Informationsblatt der Apotheke der Universitätsmedizin Mainz für die Stationen APOTHEKENKURIER 28. Jahrgang 2011 Mainz Nummer 1 / 11 In dieser Ausgabe Ergebnisse der Arzneimittelkommission In der Sitzung der Arzneimittelkommission vom 16. März 2011 wurden folgende Arzneimittel neu in die Arzneimittelliste aufgenommen: — Onbrez Breezhaler Kps. 150 µg — Daxas Tbl. 500 µg — Brinavess Konzentrat 20 mg/ml ARZNEIMITTELKOMMISSION Sitzung vom März 2011 Seite 1 PHARMAKOTHERAPIE Hypertoniebehandlung mit Hydrochlorothiazid Die nächste Sitzung in der Bibliothek der Apotheke wird rechtzeitig bekanntgegeben. Die aktuelle Version der Arzneimittelliste finden Sie ím Intranet: http://al.apotheke. klinik.uni-mainz.de/aml/ Ist eine Senkung des LDLCholesterins vorteilhaft? Intestinale Mikroflora und das Immunsystem Seite 2 Clindamycin ein beliebtes Antibiotikum Seite 3 Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel (z.B. Pregabalin) Seite 4 IMPRESSUM Seite 4 Apothekenkurier 1/11 Seite 1 Gefunden in „Der Arzneimittelbrief“ und „Arznei-Telegramm“ Hypertoniebehandlung mit Hydrochlorothiazid Eine in der medizinischen Presse derzeit häufig zitierte Arbeit weist erneut auf die möglicherweise unzureichende antihypertensive Wirkung von Hydrochlorothiazid (HCT) in den üblichen Dosierungen hin. Es handelt sich um eine systematische Übersicht randomisierter Studien, die HCT in Tagesdosierungen von 12,5 mg bis 25 mg und 50 mg als Monotherapie mit anderen Antihypertensiva vergleichen und primär den 24-Stunden-Blutdruck prüfen. Dosierungen von 12,5 mg bis 25 mg HCT senken den systolischen 24-Stundenblutdruck um 4,5 bis 6,2 mm Hg weniger als ACE-Hemmer, Betablocker, Kalziumantagonisten oder Sartane. Dosierungen von 50 mg HCT sind deutlich seltener geprüft, sollen aber den systolischen 24-Stundenblutdruck stärker senken. Die Autoren messen dem 24-Stundenblutdruck die größere Bedeutung bei und halten Tagesdosierungen von 12,5 mg bis 25 mg HCT in der Monotherapie der Hypertonie für unzureichend. (Messerli et al.: J Am Coll Cardiol 2011;57:590). Die Aussagekraft der Befunde ist begrenzt, da die Studien lediglich die Blutdrucksenkung, nicht aber den Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse prüfen. Sie erinnern daran, dass eine Reduktion solcher Ereignisse für HCT nur bei einer Startdosis von täglich 25 mg mit Steigerung auf täglich 50 mg belegt ist, nicht aber bei einer Startdosis von Start mit täglich 12,5 mg und Steigerung auf 25 mg. MODIFIZIERT NACH „ARZNEI-TELEGRAMM“ 2011,42:22 Ist eine intensive Senkung des LDL-Cholesterins vorteilhaft? In der SEARCH-Studie war die höhere Dosis von 80 mg/d Simvastatin hinsichtlich der Verhinderung kardiovaskulärer Ereignisse der Standarddosis von 20 mg/d trotz stärkerer Senkung des LDL-Cholesterins (LDL-C) nicht signifikant überlegen. Dagegen kommt die Metaanalyse der „Cholesterol Treatment Trialists“ zu dem Ergebnis, dass StandarddosierunApothekenkurier 1/11 gen von Statinen das relative Risiko kardiovaskulärer Ereignisse, verglichen mit Placebo signifikant verringern und höhere Dosierungen nicht nur das LDLC, sondern auch kardiovaskuläre Risiken signifikant zusätzlich senken. Da vor allem Patienten mit hohem Gesamtrisiko von einer Statintherapie profitieren, liegt es nahe, bei diesen Patienten die Statindosis anzupassen und bei hoher Dosis sorgfältig auf UAW zu achten. Bei Patienten mit gegebener Indikation für Statine, aber mit nicht sehr hohem Risiko erscheint die Verordnung einer Standarddosis vertretbar. MODIFIZIERT NACH „DER ARZNEIMMITTELBRIEF“ 2011;45(4):25 Intestinale Mikroflora und das Immunsystem Der Gastrointestinaltrakt ist das größte Immunorgan des Körpers und beherbergt mehr Bakterien als der Mensch Zellen hat. In diesem Organ muss auf eine immense Zahl von Antigenen immunologisch reagiert werden. Falscher Alarm gegenüber harmlosen Antigenen, wie z.B. Bestandteilen von Nahrungsmitteln, kann zu Krankheiten führen. Viele Studien konnten inzwischen zeigen, wie komplex die Interaktionen zwischen der intestinalen Mikro- und Makroflora und dem menschlichen Immunsystem sind, die sich über Millionen Jahre entwickelt und ausbalanciert haben. Die weit verbreitete Benutzung antibakterieller Peptide in der Lebensmittelindustrie und der unkritische Einsatz von Antibiotika kann dieses Gleichgewicht nachhaltig stören. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen, Lebensmittelallergien und eine verminderte Immunantwort gegen Bakterieämie. Der unkritische und unnötige Einsatz von Antibiotika im medizinischen Alltag und in der Lebensmittelindustrie könnte erhebliche Auswirkungen auf die Entstehung von Autoimmunerkrankungen und systemischen bakteriellen Infektionen haben. MODIFIZIERT NACH „DER ARZNEIMTTELBRIEF“ 2011;45(4):32 Seite 2 Aufgrund der großen Bedeutung von Clindamycin in der antibakteriellen Therapie bzw. der Anwendung in vielen Bereichen der Universitätsmedizin Mainz* sei hier ein Beitrag referiert aus der Zeitschrift für Chemotherapie: Wirkweise Clindamycin (Gruppe der Lincomycine) bindet an die bakteriellen Ribosomen und stört somit den Aufbau lebenswichtiger Proteine, wodurch ein bakteriostatischer Effekt, bei sehr empfindlichen Bakterienstämmen auch eine bakterizide Wirkung zu beobachten ist. Zum Wirkungsspektrum von Clindamycin gehören grampositive Bakterien, insbesondere Staphylokokken und anaerobe gramnegative Bakterien wie z.B. Bacteroides fragilis. Gegen die meisten der gramnegativen Erreger wie Enterobacteriaceae, Pseudomonas oder Enterobacter ist Clindamycin nicht aktiv. Pharmakokinetik Clindamycin wird nach oraler Verabreichung rasch zu etwa 90% resorbiert. Durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme wird die Resorption nur geringfügig verzögert. Der Wirkstoff gilt als gut gewebe- und knochengängig. Clindamycin wird überwiegend hepatisch metabolisiert und mit einer Halbwertszeit von ca. 2-3 Stunden mit den Faeces und zu etwa einem Drittel renal eliminiert. Die Metaboliten sind zum Teil mindestens genauso antibakteriell wirksam, wie die Muttersubstanz. Mindestens 5 Tage lang ist die antibakterielle Aktivität im Stuhl nachweisbar, was mit einer Beseitigung der sensiblen Flora einhergehen kann. Dosierung Die empfohlene Dosierung beim Erwachsenen liegt bei 2 bis 3 mal 600 mg oral täglich. Intravenös können 2 bis 4 mal täglich 600 mg verabreicht werden, die Maximaldosis beträgt 4,8 g täglich. Deutliche Nierenfunktionsstörungen und auch schwere hepatische Einschränkungen sollten mit einer Reduktion der Dosis und/oder Verlängerung des Dosierungsintervalls berücksichtigt werden. Clindamycin zählt zu den schon lange auf dem Markt befindlichen Antibiotika. Trotzdem liegen keine umfangreichen Daten aus qualititativ hochwertigen Studien vor, so dass man vor allem auf die langjährige Erfahrung bzw. Einzelfallberichte angewiesen ist. Apothekenkurier 1/11 Anwendungsgebiete Als Indikationen sind zugelassen: Infektionen... — der Knochen und Gelenke, — des HNO-Bereichs, — des Zahn-und Kieferbereichs, — der tiefen Atemwege, — des Becken- und Bauchraumes, — der weiblichen Geschlechtsorgane, — der Haut und Weichteile, — Scharlach, Septikämie, Endokarditis. Besondere Bedeutung hat die Therapie mit Clindamycin in folgenden Situationen: — Bei Patienten mit Allergie gegen Betalaktamantibiotika, — bei akuten Infektionen mit Anaerobierbeteiligung in Kombination mit anderen Antibiotika, — zur langfristigen oralen Behandlung einer Osteomyelitis, — zur Prophylaxe bei Patienten mit Penicillinallergie und einem hohen Risiko für eine Endokarditis. Unerwünschte Wirkungen Eine Therapie mit Clindamycin scheint relativ häufig mit Nebenwirkungen verbunden zu sein wie z.B. vermehrt auftretende Diarrhöen mit pseudomembranöser Enterokolitis als schwerwiegender Komplikation. Die Bilirubin- und Leberenzymwerte im Blut können ansteigen. Überempfindlichkeitsreaktionen verlaufen meist mit morbilliformem Exanthem, Pruritus und/oder arzneimittelbedingtem Fieber. Wegen des Gehaltes an Benzylalkohol sind die Clindamycinlösungen bei Neugeborenen und Frühgeborenen kontraindiziert. MODIFIZIERT NACH „ZEITSCHRIFT FÜR CHEMOTHERAPIE“ 2011,32:5 *Verbrauch 2010: Clindamycin HIKMA 600 mg etwa 16.000 Amp. | Clindamycin-ratiopharm 600 mg über 18.000 Tbl. Seite 3 V on der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gibt es eine Warnung über ein Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin (Lyrica®). Lyrica® ist zugelassen zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, als Zusatztherapie bei Epilepsiepatienten mit partiellen Anfällen und bei generalisierten Angststörungen. Der Wirkstoff ist ein Analogon der Gamma-Aminobuttersäure, bindet an eine Untereinheit spannungsabhängiger Calciumkanäle im ZNS und moduliert die Freisetzung verschiedener exzitatorischer Neurotransmitter. Es wurde nun über den Fall eines 39jährigen Patienten berichtet, der wegen einer generalisierten Angststörung mit Pregabalin behandelt wurde. Mehrfache Versuche des Patienten, sich Rezepte zu erschleichen und das Eingeständnis, bis zu 3000 mg des Arzneimittels täglich einzunehmen (empfohlene Tageshöchstdosis 600 mg) lassen auf eine Abhängigkeit schließen. Pharmakodynamisch ist aufgrund der GABA-ergen Eigenschaften von Pregabalin eine Abhängigkeitsentwicklung vorstellbar. Als der wichtigste sedierende und entspannende Neurotransmitter löst GABA entsprechende psychische Reaktionen aus. Bei zahlreichen GABA-ergen Substanzen, wie zB. Benzodiazepinen, Barbituraten und Alkohol liegt ein Abhängigkeitspotenzial vor. Kürzlich wurde ein weiterer Fallbericht einer Abhängigkeit von Pregabalin publiziert. Der betroffene Patient hatte eine Heroinabhängigkeit in der Vorgeschichte und Pregabalin war ihm von einem Freund wegen der euphorisierenden Wirkungen empfohlen worden. Er konsumierte neben Pregabalin (bis zu 7500 mg pro Tag) noch Cannabis und Alkohol. Bei einem selbst durchgeführten Entzugsversuch kam es zu ausgeprägten vegetativen Symptomen, ein stationärer Entzug schlug fehl. Die schwedische Arzneimittelbehörde hat letztes Jahr anhand von 16 Spontanberichten ein Signal für Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzial von Pregabalin veröffentlicht. Die WHO konnte ebenfalls ein Abhängigkeitspotenzial detektieren. Auch im deutschen Spontanmeldesystem sind aktuell 1200 Berichte von Nebenwirkungen von Pregabalin erfasst, darunter weitere Fälle von Abhängigkeit und Missbrauch. Apothekenkurier 1/11 Auch wenn das Risiko möglicherweise nur gering ist, sollte insbesondere bei Suchterkrankungen in der Vorgeschichte auf Zeichen einer Abhängigkeitsentwicklung bzw. Missbrauch (Zunahme der eingenommenen Dosis) geachtet werden. MODIFIZIERT NACH DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2011;108(4):143 W D a u s r l ö n u ö n a h a a a a e ( e i i M t u h G m o a e l t r r t e a W q a ® b b ) e l y v s e o r k n a h n i n n w s e c h i w s e e : r e L e b e r s c h ä d e n Z u t E a n i u a i e o v E s b c i n ® ) i s t e i n e e o s i n o p h i l e . D n u n r < v e n a a a A h C e n n ( c ( b a e n e S t i a i i n r h s c r o a a u y h s m r a y l p u e m c v a o z o s e V t v t e b | c n o n b G F c d o p e ® v r a i h d e a D n n n b r c e o N R e n e d . o a n L t a B r n m c e e n e N k n s U P o r K n ( a n e t n ® e ) z ® . ) n B . i C n a d n e d r e S s c a h r t w a a n n < g A t e r a s < c h a E . k a n n g a s t r o i n t e s L n a l e P e r f o < . o l r e d e t I e m r o n n s ä u r e ( Z o m e t a ® ) k a n n e i n e . p r e s s u m Redaktion Dr. rer. nat. Alfred Goldinger und Layout: Fachapotheker für Klinische Pharmazie Auflage: 600 Exemplare Erscheinungsweise: Ein- bis zweimal pro Jahr Anschrift: Apotheke der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität • Langenbeckstraße 1 • 55131 Mainz Telefon: 06131/17 72 09 Telefax: 06131/17 66 52 E-Mail: [email protected] URL: http://www.klinik.uni-mainz.de/index.php?id=3007 Intranet: http://intern.klinik.uni-mainz.de/apotheke/uebersicht.html Seite 4