Langzeitverläufe der Schizophrenie

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Langzeitverläufe der
Schizophrenie
PD Dr. med. Sebastian Walther
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bern
Herbstsymposium
04.12.2014
Inhalt
Epidemiologie
§  Verlaufsmuster
§  Formen
§ 
§  Prodrom
§  Frühes Erwachsenenalter
§  Spätes Erwachsenenalter
§ 
Mortalität
2
Schizophrenie Inzidenz nach Alter
aus: Möller et al. 2008 Psychiatrie und Psychotherapie
3
Krankheitsbelastung
Whiteford et al. 2013 Lancet
4
Krankheitheitsbelastung
DALY (thousands)
Schizophrenie
2500
2000
1500
1000
500
0
Alter
Reproduziert aus: Whiteford et al. 2013 Lancet
5
Im Vorfeld der Erkrankung
prä-/peripartal
§  Gene mit Bezug zur Hirnreifung (z.B. NRG1)
§  Schwangerschaftskomplikationen, Infektionen im 2. Trimester
postpartal
§  Umweltfaktoren: Migration, Urbanisation
§  Reifung: motorische und sprachliche Frühentwicklung
§  IQ-Defizite im Schulalter
§  Verhaltensauffälligkeiten
6
Hirnreifungsstörung
Gogtay et al. 2004 PNAS, 2008 PNAS
7
Risikokategorien
Frührisiko
(psychosefernes
Prodrom)
Basissymptome
Mehrmals/Woche
Denkstörungen,
Derealisation
oder
Wahrnehmungsstörungen
Risiko plus
Leistungseinbruch
Verwandte 1.
Grades mit
Psychose oder
selbst schizotype
Störung UND
Leistungseinbruch
Hochrisiko
(psychosenahes
Prodrom)
Attenuierte
psychotische
Symptome (APS)
Transiente
psychotische
Symptome (BLIPS)
Mehrmals/Woche
Beziehungsideen,
magisches
Denken, paranoide
Ideen,
ungewöhnliche
Wahrnehmungen
< 2x/Woche,
Spontanremission
Halluzinationen
Wahn
Formale
Denkstörung
8
Entwicklung der Psychosen
Klosterkötter 2008
9
Entwicklung der Psychosen
Fusar-Poli et al. 2013 JAMA Psychiatry
10
Transitionsrisiko
6 Monate 18% 24 Monate 29%
12 Monate 22% 36 Monate 32%
BLIP 31%
§  Mixed 21%
§ 
Fusar-Poli et al. 2013 JAMA Psychiatry & 2014 Schizophr Bull
APS 13%
§  GRD 4%
§ 
11
b
Fusar-Poli et al. 2013 JAMA Psychiatry
12
Komorbidität der ARMS
15%
41%
Fusar-Poli et al. 2014 Schizophr Bull
13
Transitionsziele
Fusar-Poli et al. 2013 Schizophr Bull
14
Verlauf
Negativsymptome stabil
§  Denkstörung variabel
§  Positivsymptome
korrelieren innerhalb der
Episode
§ 
Arndt et al. 1995 Arch Gen Psychiatr
15
Alterseffekte auf Psychopathologie
Mit Alter reduziert:
§  Psychotische
Symptome
§  Wahn
§  Halluzinationen
Im Alter unverändert:
§  Negativsymptome
§  Formale
Denkstörungen
Schultz et al. 1997 Schizophr Res
16
Langzeitverläufe
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
Diagnosen sind stabil
Varianz in Ausprägung und Verlauf
Remission 7-52%
Chronischer Verlauf 33-57%
Outcome schlechter als bei
affektiven Störungen
Schlechterer Verlauf bei Männern
und Negativsymptomen
Gute Evidenzlage für akute Phase
Moderate Evidenzlage für die ersten
2 Jahre
Aber: was passiert danach?
Lang et al. 2013, Newman et al. 2012, Harrow & Jobe 2013
17
Behandlung
Wunderink et al. 2007, 2013 JAMA Psychiatry
18
Arbeit
§ 
Arbeitstätigkeit:
§  stabilisiert (Selbstwert, Sozialkontakte, Tagesstruktur)
§  gefährdet (Stress, Überforderung)
§ 
12 Studien mit 6844 Teilnehmern
Schlechter
Unverändert verbessert
Symptome
0/6
3/6
3/6
Hospitalisation
0/6
5/6
1/6
Inanspruchnahme
ambulanter Behandlung
0/2
0/2
2/2
Kosten
0/1
0/1
1/1
Arbeit ist nicht gefährlich für Patienten mit Schizophrenie
Luciano et al. 2014 Schizophr Res
19
Früher Beginn
Beginn vor dem 18. Lebensjahr
§  Historisch mit schlechtem Outcome assoziiert
§  Aber: Interventionsprogramme helfen möglicherweise
§ 
7 Jahres Follow-up von 366 Patienten mit Erstpsychose
41 mit frühem Beginn und 325 mit „normalem“ Beginn
Kein Unterschied Soziodemographie
Weniger Positivsymptomatik, mehr Lebensqualität, höheres
Funktionsniveau
§  Während der letzten 2 Jahre weniger häufig psychotisch
§ 
§ 
§ 
§ 
Amminger et al. 2011 Schizophr Res
20
Später Beginn
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
Später Beginn: 40.-60. Lebenjahr
Sehr später Beginn: > 60. Lebensjahr
betrifft 20-29% alle Schizophreniefälle
Viele Gemeinsamkeiten
Unterschiede:
§  Berufstätigkeit und Paarbeziehung
§  Frauen > Männer
§  gut formierter Verfolgungswahn, Halluzinationen aller
Modalitäten
§  weniger Positivsymptomatik, weniger kognitive Störungen
§  Niedrigere Dosierungen wirksam
§ 
Antipsychotika kurzfristig wirksam (Akutphase), aber wenig
wirksam und schlecht toleriert in der Erhaltungsphase!
Maglione et al. 2014
21
Demenzrisiko?
Patienten mit Beginn > 50 (n=34) vs. Kontrollen (n=34)
§  Alter: 70-80 Jahre
§  Follow-up 1 Jahr und 5 Jahre
§ 
32% der Patienten waren dement nach 5 Jahren (keine
Kontrolle)
§  Effekte sind nicht erklärt durch Mild Cognitive Impairment
§  Demenzrisiko bei Patienten höher mit
§ 
§  Erkrankungsdauer
§  Niedrigerem kognitiven Ausgangsniveau
§  Niedrigerem Sozioökonomischen Status
Brodaty et al. 2003 Br J Psychiatry
22
Mortalität
Mortalitätslücke von 15-20 Jahren
§  AESOP 10 Jahre Follow-up:
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
§ 
7% verstorben (SMR 3.6)
Natürlicher Tod 2fach erhöht, unnatürlicher 13fach
Natürlicher Tod – Dauer zur Remission
Unnatürlicher Tod – Illegale Drogen
Schutzfaktor unnatürlicher Tod: Engagement der Familie
2.4% Suizide (SMR 20.0)
Reininghaus et al. in press Schizophrenia Bulletin
23
Mortalität und Medikation
N = 21‘492
Torniainen et al. in press Schizophrenia Bulletin
N = 1‘230 Erstepisodiker
24
Fazit
Hohe Krankheitsbelastung während der Lebensspanne
§  Mortalität
§  Anwendung von Langzeitantipsychotika fraglich
§  Verlauf äusserst heterogen
§ 
Individuelle psychiatrische Therapieplanung erforderlich
Wissenschaftliche Kenntnis der Evidenz und ihrer Grenzen!
25
Vielen Dank !
[email protected]
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