Prof. Dr. Wolfgang Hiller Stichworte aus den gezeigten Folien zur Vorlesung Klinische Psychologie II Thema: Schizophrenie-Spektrum und andere psychotische Störungen I Schizophrenie: Mögliche Symptome und klinische Kennzeichen - zerfahren, inkohärent - Verlust der Realitätskontrolle - Halluzinationen - Wahnvorstellungen - ungewöhnliche Assoziationen - unangemessener Affekt - sozialer Rückzug - Mutismus - Stimmenhören - Gedankenabreißen, ~ eingebung, ~ ausbreitung, ~ lautwerden - Verfolgungsideen - katatone Unbeweglichkeit - „gemachte” Gefühle und Handlungen - Begriffszerfall, Neologismen - Erregungszustände - Ambivalenz - Sprachverarmung Berühmtes Beispiel einer Schizophrenie John F. Nash jr., erhielt den Nobelpreis für Mathematik 1994 Lebensgeschichte dargestellt im Hollywoodfilm „A Beautiful Mind“ (2001) Hauptmerkmale der Schizophrenie Störung der gesamten Person auf vielen Ebenen: massive Beeinträchtigungen des Denkens, Fühlens, Wahrnehmens und Handelns Gemeinsames Merkmal: drastischer Abfall des psychosozialen Funktionsniveaus (Schule/Beruf, Freundschaften, Selbstversorgung) im frühen oder mittleren Erwachsenenalter, ohne dass hierfür gravierende Ursachen zu finden sind (z.B. traumatische Erlebnisse, Gehirnverletzung) Leitsymptome: keine Symptome oder Syndrome werden als zwingend spezifisch oder notwendig für die Diagnose angesehen; am häufigsten sind Wahngedanken (bei ~ 75% aller Pat., oft aber nur zeitweilig) Positiv- vs. Negativsymptomatik: allgemein akzeptierte Differenzierung zwischen produktiven Symptomen (psychische Funktion ist gesteigert oder verzerrt) und defizitären Symptomen Positive und negative Symptome Positiv: Denkstörungen; Wahrnehmungsstörungen; schwere psychomotorische (katatone) Symptome oder bizarres Ausdrucksverhalten Negativ: emotionale Verflachung/ Affektverarmung; Kontaktmangel, sozialer Rückzug, Aktivitätsminderung; Antriebsarmut/ Initiativemangel, Interessenverlust, sprachliche Verarmung Prodromal-, akute und residuale Phasen Prodromalphase: Absinken des Leistungsniveaus, Rückzug, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Kommunikation erschwert Akute (floride) Phase: Positivsymptome Residualphase: überwiegend Negativsymptome, soziale Zurückgezogenheit, emotionale Verflachung, Antriebsarmut, Interessensverlust, sprachliche Verarmung -2 Historische Entwicklung des Schizophrenie-Konzepts Diagnose/ Definition geprägt durch die Psychiater Emil Kraepelin (1896: “Dementia praecox”), Eugen Bleuler (1911: “Gruppe der Schizophrenien”) und Kurt Schneider (1946) nach Bleuler 2 Symptombereiche; Grundsymptome: Denken, Affektivität und Antrieb, Ambivalenz, Autismus; akzessorische Symptome (d.h. nicht obligatorisch): Wahn, Halluzinationen, katatone Störungen nach Kurt Schneider Symptome 1. Ranges: Stimmenhören, Illusionen, Gedankenentzug, -eingebung, ausbreitung, -lautwerden, Beeinflussungserlebnisse, gemachte Körpererlebnisse; Symptome 2. Ranges: sonstige Halluzinationen, einfache Wahnphänomene und Wahneinfälle, einfache Eigenbeziehung neuere Definitionen nach DSM-5 und ICD-10 Unterschiede zwischen dem Schizophrenie-Konzept in New York und dem in Großbritannien Das britische Konzept ist enger als das in New York, es überlappt sich nicht mit anderen Störungen (US-UK Cross National Project; nach Cooper et al. 1972) -3 Diagnostische Kriterien der Schizophrenie (stichwortartig) (DSM-5: F20.9) C Mindestens 2 Symptome aus (1) - (5) [darunter (1), (2) oder (3)]: (1) Wahn (2) Halluzinationen (3) Desorganisierte Sprechweise (4) Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten (5) Negativsymptome Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus (wie Arbeit, zwischenmenschliche Beziehungen, Selbstfürsorge) Dauer ≥ 6 Monate (ununterbrochen) und Dauer des A-Kriteriums ≥ 1 Monat D E Ausschluss einer schizoaffektiven oder affektiven Störung keine substanzbezogenen oder organischen Ursachen F keine Vorgeschichte einer Autismus-Spektrum- oder Komunikationsstörung mit Beginn im Kindesalter A B Spezifizierung des Längsschnittverlaufs [nur anwendbar, wenn mindestens 1 Jahr seit Beginn der Störung vergangen ist] Erste Episode, akut (aktuell Symptomkriterien erfüllt) Erste Episode, teilremittiert (aktuell Kriterien teilweise erfüllt) Erste Episode, vollremittiert (aktuell keine Symptomatik) Multiple Episoden (akut, teil- oder vollremittiert) Kontinuierlich (Symptome der diagnostischen Kriterien die meiste Zeit vorhanden und Perioden mit subklinischer Symptomatik allenfalls kurz im Vergleich zur Gesamtdauer) Nicht näher bezeichnet Subklassifikation der Schizophrenie ICD-10 paranoide ~ hebephrene ~ katatone ~ undifferenzierte ~ schizophrenes Residuum postschizophrene Depression DSM-5 (2013 beim Übergang von DSM-IV auf DSM-5 aufgegeben) Klassifikation psychotischer Störungen ICD-10 DSM-5 Schizophrenie Schizophrenie Schizophrenia simplex --- Schizophreniforme Störung Vorübergehende akute psychotische Störung Kurze psychotische Störung Schizoaffektive Störung Schizoaffektive Störung Wahnhafte Störung Wahnhafte Störung Schizotype Störung [Schizotypische Persönlichlichkeitsstörung] Andere/nicht näher bezeichnet Andere/nicht näher bezeichnet -4 Diagnostik der Schizophrenie: Unterschiede zwischen DSM-5 und ICD-10 Mindestdauer der Symptomatik: • DSM-5: 6 Monate kontinuierlich (inkl. prodromaler, florider und residualer Episoden) • ICD-10: floride Phase fast ständig mind. 1 Monat lang Differenzialdiagnostische Entscheidungsregeln, falls zusätzlich affektive Syndrome vorliegen: • DSM-5: keine oder nur kurzdauernde affektive Episoden gleichzeitig mit den floriden schizophrenen Symptomen (ansonsten schizoaffektive oder affektive Störung) • ICD-10: keine affektiven Episoden oder Erstauftreten der schizophrenen Symptome vor den affektiven Episoden (ansonsten schizoaffektive oder affektive Störung) dadurch kommt es zu nicht unerheblichen Diskrepanzen abhängig davon, ob die Schizophrenie nach DSM-5 oder ICD-10 diagnostiziert wird; ICD-10-Schizophrenien sind häufiger als DSM-5Schizophrenien, dagegen wird die schizophreniforme Störung nach DSM-5 häufiger diagnostiziert als ihr ICD-10-Äquivalent (vgl. Hiller, W., Dichtl, G., Hecht, H., Hundt, W., von Zerssen, D. (1993). An empirical comparison of diagnoses and reliabilities in ICD-10 and DSM-III-R. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 242, 209-217) Differenzialdiagnose der Schizophrenie: Organisch bedingte oder substanzinduzierte Psychosen Psychotische Störung aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors: z.B. bei Durchblutungsstörungen des Gehirns, Gehirntumoren, Hirnverletzungen, schweren Epilepsien (wie Temporallappenepilepsie), infektiösen Krankheiten (Fieberdelirien, Syphilis), Mangel- und Fehlernährung, Hormonstörungen (Cushing-Syndrom), Vergiftungen (z.B. Kohlenmonoxydvergiftung), degenerativen Erkrankungen (wie Chorea Huntington Substanzinduzierte psychotische Störung: z.B. Amphetamine und Kokain ( Wahnphänomene und Halluzinationen), Phencyclidin ( Mischung aus positiven und negativen Symptomen), Alkoholmissbrauch ( Halluzinationen); manchmal werden psychotische Symptome durch Substanzkonsum aufrechterhalten oder verschlimmert Sinn oder Unsinn?- Das in DSM-5 vorgeschlagene „Psychoserisikosyndrom“ oder „Attenuierte Psychosesyndrom“ A B C D E F Mindestens ein Symptom aus (1) - (3), vorhanden in abgeschwächter Form, bei relativ intakter Realitätsprüfung, von ausreichender Schwere oder Häufigkeit, um klinische Beachtung zu rechtfertigen: (1) Wahn (2) Halluzinationen (3) Desorganisierte Sprechweise Symptome => traten mind. 1x pro Woche während des vergangenen Monats auf Symptome => begannen oder verstärkten sich im vergangenen Jahr Symptome => sind für den Betroffenen so belastend oder beeinträchtigend, dass klinische Beachtung gerechtfertigt ist Symptome => nicht besser erklärbar durch eine andere psychische Störung, die physiologischen Effekte einer Substanz oder einen medizinischen Krankheitsfaktor Kriterien einer anderen psychotischen Störung waren niemals erfüllt Kritik am Psychoserisikosyndrom des amerikanischen Psychiaters Allen Frances (Frances, A.J. (2013). Normal: Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen. Köln, Dumont.) - nur 1 von 10 Personen mit diagnostiziertem PRS entwickeln irgendwann eine Psychose - Abnahme der korrekten Trefferquote in der klinischen Praxis => immer heterogenere Einweisungen - Pharmamarketing erhöht die Salienz bei besorgten Eltern - Zahlreiche Teenager belastet -5 Studie zur Häufigkeit des Psychoserisikosyndroms von Schultze-Lutter et al. (2013) Bevölkerungsrepräsentative Stichprobe des Kantons Bern (N = 1.229) Telefoninterviews, Structured Interview for Psychosis-Risk Syndromes (SIPS) Ergebnisse: Krit. A: 12,9%; Krit. B: 3,8%, Krit. C: 1,1%; Krit. D: 7,0% - nur 0,3% erfüllten alle 4 Kriterien - 2,6%, falls Beginn/Verstärkung im vergangenen Jahr nicht erfüllt sein muss (Krit. C) Die häufigsten 10 Zeichen und Symptome initialer Erkrankungsmanifestation (nach Häfner, 1995) 1. Unruhe 2. Depression 3. Angst 4. Denk- und Konzentrationsstörungen 5. Sorgen 6. mangelndes Selbstvertrauen 7. Energieverlust 8. Verlangsamung/Verschlechterung des Arbeitsverhaltens 9. sozialer Rückzug 10. Misstrauen und Kommunikationsdefiziten Die Zeichen und Symptome traten im Schnitt 5-7 Jahre vor der Ersthospitalisierung auf und waren unabhängig vom weiteren Verlauf Frühwarnzeichen „Hier eine Liste von häufigen Frühwarnzeichen. Welche Stresszeichen sind bei Ihnen vor der letzten Episode aufgetreten?“ • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Angespannt sein, Nervosität Konzentrationsschwierigkeiten Innere Unruhe Veränderungen im Tagesablauf Schlafstörungen Lustlosigkeit Leistungsabfall im Beruf, Haushalt Appetitverlust oder Heißhunger Rückzug von Freunden Persönliche Erscheinung vernachlässigen Körperliche Veränderungen wie Kopfdruck, Schmerzen Gereiztheit, sich über Kleinigkeiten aufregen Schlechte Träume Misstrauen, Zunahme der Angst Zwanghafte Gedanken Sich ohne Grund schlecht fühlen Beeinflussungsgedanken: Andere kontrollieren mich Gedanken an Selbstmord, an Selbstverletzung Alles auf sich beziehen Gedanken daran, andere zu verletzen Mehr Alkohol, Drogen konsumieren Fremdartige Eingebungen haben Fremdartige Wahrnehmungen haben ja nein -6 Epidemiologie der Schizophrenie Lebenszeitprävalenz: etwa 1%; etwa ein Drittel muss stationär behandelt werden; Anteil in psychiatrischen Kliniken 50-70% Soziodemographische Merkmale: Männer und Frauen entwickeln die Störung etwa gleichhäufig; Beginn meist vor dem 30. Lj.; Onsetspitzen bei Männern 20-24 Lj., bei Frauen 25-29 Lj.; Ersterkrankung vor 10. und nach 50. Lj. extrem selten Sozioökonomischer Status: öfters bei niedrigem Sozialstatus in westlichen Ländern ( DownwardDrift vs. Social-Causation-Hypothese) Stadt-Land-Verteilung: Prävalenzraten Großstädte > Kleinstädte > ländliche Gebiete; Kinder von schizophrenen Eltern oder Elternpaaren entwickeln in Großstädten häufiger eine Schizophrenie als in ländlichen Gemeinden ( Hinweis auf soziokulturelle Einflussfaktoren) Kulturelle Unterschiede: keine markanten Unterschiede der Auftretenshäufigkeit; kommt unter allen gesellschaftlichen, ethnischen und ökonomischen Bedingungen vor Verlauf der Schizophrenie diverse Verlaufsmuster: Beginn akut oder langsam einschleichend, Dauer begrenzt (phasenhaft) oder chronisch. Verlaufsformen: 25% nur 1 Phase; 50% mehrere Phasen mit mehr oder weniger ausgeprägten psychosozialen Beeinträchtigungen; 25% chronischer Verlauf; nach 10-20 Jahren kann es zu deutlicher Besserung der Symptomatik und des Wohlbefindens kommen Verlaufsbesonderheiten bei Frauen: milderer Verlauf, bessere Reaktion auf Neuroleptika, manchmal Verschlechterung vor Menstruation oder nach einer Geburt; während Schwangerschaft meistens Besserung Suizidrisiko hoch; etwa 50% aller Betroffenen begehen mindestens 1x im Leben einen Suizidversuch (keine Geschlechtsunterschiede); Follow-up-Studie nach 20 Jahren: 10-15% an Suizid verstorben Hauptrisikofaktoren für Suizid: depressive Symptome, junges Alter, hohes prämorbides Funktionsniveau Die Verlaufsstudien von Häfner und Mitarbeitern Studien von Häfner et al. (z.B. 1995, 1998, 2000) mit Hilfe eines strukturierten Interviews (IRAOS) zur retrospektiven Erfassung von Vorläufersymptomen bei schizophrenen Ersterkrankungen Instrument for the Retrospective Assessment of the Onset of Schizophrenia (IRAOS; Häfner et al. 1998) Messdimensionen Instrumente Prämorbide Anpassung Premorbid Adjustment Scale (PAS) Veränderungen in soziodemographischen Variablen Past History and Sociodemographic Description Schedule (WHO, PHSD) Veränderungen in soziodemographischen Variablen und erste Symptome Psychiatric and Personal History Schedule (WHO, PPHS) Soziale Behinderung Disability Assessment Schedule (WHO, DAS-M) Prodromi Bonn Scale for the Assessment of Basic Symptoms (BSABS) Psychopathologie Present State Examination (PSE) Negativsymptome Scale for the Assessment of Negative Symptoms (SANS) -7 Studie zu Dauer und Form des Frühverlaufs (nach Häfner, 2000) • Art des Erkrankungsbeginns: bei 40% schleichende Entwicklungsverläufe mit Negativsymptomen im Vordergrund (bei jeglichem Fehlen von initialen Positivsymptomen); bei 40% initiale Positivsymptome; bei 20% Mischsymptomatik Arten des Onset: (a) akuter Beginn = Prodromalphase < als 1 Monat, bei 17% der Fall, dann beginnt die Störung meist direkt mit der Positivsymptomatik (b) subakuter Beginn = Prodromalphase 1 Monat bis 1 Jahr, bei 18% der Fall (c) schleichender oder chronischer Beginn = Prodromalphase > als 1 Jahr, bei 65% der Fall Aufgliederung von Negativsymptomen nach Häfner & Maurer (1991) Langfristig stabile negative Symptome: stehen mit prämorbiden Persönlichkeitszügen oder kognitiven Defiziten in Verbindung; sind wahrscheinlich Ausdruck neuropsychologischer Defizite aufgrund von Hirnentwicklungsstörungen Veränderliche negative Symptome: direkter Ausdruck eines psychotischen Prozesses, kovariieren mit der Positivsymptomatik Residualsymptome: treten erstmals nach einer psychotischen Episode auf und akkumulieren über die Zeit zu einem Defizitsyndrom Negativsymptome als (inadäquate) Bewältigungsversuche einer erlebten erhöhten Vulnerabilität: beispielsweise sozialer Rückzug oder Vermeidung intensiver Emotionen als Schutzmechanismus gegen ein Rückfallrisiko Institutionalisierungssyndrom: als Folge langfristiger sozialer und emotionaler Unterstimulation im psychiatrischen Krankenhaus -8 Prognostische Faktoren der Schizophrenie Bessere Prognose: Frauen, verheiratet, später Onset, offensichtlich erkennbare Auslöser, akutes Einsetzen der Symptomatik, gute prämorbide soziale, sexuelle und berufliche Anpassung, affektive Störungen in der Familienanamnese, gute soziale Unterstützung (social support), positive Symptome Schlechtere Prognose: Männer, alleinstehend, geschieden oder verwitwet, früher Onset, keine Auslöser, langsames Einsetzen, niedriges prämorbides Funktionsniveau, Rückzug, einzelgängerisches Verhalten, Schizophrenie in der Familienanamnese, schlechte soziale Unterstützung (social support), negative, Symptome, hebephrener Typus, neurologische Auffälligkeiten, perinatales Trauma in der Vorgeschichte, keine Remission innerhalb von 3 Jahren, viele Rezidive, Vorgeschichte von Gewaltbereitschaft Komorbidität bei Schizophrenie ECA-Studie: bei 91% mindestens eine weitere psychische Störung (47% Substanzmissbrauch); Alkolholabhängigkeit oder -missbrauch bei 30-50%; Cannabiskonsum bei 15-25%; Kokainkonsum bei 510%; starker Nikotinkonsum (> 3/4 aller schizophrenen Pat. rauchen Zigaretten) Diagnostik der Schizophrenie • seit den 50er Jahren eine Vielzahl von mittlerweile „klassischen“ Fremdbeurteilungsverfahren entwickelt (z.B. IMPS, BPRS, AMDP) • später zunehmende Differenzierung und Ausweitung der diagnostisch relevanten Bereiche: 1. Dimensionalität schizophrener Symptomatik: - Positive Symptomatik (reality distortion) - Desorganisationsfaktor (disorganization and thought disorder) - Negative Symptomatik (psychomotor poverty syndrome) 2. Weitere relevante Bereiche: - Lebensqualität - Soziale und berufliche Funktionsfähigkeit - Beeinträchtigungen durch unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten -9 Fremdbeurteilungsverfahren zur Erfassung psychotischer Symptomatik Verfahren Items und Auswertung Merkmale Brief Psychiatric Rating Scale 18 Items (Symptomkomplexe), 5 Sub- „Klassiker“; in großer Zahl (BPRS) [Overall & Gorham 1962] skalen; 10-Item-Skala für Schizophrenie von Studien verwendet Inpatient Multidimensional Psych- 90 Items, 12 Subskalen; 3 schizophreiatric Scale (IMPS) [Hiller et al. niespezifische Skalen 1986] allgemeine und mehrdimensionale Skala AMDP-System [AMDP 2000] 140 Items, 9 Subskalen; 3 schizophreniespezifische Skalen allgemeine und mehrdimensionale Skala Scale for the Assessment of Positive Symptoms / Scale for the Assessment of Negative Symptoms (SAPS/SANS) [Andreasen 1983, 1984] SAPS: 4 Bereiche mit 4-13 Items; speziell für schizophrene StöSANS: 5 Bereiche mit 3-6 Items; ferner rungen entwickelt jeweils Globalskala Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) [Kay 1991] Plus- und Minusskala mit jeweils 7 speziell für schizophrene StöItems; Psychopathologische Globalskala rungen entwickelt Bonner Skala für die Beurteilung von Basissymptomen (BSAB [Gross et al. 1987] 98 Items; Bereiche: direkte und indirek- kann u.a. für Identifikation te Minussymptome, Denken, Wahrvon Frühsymptomen eingenehmung, Handlung setzt werden Calgary Depression Rating Scale for Schizophrenia (CDSS) [Addington et al. 1993] 9 Items, 1 Dimension depressive Symptomatik bei Schizophrenie Intentionalitätsskala (InSka) [Mundt et al. 1985] 60 Items, Gesamtscore Schizophrene Residualsymptome Berliner Lebensqualitätsprofil (BELP) [Priebe et al. 1995] 152 Items, 8 Dimensionen; Arbeit und Beschäftigung, Wohnen, Freizeit Lebensqualität speziell bei schizophrenen Pat. Premorbid Adjustment Scale Prämorbide Anpassungsskala (PAS) [Cannon-Spoor et al. 1995; Kapfhammer 1995] 4 Bereiche; sexuelle, soziale und beruf- prämorbide Anpassung liche Anpassung Disability Assessment Schedule Mannheimer Skala zur Einschätzung sozialer Behinderung (DASM) [Jung et al. 1989] 10 Skalen, 1 Globalskala; Eigenfürsor- soziale Anpassung im außerge, Freizeitgestaltung, Verlangsamung, klinischen sozialen Umfeld soziale Kompetenz, Mitarbeit im Haushalt, sexuelle Aktivität, Beziehung zu Freunden, Interesse an Berufstätigkeit, allgemeine Interessen, Verhaltens in Krisensituationen Nurses Observation Scale for Inpa- 30 Items, 3 positive/ 4 negative Fakto- soziale Anpassung im innertient Evaluation (NOSIE) [Honig- ren; Anpassungsfähigkeit, soziales Inklinischen Umfeld feld et al. 1986] teresse, Sauberkeit, Reizbarkeit, manifeste Psychose, Retardierung, Depression - 10 Dimensionen psychotischer Symtomatik Faktorenstruktur nach Varimax-Rotation schizophrener Symptome; Datenbasis: Globale Einstufung auf SANS/SAPS über 243 konsekutiv aufgenommen Pat. mit schizophrener oder schizophreniformer Störung (nach Andreasen et al., 1995) Faktoren Symptome Negativ Desorganisiert Psychotisch Antriebsmangel 0,83 0,13 0,17 Anhedonie 0,82 0,18 0,11 Affektverflachung 0,81 -0,11 0,04 inadäquater Affekt 0,06 0,80 -0,11 Denkstörungen -0,05 0,75 0,27 bizarres Verhalten 0,43 0,60 0,25 Wahn 0,07 0,18 0,82 Halluzinationen 0,17 0,01 0,75 erklärte Varianz 28% 21% 18% Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung psychotischer Symptomatik Verfahren Items und Auswertung Merkmale Frankfurter Beschwerde-Fragebogen (FBF) [Süllwold 1991] 98 Items, 10 phänomenologische Basissymptome Skalen Frankfurter Befindlichkeits-Skala (FBS) [Süllwold & Herrlich 1987] 36 Items, Summenwert Befindlichkeiten Paranoid-Depressivitäts-Skala (PD-S) [von Zerssen 1976] 2 Parallelformen mit jeweils 43 Items; 2 Skalen und Krankheitsverleugnung depressiv-paranoides Erleben Snaith-Hamilton-Pleasure-Scale (SHAPS) 14 Items, Gesamtwert [Snaith et al. 1995, Franz et al. 1998] Anhedonie Subjective Wellbeing Under Neuroleptic Treatment (SWN) [Naber 1995] Nebenwirkungen 38 Items, 5 Skalen Social Functioning Scale (SFS) [Dikkerson et al. 1997] soziale Adaptation Fragebogen zur Erfassung der Familienatmosphäre (FEF) [Feldmann et al. 1995] Familienatmosphäre Dysfunctional Working Models Scale (DWMS) [Perris et al. 1998] Dysfunktionale Kognitionen - 11 Ätiologie der Schizophrenie Ein einheitliches Modell zur Ätiologie und Pathogenese der Schizophrenie existiert bis heute nicht; dennoch sind eine Vielzahl von ätiologischen und Risikofaktoren bekannt: • Genetik • Biologische Faktoren (z.B. ZNS, Hormonregulation) • Psychophysiologische Dysregulationen • Informationsverarbeitung und kognitive Defizite • Sozialer Faktoren, familiäre Interaktion Ätiologie der Schizophrenie: Genetik • Beteiligung genetischer Faktoren gilt als gesichert (viele Studien mit verschiedenen Methoden) • Lebenszeitmorbiditätsrisiko: erhöhtes Erkrankungsrisiko in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad (z.B. McGue & Gottesman, 1989; Kaplan et al., 1994). • Genetische und nichtgenetische Faktoren: Adoptierte Kinder von schizophrenen Pat. haben ein erhöhtes Risiko; jedoch entwickelt sich bei “gesunden” seltener als bei “ungesunden” Adoptiveltern eine Schizophrenie (Studie aus Finnland: Tienari 1991). • Molekulargenetische Forschung: Trotz zahlreicher Studien konnten bislang noch keine spezifischen Gene, die an der Entwicklung einer Schizophrenie beteiligt sind, replizierbar identifiziert werden. Studien zur Genetik der Schizophrenie (I): Prävalenz der Schizophrenie in speziellen Populationen (nach Kaplan et al. 1994) Population Prävalenz (%) Allgemeinbevölkerung 1 Geschwister (Nichtzwilling) eines schizophrenen Patienten 8 Kind mit einem schizophrenen Elternteil 12 Dizygoter Zwilling eines schizophrenen Patienten 12 Kind von zwei schizophrenen Elternteilen 40 Monozygoter Zwilling eines schizophrenen Patienten 47 Studien zur Genetik der Schizophrenie (II): Auf dreierlei Weise definierte Konkordanz bei ein- und zweieiigen Zwillingen (nach Gottesman & Shields (1972) Eineiige Zwillinge (% Konkordanz) Zweieiige Zwillinge (% Konkordanz) 1. Hospitalisiert und als schizophren diagnostiziert 42 9 2. Hospitalisiert, jedoch nicht schizophren, plus diejenigen mit Konkordanz 1. Grades 54 18 3. Nicht hospitalisiert, jedoch abnorm, plus diejenigen mit Konkordanz 1. und 2. Grades 79 54 Definition der Konkordanz - 12 Ätiologie der Schizophrenie: Biologische Faktoren Hypothesen Befunde #1: Störung des Dopaminsystems • gesteigerte Aktivität dopaminerger Neurone geht Dopaminsystem ist sehr mit Akutsymptomen (Halluzination, Wahn) einher Gesteigert • Amphetamine und andere Substanzen erhöhen die Positivsymptome dopaminerge Aktivität (=> psychoseähnliche Symptome) Reduziert • Neuroleptika blockieren postsynaptische DopaNegativsymptome minrezeptoren (=> antipsychotische Wirkung) • Hinweise für dopaminerge Unterfunktion im mesokortico-präfrontalen System und Zusammenhang bei Negativsymptomen #2: Hirnmorpholo• linksbetonte Vergrößerung der 3. und 4. Seitengische Veränderungen ventrikel (in vielen Studien gefunden) => daher vermutlich unzureichende Entwicklung oder Atrophie des umgebenden Hirngewebes • geringeres Volumen des Temporallappens (linksbetont) • Auffälligkeiten nehmen im Verlauf im Durchschnitt nicht zu • Auffälligkeiten bestehen nur bei etwa einem Drittel der Pat.; diese Pat. haben tendenziell mehr Negativsymptome und schlechteren Verlauf #3: Prä- und perinatale • geringfügige Erhöhung der Geburtsraten SchizoFaktoren phrener nach Grippeepidemien • Erhöhte Rate von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen #4: Hormonelle • Erstauftreten bei Frauen durchschnittlich 4.5 JahStörung re später (Häfner 1995) • Spätschizophrenien bei Frauen häufiger Interpretation komplex, verschiedene Rezeptortypen sind in unterschiedlichen Hirnregionen lokalisiert; exakte Zusammenhänge unklar [1] strukturelle Veränderungen evtl. bereits vorbestehender Risikofaktor [2] evtl. mehrere verschiedene Formen der Schizophrenie [3] evtl. gar keine kausalen Zusammenhänge Störung der frühkindlichen Hirnentwicklung Östrogenproduktion => antidopaminerge Wirkung; exakte Zusammenhänge unklar Hirnanatomische Befunde Einzelfallvergleich: MRT-Transversalschnitt des Gehirns eines schizophrenen Patienten (links) und eines geschlechts- und altersparallelisierten Kontroll-Probanden (rechts); deutlich sind bei dem schizophrenen Patienten die Erweiterungen der Seitenventrikel erkennbar - 13 Schizophrenie als Entwicklungsstörung Genetische Faktoren Frühe umweltbezogene Faktoren: * virale Infektionen * Frühgeburt * niedriges Geburtsgewicht * Sauerstoffmangel bei der Geburt Abnorme frühe Gehirnentwicklung Späte umweltbezogene Faktoren: * soziale Isolation * städtischer Lebensstil * Migration * Drogenkonsum Abnorme späte Gehirnentwicklung Ätiologie der Schizophrenie: Auffälligkeiten der Wahrnehmung und des Denkens I allgemein: Störungen des Prozesses der Reizaufnahme und Reizverarbeitung (Informationsverarbeitung) Aufmerksamkeits-, Wahrnehmungs- und Denkprozesse nach relevanten und irrelevanten Merkmalen steuern Wahrgenommenes in passende, übergeordnete Zusammenhänge einordnen unterschiedliche Gedankengänge vereinheitlichen vorhandene Denkschemata flexibel handhaben Auffälligkeiten der Wahrnehmung und des Denkens II • Orientierungsreaktion: bei Schizophrenen schwächer ausgeprägt als bei Gesunden; allerdings keine Unterschiede mehr, wenn auf ein Signal hin eine Reaktion erfolgen soll (motorische Reaktionsanforderung) • Aufmerksamkeit und Reizbewertung: Schizophrene differenzieren weniger genau zwischen relevanten und irrelevanten Reizen (nachweisbar auch mittels hirnelektrischer Parameter) • Reizdifferenzierung: schlechtere Differenzierungsleistungen z.B. im SAT (Span of Apprehension Test; etwa Asarnow et al., 1978) • Ablenkbarkeit: Reizselektion bei Schizophrenen offenbar bereits in einem frühen Stadium der Informationsverarbeitung gestört (Modell des “defekten Filters” nach Broadbent, 1958) • Assoziatives Denken: bei Studien im Rahmen der assoziativen Netzwerktheorie zeigte sich ein schnellerer Aufbau von assoziativen Verbindungen bei Schizophrenen Aufmerksamkeitsstörung bei Schizophrenie Filter-Modell: defekte Selektion bei der Reizaufnahme (z.B. McGhie & Chapman, 1961; Payne, 1966) Set-Modell: Erwartungshaltung, Reaktionsbereitschaft (Shakow, 1962, 1971) z.B. gleichzeitig Auto fahren und Radio hören - zuhören und gleichzeitig Notizen machen - aufräumen, spülen, kochen, und sich gleichzeitig unterhalten - 14 Informationsverarbeitung bei Schizophrenie Konkretheitsmodell: reduzierte Fähigkeit zur Abstraktion (Goldstein, 1939; Payne, 1970; Holm-Hadulla, 1982) Overinclusion-Modell: mangelhafte Diskrimination (Cameron, 1951) Beispiele für Patientenaussagen: - „Wenn ich etwas lese, wundere ich mich oft über ein alltägliches Wort und muss erst über die Bedeutung des Wortes nachdenken.“ - „Ich kann meine Gedanken nicht im Zaum halten. Manchmal fühle ich mich von der Vielfalt der Gedanken regelrecht erdrückt. Ich springe dann leicht von einem Gedanken zum anderen.“ - „Neulich bin ich durch die Stadt gefahren und wusste plötzlich bei einigen Verkehrsschildern nicht mehr, was sie bedeuten. Das finde ich ziemlich stressig, da ich doch mit dem Mofa zur Arbeit fahren muss.“ Ätiologie der Schizophrenie: Psychosoziale Faktoren − Frühere Konzepte: - „Schizophrenogene Mutter“ (Fromm-Reichmann, 1948) - Double Bind (Bateson, 1959) − Soziodemografische Faktoren: - Social-Stress- vs. Social-Selection-Modell − Lebensumstände: - Lebensverändernde Ereignisse (LVE) − Familiäre Kommuniktion: - Expressed Emotion (EE) Studie zum Rückfallrisiko schizophrener Patienten (Malla et al. 1990) Fragestellung: Erhöhen lebensverändernde Ereignisse (LVE) das Risiko eines Rückfalls bei schizophrenen Patienten? Methode: 21 Pat. mit Schizophrenie (DSM-III-R) wurden nach der Entlassung aus der stationären Behandlung ein Jahr lang mindestens alle 2 Wochen gesehen Erhobene Variablen: LVE (symptomabhängig und -unabhängig), kleinere Belastungen, psychotische Symptomatik [alles standardisiert] Rückfalldefinition: Wiederauftreten positiver Symptome während mindestens einer Woche Ergebnisse #1: Mittlere Anzahl LVE bei rückfälligen (N=7) und stabilen Patienten (N=14), bezogen auf ein Jahr. Größere und kleinere Ereignisse wurden zusammengefasst Ereignisse rückfällig stabil Signifikanz unabhängige Ereignisse 6,2 3,5 p < 0,05 abhängige Ereignisse 1,6 2,5 n.s. Konzept des Expressed Emotion (EE) von Brown et al. (aus den 60/70er Jahren) Emotionsausdruck in der Familie gekennzeichnet durch (a) viel persönliche und globale Kritik, (b) Ausdruck von Feindseligkeit, (c) emotionales Überengagement bzgl. des Patienten - 15 Camberwell Family Interview (CFI) [Brown et al. 1972] … mit wichtigsten Bezugspersonen des Pat.; halbstandardisiertes Gespräch von 1-2 Std. Dauer; trainierte Rater schätzen verbal und nonverbal ausgedrückte Einstellungen und Gefühle gegenüber Pat. auf 3 Skalen ein: • Kritik: Missbilligung, Ärger, Abneigung, Groll gegenüber Pat. (z.B. „Im ganzen Haus lässt sie das Licht brennen“, „Es ist schlimmer geworden, nichts räumt er auf … er tut überhaupt nichts“) • Feindseligkeit: generalisierende und persönlich abwertende Einstellungen (z.B. „Der ist einfach stinkfaul“, „So was Dusseliges und Nichtsnutziges habe ich noch nicht erlebt“) • Emotionales Überengagement: (a) extreme Sorge oder Fürsorglichkeit (z.B. Abhängigkeit des eigenen Zustands vom Pat., „Ich denke ständig daran, was aus ihm werden soll“) und (b) Aufopferung (z.B. große persönliche Einschränkungen, „Ich tue alles für ihn, wenn es ihm nur gut geht“) Expressed Emotion (EE) und Rückfallquoten in 7 Studien (Liberman et al. 1987) über mehrere Studien ~ 50% Rückfälle bei Hoch-EE-Familien, nur ~ 20% bei Niedrig-EE-Familien; Befunde von mehreren unabhängigen Arbeitsgruppen in aller Welt erstaunlich konsistent repliziert Rückfälle unter Familienbetreuung vs. Routine-/Einzelbehandlung von schizophrenen Patienten aus Hoch-EE-Familien bei 9- und 24monatiger Katamnese (Kavanagh 1992) 0 - 9 Monate Studien 0 - 24 Monate Familienbetreuung Routine- und Einzeltherapie Familienbetreuung Routine- und Einzeltherapie Leff et al. (1982, 1985) 8% 50% 50% 75% Falloon et al. (1982, 1985) 6% 44% 17% 83% Köttgen et al. (1984) 33% 50% -- -- Hogarty et al. (1986, 1987) 19% 28% 32% 66% Tarrier et al. (1988, 1989) 12% 48% 33% 59% Leff et al. (1989, 1990) 8% -- 33% -- Median 10% 48% 33% 71% Expressed Emotion und Rückfallrisiko Diagnose Schizophrenie Depression Bipolare Störungen Hoch-EE Niedrig-EE 48% 64% 90% 21% 11% 54% nach: Hahlweg & Dose, 1998 - 16 Zusammenhang zwischen EE und psychophysiologischer Aktivierung Annahme: Hoch-EE geht einher mit stärkerer physiologischer Aktivierung • Studie von Tarrier et al. (1979): bei schizophrenen Pat. (aktuell in Remission) stieg die elektrodermale Aktivität (EDA) beim Eintreten von Angehörigen, die hohe EE-Werte im Interview hatten, an und das Erregungsniveau blieb dann während der gesamten Anwesenheit der Verwandten hoch; dagegen kam es zu einem Absinken der EDA bei Angehörigen mit niedrigen EE-Werten Zusammenhang zwischen EE und tatsächlichem Interaktionsverhalten Annahme: Hoch-EE geht einher mit negativerer familiärer Interaktion • Studie von Hahlweg et al. (1995): Schizophrene Pat. und ihre Familien wurden gebeten, familiäre Konflikte zu besprechen Ergebnisse: 1. Hoch-EE-Angehörige mit hohen Kritik-Scores waren nonverbal negativer, kritisierten mehr; auch die jeweiligen Pat. waren nonverbal negativer, äußerten mehr Rechtfertigungen, lehnten Verantwortung für die diskutierten Probleme ab 2. In Hoch-EE-Familien kam es häufiger zu langandauernden verbalen und nonverbalen negativen Eskalationen 3. Pat. mit weniger starker Störung wurden von den Angehörigen mehr für ihre Symptomatik verantwortlich gemacht („böser Wille“, „Faulheit“, „Desinteresse“) als Pat. mit gravierender Störung Störungen des Sozialverhaltens bei Schizophrenie Empirisch belegt: − gestörte Aufnahme und Verarbeitung sozialer Reize (z.B. undifferenzierteres Erkennen von Gesichtern, Fehlbewertung von Mimik, Unsicherheit über den Kontext) − vermehrte unerwartete und unverständliche soziale Verhaltensweisen (v.a. in sozialen Situationen mit besonderer emotionaler Bedeutung) − gestörte Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen (z.B. unklares Kontaktverhalten besonders in emotional belastenden Situationen; Schwierigkeiten bei der Aufnahme und Weiterentwicklung persönlicher Beziehungen) − gestörte verbale Kommunikation (z.B. Sprachverarmung, Zerfahrenheit, Verlieren des “roten Fadens”, schwer nachvollziehbare Logik, bizarre bildhafte Ausdrücke, Umständlichkeit) Hochrisikostudien zur Schizophrenie Kopenhagen-Studie (seit 1962): 207 Kinder schizophrener Mütter und 104 Nachkommen normaler Eltern und Großeltern untersucht; bei Beginn des Projekts alle untersuchten Personen klinisch normal; psychologische und physiologische Tests, Hebammenberichte, Schulberichte über Sozialverhalten u.a. ausgewertet; Nachkommen nach 5, 10 und 18 Jahren von unabhängigen Psychiatern diagnostiziert (in Schizophrenie, ~ verwandte Störungen, ungestört) Nachkommen (%) Schizophrene SchizophrenieSpektrum Gesunde passive Babies 54 27 7 geringe Aufmerksamkeitsspanne beim Spiel 50 26 11 geringe Affektkontrolle in der Schule 18 4 0 Variable - 17 Vulnerabilitäts-Stress-Modell der Schizophrenie ---- [Stand: SS 2015] -------- ---