Evidenzbasierte Psychotherapie in der Psychiatrie – Wunsch und

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Evidenzbasierte Psychotherapie in der
Psychiatrie –
Wunsch und Wirklichkeit
Stefan Klingberg
Berlin, 26.06.2014
Prof. Dr. Klingberg
Vieles wünscht sich der Mensch, und doch bedarf er nur
wenig.
Johann Wolfgang Goethe (1749 - 1832),
2
Prof. Dr. Klingberg
Gliederung
●
●
●
●
Evidenzbasierte Leitlinien bei verschiedenen, schweren
psychischen Störungen
Psychotherapeutische Komplexprogramme in in
psychiatrischen Krankenhäusern
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Entspricht die Versorgungsrealität den Ansprüchen der
Evidenzbasierten Medizin?
3
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
Evidenzbasierte psychotherapeutische
Interventionen bei schizophrenen Störungen
Akutphase
Rückfallverhütung
Stabilisierungsphase (~6 Mo)
Stabile Phase
Psychoedukation
KVT zur Rückfallverhütung
Familienintervention/Angehörigengruppe
Funktionelle
Verbesserung
Symptomreduktion
Individ. zu indizieren: Training sozialer Fertigkeiten und kognitive
Remediation
KVT zur Reduktion positiver Symptome
4
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
NICE-Guideline „Schizophrenia“ - Übersicht
Klingberg & Wittorf (2012)
5
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
Update Nice Guideline (2014)
First Episode
• Offer oral antipsychotic medication in conjunction with family intervention and
individual cognitive behavioural therapy. (New recommendation.) [Based on low to
high quality evidence from randomised controlled trials]
Subsequent acute episodes of psychosis or schizophrenia
• Offer oral antipsychotic medication in conjunction with a psychological intervention.
(New recommendation.) [Based on low to high quality evidence from randomised
controlled trials]
• Offer
- Cognitive behavioural therapy to all people with psychosis or schizophrenia
- Family intervention to all families of people with psychosis or schizophrenia who live
with or are in close contact with the service user.
These can be started either during the acute phase or later, including in inpatient
settings.
[Based on low to moderate quality evidence from randomised controlled trials]
Kuipers, E., Yesufu-Udechuku, A., Taylor, C., & Kendall, T. (2014).
Management of psychosis and schizophrenia in adults: summary of
updated NICE guidance. British Medical Journal, 348, g1173. doi:
10.1136/bmj.g1173
6
Bei
Evidenzbasierte
Leitlinien depressiven Episode kann, wenn anzunehmen ist, dass die
3-45 einer leichten
Symptomatik auch ohne aktive Behandlung abklingt, im Sinne einer aktivBei schweren Begleitung
und rezidivierenden
chronischen
Depressionen, Dysthymie
und
abwartenden
zunächst sowie
von einer
depressionsspezifischen
Behandlung
Double Depression
sollte
die Indikation
abgesehen
werden. Hält
die Symptomatik
nachzur
einerKombinationsbehandlung
Kontrolle nach spätestensaus
14
Pharmakotherapie
und
geeigneter
Psychotherapie
vorrangig
vor
einer
alleinigen
Tagen noch an oder hat sie sich verschlechtert, soll mit dem Patienten über die
Psychotherapie
oder Pharmakotherapie
geprüft werden.
Einleitung
einer spezifischen
Therapie entschieden
werden.
0
Prof. Dr. Klingberg
B
Unipolare Depression – NVL/S3-Leitlinie
3- 46
3-40
Studienergebnisse
liefernleichter
Hinweise,
die Compliance
bei einer
medikamentösen
Zur
Behandlung akuter
bis dass
mittelschwerer
depressiver
Episoden
soll eine
Therapie
höher
ist,
wenn
zugleich
auch
eine
Psychotherapie
stattfindet.
Psychotherapie angeboten werden.
Statement
A
3-41
Erhaltungstherapie bzw. Rezidivprophylaxe durch Psychotherapie
Bei akuten schweren Depressionen soll eine Kombinationsbehandlung mit
medikamentöser
und Erhaltungstherapie
Psychotherapie angeboten
werden.
Psychotherapie Therapie
als alleinige
bzw. Rezidivprophylaxe
A
3-42
3-47
Wenn
ein alleiniges
Behandlungsverfahren
in Senkung
Betracht des
gezogen
wird, soll
Zur Stabilisierung
des Therapieerfolgs
sowie zur
Rückfallrisikos
sollbei
im
ambulant
Patienten mit
mittelschweren
bis schweren
Anschluss behandelbaren
an eine Akutbehandlung
eineakuten
angemessene
psychotherapeutische
depressiven
Episoden
eine alleinige Psychotherapie
gleichwertig zu einer alleinigen
Nachbehandlung
(Erhaltungstherapie)
angeboten werden.
medikamentösen Therapie angeboten werden.
Psychotherapie als Teil einer Kombinationsbehandlung
3-43
3-48
Depressive
Patienten mit psychotischen Merkmalen sollten in jedem Falle eine
medikamentöse
Therapie erhalten.
Längerfristige stabilisierende
Psychotherapie (Rezidivprophylaxe) soll Patienten mit
einem erhöhten Risiko für ein Rezidiv angeboten werden.
A
Statement
A
Effektivität von Psychotherapie bei behandlungsresistenter Depression
3-49
Bei therapieresistenter Depression sollte den Patienten eine angemessene Psycho-
B
7
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
Bipolare Störung – S3 Leitlinie
8
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
Zwangsstörung – S3 Leitlinie
9
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
Alkoholabhängigkeit – S2 Leitlinie
●
●
●
●
●
●
●
Motivierende Gesprächsführung (A)
Kognitive Verhaltenstherapie (A)
Soziales Kompetenztraining (A)
Psychoedukation (C)
Psychodynamische Psychotherapie (B)
Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie (C)
Familientherapie (A)
10
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
Additive Effekte von Psychotherapie bei
verschiedenen Störungen
„effective
medication and
psychotherapy are
available for most
psychiatric
disorders“
„their combination
was often
superior“
Huhn, M., Tardy, M., Spineli, L., & et al. (2014). Efficacy of pharmacotherapy
and psychotherapy for adult psychiatric disorders: A systematic overview of
meta-analyses. JAMA Psychiatry. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2014.112
11
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
Helfen die Leitlinien für die Strukturierung
stationärer Versorgung?
●
●
●
Der Weg von konkreten Versorgungsmodellen über
randomisierte klinische Studien und Meta-Analysen zur
Leitlinienempfehlung ist sehr weit.
Stellungnahmen zu Rahmenbedingungen sowie
erforderlicher Frequenz und Intensität von
Psychotherapie sind selten.
Leitlinien helfen daher bislang nur begrenzt für die
Gestaltung von stationär-psychiatrischen
Versorgungskonzepten.
12
Evidenzbasierte Leitlinien
Prof. Dr. Klingberg
S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei
schweren psychischen Erkrankungen“
Diese Empfehlungen implizieren eine erhebliche Veränderung der
Versorgungsstrukturen.
13
Prof. Dr. Klingberg
Gliederung
●
●
●
●
Evidenzbasierte Leitlinien bei verschiedenen, schweren
psychischen Störungen
Psychotherapeutische Komplexprogramme in in
psychiatrischen Krankenhäusern
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Entspricht die Versorgungsrealität den Ansprüchen der
Evidenzbasierten Medizin?
14
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Strukturierte, psychotherapeutische
Komplexbehandlung
●
Affektive Störungen
–
–
●
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Interpersonelle Psychotherapie (IPT)
Borderline Persönlichkeitsstörungen
–
●
Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
Schizophrenie
–
●
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Zwangsstörung
–
●
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Alkoholabhängigkeit mit Komorbidität
–
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
15
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Formale Merkmale psychotherapeutischer
Komplexprogramme
●
●
●
●
●
●
●
Kombination von Einzel- und Gruppenpsychotherapie
Gruppenpsychotherapie als standardisierter
Behandlungsbestandteil: 2-4 Sitzungen /Woche
Individualisierung der Behandlung in Einzelgesprächen: 1-2
Sitzungen/Woche.
Nutzung des stationären Settings mit vielen Kurzkontakten
Integration aller an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen
Starke Abhängigkeit von Personalressourcen und durchschnittlichen
Behandlungsdauern.
Kritisch: aufwändige Verfahren wie Expositionsbehandlungen
16
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Aufwand für psychotherapeutische
Komplexprogramme
●
Erforderliche Kontaktzeiten
–
–
–
–
–
●
Interdisziplinäre Fallbesprechung/Supervision
–
●
●
●
1-2 Einzelgespräche (25 min): 50 min
4 Gruppenpsychotherapiesitzungen (50min): 200 min
Familiengespräche (14-tägig, 50 min): 25 min
Täglich Kurzkontakte (5 min): 25 min
Summe: 300 min/5 Zeitstunden
30 min /Woche
Organisation: Termine, Räume, Material...
Dokumentation: gefühlte Unendlichkeit
Einzelgespräche als Stellschraube bei
Personalengpässen/Krankheit/Urlaub...
17
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Evidenzbasierte psychotherapeutische
Interventionen bei schizophrenen Störungen
Akutphase
Rückfallverhütung
Stabilisierungsphase (~6 Mo)
Stabile Phase
Psychoedukation
KVT zur Rückfallverhütung
Familienintervention/Angehörigengruppe
Funktionelle
Verbesserung
Symptomreduktion
Individ. zu indizieren: Training sozialer Fertigkeiten und kognitive
Remediation
KVT zur Reduktion positiver Symptome
18
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Psychotherapeutische Behandlung schizophrener
Störungen – Tübinger Behandlungsprogramm
Behandlungsphase
Dauer
Stat. Akutbehandlung
Nach
Bedarf
Stationäre
Stabilisierungsphase
Konzipiert auf
Ambulante
Behandlung
8
Wochen
–
Abweichung
möglich, z.B.
TK oder
Nachstationäre
Behandlung
1 Jahr
Patienten
Angehörige
• Einzelgespräche (1/Woche)
• Psychoedukation (16x)
• Sozial-emotionales Training
(16x, Kommunikation,
Emotionswahr-nehmung in
standardisierten Situationen)
• Sozialtherapeutische Gruppe (8x,
Fertigkeitentraining zu Arbeit,
Wohnen, Freizeit)
Zu Beginn und Ende:
Familien-gespräch
Kognitiv-verhaltenstherapeutische
Gruppentherapie mit Problemlösetraining für individuelle Situationen
Angebot der
Teilnahme an einer
offenen
Angehörigengruppe
Angehörigengruppe
(4x, analog zu
Psychoedukation der
Patienten)
19
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Rückfallverhütung in der Routineversorgung
Klingberg et al. 2009, Acta Psych Scand
20
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Vergleich von methodologischen Aspekten von
Pharmako- und Psychotherapiestudien
21
Psychotherapeutische Komplexprogramme
Prof. Dr. Klingberg
Versorgungsrelevante Psychotherapieforschung ist massiv unterfinanziert
●
●
●
Pharmaforschung wird über den Medikamentenpreis
subventioniert
Psychotherapieforschung ist auf öffentliche
Forschungsförderung angewiesen
Strukturen für eine kontinuierliche Forschungsförderung
fehlen.
22
Prof. Dr. Klingberg
Gliederung
●
●
●
●
Evidenzbasierte Leitlinien bei verschiedenen, schweren
psychischen Störungen
Psychotherapeutische Komplexprogramme in in
psychiatrischen Krankenhäusern
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Entspricht die Versorgungsrealität den Ansprüchen der
Evidenzbasierten Medizin?
23
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
Eindrücke zur Versorgungsrealität
●
Mir sind keine systematisch erhobenen Informationen
über den einzelfallbezogenen Umfang
psychotherapeutischer Versorgung im stationärpsychiatrischen Kontext bekannt.
●
Aus den bisherigen Informationen zum PEPP: die
Schwelle für eine psychotherapeutische
Komplexbehandlung scheint nur selten überschritten zu
werden.
24
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
Wirklichkeit der stationären psychotherapeutischen
Versorgung bei Schizophrenien?
Rummel-Kluge et al. (2006): Befragung von Kliniken
●
–
nur 21% der stationär behandelten Patienten und 2% der
Angehörigen können an Psychoedukation teilnehmen.
BPtK-Studie (2014):
●
–
60% der Antwortenden halten die Intensität der Psychotherapie
bei Patienten mit Schizophrenien für unzureichend.
25
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
Das Leitbild der psychiatrischen Behandlung
von Psychosen?
Antipsychotika seien
- unverzichtbar für
Rehabilitation, Positiv- und
Negativsymptomatik
- die Basis für jede andere
Therapie
- Psychotherapie ist optional
- Der Weg ist weit
- Es droht ein Abgrund
Aus: Möller, Laux, Deister, Psychiatrie und
Psychotherapie, Stuttgart 2005
26
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
Psychosen-Psychotherapie in
Patienteninformationen: ein Beispiel
Psychotherapie wird erwähnt als Kunstfehler, sonst nicht
Psychotherapeutische Interventionen erscheinen beliebig
Aus der Patienteninformation eines süddeutschen psychiatrischen
Krankenhausverbundes
27
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
IV-Vertrag AOK Rheinland/Hamburg 2010
Präambel:
●
–
–
„soll … eine leitliniengerechte ambulante Langzeitbehandlung
sichergestellt“ werden
„kommt dabei der psychoedukativen Intervention als essentieller
Bestandteil der Therapie eine wesentliche Rolle zu“
Versorgungselemente
●
–
–
–
–
Psychoedukation
Shared decision making
Adhärenzförderung
Strukturierte Therapiezielplanung
Ausschließlich beteiligt: Fachärzte für Psychiatrie
Leistungsbeschreibung Psychoedukation
●
●
–
–
„Gruppenedukation“: 4 x 20 €
Erarbeitung und follow-up von Frühwarnzeichen: 4X 5 €
28
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
Berliner Studie zur ambulanten Versorgung
von Patienten mit psychotischen Störungen
●
●
Görgen & Engler (2005) Ambulante psychotherapeutische Versorgung von
psychosekranken Menschen sowie älteren Menschen in Berlin
Psychotherapeuten
sind kaum an der
ambulanten
Versorgung
psychotischer
Patienten beteiligt.
In der
psychiatrischen
Praxis steht für
Psychotherapie kaum
Zeit zur Verfügung
29
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
Zugangswege zur ambulanten
psychotherapeutischen Behandlung
30
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
Qualität der Kooperationen
Schlussfolgerung: Kooperationsstrukturen sind entscheidend
31
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Prof. Dr. Klingberg
www.ddpp.eu
32
Prof. Dr. Klingberg
Gliederung
●
●
●
●
Evidenzbasierte Leitlinien bei verschiedenen, schweren
psychischen Störungen
Psychotherapeutische Komplexprogramme in in
psychiatrischen Krankenhäusern
Eindrücke zur Versorgungsrealität
Entspricht die Versorgungsrealität den Ansprüchen der
Evidenzbasierten Medizin?
33
Evidenzbasierte Psychotherapie?
Prof. Dr. Klingberg
Evidenzbasierte Medizin
●
●
Evidenzbasierte Medizin (EbM) ist der gewissenhafte,
ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der
gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen
Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen
Versorgung individueller Patienten.
Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller
klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen
Evidenz aus systematischer Forschung.
Wir haben kein Evidenzproblem: Psychotherapie ist ein nachgewiesen
wirksamer Bestandteil der Behandlung schwerer psychischer Störungen und
wird in Leitlinien eindeutig empfohlen
Glossar der AWMF
34
Evidenzbasierte Psychotherapie?
Prof. Dr. Klingberg
Entspricht die Versorgungsrealität den
Ansprüchen der Evidenzbasierten Medizin?
●
●
●
●
●
Aufgrund fehlender Daten zur Versorgungsrealität ist diese Frage
nicht sicher zu beantworten.
Auf der Basis der S3-Leitlinien wurden zu nahezu allen relevanten
Störungen psychotherapeutische Komplexprogramme für die
stationäre Behandlung entwickelt
Diese Programme erfordern den Einsatz von ausreichenden
Personalressourcen.
Indirekte Hinweise sprechen dafür, dass der in Leitlinien formulierte
Anspruch in den gegebenen Rahmenbedingungen oft nicht
eingelöst werden kann.
=> wir haben ein Implementierungsproblem
35
Evidenzbasierte Psychotherapie?
Prof. Dr. Klingberg
Nachdenkliche Fragen zum Schluss
●
Werden unsere S3-Leitlinien nicht hinreichend
umgesetzt, weil
–
–
–
–
–
●
sie zu wenig präzise sind?
die finanziellen Ressourcen nicht reichen?
relevante Interessen nicht berücksichtigt werden?
die Empfehlungen nicht wirklich akzeptiert werden?
Institutionen Änderungsresistent sind?
Brauchen wir
–
–
–
–
Bessere Leitlinien?
Inhaltliches Umdenken?
Mehr Geld im stationären Sektor?
Eine andere Verteilung des Geldes im stationären Sektor?
36
Prof. Dr. Klingberg
Danke für‘s
Zuhören!
37
Prof. Dr. Klingberg
Danke für‘s
Zuhören!
38
Prof. Dr. Klingberg
Leitlinien
●
●
●
Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich
begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen für die
angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen
gesundheitlichen Problemen.
Leitlinien stellen den nach einem definierten, transparent gemachten
Vorgehen erzielten Konsens mehrerer Experten aus
unterschiedlichen Fachbereichen und Arbeitsgruppen (möglichst
unter Einbeziehung von Patienten) zu bestimmten ärztlichen
Vorgehensweisen dar.
Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und
Entscheidungskorridoren", von denen in begründeten Fällen
abgewichen werden kann oder sogar muss.
Wenn das alles stimmt, wie kommt es, dass wir ein
Implementierungsproblem haben?
Glossar der AWMF
39
Implementierungsproblem
Psychotherapie-Richtlinien
Prof. Dr. Klingberg
§22: Indikationen zur Anwendung von
Psychotherapie
(2) Psychotherapie kann neben oder nach einer somatisch
Maßnahmen:
BPTK und
haben
sich an
ärztlichen Behandlung
vonDDPP
Krankheiten
oder deren
Auswirkungen
angewandt
werden,
wenn psychische
den GBA
gewandt
und eine
Überprüfung
der
Faktoren einen wesentlichen pathogenetischen Anteil daran
Psychotherapie-Richtlinien
in diesem Punkt
haben und sich ein Ansatz für die Anwendung von
angeregt.
Psychotherapie bietet; Indikationen hierfür können nur sein:
1. Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten nach
vorangegangener Entgiftungsbehandlung, das heißt im
Stadium der Entwöhnung unter Abstinenz.
2. Seelische Krankheit auf Grund frühkindlicher emotionaler
Mangelzustände oder tiefgreifender Entwicklungsstörungen,
in Ausnahmefällen auch seelische Krankheiten, die im
Zusammenhang mit frühkindlichen körperlichen
Schädigungen oder Missbildungen stehen.
3. Seelische Krankheit als Folge schwerer chronischer
Krankheitsverläufe.
4. Psychische Begleit-, Folge- oder Residualsymptomatik
psychotischer Erkrankungen.
=> Die Diagnose „Schizophrenie“ begründet
die Psychotherapieindikation. Die Einschränkungen von §22 (2) sind nicht gerechtfertigt.
● „kognitive
Modelle“ =
psychische
Faktoren sind
wissenschaftlich
etabliert
● Wirksamkeit ist für
die
Kernsymptomatik
und die
Rückfallverhütung
nachgewiesen
● Selbst bei
Ablehnung der
Medikation ist
Psychotherapie
eine Option
40
Prof. Dr. Klingberg
●
●
●
Was in den Leitlinien steht sollte auch umgesetzt
werden.
Stimmt das? Ist das durch die bestehenden Strukturen
gedeckt?
Wir haben kein Evidenzproblem, sondern ein
Implementierungsproblem
41
Prof. Dr. Klingberg
Wissenschaft/Berufsrecht/Sozialrecht
Evidenzbasis
Randomisierte Klinische Studien
Meta-Analysen
Gremium
Leitlinien-AG und
Fachgesellschaften
Gemeinsamer
Bundesausschuss
Wiss. Beirat
Psychotherapie
Dokument
Evidenzbasierte
Leitlinie
PsychotherapieRichtlinie
Gutachten/Stellung
nahmen
Relevanz
???
Versorgung allg.
Ambulante
Psychotherapie
Ausbildung
Psychol.
Psychotherapeuten
42
Prof. Dr. Klingberg
Huhn, M., Tardy, M., Spineli, L., & et al. (2014). Efficacy of pharmacotherapy
and psychotherapy for adult psychiatric disorders: A systematic overview of
meta-analyses. JAMA Psychiatry. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2014.112
43
Prof. Dr. Klingberg
• Unser Versorgungssystem weist wenig Steuerungsmöglichkeiten zur
Leitlinienimplementierung auf.
• „Evidence based psychotherapy“ ist zwar formuliert, aber nicht
implementiert
• Wozu brauchen wir Leitlinien, wenn sich keiner dafür interessiert?
• Auch in den neuen IV-Verträgen spielen die Leitlinien offenkundig eine
nachrangige Rolle.
• Hier besteht Handlungsbedarf.
44
Prof. Dr. Klingberg
Gesamtbehandlungsplan
●
(94) Good Clinical Practice.
●
Die Erarbeitung eines Gesamtbehandlungsplans, der die
medizinische und psychiatrische Intervention
einschließlich Medikation, psychotherapeutischer und
soziotherapeutischer Maßnahmen umfasst, und für
Krisenintervention bei drohenden Rückfällen Vorsorge
trifft, ist erforderlich. Im Rahmen dieses Plans sind die
Kontakte zu Angehörigen und gesetzlichen Betreuern zu
berücksichtigen und für die Rehabilitation des Kranken
Vorkehrungen zu treffen.
●
Quelle: S3-Leitline Schizophrenie
45
Prof. Dr. Klingberg
Huhn, M., Tardy, M., Spineli, L., & et al. (2014). Efficacy of pharmacotherapy
and psychotherapy for adult psychiatric disorders: A systematic overview of
meta-analyses. JAMA Psychiatry. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2014.112
46
Implementierungsproblem
Prof. Dr. Klingberg
Maßnahmen: Beiträge kommentieren und
richtig stellen
Diese Bedeutung der Psychotherapie bei Psychosen ist hier nicht
zeitgemäß dargestellt. Wie kann die Kenntnis der Leitlinien bei
Fachkollegen verbessert werden?
Schramm & Berger, 2011, Nervenarzt, 82:1414-1424
47
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