Fachtagung „Komorbide Störungen in der Suchtkrankenbehandlung“, Fachklinik Wilhelmsheim,18. Oktober 2006 Früherkennung und Frühintervention bei schizophrenen Störungen K. Maurer, F. Hörrmann, H. Häfner Arbeitsgruppe Schizophrenieforschung, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, in Zusammenarbeit mit dem Kompetenznetz Schizophrenie, Projektverbund I und den Psychiatrischen Universitätskliniken Bonn (Prof. Maier), Düsseldorf (Prof. Gaebel), Köln (Prof. Klosterkötter), München (Prof. Möller) Zeitliche Abfolge von Alkoholmissbrauch und Beginn der ersten Anzeichen einer psychischen Erkrankung Alkoholmissbrauch vor den ersten Anzeichen Alkoholmissbrauch nach den ersten Anzeichen Gleichzeitig (gleicher Monat) % 40 30 18.2% 23.7% 9.1% 27.3% 21.8% 20 10 0 Jahre >5 5 4 3 2 1 1 2 3 Kumulativ: 32.7% 4 5 >5 Kumulativ: 49.1% 20 % 15 18.2% 7.3% 10 9.1% 5 0 Monate 12 9 6 3 1 0 1 3 6 9 12 Die Vorphasen der Schizophrenie: vom ersten Zeichen der Erkrankung bis zur Erstaufnahme N = 232; (108 Männer, 124 Frauen) DUI DUP Prodromalphase Alter 29.0 24.2 Zeitspanne Psychotische Vorphase 5.0 Jahre 30.1 30.3 1.1 Jahre 0.2 Jahre positive Symptome negative Symptome erstes (negatives oder unspezifisches) Zeichen einer psychischen Störung Erstes positives Symptom Maximum positiver ErsthospitaSymptome lisation Schizophrenie ABStudie C Problemlösung: Risikoanreicherung durch sequentielles Screening 2. Hausarzt, 3. Checkliste Psychologe als Screening 4. Psychoserisiko u. Indikation für Frühintervention Population 1. individuelles Hilfesuchverhalten Zeitliche Abfolge von Risikofaktoren und Frühphasen der Schizophrenie und Zeitintervalle für Früherkennung und Frühintervention Schwanger- Beginn schafts- und Alkohol und psychotischer GeburtskomDrogenSymptome plikationen Verzögerung konsum und Störung Erste genetisches Beginn der der stationäre Risiko Prodromalkindlichen Aufnahme symptome Entwicklung Zeit Früherkennung Frühintervention ca. 5 Jahre; ca. 1 Jahr 1. Struktur / Komponenten des ERIraos Checkliste 1.1 Interview 1.2 Fragebogen 2. Symptomliste zur Früherkennung mit integriertem Schema zur Verlaufsmessung 3. Module 4. Assoziierte Instrumente 4.1 4.2 5. 3.1 Medikation 3.2 Drogenkonsum 3.3 Delinquenz 3.4 Beurteilung von Alltagssituationen (Fragebogen in Anlehnung an 14 Items der Studie von Malmberg et al. 1998) 3.5 Familiäre Belastung (= Item 20 des IRAOS) Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen (in Anlehnung an die OCS von Murray & Lewis, 1987) Verzögerungen oder Auffälligkeiten in der kindlichen Entwicklung (in Anlehnung an die PAS für Eltern; Cannon-Spoor et al. 1982) Manual Anzahl Patienten Psychosefernes (n=127) und psychosenahes Prodrom (n=109) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 47 46 30 Bonn: n = 77 43 Düsseldorf: n = 31 Köln: n = 89 München: n = 39 23 18 16 13 Bonn Düsseldorf Projekt 1.1.2 Köln Projekt 1.1.3 München C he c k l i s t e E R I In den Sie zu? vergangenen 6 Monaten? Early Recognition Inventory Bitte 12 Sie haben zunehmend den Eindruck, daß bestimmte Vorkommnisse im Alltag (z.B. Hinweise und Botschaften aus Ihrer Umwelt) mit Ihnen persönlich zu tun haben oder nur für Sie bestimmt sind. q 13 Ihre gewohnte Umgebung kommt Ihnen manchmal unwirklich oder fremdartig vor (z.B. besonders eindrucksvoll, ergreifend, bedrohlich). q Fragebogen- KENNEN SIE DAS AUCH ? Hier finden Sie Beschreibungen verschiedener Schwierigkeiten, welche die seelische Gesundheit belasten können. Bitte füllen Sie die Checkliste ERI aus! überprüfen Sie bei den folgenden Aussagen 14-17, ob diese schon B Bitte irgendwann einmal im Leben auf Sie zugetroffen haben! Sie können die Checkliste ERI auch für einen Ihnen nahestehenden Menschen mitnehmen, von dem Sie annehmen, daß er von solchen Schwierigkeiten betroffen ist und möglicherweise Unterstützung benötigt. A Ja, trifft auf ankreuzen Bitte überprüfen Sie bei den folgenden Aussagen 1-13, ob diese in den vergangenen 6 Monaten auf Sie zugetroffen haben! 14 Sie nehmen Geräusche oder Farben in Ihrer Umwelt ungewohnt intensiv oder deutlich wahr. Manchmal erscheinen Ihnen Dinge oder Menschen äußerlich z.B. in ihrer Form oder Größe verändert. q Ja, trifft auf Sie zu? Bitte ankreuzen! 1 Sie sind schweigsamer geworden und ziehen sich lieber zurück, als mit anderen etwas zu unternehmen. q 15 Ihre Gedanken werden manchmal plötzlich von anderen Gedanken unterbrochen oder gestört. q 2 Sie sind eher unsicher oder schüchtern anderen gegenüber. q 16 Sie fühlen sich phasenweise ganz besonders beobachtet, verfolgt oder durch etwas bedroht. q 3 Ihre Stimmung war über Wochen hinweg eher bedrückt, traurig oder verzweifelt. q 17 Sie sehen, hören, schmecken oder riechen manchmal Dinge, die andere nicht bemerken können. q 4 Sie schlafen schlechter als gewöhnlich - z.B. haben Sie Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen oder wachen früher auf als sonst oder Sie essen mit viel mehr oder mit viel weniger Appetit als normalerweise. q Auswertung 5 Ihre Bewegungen, Ihr Denken und Sprechen sind merklich langsamer geworden. q 6 Ihre Ausdauer und Motivation in Schule, Ausbildung oder Arbeit und bei Freizeitunternehmungen hat auffällig nachgelassen. q 7 Sie achten weniger als früher auf Ihre persönlichen Bedürfnisse oder Ihre Gesundheit, Ernährung, Körperhygiene, Kleidung, Ordnung im persönlichen Wohnbereich. q Ihre Kreuzchen befinden sich ausschließlich in Teil A?: Sie haben dort mindestens 3 Kreuzchen bei den Aussagen 1-13 gesetzt? q 8 Sie sind häufig nervös, unruhig oder angespannt. 9 Sie haben im Vergleich zu früher häufiger Streit und Diskussionen mit Angehörigen, Freunden oder anderen Personen. q 10 Ihre Gedanken geraten in Ihrem Kopf manchmal durcheinander. q q* Ihre Kreuzchen befinden sich ausschließlich in Teil B?: Sie haben dort beide Aussagen 14 und 15 angekreuzt oder mindestens eine Aussage 16 oder 17? q* * Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf - wir informieren und beraten Sie gerne vertraulich! Je früher man sich informiert, desto einfacher lassen sich Schwierigkeiten beheben! Senden Sie bitte diesen Fragebogen ausgefüllt und mit Ihrem Absender versehen an folgende Adresse - oder rufen Sie uns an. Stempel Ihr Absender Name: Geburtstag: Straße: PLZ/ Wohnort: Telefon: E-Mail: 11 Sie haben häufiger als früher den Eindruck, daß andere Sie hereinlegen, ausnutzen oder betrügen wollen. q* Ihre Kreuzchen befinden sich sowohl in Teil A als auch in Teil B?: Sie haben dort mindestens 1 Kreuzchen bei den Aussagen 1-13 gesetzt und außerdem mindestens 1 Kreuzchen bei den Aussagen 14-17? q Auf der Rückseite finden Sie weitere Aussagen und Informationen zur Auswertung! Häufigkeiten der ERIraos Checklist-Symptome in der Prodromalgruppe und in der APS/BLIPS-Gruppe 90 80 70 * APS / BLIPS ** 60 * 50 *** *** *** 40 *** * *** 30 20 Prodromal 10 0 1 2 3 4 1 sozialer Rückzug 2 Schüchtern / befangen 3 Depressive Stimmung 4 Störung der Körperfunktionen 5 Gefühl der Verlangsamung 6 Arbeitsverhalten 5 6 7 8 9 10 11 12 7 (Selbst-) Vernachlässigung 8 Anspannung / Nervosität / Unruhe 9 Reizbarkeit 10 Gedankendrängen / Gedankenrasen 11 Misstrauen 13 14 15 16 17 12 Eigenbziehungstendenz 13 Derealisation 14 Wahrnehmungsveränderungen 15 Gedankeninterferenz 16 Verfolgungsideen 17 Halluzinationen Sensitivität und Spezifität der Checklist- Symptome Frühinterventionsgruppe: n = 236 Halluzinationen Verfolgungsideen Gedankeninterferenz Wahrnehmungsveränderungen Derealisation Eigenbeziehungstendenz Misstrauen Gedankendrängen, -jagen Reizbarkeit Anspannung, Nervosität Selbstvernachlässigung Arbeitsverhalten Gefühl der Verlangsamung Störung der Körperfunktionen depressive Stimmung Schüchternheit/Befangenheit sozialer Rückzug *** ** *** 1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 Wahrscheinlichkeiten 0,2 0,1 0 Sensitivität Spezifität Logistische Regression: Method = Forward Stepwise (Wald): einzige Variable in der Gleichung: Item 11: Misstrauen Exp( B)=5,40; Wald = 11,98; p<.001 ERIraos Symptomliste: die 10 häufigsten Symptome Frühinterventionsgruppe: n = 236 100 90 80 70 60 % 50 40 30 20 10 0 Keine sign. Zusammen-hänge mit Kriterium „Übergang in die Psychose“ 1 2 3 4 1 Depressive Stimmung 2 Sorgen über psych. Funktionen 3 Anspannung, Unruhe 4 Sorgen 5 Energieverlust 5 6 7 8 9 10 6 Konzentrationsstörung 7 Freudeverlust 8 Störung des Arbeitsverhaltens 9 Unlustgefühl 10 Verminderte Stresstoleranz ERIraos Symptomliste: Dauer der 10 frühesten Symptome Frühinterventionsgruppe: n = 236 (seltene Symptome mit n 10 ausgeschlossen) Freiflottierende Angst Anspannung, Unruhe, Nervosität Sorgen Innerer Druck Zwangsgedanken. Zwangsgrübeln Beschäftigung mit geheimnisvollen Dingen Depressive Simmung Phobien Überzogene Selbsteinschätzung Zwangshandlungen 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Jahre P < .02 o p < .10 * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Sensitivität und Spezifität der unspezifischen Symptome der ERIraos-Symptomliste o 102 motor Auffälligkeiten 47 Grübeln *** o 44 soziale Angst o 43 Panik o 37 St d Kontaktfähigkeit o 34 Misstrauen 28 Appetitseigerung * ** 27 Früherwachen 13 gest. sex. Interesse * 12 Hyperaktivität * 1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 Wahrscheinlichkeiten 0,3 0,2 0,1 0 Sensitivität Spezifität Frühinterventionsgruppe: n = 236 o p < .10 * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Sensitivität und Spezifität der Verhaltensitems der Symptomliste 110.2 Selbstbezogenheit * 109.2 bizarre Erscheinung ** o 109.1 Selbstvernachlässigung * 107.6 motorische Verlangsamung o 107.5 ungew sparsame Gestik 107.3 unmodulierte Stimme * 107.1 verminderte Mimik * 106.6 Affektverarmung * 1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 Wahrscheinlichkeiten 0,2 0,1 0 Sensitivität Spezifität Frühinterventionsgruppe: n = 236 Sensitivität und Spezifität der (attenuiert) psychotischen Symptome (BLIPS) o p < .10 * p < .05 ** p < .01 *** p < .001 * * o o olfakt gustat Wahrnehungsveränd * ** o Wahnvorst hypochondr Inhalt * * * *** * * o * überwertige Idee 1,1 akust Halluz Geräusche opt Halluz ungeformt Lichtüberempfindlichkeit Derealistion überzogene Selbsteinschätzung 1 Besch m geheimnisvollen Dingen wahnh Beziehungssetzung Beziehungsideen Eigenbeziehungstendenz Diskrimination Wahrn-Vorstellung Gedankenlautwerden St. der Symbolerfassung 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 Wahrscheinlichkeiten 0,2 0,1 0 Sensitivität Spezifität Frühinterventionsgruppe: n = 236 Sensitivität und Spezifität der 1.1.3 Kriterien: BLIPS und APS Frühinterventionsgruppe: n = 236 mit attenuiert psychot. Symptom P < .04 OR = 2,50 mit BLIPS OR = 2,94 p < .008 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 Wahrscheinlichkeiten 0,3 0,2 0,1 0 Sensitivität Spezifität Checkliste ERIraos Ea rly R eco gnition Inven tory Kodierblatt SYMPTOM Vorhandensein des jeweiligen Symptoms in den letzten 12 Monaten ja oder nein ankreuzen, JA Teil A 01 sozialer Rückzug 02 Depressive Stimmung 03 Reduktion der Körperfunktionen 04 Verlangsamung der Bewegungen; Reduktion von Energie, Affekt Reduktion von Motivation und Leistung 05 Teil B 06 Grübeln 07 Störung der Kontaktfähigkeit 08 Absonderliches Verhalten 09 Misstrauen 10 manische und dysphorische Symptome 11 Derealisation und Depersonalisation 12 Beschäftigung mit geheimnisvollen Dingen 13 präpsychotische und psychotische Denkstörungen Teil C 14 15 Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen Beziehungsideen und paranoide Symptome NEIN Verlauf 1 2 3 4 Prozentuale Häufigkeit weiterer Risikofaktoren in den Frühinterventionsgruppen (n = 236 Patienten) 100 80 60 % 40 20 0 A B C D E Risikofaktor A Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen B Delinquenz C Alkohol- und Drogenkonsum D Alltagsituationen n. Malmberg E Familiäre Belastung F Auffälligkeiten in frühkindl. Entwicklung F 0 1 2 3 4 5 Anzahl Risikofaktoren 0 kein weiteres Risiko 1 ein weiterer Risikofaktor 2 zwei weitere Faktoren 3 drei Faktoren 4 vier Faktoren 5 fünf oder sechs Faktoren Mit ERIraos-Modulen erfasste Risikofaktoren: Übergänge in Teilgruppen mit und ohne jeweiligem Risikofaktor und zugehörige Odds Ratios Alkohol und Drogen Schwangerschafts- u. Geburtskomplikationen Delinquenz schizotype Merkmale (4 krit. Malmbergitems) familiäre Belastung frühkindliche Entwicklungsstörung > 1 Risikofaktor Prozentanteile für Übergang in die Psychose ohne mit RisikoRisiko1) faktor faktor2) 14,9 12,2 14,5 10,6 Signifikanz von chi2 Odds Ratio n.s. n.s. 0,79 0,70 15,2 8,5 6,0 15,1 .09 n.s. 0,36 1,92 13,2 14,0 16,7 14,3 n.s. n.s. 1,31 1,02 11,1 14,8 n.s. 1,39 1) Negativer Prognosewert = 1 – p(ohne Risikofaktor) 2) Positiver Prognosewert = p(mit Risikofaktor) Das Mannheimer KNS-Team Leitung: Prof. H. Häfner Dr. K. Maurer Wissenschaftliche Mitarbeiter: Dipl.-Psych. F. Hörrmann Dipl.-Psych. G. Trendler (bis 30.6.2005) Dipl.-Psych. M. Schmidt (bis 30.6.2005) Studentische Hilfskräfte: Sina Witzisk (bis 31.3.2006) Franziska Rausch (bis 31.3.2006)