kognitiver Verhaltens- und Pharmakotherapie während 6 Wochen Kontrollgruppe: Placebo während 6 Wochen Outcome: Alle Studienteilnehmer führten ein Tagebuch für jeweils 14 Tage, vor, während und nach der Therapie: • Primärer Outcomes: Einschlafstörungen (zeitliche Verzögerungen in min.) anhand von Tagebucheinträgen • Sekundäre Outcomes: Totale Schlafzeit, Schlafeffektivität (Totale Schlafzeit/“Bettzeit“) www.evimed.ch Resultat: • 63 Personen wurden in die Studie eingeschlossen und 4 verschiedenen Gruppen randomisiert. 15 wurden in die Psychotherapie, 15 in die Pharmakotherapie, 18 in die Kombinationstherapie und 15 in die Placebogruppe eingeteilt. Outcome Kognitive Verhaltenstherapie Pharmakotherapie Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie Placebo Vor Therapie (2W) 67.9 71.5 72.6 71.7 Während (6W) 36.8 45.0 38.7 66.8 Nach Therapie (2W) 34.1 58.7 38.7 63.9 Vor Therapie 66.2 67.1 69.7 64.9 Während 80.1 76.1 78.7 66.8 Nach Therapie 83.5 67.2 80.4 77.5 Vor Therapie 306.6 303.7 341.6 291.7 Während 347.4 343.4 351.3 296.8 Nach Therapie 355.2 372.9 366.9 321.2 Einschlafverzögerungen, min Schlafeffektivität % Totale Schlafzeit, min Resultate gemäss per-Protokoll Analyse • • • • Während der Behandlungszeit zeigte die Gruppe der kognitiven Verhaltenstherapie und die der Kombinationstherapie eine 44% Verbesserung der Einschlafzeit gegenüber einer 29% Verbesserung in der Pharmakotherapiegruppe und 10% in der Placebogruppe. Die Einschlafzeit konnte anhand der kognitiven Verhaltenstherapie (alleine und als Kombination) nach Therapieende weiterhin verkürzt werden. Bei der Pharmakotherapie- und Placebogruppe nahm die Einschlafzeit jedoch nach Therapieende wieder zu. Auch die Veränderungen der Schlafeffektivität waren zwischen den Gruppen signifikant und konnten während der Behandlung in der kognitiven Verhaltenstherapiegruppe um 14%, in der Kombinationstherapie um 10%, in der Pharmakotherapie um 9% und in der Placebogruppe um 3% verbessert werden. Die totale Schlafzeit unterschied sich zwischen den verschiedenen Gruppen nicht signifikant. Kommentar: • • Die Studie zeigt, dass eine kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung von chronischen Einschlafschwierigkeiten effektiver ist als eine Pharmakotherapie. Die Hypothese, dass eine Kombinationstherapie effektiver sei als die kognitive Verhaltenstherapie allein, konnte aber nicht bestätigt werden. Sowohl während als auch nach der Behandlung unterschieden sich die Resultate nicht signifikant. Limitationen der Studie: www.evimed.ch Das Studienkollektiv war sehr klein und bestand aus motivierten Teilnehmern, die sich auf die Inserate für die Studie angemeldet haben. Die Übertragung der Resultate auf eine andere Studienpopulation (Medikamentenabhängige) ist somit limitiert. o Die Resultate des Schlaflabors (3 Nächte/ Teilnehmer) zeigten den gleichen Trend der Effekte in den verschiedenen Therapiegruppen, jedoch waren diese Resultate nicht signifikant. Es könnte also sein, dass die positive Motivation vor allem der nicht verblindeten Patienten der Verhaltenstherapiegruppe zu überbewerteten Eintragungen im Tagebuch geführt hat. o Beim ersten Follow up (1 Monat) wurde die Verblindung gegenüber der Pharmakotherapie aufgehoben und die Patienten konnten in eine andere Behandlungsgruppe wechseln. Da über die Hälfte der Pharmakotherapie und Placebogruppe wechselten, konnten die Follow up Daten dieser Gruppen nicht länger erhoben werden. Schlussfolgernd will diese Studie darauf aufmerksam machen, dass die kognitive Verhaltenstherapie gegenüber einer Pharmakotherapie die effektivere Alternative zur Behandlung von chronischen Einschlafstörungen darstellt. o • Literatur: Jacobs G.; “Cognitive Behavior Therapy and Pharmacotherapy for Insomnia” Randomised controlled trial and direct comparison”, Arch Intern Med, 164, Sept. 27, 2004 Verfasser: Madlaina Scharplatz