Depression - Universität Bayreuth

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BEZIRKSKRANKENHAUS
BAYREUTH
Einführung in die Psychiatrie
Depression
Vorlesung WS 2012/2013
Universität Bayreuth
Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Manfred Wolfersdorf, Bayreuth
Depression Vorlesung Universität i Bayreuth WS 2012 Prof. Dr.med.Dr.h.c.
Manfred Wolfersdorf
1
Gedicht einer depressiven Frau
In der Depression
lebe ich ohne Sinn und Bewusstsein.
Ich sehe, ohne wahrzunehmen.
Ich fühle ohne Empfindung und Gefühl.
Ich schmecke ohne Genuss.
Ich rieche ohne Empfindung.
Ich denke ohne Geist und Sinn und Phantasie und Kombinationsfähigkeit.
Ich lache ohne Freude.
Ich weine ohne Schmerzensstachel.
Ich bewege mich ohne motorische Harmonie und Ausdrucksvermögen.
Ich kenne weder Hoffnung noch Maß noch Ziel.
Schlaf und Tod sind mir das Erstrebenswerteste.
Ich freue mich nicht, ich begeistere mich nicht, ich liebe nicht, ich trauere nicht.
Ich male nicht, ich spreche nicht, ich dichte nicht, ich singe nicht, ich tanze nicht,
und wenn ich es dennoch tue, dann ohne Ausdruck und Phantasie und ohne dabei zu,
sein, ohne Leben.
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Depression Vorlesung Universität i Bayreuth WS 2012 Prof. Dr.med.Dr.h.c.
Manfred Wolfersdorf
2
Gliederung
• Bedeutung von Depressionen: Häufigkeit,
gesundheitspolitisch
• Erkennen von Depressionen: Symptome und
Verhalten, depressive Episode
• Verstehen depressiv Kranker:
Psychodynamik
• Therapie mit depressiv Kranken:
akut/ Langzeit, ambulant/ stationär,
Allgemeinarzt/Facharzt, ärztliche und
psychologische Psychotherapeuten, heutige
Standards: Antidepressiva, Psychotherapie,
psychosoziale Maßnahmen, Selbsthilfe
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(Betroffene,Depression
Angehörige)
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3
Was verstehen wir unter einer „Depression“
Depression ist eine krankhafte Störung/Krankheit der Affektivität eines
Menschen, des Gemüts (Stimmung und Gefühle)
•
mit einer beobachtbaren, beschreibbaren Symptomatik
(Psychopathologie)
•
mit innerseelischen und/oder äußeren prädepressiven Ereignissen
und Belastungen (Lebensereignisse, seelische Belastungen)
•
überwiegend von Verlust-, Überforderung-, Kränkungscharakter
(Psychodynamik)
•
mit einer sog. depressiven Persönlichkeitsstruktur (melancholischer
Typus, depressive Persönlichkeitszüge) (Psychodynamik, Biographie)
•
mit beschreibbaren depressiven Verhaltensweisen des Appells, des
Rückzugs, der Dysphorie und des Negativismus (Verhalten)
•
mit depressiven Einstellungen von Hoffnungs- und Hilflosigkeit, IchInsuffizienz, Selbstentwertung und Schuldzuweisung an sich selbst
(Attributationen: Bewertungsstile)
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4
Warum ist die Depression heute eine
so bedeutsame Erkrankung
geworden?
• Häufigste psychische Erkrankung
• Rate der Erkennung und Behandlung zu
gering
• Suizidalität: Suizidrisiko hoch
• Arbeitsunfähigkeit kann Folge sein
• Anhaltende Erkrankung möglich
• Behinderung in der Teilhabe am Leben
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5
Europa 2011 – Report
( Wittchen et al. 2011)
• Nach Angaben des EU-2011-Reports
(EU-27 Staaten plus Island, Norwegen
und die Schweiz mit insgesamt 514
Millionen Bürgern 18 Jahre aufwärts)
liegt die Häufigkeit ( 12-MonatsPrävalenz) für „typische Depression“ bei
6,9% (Spannweite in verschiedenen
Studien 1,0-10.1) und betrifft 30.3
Millionen Bürger 18 Jahre und aufwärts
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6
Tabelle:
Psychische Erkrankungen in der EU
(1)
• 12-Monatsprävalenz in EU-27 (plus Schweiz, Island, Norwegen;
Alter meist 14+ Jahre; Median) (EU-27-Population 2010; Wittchen et al. 2011)
•
•
•
Diagnosen
DSM-IV
(Anzahl Studien)
BevölkerungsStudien
Median %
Expertenschätzung
%
Anzahl
betroffene
Personen Mill.
•
•
•
Alkoholabhängigkeit
Opiatabhängigkeit
Cannabisabhängigkeit
3,4
0,3
0,3
3,4
0,1 - 0,4
0,3 - 1,8
14,6
1,0
1,4
•
PsychosePsychose-Erkrankungen
1,0
1,2
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Typische Depression
Bipolare Erkrankung
Panikstörung
Agoraphobie
Soziale Phobie
Generalisierte Angststörung
spezifische Phobien
Zwangsstörung OCD
5,7
0,7
1,2
1,2
2,0
2,0
4,9
0,7
6,9
0,9
1,8
2,0
2,3
1,7 - 3,4
6,4
0,7
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5,0
30,3
3,0
7,9
8,8
10,1
8,9
22,7
2,9
7
Tabelle:
Psychische Erkrankungen in der EU
(2)
• 12-Monatsprävalenz in EU-27 (plus Schweiz, Island, Norwegen;
(EU-27-Population 2010; Wittchen et al. 2011)
Alter meist 14+ Jahre; Median)
• Diagnosen
• DSM-IV
• (Anzahl Studien)
BevölkerungsStudien
Median %
• Posttraumatische Belastungsstörung PTSD
• Somatoforme Störung
• Anorexia nervosa
• Bulimia nervosa
• Borderline-Persönlichkeitsstörung
• Dissoziale Persönlichkeitsstörung
• Demenz
• Geistige Behinderung
Expertenschätzung
%
Anzahl
betroffene
Personen Mill.
2,3
1,1 - 2,9
7,7
6,3
0,1
0,3
4,9
0,2 - 0,5
0,1 - 0,9
0,7
20,4
0,8
0,7
2,3
0,6
2,0
5,4
1,0
6,3
4,2
[Wittchen HU, Jacobi F, Rehm J, Gustavsson A, Svensson M, Jönsson B, Olesen J, Allgulander C, Alonso J,
Faravelli C, Fratiglioni L, Jennum P, Lieb R, Maercker A, Os van J, Preisig M, Salvador-Carulla L, Simon R,
Steinhausen H-C (2011) ECNP/EBC Report 2011. The size and burden of mental disorders and other
disorders of the brain in Europe 2010. European Neuopsychopharmacology 21: 655-679]
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Tabelle: EU-Report 2010 (Wittchen et al. 2011)
• Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse (Auswahl)
Gibt es eine Zunahme („prevalence estimate“) psychischer Erkrankungen ?
•
•
•
Diagnosen
DSM-IV
•
•
•
•
•
•
•
•
Alkoholabhängigkeit
Psychose-Erkrankungen
Major Depression
Bipolare Erkrankungen
Panikstörung
Agoraphobie
Somatoforme Störung
Anorexia nervosa
•
Summe
•
Jedes Jahr leiden 38,2 % der EU-Population mindestens an einer von 27 psychischen
Erkrankungen (164,8 Mill. Personen)
Die Schätzung 2005 lag bei 27,4 % (bezogen auf 13 Diagnosen und Alter 18-65),
die Schätzung 2011 mit 38,2 % umfasst 27 Diagnosen und alle Altersgruppen 14+,
Der Vergleich Diagnosen 2005 mit den gleichen Diagnosen 2011 /27,4 % versus 27,1 %)
zeigt keinen Zuwachs. D. h. der Zuwachs kommt von den neuen zusätzlichen Diagnosen
•
•
Prävalenzraten (12 Monate)
2005 %
2011 %
2,4
0,8
6,9
0,9
1,8
1,3
6,3
0,4
27,4 %
3,4
1,2
6,9
0,9
1,8
2,0
4,9
0,2 - 0,5
38,2 %
Anzahl Betroffene
Millionen
2005
2011
7,2
3,7
18,4
2,4
5,3
4,0
18,9
1,2 (1,0 - 1,7)
14,6
5.0
30,3
3.0
7,9
8,8
20,4
0,8
82,7
164,8
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Gesundheitspolitische u. ä. Aktivitäten zum Thema Depression
European Depression Day (EDD) seit 2003
Kompetenznetz Depression/Suizidaltität, gefördert vom BMBF, darin
„Nürnberger Bündnis gegen Depression“, heute mehr als 40 lokale Bündnisse
European Alliance Against Depression (EAAD) 2004 in 17 Partnerländern als
gemeindebasierte Avareness-Kampagne
Nationales Suizidpräventions-programm (NASPRO) für Deutschland (seit 2003)
„Greenbook“ der EU-Kommission für Gesundheit (Oktober 2005): Prävention
von Depression, Drogenmissbrauch und Suizidmortalität
„Gesundheitsziele.de AG Depression“ des Bundesministerium für Gesundheit
(seit 2004)
S3/NV-Leitlinie „Unipolare Depression“ der verschiedenen Psych-Gesellschaften
unter Leitung der AWMF/ÄZQ , 2009 erschienen
High-Level-Conference der EU „Depression and suicide“ Juli 2008 Brüssel
Initiative „Gemeinsam gegen Depression“ Bayreuth seit 2010
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Bundes-Gesundheitssurvey 1998: „Psychische Störungen“
[12-Monats-Prävalenzen für ausgewählte Diagnosen nach DSM IV; Ngesamt = 4181; 18- bis 66-Jährige im Bundesgebiet (Angaben in
gewichteten % mit 95%-Konfidenzintervallen (Wittchen 2000, Wittchen und Jacobi 2001]
DSM-IV Diagnosen
Psychotische Störungen
Drogenabhängigkeit
Alkoholabhängigkeit
Zwangsstörungen
Essstörungen
Bipolare Störungen
2,6
0,8
6,3
0,7
0,3
1,3
Dysthymie
Depressive Störungen
Phobien
Generalisierte Angststörungen
4,5
8,8
12,6
2,5
Panikstörung
Somatoforme Störungen
2,3
11,0
(2,1
(0,5
(5,5
(0,5
(0,2
(0,6
– 3,1)
– 1,1)
– 7,1)
– 1,0)
– 0,6)
– 1,7)
(3,9 – 5,2)
(7,5 – 9,2) insgesamt über 13 % Depression
(9,8 – 14,2)
(2,1 – 2,9)
(2,0 – 2,6)
(10,1 – 12,1)
[nach: Wittchen H-U, Jacobi F. Die Versorgungssituation psychischer Störungen in Deutschland. Ein klinisch-epidemiologische Abschätzung anhand des BundesGesundheitssurveys 1998. Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2001; 44: 993 – 1000, sowie: Wittchen H-U. Zusatzsurvey „Psychische
Störungen“ (Bundesgesundheitssurvey 1998): Anlagen zum Schlussbericht. Max Planck Institut für Psychiatrie, München, Eigenverlag 2000]
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Krankheitsbedingte Abwesenheitstage und volkswirtschaftliche
Kosten unter besonderer Berücksichtigung „Psychische und
Verhaltensstörungen“ von 2001 – 2005 in Deutschland
Jahr
krankheitsbedingte
Abwesenheitstage
(Mio)
ICD-10
Psych.
Störungen
(Mio)
Produktionsausfall
(Mrd)
Ausfall
Bruttowertschöpfung
(Mrd)
2001
508,60
33,60
44,76
70,75
2002
491,05
34,37
44,15
69,53
2003
467,76
45,54
42,55
66,39
2004
440,10
46,30
40,00
70,00
2005
420,50
44,10
37,80
66,50
BAuA u. Mitteilungen der Bundesregierung
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AU – Tage. Daten von Kostenträgern
AU-Tage
100VJ
Anteil
am
Krankenstand
(%)
berichtete Trends
BKK (2006)
111,0
8,9
Anstieg um 35% von 1991 bis 2006
DAK (2007)
109,8
10,2
Anstieg um 69% von 1996 bis 2004
GEK (2006)
136,0
10,7
Anstieg der Anträge auf
Psychotherapie um 60% von 2000
bis 2006
TK (2006)
129,0
12,3
Anstieg um 13% von 2000 bis 2007
Barmer
(2007)
197,7
15,9
Anstieg um 15,9% von 2003 bis
2007
IKK (2006)
89,0
6,3
Anstieg um 33% von 2000 bis 2006
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Das Optimierungsmodell der
Depressionstherapie von U. Hegerl
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Tabelle : Depressives
Syndrom/depressive Episode
Wie sieht ein depressives Zustandsbild
aus, welche Symptome werden berichtet
bzw sind beobachtbar?
1.Psychische Symtome
2.Antriebssymptome
3.Körperliche Symptome
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DEPRESSIVES SYNDROM * Wesentliche Symptome
Psychische Symptome
•
depressive Herabgestimmtheit
•
freudlos, niedergedrückt
•
Fehlende Ansprechbarkeit auf äußere Reize
•
Ängste vor den Tagesanforderungen, Panikattacken
•
Gedanken von Leistungsunfähigkeit, Wertlosigkeit, Sinnlosigkeit,
Versagen, Schuld und Nichtgenügen, Nichtgeliebtwerden
•
Gedanken von Hoffnungslosigkeit, Lebensmüdigkeit, an Suizid
•
Grübeln, Einengung der Gedanken, quälendes Gedankenkreisen bzw.
Denkhemmung, Leeregefühle im Kopf
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Antriebssymptome
• Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit,
Wollen aber Nichtkönnen
• Verlangsamung, Hemmung der
Psychomotorik, Sprache, Mimik
• Äußere und innere Unruhe,
Getriebenheit, Agitiertheit
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Körperliche („psychosomatische“) Symptome
• Kraftlosigkeit, rasche Erschöpftheit
• Schlafstörungen (z.B. Früherwachen)
• Tagesschwankungen (vor allem
Morgentief)
• Libidoverlust, sexuelle Störungen
• Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust
• Leibgefühlsstörungen (Druck- und
Spannungsgefühle, “mental pain“)
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20
TABELLE
:
Kriterien für die Diagnose einer „depressiven Episode“ nach
ICD-10 (1)
Hauptsymptome
(2 – 3 gefordert, Dauer je 2 Wochen)
•
gedrückte Stimmung
•
Interessenverlust, Freudlosigkeit
•
Antriebsminderung
Andere Symptome
(2 – 4 Symptome gefordert)
•
verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
•
vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
•
Schuldgefühle, Gefühle von Wertlosigkeit
•
negative und pessimistische Zukunftsperspektive
•
Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung und Suizidhandlung
•
Schlafstörungen
•
verminderter Appetit
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21
TABELLE
:
Depressive Episode nach ICD-10 (2)
Somatisches Syndrom
•Interessenverlust, Anhedonie
•mangelnde Reaktivität auf freundliche Umgebung oder freudige
Ereignisse
•frühmorgendliches Erwachen (> 2 Std. vor üblicher Zeit)
•Morgentief von Stimmung und Antrieb
•beobachtbare psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit
•deutlicher Appetitverlust
•Gewichtsverlust (> 5% des Körpergewichts) im letzten Monat
•deutlicher Libidoverlust
leichte / mittelgradige /schwere depressive Episode,
leicht / mittelgradig / mit/ohne somatisches Syndrom, schwer mit/ohne psychotische Symptome
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MännerDepression
Klinisches Bild/Unterschiede zu Frauen
•
eher gehemmte Bilder
•
mehr Neigung zu Rückzug
•
eigentherapeutischer Alkoholmissbrauch, Alkoholabhängigkeit und
Depression
•
Neigung zu Impulsivität, Aggressivität
•
vermehrt Somatisierungstendenz
•
signifikant erhöhte Suizidrate bei Männern
•
eingeschränkte Veränderungsfähigkeit bei Männern
•
unzureichende Inanspruchnahme des Hilfsangebotes durch Männer
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Depressive Erkrankungen * primäre nosologische Gruppen
•
die depressive Episode
•
die rezidivierenden depressiven Erkrankungen
•
die anhaltenden depressiven Erkrankungen
•
die depressiven Belastungs- und Anpassungsstörungen
•
die primär somatogenen (organischen, sekundären) Depressionen
•
die depressive Episode bei bipolaren affektiven Erkrankungen
•
die Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung
•
die Postpartum-Depression
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24
Verstehen depressiven Krankseins: der depressiv
kranke Mensch und seine Biographie
•
Was findet man häufig im Vorfeld einer akuten
Depression an Belastungen ?
•
Was kennzeichnet depressiv Kranke in ihrer
Persönlichkeit?
•
Psychodynamik depressiven Krankseins aus
tiefenpsychologischer bzw lerntheoretischer Sicht
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25
Depression und Persönlichkeitszüge: zur Depression
neigende Menschen sind oft
• überstark leistungsorientiert
• haben häufig ein sehr hohes Ich-Ideal-Bild von sich
• Selbstwertgefühl hängt von Leistung ab
• in Beziehungen überangepasst
• rasch und anhaltend verletz- und kränkbar
• überstark beziehungsabhängig
• überstark schuldbezogen wegen eines strengen Überichs/Gewissens
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26
Depression und Lebensereignisse
Zusammenfassung klinisch relevanter Konstellationen
• Vulnerabilitätsfaktoren nach Brown & Harris (z. B. 1980): Fehlen einer vertrauensvollen
Beziehung, Verlust der Mutter vor dem 11. Lebensjahr, 3 und mehr Kinder zuhause, Fehlen einer
Beschäftigung außerhalb des Haushaltes, kein eigenes Einkommen, Fehlen sozialer
Unterstützung, Selbstwertstörung
• Lebensereignisse Verlustereignisse: (6 Klassen nach Brown et al., Keller F): Verlust als
Folge von a) Tod, b) Trennung, c) Verlust des Arbeitsplatzes (Selbst- oder Hauptverdiener), d)
Verlust materieller Güter, e) von Gesundheit und f) einer Wunschvorstellung von sich und
anderen, die unter Vertrauensverlust zerstört wird.
Derartige Verlustereignisse sind prädiktiv für Depression
• Reaktualisierung früher Verlust- und emotionale Mangelerfahrungen durch realen, subjektiv
erlebten oder antizipierten Verlust
Lebensereignisse verknüpft mit Verpflichtungsbereich
• Verlust von Soziotropie d. h. sozialer Wertschätzung bzw. Autonomie d. h. persönlicher
Unabhängigkeit
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27
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28
ABBILDUNG
: Ätiologie der Depression
(nach Holsboer-Trachsler & Vanoni 1998)
Persönlichkeitsfaktoren:
Introversion Angstneigung
Genetische
Disposition
Aktuelle
psychosoziale
Belastung
Auslenkung der
Neurotransmittersysteme
Katecholaminhypothese
Serotoninhypothese
Belastende oder
traumatische
Erfahrungen.
Verlusterlebnisse.
Erlernte
Hilflosigkeit
Neuroendokrinologische Hypothese
Depressive Symptomatik
emotional/kognitiv/somatisch
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29
Abbildung :
Vereinfachtes psychodynamisches Modell möglicher Depressionsentwicklung (Wolfersdorf 1992, 2011)
- Modell als Grundlage von Therapieüberlegungen
Frühkindliche
Mangelerfahrung
bzgl. Zuwendung, Förderung
Anerkennung
„orales“ Defizit
narzisstisches Defizit
Globales Gefühl des „existentiellen Zuwenig“ (Nichtwert-sein, Nichtkönnen, Ungeliebtsein), labiles
Selbstwertgefühl/Minderwertigkeit
emotionale
Überbedürftigkeit
(„Oralität“)
ES
hohe
Verletzbarkeit,
Kränkbarkeit
starkes Bedürfnis
nach Wertschätzung, Anerkennung
(Normorientiert)
Es/Ich
psychologische
Disposition
für Depression
Persönlichkeitszüge, - strukturanteile
Überich
Kompensations- und
Bewältigungsversuche
Depression als Folge
symbiotische
Beziehungsgestaltung,
Überanpassung,
Aggressionshemmung
Frühkindliche
Beziehungserfahrung (plus
biologischkonstitutionelle
Disposition)
Struktur, Kompensation, Ab-
wehr, Bewältigung und Umwelt/Gesellschaft/Kultur
Entwicklung
überhöhter
Leistungs- und
ethisch-moralischer
Normen,
Abhängigkeit davon
Behinderung der Verwirklichung,
Verluste von Personen, Konzeption,
Lebensaspekten
Versagen der
Kompensation,
„Auslösung“
Symptombildung
Depression
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30
Abbildung :
Existentiell vernichtende Krisen Perfektionismus,
Scham, Depression und Suizid.
Psychodynamischer Ablauf bei sog. erfolgreichen
Männern (Wolfersdorf 2009,2010 )
• der eigene Perfektionismus (Selbstbild)
• der vom sozialen Umfeld zugeschriebene und erwartete
Perfektionismus (Fremdbild)
• die Identifikation, bewusst und unbewusst, mit strengen, richtenden
Personen und Normen aus der eigenen Lebensgeschichte
• ein drohender bzw. tatsächlich eingetretener bzw. vermuteter Fehler
• Überzeugung, es führt kein Weg zurück (weder Selbst- noch
Fremdbild sind wiederherstellbar; intentionale Suizidalität nicht
möglich)
• tiefe Hoffnungslosigkeit, dominierend Schamgefühle (Scheitern am
Ichideal)
• Depression, „mental pain“
• Suizidideen, nicht mehr leben können; suizidale Handlung (Flucht,
Selbstvernichtung)
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31
Nemeroff (2005):
Genetic vulnerability and early life stress, major depression
and other stress related disorders )
Genetic
vulnerability
Early adverse
experience
Acute and
chronic
stressors
Persönlichkeit
Akute
Situation Life
event
Forschung
Vulnerable
phenotype
Beschreibungen!
chronic CRH
hyperdrive
Neurobiologie
Serotonin
Noradrenaline
Immunity
Frühere Erlebnisse
daraus entsteht
* Increased sensitivity
to stress
* CRF hyperdrive in
response to stress
* abnormal development
of hippocampus
Major
depressiv
disorder
Vorgabe:
biologische
Vulnerabilität
Klinisches
Bild
anhaltende Stressreaktion
Claes St J, Nemeroff CB (2005). CorticotropinCorticotropin-Releasing Factor (CRF) and Major Depression: Towards an Integration
Integration of
Psychology and Neurobiology in Depression Research. In: Corveleyn
Corveleyn J, Luyten P, Blatt SJ (eds). The Theory and Treatment of
Depression. Leuven University Press, Leuven, pp 227 – 252)
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32
Tabelle :
Therapieziele
• Symptombesserung
• Suizidprophylaxe
• Arbeitsfähigkeit
• Beziehungsfähigkeit
• Rezidiv- und Verschlechterungsprophylaxe
• Veränderung depressiogener
Persönlichkeitsanteile
• Veränderung depressiogener
Lebensbedingungen
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33
Abb. : Wie werden Depressionen heute behandelt :
Akutbehandlung der Depression
Psychotherapie
Biologische Therapien
Soziotherapie
Selbsthilfe
Einzelgespräche,
Einzelpsychotherapie
Antidepressiva,
Lichttherapie
Sozialarbeit
Selbsthilfegruppen für
Depressive
Gruppenpsychotherapie,
Gruppenarbeit
Wachtherapie/
Schlafentzug
Ergotherapie
Psychoedukation für
Angehörige
Selbstsicherheitstraining,
Soziales
Kompetenztraining
Psychiatrische Sport- und
Bewegungstherapie,
Gymnastik
Belastungserprobungen
Selbsthilfe für Angehörige
Aktivitätsgruppen
Elektrokrampftherapie
Rehabilitative
Behandlungsmaßnahmen
Entspannungsverfahren
Leistungserprobung und
Diagnostik
Gestaltungs-/
Kunsttherapie
Gestufte
Wiedereingliederung
Psychoedukation für
Patienten
Begleitung von „place und
train“
ambulante psychiatrische
Pflege
Basis: empathisch-fürsorgliche therapeutisch-pflegerische Beziehung, Aktivierung
und StrukturierungDepression Vorlesung Universität i Bayreuth WS 2012 Prof. Dr.med.Dr.h.c.
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Grundzüge psychotherapeutisch orientierten Umganges mit
Depressiven („Psychotherapeutisches Basisverhalten“)
: Wie gehe ich mit einem depressiv kranken Menschen hilfreich um?
•
Empathische Nähe und Fürsorge
•
Vermittlung von Hoffnung und Krankheitskonzept
•
Entlastung und Förderung von Autonomie
•
Positive Verstärkung nicht-depressiven Erlebens und Handelns
•
Entwicklung von Einsicht in Psychogenese: Situation/Lebensereignis und
Symptomatik sowie Belastbarkeit/“eigener Beitrag“
•
Entwicklung einer Langzeit-Behandlungsstrategie
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Akuttherapie der Depression/ depressiven Episode
•
Akuttherapie * 8 – 12 Monate ab Behandlungsbeginn insgesamt
Akute Depression 4 – 6 Monate, dann
Erhaltungstherapie/Verschlechterungsprophylaxe 6 – 8 Monate
•
Therapieprinzipien
Symptombehandlung, Problem, Konflikt, Belastung, Life event, bezogene
Behandlung, Belastungs-, Leistungserprobung, Stabilisierung,
Verschlechterungsprophylaxe, Rezidivprophylaxe
•
Therapiemethoden
Antidepressiva, Anxiolytika, Hypnotika, atypische Neuroleptika
Psychotherapie, Psychoedukation, Angehörigenarbeit, Ergotherapie,
Leistungsdiagnostik, kognitive Therapie, kreative Therapie, Sport- und
Bewegungstherapie, Soziotherapie, Sozialarbeit,rehabilitative
Behandlungsmaßnahmen, Selbsthilfegruppe, Angehörigenarbeit
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Psychopharmakotherapie der
Depression
Welche Psychopharmaka gibt es speziell
für die Depressionsbehandlung:
Antidepressiva (Domäne der
Symptombehandlung und Rezidivprophylaxe)
Neuroleptika (bei bestimmten Formen)
Anxiolytika
Phasenprophylaktika
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Wie wirken
Antidepressiva?
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Psychotherapie : Gemeinsame Wirkfaktoren bei allen
psychotherapieformen
•
Therapeutische Beziehung „psychotherapeutisches
Basisverhalten im Umgang mit Depression“
1. Empathie = emotionales Verstehen depressiven
Erlebens
2. Fürsorge = Erhaltung/Wiederherstellung normaler
Lebensabläufe (z. B. Tagesstruktur) und
Selbstschädigung (Selbstvernachlässigung,
Suizidalität, „depressive“ Entscheidungen)
3. Aktivierung im Sinne von Anforderung
krankheitsentsprechend, und positive Verstärkung
4. Gemeinsames Krankheits- und Behandlungskonzept
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Methodische Psychotherapie und Depression
Für welche Verfahren ist die Wirksamkeit belegt? Indikationen allgemein
Bei leichten Depressionen ärztliches Gespräch
Bei mittelschweren und schweren Depressionen ist die Kombination von
Psychotherapie und Psychopharmakotherapie geboten
Zugelassene Verfahren
Psychoanalytische Psychotherapie
Psychodynamische Psychotherapie (tiefenpsychologisch)
Kognitive Verhaltenstherapie
Interpersonelle Psychotherapie
Gesprächspsychotherapie (wissenschaftliche klientenzentrierte
Psychotherapie)
Familientherapie
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Langzeittherapie bei Depression
Aspekte
* Klinische
• Langzeittherapie: Psychopharmaka (AD, Rezidiv- und
Verschlechterungsprophylaxe), Rezidivprophylaxe/Phasenprophylaxe
• Langzeitbegleitung: Psychotherapie, Psychoedukation (Angehörige, Patient)
• Erwerbs-/Arbeitsfähigkeit: Beurteilung von Belastbarkeit, Dienstfähigkeit,
gestufte Wiedereingliederung
• Rehabilitation i. e. Sinne (RPK u. ä.) bei chronischer Depression mit deutlicher
„Minus“-Symptomatik (weiter bestehende Reduktion von Antrieb und
Leistungsfähigkeit)
• Situation der Angehörigen, Familien einbeziehen
• Selbsthilfe-Gruppen für Depressive
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Depression ist behandelbar
• Symptombesserung bei erster Depression
70-80 %
• Bei Chronifizierung (Dauer über 2 Jahre)
noch bis zu 50 % Besserung
• Arbeitsfähig wieder ca 60 %
• Beziehungsfähig 100 %
• Wiedererkrankung 3-4 Episoden im Leben
wenn unbehandelt (verschiedene
Schweregrade)
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Modelle stationärer psychiatrisch-psychotherapeutischer
Depressionsbehandlung in Deutschland
•
Behandlung depressiver Patienten in diagnose-gemischten
allgemeinen Akutstationen bzw. Psychotherapiestationen von
Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (Typ
Fachkrankenhaus, Typ Abteilung)
•
Stationsübergreifende Depressionsgruppen (z. B. in Abteilungen)
•
Störungsbezogene Behandlungseinheiten: „Depressionsstationen“
[derzeit ca. 90 DSt in Deutschland, meist am FKH], zunehmend auch
„Altersdepressionsstationen“ in der Gerontopsychiatrie und psychotherapie
•
Störungsbezogene bzw. gemischte Behandlungseinheiten in (akut-)
psychosomatischen Kliniken
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Zum Abschluß
Einen guten Tag –
und achten Sie auf
sich!!!
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